Plenarprotokoll 18/6 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber und Dr. Christoph Bergner 279 A Zur Geschäftsordnung Jan Korte (DIE LINKE) 279 B Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) 280 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 280 D Christine Lambrecht (SPD) 281 C Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 18/211) 282 B b) Antrag der Abgeordneten Roland Claus, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einsetzung eines Ausschusses Deutsche Einheit (Drucksache 18/109) 282 B c) Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einsetzung eines Ausschusses für kommunale Angelegenheiten (Drucksache 18/110) 282 B Manfred Grund (CDU/CSU) 282 C Roland Claus (DIE LINKE) 283 B Christine Lambrecht (SPD) 284 B Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 284 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 285 C Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) 286 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 286 D Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 18/212) 288 A Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (13. SGB V-Änderungsgesetz – 13. SGB V-ÄndG) (Drucksachen 18/200, 18/206 (neu)) 288 A Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ für den Zeitraum 2014–2020 (Drucksachen 18/13, 18/177) 288 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten, gegen -bestimmte Lepidopteren resistenten Maisprodukts (Zea mays L. Linie 1507) für den Anbau gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – KOM(2013) 758 endg.; Ratsdok. 16120/13 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Mais-linie 1507 für den Anbau in der EU (Drucksache 18/180) 288 D Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler, Dr. Tobias Lindner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erneute Überprüfung der Deutschen Energieagentur (dena) durch den Bundesrechnungshof (Drucksache 18/181) 289 A Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenver-sicherung für das Jahr 2014 (Beitragssatzgesetz 2014) (Drucksache 18/187) 289 B Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 289 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 290 B Karl Schiewerling (CDU/CSU) 291 C Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) 292 B Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 293 D Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen) 294 D Thomas Jurk (SPD) 295 B Katja Mast (SPD) 295 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 296 C Paul Lehrieder (CDU/CSU) 297 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) 298 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 298 D Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von den Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Drucksache 18/8) 299 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 300 A Thomas Silberhorn (CDU/CSU) 301 C Stefan Liebich (DIE LINKE) 303 A Thomas Silberhorn (CDU/CSU) 303 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 303 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 305 C Johannes Kahrs (SPD) 306 A Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) 307 B Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 308 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 308 D Dr. Edgar Franke (SPD) 310 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 310 C Tagesordnungspunkt 15: Wahl der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 311 C Ergebnis 315 A Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Betreuungsgeld-gesetzes (Drucksache 18/5) 311 D Diana Golze (DIE LINKE) 312 A Dorothee Bär (CDU/CSU) 313 A Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 315 B Dagmar Ziegler (SPD) 316 B Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) 317 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) 318 B Sönke Rix (SPD) 319 A Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Den NATO-Bündnisfall umgehend beenden (Drucksache 18/202) 319 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 320 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) 320 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 321 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 322 C Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 323 A Lars Klingbeil (SPD) 323 B Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 324 A Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 324 D Nächste Sitzung 326 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 327 A/C Anlage 2 Verzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl der Bundesbeauftragten für den Datenschutz teilgenommen haben 328 A/C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 330 B/D Inhaltsverzeichnis 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 Beginn: 10.07 Uhr Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den zurückliegenden Tagen feierte der Kollege Dr. Heinz Riesenhuber seinen 78. Geburtstag (Beifall) und der Kollege Dr. Christoph Bergner seinen 65. Geburtstag. (Beifall) Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich dazu nachträglich sehr herzlich und wünsche Ihnen beiden alles erdenklich Gute. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer interfraktionellen Absprache soll von der Frist für den Beginn der Beratungen, soweit erforderlich, abgewichen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist das so beschlossen. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Von wem?) Die Fraktion Die Linke hat beantragt, die Wahl der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – Tagesordnungspunkt 15 – von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das Wort zur Geschäftsordnung hat jetzt der Kollege Jan Korte von der Linken. Bitte schön. (Beifall bei der LINKEN) Jan Korte (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz begründen, warum wir beantragen, die für heute vorgesehene Wahl des oder der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit abzusetzen. Erstens. Wir erleben zurzeit – das ist ja schwerlich zu übersehen – einen der größten Geheimdienstskandale, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf internationaler Ebene. Viele Menschen sind verunsichert. Mithin ist die freie Kommunikation auch in diesem Land gefährdet und infrage gestellt. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) Zunehmend mehr Menschen sind dadurch verunsichert und werden daran gehindert, ihr Grundrecht auf freie Kommunikation wahrzunehmen. Deswegen – ich glaube, da müsste hier im Hause eigentlich Einigkeit herrschen – müssen wir dafür sorgen, dass mit Beginn dieser Legislaturperiode eine neue Ära hinsichtlich des Datenschutzes und der Bürgerrechte anbricht. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Und das muss gerade einer von der Stasipartei sagen!) In dieser Frage kommt dem Bundesbeauftragten natürlich eine Schlüsselstellung zu. Wir haben, wie nicht anders zu erwarten, einen sehr klugen und schlauen Vorschlag gemacht. (Lachen der Abg. Christine Lambrecht [SPD]) Wir schlagen Ihnen vor, dass wir, statt heute die Wahl des Bundesdatenschutzbeauftragten durchzuführen, über die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg versuchen, einen gemeinsamen Kandidaten oder eine gemeinsame Kandidatin zu finden, die dieses im Moment und vor allem in Zukunft so wichtige Amt fachlich ausgezeichnet ausfüllen kann. (Beifall bei der LINKEN) Wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam zu schauen, wer dafür infrage kommt, vielleicht sogar jemand, der unabhängig bzw. parteilos ist. Es gibt unter den Datenschutzbeauftragten auch der Länder exzellente Kolleginnen und Kollegen, die hier sehr kompetent agieren könnten. Das ist unser Vorschlag. Zweitens sollten wir, wenn wir denn einen neuen Datenschutzbeauftragten wählen, auch dafür sorgen, dass gleich ein großer Wurf gelingt. Das bedeutet, dass wir auch strukturell eine substanzielle Aufwertung der Behörde des Bundesdatenschutzbeauftragten herbeiführen sollten. Das bedeutet vor allem – das ist ganz entscheidend – die Herstellung der völligen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten, also die endgültige Herauslösung aus dem Bundesinnenministerium. Dafür ist es höchste Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der LINKEN) Lange Rede, kurzer Sinn: Wir möchten, dass wir uns überfraktionell darüber verständigen. Deswegen schlagen wir vor, diese Wahl nicht heute durchzuführen und möglichst schnell eine überfraktionelle Kommission oder Arbeitsgruppe einzurichten, die sich auf den Weg macht, jemanden zu finden, der fachkompetent ist, also zwar für uns alle anstrengend, aber fachlich optimal. Zu der von der Regierung vorgeschlagenen Kandidatin nur so viel: Ich kenne die ehemalige Kollegin Voßhoff und halte sie für eine integre Person. Aber eines will ich politisch schon sagen: In Anbetracht der gegenwärtigen Debatten über die NSA- und Geheimdienstaffären will ich zumindest infrage stellen, ob es wirklich das politisch richtige Zeichen wäre, ausgerechnet eine Person zur Bundesdatenschutzbeauftragten zu wählen, die in den vergangenen Legislaturperioden die Vorratsdatenspeicherung, die Onlinedurchsuchung und die Erweiterung der Kompetenzen der Geheimdienste unterstützt hat. Denken Sie darüber angesichts der aktuellen Ereignisse noch einmal nach. Wir bitten um Vertagung dieses Tagesordnungspunktes. Schönen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Michael Grosse-Brömer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bestimmen heute, wer Datenschutzbeauftragter bzw. -beauftragte werden soll. Wir alle, die wir hier sitzen, sind frei gewählt und demokratisch legitimiert. Deswegen können wir eine solche Wahl durchführen. Wir haben uns für eine sehr renommierte Kollegin entschieden, die fraktionsübergreifend als gute Rechtspolitikerin, als gute Juristin bekannt ist und viele Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages war. Wir haben uns entschieden, Ihnen heute dieses hervorragende Angebot zu machen. (Zurufe von der LINKEN) Ich muss in Richtung Linke sagen, Herr Korte: Wir haben auf Entscheidungen, die Ihre Fraktion getroffen hat, sehr viel Rücksicht genommen. Es ist auch gut, dass die Fraktionen ihre Personalangebote selbst bestimmen und die anderen Fraktionen sich bei der Bewertung zurückhaltend verhalten. (Roland Claus [DIE LINKE]: Na ja, zurückhaltend!) Nur das wünschen wir uns heute auch von Ihnen. Die Zeit, in der die SED oder ihre Rechtsnachfolgerin bestimmt hat, (Widerspruch bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der LINKEN: Ach! – Nicht das schon wieder! – Was soll denn das jetzt?) was andere Fraktionen vorzuschlagen haben und welche Personalentscheidungen zu treffen sind, ist vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Ist das flach! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na! Wir akzeptieren ja auch Frau Lötzsch!) Wir schlagen Ihnen heute eine Kollegin vor, die während ihrer Arbeit im Deutschen Bundestag unter Beweis gestellt hat, dass sie in der Lage ist, datenschutzrechtlich nüchtern zu analysieren und datenschutzrechtlich klug zu handeln. Diese Wahl muss heute stattfinden, weil dies der richtige Zeitpunkt ist. Diese Kandidatin muss nach unserer festen Überzeugung gewählt werden, weil sie eine gute und die richtige Kandidatin für dieses Amt ist. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Britta Haßelmann. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, Frau Haßelmann, da sind wir gespannt!) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na ja, wenn Herr Kauder schon gespannt ist! – Guten Morgen zusammen! (Volker Kauder [CDU/CSU]: Guten Morgen, Frau Haßelmann!) Nach § 22 des Bundesdatenschutzgesetzes wird der oder die Bundesdatenschutzbeauftragte von der Bundesregierung vorgeschlagen und vom Deutschen Bundestag gewählt. Ich mache keinen Hehl daraus, dass unserer Fraktion der Personalvorschlag, der gemacht wurde, nicht passt, und zwar nicht, weil wir irgendwelche Zweifel an der Integrität der Person hätten, sondern weil wir uns fragen: Was soll sozusagen die Auszeichnung der Person beim Thema Datenschutz sein angesichts der bisherigen Positionierung der Person zum Thema Datenschutz, zum Thema Vorratsdatenspeicherung, zum Thema Netzsperren und zu vielen anderen Fragen, bei denen es um die datenschutzrechtliche Abgrenzung von Freiheits- und Bürgerrechten ging. Deshalb haben meine Kolleginnen und Kollegen, die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker, an dem Besetzungsvorschlag öffentlich massive Kritik geübt. Aber den Weg, den die Linke vorschlägt, also die Wahl des oder der Bundesdatenschutzbeauftragten von der Tagesordnung abzusetzen, können wir, ehrlich gesagt, auch nicht nachvollziehen. Was würde das denn bedeuten? Was würde das nach außen für ein Signal sein? Wir haben seit dem 16. Dezember keinen Bundesdatenschutzbeauftragten mehr, und das in einer Situation, in der wir in dieser Republik dringend einen Datenschutzbeauftragten brauchen. Durch den NSA-Skandal ist doch überdeutlich geworden, dass das Thema „Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte“ bzw. die Wahrung gerade dieser beiden elementaren Grundrechte von zentraler Bedeutung ist. Deshalb brauchen wir eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten, und zwar sofort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir halten es für absolut falsch, wie man mit Peter Schaar umgegangen ist. Peter Schaar ist in Sachen Datenschutz eine hochqualifizierte, hochanerkannte Persönlichkeit. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Deswegen ist er auch wiedergewählt worden!) Sein Engagement ist weit über die Parteigrenzen hinaus in der Öffentlichkeit bekannt und hochakzeptiert gewesen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Deswegen haben wir ihn auch einmal vorgeschlagen!) Es war total falsch, wie insbesondere Innenminister Friedrich mit Peter Schaar in der Situation umgegangen ist, als seine Amtszeit abgelaufen war und wir keinen Bundesdatenschutzbeauftragten mehr hatten. Da keinen Übergang zu schaffen, das war schon ein starkes Stück, das war schon peinlich. Ich glaube, Sie haben ihn noch nicht einmal vernünftig verabschiedet. Ich finde das wirklich unmöglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) So geht man mit Leuten, die jahrelang hervorragende Arbeit geleistet haben, nicht um; das sage ich auch einmal in Richtung SPD. Man hätte während der Koali-tionsverhandlungen auch einmal darauf drängen können, dass mit dem Kollegen vernünftig umgegangen wird. Eines ist aber völlig klar: Wir haben von Anfang an gesagt, dass es einen nahtlosen Übergang geben muss, dass diese Stelle, diese Funktion auf gar keinen Fall unbesetzt bleiben darf, Jan Korte. (Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Wir können hier doch jetzt nicht sagen: Wir haben zwar einen der größten Skandale im Hinblick auf die Bürger- und Freiheitsrechte, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na!) aber wir überlegen jetzt erst einmal ein paar Monate, wie wir das ganze Thema managen und setzen eine große Findungskommission ein. Ich halte diesen Vorschlag für falsch. (Jan Korte [DIE LINKE]: Peter Schaar kann doch weitermachen!) Meine Fraktion wird entsprechend abstimmen. Fachlich beurteilen wir das völlig anders; aber wir können es uns jetzt nicht leisten, monatelang zu überlegen, welche neuen Funktionen der Bundesdatenschutzbeauftragte beim Thema Datenschutz bekommen soll. Dazu ist der Zeitpunkt viel zu brisant. Wir müssen diese Funktion schnell neu besetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Christine Lambrecht. Christine Lambrecht (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht sonderlich verwundern, dass auch wir, die SPD-Fraktion, diesem Antrag nicht zustimmen. Lieber Jan Korte, Sie haben die Begründung quasi mitgeliefert. Wenn man gemäß Ihrem Antrag im Angesicht des NSA-Skandals, in dem wir doch über einen Datenschutzbeauftragten sprachfähig sein müssen, die Wahl verschiebt und eine interfraktionelle Findungskommission aufsetzt – das erinnert mich ein bisschen an eine Casting-Show –, (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das war beim letzten Mal so! – Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) würde das ja bedeuten, dass wir noch länger – die Situation besteht ja jetzt – nicht sprachfähig sind. Allein aus diesem Grund werden wir diesem Antrag heute nicht zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir brauchen ganz dringend wieder einen handlungsfähigen, einen unabhängigen Datenschutzbeauftragten bzw. in diesem Fall eine Datenschutzbeauftragte. (Jan Korte [DIE LINKE]: Diese Kandidatin?) Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar – ich möchte ihm an dieser Stelle ausdrücklich für seine Arbeit danken; diese hat er wirklich gut gemacht – (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) hat uns eindringlich davor gewarnt, es nicht zu einer Kontrolllücke kommen zu lassen. Deswegen muss die Wahl heute sein. Wir können uns nicht erlauben, dieses Amt nicht zu besetzen, nur weil irgendjemandem, weil euch eine Person nicht gefällt. Das geht so nicht. (Jan Korte [DIE LINKE]: Er könnte doch so lange weiter amtieren!) Deswegen brauchen wir diese Entscheidung hier und heute. Ich will noch etwas zur politischen Unabhängigkeit sagen. Selbstverständlich muss die Bundesdatenschutzbeauftragte unabhängig sein, sie muss politisch unabhängig agieren. Das wird sie auch tun; das hat auch Peter Schaar bewiesen. Das bedeutet aber nicht, dass man deswegen parteilos sein muss. (Jan Korte [DIE LINKE]: Nö, habe ich auch nicht gesagt!) Das war bei Peter Schaar auch nicht der Fall. Es kommt vielmehr darauf an, wie man dieses Amt ausfüllt und wahrnimmt. Aus den genannten Gründen werden wir diesem Antrag nicht zustimmen und treten dafür ein, heute Nachmittag diese Wahl durchzuführen. Wir sind nämlich der Meinung, dass es dringend notwendig ist, diese Stelle endlich wieder zu besetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die beantragte Absetzung des Tagesordnungspunktes 15? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Geschäftsordnungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 c auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einsetzung von Ausschüssen – Drucksache 18/211 – b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland Claus, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Einsetzung eines Ausschusses Deutsche Einheit – Drucksache 18/109 – c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Kunert, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Einsetzung eines Ausschusses für kommunale Angelegenheiten – Drucksache 18/110 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Manfred Grund, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Manfred Grund (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor drei Monaten, am 22. September, wurde in Deutschland ein neuer Bundestag, der 18. Bundestag, gewählt. Es war die Entscheidung der Wähler, dass CDU/CSU 41,5 Prozent Stimmenanteil erhielten, SPD 25,7 Prozent, die Linke 8,6 Prozent und Bündnis 90/Die Grünen 8,4 Prozent. Es war auch die Entscheidung der Wähler, dass die FDP mit 4,8 Prozent nicht mehr im Bundestag vertreten ist. Der 18. Deutsche Bundestag hat 631 Abgeordnete, 10 Abgeordnete mehr als der 17. Deutsche Bundestag. Wahlergebnis, Sondierungsgespräche, Koalitionsverhandlungen und die Mitgliederbefragung bei der SPD führten dazu, dass wir heute zur Einsetzung der ständigen Bundestagsausschüsse, der Bundestagsfachausschüsse, kommen können. Dass dies drei Monate nach der Bundestagswahl geschieht, heißt aber nicht, dass das Parlament nicht arbeitsfähig ist und nicht gearbeitet hat. Mit der Einsetzung eines Hauptausschusses am 28. November war die Arbeitsfähigkeit hergestellt. Mit dem heutigen Einsetzungsbeschluss für 22 ständige Ausschüsse und deren Arbeitsaufnahme Mitte Januar wird der Hauptausschuss seine Tätigkeit wieder einstellen können. Die ständigen Ausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu besetzt. Dabei kann die Anzahl der Ausschüsse durchaus variieren. So hatte der erste Bundestag 1949 insgesamt 40, der sechste Bundestag hingegen nur 17 ständige Ausschüsse. Bei der Bildung der Ausschüsse hat der Bundestag nicht völlig freie Hand. Einige Ausschüsse schreibt das Grundgesetz vor, andere ergeben sich zwangsläufig aus bestimmten gesetzlichen Formulierungen. Zu diesen Ausschüssen gehören zum Beispiel der Petitionsausschuss oder auch der Verteidigungsausschuss. In der Geschäftsordnung des Bundestages werden die ständigen Ausschüsse als „vorbereitende Beschlußorgane des Bundestages“ bezeichnet. In diesen ständigen Ausschüssen bzw. Fachausschüssen wird ein Großteil der parlamentarischen Arbeit zu leisten sein. Jeder Abgeordnete wird mindestens eine ordentliche Mitgliedschaft erhalten. Für die Kontrollfunktion des Parlamentes ist es wichtig, dass sich die Ausschüsse spiegelbildlich zu den Ministerien abbilden. In der Regel steht also jedem Bundesministerium ein ständiger Ausschuss gegenüber, und es macht auch Sinn, jeden Ausschuss einem Ministerium zuzuordnen. Die Größen der einzelnen Bundestagsfraktionen finden ihre Entsprechung in den noch zu konkretisierenden Ausschussvorsitzen. So entfallen auf die Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen je zwei Ausschussvorsitze, auf die SPD sieben und auf CDU/CSU elf. Anhand des heute zu debattierenden Antrages zur Einsetzung der Ausschüsse muss und kann noch etwas zum Thema Minderheitenrechte gesagt werden: Die Größe der Ausschüsse bzw. deren Zahl von Sitzen wird zu Beginn jeder Legislaturperiode durch die Fraktionen neu festgelegt – so auch diesmal. Dabei differiert die Zahl der Mitglieder zwischen 14 im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und 46 im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Nach dem Berechnungsverfahren zur Stellenverteilung nach Sainte-Laguë/Schepers haben die Oppositionsfraktionen, also Bündnis 90/Die Grünen und Linke, in Ausschüssen oder anderen Gremien mit 8 oder 16 Sitzen automatisch 25 Prozent der Sitze und damit alle Minderheitenrechte. Eine solche Gremiengröße hätte sich somit für alle Ausschüsse angeboten, in denen 16 eine angemessene Größe hätte sein können, also auch für den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Leider ist davon nur einmal Gebrauch gemacht worden, nämlich beim Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Es ist das gute Recht der Opposition, im Rahmen der interfraktionellen Abstimmung über die Ausschüsse andere Präferenzen geltend zu machen, doch wenn man die gegebenen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Minderheitenrechte nicht nutzt, dann sollte man öffentlich nicht gar so laut über fehlende Minderheitenrechte oder gar Diskriminierung klagen. Zurück zum vorliegenden Antrag: Man kann über einzelne Ausschusszuschnitte und -größen streiten, sicher ist, dass wir in und mit diesen Ausschüssen ab jetzt arbeiten können. Der Einsetzungsbeschluss ist Beleg für die Funktionsfähigkeit, aber auch für die Konsensfähigkeit unseres Parlamentes. Dank gilt denen, die den Einsetzungsantrag ausgehandelt haben. Er hat eine breite und auch eine fraktionsübergreifende Zustimmung verdient. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus, Fraktion die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zur Einsetzung von ständigen Ausschüssen stimmen wir selbstverständlich zu. Das ist auch ein schönes Zeichen für die Öffentlichkeit: Es geht doch, etwas gemeinsam zu unternehmen. Zudem schlägt Ihnen meine Fraktion vor, zwei weitere Ausschüsse, nämlich einen für kommunale Angelegenheiten und einen für die deutsche Einheit, zu bilden. (Beifall bei der LINKEN) Um es vorwegzunehmen: Der Untergang des Abendlandes stünde mit der Annahme dieser Anträge nicht ins Haus, weil es beide Ausschüsse in dieser oder ähnlicher Form im Deutschen Bundestag bereits gegeben hat. Wir wollen darüber reden und entscheiden, wo und wie sich die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, die das Grundgesetz bekanntlich vorschreibt, vollzieht. Dabei geht es sehr viel um den Osten, aber nicht nur. Wir wissen auch um strukturschwache Regionen im Ruhrgebiet; Gelsenkirchen ist gewissermaßen ein Beispiel dafür. Und natürlich haben wir die Aufgabe, Struktur- und Regionalpolitik neu zu denken. Schauen Sie sich nur einmal an, welche Auswirkungen die Finanzmarktpolitik auf die Regional- und Strukturpolitik hat. Finanzmärkte ordnen ausschließlich Metropolen. Den Zusammenhang zwischen Metropolregionen und ländlichen Räumen wiederherzustellen, wäre eine Aufgabe, die wir in einem solchen Ausschuss für die deutsche Einheit ausdrücklich zu besprechen hätten. (Beifall bei der LINKEN) Wir wollen natürlich auch nicht verhehlen, dass die Ost-West-Differenzen seit vielen Jahren nicht kleiner werden, sich die Schere also nicht schließt, sondern weiter öffnet. Wir haben nach wie vor keine einzige Firmenzentrale im Osten Deutschlands. Bei einem Blick auf das Ranking der Landkreise in Deutschland wird deutlich: Unter den 50 letztplatzierten Landkreisen in diesem Ranking sind 49 ostdeutsche Landkreise. Außerdem wollen wir erreichen, dass die Erfahrungen, die in Ostdeutschland im Umgang mit Umbruchs- und Transformationsprozessen gemacht wurden, endlich bundesweit genutzt werden. Das sind Erfahrungen mit einer wirksamen Entwicklung der Sparkassenstrukturen. Das sind Erfahrungen mit ostdeutschen Chemieparks, deren Vorteile schon jetzt in die industriepolitische Sicht einfließen. Das ist die Erfahrung der guten Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung durch eine entsprechende Kinderbetreuungsstruktur. Das sind aber auch Erfahrungen mit einer modernen und zukunftsorientierten Landwirtschaft. Wir alle wissen: Wenn Sie einen solchen Ausschuss nicht bilden, dann bilden sich da, wo die Strukturen fehlen, informelle Zusammenschlüsse. Wir als die Verantwortlichen der Fraktionen für den Osten haben uns immer in informellen Runden getroffen. Jetzt sollte man diese institutionalisieren. (Beifall bei der LINKEN) Ich will Sie an dieser Stelle auch darüber unterrichten, dass meine Fraktion Sie in einer weiteren Frage nicht in Ruhe lassen wird, nämlich in der Frage der noch immer zweigeteilten Bundesregierung. Dass noch immer fast die Hälfte der Bundesregierung in Bonn und nicht in der Bundeshauptstadt Berlin sitzt, ist für uns ein Punkt, den wir extra thematisieren werden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir schlagen Ihnen zudem vor, einen Ausschuss für kommunale Angelegenheiten einzusetzen, und zwar vor dem Hintergrund, dass sich der Bund mit seiner Gesetzgebung und mit seiner exekutiven Politik – das wissen Sie alle – in viele Tausend kommunale Angelegenheiten einmischt. Der Bundestag wäre deshalb gut beraten, sich im Rahmen eines solchen Ausschusses für kommunale Angelegenheiten für die Auswirkungen seines Tuns zu interessieren, um zu sehen, wie sich das, was wir hier im Bundestag beschließen, auswirkt. Sie wissen: In den Kommunen findet das reale Leben statt. Sich da Rat zu holen, würde uns als Bundestagsabgeordneten gut zu Gesicht stehen. (Beifall bei der LINKEN) Ich will als letzten Punkt anführen: Wir sollten durchaus aus der Geschichte lernen. Der erste Ausschuss für Kommunales wurde im Bonner Bundestag im Jahre 1951 mit guten Gründen eingesetzt. Der damalige CDU-Abgeordnete Dr. Dresbach führte abschließend zur Begründung seines Antrags das Argument ein: Kommunalpolitiker aller Parteien, vereinigt euch! – So sein Wort. Ein kluges Wort! (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wollten Sie hier immer schon mal sagen, oder?) Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Vereinigung würde am besten in einem solchen Ausschuss funktionieren. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Christine Lambrecht. (Beifall bei der SPD) Christine Lambrecht (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es dieses Mal etwas länger gedauert hat: Jetzt kann es losgehen. Der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet. Die Regierung ist gewählt. Jetzt werden die entsprechenden Fachausschüsse eingesetzt. Ich glaube, wir alle freuen uns darauf, dass nun wieder das normale Parlamentsleben einziehen kann. Wir beschließen die Einsetzung der ständigen Ausschüsse. Dabei sind die thematischen Zuschnitte der Ausschüsse entsprechend den Zuschnitten der jeweiligen Ministerien gewählt worden. Beispielsweise wird in Zukunft der Rechtsausschuss nicht mehr allein „Rechtsausschuss“ heißen, sondern wird entsprechend dem Zuschnitt des Ministeriums eben zum „Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz“. Auch der Wirtschaftsausschuss, der früher „Ausschuss für Wirtschaft und Technologie“ hieß, wird jetzt entsprechend dem Zuschnitt des Ministeriums zum „Ausschuss für Wirtschaft und Energie“. Ich denke, das macht durchaus Sinn. Das Warten hat sich jedoch auch an einer anderen Stelle gelohnt. In der letzten Legislaturperiode haben wir 22 ständige Ausschüsse eingesetzt. Heute machen wir das auch. Aber es wird ein weiterer Ausschuss dazukommen, nämlich der Ausschuss, der sich mit den Fragen Internet und digitale Agenda beschäftigt. Zur Einsetzung dieses Ausschusses wird es im Februar nächsten Jahres kommen. Es ist ganz wichtig, dass bei dieser Thematik deutlich wird, dass wir mit einem solchen Ausschuss ein Zeichen setzen und über die vielen Fachbereiche hinweg eine Bündelung vornehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Die Einsetzung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ wurde vom Deutschen Bundestag einstimmig beschlossen. Bislang gab es lediglich den Unterausschuss Neue Medien. Netzpolitik ist jedoch viel mehr. Es ist ein Querschnittsthema – das brauche ich heute nicht näher auszuführen – von Arbeit bis zur Wirtschaft, vom Datenschutz bis zum Urheberrecht und Verbraucherschutz. Die Digitalisierung ist eine in alle Lebensbereiche eingreifende Entwicklung, die noch lange nicht abgeschlossen ist und bei der noch ganz viel im Fluss ist. Deswegen halten wir es für wichtig, dass es dafür einen eigenständigen, selbstständigen Ausschuss gibt. Deswegen machen wir die Ansage, dass wir das Tableau im Februar noch erweitern werden. Schön, dass wir uns auch in diesem Punkt einigen konnten. Ich will an der Stelle auch den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführern Dank sagen, mit denen dieses Tableau ausgehandelt wurde. Als Neue in diesem Bund sage ich vielen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit. Meine Kolleginnen und Kollegen, nicht für sinnvoll halten wir allerdings den Antrag der Linken auf Einsetzung eines Ausschusses Deutsche Einheit sowie eines Ausschusses für kommunale Angelegenheiten. Man könnte fast sagen: Alle Jahre wieder bzw. jede Legislaturperiode wieder kommt dieser Antrag. Um es vorwegzusagen: Ich bin mir der Wichtigkeit dieser beiden Themenkomplexe durchaus bewusst und möchte die besondere Bedeutung sowohl des Auftrags zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse als auch der kommunalen Angelegenheiten in keiner Weise schmälern. Ganz im Gegenteil: Ich habe lange Jahre Kommunalpolitik gemacht und weiß um deren Bedeutung und was vor Ort alles an Wichtigem geschieht. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Lambrecht, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Notz? Christine Lambrecht (SPD): Na klar. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Können Sie uns die Frage beantworten, warum der Internetausschuss nicht heute, sondern erst im Februar eingesetzt wird, und können Sie uns sagen, für welche Themen er die federführende Zuständigkeit bekommt? – Vielen Dank. Christine Lambrecht (SPD): Sie haben quasi die Antwort vorweggenommen, Herr von Notz. Um all diese Fragestellungen geht es noch. Wir sind am Verhandeln. Es wird einen Ausschuss geben. Das ist die klare Ansage. Aber dabei geht es um folgende Fragen: Ist er mitberatend? Wo ist er angesiedelt? Gibt es überhaupt eine solche Ansiedlung, oder ist es sozusagen ein frei schwebender Ausschuss? Das sind alles Fragestellungen, die noch geklärt werden. Aber die Ansage ist ganz klar: Dieses Thema soll prominent mit einem eigenständigen, selbstständigen Ausschuss behandelt werden. Ich bitte um ein paar Wochen Geduld. Das wird, glaube ich, noch auszuhalten sein. Dann kann es mit der Arbeit losgehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte noch ein paar Takte zum Ausschuss Deutsche Einheit sagen. Wir haben uns nicht aus bösem Willen vor einigen Jahren gegen einen solchen selbstständigen Ausschuss entschieden, sondern, wie ich finde, mit sehr stichhaltigen Argumenten. Lassen Sie mich das ausführen. Beim Aufbau Ost – das brauche ich nicht im Einzelnen auszuführen – ist viel geschafft worden. Jetzt, im 24. Jahr nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit und zur Halbzeit des seit 2005 laufenden Solidarpaktes II, weisen die ostdeutschen Länder nach dem diesjährigen Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit, den wir demnächst auch debattieren, insgesamt eine gute Lebensqualität auf. Trotz dieser in der Gesamtbetrachtung positiven Entwicklung gibt es einen nicht zu vernachlässigenden Handlungsbedarf bei der Herstellung der gleichen Lebensverhältnisse. Nur ist dieser Handlungsbedarf kein ganz grundsätzlicher mehr, wie es ursprünglich bei der Einsetzung dieses Ausschusses erforderlich war, sondern er hat mit ganz vielen unterschiedlichen Themen zu tun. Er ist nicht mehr grundsätzlich, sondern erstreckt sich auf viele Fachbereiche. Deswegen muss dieses Thema nach unserer Meinung fachspezifisch behandelt werden und nicht in einem gesonderten Ausschuss. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen – ich habe das vorhin schon angesprochen; das hat auch etwas mit meiner Vita zu tun, da ich sehr lange und auch schon sehr früh Kommunalpolitik gemacht habe –, dass Kommunalpolitik meiner Meinung nach eine Querschnittsaufgabe ist. Dazu gehören Themen wie „Soziale Stadt“, Finanzen, aber auch Inneres in der Kommune. Deswegen sind wir der Meinung, dass das Thema als Querschnittsaufgabe behandelt werden muss. Aber ich glaube nicht, dass es dafür eines eigenständigen Ausschusses bedarf, sondern man kann das auch wie bisher in einem Unterausschuss behandeln. Darin sind wir in der Gestaltung frei. Das Thema Kommunales muss natürlich intensiv behandelt werden können. Dem stehen wir nicht im Weg. Im Gegenteil: Das werden wir entsprechend forcieren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat jetzt die Kollegin Britta Haßelmann für Bündnis 90/Die Grünen. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Heute ist der 19. Dezember. Am 22. September wurde gewählt. Ich finde, die Zeit ist reif – eigentlich ist es längst überfällig –, dass heute endlich die Ausschüsse eingesetzt werden, wenn auch mit Verspätung. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Deshalb hatten wir den Hauptausschuss!) Ich glaube, dass die letzten Monate uns nicht gut getan haben, was die Arbeitsfähigkeit des Parlaments angeht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Nachgang möchte ich bei allem Verständnis sagen: Falls es noch einmal zu der Situation kommt, dass lange Koalitionsverhandlungen geführt werden, muss die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes früher hergestellt werden. Es kann nicht sein, dass 631 Abgeordnete sich damit abfinden müssen, dass einige Mitglied eines extra eingesetzten Hauptausschusses werden, der auch noch sehr zweifelhafte Geschäftsordnungsgrundlagen für seine Arbeit hat, während die meisten von ihnen dazu verdammt sind, abzuwarten, in welchem Ausschuss sie irgendwann landen werden. Ich habe absolutes Verständnis für all diejenigen, die sagen: Das geht so nicht. Ein Parlament im Wartestand – das waren wir jetzt die ganze Zeit –, das war falsch, und das kann man heute auch nicht schönreden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bin froh, dass wir heute endlich die Einsetzung der Ausschüsse beschließen und arbeitsfähig werden. Jetzt muss der Hauptausschuss, für den Sie sich, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, so gefeiert haben, noch liquidiert werden. Ich bin gespannt, wer das nun einleitet. Wir stehen dann vor der Aufgabe, dass alle Vorlagen, die Sie an den Hauptausschuss überwiesen haben – eine großartige Beratungsschleife –, an die ordentlichen Ausschüsse, die wir heute einsetzen, überwiesen werden. Wer sich das von außen einmal genauer anschaut, der sieht, was für eine Posse dieser Hauptausschuss bzw. seine Einsetzung war. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Grund, mitnichten ist das Thema Minderheitenrechte mit der Einsetzung der 22 Ausschüsse abgehandelt. Sie haben auf die Größe der Ausschüsse verwiesen. Wir können gerne noch einmal über die gestrigen Verhandlungen reden, über den Wunsch, Ausschüsse mit 16, 18, 31 oder noch mehr Mitgliedern einzusetzen. Aber an der Größe der Ausschüsse lässt sich nicht erkennen, ob die Minderheitenrechte ausreichend berücksichtigt werden. Wir haben die klare Vorstellung, dass die Minderheitenrechte der beiden Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag in der Geschäftsordnung und anderen gesetzlichen Regelungen verbrieft werden müssen. Es reicht nicht, dass der Bundestag in einer Absichtserklärung beschließt, die Minderheitenrechte einhalten zu wollen. Wir haben schon beim Streit über die Redezeiten gemerkt, wie schwierig das ist. Meine Fraktion will auf keinen Fall auf den Goodwill Ihrer beiden großen Fraktionen angewiesen sein. Vielmehr wollen wir verbriefte Minderheitenrechte für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, die Einsetzung einer Enquete-Kommission und die Durchführung öffentlicher Anhörungen und viele andere Punkte. Das alles ist in der Geschäftsordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen zu regeln. Ich hoffe, dass wir im Januar oder im Februar nächsten Jahres endlich dazu kommen, das alles verbindlich festzuschreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Über die Einsetzung der 22 Ausschüsse haben wir Einvernehmen hergestellt; das haben meine Vorredner schon dargelegt. Wir haben uns darauf verständigt. Wir sind sehr für die Einsetzung eines 23. Ausschusses. Die Enquete-Kommission, in der vier Jahre lang mit Sachverständigen über Fragen betreffend die digitale Welt, das Internet und die Netzpolitik sehr intensiv diskutiert wurde, hat uns ganz klar empfohlen, einen entsprechenden Ausschuss des Deutschen Bundestags einzusetzen. Das halten wir für richtig und notwendig. Die beiden Koalitionsfraktionen haben uns die Einsetzung eines solchen Ausschusses im Januar oder Februar zugesagt. Daran werden wir Sie messen. Ich hoffe, dass das auch geschieht. Ein solcher Ausschuss braucht natürlich anständige Kompetenzen. Sonst brauchen wir ihn erst gar nicht einzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Noch kurz zur Linken. Herr Claus, es tut mir leid, aber das muss ich einfach sagen. Im November nächsten Jahres feiern wir den 25. Jahrestag des Mauerfalls. Nun kommen Sie mit einem Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses Deutsche Einheit. Ich bitte Sie! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Es geht nicht um Himmelsrichtungen. Es geht nicht um die Frage, wo Strukturschwächen bestehen, wo demografischer Wandel herrscht (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Der heißt auch „Angleichung von Lebensverhältnissen!) oder wo es Regionen gibt, die sich abgehängt fühlen. Vielmehr geht es darum, dass wir strukturschwache Regionen unterstützen, und zwar sowohl im Westen als auch im Osten Deutschlands. (Jan Korte [DIE LINKE]: Da drüben sitzen die Regierungsfraktionen, nicht hier!) Dazu brauchen wir nicht die Einsetzung eines Ausschusses Deutsche Einheit 25 Jahre nach dem Fall der Mauer. Beim Thema Kommunen sehen wir das anders. Dabei unterstützen wir Sie, weil klar ist, dass der Unterausschuss, den wir in der letzten Legislatur hatten, sehr wirkungslos war. Hier wäre es wichtig, etwas im Interesse der Kommunen zu tun. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Als letzter Redner in der Debatte hat jetzt der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zuerst von meiner Seite aus ein Wort des Dankes an die 47 Mitglieder im Hauptausschuss, der, wenn wir den Beschluss über die Einsetzung der 22 Fachausschüsse fassen werden, aufgehört haben wird zu existieren. Ich glaube, Frau Kollegin Haßelmann, das war keine Posse, sondern das war eine pragmatische Notwendigkeit in einer schwierigen Übergangszeit. Ich glaube, dass wir letztendlich gemeinsam, Opposition und jetzige Regierungsfraktionen, in einer pragmatischen und effizienten Art und Weise die Arbeit verrichtet haben. In meinen Dank möchte ich den Herrn Vorsitzenden, unseren Kollegen und Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, einschließen. Wer in diesem Ausschuss war, hat eine historische Zeit genossen, und es war keine schlechte Zeit; das muss ich Ihnen sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Erzähl mal Näheres! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Zwei Sitzungen!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Rehberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck? Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Immer gerne. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verehrter Herr Kollege, hier in den Reihen gibt es allgemein das Bedürfnis, dass Sie dem Hohen Hause vielleicht ganz kurz – ich schenke Ihnen dadurch zusätzliche Redezeit – die wichtigsten Ergebnisse der Beratungen des Hauptausschusses kundtun, damit wir alle das entsprechend würdigen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Die wichtigen Ergebnisse dieses Ausschusses, Herr Kollege Beck, wurden Ihnen allen per E-Mail zugesandt. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt Protokolle und Beschlüsse der jeweiligen Sitzungen. Wenn Sie lesen können, können Sie auch die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Also nichts!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Claus, wer wirklich gesamtdeutsche Verantwortung wahrnehmen will – im Jahr 2014 feiern wir 25 Jahre Fall der Mauer und im Jahr 2015 25 Jahre deutsche Einheit –, der kann aus meiner Sicht nicht sagen: Wir lösen die Probleme einer Region im Osten – mit Berlin sind das sechs Länder –, indem wir einen separaten Ausschuss einrichten. Meine Erfahrung und meine Wahrnehmung als Haushälter sind andere. Ich habe links einen Kollegen aus Baden-Württemberg und rechts einen aus Bayern sitzen. Natürlich gibt es dort unterschiedliche Interessenlagen. Ich muss akzeptieren, dass, wenn die Kollegen über Ortsumgehungen reden, sie über 40 000, 50 000 oder 60 000 Fahrzeuge pro Tag reden. Das akzeptiere ich. Ich muss gleichzeitig darauf hinweisen, dass von den rund 15 Milliarden Euro für die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ knapp 5 Milliarden Euro in die alten Bundesländer geflossen sind. Aber das war notwendig. Ich glaube, die Ergebnisse der letzten vier Jahre zeigen die Bedeutung der einzelnen Fachausschüsse. Herr Kollege Claus, wir sind eine stolze Truppe von 59 Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin, Thüringen und Sachsen. Wir sind deswegen besonders stolz, weil wir in den Flächenländern bis auf einen einzigen Wahlkreis alle Wahlkreise direkt gewonnen haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Alles Muttisöhne!) Deswegen werden wir uns in den einzelnen Fachausschüssen gemeinsam mit den Kollegen aus Niedersachsen oder aus Bayern – es gibt immer wieder Gemeinsamkeiten, zum Beispiel bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur – für die entsprechenden Themen und Fachgebiete einsetzen. Wenn Sie meinen, extra für den kommunalen Bereich einen eigenen Ausschuss zu brauchen, dann will ich Ihnen entgegenhalten, dass die größte Entlastung der Kommunen in den letzten vier Jahren stattgefunden hat. Leider ist die damals in Mecklenburg-Vorpommern zuständige Sozialministerin, die heutige Bundesministerin Schwesig, heute nicht anwesend. In dem von ihr verantworteten Gesetzentwurf, der in den Landtag Mecklenburg-Vorpommern eingebracht wurde, schrieb sie – ich zitiere –, „ab 2014 ergeben sich insgesamt erhebliche Entlastungen für das Land und die Kommunen“. Die zusätzlichen Einnahmen der Kommunen im kommenden Jahr lägen voraussichtlich bei etwa 38 Millionen Euro und die des Landes voraussichtlich bei etwa 17 Millionen Euro. Dies komme der Finanzierung der Grundsicherung im Alter zugute. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Schwesig schrieb „erhebliche Entlastungen“. Herr Kollege Claus, ich will Ihnen den Grund dafür nennen. Wenn Sie sich die Statistik der Altersarmut, sprich: der Empfänger von Grundsicherung im Alter, anschauen, dann stellen Sie fest: In den neuen Bundesländern beträgt der Anteil der Betroffenen an der Gesamtbevölkerung mit rund 1,3 Prozent strukturell nur etwa die Hälfte des Anteils in Deutschland insgesamt, nämlich 2,7 Prozent. Ein Gutachten der Universität Rostock besagt, dass mit keinem signifikanten Anstieg der Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter in den nächsten zehn Jahren gerechnet werden muss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ihnen an dieser Stelle eine weitere Zahl nennen: In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit der Kanzlerschaft von Angela Merkel – Herr Kollege Claus, Sie reden ständig von Ungerechtigkeiten – von 120 000 im Jahr 2006 auf 60 000 in diesem Jahr halbiert. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das hat was mit dem Alter der Betreffenden zu tun! Die sind in Rente!) Angesichts einer solchen Zahl muss ich Ihnen ganz einfach sagen: Wir brauchen weder einen Ausschuss Deutsche Einheit noch einen Ausschuss für kommunale -Angelegenheiten. Meine Auffassung hierzu ist: Kommunale Interessen und Interessen der jeweiligen Region kann man viel besser gemeinsam in den jeweiligen Fachausschüssen wahrnehmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/211 zur Einsetzung von Ausschüssen. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/109 zur Einsetzung eines Ausschusses Deutsche Einheit. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/110 zur Einsetzung eines Ausschusses für kommunale Angelegenheiten. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen – Drucksache 18/212 – Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag auf Drucksache 18/212. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (13. SGB V-Änderungsgesetz – 13. SGB V-ÄndG) – Drucksache 18/200 – Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses – Drucksache 18/206 (neu) – Berichterstattung: Abgeordnete Jens Spahn Heidtrud Henn Wolfgang Gehrcke Kerstin Andreae Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/206 (neu), den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/200 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Nein, zwei Enthaltungen!) – Zwei Enthaltungen. Also noch einmal: Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei zwei Enthaltungen mit den Stimmen fast des gesamten Hauses angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist bei zwei Enthaltungen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ für den Zeitraum 2014 – 2020 – Drucksache 18/13 – Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses – Drucksache 18/177 – Berichterstattung: Abgeordnete Dorothee Bär Caren Marks Wolfgang Gehrcke Manuel Sarrazin Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/177, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/13 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten, gegen bestimmte Lepidopteren resistenten Maisprodukts (Zea mays L. Linie 1507) für den Anbau gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates KOM(2013) 758 endg.; Ratsdok. 16120/13 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 für den Anbau in der EU – Drucksache 18/180 – Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung über ihren Antrag auf Drucksache 18/180 in der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Überweisung, und zwar zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Gesundheit sowie an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist die Überweisung so beschlossen. Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksache 18/180 in der Sache nicht ab. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler, Dr. Tobias Lindner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erneute Überprüfung der Deutschen Energie-Agentur (dena) durch den Bundesrechnungshof – Drucksache 18/181 – Überweisungsvorschlag: Haushaltsauschuss Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/181 an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2014 (Beitragssatzgesetz 2014) – Drucksache 18/187 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Haushaltsauschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag, ein guter Tag nicht nur für die Deutsche Rentenversicherung, sondern auch für viele Menschen; denn sie können sich auf deren Stabilität verlassen. Viele Länder beneiden uns um unser stabiles, um unser solidarisches Rentenrecht. Wir wollen es mit dieser Regierung nicht nur weiterhin stabil halten, sondern auch noch ein wenig gerechter machen. Das setze ich gern an den Anfang. Wir begrüßen den Gesetzentwurf der die Regierung tragenden Fraktionen zur rentenpolitischen Entscheidung für das kommende Jahr. Ja, wir sagen: Wir wollen die Höhe des Beitragssatzes für das Jahr 2014 einfrieren. Um dies zu erreichen, muss der Gesetzgeber handeln. Denn würden wir keine Entscheidung hier im Deutschen Bundestag treffen, stünde uns eine weitere Senkung des Rentenversicherungsbeitrags ins Haus. Ich weise darauf hin – viele sagen ja: das ist immer eine gute Sache, wenn man Beiträge senkt –: Wir haben 2011 den Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung deutlich gesenkt, bis heute um insgesamt 1 Prozentpunkt. Insofern haben wir in der Vergangenheit eine Beitragssenkung vorgenommen, aber wir haben gute Gründe, sie für das kommende Jahr auszusetzen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche?) – Diese guten Gründe werde ich gerne erläutern. – Die Grundlage für diese Gründe wurde im Koalitionsvertrag klipp und klar dargelegt. Ich denke, dass diese großen rentenpolitischen Maßnahmen viel Sinn machen. Betroffene werden sie begrüßen. Experten sagen: Das ist die richtige Richtung, um ein stabiles System gerechter zu machen. Wir sorgen als Erstes dafür – das ist ein Herzensanliegen unserer Ministerin –, dass Erwerbsminderung kein Armutsrisiko ist. Das ist ein wesentlicher Schritt. Viele büßen ihre Erwerbsfähigkeit ein, weil sie hart arbeiten. Deshalb darf es nicht sein, dass sie doppelt bestraft werden. Das wird ein großes rentenpolitisches Projekt sein. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Wir wollen endlich auch Schluss machen – das sage ich an prominenter Stelle – mit den unterschiedlichen Rentenlagen in Ost und West. (Beifall bei der SPD) Nach so vielen Jahren, in denen unser Land zusammengewachsen ist, ist es dringend geboten, dass wir dieses zweifelsfrei schwierige Kapitel zu einem Abschluss bringen. Das ist mitnichten alles, was rentenpolitisch in dieser Legislatur auf der Tagesordnung steht. Was wollen wir noch? Wir wollen die Stichtagsregelung bei Kindererziehungszeiten auflösen. Das ist gut, das ist richtig, und das werden viele begrüßen, die vor dem Jahr 1992 Kinder geboren haben. Auch auf diese Entscheidung freue ich mich, und wir werden sie vorbereiten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben als Koalition – ich sage: das ist nicht einfach gewesen; viele konnten das mitverfolgen – zwei Modelle solidarischer Absicherung von Lebensleistung verknüpft. Das kann man auch schon am Titel sehen. Wir arbeiten nämlich an einer solidarischen Lebensleistungsrente. Sie wird vielen helfen, die viele Jahre hart gearbeitet haben, aber leider keine hohe Vergütung dafür bekommen haben und dementsprechend mit ihren Rentenversicherungsbeiträgen nicht dafür sorgen konnten, dass sie im Alter sorgenfrei, das heißt armutsfrei, leben können. Auch das ist ein großes Projekt, und auch das nehmen wir in Angriff. (Beifall bei der SPD) Jetzt werden Sie sagen: Da fehlt doch noch etwas. – Ja, das stimmt. Bei meinen Ausführungen zu dem, was fehlt, mute ich Ihnen Persönliches zu: Ich bin im Jahre 1951 geboren, werde also im nächsten Jahr 63 Jahre alt. Ich freue mich schon auf meinen Geburtstag. Mein erster Arbeitstag war der Beginn meiner Lehre als Buchhändlerin am 1. Dezember 1966. Für viele Einzelhändler und Einzelhändlerinnen ist das Weihnachtsgeschäft die härteste Zeit. So habe auch ich das erlebt. Ich will an dieser Stelle sagen: Diese Kolleginnen und Kollegen – egal ob sie im Einzelhandel, in der Logistikbranche oder im Versandhandel arbeiten, ob sie Bücher oder anderes verkaufen – arbeiten genauso hart wie jene, die Kranke pflegen, Alte versorgen, Stahl kochen oder Dächer decken. Auch jahrzehntelange Arbeit im Einzelhandel geht ganz schön auf die Knochen. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr wahr! – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diesen Kolleginnen und Kollegen kann ich heute zurufen: Haltet aus! Noch einmal ein hartes Weihnachtsgeschäft – nächstes Jahr steht ihr auf der anderen Seite. Da habt ihr die Chance, ohne Abschlag Altersrente zu beziehen. Dann könnt ihr die schwierigen Kunden sein, unter denen ihr heute leidet. Ich wünsche uns frohe Weihnachten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Aber du bleibst uns erhalten!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat jetzt die Kollegin Sabine Zimmermann, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich Frau Ministerin Nahles zur Berufung in ihr neues Amt gratulieren. Ich wünsche uns weiterhin eine gute Zusammenarbeit; das sage ich auch als Gewerkschafterin. Eines muss ich Ihnen trotzdem sagen: Wir hoffen, dass wir von Ihnen mehr erwarten können als das Wenige, das in der Koalitionsvereinbarung steht. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sind 180 Seiten! Das ist gar nicht so wenig! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sie müssen das einmal lesen, Frau Zimmermann!) Ich will nicht lange drum herumreden. Ihre neue Rentenpolitik ist eigentlich nichts anderes als die von Schwarz-Gelb; sie hat nur eine andere, schönere Verpackung. Auch Sie tun fast nichts, um zu verhindern, dass die Menschen Angst davor haben müssen, ihren Lebensabend nach einem langen, harten Arbeitsleben in Armut zu verbringen. Was die gesetzliche Rentenversicherung jetzt wirklich bräuchte, wäre eine Stabilisierung des Rentenniveaus. Aber davon ist in Ihrem Koalitionsvertrag nichts, aber auch rein gar nichts zu lesen. (Beifall bei der LINKEN) Diese Große Koalition behält den fatalen Kurs der Rentenkürzung bei. Das bedeutet: Die Renten in Deutschland werden weiter sinken. Das ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN) Daran ändern auch die einzelnen Korrekturen nichts, die die Regierung vorsieht. Seien Sie einmal ehrlich: Eine Konzeption ist hinter diesem Sammelsurium von Maßnahmen nicht zu erkennen. Es gibt weder einen Plan noch ein Ziel. Außerdem sind die von Ihnen vorgesehen Korrekturen auch noch schlecht gemacht. Auch im Hinblick auf die Kindererziehungszeiten setzen Sie eine richtige Sache falsch um. So ist es zwar mehr als überfällig, Erziehungszeiten von vor 1992 geborenen Kindern bei der Rente stärker zu berücksichtigen. Erklären Sie den Betroffenen aber doch einmal, warum Sie ihnen die vollständige Gleichstellung von Ost und West verweigern und ihnen nur einen Rentenpunkt gewähren. (Beifall bei der LINKEN) Erklären Sie der Mutter im Osten, warum ihre Erziehungsleistung weniger wert ist als die einer Mutter im Westen. Erklären Sie vor allen Dingen den Beitragszahlern, warum Sie ihnen die Finanzierung aufbürden wollen, anstatt diese familienpolitische Leistung systemgerecht aus Steuermitteln zu bezahlen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Frau Ministerin Nahles, seien Sie doch ehrlich: Hier zahlt die SPD einen Preis, und zwar in der Form, dass Sie Ihre richtigen und notwendigen Umverteilungsforderungen aus dem Wahlkampf aufgegeben haben. Die Reichensteuer kommt nicht. Stattdessen werden Beitragszahler angezapft, und Sie plündern die Rentenkasse. Die nächste Mogelpackung ist die Rente ab 63. Wir als Linke begrüßen alle Schritte, das angestrebte Renteneintrittsalter von 67 Jahren zurückzunehmen. (Beifall bei der LINKEN) Es ist gut, dass langjährig Versicherte künftig ab einem Alter von 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Zur Ehrlichkeit gehört doch aber auch dazu, zuzugeben, dass die Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre angehoben wird (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Eine Mogelpackung ist das!) und dass diese Möglichkeit nur einer Minderheit in Deutschland offensteht. Denn viele erreichen die erforderlichen 45 Beitragsjahre nicht. (Beifall bei der LINKEN) Zwei Drittel aller Neurentner werden keinen Zugang zu solch einer vorzeitigen Rente haben. Bei den Frauen sieht das sogar noch wesentlich schlechter aus. Unter dem Strich bleibt zu sagen: Auch in Zukunft werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drastische Abschläge hinnehmen müssen, wenn sie vor ihrem 67. Geburtstag in Rente gehen wollen. Da sagen wir als Linke ganz klar: Weg mit der Rente ab 67! Spätestens mit 65 muss Schluss sein! (Beifall bei der LINKEN) Wer nicht mehr kann, muss vorher abgesichert in Rente gehen können. Wer lange eingezahlt hat, muss mit 60 Jahren abschlagsfrei die Rente genießen dürfen. Damit niemand im Alter in Armut leben muss, brauchen wir zudem eine solidarische Mindestrente, die ihren Namen auch verdient. (Beifall bei der LINKEN) Mit diesem Koalitionsvertrag wird die Angleichung der Ostrenten wieder aufgeschoben. Im letzten Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP wurde uns eine Angleichung wenigstens versprochen. Aber jetzt versprechen Sie nur, die Angleichung bis 2017 zu prüfen. Na toll! Wissen Sie: Der Stahlarbeiter, der über 40 Jahre in Riesa hart gearbeitet hat, hat schon längst die Hoffnung aufgegeben, dass er einmal die Rente eines Stahlarbeiters aus Bochum bekommen wird. Das ist ein Skandal im 24. Jahr der deutschen Einheit. (Beifall bei der LINKEN) Deswegen muss ich Ihnen widersprechen, Frau Haßelmann. Die deutsche Einheit haben wir vor 25 Jahren mit der Öffnung der Grenze eingeleitet – das ist richtig –, aber die soziale Einheit haben wir noch lange nicht. Daran müssen wir noch arbeiten. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, Ihr Koalitionsvertrag trägt den Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“. Anscheinend verstehen Sie darunter, die Renten weiter zu kürzen und dem Zug in Richtung Altersarmut freie Fahrt zu geben. Bremsen werden Sie ihn nur noch können, wenn alle Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen: vom Abgeordneten über den Rechtsanwalt bis hin zu den Beamten. So können Sie bei der Rente Deutschlands Zukunft gestalten, aber dazu fehlt Ihnen der Wille, und es fehlen natürlich auch die Gemeinsamkeiten in dieser Großen Koalition. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat der Kollege Karl Schiewerling, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir zunächst einen herzlichen Glückwunsch an die neue Bundesarbeitsministerin, Frau Nahles. Ihnen alles Gute, eine glückliche Hand, Gottes Segen für Ihr Wirken! Gemeinsam mit den neuen Parlamentarischen Staatssekretärinnen, Frau Lösekrug-Möller und Frau Kramme, haben wir den Koalitionsvertrag ausgehandelt. Es war – das ist gar keine Frage – ein schwieriger Weg, den wir miteinander zurücklegen mussten, auch und gerade im Bereich der Rentenpolitik. All das, was wir uns vorgenommen haben, ist im Koalitionsvertrag festgelegt. Er ist die Basis für die nun anlaufenden Gesetzgebungsverfahren. Bevor ich fortfahre, möchte ich die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle Ihrer Vorgängerin, Frau Bundesministerin von der Leyen, herzlich zu danken für die Arbeit, die sie in den letzten vier Jahren in hervorragender Weise für uns geleistet hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch den Staatssekretären, den beamteten wie den parlamentarischen, an dieser Stelle einen herzlichen Dank! Sie übernehmen ein gut bestelltes Haus, eine gute Grundlage für die gemeinsame Arbeit. Wir freuen uns darauf. Meine Damen und Herren, der Koalitionsvertrag ist, wie ich gerade schon sagte, die Grundlage der Gesetzgebungsverfahren. In diesem Koalitionsvertrag sind die Dinge vereinbart worden, die Frau Staatssekretärin Lösekrug-Möller gerade vorgetragen hat, nämlich die Rente mit 63, die Mütterrente, die Erwerbsminderungsrente, die solidarische Lebensleistungsrente und – nicht zu vergessen – auch die potenzielle Anhebung der Mittel für die Rehabilitation. Um dieses alles finanzieren zu können, hat die Bundeskanzlerin bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages am 27. November vor der Bundespressekonferenz gesagt, dass der Rentenversicherungsbeitrag im kommenden Jahr stabil bleibt und nicht abgesenkt wird. Deswegen kann ich manche Aufregungen nicht verstehen. Übrigens haben einen Tag später alle Debattenredner im Hohen Haus genau dieses über alle Fraktionsgrenzen hinweg ebenfalls bestätigt. Daher können all die, die ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, um festzustellen, ob dies verfassungsgemäß ist oder nicht, getrost davon ausgehen, dass die Bevölkerung, die Arbeitgeber, die Versicherten wissen, dass der Rentenversicherungsbeitrag auch in 2014 18,9 Prozent betragen wird. Das wird dadurch erreicht, dass heute in erster Lesung das entsprechende Gesetz durch die beiden Koalitionsfraktionen eingebracht wird. Morgen wird es als Ankündigung im Bundesanzeiger veröffentlicht, sodass damit die rechtlichen Grundlagen gelegt sind. Sofern der Ausschuss für Arbeit und Soziales auf weitere Anhörungen gesonderter Art verzichtet, werden wir das Gesetz schon im Februar im Bundesrat verabschieden können. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verzichten auf eine Anhörung?) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Union verwirklicht damit das große Anliegen: Für die Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, werden die Erziehungszeiten im Rentenrecht besser anerkannt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es geht in der Frage soziale Gerechtigkeit – das sage ich mit Blick auf das, was an öffentlicher Debatte im Augenblick läuft – in der Tat darum, den Frauen zu danken, die eine Leistung für dieses Rentensystem erbracht haben. Diese Frauen haben nämlich Kinder geboren und zu lebenstüchtigen Menschen erzogen, die später mit ihrer Hände Arbeit dazu beitragen, dass das solidarische Rentensystem weiter bestehen kann. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig, aber es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege. Karl Schiewerling (CDU/CSU): Deswegen geht es bei der Frage der Gerechtigkeit nicht nur um die jüngere Generation, die die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen hat. Es geht auch darum, jetzt die Lebensleistung von Frauen anzuerkennen – in aller Regel waren es Frauen –, die sie mit der Erziehung ihrer Kinder erbracht haben, ohne dass es Kinderkrippen gab und ohne dass es Rahmenbedingungen gab, die es ermöglichten, Beruf und Familie miteinander zu verbinden. Daher soll die Lücke zwischen drei Rentenpunkten und einem Rentenpunkt wenigstens etwas geschlossen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Andrea Wicklein [SPD] – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso zahlt es der Beitragszahler?) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Schiewerling, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matthias W. Birkwald? Karl Schiewerling (CDU/CSU): Ja. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie kommt jetzt einen Moment später wegen der Höflichkeit der Präsidentin; denn sie hat Sie erst noch weiter reden und zum nächsten Thema kommen lassen. Herr Kollege Schiewerling, Sie haben eben gesagt: Die Kanzlerin habe Ende November mitgeteilt, der Rentenversicherungsbeitrag werde nicht abgesenkt. – Sie sagten, da sei das politisch klar gewesen. Dann frage ich Sie: Warum haben Sie es denn technisch nicht ordentlich umgesetzt? Wir haben ja heute nur die erste Lesung. Die zweite und die abschließende dritte Lesung werden nicht mehr im Kalenderjahr 2013 stattfinden können, was aber gesetzlich eigentlich so vorgeschrieben ist. Sie tricksen. Erst im Januar werden Sie rückwirkend mitteilen können, dass die Rentenversicherungsbeiträge nicht sinken. Ich sage Ihnen hier eines: Sie hätten die Gelegenheit dazu gehabt, das handwerklich ordentlich zu machen. Sie haben diese Gelegenheit versäumt. Wir, die Linke, haben nämlich bereits am 14. November einen Gesetzentwurf zur Stabilisierung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgelegt. Der ist dann an diesen unsäglichen Hauptausschuss überwiesen worden, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wieso ist er „unsäglich“?) wo ja angeblich die Arbeit der Ausschüsse geleistet werden sollte. Was haben dann SPD und CDU/CSU in diesem Hauptausschuss gemacht? Sie haben gegen unseren Willen, gegen die Stimmen der einreichenden Fraktion, diesen Gesetzentwurf abgelehnt und das Thema auf das nächste Jahr vertagt. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hängt mit den Mehrheitsverhältnissen zusammen!) Deswegen sagen ich Ihnen: Das ist unsauber. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Birkwald, bei aller Höflichkeit: Würden Sie jetzt Ihre Frage stellen? (Beifall der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ich stelle meine Frage: Was sagen Sie zur Einschätzung der Zeitung Die Welt vom 4. Dezember? Ich zitiere: Einen Ausweg aus der Zeitnot bot am Mittwoch ausgerechnet die Linkspartei: In dem provisorischen Hauptausschuss des Bundestags … legte die Fraktion einen Gesetzesentwurf zur Stabilisierung der Rentenbeitragssätze vor – und damit zwei Wochen früher, als die Vorlage von Union und SPD geplant ist. Hätten sich Union, SPD und Linke … auf eine gemeinsame Gesetzesinitiative verständigen können, wäre das Gesetz aller Voraussicht nach noch pünktlich zum Jahreswechsel in Kraft getreten. Ohne große Trickserei. Aber die Vertreter von Union und SPD wiesen den Gesetzesentwurf einmütig zurück – Parteiräson geht vor. Die Welt schreibt also: „ausgerechnet die Linkspartei“. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Jetzt aber bitte die Frage, Herr Kollege. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Wir haben es richtig gemacht. Warum haben Sie es nicht korrekt gemacht? (Beifall bei der LINKEN) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Herr Kollege Birkwald, ich will die Debatte nicht unnötig verlängern. Deswegen eine kurze Antwort: Erstens. Wir machen es korrekt, indem wir die Verfahren einhalten, die der Deutsche Bundestag dafür vorsieht, (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht das Gesetz!) nämlich die Gründung von Ausschüssen und die Behandlung im entsprechenden Ausschuss. Wenn alles gut geht, wird das Gesetz im Februar vom Bundesrat verabschiedet. Ihr Vorschlag war ordentlich, unserer ist ordentlicher, und deswegen haben wir Ihren abgelehnt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zweitens. Sie äußerten die Bitte, einen Zeitungskommentar zu kommentieren. Wissen Sie, wenn wir die Kommentare der Zeitungen in ihrer Meinungsvielfalt im Einzelnen analysieren wollten, dann müssten wir uns ranhalten. Auch wenn die Linkspartei diesmal gut weggekommen ist, kommentiere ich es nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir halten in dieser Frage ein ordnungsgemäßes Verfahren ein. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt doch nicht!) Lassen Sie mich an dieser Stelle auf den Punkt der Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht und die Frage der Finanzierung zurückkommen, weil dies im Augenblick einer der heftig diskutierten Punkte ist. Die Sicherstellung der Finanzierung ist einer der Gründe, warum wir den Rentenversicherungsbeitrag nicht absenken. Wir geben pro Jahr circa 245 Milliarden Euro für Rentenleistungen aus. Diese Summe stammt zu einem Drittel von den Beiträgen der Versicherten, zu einem Drittel von den Beiträgen der Arbeitgeber und zu einem Drittel aus dem Bundeszuschuss. Die Rücklage von 31 Milliarden Euro beinhaltet deshalb circa 10 Milliarden Euro Steuermittel. Wir finanzieren die sogenannte Mütterrente, die ein Gesamtvolumen von 6,5 Milliarden Euro ausmacht, zunächst einmal aus den Rücklagen der Rentenversicherung. Wir senken den Beitrag nicht ab, um den Beitragszufluss in Höhe von 7,5 Milliarden Euro für das nächste und die folgenden Jahre zu erhalten. Ich glaube, dass dieses Vorgehen angesichts der Steuermittel, die der Rentenversicherung bereits zufließen, zu vertreten ist. Ich bin ganz sicher, dass die Allgemeinheit auf diesem Weg in angemessenem Maße an den Kosten für die sogenannte Mütterrente beteiligt wird. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Schiewerling, ich darf Sie an die Redezeit erinnern. Karl Schiewerling (CDU/CSU): Ich bleibe dabei: Wir werden über das Rentenpaket intensiv und gut verhandeln und es miteinander auf den Weg bringen, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wir werden dafür sorgen, dass die Rentnerinnen und Rentner angstfrei in die Zukunft schauen können, und wir werden dafür sorgen, dass das Gesetz so ausgestaltet ist, dass es von den Generationen getragen werden kann. Hier und heute geht es der Unionsfraktion darum – das ist der erste Schritt –, den Leistungsträgerinnen unserer Gesellschaft, also denjenigen, die Kinder erzogen haben und dafür sorgen, dass unser Sozialsystem überhaupt funktionieren kann, mehr Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Das ist unser Ziel. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen auf diesem Weg ein frohes Weihnachtsfest und Gottes Segen für das neue Jahr. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Andreae, Bündnis 90/Die Grünen. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Begründung des Gesetzentwurfs ist ein Hohn. Darin steht, zur Gewährleistung von Stabilität und Planungs-sicherung in der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung müsse dieses Gesetz jetzt auf den Weg gebracht werden. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Ja, geht’s noch? Das ist reiner Etikettenschwindel, und das wissen Sie auch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie wollen doch nur Ihre Wahlversprechen finanzieren. Sie plündern die Rentenkasse, um die Mütterrente und die Rente mit 63 finanzieren zu können. Die Mütterrente kostet – das wurde gerade eben noch einmal gesagt – pro Jahr 6,5 Milliarden Euro. Sie wird bezahlt aus der Rentenkasse, von dem Geld der Beitragszahler. Sie alle hier zahlen nicht in die Rentenkasse ein. Ihre Mütter und teilweise auch Ihre Großmütter kommen in den Genuss der Mütterrente. Bezahlen müssen das Ihre Mitarbeiter, aber nicht Sie. Das ist weder fair noch seriös. Das ist schlicht das Plündern der Rentenkasse. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die damalige Große Koalition war mutig, als sie die Rente mit 67 auf den Weg gebracht hat. Das war eine durchaus unpopuläre Maßnahme, aber eine richtige. Angesichts der demografischen Entwicklung war diese Entscheidung richtig. Anscheinend sind wir die Einzigen, die diese Entscheidung noch verteidigen. Sie schlagen sich in die Büsche. (Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Bei der Rente mit 67 ist es aber notwendig, flexible Übergänge zu schaffen, damit die Leute, auch die Buchhändlerin, die Chance haben, ihren Beruf bis 67 auszuüben. Deswegen ist es notwendig, Reha-Leistungen zu finanzieren. Doch was ist mit den Leuten, die wirklich nicht mehr können? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Die kriegen eine Stelle bei den Grünen!) Für diese Leute brauchen wir eine Erwerbsminderungsrente. Die Grünen sind absolut dafür, die Mittel für die Erwerbsminderungsrente zu erhöhen. Dabei geht es um Leute, die wirklich krank sind. Es ist nicht in Ordnung, was diesbezüglich in den letzten Jahren gemacht wurde. Es ist nicht in Ordnung, dass das Niveau der Erwerbsminderungsrente gesenkt wurde. Wir brauchen hierfür mehr Mittel. Dafür ist die Rentenkasse da. Die Erwerbsminderungsrenten aufzustocken, wäre die erste und wichtigste rentenpolitische Maßnahme. Es macht aber keinen Sinn, mit der Rente mit 63 alle positiven Effekte der Rente mit 67 kaputtzumachen. Aber genau das machen Sie gerade. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt zum Verfahren. Herr Schiewerling, Sie haben hier dreist behauptet, dieses Verfahren sei in Ordnung. Sie haben gesagt, dass die Bundeskanzlerin am 27. November 2013 beschlossen hat, dass die Rentenbeiträge bitte so zu bleiben haben, wie sie sind. Das hat aber nicht sie zu beschließen. Das macht das Parlament, und zwar in einem geordneten, geregelten Verfahren. (Zuruf des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU]) Und das läuft so: erste Lesung im Plenum, Anhörung der Sachverständigen im Ausschuss und danach zweite und dritte Lesung inklusive Debatte. Glauben Sie denn ernsthaft, dass Sie so Vertrauensschutz gewährleisten? Sie sagen: Wir haben hier die erste Lesung gemacht und deutlich gemacht, was wir wollen, und danach schreiben wir es in den Bundesanzeiger. – Wenn Sie so vorgehen, dann können Sie sich jede Anhörung, jede Debatte im Ausschuss sparen, weil klar ist, dass es überhaupt keine Änderung mehr gibt. Sie können doch nicht ernsthaft Sachverständige zu einer Anhörung einladen und ihnen sagen: Redet einmal schön darüber, es ist uns nur leider herzlich egal, was ihr dazu sagt. – Das, was Sie hier machen, ist mitnichten ein geordnetes Verfahren. Sie geben – ohne einen parlamentarischen Ablauf – schlicht vor, was Sie wollen. Das müssen Sie doch sehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]) Insgesamt muss ich sagen, dass ich ein bisschen geschockt darüber bin, welche Richtung die Debatte genommen hat. Bei der Mütterrente, die Sie – ich sage es noch einmal –, wenn Sie sie denn wollen, steuerfinanzieren müssen, geht es in den kommenden vier Jahre um 26 Milliarden Euro. In dieser Legislaturperiode nehmen Sie gerade einmal 6 Milliarden Euro für Bildung und Kinderbetreuung in die Hand. Das ist doch kein ausgewogenes Verhältnis; das ist doch nicht mehr generationengerecht. Das, was Sie hier machen, zeigt eine absolute Schieflage bei der Prioritätensetzung. Sie vergessen die Generationengerechtigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Nein! Die vergessen wir nicht!) Ich sage Ihnen ganz klar: Sie trauen sich nicht, den Weg eines normalen Verfahrens einzuschlagen. Sie trauen sich nicht, eine Anhörung durchzuführen und das Wissen der Sachverständigen zu berücksichtigen; denn die würden Ihnen Ihr Vorhaben um die Ohren hauen. Sie trauen sich nicht, ehrlich zu sein und die Mütterrente aus Steuern zu finanzieren. Sie sagen: Die Koalition gestaltet die Zukunft. – Mitnichten ist das der Fall. Sie verbrauchen die Zukunft und die Mittel auch für zukünftige Generationen. Das hat mit Planungssicherheit nichts zu tun. Das hat mit Stabilität nichts zu tun, und mit Generationengerechtigkeit hat es erst recht nichts zu tun. Sie können mit unserem entschlossenen Widerstand gegen solch ein Verfahren, gegen diese Art von Politik und gegen Ihre Unehrlichkeit rechnen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat Sven Morlok, Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Bitte schön. Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem hier von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf werden die Leistungsträger in unserer Gesellschaft belastet und die Zukunftschancen der jungen Generation gefährdet. Schauen Sie sich beispielsweise die Auswirkungen auf eine vierköpfige Familie mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 4 500 Euro an. Eine solche Familie wird mit 165 Euro im Jahr belastet. Eine Fachverkäuferin, Anfang 30, mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2 500 Euro wird mit 90 Euro im Jahr zusätzlich belastet. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie belasten die Menschen, die jeden Morgen aufstehen, die sich krumm machen, die sich im Beruf engagieren, um ihre Familie zu ernähren. Das, was Sie hier vorhaben, ist ein Schlag ins Gesicht dieser Leistungsträger. Die OECD bezeichnet die Rentenpläne der Koalition als Jobvernichter. Sie empfiehlt, den Faktor Arbeit zu entlasten. Sie tun genau das Gegenteil. Sie machen Arbeit teurer, und zwar um 2,9 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist sozusagen ein 2,9-Milliarden-Euro-Rucksack auf dem Buckel der deutschen Unternehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie klatschen für die FDP!) Das beeinträchtigt die internationale Wettbewerbsfähigkeit, und Sie schaden damit dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Ich möchte Sie einmal daran erinnern, wie einige Mitglieder Ihrer Koalition dieses Thema sehen. Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte dazu am 7. Dezember der Braunschweiger Zeitung – ich zitiere –: Die Finanzierung der Mütterrente erfolgt früher oder später aus Steuern, zumindest teilweise. Auf Dauer kann man das so nicht durchhalten, sonst steigen die Beiträge der Rentenversicherung. So der Vizekanzler. In einem Memorandum von verschiedenen CDU-Abgeordneten heißt es – ich zitiere –: Unsere Sorge, dass das vereinbarte Rentenpaket inklusive der abschlagsfreien Rente mit 63 die Erfolge der Rentenpolitik der letzten 15 Jahre gefährden könnte, bleibt. Und der Kollege von Stetten brachte es auf den Punkt, als er das Vorhaben als „Verbrechen an der nächsten Generation“ bezeichnete. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben kein Erkenntnisproblem. Sie haben ein Umsetzungsproblem. Sie wissen, dass es so nicht geht, aber Sie machen es trotzdem. Sie täuschen die Menschen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jurk? Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen): Gerne. Thomas Jurk (SPD): Herr Staatsminister Morlok, ist das, was Sie uns gerade vortragen, die Position der Sächsischen Staatsregierung? (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN) Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen): Sehr geehrter Herr Jurk, die Sächsische Staatsregierung setzt sich bei vielen aktuellen Fragen dafür ein, dass, wenn in den Kassen zusätzliche Einnahmen verfügbar sind, diese zusätzlichen Einnahmen bzw. Überschüsse in allererster Linie dafür genutzt werden, die entsprechenden Beiträge zu senken und die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Ministerpräsident Tillich hat, als bekannt wurde, dass wir in der Kasse der Rundfunkanstalten einen erheblichen Überschuss haben, die Initiative ergriffen, um eine Beitragssenkung herbeizuführen. Wir haben darüber jüngst, in dieser Woche, eine Debatte im Sächsischen Landtag geführt. In dieser Debatte ist deutlich geworden, dass die übergroße Mehrheit des Parlaments hinter dieser Initiative des sächsischen Ministerpräsidenten steht. Das, was für die vollen Kassen bei den Rundfunkanstalten gilt, gilt natürlich auch für die vollen Kassen bei der Rentenversicherung. Anstatt sich über zusätzliche Ausgaben Gedanken zu machen, wäre es richtig, die Beiträge denen zurückzugeben, die sie bezahlt haben, nämlich den Beitragszahlern, den Versicherten und den Arbeitgebern. Die Regierung, sehr geehrte Damen und Herren, ist gerade einmal zwei Tage im Amt, und schon greift sie den Beitragszahlern schamlos in die Tasche. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es waren knapp 6 Milliarden Euro in zwei Tagen. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es in vier Jahren aussieht. Das macht mir Angst. Wenn die Stimme der wirtschaftlichen Vernunft im Bundestag fehlt, muss sie eben aus den Ländern kommen. Vielen Dank. (Beifall der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat jetzt die Kollegin Katja Mast für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Katja Mast (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will der neuen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und ihrer gesamten Hausspitze, insbesondere unseren beiden Parlamentarischen Staatssekretärinnen Anette Kramme und Gabriele Lösekrug-Möller, im Namen meiner Fraktion recht herzlich zum neuen Amt gratulieren. Wir alle freuen uns auf die Zusammenarbeit und die Umsetzung der vielen Punkte, die wir uns in der Koalition gemeinsam vorgenommen haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Morlok, eigentlich wollte ich gar nichts zu Ihnen sagen, weil ich finde, das sollte die Fraktion machen, auf deren Redezeit Ihre Redezeit angerechnet wird; aber jetzt sage ich trotzdem etwas. Ich halte es für hochzynisch, wenn Sie sagen, Sie würden für die Leistungsträger in dieser Gesellschaft reden, dabei aber die Mütter in dieser Gesellschaft ignorieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Wir diskutieren hier und heute über einen Gesetzentwurf, in dem es darum geht, den Beitragssatz zur Rentenversicherung bei 18,9 Prozent zu stabilisieren, statt ihn auf 18,3 Prozent zu senken. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür müssen Sie aber nicht die Kasse plündern!) Wir haben uns, was die Rentenversicherung betrifft, viel vorgenommen. Weil die Kollegin Zimmermann gesagt hat, diese Bundesregierung bzw. diese Koalition würde keinen Beitrag zur Stabilisierung des Rentenniveaus leisten, muss ich ihr an dieser Stelle von ganzem Herzen widersprechen. Sie vergaßen nämlich, in Ihrer Rede darauf hinzuweisen, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn und eine verbesserte Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen dazu führen werden, dass sich die Einkommenssituation der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verbessern und damit automatisch eine Stabilisierung des Rentenniveaus stattfinden wird. Ich sage Ihnen: Wir sind verdammt stolz, dass wir das hinbekommen haben. Sie wissen, wie lange gestritten wurde, bis wir die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns – ab 2015 in Ost und West – durchgesetzt haben. (Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal zur Sache! Nebelkerzen sind das, nichts als Nebelkerzen!) – Da ein Kollege dazwischenruft, ich solle zur Sache reden: Ich rede über Rentenpolitik, und zur Rentenpolitik gehört die Bekämpfung der Erwerbsarmut. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zu unseren Vorhaben. Meine Kollegen haben schon angesprochen, dass wir die Anrechnung der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder gemeinsam verbessern wollen. Damit wollen wir insbesondere die Anerkennung verbessern. Es gibt in der Koalition einen kleinen Dissens in der Frage, wie wir das finanzieren. Wir sind gemeinsam schon so weit gekommen, dass wir das langfristig über Steuern finanzieren wollen. Wir sind jetzt an dem Punkt, dass wir sagen: Dazu brauchen wir auch Mittel aus der Rentenversicherung. Aber nach den aktuellen Wortmeldungen von Horst Seehofer und Ursula von der Leyen, die der Rentenversicherung ab 2018 Steuermittel im Umfang von 2 Milliarden Euro zukommen lassen will, bin ich zuversichtlich, dass wir in der Koalition auch diesen Konflikt gemeinsam lösen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Mast, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kurth? Katja Mast (SPD): Ja. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin Mast, Sie haben davon gesprochen, dass Sie „einen kleinen Dissens“ bei der Finanzierung haben. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Stimmen Sie mir zu, dass es bei der Mütterrente immerhin um den stattlichen Betrag von 6,5 Milliarden Euro – und zwar jährlich – geht, und sehen Sie diesen Betrag mit dem Begriff „kleiner Dissens“ angemessen beschrieben? Und stimmen Sie mir zu, dass die Besserstellung von Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, geboten sein mag – darüber kann man diskutieren –, dass dies aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und daher vollständig durch Steuermittel zu finanzieren ist und nicht von den Beitragszahlern? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Katja Mast (SPD): Lieber Kollege Kurth, natürlich handelt es sich bei der Mütterrente um eine versicherungsfremde Leistung. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) und sollte aus Steuermitteln finanziert werden. (Beifall der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich habe kein Problem damit, das einzugestehen; denn das war schon immer die Position der SPD-Bundestagsfraktion. Wir sind aber in einer Koalition, und in einer Koalition geht es darum, Kompromisse zu schließen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber der teuerste Kompromiss, den es gab!) Wir finden – im Gegensatz zu Ihnen –, dass wir hier keine faulen Kompromisse geschlossen haben. Wir finden, dass wir es den Müttern in Deutschland schuldig sind, dass wir auch dort ihre Situation verbessern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Lassen Sie mich aber zu einem weiteren Punkt kommen, was unsere gemeinsamen Vorhaben angeht. Ich persönlich finde, dass das wichtigste Vorhaben in der Rentenpolitik ist, dass wir bei der Erwerbsminderungsrente deutliche Fortschritte in Angriff nehmen. Heute ist es so, dass Menschen, die in Erwerbsminderungsrente gehen, das höchste Risiko von Altersarmut haben. Die Erwerbsminderungsrenten sind von 2000 bis 2012 deutlich gesunken – ich nenne nur die Zahl für Männer –: um 15 Prozent, im Westen von im Schnitt 780 Euro auf 647 Euro. Das liegt deutlich unter der Grundsicherung im Alter. Das heißt, die Erwerbsminderungsrente hat nicht mehr die Funktion, vor Altersarmut zu schützen. Deshalb nehmen wir uns in dieser Koalition vor, der Altersarmut an dieser Stelle durch verschiedene Maßnahmen entschieden entgegenzutreten. Das ist – vorhin wurde es schon gesagt – für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und für unsere Ministerin in der Rentenpolitik ein Kernanliegen. Wir haben uns vorgenommen, die solidarische Lebensleistungsrente einzuführen sowie eine abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45 Arbeitsjahren. Die Ost-West-Angleichung setzen wir Schritt für Schritt um. Das alles sind für uns Punkte, wozu wir sagen: Dafür lohnt es sich, vier Jahre gemeinsam Politik zu machen. Dafür lohnt es sich auch, die Beitragssätze in der Rentenversicherung zu stabilisieren. Wir haben viel vor, und wir wollen die Gerechtigkeitslücken auch in der Rentenversicherung schließen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rentenkasse ist unter der unionsgeführten Bundesregierung seit Ende 2005 wieder auf Vordermann gebracht worden. Die Rentenfinanzen sind stabilisiert, die Rücklage ist gut gefüllt. Aufgrund der guten Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung werden die Reserven der Rentenversicherung Ende 2013 rund 31 Milliarden Euro betragen. Das entspricht 1,75 Monatsausgaben und ist somit der höchste Stand seit 20 Jahren. Frau Andreae, Sie wären froh gewesen, wenn Sie zu Ihrer Regierungszeit Ähnliches erreicht hätten. (Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben erst mal die Grundlagen dafür gelegt!) – Ihr habt sie geplündert. Dazu komme ich noch. Im Rentenversicherungsbericht 2010, also vor drei Jahren, ging die Bundesregierung für 2014 noch von einem Rentenversicherungsbeitrag von 19,3 Prozent aus. Heute geht es darum, den Beitrag im kommenden Jahr entweder auf 18,3 Prozent zu senken oder bei 18,9 Prozent stabil zu halten. Das zeigt: Der deutsche Arbeitsmarkt brummt. Wir haben mehr Erwerbstätige, weniger Arbeitslose, deutlich mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und aktuell immerhin über 430 000 offene Stellen. Unsere Arbeitsmarktpolitik wirkt. Deutschland steht international blendend da. Die Sozialkassen profitieren von diesen Erfolgen. Wir haben uns bei der Rentenkasse zusätzliche Spielräume erwirtschaftet, an denen wir die Menschen teilhaben lassen können. Die Rentenkasse ist keine Sparkasse. Wir machen Sozialpolitik für die Menschen. In den letzten beiden Jahren haben wir die Beitragszahler durch Senkung des Rentenbeitrages von 19,9 Prozent auf 18,9 Prozent bereits massiv entlastet. Jetzt sind die Mütter an der Reihe. (Beifall bei der CDU/CSU) Für uns gilt: Mütterrente kommt vor einer weiteren Senkung des Rentenbeitrages, Schaffung von Gerechtigkeit vor weiteren Entlastungen. Das haben wir vor der Wahl versprochen. Nach der Wahl halten wir unsere Versprechen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil der Beitragszahler das finanziert!) Durch den Verzicht auf eine mögliche Senkung des Rentenbeitrages zum 1. Januar 2014 erzielt die Rentenkasse Mehreinnahmen von 7,5 Milliarden Euro pro Jahr, also von 30 Milliarden Euro zusätzlich in dieser Wahlperiode. Die Rentenfinanzen werden damit deutlich gestärkt. Die Einführung der Mütterrente war für uns in den Koalitionsverhandlungen die vorrangigste rentenpolitische Forderung. Es ist ein großer Erfolg der CSU und unserer Schwesterpartei, dass wir die Mütterrente in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnten. Die Mütterrente kommt zum 1. Juli 2014; so steht es ausdrücklich im Koalitionsvertrag. Wir verbessern auf diese Weise die rentenrechtliche Situation von Müttern, die Kinder vor 1992 geboren haben, mit einem zusätzlichen Entgeltpunkt. Zur Frage, warum wir das nicht steuerfinanziert machen, sondern über das Rentensystem: Die Geburt von Kindern vor 1992 ist die wesentliche Grundlage dafür, dass unser heutiges Rentenversicherungssystem funktioniert. Frau Andreae, das ist also eine Conditio sine qua non, eine Bedingung, ohne die das System nicht funktionieren würde. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir, Frau Andreae und ich, zahlen doch gar nicht ein in die Rentenversicherung! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was ist mit den Kindern, die Beamte wurden?) Deshalb ist es durchaus vertretbar und begründbar, die Mütterrente zum großen Teil aus dem System zu finanzieren. In den Rücklagen von über 30 Milliarden Euro sind immerhin etwa 10 Milliarden Euro steuerfinanzierte Mittel enthalten, die jetzt für diesen Zweck, also für mehr Gerechtigkeit für Mütter, eingesetzt werden. Das halte ich für den richtigen Weg. Ich halte auch die Finanzierung für korrekt und für sauber durchgerechnet, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Milchmädchenrechnung!) Mit der Mütterrente schaffen wir eine klare Anerkennung der Erziehungsleistung. Der generative Beitrag ist für den Fortbestand des Generationenvertrages von zentraler Bedeutung. Deshalb wollen wir die Generationenkomponente in der gesetzlichen Rentenversicherung stärken. Ohne die Mütter von damals gäbe es nicht die Beitragszahler von heute und morgen. Herr Kurth, Sie müssen die Menschen, die berufstätig sind, nur einmal fragen, ob sie lieber 6 oder 7 Euro mehr pro Monat im Geldbeutel haben wollen oder ob sie ihrer Mutter 28 Euro mehr Rente pro Monat gönnen. Das ist die Gretchenfrage, die Sie in der Bevölkerung stellen müssen, statt die Generationen gegeneinander auszuspielen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hier müssen wir für Gerechtigkeit sorgen. Das schaffen wir mit unserer neuen Bundesarbeits- und -sozialministerin Andrea Nahles; an die neuen Namen muss ich mich erst noch gewöhnen. (Heiterkeit) Ich wünsche Ihnen nun eine frohe Weihnachtszeit und ein gutes Jahr 2014. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Als letzter Redner in der Debatte hat jetzt das Wort der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man kann natürlich über Gesetzestechnik und verfahren diskutieren. Dazu ist festzustellen: Normalerweise wird der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung festgelegt. In diesem Fall ist die Opposition überhaupt nicht beteiligt. Wir haben uns entschlossen, den Beitragssatz durch ein Gesetz festzulegen. Dadurch ist die Opposition am Verfahren beteiligt. (Lachen der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich sehe deswegen überhaupt keinen Grund, warum sich die Opposition beschweren sollte. Sie ist dabei, wenn wir den Beitrag festlegen, und kann mitdiskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht zu fassen! Sie wissen doch ganz genau, dass das nicht stimmt!) – Ein bisschen Stolz sollte man als Parlamentarier schon haben. Ich finde es eine gute Entscheidung von uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern, dass der Rentenversicherungsbeitrag durch das Parlament festgelegt wird. Wir und nicht die Bundesregierung legen den Rentenversicherungsbeitrag diesmal fest. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon haben die Rentner gar nichts! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit Anhörungen, mit dem Ausschuss?) Das ist auch nicht ungewöhnlich. Auch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist der Rentenversicherungsbeitrag mehrmals durch das Parlament und nicht durch die Regierung festgelegt worden – übrigens auch zu Zeiten, in denen die Grünen an Bundesregierungen mitbeteiligt waren. Um was geht es uns eigentlich? (Zuruf von der LINKEN: Das fragen wir uns auch!) Wir wollen den Rentenversicherungsbeitrag stabil bei 18,9 Prozent belassen. Das ist der niedrigste Rentenversicherungsbeitrag seit 15 Jahren. Wir haben die Unternehmen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Rentenversicherungsbeitrag jetzt über Jahre hinweg entlastet, und wir wollen dafür sorgen, dass diese Entlastung dauerhaft bestehen bleibt. Darum geht es. (Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dauerhaft? Das stimmt doch gar nicht!) – Es wird niemandem etwas weggenommen, vielmehr wollen wir die Entlastung erhalten. Was wäre denn die Folge, wenn man den Beitrag senken würde? Eine jetzige Beitragssenkung würde in wenigen Jahren automatisch zu einer deutlichen Beitragserhöhung führen. Das heißt, das, was man in dem einen Jahr gegeben hat, muss man in den nächsten Jahren wieder einkassieren. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mütterrente?) Den Beitrag bei 18,9 Prozent zu belassen, bedeutet, dass dieser Beitrag voraussichtlich über seinen sehr langen Zeitraum stabil bleibt. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für die Unternehmen ist die Stabilität des Beitragssatzes und damit Planungssicherheit das Wichtigste. Diese Planungssicherheit wollen wir per Gesetz schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) – Abg. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege? Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Bitte schön. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Kollege Weiß, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, Sie verhindern durch das, was Sie jetzt tun, zukünftige Beitragssteigerungen. Das verstehe ich nicht ganz; denn es ist doch, glaube ich, nicht so, dass diese zusätzlichen Beitragseinnahmen, die Sie erhalten, weil Sie den Beitragssatz jetzt nicht senken, nachhaltig für die zukünftigen Generationen vorgehalten werden, sondern Sie haben vor, dieses Geld im nächsten Jahr unmittelbar wieder auszuzahlen, um Ihre Wahlgeschenke zu bezahlen. Das Geld ist doch weg und kommt den zukünftigen Generationen nicht in Form von weiteren Anwartschaften zugute. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch keine Rücklage!) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Verehrte Frau Kollegin, die Beibehaltung des Beitragssatzes von 18,9 Prozent führt nach allen Berechnungen über einen langen Zeitraum zu Beitragssatzstabilität, und das ist uns wichtig. Richtig ist, dass alle hier im Bundestag vertretenen Fraktionen, auch die Ihrige, im September dieses Jahres mit unterschiedlichen rentenpolitischen Reformvorhaben in den Bundestagswahlkampf gezogen sind und diese allesamt auch Folgen für die Beitragsseite haben. Frau Kollegin Andreae hat in ihrer Rede zum Beispiel die Erwerbsminderungsrente und Verbesserungen, die dort notwendig sind, angesprochen. Das ist eine klassische Aufgabe, die aus den Beiträgen zu finanzieren ist. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das ist auch richtig so!) Deshalb möchte ich uns allen folgenden Rat geben – gerne auch den Grünen –: Wenn man in seine Wahlprogramme rentenpolitische Maßnahmen hineinschreibt, dann sollte man sich die Möglichkeit, diese eventuell zu verwirklichen, nicht gleich zu Beginn der Legislaturperiode durch falsche Beschlüsse zum Rentenversicherungsbeitrag kaputtmachen. Darum geht es. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr seid unehrlich, weil ihr es nicht richtig finanziert! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist von den Beträgen her aber ein Unterschied!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die neue Große Koalition hat in der Tat eine Reihe von renten-politischen Maßnahmen ins Auge gefasst. Für uns als Union ist es besonders wichtig, dass wir die Erziehungsleistungen in der Rentenversicherung besser anerkennen – auch für vor 1992 geborene Kinder – und dass wir in den Rentenversicherung Leistungsgerechtigkeit für all diejenigen schaffen, die ein Leben lang gearbeitet, wenig verdient und geringe Rentenansprüche haben und sich darauf verlassen können sollen, dass ihre Rente, wenn sie sie beantragen, so aufgestockt wird, dass man davon auch leben kann und keine zusätzliche staatliche Unterstützung beantragen muss. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das funktioniert aber nicht mit eurer solidarischen Lebensleistungsrente!) Ich will hinzufügen: Genauso wichtig, vielleicht noch wichtiger ist, dass wir die Erwerbsminderungsansprüche besser berechnen. Demjenigen, der gerne länger arbeiten würde, aber aufgrund von Krankheit oder eines Unfalls vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss, sagen wir: Aus deinen Ansprüchen in der Rentenversicherung ergibt sich eine Leistung, die so hoch ist, dass du nicht um staatliche Unterstützung anstehen musst. Wir werden in den kommenden Monaten und Jahren die Gelegenheit haben, die Gesetzentwürfe dazu im Detail zu diskutieren. Aber ich finde, es gehört auch zur Wahrhaftigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, dass wir klar und deutlich sagen: Dazu benötigen wir finanzielle Mittel. Es wäre unklug, die jetzigen finanziellen Mittel kurzfristig zu verringern und nachher durch große Beitragserhöhungen wieder Mittel hereinzuholen. Deshalb geht es bei diesem Gesetzentwurf um Stabilität und damit Planungssicherheit: für die Unternehmen und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es wird niemandem etwas weggenommen. Wer das behauptet, behauptet etwas Falsches. Es geht darum, dass wir als Parlament unser Recht wahrnehmen, diese Frage per Gesetz zu regeln. Ich freue mich auf die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf. Ich bin überzeugt, dass wir die richtige Entscheidung treffen. Weil wir den letzten Sitzungstag vor Weihnachten haben, möchte ich uns allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest wünschen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/187 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts – Drucksache 18/8 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Harald Petzold, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne, die noch verblieben sind! „Du entscheidest! – 100 % Gleichstellung nur mit uns.“ (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dieses Plakat hat groß an einem Lastkraftwagen geprangt, mit dem die SPD die Christopher-Street-Demonstrationen und -Paraden in diesem Jahr in allen deutschen Großstädten begleitet hat. Sie haben zu früh geklatscht, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn ich muss Ihnen nach Lesen des Koalitionsvertrages leider sagen: Sie sind den Tausenden Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen in diesem Land, die von Ihnen tatsächlich hundertprozentige Gleichstellung erwartet haben, im wahrsten Sinne des Wortes in die Parade gefahren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Mechthild Rawert [SPD]: Warten Sie es mal ab!) Deswegen habe ich mich entschlossen, meine erste Rede hier in diesem Hohen Hause nicht leise, brav und diplomatisch zu halten, (Ulrich Kelber [SPD]: Das hat auch keiner von Ihnen erwartet!) sondern gleich in die Vollen zu gehen, weil ich genauso wie die vielen Tausend, denen ich hier eine Stimme geben will, enttäuscht darüber bin, dass wir wieder nur vertröstet und hingehalten werden und es keine hundertprozentige Gleichstellung gibt. Ich sage Ihnen klar und deutlich: Wir haben es satt, hingehalten zu werden, uns weiter verstecken und verstellen zu müssen und keine Gleichstellung zu erreichen. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wer muss sich denn hier verstecken?) Ich habe mein gesamtes politisches Leben dafür gekämpft, dass sich Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Intersexuelle nicht mehr verstellen und verstecken müssen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie können die Umfragen dazu lesen, wie das Outing im Berufsleben aussieht. Ich will, dass sich diese Menschen nicht länger wegducken müssen. Ich habe gemeinsam mit engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern in Brandenburg Aufklärungstouren durch das Land organisiert. Wir haben inzwischen seit 1990 in jeder kleinen Gemeinde und in jeder kleinen Stadt haltgemacht und dort die Regenbogenflagge gehisst. Jeder Bürgermeister, der sich geweigert hat oder sich hinter der korrekten preußischen Flaggenordnung des Landes Brandenburg verstecken wollte, konnte sich sicher sein: Wir kommen wieder, bis die Regenbogenflagge gehisst ist und bis klar und deutlich ist: Wir sind willkommen – in jeder Stadt, in jeder Gemeinde in Brandenburg. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde es niemals vergessen, wie bei einer solchen Aktion in Wittstock zwei über 70-jährige lesbische Frauen mit Tränen in den Augen vor mir gestanden und gesagt haben: Dass wir das noch erleben, dass in unserer Heimatstadt die Regenbogenflagge weht. Ich denke, wir sind bei diesen Menschen im Wort. Deswegen werde ich nicht nur leise und höflich darum bitten, endlich in diesem Land gleichbehandelt zu werden und die gleichen Rechte zu erhalten, die Sie alle, wie Sie hier sitzen, ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen. Mit unserer Diskriminierung, mit Ungleichbehandlung und mit der Verweigerung von Gleichstellung darf in diesem Land nicht weiter Staat gemacht werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Koalitionsvertrag ist von Respekt die Rede. Aber was ist das für ein Respekt, wenn ich fünf Zeilen weiter lesen muss, dass die Gleichbehandlung gerade einmal so weit verwirklicht werden soll, wie das Bundesverfassungsgericht es als Minimum in einem konkreten Fall entscheidet! Was ist das für ein Respekt? Seit 2002 urteilt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung und inzwischen mit einstimmigen Urteilen: Stellt endlich gleich! Wenn Sie sich die Begründung dieser Urteile durchlesen, dann werden Sie merken, dass inzwischen auch die Richterinnen und Richter davon genervt sind, dass das nicht stattfindet. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Wir auch!) – Herr Kahrs, ich danke Ihnen für diesen Zwischenruf. Ich könnte Ihnen den Stapel von Erklärungen vorlegen, mit denen Sie der Öffentlichkeit immer wieder zu Recht mitgeteilt haben, (Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Eben!) dass damit Schluss sein muss, dass das Bundesverfassungsgericht das vorgibt. Aber Sie setzen das nicht um. (Burkhard Lischka [SPD]: Woher wissen Sie das denn?) Meine Damen und Herren, ich bin stolz darauf, dass ich Mitglied der Fraktion bin, die sich bislang am konsequentesten für die Gleichstellung aller Lebensweisen eingesetzt hat. (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD) Bereits im Sommer 2010 hat meine Amtsvorgängerin Barbara Höll einen entsprechenden Antrag zur Öffnung der Ehe für alle eingebracht und begründet. Ich bin Barbara Höll für ihr unermüdliches Engagement in diesem Hohen Hause sehr dankbar. (Johannes Kahrs [SPD]: Warum ist denn Barbara Höll nicht mehr im Bundestag? Das würde ich gerne mal wissen!) Ich bin ihr dankbar dafür, dass sie das gemacht hat und seit 1990 hier für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen gekämpft hat. (Beifall bei der LINKEN) Aber vor allen Dingen – damit bin ich wieder am Ausgangspunkt – bin ich für das Engagement der vielen Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen dankbar, die ein Recht darauf haben, dass wir ihre Forderung endlich erhören, dass wir tatsächlich vor diesem Engagement Respekt zeigen und endlich die Ehe öffnen. Meine Damen und Herren, kommen Sie endlich in der Lebenswirklichkeit an, und folgen Sie dem Beispiel von vielen Ländern in der Welt: von unseren europäischen Partnern wie Dänemark, Belgien, Niederlande, Frankreich, sogar dem konservativen Großbritannien, von lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien und Uruguay, vom Südafrika Nelson -Mandelas bis hin zu einzelnen Bundesstaaten in den USA! Folgen wir diesem Beispiel endlich! Mit einer Öffnung der Ehe setzen wir im Übrigen auch ein Zeichen in Richtung der osteuropäischen Länder und Russlands. Das wäre ein viel machtvolleres und unübersehbareres Zeichen, als einfach nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi zu fahren. (Beifall bei der LINKEN) Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin in Warschau bei CSD-Paraden und -Demos mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen worden. Ich habe es am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, als Lesben und Schwule Angst haben zu müssen vor einem öffentlichen Klima, das gegen einen gerichtet ist. Wir werden nur dann wirkungsvoll etwas dagegen tun können, wenn wir als Land selbst mit gutem Beispiel vorangehen und damit deutlich machen: Der Weg in ein gemeinsames Europa führt nur über die Gleichstellung aller Menschen und über die Unantastbarkeit der Würde aller. Ich fordere Sie deswegen auf: Setzen Sie mit uns gemeinsam dieses Zeichen! (Beifall bei der LINKEN) Ich sage abschließend: Denken Sie nach diesem Redebeitrag nicht schlecht von mir, nur weil ich in meiner ersten Rede gleich Tacheles geredet habe. Manchmal muss man auch gegen die Tischmanieren verstoßen. (Burkhard Lischka [SPD]: Das war doch harmlos!) Ich wünsche Ihnen allen trotzdem frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Herr Kollege Petzold. Das war Ihre erste Rede. Auch von unserer Seite herzlichen Glückwunsch! Und: In diesem Haus darf man immer Tacheles reden. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Silberhorn von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, unterliegt nicht dem Urheberrecht der Linken. Meine Damen und Herren von der Linken, Sie haben in dritter Auflage einen Entwurf eingebracht, den wir schon in der letzten Legislaturperiode diskutiert und mit großer Mehrheit abgelehnt haben. Es ist also schon alles gesagt, aber eben noch nicht von der Linken. Ich will Ihnen gerne noch einmal vortragen, weshalb Ihr Gesetzentwurf aus unserer Sicht in die falsche Richtung geht und nicht auf unsere Zustimmung stößt. (Zuruf des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Ich will vorausschicken, dass es nicht um die Frage des Respekts vor unterschiedlichen Lebensentwürfen geht. Wir achten alle Lebensentwürfe, bei denen es um ein respektvolles Miteinander geht. CDU und CSU erkennen an, wenn Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften füreinander einstehen und Verantwortung füreinander tragen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja auch noch schöner, wenn nicht!) Gegenstand dieser Debatte ist etwas ganz anderes, nämlich ein Gesetzentwurf, der Ehe gleichstellen will (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man sieht am Rededuktus, dass die Differenzierung keinen Sinn mehr macht! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleichstellen, was sowieso schon gleich ist!) – Entschuldigung, umgekehrt –, der darauf abzielt, das Institut der Ehe zu öffnen und Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichzustellen. Das wollen wir nicht. Es gibt eine weitgehende Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Eheleuten. Ausgangspunkt war das Lebenspartnerschaftsgesetz aus dem Jahre 2001. Aber selbst mit diesem Gesetz haben Sie damals unter Rot-Grün im Kern den kategorialen Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft anerkannt. Möglicherweise ging es damals darum, zu vermeiden, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz vom Bundesverfassungsgericht ausgehebelt wird. Deswegen hat man den Begriff der Ehe ganz bewusst nicht umdefiniert, sondern den Begriff der Lebenspartnerschaft eingeführt. Insofern ist Lebenspartnerschaft keine Ehe mit falschem Etikett, sondern etwas anderes. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir ändern! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Viel Spaß dabei!) Das wurde im Übrigen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einer kontinuierlichen Linie bestätigt. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Silberhorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Liebich? Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Ich würde gerne noch erläutern, wie das Bundesverfassungsgericht die im Lebenspartnerschaftsgesetz enthaltenen kategorialen Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft bestätigt hat. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das wissen wir aber alles! – Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das Bundesverfassungsgericht hat die Qualifizierung der Ehe als Verbindung von Mann und Frau in allen Entscheidungen, die seither ergangen sind, immer wieder bestätigt. Es gibt in der Sache eine weitestgehende Gleichbehandlung, bis hin zur Sukzessivadoption. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 27 Gesetze müssen Sie noch ändern!) Wir als CDU/CSU verstehen uns als Verfassungsparteien und werden deshalb umsetzen, was uns das Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat. Auch unser -Koalitionsvertrag sieht die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption vor. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Art. 1 des Grundgesetzes gilt für alle!) Allerdings ist auch klar, Herr Kollege, dass bei der Sukzessivadoption ein Sonderfall vorliegt. Hier lebt das Kind bereits mit beiden Lebenspartnern zusammen. Deswegen steht es – ähnlich wie bei der Stiefkindadoption – in einem Verwandtschaftsverhältnis zu einem der beiden Lebenspartner. Das wird nun durch die Sukzessivadoption zusätzlich rechtlich abgesichert. Bei der gemeinschaftlichen Adoption liegt der Sachverhalt anders. Deswegen macht es einen Unterschied, ob ein Kind in eine Ehe von Mann und Frau oder zu zwei gleichgeschlechtlichen Partnern kommt. Nach Ihrer Vorstellung soll die Ehe als eine Verbindung von Mann und Frau aufgehoben werden. Zur Begründung führen Sie nicht mehr an, als dass es einen grundlegenden Wandel des traditionellen Eheverständnisses in unserer Gesellschaft gebe. Ich kann das nirgendwo erkennen, erst recht nicht mit Blick auf andere Länder, die Sie anführen. Ich teile Ihre Vorstellungen nicht. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Sie sollten einmal mit Ihrem Kollegen Luczak reden oder mit Herrn Spahn! Die können Ihnen das erklären!) Sie wollen im Ergebnis eine Verfassungsänderung auf kaltem Wege erreichen. Das wird aber nicht funktionieren. Das können Sie mit einem einfachen Gesetz nicht tun. Dann müssen Sie schon eine Verfassungsänderung vorschlagen und eine entsprechende Mehrheit erzielen. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das ist Unsinn! Das können Sie in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts nachlesen!) Die Ehe gehört schließlich zum Kernbereich der Verfassung. Deswegen kann man das nicht mithilfe eines einfachen Gesetzes uminterpretieren. Das Bundesverfassungsgericht hat 2008 zum Transsexuellengesetz entschieden, dass zum Gehalt der Ehe gehört, „dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist“. Das ist der Ausgangspunkt. Damit ist Ihr Gesetzentwurf nicht vereinbar. Von Verfassungs wegen ist die Ehe der Beziehung von Mann und Frau vorbehalten. Es gibt nun eine weitestgehende Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft; das ist Realität. Aber eine Gleichstellung in der Form, wie sie nun vorgeschlagen wird, können wir nicht mitmachen. Wir können Gleichbehandlung nicht um den Preis gewähren, dass man das Verfassungsinstitut der Ehe aushöhlt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird nicht ausgehöhlt, indem mehr Leute heiraten können!) Die Ehe bleibt die Verbindung von Mann und Frau, weil die Ehe etwas anderes als Lebenspartnerschaft ist. Das bedeutet nicht, dass wir andere Formen des menschlichen Zusammenlebens geringschätzen würden, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gönnerhaft!) aber es ist etwas Unterschiedliches. Wir lehnen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften deshalb ab. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben auch die steuerliche Gleichstellung abgelehnt, die Adoption abgelehnt! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Wird alles gemacht!) Daher lautet unsere Weihnachtsbotschaft für Eheleute und Familien: Sie stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes und der CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU – Beifall des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kollegen Stefan Liebich das Wort. Stefan Liebich (DIE LINKE): Lieber Kollege Silberhorn, Sie haben meine Frage nicht zugelassen, aber zum Glück haben wir hier das Instrument der Kurzintervention, damit wir auch muntere Debatten haben. Das, was Sie hier eben vorgetragen haben, ist nicht nur bitter für viele Tausende Lesben und Schwule in unserem Land, das ist nicht nur bitter für die SPD-Fraktion, sondern das ist auch bitter für viele Mitglieder Ihrer Fraktion; (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) denn inzwischen gibt es auch bei Ihnen mehr und mehr Leute, die diese Position nicht mehr teilen. Es ist aus meiner Sicht auch aus CDU-Perspektive nicht sinnvoll, weil es sehr viele konservative Schwule gibt, die wahrscheinlich sehr gerne die CDU wählen würden, wenn sie nicht eine so blödsinnige Politik auf diesem Feld machen würde. Aber das ist Ihre Schuld. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was ich an dieser Stelle ansprechen möchte, ist Folgendes: Wenn wir Menschen in unserem Lande gleiche Rechte versagen, dann ist das aus meiner Sicht eine -Gewissensfrage. Ich würde sehr gerne an Ihre Fraktionsführung und auch an die Fraktionsführung der SPD appellieren – wie ich höre, gibt es entsprechende Diskussionen –, so eine Frage nicht einfach entlang der üblichen Regeln eines Koalitionsvertrags zu entscheiden. Wenn das hier zur Abstimmung steht, dann sollte jeder Abgeordnete im Deutschen Bundestag seinem Gewissen gemäß entscheiden können, ohne Druck und ohne Zwänge; denn nur so können wir wissen, wie die Volksvertretung über die Gleichstellung von Lesben und Schwulen denkt. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Silberhorn, Sie haben jetzt die Möglichkeit, darauf zu antworten. (Johannes Kahrs [SPD]: Er muss aber nicht!) Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Ich will, Herr Kollege, nur auf einen Umstand hinweisen. Ich verstehe die Befindlichkeit, wenn es um Fragen der Gleichbehandlung und Gleichberechtigung geht. Da haben wir viel erreicht, auch in der letzten Legislaturperiode, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Bundesverfassungsgericht hat viel erreicht!) und es bleibt im Ergebnis eine zentrale Frage offen, nämlich die Frage der gemeinschaftlichen Adoption, in der wir unterschiedlicher Auffassung sind. Aber etwas ganz anderes ist der Gesetzentwurf, den Sie heute vorgelegt haben. Der zielt im Ergebnis darauf ab, dass sich bisherige Lebenspartner künftig auch Eheleute nennen können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Ich teile nicht die Auffassung, dass die Befindlichkeit der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner davon abhängt, sich künftig Eheleute nennen zu können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen also, wie die Befindlichkeiten der Homosexuellen sind!) Wenn es um Gleichberechtigung geht, müssen wir uns unterhalten, wie weit wir gehen. Ich glaube, Sie müssen auch sehr deutlich zwischen den Instituten unterscheiden und sehen, dass die inhaltliche Gleichstellung beider Institute nicht das Instrument für eine Lösung bei der Gleichberechtigung sein kann, die Sie anmahnen. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Nicht das Instrument, aber ein Instrument!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Ich erteile jetzt dem Kollegen Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. (Johannes Kahrs [SPD]: Ja, Volker!) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin erstaunt, dass Herr Silberhorn so viel über die Befindlichkeit der in Lebenspartnerschaften Lebenden in diesem Land weiß. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Offensichtlich ist er der neue Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre auch mal was! – Gegenruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Glück nicht!) Ich sage Ihnen: Die Lesben und Schwulen wollen in dieser Gesellschaft auf Augenhöhe mit den heterosexuellen Bürgerinnen und Bürgern leben, und sie wollen deshalb die Öffnung der Ehe; denn sie ist der Ausdruck der Gleichberechtigung und der Gleichheit vor dem Gesetz. Alles andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie kommen hier mit der Verfassung. Wie viele Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, angefangen von 2001 mit der Klage der Bayerischen Staatsregierung gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz, haben Sie in dieser Frage denn schon verloren? Ihre Rechtsauffassung von der Ungleichheit der Homosexuellen wird von dem Bundesverfassungsgericht, das die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützt, eben nicht geteilt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Traditionelles Eheverständnis war – es ist richtig – die lebenslange Verbindung von Mann und Frau in einer Ehe. Dieses traditionelle Rechtsverständnis wurde aber vom Bundesverfassungsgericht selbst infrage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat die ersten gleichgeschlechtlichen Ehen mit seiner Entscheidung zum Transsexuellengesetz geschaffen und wir das Ganze – diese Entscheidung – nachvollzogen. Wir, der Gesetzgeber, hätten Transsexuellen nach der Geschlechtsumwandlung gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Lebenspartnerschaft mit völlig gleichen Rechten und Pflichten wie in der Ehe anbieten können. Wir sind das nicht angegangen, und damit haben wir hingenommen, dass es in Deutschland erstmals mit allen Rechten versehene Ehen von Mann und Mann oder Frau und Frau im Sinne des Personenstandsrechtes gibt. Damit ist Ihre ganze verfassungsrechtliche Argumentation in sich zusammengefallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Schauen wir uns an, was unsere Bevölkerung denkt: Über 60 Prozent der Bevölkerung sagen Ja zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Man spricht auch heute schon davon, dass ein gleichgeschlechtliches Paar, das zum Standesamt geht, heiratet. Die Bevölkerung vollzieht die bestehende Differenzierung, an der Sie sich seit Jahren festklammern und die Sie einbetonieren wollen, nicht nach. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dieses Einbetonieren wird Ihnen aber am Ende des Tages nicht gelingen. Da bin ich mir sicher. Schauen Sie sich die internationale Rechtsentwicklung an. Als 1993 das Verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden zur Aktion Standesamt abgelehnt hat, gab es weltweit noch keine Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren. Heute gibt es sie von Brasilien bis Norwegen und Schweden, (Johannes Kahrs [SPD]: England!) von Südafrika bis Dänemark. Überall gibt es Staaten, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben. In der Mehrheit der Staaten in Westeuropa gibt es die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, von Portugal bis zu den Niederlanden. Das zeigt doch: Die Rechtsentwicklung ist auf unserer Seite. Wir werden durch Ihre rechtliche Haltung näher an Länder wie Russland und die Ukraine gerückt als an Frankreich, (Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Da kennen Sie die Lage in Frankreich aber nicht!) Großbritannien, Spanien oder Portugal, die alle die Öffnung der Ehe beschlossen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Sie behaupten hier so vollmundig, eigentlich sei ja schon fast alles gleichgestellt: In den letzten vier Jahren, seitdem Sie von der Union mit der FDP zusammen regiert haben, wurde aber auch nicht ein Jota zugunsten der Lebenspartnerschaft verändert, ohne dass es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gab. Vielleicht meinen Sie, Sie hätten Ihre Arbeit getan – ich habe Herrn Kauder gerade versprochen, ihm nachher die entsprechende Liste zu geben –: Es gibt 27 Gesetze, in denen die eingetragene Lebenspartnerschaft anders behandelt wird als die Ehe. Das geht vom Bundeskindergeldgesetz über das Versammlungsrecht über das Sprengstoffgesetz über Approbationsordnungen für Ärzte bis hin zur Höfeordnung, einer Sonderrechtsregelung im Erbrecht. In einer Zeit von „Bauer sucht Mann“ ist es notwendig, dass das Erbrecht für Bauern in dem Maße angepasst wird, wie Sie die Ehen schützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Das ist überfällig. Ich gebe Ihnen gern die Hausaufgaben mit. Sie haben sich im Koalitionsvertrag etwas vorgenommen. Da steht, Herr Silberhorn: Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen, werden wir beseitigen. Wenn Sie diese Beseitigung bei allen solchen Regelungen vornehmen würden, würde ich Ihnen schon konzedieren: Da machen Sie einen Fortschritt. Aber im nächsten Satz im Koalitionsvertrag wird der vorherige Satz gleich völlig aufgehoben: Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen. Das ist aber freundlich, dass Sie ein Urteil des Verfassungsgerichtes, das unmittelbar Rechtskraft erlangt hat, auch tatsächlich umsetzen werden. Das ist dann Ihre gleichstellungspolitische Meisterleistung? Nein, das ist eben nicht die Beseitigung aller Benachteiligungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Wenn Sie diese Benachteiligungen beseitigen wollen, dann müssen Sie auch die gemeinsame Adoption für gleichgeschlechtliche Paare einführen; denn das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Sukzessivadoption unter Randziffer 104 festgestellt: Es gibt keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft bei der Adoption. – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Schreiben Sie sich das hinter die Ohren, und setzen Sie das gemeinsam mit der SPD um! Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mittels Gerichtsurteilen keine politische Option ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften öffnen und diese damit auch im Adoptionsrecht und im Steuerrecht gleichstellen. – Jetzt erwarte ich Applaus von Ihnen; das ist aus Ihrem Wahlprogramm. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Sie haben versprochen, Sie würden die Ehe öffnen, Sie würden nicht auf das nächste Urteil zur Adoption warten, und Sie würden hier jetzt endlich klar Schiff machen. Das haben Sie im Koalitionsvertrag aber leider nicht durchgesetzt. Da haben Sie den Mund zu voll genommen. Es gibt eine Mehrheit hier im Haus für die Öffnung der Ehe. Wenn Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner an diesem Punkt nicht einigen können, dann geben Sie die Abstimmung frei, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) lassen Sie nicht nur eine Handvoll Abgeordnete dissentierend abstimmen, sondern realisieren Sie die Mehrheit in der Bevölkerung und die Mehrheit im Deutschen Bundestag für die Öffnung der Ehe! Das wäre der richtige und konsequente Weg. Die Union darf hier nicht immer die Sperrminorität haben. Gleichheit vor dem Gesetz – dazu gibt es keine Alternative. Das ist ein verfassungsrechtliches Gebot. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schließen Sie sich uns und den Linken in dieser Position an! (Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Herr Petzold, Sie haben eine Frage? Vizepräsident Johannes Singhammer: Eigentlich, Herr Kollege Beck, haben Sie die Redezeit bereits gut ausgeschöpft. Aber wenn Sie noch eine Zwischenfrage annehmen wollen, dann gestatte ich die selbstverständlich. – Herr Kollege Petzold. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der Jungfernrede kann man es ihm nicht abschlagen. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich die Frage stellen darf. – Herr Kollege Beck, ich wollte Sie noch fragen, ob denn jetzt unter Schwarz-Grün in Hessen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) mit einer Initiative aus diesem Bundesland zu rechnen ist, die uns hier vonseiten des Bundesrats noch Unterstützung zuteilwerden lassen wird. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kenne den Koalitionsvertrag nicht. Ich habe allerdings gesehen, dass bei queer.de stand: Die Forderungen der Lesben- und Schwulenverbände in Hessen wurden von den Grünen im Koalitionsvertrag mit der CDU alle durchgesetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das nehme ich erst einmal wohlwollend zur Kenntnis. Ansonsten können Sie Priska Hinz, die verhandelt hat und da viel sachkundiger ist als ich, fragen, ob auch eine Bundesratsinitiative geplant ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hessen so etwas am Ende nicht mittragen würde. (Lachen des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Aber das müssen Sie die Hessen bei uns fragen. Ich war nicht dabei. Noch eine Sache zu Ihrem Gesetzentwurf: Den fand ich total gut. Den kannte ich. Der war nämlich von mir. Den haben wir in der letzten Wahlperiode zweimal, einmal allein und einmal zusammen mit den Sozialdemokraten, eingebracht. Aber Sie hätten sich die Mühe machen können, die Sachen, die sich seither ergeben haben – wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Einkommensteuer –, aufzunehmen, den Entwurf upzudaten (Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) und zur Kenntnis zu nehmen, dass weitere fünf US-Bundesstaaten und Brasilien inzwischen die Ehe geöffnet haben. Das alles fehlt in Ihrer Begründung. Also: Wenn schon Copy-and-paste, dann immer noch mal kontrollieren, ob alles noch so ist, wie es der Autor geschrieben hat, von dem man abschreibt! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Burkhard Lischka [SPD]: Fußnote! Genau!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Ich erteile jetzt das Wort als Nächstes dem Kollegen Johannes Kahrs, SPD. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Vergangenheit habe ich hier immer die gleiche Rede halten dürfen – jahrein, jahraus. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt gibt es eine neue Rede!) Jetzt habe ich ein kleines Problem, aber, ich glaube, das kriege ich hin. Zum einen, zu der Linken: Man sollte schon einen eigenen Entwurf vorlegen. Der Kollege Beck hat es ja gesagt. Abschreiben ist wirklich keine Meisterleistung. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was gut ist, kann man auch übernehmen!) In der Sache – das muss ich aber zugeben – ist der Entwurf gut; er ist ja auch mit von uns, und deswegen kann er nicht schlecht sein. Also, in der Sache ist der vorgelegte Entwurf richtig, wichtig und gut. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!) – Wir stimmen heute nicht ab, Herr Kollege. Zum anderen: Im Koalitionsvertrag steht auf Seite 105: Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen. (Beifall bei der SPD) Dann heißt es: Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen. Dass dieser Satz da steht, liegt daran, dass es bei der CDU in der Vergangenheit mit der Umsetzung von Urteilen des Verfassungsgerichts schwierig war. Da wollten wir sichergehen. (Beifall bei der SPD) Wenn man das liest, stellt man fest, dass CDU/CSU und SPD sich einig sind, bestehende Diskriminierungen abzubauen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Jetzt diskutieren wir also mit den Kollegen von der Union die Frage: Was ist eine Diskriminierung? Der Kollege Silberhorn hat seine geschätzte Interpretation ja zum Besten gegeben. Ich sehe das anders: Wenn man nicht gleichbehandelt, diskriminiert man. Das ist eigentlich eine ganz einfache Geschichte. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das betrifft die Bereiche Ehe, Adoption und – Art. 3 Grundgesetz – sexuelle Identität. Das sind die drei Punkte, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Alles andere haben wir im Koalitionsvertrag geregelt. Was die Ehe angeht, gibt es verschiedene Interpreta-tionen, die man hier auch vortragen kann. Ich möchte aber anmerken, Herr Silberhorn, dass auch Koalitionsverträge nicht vor der Wirklichkeit schützen. Wir werden in den nächsten vier Jahren dieses Thema Diskriminierung auf die Tagesordnung setzen, weil im Koalitionsvertrag steht, dass bestehende Diskriminierungen abgebaut werden sollen. Das heißt, wir gehen erst einmal davon aus, dass wir in den nächsten Jahren alles das, was eine rechtliche Nichtgleichbehandlung von Lebenspartnerschaften darstellt, beseitigen werden. (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Erst danach streiten wir uns um den Begriff der Ehe. Herr Kauder, wir haben das hier ja häufiger diskutiert. Sie haben einmal gesagt, dass es keinen Koalitionsvertrag geben wird, der die Öffnung der Ehe enthält. Ich muss sagen: Sie haben sich durchgesetzt. Leider Gottes muss man bei Koalitionsverträgen Kompromisse machen. Dieser ist mir ganz besonders schwergefallen. Für mich als Sozialdemokrat ist das einer der Punkte, bei dem man sagen muss: Das ist schwierig. Das will ich nicht. Das mag ich nicht. – Aber man muss es in der Gesamtheit betrachten. Deswegen möchte ich hier darauf hinweisen, dass wir als Sozialdemokraten der Meinung sind und uns auch dafür einsetzen werden, die eben angesprochenen Punkte – Art. 3, Ehe und Adoption – in dieser Legislaturperiode mit diesem, von uns neuerdings geschätzten Koalitionspartner umzusetzen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dazu wollen und werden wir vorschlagen, die Abstimmung zu diesem Punkt freizugeben, weil es eine Gewissensfrage ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn man die Abstimmung freigeben würde, würden auch Sie, Herr Kauder, und die Union merken, dass ein Großteil der Kollegen von CDU und CSU dem zustimmen würde. Denn es ist ja nicht so, dass das, was Sie hier vertreten, eine allgemeine Meinung innerhalb der Union ist. Zwar hat es dazu einen Beschluss auf dem Bundesparteitag der CDU gegeben, aber es gibt ja in Ihren Reihen ein Fähnlein Aufrechter. Man muss sehen, dass das Leben sich weiterentwickelt. Das Problem, das wir immer wieder haben, ist, dass bei den Diskussionen hier im Deutschen Bundestag von einer Lebenswirklichkeit ausgegangen wird, die es im realen Leben nicht gibt. Bei den Menschen gibt es eine andere Empfindung. Da ist es so, dass Menschen heute diskriminiert werden. Da ist es so – das kann man vielleicht nachvollziehen –, dass sich im Arbeitsleben viele nicht outen, weil sie Nachteile befürchten. Da ist es so, dass viele, die lesbisch oder schwul sind, auf Schulhöfen ein Problem haben, sich zu outen, weil das eines der am häufigsten gebrauchten Schimpfwörter ist. Da ist es so, dass es in Familien Probleme beim Outing gibt. Dass dann über die Fernseher auch noch vermittelt wird, dass die Bundeskanzlerin sich in den Reden im Wahlkampf hinstellt und sagt: „Die Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen ist kein Anliegen. Wir werden die Öffnung der Ehe verhindern“, ist für junge Menschen natürlich eine Katastrophe, ist etwas, was nicht geht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir als Sozialdemokraten werden – ich mache das hier im Deutschen Bundestag seit 1998; wir haben hier alle Konstellationen erlebt – weiterhin für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen kämpfen, weil Gleichstellung etwas damit zu tun hat, wie man mit Menschen in diesem Land umgeht und ob man sie achtet. (Beifall des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Es genügt nicht, dass man respektiert, dass einige vielleicht ein bisschen anders sind, sondern es ist wichtig, dass man akzeptiert, dass sie so sind. Wer die gleichen Pflichten hat, der hat auch die gleichen Rechte zu haben. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, das ist einer der Punkte, für den wir als Sozialdemokraten in der 150-jährigen Geschichte unserer Partei immer gekämpft haben. Ich glaube auch, dass es stimmt, was der Kollege Petzold von der Linken am Anfang gesagt hat. Er hat ein Schild hochgehalten: Vollständige Gleichstellung gibt es nur mit der SPD. – Daran hat sich nichts geändert. Glück auf! (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich danke zunächst Ihnen, Herrn Kahrs, dass Sie ausgeführt haben, was der Koalitionsvertrag alles an guten Dingen enthält und dass wir diese umsetzen wollen. Ein erster Schritt ist gemacht, indem die Liste der Gesetze, die wir uns noch einmal anschauen müssen, weitergegeben worden ist. Wir werden das gerne aufgreifen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Liste habe ich gerade Herrn Kauder gespendet!) Wir haben diesen Gesetzentwurf, über dessen Urheberschaft Sie sich streiten oder die Sie sich auch teilen, vorliegen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist im Bundestagsarchiv klar festzustellen!) Dieser Entwurf fordert nicht mehr und nicht weniger als die Umdefinition eines wirklich zentralen Begriffes des Familienrechts und der Gesellschaftspolitik. Es ist ein Begriff, den nicht der aktuelle Gesetzgeber und den auch nicht der Gesetzgeber des BGB im Jahre 1900 erfunden hat. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Familie ändert sich, und Ehe ändert sich auch! Da muss man eben die Realität wahrnehmen! Das BGB wird auch verändert!) Diesen Begriff haben die Verfasser des BGB im Jahre 1900 bereits so vorgefunden. Er hat eine lange historische, kulturelle, religiöse und rechtliche Vorprägung. Man kann nicht einfach hingehen und aufgrund eines Umfrageergebnisses eine Umdefinition vornehmen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind aber nicht mehr im 19. Jahrhundert! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt sind Sie doch mal ruhig! – Gegenruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es doch aber, Herr Kauder!) Wenn man bei Wikipedia reinschaut, liest man Folgendes: Die Kulturgeschichte der Ehe fängt für Juden, Christen und Muslime mit Adam und Eva an. – Das ist schwer zu datieren. Es geht aber auch genauer. So findet man in den beiden ältesten juristischen Kodizes der Menschheitsgeschichte, dem Kodex Ur-Nammu von 2100 vor Christus und dem Kodex Hammurabi aus dem 18. Jahrhundert vor Christus, bereits Regelungen, die die Ehe betreffen. Unter dem Begriff „Ehe“ wird dort immer die lebenslange Gemeinschaft, die auf Dauer angelegte Gemeinschaft einer Frau und eines Mannes verstanden. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es gab doch schon immer gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Gemeinschaften in der Geschichte der Menschheit! Wir leben im 21. Jahrhundert! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen den Kodex Hammurabi jetzt aber nicht zur Grundlage unserer Gesetzgebung machen, oder?) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Neu? Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Gerne. Vizepräsident Johannes Singhammer: Bitte schön, Herr Dr. Neu. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Liebe Kollegin, wir kennen uns aus unserem Wahlkreis, dem Rhein-Sieg-Kreis. Dort haben Sie vehement – verbal zumindest – für die Gleichbehandlung gekämpft. Stehen Sie dazu, oder stehen Sie nicht dazu? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Danke, lieber Kollege, für die Frage. So kann ich ein bisschen weiter ausholen. (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist immer der Nachteil bei solchen Fragen! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie brauchen einfach nur Ja oder Nein zu sagen!) Ich habe mich hier über lange Zeit sehr dafür eingesetzt, dass wir bei wichtigen Punkten, bei der Gleichstellung im Steuerrecht angefangen, zu einer rechtlichen Gleichstellung kommen. Ich habe aber auch immer differenziert zwischen einer Öffnung der Ehe, die noch eine andere Kategorie darstellt, und eben der Angleichung von Positionen, bei denen Rechte und Pflichten zueinander passen müssen – da gebe ich Herrn Kahrs absolut recht –, und wo ich es auch als große und verletzende Ungerechtigkeit empfunden habe, dass man mit zweierlei Maß misst. Das ist an einer Stelle aufgehoben worden. Wir werden uns im Hinblick auf diesen Aspekt noch weitere Punkte anschauen. Wir werden schauen, ob noch weitere Dinge nicht zusammenpassen und diese dann gegebenenfalls aufgreifen und verändern. In diesem Punkt haben Sie mich absolut auf Ihrer Seite. Wir sprechen hier allerdings über einen anderen Punkt, und zwar über die Öffnung der Ehe. Diese hat eine lange kulturgeschichtliche und juristische Vorgeschichte. (Mechthild Rawert [SPD]: Adam und Eva!) Man kann daher nicht einfach hingehen und sagen: Wir definieren das anders. Man muss da schon ein bisschen genauer hinschauen. Ich habe nicht nur in Wikipedia oder in den Kodex Hammurabi geschaut, sondern habe mir auch die Protokolle des Parlamentarischen Rates aus der Zeit der Entstehung des Grundgesetzes angeschaut. Es gibt eine Fassung vom 10. Dezember 1948. In der damaligen Fassung steht darin unter Art. 7 a: Die Ehe als die rechtmäßige Form der fortdauernden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und die mit ihr gegebene Familie … stehen unter dem … Schutz der Verfassung. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gesellschaft ändert sich! Wir sind jetzt im 21. Jahrhundert, Frau Kollegin! Wir sind nicht mehr in den 50er-Jahren!) Drei Tage später ist die Definition im Text entfallen. Seither heißt es unverändert im Grundgesetz: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Was ist hier passiert? Man hat die Definition von Ehe nicht deshalb aus dem Text herausgestrichen, weil man in diesen drei Tagen unter dem Vorsitz von Konrad Adenauer zu der Überlegung gekommen ist, dass man unter Ehe nicht mehr die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau versteht und daher auf die Hervorhebung der Verschiedengeschlechtlichkeit verzichten möchte. Vielmehr hat man gedacht, dass sie so selbstverständlich und selbsterklärend ist, dass man sie weglassen kann. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben im Parlamentarischen Rat verloren!) Der Begriff „Ehe“ hat seine Bedeutung auch außerhalb unserer zivilen und öffentlich-rechtlichen Gesetzgebung. Er hat den klaren Inhalt: Lebensgemeinschaft von Frau und Mann. Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, der Kollege Beck möchte eine Zwischenfrage stellen. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Gerne. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Beck, Sie haben das Wort. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Kodex Hammurabi kenne ich mich nicht aus, aber über das Zustandekommen des Grundgesetzes weiß ich ein bisschen. (Christine Lambrecht [SPD]: Warst du dabei?) Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass Sie im Parlamentarischen Rat schlichtweg die Abstimmung über die Definition des Art. 6 Grundgesetz verloren haben? Würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass sich die Begriffe „Ehe“ und „Familie“, die in Art. 6 Grundgesetz genannt werden, gewandelt haben? Das Bundesverfassungsgericht hat uns nämlich bei der Reform des Kindschaftsrechts, die dem Parlament aufgezwungen werden musste, gesagt: Auch Alleinerziehende mit Kindern und nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern sind Familie. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass das Bundesverfassungsgericht in diesem Jahr bei den Entscheidungen über das Adoptionsrecht und das Steuerrecht ausdrücklich gesagt hat, dass Lebenspartnerschaften mit Kindern unter den grundgesetzlichen Schutz der Familie fallen und damit der Groschen beim Wandel des Begriffs „Ehe“ langsam fällt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin, bevor Sie jetzt antworten, habe ich eine Bitte an die Kolleginnen und Kollegen, die hier eine Vielzahl wichtiger Gespräche führen – Sie machen es damit den Kolleginnen und Kollegen, die dieser Debatte folgen wollen, nicht leichter –: Bitte stellen Sie diese Gespräche ein oder verlegen Sie sie nach draußen, damit hier die notwendige Aufmerksamkeit gefunden wird. (Beifall) Frau Winkelmeier-Becker, Sie haben das Wort. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Herr Kollege, über die Details der Protokolle des Parlamentarischen Rates können wir gerne noch einmal sprechen. Meine Dokumentationen sind aus meiner Sicht vollständig. Wenn Sie noch weitere Erkenntnisse haben, lade ich Sie gerne auf einen Kaffee ein und Sie zeigen mir diese. Zu den anderen Problemen. Ja, es ist problematisch, dass wir Dinge vermischen. Wer stellt infrage, dass gleichgeschlechtliche Eltern oder ein Elternteil mit dem neuen Partner und dessen Kind eine Familie bilden? (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Ihre Fraktion jahrzehntelang getan! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Ruhe!) Dass diese Familien alles, was sich rechtlich anknüpft, in Anspruch nehmen, ist doch selbstverständlich. Das ist überhaupt nicht in Abrede zu stellen. Bei den Urteilen, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf nennen, geht es um den familienrechtlichen oder grundgesetzlichen Schutz für die sozialfamiliäre Gemeinschaft aus eingetragener Lebenspartnerschaft und dem leiblichen oder angenommenen Kind des Lebenspartners. Zugestanden, eine Familie steht unter diesem besonderen Schutz. Das hat aber alles nichts zu tun mit der hier anstehenden, sehr spezifischen Frage der Öffnung der Ehe. Auch das Urteil zur Adoption verwirft die Differenzierung zwischen der Stiefkindadoption und der Sukzessivadoption, hat aber mit der Öffnung der Ehe insgesamt nichts zu tun. Mit Verlaub, es ist auch Blödsinn, hier auf das Transsexuellengesetz zu rekurrieren und zu behaupten, dieses habe das kollektive Bewusstsein geändert. Wie viele Fälle sind es? (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den verfassungsrechtlichen Begriff der Ehe hat es geändert!) Sind es zweistellige Fallzahlen? Es ist kein Phänomen, das das Bewusstsein und das Bild dessen, was Ehe ausmacht, verändern könnte. Abgesehen davon, auch in diesen Konstellationen hat am Anfang eine verschiedengeschlechtliche Ehe vorgelegen, die unter dem Schutz von Art. 6 GG steht. Es bleibt also dabei, dass wir – wie es Herr Papier im Übrigen 2002 formuliert hat – an den „Wesensgehalt“ der Ehe gebunden sind. Ich komme zu noch einem Irrtum. Eine Annäherung bei den Rechtsfolgen, die wir jetzt schon in vielen Punkten vollzogen haben – wir schauen uns gerne weitere Fälle an –, muss nicht dazu führen, dass man schon auf der Tatbestandsseite die Dinge im Wege der Umdefinition gleichsetzt. Da gibt es andere Möglichkeiten, etwa die Gleichsetzung der Rechtsfolgen über Einzelnormen, Fiktionen oder wie auch immer. Es gibt deshalb keinen Grund, keine Notwendigkeit, den sehr traditionellen Begriff der Ehe zu verändern. Es kann beim Begriff der Ehe für die Lebensgemeinschaft von Frau und Mann bleiben und beim Begriff der eingetragenen Lebenspartnerschaft für die Lebensgemeinschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares bleiben. Wie gesagt: Ein Teilaspekt des Gesetzentwurfs ist berechtigt. Wir müssen uns die Punkte, bei denen es noch Handlungsbedarf gibt, ansehen. Wir stellen jedoch fest, dass es für unseren Ansatz mehr Zustimmung gibt; da ist es interessant, sich die Umfrageergebnisse anzuschauen, die Sie sonst immer heranziehen. Ich möchte sogar für uns in Anspruch nehmen, dass unsere Diskussion in der Union das Umdenken in der Gesellschaft auch bei den vielen, die noch mit einem ganz anderen Denken aufgewachsen sind, mit befördert hat, gerade weil bei uns nachvollziehbar ist, dass wir um gute Lösungen ringen. Ich denke, das führt in der Gesellschaft zu einer höheren Akzeptanz. (Johannes Kahrs [SPD]: 15 Jahre zu spät!) Ein weiterer Irrtum. Sie setzen jemanden, der gegen eine Öffnung der Ehe ist, mit jemandem gleich, der Vorbehalte gegenüber Menschen mit anderer sexueller Orientierung hat. (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist Diskriminierung!) Ich kann für mich ebenso wie für viele andere, die ich kenne, wirklich glaubwürdig in Anspruch nehmen, dass diese Gleichsetzung nicht angemessen ist. Im Übrigen: Ob eine Lebenspartnerschaft gelingt, hängt doch nicht vom Begriff ab, den man dafür verwendet. (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist Diskriminierung!) Wie es bei Ehen ist, so ist es auch bei Lebenspartnerschaften: Es gibt welche, die gelingen, und welche, die eben nicht gut gelingen. (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist trotzdem Diskriminierung!) – Sie sollten nicht immer eine „Diskriminierung“ hineininterpretieren, wenn es sie nicht gibt, wenn sie nicht empfunden wird, wenn es nicht als solche gemeint ist. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird aber als Diskriminierung empfunden! Fragen Sie mal die Betroffenen!) Ich glaube, dass Sie damit dem eigenen Anliegen keinen sinnvollen Dienst erweisen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie entscheiden jetzt, wer sich diskriminiert fühlen darf und wer nicht? Das ist ja unerhört!) Wir gehen auf dem Weg weiter, den Rot-Grün eingeschlagen hat: Gleichstellung in den Rechtsfolgen dort, wo es richtig ist. Es wird einigen Handlungsbedarf geben. Für diesen Gesetzentwurf heißt das allerdings, dass er voraussichtlich abgelehnt wird. Ich möchte mit guten Weihnachtswünschen schließen, an alle Formen von Familien, an alle Menschen, die zusammenleben oder alleine sind, schlichtweg an alle, die uns zuhören, an alle Menschen in Deutschland. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Letzter Redner in dieser Debatte ist Dr. Edgar Franke, SPD. (Beifall bei der SPD) Dr. Edgar Franke (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Haus schon mehrmals mit der Öffnung der Ehe beschäftigt. Wir haben engagiert diskutiert, auch heute wieder – Herr Beck und vor allen Dingen Herr Kahrs haben wieder losgelegt. Die beiden haben daran erinnert, dass es einen gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen gab; es war ein guter Antrag. Uns liegt heute die dritte Auflage dieses Antrags vor, eingebracht von den Linken. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Herr Petzold, man kann nicht einfach einen Antrag wörtlich abschreiben und ihn als Gesetzentwurf ein Dreivierteljahr später wieder einbringen; denn es ist einiges passiert. (Zuruf von der LINKEN) Es gab ein weiteres Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses Urteil ist umgesetzt worden. Lieber Herr Petzold, wenn Sie schon einen Antrag von uns abschreiben, dann müssen Sie ihn wenigstens aktualisieren. Das wäre, glaube ich, nicht schlecht gewesen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten Jahren gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in allen Konstella-tionen mit klassischen Ehen von Mann und Frau gleichgestellt: bei der Adoption, bei der Hinterbliebenenversorgung, bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, beim Familienzuschlag, bei der Grunderwerbsteuer und sogar beim Ehegattensplitting. Hier hat sich also nicht nur gesellschaftlich etwas getan, auch juristisch ist viel verändert worden; das wird zu einer Gleichstellung führen. Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Kollege Petzold macht heute von seinem Recht, Zwischenfragen zu stellen, reichlich Gebrauch. Herr Kollege Franke, lassen Sie die Zwischenfrage zu? Dr. Edgar Franke (SPD): Ja. (Johannes Kahrs [SPD]: Das verlängert deine Redezeit! Das ist immer gut!) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Kollege Franke. Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir durch die Einbringung dieses Gesetzentwurfs in unveränderter Form Ihre Vorlage würdigen und Ihnen dadurch vor allen Dingen die Möglichkeit bieten, zuzustimmen? Wir wollten Ihnen keinen Anlass geben, mit uns hier über Kommas zu feilschen und Ihre Zustimmung wegen kleiner Änderungen an Ihrem guten Entwurf zu verweigern. Wir wollten Ihnen keinerlei Angriffsfläche bieten, sondern Ihnen die Möglichkeit geben, uneingeschränkt zuzustimmen. Würden Sie mir diesbezüglich zustimmen? Dr. Edgar Franke (SPD): Herr Petzold, ich würde Ihnen immer Folgendes entgegnen: Wenn man Anträge schreibt, muss man aktuelle Anträge schreiben und vor allen Dingen eigene. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Johannes Kahrs [SPD]: Selber denken! Das hilft!) Ich war bei der Bemerkung, dass sich gesellschaftlich viel verändert hat. Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern stehen inzwischen ganz selbstverständlich unter dem Schutz von Art. 6 des Grundgesetzes. Wir Sozialdemokraten haben immer gesagt: Familie ist da, wo Kinder sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich bin Vater von zwei Töchtern. Für mich ist Familie – gleich ob es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar oder ein Paar aus Mann und Frau handelt –, wenn man sich um Kinder kümmert. Ich glaube, das hat absolute Priorität. Im Übrigen steht auch die kinderlose Ehe unter dem Schutz von Art. 6 des Grundgesetzes. Wenn die kinderlose Ehe unter dem Schutz von Art. 6 des Grundgesetzes steht, dann müssen auch gleichgeschlechtliche Paare unter den Schutz von Art. 6 gestellt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mein hochgeschätzter Kollege Johannes Kahrs hat recht, wenn er sagt: Jemand, der die gleichen Pflichten übernimmt, muss auch die gleichen Rechte bekommen. Das nennt man Gleichbehandlung, und daher gilt der Schutz durch Art. 3 Grundgesetz. (Beifall bei der SPD) Gesellschaftlicher Fortschritt und die Gleichbehandlung im Familienrecht mussten immer erst vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten werden. Es darf aber nicht sein, dass die Politik dem gesellschaftlichen Wandel hinterherhinkt und man das Gericht bemühen muss, damit die gesellschaftliche Realität, wenn Sie so wollen, abgebildet wird. Unser Koalitionsvertrag – auch den hat Johannes Kahrs schon zitiert – enthält unser Anliegen, zusammengefasst in drei Punkten: Erstens. Wir wollen Familien stärken, auch Regenbogenfamilien. Es ist ganz egal, wie die Menschen zusammenleben. (Beifall bei der SPD) Zweitens. Wir wollen Menschen, die dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von ihrer sexuellen Identität unterstützen. Drittens. Wir wollen rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen, beseitigen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, mit dem auch Sie, Herr Petzold, etwas anfangen können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es stellt sich nur die Frage nach dem Wie. Ich glaube, es versteht sich von selbst, dass man einer Koalition Zeit geben muss, um politische Prioritäten zu setzen und den Koalitionsvertrag umzusetzen. Ich bin mir sicher, dass der gesellschaftliche Wandel hinsichtlich des traditionellen Verständnisses von Ehe und Familie vor den Toren der geschätzten Union nicht Halt macht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Bravo!) Wer die Debatten in der Union verfolgt hat – auch das hat Herr Kahrs schon angedeutet –, weiß, dass sich in der Union politisch einiges bewegt, dass über viele Themen, über die vor 10 oder 15 Jahren nicht diskutiert werden konnte, inzwischen zumindest diskutiert wird. Ich bin mir sicher, dass im Bereich des Familienrechts in dieser Koalition das eine oder andere bewegt werden kann. Wir haben aber noch einen ordentlichen Weg bis zur vollständigen rechtlichen und vor allen Dingen gesellschaftlichen Gleichstellung vor uns. Es ist wichtig, dass die komplette Gesellschaft die ausstehenden Schritte in die richtige Richtung geht; denn nur wer das Ziel kennt, findet letztlich auch den Weg. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Rede!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Hiermit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/8 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 15 auf: Wahl der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 17. Dezember dieses Jahres Frau Andrea Voßhoff für die Wahl vorgeschlagen. (Beifall bei der CDU/CSU) Für die Wahl ist die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages erforderlich, das heißt mindestens 316 Stimmen. Sie benötigen eine Stimmkarte sowie den grünen Wahlausweis aus Ihrem Stimmkartenfach. Meine Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen ist, dass Sie kontrollieren, ob der Wahlausweis auch Ihren Namen trägt. Die Stimmkarten selbst erhalten Sie jetzt hier im Saal. Die Wahl ist nicht geheim. Sie können deshalb die Stimmkarte an Ihren Plätzen ankreuzen und müssen keine Kabine aufsuchen. Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei entweder „Ja“, „Nein“ oder „Enthalte mich“. Noch eine Bitte: Bevor Sie die Stimmkarte in eine Wahlurne werfen, übergeben Sie Ihren Wahlausweis den Schriftführern. Die Abgabe des Wahlausweises gilt als Nachweis der Teilnahme an der Wahl. Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Wahlurnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne den Wahlgang. Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmkarten abgegeben? – Dann schließe ich hiermit die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Wahlergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben.1 Wir setzen die Beratungen fort. (Unruhe) – Ich bitte um Aufmerksamkeit. Diejenigen, die noch weitere wichtige individuelle Beratungen durchzuführen haben, bitte ich, diese Beratungen außerhalb des Plenarsaals fortzusetzen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 16 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Diana Golze, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Betreuungsgeldgesetzes – Drucksache 18/5 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist die Kollegin Diana Golze, Die Linke. Hiermit erteile ich Ihnen das Wort. (Beifall bei der LINKEN – Unruhe) – Darf ich noch einmal darum bitten, die Gespräche einzustellen oder draußen fortzusetzen? – Frau Kollegin Golze, Sie haben das Wort. Diana Golze (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wäre schön, wenn wir – – (Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten) – Oh, das habe ich auch noch nicht erlebt; eine Pre-miere. – Man könnte, passend zur Jahreszeit, sagen: Alle Jahre wieder geht es um das Thema Betreuungsgeld. Aber es ist ja doch einiges anders. Es gibt eine andere Regierungskoalition, und es gibt eine andere Ministerin, die ich auf der Regierungsbank leider vermisse. Aber Caren Marks ist da, also eine Kollegin, die sich mit diesem Thema auskennt. Auch wenn die Ministerin selber nicht dazu Stellung nehmen kann, will ich für alle Anwesenden ein Zitat aus einer Pressemitteilung vom 10. September dieses Jahres anführen, in der sie erklärt hat: Das Betreuungsgeld ist grundsätzlich falsch und richtet in seiner fehlerhaften Ausgestaltung viel Schaden an. (Beifall bei der LINKEN) Diese Auffassung teile ich uneingeschränkt. Ich kann mir vorstellen, dass es für eine frischgebackene Bundesministerin ein schöneres Thema für ihre erste Debatte gegeben hätte. Vielleicht hat das zu ihrer Entscheidung beigetragen, dass sie heute nicht hier sein kann. Frau Schwesig hat während der Koalitionsverhandlungen gesagt, sie sei nicht zum Kuscheln da. Dabei hätte ich sie gerne beim Wort genommen. Ich möchte ihr nicht absprechen, dass in der Arbeitsgruppe Familie in den Koalitionsverhandlungen hart verhandelt worden ist; aber auch die Opposition, auch wir sind nicht zum Kuscheln da. Deshalb frage ich mich schon: Womit hat sich die Ministerin, womit hat sich die SPD die Abkehr von ihrer strikten Ablehnung des Betreuungsgeldes abpressen lassen? (Beifall bei der LINKEN) Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare – dieses Thema hatten wir gerade – kann es anscheinend nicht sein; denn das wird von der Koalition abgelehnt. War es die sogenannte Mütterrente, also die Besserstellung von Frauen, die vor 1992 ein Kind bekommen haben? Auch die wird es nur halb geben: Es wird nur 1 Rentenpunkt geben. Die Mütterrente hatte die CDU/CSU-Fraktion ihrer Frauenunion bereits in der letzten Legislatur versprochen. Das kann es also auch nicht gewesen sein. War es die Angleichung der Bezahlung von Frauen und Männern? Auch da finden sich im Koalitionsvertrag nur sehr schwammige Formulierungen. Das kann es also auch nicht gewesen sein. Oder hat der – sicher hart erkämpfte – Prüfauftrag im Koalitionsvertrag, ob man als Bund vielleicht doch ein bisschen mehr Geld für den Kitaausbau zur Verfügung stellt, etwas damit zu tun, dass die SPD diese Kehrtwende vollzogen hat? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich weiß, wie dick die Bretter sind, die man in Verhandlungen mit der Union zu bohren hat, wenn es darum geht, mehr Geld für den Kitaausbau zu bekommen. Aber ein bloßer Prüfauftrag als Gegenleistung für den Verzicht auf eine Abschaffung des Betreuungsgeldes? Na, ich weiß nicht. Nicht nur meine Fraktion, auch die Grünen und eben auch die SPD haben in diesem Saal mehrfach betont, dass, um wirkliche Wahlfreiheit herzustellen, die Milliarden, die in das Betreuungsgeld fließen, in den Kitaausbau fließen müssten. Nun fließen sie weiter als Betreuungsgeld. In dieser Hinsicht steht im Koalitionsvertrag nichts von prüfen, es wird nicht einmal erwähnt. Dabei war es doch die SPD, die sogar ein Rechtsgutachten vorgelegt hat, in dem die Verfassungsmäßigkeit des Betreuungsgeldgesetzes infrage gestellt wurde. Nun wird das Betreuungsgeld kommentarlos beibehalten. Nein, Frau Schwesig, nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, bei allem Wissen um die Härte von Koalitionsverhandlungen und bei größtem Verständnis dafür, dass so unterschiedliche Partner Kompromisse eingehen müssen: Das Verhandlungsergebnis in Sachen Betreuungsgeld ist kein Kompromiss, sondern eine Kapitulationserklärung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Tatsache, dass das Betreuungsgeld trotz klarer Positionierung des Bundesrates – an welcher sicherlich auch Frau Schwesig mitgewirkt haben dürfte – kommentarlos erhalten bleibt, ist nicht erklärbar. Wir wissen: Dieses Betreuungsgeld ist gleichstellungspolitisch ein Katastrophenprogramm. Alle Erfahrungen in den Ländern, in denen es so etwas gegeben hat – und wo es in der Zwischenzeit übrigens wieder abgeschafft wurde –, zeigen: Ein Betreuungsgeld verhindert in erster Linie die Erwerbstätigkeit von Frauen. Das ist ein billiger Ersatz für hochwertige frühkindliche Bildung. Darum bleibt meine Fraktion, darum bleibe ich dabei: Nur dort, wo es ein ausreichendes Angebot an Kindertagesbetreuungsplätzen gibt, kann man von wirklicher Wahlfreiheit reden. (Beifall bei der LINKEN) Dort, wo die Eltern aufgrund fehlender Kitaplätze keine echte Wahlfreiheit haben, wird das Betreuungsgeld zum Notanker. Das zeigen die Zahlen: In den Bundesländern, in denen es eine gute Infrastruktur für Kindertagesbetreuung gibt, wird das Betreuungsgeld kaum nachgefragt. Ein Beispiel dafür ist Brandenburg: 624 Anträgen auf Betreuungsgeld stehen 30 960 Kinder unter drei Jahren, die in öffentlichen Einrichtungen betreut werden, gegenüber. Das heißt, dort, wo Betreuungsplätze vorhanden sind, wird das Betreuungsgeld nicht nachgefragt. Im Umkehrschluss heißt das: Wir müssen Betreuungsplätze schaffen, bevor wir uns überlegen, ob wir uns ein Taschengeld leisten können. (Beifall bei der LINKEN) Werte Kolleginnen und Kollegen, ich darf daran erinnern: In den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und Linken gab es bei diesem Thema eine große Übereinstimmung. Nach der Wahl des neuen Bundestages wäre Zeit gewesen, um diese Mehrheit hier im Parlament dazu zu nutzen, um diesen Gesetzentwurf zu beschließen. Wir haben ihn frühzeitig eingebracht. Es waren die jetzigen Koalitionäre, die Sitzungswochen auf einzelne Sondersitzungstage eingedampft haben, die keine wirkliche Befassung des Parlamentes mit diesen Vorlagen erlaubt haben. Deshalb kann dieser Gesetzentwurf erst jetzt behandelt werden. Ich fordere die Kolleginnen und Kollegen, die dieses Betreuungsgeld immer abgelehnt haben, auf, das zu tun, was sie vor der Wahl versprochen haben: Schaffen Sie es ab! Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin in dieser 38 Minuten dauernden Aussprache ist die Kollegin Dorothee Bär. (Beifall bei der CDU/CSU) Dorothee Bär (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche als MdB und nicht als Parlamentarische Staatssekretärin, da ich zum Thema Betreuungsgeld quasi eine Abschiedsrede halten möchte. Frau Kollegin Golze, Sie haben vorhin in Ihrer Rede gesagt – das haben Sie Gott sei Dank nicht gesungen –: Alle Jahre wieder. – Ich hoffe nicht, dass sich das durchsetzt, sondern dass Sie endlich akzeptieren, dass wir an dieser Stelle einen Schlusspunkt setzen. Im Übrigen ist unsere Familienpolitik nie gekennzeichnet gewesen von „Alle Jahre wieder“, sondern von „Ihr Kinderlein kommet“. (Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Aber nicht in die Kita!) Ich spreche auch deswegen in meiner ehemaligen Funktion, weil ich meine Rede einem Kollegen widmen möchte, der mich sehr unterstützt hat und der nicht mehr im Bundestag ist, nämlich meinem Kollegen Norbert Geis. Lieber Norbert, wenn du heute zuschaust: Diese Rede ist auch für dich. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Ah!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, an sich ist es ja in der Politik ehrenhaft, wenn man ein Ziel konsequent verfolgt und alles dafür tut, um dies zu erreichen. Frau Kollegin Golze, irgendwann muss man aber erkennen, dass es nichts bringt, wenn man immer nur gegen die Betonwand rennt. Angesichts dessen, dass Sie hier auf absolut aussichtlosem Posten sind, (Diana Golze [DIE LINKE]: Steter Tropfen höhlt den Stein!) verstehe ich nicht, warum Sie diese nervende Schaufensterpolitik machen. Das ist der eigentliche Punkt: Sie machen das nicht, weil Sie glauben, dass Sie Erfolg haben, sondern machen hier eine nervige Schaufensterpolitik; (Beifall bei der CDU/CSU) das Wort, das ich eigentlich sagen möchte, darf ich nicht sagen, sonst rüffelt mich mein eigener Präsident. (Sönke Rix [SPD]: Unser aller!) Wir haben uns über dieses Thema schon unzählige Male gestritten. Das Ganze geht seit über sieben Jahren. Und das Schöne ist doch: In den letzten Tagen und Wochen sind viele Kolleginnen und Kollegen – ich weiß gar nicht mehr, wie viele – auf mich zugekommen und haben gesagt: Ja, ich war auch irgendwann einmal dagegen, ich war auch skeptisch. Ich habe im Wahlkampf aber gemerkt, was das für ein Bringerthema ist. – Das waren Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fraktionen. Ich oute aber niemanden. Es ist schon spannend, wie sich, wenn etwas umgesetzt ist, Meinungen verschieben. Zahlen sind immer der beste Beweis. Viele Mütter und Väter, viele Familien rufen dieses Betreuungsgeld ab. Es gehen viele Dankesbriefe ein. Ich habe es noch nie erlebt, dass zu einem Thema mehr Dankesschreiben als Kritikschreiben kommen. Das ist unglaublich. Sie werden nicht unterstellen können, dass Briefe gefiltert werden. In den Regalen stehen meterlang Aktenordner mit Briefen von Eltern – ich kann sie Ihnen zeigen –, in denen sie schreiben: Danke, dass ihr anerkennt, dass wir hier eine Leistung erbringen. (Beifall bei der CDU/CSU –. Diana Golze [DIE LINKE]: Ich kann Ihnen Briefe von Erzieherinnen und Erziehern aus dem Westen zeigen, die genau das Gegenteil sagen!) – Gerade die Erzieherinnen und Erzieher sind diejenigen, die sich dafür bedanken, dass es eine Alternative gibt. In jedem Kindergarten, in jeder Kindertagesstätte, die ich besucht habe, waren die Erzieherinnen und Erzieher die Ersten, die gesagt haben: Ja, unser Job ist wichtig, wir machen ihn mit Leidenschaft. – Sie sagen auch: Danke, dass ihr trotzdem Alternativen bietet, weil wir als Erzieherinnen und Erzieher so wie die Mütter und Väter wissen, dass nicht alle Kinder gleich sind. Wir sind dagegen, dass es eine Gleichmacherpolitik gibt. (Diana Golze [DIE LINKE]: Das macht auch niemand!) Selbst in einer Familie sind nicht alle Kinder gleich, jedes hat unterschiedliche Talente. Was für ein Kind mit anderthalb oder zwei Jahren in einer Familie gut ist, muss für ein anderes, dreijähriges Kind noch lange nicht gut sein. (Diana Golze [DIE LINKE]: Deshalb wollen wir die Wahlfreiheit!) Deswegen sagen wir: Da es Unterschiede gibt, wollen wir die Wahlfreiheit. Ich bin so dankbar, dass wir das durchgesetzt haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Die wollen wir! Sie tun nichts dafür! Wir wollen Wahlfreiheit!) Zu Ihrem Antrag. Sie haben selber gesagt: Alle Jahre wieder. – Das haben wir heute schon öfter gehabt. Sie haben keine neuen Ideen. Sie nehmen immer wieder die alten Entwürfe und schreiben nur neue Drucksachennummern drauf. Das ist eine Art von Arbeitsverweigerung; das muss man an dieser Stelle einmal festhalten. (Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Wer sich der Arbeit verweigert hat, möchte ich mal wissen!) Das Einzige, was Sie hier wollen, ist: Sie versuchen, einen Keil durch die neue Koalition zu treiben. Das wird Ihnen natürlich nicht gelingen, weil Koalitionen immer dann am erfolgreichsten sind, wenn sie nicht mit einer rosaroten Brille, sondern mit einer ehrlichen Einschätzung angegangen werden, und ich glaube, dass wir alle ins Gelingen verliebt sind. Deswegen sehe ich – da bin ich positiv –, dass das eine Koalition der Vernunft ist, die sich in den nächsten vier Jahren hier durchsetzen wird. Ich bin der SPD dankbar dafür, dass wir in vielen Punkten Kompromisse erreichen konnten. Ich weiß natürlich, dass sich die beiden neuen Staatssekretärinnen im Familienministerium die Durchsetzung des Betreuungsgeldes nicht eingerahmt und über das Bett gehängt haben – ich denke, hier können wir ehrlich miteinander sein –, aber man sagt zumindest: Wir wollen einen Kompromiss eingehen; wir wollen gemeinsam regieren. – Das finde ich sehr gut, und ich freue mich schon extrem auf die Rede der Kollegin Ziegler nachher. (Dagmar Ziegler [SPD]: Das glaube ich!) Das wird mir ein Fest sein. (Sönke Rix [SPD]: Aber nicht auf meine Rede? – Heiterkeit der Abg. Diana Golze [DIE LINKE]) Kompromisse sind das eine, aber ich möchte wirklich auch noch einmal über die Eltern und über die Kinder sprechen, für die das Geld angenommen wird: Das zuständige Bundesfamilienministerium hat mitgeteilt, dass bundesweit mittlerweile mindestens – mindestens! – 95 000 Anträge auf Betreuungsgeld eingereicht wurden. Warum „mindestens 95 000“? Es sind mindestens 95 000, weil bisher nur aus elf Bundesländern Zahlen vorliegen – von den anderen Ländern gibt es noch keine Angaben – und diese teilweise auf dem Stand von Oktober sind. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es in Deutschland mittlerweile über 100 000 bewilligte Anträge auf Betreuungsgeld gibt; einige Zeitungen haben das ja auch geschrieben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man muss hier einmal ganz ernsthaft fragen: Wollen Sie allen 100 000 Familien, die sich auf diese Leistung gefreut haben und sie jetzt bekommen – sie freuen sich über diese Anerkennung –, allen Ernstes sagen, dass sie ein falsches, veraltetes Modell leben und altmodisch sind? Wollen Sie die Familien diffamieren, die sich für einen anderen Lebensweg entscheiden und für die auch klar ist, dass Bildung nicht nur in Institutionen stattfindet, sondern dass die allererste Bildung selbstverständlich im Elternhaus erfolgt? (Beifall bei der CDU/CSU) Es gibt ein altes gälisches Sprichwort, das übersetzt lautet, dass die erste Bildung sowohl im Schoß als auch auf dem Schoß der Mutter stattfindet. Das akzeptieren wir nicht nur, sondern das wollen wir eben auch unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe ja schon von Ihrem recycelten Gesetzentwurf gesprochen. Wie ernst es Ihnen damit tatsächlich ist, sieht man natürlich auch daran, wie nachlässig er formuliert ist. Sie schreiben nämlich in dem auf den 23. Oktober 2013 datierten Antrag, Sie wollen die Einführung des Betreuungsgeldes verhindern. Leider zu spät! Das Betreuungsgeld ist eingeführt, das Betreuungsgeld wird ausgezahlt, und mit dem Betreuungsgeld wird viel Gutes getan. Wenn Sie also schon alte Texte aus der Schublade ziehen, dann müssen Sie sich wenigstens die Mühe machen, den Inhalt auf den aktuellen Stand zu bringen. Das ist heute wesentlich leichter, als das früher mit Schreibmaschinen der Fall war; heutzutage gibt es nämlich Computer. (Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Das Beste ist, dass Sie ihn auch gelesen haben!) Sie behaupten, dass es für Familien keine echte Wahlfreiheit gibt. Auch das ist nicht richtig. Laut Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes – das wissen wir alle – hat es seit dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs, als Sie alle möglichen Untergangsszenarien an die Wand gemalt haben, bundesweit circa 50 Klagen von Personen gegeben, die keinen ihnen genehmen Platz gefunden haben. Aber von den Kommunalpolitikern, den Bürgermeistern und den Oberbürgermeistern vor Ort wurden sehr unbürokratisch sehr gute Lösungen im Einvernehmen mit den Eltern erreicht. 50 Klagen sind 50 zu viel, aber das ist zumindest nicht die Katastrophe, von der Sie ausgegangen sind. Eines möchte ich noch einmal zu den Bewilligungen und zu den Zahlen sagen: Ich finde es schon spannend, dass dort viele Anträge gestellt werden, wo die Bundesländer es den Eltern leicht machen. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle – das muss gestattet sein – auch einmal ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Bayreuth und Würzburg bedanken, die diese Anträge für ganz Bayern bearbeiten. Sie sagen, dass es spannend ist: Bei ihrer Hotline rufen hauptsächlich Eltern aus Bundesländern an, die sich weigern, diese Hilfe unbürokratisch zur Verfügung zu stellen. Also, man kann schon sehr viel tun. Man kann nämlich für Familien viel verhindern, man kann auch viel für Familien tun. Man kann das Ganze vor allem unbürokratisch ausgestalten. Lustig fand ich in diesem Zusammenhang, wenn Zeitungen geschrieben haben, dass wir es den Eltern zu einfach machen würden, weil es sich nur um ein Formular mit zwei Seiten handelt, das man ausfüllen und unterschreiben muss. Das müsste schon ein bisschen komplizierter sein. So einfach dürfe es nicht sein, an staatliches Geld zu kommen. – Ich sage: Doch, so einfach muss es sein. Mir hat vorhin, in der letzten Debatte, der Satz von Thomas Silberhorn gefallen, der gesagt hat, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen und auch unter dem von CDU und CSU. Ich freue mich jetzt, dass wir in diesem Fall auch die SPD mit an Bord haben. Schöne Weihnachten! – falls wir uns nicht mehr sehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank, Frau Kollegin Dorothee Bär. Bevor wir zur nächsten Rednerin kommen, darf ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der Wahl der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit bekannt geben: abgegebene Stimmen 587, ungültige Stimmen 2. Mit Ja haben gestimmt 403, mit Nein haben gestimmt 151, Enthaltungen 31.2 Frau Andrea Voßhoff hat damit die erforderliche Mehrheit erhalten und ist zur Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gewählt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie ist hier anwesend. Ich beglückwünsche Frau Voßhoff zu diesem neuen, herausragenden Amt und wünsche viel Erfolg und Gottes Segen. Ich darf jetzt als nächste Rednerin Frau Dr. Franziska Brantner bitten. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Was wollte die SPD im Wahlkampf nicht alles mit den Mitteln aus der Abschaffung des Betreuungsgeldes finanzieren! 200 000 neue Kitaplätze bis 2017, Verbesserung der frühkindlichen Bildung. Ich glaube, in diesem Zusammenhang war sogar in der Debatte, die Kitagebühren abzuschaffen. All diese Pläne sind geschmolzen wie Schnee in der Sonne. Was übrig bleibt, ist ein kleines, graues, hässliches Häufchen: das teure und kontraproduktive Betreuungsgeld. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es wird nicht abgeschafft, und das Wort „Betreuungsgeld“ kommt im Koalitionsvertrag nicht einmal vor. Das ist für die SPD wahrscheinlich auch besser so. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe großen Respekt vor der Leistung von Müttern und Vätern bei der Erziehung, Unterstützung und Betreuung ihrer Kinder. Sie übernehmen eine herausfordernde, meistens schöne, manchmal anstrengende, aber immer überaus wichtige Aufgabe. Die Entscheidung darüber, ob und von wem ich ein Kind in welchem Umfang betreuen lassen möchte, ist eine grundsätzlich private Entscheidung. Diese Entscheidung respektieren wir absolut. (Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre ja auch noch schöner!) Ich habe mich deswegen wirklich bemüht, gute und sachliche Gründe für das Betreuungsgeld zu finden. Ich habe aber keine finden können. Das Argument der CSU und von Teilen der CDU war und ist, wie wir heute wieder gehört haben, die Wahlfreiheit, die Wahl zwischen arbeiten zu gehen und währenddessen sein Kind betreuen zu lassen oder nicht zu arbeiten und sein Kind selber zu betreuen. Mit dem Betreuungsgeld müsste Wahlfreiheit also bedeuten, dass ich mir diese Wahl leisten kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wahlfreiheit würde also bedeuten, dass man von 150 Euro im Monat leben kann. Das wäre vielleicht in Nepal oder Mali zutreffend – ich weiß es nicht –, aber auf keinen Fall in Deutschland. Es ist eben keine Wahlfreiheit, sondern teure Rechthaberei von Herrn Seehofer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn man sich die Regierung und den Koalitionsvertrag so anschaut, dann kann man sich wirklich zu Recht fragen, wofür es diese CSU noch gibt, außer um teure Schnapsideen und ein gutes „Bringerthema“, wie Frau Bär sagte, von Herrn Seehofer durchzudrücken – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gegen jeden Sachverstand und gegen jede Vernunft! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD und vor allen Dingen Frau Schwesig, Sie müssen an dieser Kröte ja fast ersticken. Es wird auch nicht besser, wenn man sich das gesamte Bild anschaut. Union und SPD hatten große familienpolitische Erwartungen geweckt. Die Union wollte die Familienförderung stärken, Kindergeld und Kinderfreibeträge sollten erheblich erhöht werden. Sie von der SPD wollten die Kinderarmut wirksam bekämpfen, von einem Kindergeldzuschlag war seitens der SPD die Rede, auch die Angebote zur Kinderbetreuung sollten verbessert werden. Das Ergebnis ist für die wirkliche Mehrheit der Familien enttäuschend: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) null Einsatz gegen Kinderarmut, eine völlig unengagierte Förderung guter Kindertagesbetreuung und keine Verbesserung der Familienförderung. Dafür aber bleibt das teure und kontraproduktive Betreuungsgeld. Liebe Kolleginnen und Kollegen, arme Kinder werden zurückgelassen: Rund 2,5 Millionen Kinder leben in Deutschland in Armut. Diese Kinder und ihre Familien kommen im Koalitionsvertrag nicht vor. Im Koalitionsvertrag gibt es so viele Details; Fahrradhelme und alles Mögliche werden erwähnt. Das Wort „Kinderarmut“ kann man suchen; man findet es aber nicht. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skandalös!) Das ist ein Koalitionsvertrag auch der SPD, in dem Kinderarmut nicht einmal vorkommt. Dabei ist das eine der großen Hauptaufgaben, die wir vor uns haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine Erhöhung des Kinderregelsatzes, keine Verbesserung des Kinderzuschlags, keine Verbesserung des Bildungs- und Teilhabepaketes und keine wirksame Unterstützung für armutsgefährdete Alleinerziehende und ihre Kinder. Gut ist – das möchte ich auch erwähnen –, dass endlich die Lebenswirklichkeit von Familien zumindest teilweise Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden hat, und zwar im Bereich der Zeitpolitik. Der Vorstoß von Ministerin Nahles zu familienfreundlichen Arbeitszeiten ist sehr zu begrüßen. Es ist dringend notwendig, dass sich der deutsche Arbeitsmarkt vom alleinverdienenden Mann mit zwei Kindern, die zu Hause gut betreut werden, verabschiedet und sich auch der Lebensrealität von Müttern und Vätern, die arbeiten, anpasst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In anderen Ländern in Europa ist das übrigens längst der Fall. Von daher: Viel Glück für Frau Nahles. Wir werden sie dabei auf jeden Fall unterstützen. Frau Schwesig, falls Sie doch noch die Kröte aus dem Hals holen und das Betreuungsgeld abschaffen wollen: Wir unterstützen Sie gerne. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Dr. Brantner, das war Ihre erste Rede hier im Hohen Hause. Es ist guter Brauch, Ihnen dazu zu gratulieren und Glück zu wünschen. Alles Gute! (Beifall – Sönke Rix [SPD]: Aber nicht nur, weil es guter Brauch ist!) Es spricht jetzt als nächste Rednerin die Kollegin Dagmar Ziegler, SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dagmar Ziegler (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen insbesondere von der Linksfraktion, die größte Oppositionsfraktion hat den Anspruch, in der Oppositionsarbeit besonders kreativ zu sein. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist wahr!) Das können wir zu Beginn dieser Legislaturperiode, eben weil es wahr sein sollte, leider nicht feststellen. Denn wenn Sie regelmäßig alte Anträge, die Sie irgendwann eingebracht bzw. die wir unterstützt haben, hervorholen und uns damit inhaltlich stellen wollen – wo wir alle wissen, in welcher Konstellation die Bundesregierung aufgestellt ist –, sage ich: Wir alle wissen doch ganz genau, wie die Reaktion unserer Fraktion ausfallen wird. (Widerspruch bei der LINKEN – Diana Golze [DIE LINKE]: Sie hatten drei Monate Zeit, um das abzuräumen!) Um zum Thema zu sprechen: Unsere Haltung ist natürlich genau die gleiche wie vor den Wahlen und auch wie 2011 und 2012. Wir halten das Betreuungsgeld aus bildungspolitischer Sicht für falsch. Wir halten es auch mit Blick auf die Integration nicht für richtig. Das alles ist SPD-Sicht und wird auch die nächsten vier Jahre SPD-Sicht bleiben. (Beifall bei der SPD) An unserer Einschätzung hat sich also überhaupt nichts geändert. Liebe Dorothee Bär, das muss ich leider sagen. Es wird in den nächsten vier Jahren ebenfalls einige Male so sein, dass sich die Haltung der CDU/CSU zu einem bestimmten Thema nicht verändert hat und konträr zu unserer steht. Wir sind Vertragspartner. Wir haben ein Bündnis auf Zeit mit der Union, und wir halten uns an die Spielregeln, die vereinbart worden sind. (Beifall der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU] – Manfred Grund [CDU/CSU]: Sehr gut!) Wir haben natürlich darum gerungen, das Betreuungsgeld abzuschaffen, keine Frage; Dorothee Bär hat es schon gesagt. Die CDU/CSU hat sich nicht darauf eingelassen. Für sie war es eine der größten Errungenschaften in der 17. Wahlperiode. Das haben wir zu akzeptieren. Wir haben in anderen Bereichen – auch das hat Dorothee Bär dargelegt – einiges aus unserer Sicht Positive erreichen können. Wir haben beispielsweise die verbindliche Quote zur Besetzung von Aufsichtsräten ab 2016 vereinbart. Wir konnten ein Maßnahmenbündel zur Herstellung von Entgeltgleichheit vereinbaren, womit stückweise die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern erreicht werden soll, und wir haben schließlich vereinbart, dass 6 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau von Kitas, Ganztagsschulen und Universitäten zu investieren sind. Das ist kein Prüfauftrag – um das noch einmal richtigzustellen –, vielmehr ist im Vertrag ausdrücklich beim Mehrbedarf die Ausfinanzierung zugesichert. (Beifall bei der SPD) Wir werden deshalb, wie es sich für Vertragspartner gehört, vertragstreu handeln. Das würden Sie von der Linksfraktion irgendwann im Fall einer Regierungsbeteiligung hoffentlich nicht anders machen. Darüber sollten Sie die nächsten vier Jahre nachdenken. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Zustimmung der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Marcus Weinberg, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist tatsächlich so, wie es Dorothee Bär schon skizziert hat: Es ist gewissermaßen ein Déjà-vu. Das alles haben wir schon gehabt. Man könnte die alten Reden heraus-holen und ein bisschen modifizieren. Trotzdem habe ich mich, Frau Golze, über den Gesetzentwurf Ihrer Fraktion geärgert. Schließlich ist es nicht einige Monate, sondern einige Ereignisse später. Deswegen ist es schon ärgerlich, dass wir die Diskussion der Vergangenheit aufnehmen müssen, die eigentlich vom Tisch sein sollte. Die Menschen und insbesondere die Familien in Deutschland wollen diesen Kulturkampf nicht mehr. Sie haben sich entschieden, und zwar im Übrigen bei der Bundestagswahl, die ein klares Ergebnis gebracht hat. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen aber auch diese Leistung nicht!) Frau Kollegin Dörner, gerade die Parteien, die bei der Bundestagswahl mit einem sehr ideologiegeprägten Familienbild angetreten sind, sollten darüber nachdenken, ob möglicherweise das Ergebnis der Bundestagswahl eine Reaktion auf ihr Familienbild ist. Ich glaube schon, dass dem so ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Was die Familien in Deutschland von der Politik wollen, ist, dass im Bereich der Familienpolitik sinnvolle Rahmenbedingungen geschaffen und Alternativen entwickelt werden. Was sie aber nicht wollen, Frau Golze, ist Ihr Ansatz. Sie stellen die Bedingungen so, dass es nur eine Möglichkeit gibt. Das Ergebnis der Bundestagswahl und die neuesten Zahlen der Anträge auf Betreuungsgeld zeigen im Wesentlichen zweierlei. Das Erste ist, dass die Familien – Verzeihung, Frau Ziegler – nicht auf Ihre Argumentation im Wahlkampf hereingefallen sind, dass sie sich davon losgelöst haben und nicht das Zerrbild, das Sie noch im Wahlkampf gemalt haben, übernommen haben. Das Zweite ist, dass Ihre Position zu der Frage „Kita oder Betreuungsgeld?“ abgelehnt wurde. Das lässt sich auch anhand der Zahlen belegen. Über 100 000 junge Familien haben das Betreuungsgeld beantragt. Zwei Drittel der jungen Familien befürworten das Betreuungsgeld als familienpolitische Leistung. 71 Prozent der Eltern sagen, dass sie für sich entschieden haben, dass ihre Kinder für eine externe Betreuung noch zu jung sind. Noch einmal – Frau Bär hat es bereits deutlich gemacht –: Wir reden hier nicht über vorschulische Bildung und stellen auch nicht die Bildungsimplikationen von Kita und Krippe insgesamt infrage. Aber wir reden hier über Klein- und Kleinstkinder. Da ist es schon auffällig, dass sehr viele Eltern für sich entschieden haben – es sind weit über 50 Prozent –, dass ihre Kinder zu klein sind, um sie schon so früh in eine Betreuung zu geben. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt doch erst ab eins!) Das heißt aber nicht – das ist der Grundansatz unseres Systems –, dass wir keine entsprechenden Angebote schaffen. Frau Dörner, es besteht ein Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Das heißt, keine Familie wird ausgeschlossen. Ich erinnere mich noch daran, dass die Grünen in der letzten Debatte des Deutschen Bundestages vor der Bundestagswahl Rechtsfälle skizziert haben, in denen der Rechtsanspruch nicht umzusetzen sein wird. Haben Sie jemals wieder etwas davon gehört? Nein. Überall gibt es eine deutliche Zunahme der Angebote im Bereich der Krippenversorgung. Die durchschnittliche Betreuungsquote liegt bei 40,3 Prozent. Mir sei noch die kleine Bemerkung gestattet, weil die CSU immer so attackiert wurde: Die geringste Diskrepanz zwischen Nachfrage einerseits und Ausbau und angestrebter Quote andererseits besteht in den alten Bundesländern in Bayern mit knapp 10 Prozent. Die größte Diskrepanz besteht in den neuen Ländern in Mecklenburg-Vorpommern. Aber ich gehe fest davon aus, dass wir mit der neuen Ministerin und in Gesprächen mit den Ländern dafür sorgen werden, dass die Länder, wo es noch etwas schwächer aussieht, stärker aufgestellt werden. Insgesamt wird Ihre Argumentation nicht besser. Das sehen nicht nur viele Eltern so. Ich möchte Dr. Herzberg, Landesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken in Thüringen zitieren, der es insbesondere im Hinblick auf die Debatten, die wir hier teilweise führen – so ideologiegeprägt und entfernt von Sachpolitik –, deutlich auf den Punkt gebracht hat: „Was hier an Falschem, Halb- und Unwahrheiten verbreitet wird, ist unerträglich.“ Ich glaube, es ist an der Zeit, hier einen Schlussstrich zu ziehen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Thüringen wird das Betreuungsgeld abgeschafft!) Wir haben die Wahlfreiheit, und ich glaube, es ist auch durch die hohe Anzahl von Anträgen deutlich geworden, dass sich Familien entschieden haben, die Betreuung ihrer Kleinstkinder selbst zu übernehmen. Im Übrigen ist es in Thüringen so – ich erwähne das, weil es angesprochen wurde –, dass die Betreuungsquote im Krippenbereich gestiegen ist, obwohl es im Land Thüringen ein Erziehungsgeld gibt. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird jetzt abgeschafft!) Das ist also kein Widerspruch an sich. Ich war ganz fasziniert von der Formulierung in dem Antrag der Linken. Die lautet sinngemäß: Leitgedanke moderner Familienpolitik muss die Wahlfreiheit sein, bezogen auf die individuelle Lebensführung. – Diese Haltung teilen wir. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Weinberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenkert? Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Immer. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Lenkert, Sie haben das Wort. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Kollege. – Ist Ihnen bekannt, dass gleichzeitig mit der Einführung des Erziehungsgeldes in Thüringen das Alter der Kinder, die einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz haben, von drei auf zwei Jahre gesenkt worden ist und damit erst die Möglichkeit für die betroffenen Eltern bestand, ihren Rechtsanspruch geltend zu machen und ihr Kind in eine Kinderkrippe zu geben, und ist Ihnen weiterhin bekannt, dass nach Umfragen der Träger der Freien Wohlfahrtspflege gerade die Eltern, die besondere Unterstützung benötigen, weil sie zu bildungsfernen Schichten gehören, das Erziehungsgeld eher in Anspruch nehmen als andere und damit das Ganze im Prinzip kontraproduktiv wirkt? (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Dazu darf ich sagen, dass von Ihnen immer behauptet wurde: Wenn das Erziehungsgeld in Thüringen kommt, wird es zu einer massiven Abnahme der Anmeldungen im Krippenbereich kommen. Aber obwohl es ein Erziehungsgeld in Thüringen gibt, hat die Anzahl der Anmeldungen im Krippenbereich – das besagt das Zitat von Dr. Herzberg – zugenommen. Im Übrigen könnte man sehr viele Länder als Belege anführen, übrigens auch Bayern – da gibt es das Landeserziehungsgeld schon länger –, dass sich Ihre Vermutung nicht bestätigt hat. Die große Abmelderunde gibt es nicht. Es handelt sich hier um zwei Dinge. Es gibt einen Rechtsanspruch auf eine Krippenbetreuung. Wir hätten das Betreuungsgeld möglicherweise anders diskutiert und möglicherweise gar nicht eingeführt, wenn wir nicht den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz geschaffen hätten. Man muss dazu aber auch eine Alternative entwickeln, die anderen Wünschen, die Familien haben, gerecht wird. Dazu muss ich sagen, liebe Kollegin Dr. Brantner – übrigens herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede –, dass Sie und Frau Golze dabei stehen geblieben sind. Im Gesetzentwurf ist es nicht ganz deutlich formuliert. Wir reden über Alternativen. Auf der einen Seite bieten wir die Chance, durch den Rechtsanspruch Vollzeit zu arbeiten und Geld zu verdienen; auf der anderen Seite bieten wir durch das Betreuungsgeld von 150 Euro zumindest in kleinen Teilen eine Entschädigung. Ihre Logik ist folgende: Weil das irgendwie nicht ganz gerecht ist und es hier eine Diskrepanz gibt, soll das Betreuungsgeld ganz abgeschafft werden. – Das ist einseitig, und das schafft keine Wahlfreiheit. Das bedeutet für viele Familien, dass sie nur dann zurechtkommen, wenn sie Vollzeit arbeiten und das Kind betreuen lassen. Das aber ist eine Einschränkung und nicht eine Stärkung der Wahlfreiheit. (Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Dann müssen Sie aber auch die Kitagebühren abschaffen, Herr Weinberg! Die haben Sie jetzt vergessen in Ihrer Rechnung! Kitas kosten nämlich auch Geld!) – Die Kitagebühren? Ich war ehemals in Hamburg für den Kitabereich verantwortlich. Sie wissen vielleicht, dass in Hamburg ungefähr für die Hälfte der Kinder keine Kitagebühren oder nur der geringste Satz gezahlt werden muss, weil es eine soziale Staffelung gibt. Das ist Aufgabe der Länder. Gemeinsam mit den Ländern – da stimme ich Ihnen zu – wäre das durchaus denkbar. Noch einmal zum Ausbau des Krippensystems insgesamt. 5,4 Milliarden Euro hat der Bund in den letzten Jahren investiert. Ab 2014 werden noch einmal 770 Millionen Euro für die Betriebskosten zur Verfügung gestellt. Es wird für uns in der neuen Koalition eine Maßgabe sein, dass wir das Gute und das Erfolgreiche bewahren wollen. Die Zahlen sprechen dafür, dass das Betreuungsgeld angenommen wird. Das heißt aber auch, dass wir mit den lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Frau Ziegler, in den nächsten Jahren schauen, wo weitere Veränderungsmöglichkeiten in der Qualität der Betreuung bestehen. In den nächsten Jahren werden wir insbesondere die Fragestellung betrachten müssen, wie wir nicht nur die Anzahl der Betreuungsplätze, sondern auch die Qualität erhöhen können. Es geht dabei um den Ausbau, die Qualität und die Standards, und es geht auch darum – das steht im Koalitionsvertrag –, wie man Familienpolitik flexibilisieren kann. Wie kann man es schaffen, dass sich Familien flexibler auf ihre Situation – Stichwort: Elternzeit – einstellen können? Ich glaube, wir haben einiges vor uns, was wir auch gemeinsam machen werden. In einem – das sei festgehalten – sind wir klar, und da werden wir in den nächsten Jahren weitere deutliche Erfolge verzeichnen können: Das Betreuungsgeld bleibt. Es ist die zweite Kom-ponente einer 2007 gemeinsam getroffenen Verabredung. Auf der einen Seite geht es um eine vernünftige Versorgung mit Krippenplätzen und auf der anderen Seite um die Möglichkeit, im Sinne der Familien Alternativen zu fördern. Insofern wünsche ich Ihnen und vor allen Dingen den Familien in Deutschland frohe Weihnachten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließender Redner in dieser Debatte ist der Kollege Sönke Rix, SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sönke Rix (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer dann, wenn wir über das Betreuungsgeld sprechen, sprechen wir auch über unsere Familienbilder und darüber, wie wir damit politisch umgehen. Es bleibt dabei – das ist Grundsatz der SPD; ich habe die Hoffnung, dass es auch bei der CDU so ist –: Jede Familie – Familie ist immer dort, wo Kinder sind, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht – soll selber entscheiden, wie sie sich organisiert, ob sie Betreuung oder externe Bildung in Anspruch nimmt oder ob man zu Hause betreut. Diese Wahlfreiheit muss bestehen bleiben. Die Entscheidung darüber muss in der Hand der Familie liegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE]) Ich glaube, dass es im Koalitionsvertrag dafür ein paar gute Grundlagen gibt. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit sich jede Familie so entscheiden kann, wie sie es möchte. Das ist leider noch nicht an allen Stellen so. Schon die letzte Große Koalition hat, was Elternzeit, Elterngeld und auch den Krippenplatzausbau betrifft, festgestellt: Ja, hier investieren wir; wir versuchen, die Rahmenbedingungen für Eltern zu verbessern, um am Ende zu gewährleisten, dass es sich für junge Menschen lohnt, eine Familie zu gründen. Junge Menschen müssen wissen, dass Gesellschaft und Staat helfen und sie dabei unterstützen, Kinderbetreuung so zu organisieren, wie sie es wollen. Ich finde, damals haben wir gemeinsam Gutes geleistet. Auch in diesem Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, bei Elternzeit und Elterngeld zu neuen, flexibleren Lösungen zu kommen. Es gilt, sich der Situation der Familien anzupassen. Für den Krippenplatzausbau haben wir ebenfalls noch nicht genügend getan. Deshalb haben wir ein 6-Milliarden-Euro-Paket vereinbart, sodass für die Krippenplätze vor Ort Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Wenn das nicht ausreicht, wird dieses Paket bedarfsgerecht aufgefüllt werden. Es ist also nicht so, dass wir Stillstand an dieser Stelle haben. Wir haben im Koalitionsvertrag gute Dinge festgeschrieben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn wir darüber sprechen, wie wir Wahlfreiheit organisieren, dann zeigt sich: Es gibt ein Thema, bei dem wir uns als Koalitionspartner nicht einig sind; das darf man so formulieren. Es ist nicht so, dass die Sozialdemokraten mit Eintritt in die Große Koalition ihre Forderung aufgegeben haben, das Betreuungsgeld wieder abzuschaffen. Sie wissen aber alle, liebe Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen, dass man in einer Koalition Kompromisse schließen und dicke Kröten schlucken muss. Das ist leider auch in diesem Fall so. Das wird in Hessen unter Schwarz-Grün mit Sicherheit der Fall sein; das kennen die Linken aus Brandenburg und aus Koalitionen in anderen Ländern: Man kann sich nicht zu 100 Prozent durchsetzen. Das heißt aber nicht, dass die Sozialdemokraten ihre Forderung nach Abschaffung des Betreuungsgeldes aufgeben. Wir sagen nach wie vor: Das Betreuungsgeld ist das falsche Mittel. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden über den vorliegenden Gesetzentwurf in den Ausschüssen beraten. Ich gebe ehrlich zu: Auch nach den Reden der beiden Kollegen des jetzigen Koalitionspartners habe ich nicht die Hoffnung, dass sich während der Beratungen vielleicht doch noch die Einsicht einstellt, dass es richtig ist, das Betreuungsgeld abzuschaffen. Das wird nicht der Fall sein. Ich wünsche mir nicht nur – weil hier alle gute Wünsche äußern –, dass die Union irgendwann zur der entsprechenden Einsicht kommt, sondern möchte auch den Grünen das Angebot machen, dass wir gemeinsam, wenn andere Mehrheitsverhältnisse bestehen, das Betreuungsgeld abschaffen und die dicke Kröte, die wir jetzt schlucken mussten, wieder ausspucken. Wenn die Linkspartei dabei mitmacht, ist das auch kein Problem. Liebe Dorothee Bär, das war nun Ihre letzte Rede in Ihrer Eigenschaft als Familienpolitikerin. Jetzt wechseln Sie schwerpunktmäßig nicht nur vom Parlament in die Regierung, sondern auch das Fach. Ich freue mich natürlich darüber, weil ich es Ihnen gönne, eine neue Aufgabe wahrzunehmen. Ich weiß nicht, ob ich es besonders schade finde, die Debatten künftig ohne Sie zu führen. Aber mit Sicherheit wird mir etwas fehlen. Ihnen also alles Gute für Ihre neue Aufgabe! Wir versuchen, in der Familienpolitik neue Wege zu gehen. Vielleicht gelingt dies erst in vier Jahren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Hiermit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/5 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Den NATO-Bündnisfall umgehend beenden – Drucksache 18/202 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Verteidigungsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gehrcke, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es sind jetzt zwölf Jahre, in denen der NATO-Bündnisfall in Kraft ist, und damit auch zwölf Jahre des Krieges gegen den Terror, zwölf Jahre Afghanistan-Krieg und ein Hineinziehen Deutschlands in diesen Krieg. Denken Sie noch einmal an den völlig absurden Ausspruch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder von der uneingeschränkten Solidarität. Uneingeschränkt bin ich nicht mal mit mir selbst solidarisch. Das war eine Bekenntnispolitik, die unerträglich ist. (Beifall bei der LINKEN) Ich finde, jetzt muss man auch einmal den Mut haben, nüchtern Bilanz zu ziehen. Es gab damals drei Argumente: Man braucht den Krieg gegen den Terror, um erstens die Gewalt einzudämmen, zweitens Abrüstung herbeizuführen und drittens Demokratie zu erreichen. Jetzt wollen wir uns das einmal anschauen. Zum ersten Argument. Der Krieg gegen den Terror hat die Gefahr von Gewalt und die Gewalt selbst nicht eingedämmt; ganz im Gegenteil. Dieser Krieg gegen den Terror hat Zigtausende Menschen in verschiedenen Teilen der Welt in den terroristischen Untergrund getrieben und damit den Terror erhöht. Gesellschaftsordnungen, die akzeptieren, dass jeden Tag 57 000 Menschen in der Welt verhungern, die sich abschotten, die das Mittelmeer zum großen Friedhof gemacht haben, haben die Moral verloren, mit der sich ein solcher Anspruch legitimieren lässt. (Beifall bei der LINKEN) Solche Gesellschaftsordnungen säen Gewalt und ernten Hass. Also, Gewalt ist nicht abgebaut worden. Zum zweiten Argument. Ist die Gefahr der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen kleiner geworden? Sie ist größer geworden. Es sieht doch heute jeder, dass sie größer geworden ist; es gibt chemische, biologische, bakteriologische Waffen in vielen Teilen der Welt. Was die Entwicklung von Atomwaffen angeht, so stehen viele Länder an der Schwelle, es zu können, wenn sie es wollten. Es gibt zwei Lichtblicke. Das eine ist die Entscheidung, die syrischen Chemiewaffen zu vernichten – das ist wirklich eine wichtige Entscheidung, weil es eine Entscheidung gegen den Krieg und für Diplomatie war –, und das andere ist die Vereinbarung mit dem Iran, die in Fragen Atomwaffen im Nahen Osten außerordentlich wichtig ist. Also, der Krieg gegen den Terror hat die Gefahr der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen nicht eingeschränkt. Zum dritten Argument. Hat der Krieg gegen den Terror mehr Demokratie gebracht? Wissen Sie, ich habe den Eindruck, dass wir dem, was wir zu bekämpfen vorgeben, immer ähnlicher werden, und das macht mich in einem außerordentlich großen Maße besorgt. Die Spionagegeschichte der NSA und anderer Geheimdienste, auch des BND, wird damit begründet, dass man Terroristen entlarven muss. Der Krieg gegen den Terror hat nicht mehr Demokratie gebracht, sondern Demokratie vernichtet. (Beifall bei der LINKEN) Schließlich – ich bitte Sie, sich das anzuschauen –: Die doppelten Standards sind zum Normalfall geworden. Deutsche Konzerne verkaufen Waffen auch in Spannungsgebiete – mit Billigung der Bundesregierung. Heckler & Koch ist eine Umschreibung für „Mord und Totschlag“ geworden; auch das sollte man einmal festhalten. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Oh Mann!) Mit korrupten und antidemokratischen Regimen wie Saudi-Arabien, Katar und anderen ist unser Land verbündet. Auch das ist Ergebnis des Kriegs gegen den Terror, weil wir wahllos geworden sind. Wenn das alles stimmt – wenn nicht, dann widerlegen Sie mir das; das werden Sie nicht können –, dann muss man den NATO-Bündnisfall aufheben – rechtlich ist er sowieso überwunden –, die Beteiligung am Krieg gegen den Terror einstellen und sofort und bedingungslos aus Afghanistan abziehen. Das ist das Gebot der Stunde. (Beifall bei der LINKEN) Vor Weihnachten darf man ein paar Wünsche äußern. Ich wünsche mir, dass Sie an Weihnachten in sich gehen, begreifen, dass diese ganze Politik falsch ist, zu einer anderen politischen Linie kommen, dass wir hier gemeinsam über Friedenspolitik reden können, dass Schluss ist mit dem Krieg gegen den Terror, dass der NATO-Bündnisfall aufgehoben wird. Wenn Sie dabei, weil Sie an mich denken, auch gleich noch entscheiden, die NATO aufzulösen, bin ich natürlich außerordentlich dankbar. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als Nächster spricht der Kollege Ingo Gädechens für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits zum zweiten Mal liegt uns in dieser noch jungen Wahlperiode ein Antrag zur Beendigung der Operation Active Endeavour vor. Die dahinterstehende Absicht der Linken, die Sie, Herr Gehrcke, hier sehr deutlich gemacht haben, liegt auf der Hand: Es geht Ihnen auch bei diesem Antrag nicht um eine ernsthafte Diskussion über die deutsche Sicherheitspolitik. Nein, Ihnen geht es ausschließlich darum, Bündnispartnerschaft und Solidarität infrage zu stellen. (Beifall des Abg. Thomas Stritzl [CDU/CSU] – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wo steht denn das im Antrag?) Ganz nebenbei geht es Ihnen, wenn Sie so einen großen Rundumschlag bis hin zur wehrtechnischen Industrie machen, darum, mit Ihren Äußerungen politischen Unfrieden zu stiften. Das ist nicht nur allzu durchsichtig, sondern das wird Ihnen, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, hier in diesem Haus nicht gelingen. Im Gegensatz zu Ihnen befassen sich die koalitionstragenden Fraktionen ernsthaft mit einer glaubhaften und verlässlichen Außen- und Sicherheitspolitik und übernehmen Verantwortung für Deutschland – mit unseren Partnern und in den eingegangenen Bündnissen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) Damit bin ich bereits bei den Kernpunkten. Wir reden nicht über den Afghanistan-Einsatz, sondern über Active Endeavour. Im Rahmen dieser Operation geht es auch um freien Zugang zum Mittelmeer und um Solidarität. Für uns als führende Handelsnation, aber auch für unsere Partner in der Europäischen Union ist das Mittelmeer ein entscheidendes Transitmeer, auf dem wichtige Güter transportiert werden. Wenn wir uns die sicherheitspolitische Lage rund um das Mittelmeer anschauen, dann gibt es wahrlich keinen Grund zur Entwarnung. In Syrien wird, wenn man den Presseberichten Glauben schenken darf, die Opposi-tionsbewegung nach und nach von radikalen Islamisten übernommen. In Nord- und Zentralafrika ist die Terrorismusgefahr durch die Einsätze der internationalen Gemeinschaft, zum Beispiel in Mali, noch lange nicht abgewendet. Es liegt somit eine Bedrohung der Handelswege und der Anrainerstaaten vor. Der Kampf gegen Aggressoren und gegen eine latente Instabilität, auch im maritimen Bereich, ist noch lange nicht beendet. Wachsamkeit ist weiterhin notwendig. Diese Wachsamkeit wird unter anderem durch Active Endeavour gewährleistet. Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht ist diese Operation als Beitrag zur maritimen Sicherheit, insbesondere aber zu einer Lagebilderstellung im Mittelmeer überaus sinnvoll und erforderlich. Active Endeavour leistet einen wichtigen Beitrag, dieses Lagebild in einer politisch instabilen Region zu verdichten. Es ist aber auch unsere Pflicht als Bündnispartner, einen Beitrag zum Schutz unserer Verbündeten zu leisten. Schließlich wissen gerade wir Deutschen zu schätzen, was jahrzehntelange Solidarität bedeutet. Die deutsche Marine und der deutsche Anteil der AWACS-Besatzungen haben im Rahmen von OAE einen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit und Bündnissolidarität in dieser Region geleistet. Deutschland ist der drittgrößte Truppensteller. Im Rahmen von Active En-deavour wird mit Seestreitkräften, Luftfahrzeugen und unter Nutzung multinationaler, netzwerkgestützter Informationssysteme ein umfassendes Lagebild für den gesamten Mittelmeerraum erstellt. Die ständigen maritimen Einsatzverbände der NATO bilden das wesentliche militärische Instrument für diese Operation. Diese Einsatzverbände gab es auch schon vor zwölf Jahren, also vor Active Endeavour, in dieser Region. Diese Einsatzverbände hat Deutschland zu keiner Zeit infrage gestellt. Natürlich – da gebe ich Ihnen recht – ist das Mandat nicht auf ewig in Stein gemeißelt. Darum haben wir über die NATO bereits Anträge zur Weiterentwicklung des Mandats unter den genannten Aspekten eingebracht. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, welch verheerende Signalwirkung der einseitige Ausstieg Deutschlands aus der Bündnissolidarität hätte. Dass den Verfassern des Antrages diese Folgen egal sind, ist bekannt. Aber wie ich eingangs erwähnte: CDU, CSU und SPD tragen für Deutschlands Sicherheit Verantwortung. Wir werden Active Endeavour aus dieser Verantwortung heraus gemeinsam mit unseren Bündnispartnern weiterentwickeln oder beenden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele von Ihnen ahnen oder wissen, wie schwer es gerade während der Weihnachtszeit ist, fernab der Heimat seinen Dienst im Einsatz zu verrichten. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Deswegen danken wir unseren Soldaten!) Als ehemaliger Berufssoldat hatte auch ich das zweifelhafte Vergnügen, über die Feiertage meinen Dienst zu verrichten. Deshalb grüße ich ganz besonders herzlich unsere Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzgebieten und schließe alle mit ein, die auf der ganzen Welt Dienst für die Bundesrepublik Deutschland leisten. Von dieser Stelle aus wünsche ich ihnen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch. Kommt heil und gesund in die Heimat zurück! Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag der Linken zur Beendigung des NATO-Bündnisfalls. Dieser Antrag hat einen richtigen Kern; dazu komme ich noch. Trotzdem komme ich nicht zu dem Ergebnis, meiner Fraktion zu empfehlen, diesem Antrag zuzustimmen. Dieses Thema ist nicht neu. Wir Grüne haben bereits Ende 2012 einen Antrag zur Beendigung des Bündnisfalls gestellt; Zustimmung gab es damals von der Linken und der SPD. Wir haben auch vor zwei Wochen einen Antrag zu Active Endeavour eingebracht. In diesem Antrag haben wir unsere Forderung wiederholt; sie bleibt auch richtig. Wir freuen uns immer, wenn andere von uns abschreiben. Dann aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, sollte man es auch richtig machen. Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, dass Deutschland, wenn es nicht so kommt, wie Sie es sich wünschen, den Bündnisfall einseitig beenden sollte. Das ist Zeugnis Ihrer großen Unkenntnis von Bündnissen und davon, wie sie funktionieren. Was Sie eigentlich sagen wollen, ist: Raus aus der NATO! Aber dann sagen Sie das doch auch so. Legen Sie einen Antrag vor, in dem steht: Raus aus der NATO! – Dann wäre klar, worüber Sie eigentlich sprechen möchten, und dann würden wir darüber abstimmen. Ihr Antrag ist verklausuliert; so kenne ich Sie gar nicht. Das ist aber auch ein Zeichen dafür, welch verkrampftes Verhältnis Sie auch zu VN-Einsätzen haben. Wir erleben dieser Tage, dass gerade im Südsudan – hier haben Sie sich ja immer kategorisch verweigert – eine Situation herrscht, bei der man nicht einfach wegschauen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken: Das hat mit dem, was Sie „internationale Solidarität“ nennen, überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im Kern bleibt es richtig, dass der NATO-Bündnisfall beendet werden muss, und zwar deshalb, weil er mit einem Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika begründet wurde. Das ist zwölf Jahre her. Wir leben mittlerweile aber in einem komplett anderen Sicherheitszeitalter. Deshalb kann man nicht einfach sagen: Es geht so weiter wie bisher. – Damals war es Konsens mit der Sozialdemokratie, dass wir uns daran beteiligen. Die Begründung für das Mandat zur Beteiligung an der Operation Active Endeavour ist aber nicht Syrien. Die Rechtsgrundlage ist nicht die Situation am Mittelmeer. Die Rechtsgrundlage lautet noch immer „America under attack“. Das ist heute aber nicht mehr aktuell. Insofern kann man das auch nicht mit der Situation in Syrien und dem dortigen Agieren der Islamisten begründen. Das Problem ist, dass wir uns in der NATO seit zwölf Jahren in einem permanenten Ausnahmezustand befinden. Dieser permanente Ausnahmezustand unterminiert nachhaltig die Solidaritätsklausel der NATO. Es ist nicht im Sinne eines Bündnisses – erst recht nicht im Sinne eines multilateralen Agierens –, dass dieser Ausnahmezustand weiter anhält. Deshalb muss der Bündnisfall endgültig beendet werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Frage, wie es mit OAE weitergeht, beschäftigt uns natürlich. Bei aller Ablehnung der Grundlage dieses Mandats und dieses Einsatzes und bei aller Dankbarkeit für das, was von den Soldatinnen und Soldaten vor Ort und ihren Familien geleistet wurde, stellen wir uns die Frage: Wie gedenkt die Koalition mit der Parlamentsbeteiligung künftig umzugehen? Es gibt eine Kette von Entscheidungen, die uns so langsam befremdlich erscheinen: erst das Agieren am Anfang, dass OAE keine Mandatierung bräuchte, dann die Fragen bezüglich Zentralafrika. Es ist im Übrigen noch eine Klage von uns Grünen wegen Pegasus anhängig, der aus unserer Sicht völlig berechtigten Evakuierungsmission in Libyen. Ich kann nur sagen, dass sich die Parlamentsarmee in unserem Land bewährt hat. Der Kern der Parlamentsarmee ist die Parlamentsbeteiligung. Wir werden entschieden Widerstand leisten, wenn sich abzeichnet, dass die Große Koalition dies einschränken will. Im Koalitionsvertrag steht einiges, was uns Sorge macht. Das werden wir ganz sicher nicht mitmachen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Bevor ich das Wort dem Kollegen Klingbeil gebe, erteile ich dem Kollegen Gehrcke das Wort für eine Kurzintervention. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Schönen Dank, Herr Präsident! – Ich möchte zwei Irrtümer ausräumen; denn sonst lohnt sich die Debatte nicht. Wir haben keinen Antrag gestellt, die Operation Active Endeavour zu beenden. Wir haben einen Antrag gestellt, den NATO-Bündnisfall aufzuheben. Das geht viel weiter als die Forderung, die Operation Active -Endeavour zu beenden. Außerdem kann man dies gar nicht beantragen; denn die Operation läuft am 31. Dezember aus. Wenn sich die Bundesregierung kein neues Mandat dafür holt, ist sie rechtlich beendet. (Beifall bei der LINKEN) Sie wird vermutlich mit einem Trick kommen; aber der Zusammenhang stimmt hier einfach nicht. Am 31. Dezember ist Schluss. Kein Soldat darf unter diesem Mandat weiter eingesetzt werden, oder man macht sich strafbar. Das ist Nummer eins. Nummer zwei. Der Bündnisfall ist in der Geschichte der NATO das erste Mal ausgerufen worden. Es gibt keine Regel, wie man ihn wieder aufhebt. Es gibt keine völkerrechtlich begründete Regel zur Aufhebung des Bündnisfalles in der NATO. Deswegen ist unsere Schlussfolgerung, dass auch einzelne Länder erklären können, dass sie sich weiter an den Bündnisfall gebunden fühlen oder eben nicht. Die deutsche Bundesregierung hätte das Recht, erstens in der NATO zu beantragen, den Bündnisfall aufzuheben, und zweitens für Deutschland zu erklären, dass wir uns nicht mehr an den Bündnisfall gebunden fühlen. Die rechtliche Situation haben wir in unserem Antrag geschildert. Bei aller Sympathie: Die Grünen könnten einem Antrag der Linken auch endlich einmal zustimmen und sollten nicht wieder einknicken, wie es bisher immer der Fall war. (Heiterkeit des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Alle sachlichen Argumente sprechen für das, was wir in unserem Antrag formuliert haben. Ich bin gespannt, mit welchem Trick die Bundesregierung versuchen wird, sich daraus herauszumogeln. Es kommt noch ein Problem hinzu – ich bin einmal auf die Ausführungen des sozialdemokratischen Kollegen gespannt –: Die SPD ist einmal mit gar nicht schlechten Argumenten dafür eingetreten, die Operation Active Endeavour zu beenden. Ich frage Sie jetzt, da Sie an der Regierung sind: Taugen die Argumente nichts mehr, oder sind Sie bei dieser Frage weggetaucht? Mit großer Begeisterung warte ich darauf, wie sich das im Januar gestaltet. Wir werden über die Anträge diskutieren, und dann werden wir sehen. Herzlichen Dank, dass ich das noch sagen durfte. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Kollege Nouripour, Sie haben die Möglichkeit, darauf zu antworten. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Kollege Gehrcke, eines können wir Grünen Ihnen versprechen: Wenn Sie richtig von uns abschreiben, dann stimmen wir auch zu. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das bezweifele ich!) Das haben Sie aber nicht getan. Sie haben den Kern unseres Anliegens übernommen, nämlich den Bündnisfall zu beenden, und einfach etwas draufgepackt. Aber das, was Sie draufgepackt haben, macht keinen Sinn, auch nicht, wie Sie es erklärt haben; denn es ist offenkundig: In den NATO-Statuten steht, wie man einen Bündnisfall ausrufen kann. Ein Staat beantragt ihn, und der Bündnisfall wird einstimmig ausgerufen. In den Statuten steht nicht expressis verbis, wie man ihn widerrufen kann. Das ist aber politisch ganz eindeutig: Ein Staat beantragt, den Bündnisfall zu beenden, man diskutiert miteinander, und dann kann er beendet werden. Es ist aus unserer Sicht offenkundig, dass bei den Mitgliedstaaten der NATO die Einsicht besteht, dass der permanente Ausnahmezustand auf der Grundlage von 9/11 nicht so bestehen bleiben kann. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, hierüber Gespräche zu führen und einen entsprechenden Antrag einzubringen. Eine Aufhebung des Bündnisfalls ermöglicht man nicht dadurch, dass Deutschland aufsteht und den Tisch verlässt. So würden wir uns im Bündnis ganz sicher kein Gewicht verschaffen und nicht dazu kommen, dass die NATO tatsächlich diesen Schritt macht. Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Lars Klingbeil, SPD, das Wort. (Beifall bei der SPD) Lars Klingbeil (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr nett, dass ich mich in diese Auseinandersetzung zwischen Grünen und Linken einmischen und auch ein paar Dinge für uns erklären darf. Ich will mich ausdrücklich beim Kollegen Nouripour bedanken, der sich gerade sehr konstruktiv in die Diskussion eingebracht hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Der ist in einer Oppositionspartei, der Herr Nouripour!) Ich glaube, das ist der Geist, den wir auch im Januar brauchen, wenn wir hier im Parlament über die Fortsetzung der Mission im Mittelmeerraum diskutieren werden. Die Linke fordert in ihrem Antrag, den NATO-Bündnisfall zu beenden; die Bundesregierung soll bei der NATO dafür werben. Wenn das nicht erfolgreich ist, sollen wir den Bündnisfall einseitig als beendet erklären und umgehend jegliche deutsche Beteiligung an entsprechenden Einsätzen beenden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, lassen Sie mich sagen: Ich verstehe die fachpolitische Motivation für den Antrag, den wir am heutigen Tag diskutieren, nicht. Das alte Mandat für die Operation Active Endeavour läuft aus; das haben wir hier vor wenigen Wochen in einer Debatte gemeinsam festgestellt. Wir waren uns einig, dass das Mandat in der bisherigen Form nicht aufrechterhalten werden soll. Im Januar wird das Kabinett über die Zukunft der Mission entscheiden, und dann werden wir uns als Parlament selbstverständlich wieder mit dieser Mission beschäftigen. Es stellt sich mir die Frage: Warum führen wir heute, im Dezember, diese Debatte, wo doch nichts vorliegt, wo die Diskussion läuft, wo wir erst seit zwei Tagen eine neue Regierung haben? (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht, weil bald Weihnachten ist!) Für uns von der Sozialdemokratie war immer klar – das haben wir in den letzten Jahren deutlich gesagt –, dass zwölf Jahre nach 9/11 der Bündnisfall keine gerechtfertigte Rechtsgrundlage mehr für ein Mandat ist. Deswegen drängen wir auf Veränderungen. Das haben wir in den letzten Jahren immer wieder deutlich gesagt. Wir haben aber auch klargemacht, dass wir die Tätigkeit der Mission an sich, so wie sie seit Jahren praktiziert wird, also die Überwachung und Aufklärung im Mittelmeerraum, nicht ablehnen, sondern als sinnvoll empfinden; lediglich die Rechtsgrundlage ist für uns problematisch. Deswegen wird die neue Bundesregierung auf NATO-Ebene darauf drängen, dass es hier zu einer Änderung des Istzustandes kommt; das haben wir schon im November deutlich gesagt. Ich will betonen, dass auch die alte Bundesregierung auf Veränderungen gedrängt hat. Gerade durch den Eintritt der Sozialdemokratie in die neue Bundesregierung wird dieses Drängen noch energischer werden. Geben Sie dem neuen Außenminister Steinmeier aber etwas Zeit; er ist erst seit zwei Tagen im Amt. Ich bin mir sicher, dass Punkt 1, den Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, schon bald durch Regierungshandeln erledigt sein wird. Sie fordern in Ihrem Antrag auch, notfalls Konsequenzen zu ziehen und den Bündnisfall einseitig zu beenden. Hier will ich Ihnen schon deutlich sagen – das hat der Kollege Nouripour bereits angesprochen –: Es hätte mit verantwortungsvoller Sicherheitspolitik nichts zu tun, (Beifall bei der SPD) wenn wir hier im Bundestag darauf drängen würden, einseitig Bündnisverpflichtungen aufzukündigen. Das, was Sie hier vertreten, führt zu einer Renationalisierung von Politik, was, wie ich finde, nicht mit dem Handeln des Bundestages in Übereinstimmung zu bringen ist. Ich halte nichts davon, zu einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik zu kommen. Dies zeigt, dass Ihr Antrag unverantwortlich ist. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Klingbeil, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Neu zu? Lars Klingbeil (SPD): Sehr gern. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Herr Kollege Klingbeil, teilen Sie meine Einschätzung, dass das Parlamentsbeteiligungsgesetz bei einer Verlängerung des Mandats – wie auch immer die Mission künftig heißen wird – auf jeden Fall Anwendung finden muss, sofern der Bündnisfall aufrechterhalten wird? Lars Klingbeil (SPD): Vielen Dank für die Frage. Sie können sich setzen; denn zu dem Thema komme ich noch. Im nächsten Absatz hätte ich etwas dazu gesagt. (Zuruf von der LINKEN: Ich hätte die Zeit genutzt, Herr Klingbeil!) – Ich habe sieben Minuten Redezeit und glaube, dass das Thema ziemlich klar ist. Insofern vielen Dank für die Frage; ich gehe gleich darauf ein. Sie fordern in Ihrem Antrag weiter, dass jegliche deutsche Beteiligung an Einsätzen, die mit dem Bündnisfall begründet sind, beendet werden soll. Das einzige Mandat, das wir im Moment haben, ist das für die Operation Active Endeavour. Wir haben schon am 28. November über diese Frage diskutiert. Die Sachlage hat sich in den letzten Wochen nicht geändert; das Mandat läuft Ende des Jahres aus. Jetzt kommt das, was Sie, Herr Dr. Neu, interessiert. Für uns, die SPD, ist völlig klar, dass wir uns im Parlament damit beschäftigen werden, wenn wieder bewaffnete Streitkräfte ins Ausland geschickt werden. Natürlich gibt es eine Parlamentsbeteiligung. Wir werden zu dieser Parlamentsbeteiligung stehen und sie einfordern. Aber lassen Sie uns doch erst einmal schauen, was für eine Debatte wir im Januar führen werden. Wir werden uns dann hier im Parlament wieder fachpolitisch damit auseinandersetzen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir müssen uns aber in der Tat überlegen, wie wir als Deutscher Bundestag damit umgehen, wenn der Bündnisfall auf NATO-Ebene bestehen bleibt. Ich will Ihnen die Punkte nennen, die für uns, für die SPD-Bundestagsfraktion, in der Diskussion wichtig sind: Erstens. Wenn der Bündnisfall gemäß Art. 5 des NATO-Vertrages weiter gelten sollte, dann muss – das ist für uns klar – das nächste Mandat, mit dem wir uns hier beschäftigen, ein klar definiertes Übergangsmandat sein. Zweitens. Wenn es zu einem solchen Übergangsmandat kommt, dann darf es nicht länger als bis Ende 2014 gehen. Danach muss dann die Rechtsgrundlage „Bündnisfall“ wegfallen; es muss also eine reine Aufklärungs- und Beobachtungsmission werden. Drittens. Wenn es ein Übergangsmandat gibt, dann muss es klar auf die Aufklärung und Überwachung des Seeraums im Mittelmeer begrenzt sein. Die aktuell bestehenden exekutiven Befugnisse der Gewaltanwendung dürfen nicht mehr Teil eines solchen Mandates sein. Viertens. Der Einsatz sollte in Zukunft nur im Rahmen der ständigen Einsatzverbände der NATO erfolgen. Das heißt, nationale Schiffe sollen sich nicht mehr einmelden müssen, wenn sie das Mittelmeer passieren. Diese Verpflichtung sollte auf die vorgesehenen ständigen Einsatzverbände der NATO beschränkt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden im Januar diese Debatte führen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben eine klare Vorstellung, was wir im Zuge dieser Diskussion erreichen wollen. Wir freuen uns darauf. Den heute vorliegenden Antrag der Linken lehnen wir ab. Ich habe gerade begründet, warum das so ist. Ich möchte die letzte Minute meiner Redezeit nutzen, um mich bei denen zu bedanken, die von uns ins Ausland geschickt wurden, bei den Soldatinnen und Soldaten und den Zivilbeschäftigten. Es gibt viele zivile Helfer, die im Ausland helfen, weil wir als Parlament sie geschickt haben bzw. sie gebeten haben, zu helfen. Ihnen allen und uns allen frohe Weihnachten! Im Januar wird diese Diskussion weitergeführt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herzlichen Dank, Herr Kollege Klingbeil. – Als abschließender Redner in dieser Debatte spricht der Kollege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man kann den Sinn dieser Debatte eigentlich nur verstehen, wenn man die eigentliche Motivation und das Wahlprogramm der Linken kennt. Herr Gehrcke hat es in seinem letzten Satz angedeutet; es geht darum, die NATO aufzulösen bzw., wenn das nicht möglich ist, darauf hinzuwirken, dass Deutschland aus dem Bündnis austritt. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Wir stehen zu unserem Antrag!) Die Annahme dieses Antrages wäre ein Schritt auf diesem Weg. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Richtig!) Aber, meine Damen und Herren, die große Mehrheit in diesem Haus hat ein anderes Ziel – wir haben das auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben –: Wir wollen die NATO stärken. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das unterscheidet uns!) Die NATO ist nicht nur ein Militärbündnis. Die NATO ist auch eine Wertegemeinschaft. Wir wollen auch in Zukunft Verantwortung für Freiheit, Sicherheit und Frieden in der Welt wahrnehmen. Wir können diese Verantwortung nur gemeinsam mit unseren Verbündeten wahrnehmen. Die NATO ist dafür eine Plattform. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren von der Linken, es ist doch ein großer gesellschaftlicher Fortschritt, dass der Einsatz von Militär, wenn er als letztes Mittel notwendig ist, (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Oder als erstes!) nicht von einem einzelnen Staat ausgeht, sondern von einem auf Konsens ausgelegten Staatenbündnis. Wir werden erleben, dass dieses Bündnis in einer multipolaren Welt mit neuen Risiken und Bedrohungen – wir alle kennen die Entwicklungen – in Zukunft eher noch wichtiger werden wird. Aber jedes Bündnis ist nur so stark wie die Solidarität seiner Bündnispartner. Das wichtigste Versprechen, das die Bündnispartner einander geben, ist, dass im Falle eines Angriffs auf einen Partner die anderen Partner für ihn einstehen bzw. ihm auch militärisch beistehen. Dieser Bündnisfall wurde zum ersten und einzigen Mal nach dem 11. September 2001 ausgerufen. Es gibt im Moment nur noch eine einzige Mission, die darauf Bezug nimmt. Das ist OAE. Wir haben es schon mehrfach diskutiert: Man könnte diese Mission auch gut ohne diesen Bündnisfall begründen. Die Bundesregierung wirkt auch innerhalb der NATO darauf hin, dass eine Neuformulierung dieses Mandats erfolgt bzw. ein neuer Auftrag erteilt wird. Das Fortdauern des Bündnisfalls hat im Moment und auch in Zukunft keine praktische militärische Relevanz mehr. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Dann können Sie ihn ja aufheben!) Wenn wir ihn jetzt aber, wie Sie es fordern, einseitig für beendet erklären, dann hätte das eine riesengroße symbolische Wirkung. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!) – Ja, genau. An dem Punkt sind wir auseinander. – Es würde verstanden werden als eine brüske Aufkündigung der Solidarität, und die grundsätzliche Bündnisfähigkeit Deutschlands würde damit infrage gestellt werden. Das kann man fordern, wenn man Deutschland außenpolitisch isolieren möchte. Das kann man fordern, wenn man die NATO als Ganzes schwächen möchte. Das wäre für mich aber, meine Damen und Herren, alles andere als ein verantwortungsvolles politisches Handeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Da unterscheiden wir uns!) Frau Kollegin, in Wirklichkeit ist es Ihnen doch egal. Denn Sie sind getrieben von einer Ideologie, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja, ja!) die pauschal jede Art des Einsatzes von Militär ablehnt (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ich bekenne mich dazu!) und die Sie blind macht für außenpolitische Realitäten, insbesondere wenn sie nicht in Ihre Ideologie passen. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Das Schlimme bei Ihnen von den Linken – im Gegensatz zu anderen Parteien – ist: Wir können mit Ihnen darüber gar nicht richtig reden. Wir könnten beispielsweise über die Frage der Konsensbildung in der NATO reden. Wir könnten über den Auftrag von OAE reden. Wir könnten über die rechtliche Frage reden, was es bedeutet, wenn der Bündnisfall noch gilt, und was es bedeutet, wenn er nicht mehr gilt. Das alles sind fachliche Fragen, über die man mit Ihnen eigentlich reden können müsste. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Tun Sie es doch!) Aber wir können nicht mit Ihnen reden, weil es Ihnen im Prinzip egal ist. (Lachen des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Ihre Antwort steht von vornherein sowieso schon fest. Deswegen sind Sie für konstruktive Vorschläge und eine konstruktive Diskussion nicht offen. Mit dieser Haltung können Sie zwar Ihre eigene Klientel zufriedenstellen, aber es bringt – seien Sie doch ehrlich – effektiv nichts. Sie verändern damit nichts auf der Welt, und auch wenn Sie den Antrag noch zehnmal stellen, wird dadurch nichts anders. Herr Gehrcke, Sie haben uns einen Auftrag gegeben. Ich würde auch Ihnen nahelegen, einmal darüber nachzudenken. Sie haben jetzt über Weihnachten ein paar Tage Zeit dafür. Vielleicht können wir ja im nächsten Jahr in einer konstruktiveren Form darüber wieder diskutieren. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das jetzt gerade war nicht konstruktiv!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Hiermit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/202 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung und auch am Ende eines ereignisreichen Jahres 2013 mit vielen Debatten und Beschlüssen hier in diesem Hohen Hause. Ich möchte Ihnen allen dafür danken. Ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und hoffe, dass alle gut erholt im nächsten Jahr wieder hier im Hohen Hause sein werden. Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags berufe ich auf Mittwoch, den 15. Januar 2014, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 19.12.2013 Bülow, Marco SPD 19.12.2013 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 19.12.2013 Freese, Ulrich SPD 19.12.2013 Hänsel, Heike DIE LINKE 19.12.2013 Heller, Uda CDU/CSU 19.12.2013 Hintze, Peter CDU/CSU 19.12.2013 Kovac, Kordula CDU/CSU 19.12.2013 Krellmann, Jutta DIE LINKE 19.12.2013 Pols, Eckhard CDU/CSU 19.12.2013 Post (Minden), Achim SPD 19.12.2013 Rüffer, Corinna BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.12.2013 Schick, Dr. Gerhard BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.12.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 19.12.2013 Steinmeier, Dr. Frank-Walter SPD 19.12.2013 Wagenknecht, Dr. Sahra DIE LINKE 19.12.2013 Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl der Bundesbeauftragten für den Datenschutz teilgenommen haben CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özo?uz Markus Paschke Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 917. Sitzung am 29. November 2013 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen: – Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und zur Änderung des Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetzes – Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG) 1Ergebnis Seite 315 A 2Anlage 2 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 324 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 325 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 330 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 6. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2013 329