Plenarprotokoll 18/22 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 22. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung 2013 nach § 7 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates 1687 A Dr. Helge Braun, Staatsminister BK 1687 B Manfred Grund (CDU/CSU) 1688 A Dr. Helge Braun, Staatsminister BK 1688 B Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1688 C Dr. Helge Braun, Staatsminister BK 1688 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksachen 18/814, 18/835 1689 C Dringliche Frage 1 Andrej Hunko (DIE LINKE) Auswirkungen des Ausgangs der Volksabstimmung über einen Anschluss der Krim an Russland Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 1689 D Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) 1689 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 1690 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1690 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1690 C Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1690 D Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 1691 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 1691 C Dr. Rolf Mützenich (SPD) 1691 C Dringliche Fragen 2 und 3 Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) Medienberichte über den Einsatz einer Drohne über der Krim Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 1692 B Zusatzfragen Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 1692 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1692 C Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1692 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) 1693 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1693 B Mündliche Frage 1 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Europarechtskonforme Ausgestaltung der Besonderen Ausgleichsregelung des EEG Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 1693 D Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1694 A Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU) 1694 D Mündliche Frage 8 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Angriffe auf jüdische Bürger und Einrichtungen in der Ukraine Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 1695 A Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 1695 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 1696 B Manfred Grund (CDU/CSU) 1696 D Mündliche Frage 9 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen Partei Swoboda und der Kampfgruppe Rechter Sektor mit der NPD Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 1697 A Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 1697 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) 1698 A Andrej Hunko (DIE LINKE) 1698 B Manfred Grund (CDU/CSU) 1698 C Mündliche Frage 16 Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Situation von Flüchtlingen mit Behinderungen in Deutschland Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 1699 A Mündliche Fragen 20 und 21 Martina Renner (DIE LINKE) Änderung der polizeilichen Dienstvorschriften sowie der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 1699 C Zusatzfragen Martina Renner (DIE LINKE) 1699 D Mündliche Frage 31 Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Informationen für Flüchtlinge mit Behinderungen zu sozialrechtlichen Unterstützungsleistungen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1700 D Zusatzfragen Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1701 A Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1701 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1702 B Mündliche Frage 34 Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung von Eltern mit Behinderung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1702 D Zusatzfragen Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1703 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1703 B Mündliche Frage 35 Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen aus der Studie „Strukturelle und finanzielle Hindernisse bei der Um-setzung der interdisziplinären Frühför-derung“ Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1703 D Mündliche Frage 36 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überarbeitung der Arbeitsstättenverordnung zur Gewährung barrierefreier Arbeitsplätze Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1704 A Zusatzfrage Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1704 C Mündliche Frage 37 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Durch die „Initiative Inklusion“ geschaffene Arbeits- und Ausbildungsplätze Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1705 A Zusatzfragen Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1705 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1705 D Mündliche Frage 39 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erfahrungen mit dem „Budget für Arbeit“ Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1706 A Zusatzfragen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1706 C Mündliche Frage 40 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dauerhafter Lohnkostenzuschuss für Menschen mit Behinderung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1707 B Zusatzfragen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1707 B Mündliche Fragen 41 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklung der Zahl schwerbehinderter Arbeitsloser Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1707 D Zusatzfragen Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1708 C Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1709 B Mündliche Frage 42 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reformbedarf bei der Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1709 C Zusatzfragen Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1710 B Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1710 D Mündliche Frage 56 Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufnahme des Rechts auf angemessene Vorkehrungen in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 1711 B Zusatzfragen Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1711 C Mündliche Frage 57 Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwurf der Fünften Antidiskriminierungsrichtlinie der EU Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 1712 A Zusatzfragen Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1712 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zur Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland 1712 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1712 C Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) 1713 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) 1715 B Dr. Matthias Miersch (SPD) 1716 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1717 B Steffen Kanitz (CDU/CSU) 1718 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 1720 A Hiltrud Lotze (SPD) 1721 B Christian Haase (CDU/CSU) 1722 C Klaus Mindrup (SPD) 1723 D Andreas Jung (CDU/CSU) 1724 D Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) 1726 A Nächste Sitzung 1727 C Berichtigung 1727 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1729 A Anlage 2 Mündliche Frage 2 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Novelle des Bundesberggesetzes Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 1729 C Anlage 3 Mündliche Frage 3 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelungen zu Klagen im CETA-Investmentkapitel Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 1729 C Anlage 4 Mündliche Frage 4 Klaus Ernst (DIE LINKE) Abänderung oder Aufkündigung bestehender bilateraler Investitionsschutzverträge Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 1729 D Anlage 5 Mündliche Frage 5 Klaus Ernst (DIE LINKE) EU-Staaten mit Investitionsschutzabkommen mit den USA Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 1730 A Anlage 6 Mündliche Frage 6 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Export deutscher P99-Pistolen nach Kolumbien ohne Ausfuhrgenehmigung Antwort Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi 1730 B Anlage 7 Mündliche Frage 7 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Strategie im Hinblick auf das Konflikt-geschehen in Somalia Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 1730 C Anlage 8 Mündliche Frage 10 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Verfassungskonformität der Übergangs-regierung in der Ukraine Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 1731 A Anlage 9 Mündliche Frage 11 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Anzahl der Feststellungen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 1731 B Anlage 10 Mündliche Frage 13 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Neonazistischer Hintergrund einer V-Person mit Decknamen „Tarif“ des Bundesamts für Verfassungsschutz Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 1731 C Anlage 11 Mündliche Frage 14 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Aufenthaltserlaubnis für syrische Flüchtlinge mit in Deutschland lebenden Verwandten Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 1732 C Anlage 12 Mündliche Frage 15 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Unbegrenzte Aufnahme von syrischen Flüchtlingen bei hier lebenden Verwandten Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 1733 A Anlage 13 Mündliche Fragen 17 und 18 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausübung des Wahlrechts von Analphabeten und betreuten Personen Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 1733 B Anlage 14 Mündliche Frage 19 Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung von Gewaltopfern mit Behinderung bei der Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 1734 A Anlage 15 Mündliche Frage 22 Herbert Behrens (DIE LINKE) Entschädigungspflicht bei Verspätungen im Luftverkehr Antwort Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär BMJV 1734 B Anlage 16 Mündliche Frage 23 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verschiebung der Kindergelderhöhung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF 1734 C Anlage 17 Mündliche Frage 24 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Anpassungen beim Kinderfreibetrag und beim Kindergeld Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF 1734 D Anlage 18 Mündliche Frage 25 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels mit Kaffee Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF 1735 A Anlage 19 Mündliche Frage 26 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steuerpflichtige Versicherungsleistungen des ADAC Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF 1735 B Anlage 20 Mündliche Frage 27 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inanspruchnahme von Steuerermäßigungen und Pauschbeträgen aufgrund einer Behinderung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF 1735 C Anlage 21 Mündliche Fragen 28 und 29 Susanna Karawanskij (DIE LINKE) Reformpaket für Lebensversicherungen Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF 1736 A Anlage 22 Mündliche Frage 30 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überarbeitung des Behinderungsbegriffs im SGB IX Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1736 D Anlage 23 Mündliche Frage 32 Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deckung der Aufwendungen des Lebensunterhalts von Studierenden mit Behinderung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1737 A Anlage 24 Mündliche Frage 33 Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Situation von Verbänden mit Beratungs-angeboten nach dem Peer-Prinzip für behinderte und chronisch erkrankte Menschen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1737 C Anlage 25 Mündliche Frage 38 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1738 A Anlage 26 Mündliche Fragen 43 und 44 Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte und Weiterentwicklung der Werkstättenmitwirkungsverordnung Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1738 C Anlage 27 Mündliche Fragen 45 und 46 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Umsetzung der im Bericht zum Fachkräftekonzept formulierten Ziele und Steigerung der Attraktivität bestimmter Berufsgruppen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1739 A Anlage 28 Mündliche Frage 47 Azize Tank (DIE LINKE) Prüfungsprozess zur Ratifizierung des -Fakultativprotokolls zum UN-Sozialpakt Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1740 B Anlage 29 Mündliche Frage 48 Azize Tank (DIE LINKE) Gewährleistung der Rechte auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen Antwort Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS 1740 C Anlage 30 Mündliche Frage 49 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Regelungen zum Import von Schweinefleisch im Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL 1740 D Anlage 31 Mündliche Fragen 50 und 51 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Ausweisung des im Natura-2000-Gebiet -befindlichen Dauergrünlands als „umweltsensibles Dauergrünland“ Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL 1741 A Anlage 32 Mündliche Frage 52 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gespräche mit Interessenvertretern für die Branche der Grünen Gentechnik in der EU Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL 1741 D Anlage 33 Mündliche Frage 53 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) EU-Saatgutverordnung Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL 1742 B Anlage 34 Mündliche Frage 54 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Landeinsätze gegen Piraten im Rahmen des Atalanta-Mandats Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg 1742 C Anlage 35 Mündliche Frage 55 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenführung von Leistungen zur Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen im SGB VIII Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 1742 D Anlage 36 Mündliche Frage 58 Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rolle der Krankenversicherungsträger im trägerübergreifenden Rehabilitationsprozess Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1743 A Anlage 37 Mündliche Frage 59 Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1743 C Anlage 38 Mündliche Frage 60 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zur Vermeidung von ärztlichen Zwangsmaßnahmen Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1743 D Anlage 39 Mündliche Frage 61 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von medizinischen Zentren für Menschen mit Behinderung Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1744 B Anlage 40 Mündliche Frage 62 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stärkung der gemeindenahen Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderung Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1744 C Anlage 41 Mündliche Frage 63 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1744 D Anlage 42 Mündliche Frage 64 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Stärkung des Rechts auf gleichgeschlecht-liche Pflege Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1744 D Anlage 43 Mündliche Frage 65 Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Behinderung mit Heil- und Hilfsmitteln Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1745 A Anlage 44 Mündliche Frage 66 Pia Zimmermann (DIE LINKE) Erhöhung des Beitragszuschlags zur Pflegeversicherung für Kinderlose Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1745 C Anlage 45 Mündliche Frage 67 Pia Zimmermann (DIE LINKE) Einbindung des ehrenamtlichen Engagements in die häusliche Pflege Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1745 C Anlage 46 Mündliche Frage 68 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Unterbindung von Anwendungsbeobachtungen bei Arzneimitteln zu Marketingzwecken Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 1745 D Anlage 47 Mündliche Frage 69 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pkw-Maut für wegen einer Behinderung von der Kraftfahrzeugsteuer befreite Pkw-Besitzer Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI 1746 A Anlage 48 Mündliche Fragen 70 und 71 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Barrierefreiheit von Bahnhöfen und Fernbussen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI 1746 A Anlage 49 Mündliche Fragen 72 und 73 Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Barrierefreiheit im Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI 1746 D Anlage 50 Mündliche Fragen 74 und 75 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einfluss des TTIP-Abkommens auf lärmbedingte Betriebsbeschränkungen für Flughäfen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI 1748 A Anlage 51 Mündliche Frage 76 Herbert Behrens (DIE LINKE) Verlängerung des Nachtflugverbots am künftigen Hauptstadtflughafen BER Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI 1748 B Anlage 52 Mündliche Frage 77 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Behinderten- und altersgerechter Wohnraum Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 1748 C Anlage 53 Mündliche Fragen 78 und 79 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forschungsprojekt „Wohnen im Alter“; KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 1749 A Anlage 54 Mündliche Frage 80 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Teilnahme von Betreiber- bzw. Herstellervertretern an Sitzungen der Reaktor--Sicherheitskommission und deren Fachausschüssen Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 1749 D Anlage 55 Mündliche Frage 81 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kündigung der Mitgliedschaft bundeseigener Unternehmen und Einrichtungen in Vereinigungen der Atomlobby Antwort Stefan Müller, Parl. Staatssekretär BMBF 1750 A Anlage 56 Mündliche Fragen 82 und 83 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Chancengleichheit für Studierende und Nachwuchswissenschaftler mit Behinderung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF 1750 B Anlage 57 Mündliche Fragen 84 und 85 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklungspolitische Maßnahmen zur Inklusion und Einbringung des Themas Behinderung in die Post-2015-Debatte Antwort Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär BMZ 1750 D Anlage 58 Mündliche Fragen 86 und 87 Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Barrierefreiheit und Inklusion bei Maßnahmen und Projekten der Entwicklungszusammenarbeit Antwort Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär BMZ 1751 B 22. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Einen schönen guten Tag! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung 2013 nach § 7 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Dr. Helge Braun. – Bitte schön. Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat heute den Bericht zum Bürokratieabbau 2013 behandelt und beschlossen. Das Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates verpflichtet uns, jährlich einen solchen Bericht abzugeben. Wenn Sie sich den Bericht ansehen, stellen Sie fest, dass sich seit 2006, als wir das Thema Bürokratieabbau institutionell auf den Weg gebracht haben, vieles verändert hat. Wir haben zahlreiche Verfahren etabliert. Dazu gehören die Einsetzung des Normenkontrollrates und die damit verbundene Bewertung aller neuen Gesetzesvorhaben. Hinzu kommt, dass wir – diese Regelung ist seit März 2013 in Kraft – alle neuen Gesetzesvorhaben nach Ablauf von zwei Jahren einer Ex-post-Evaluierung unterwerfen. Wir wollen uns schrittweise alle Gesetzesvorhaben ansehen, bei denen wir davon ausgehen, dass sie einen Erfüllungsaufwand von über 1 Million Euro bedeuten. Auf diese Weise wollen wir auch in der Bestandsgesetzgebung vermeidbare Bürokratiekosten identifizieren und nach Möglichkeit beseitigen. Im Bericht sind viele Zahlen zu finden. Das liegt zum Beispiel daran, dass wir in den letzten Jahren den Bürokratiekostenindex eingeführt haben, der die Bürokratiekosten im engeren Sinne erfasst. Der Bürokratiekostenindex lag im Jahr 2012 bei einem Wert von 100,27, im Jahr 2013 bei 100,31. Das ist eine Steigerung um 0,04. Das heißt, die Bürokratiekosten sind im Wesentlichen konstant geblieben; es hat nur eine kleine Steigerung der laufenden Belastungen gegeben. Wenn wir uns anschauen, was das in absoluten Zahlen heißt und wie sich die Entwicklung des Erfüllungsaufwands auf die Wirtschaft, die Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger auswirkt, stellen wir fest, dass die Wirtschaft im Jahr 2013 eine Zunahme ihres laufenden Erfüllungsaufwands um 1,6 Milliarden Euro, die Verwaltung um 245 Millionen Euro und die Bürgerinnen und Bürger um 472 Millionen Euro zu verzeichnen hatten. Wenn man sich ansieht, welcher der größte Brocken innerhalb des Ganzen ist, dann stellt man fest, dass die Energieeinsparverordnung die größten Kosten verursacht hat. Man muss allerdings dazusagen, dass zum Erfüllungsaufwand nicht nur die Bürokratiekosten, sondern auch die Investitions- und Maßnahmenkosten, die durch dieses Gesetzgebungsverfahren entstehen, gehören. Das heißt, dass zum Beispiel die Kosten, die sich durch die energetische Sanierung von Gebäuden für die Wirtschaft ergeben, in die Berechnung einfließen. Die Energieeinsparungen, die wir dadurch erzielen wollen, und der politische Zweck dieser Gesetzgebung stehen also den Kosten gegenüber. In Zukunft wollen wir uns den verschiedenen Lebensbereichen der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft auch in Form eines Lebenslagenmodells nähern. Auf diese Weise wollen wir überprüfen, wie sich Lebenslagen, in denen die Bürger in besonderem Maße mit Bürokratie konfrontiert werden, zum Beispiel beim Kauf eines Autos, bei einer Geburt oder im Falle eines Nachlasses, auswirken und wie man die Bürokratie in solchen Lebenslagen durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsakte reduzieren kann. Sie finden in dem Bericht auch zahlreiche Beispiele aus dem Bereich der Pflegeleistungen und anderer Sozialleistungen. Hier haben wir Projekte auf den Weg gebracht, mit denen Vereinfachungen bei der Gesetzgebung erreicht werden sollen. Einige Projekte sind im Jahre 2013 abgeschlossen worden; andere, die besonders erfolgreich waren, werden im Jahr 2014 fortgesetzt. Insofern kann man resümieren, dass es bei einer im Jahr 2013 im Wesentlichen auf unverändertem Niveau fortgesetzten Belastung von Bürgern, Verwaltung und Wirtschaft mit Bürokratie noch zahlreiche Projekte gibt, mit denen wir etwas verändern wollen. Aber natürlich gibt es auch neue Regelungsvorhaben, die den Bürokratieaufwand möglicherweise erhöhen. Die Bundesregierung wird im Mai ein Arbeitsprogramm verabschieden, mit dem wir weitere Projekte mit dem Ziel des Bürokratieabbaus auf den Weg bringen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den gerade berichtet wurde. Es hat sich der Kollege Grund gemeldet. Bitte schön. Manfred Grund (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Staatsminister, für Ihren Bericht über die Arbeit des Normenkontrollrates und über die Einsparungen, die für die Verwaltung, die Bürger und die Wirtschaft damit verbunden sind. Wie muss man sich das konkret vorstellen? Wie nimmt der Normenkontrollrat Einfluss auf ein Gesetzgebungsverfahren oder auf dessen Ergebnis? Wie fließt dies wiederum in das Gesetzgebungsverfahren ein? Also: Wie sieht die Arbeit eigentlich konkret aus? Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Vielen Dank. – Die Bundesregierung hat Empfehlungen für die einzelnen Ressorts herausgegeben. Jedes Ressort muss jetzt bereits bei der Erstellung eines Gesetzgebungsverfahrens den Erfüllungsaufwand konkret beziffern und diesen bei der Vorlage des Gesetzestextes transparent machen. Darüber hinaus wird der Erfüllungsaufwand vor der Verabschiedung im Kabinett und zukünftig auch nach der Verabschiedung im Bundestag nachberechnet, sodass für jeden, der im Deutschen Bundestag eine Entscheidung trifft, aber auch für die Bevölkerung transparent wird, wie hoch der Erfüllungsaufwand des jeweiligen Gesetzes ist. In der nächsten Woche werden wir für den Deutschen Bundestag, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten wie auch die Verwaltung, eine Veranstaltung durchführen, in der der Normenkontrollrat, das Statistische Bundesamt und das Bundeskanzleramt über die verschiedenen Berichts- und Mitteilungsformen informieren, damit Sie als Abgeordnete diese Informationen in die Beratungen des Gesetzgebungsverfahrens und in Ihre Entscheidung einbeziehen können. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt eine Frage des Kollegen Dr. Gambke. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister, Sie haben in Ihren Ausführungen davon gesprochen, dass Bürokratie aufgebaut worden ist. Ich fand die einleitenden Worte bemerkenswert; denn Sie haben die Verfahren beschrieben, die wir gehabt haben. Ich als Mittelstandsbeauftragter meiner Fraktion sage: Bürokratieaufbau ist im Moment das Thema des Mittelstands. Sie selber haben darauf hingewiesen, dass zu über 60 Prozent die Unternehmen betroffen sind. Nun zu meiner Frage. Wir hatten 2007 das Ziel, die Bürokratiekosten um 25 Prozent zu senken. Wie Sie eben ausgeführt haben, hatten wir leider im letzten Jahr einen Anstieg der Bürokratiekosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein Erfüllungsaufwand, also ein Umstellungsaufwand, in Höhe von 4 Milliarden Euro. Das ist eine erhebliche Summe. Meine Frage an Sie: Hat die Bundesregierung sich mit der Frage befasst, wie jetzt neue Ziele gesetzt werden können? Wie lauten diese quantitativen Ziele, und für welchen Zeitraum gelten sie? Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Vielen Dank. – Sie haben richtig darauf hingewiesen, dass wir in den vergangenen Jahren den Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft um 25 Prozent reduziert haben. Das war eine große Anstrengung. Zu der Reduzierung haben zwei Bereiche maßgeblich beigetragen: Der eine ist der Bereich der Bilanzierungsregeln bei den Unternehmen, in dem eine Entlastung von über 2 Milliarden Euro stattgefunden hat. Der andere ist der Bereich der elektronischen Rechnungsstellung, wo ein Teil der Entlastung der Wirtschaft zwar frühzeitig mit der Gesetzgebung bilanziert worden ist; aber die Entlastungwirkung hält in dem Maße an, wie die elektronische Rechnungsstellung in der Realität der Unternehmen ankommt. Das heißt, es gibt durch das Projekt der Reduzierung der Kosten aus gesetzlichen Informationspflichten um 25 Prozent bis heute Entlastungswirkungen. Wenn man in die Zukunft schaut, muss man mit Blick auf diejenigen, die sich mit Bürokratieabbau beschäftigen, eines sehr deutlich sagen: Man kann natürlich immer überlegen, ob ein Gesetz den jeweiligen Erfüllungsaufwand rechtfertigt. So hat der Deutsche Bundestag die von der Bundesregierung novellierte Energieeinsparverordnung befürwortet, weil wir Klimaziele und politische Ziele erfüllen wollen und das Ganze in der Sache für richtig halten. Dem Erfüllungsaufwand stehen – ganz abgesehen von den ökologischen Zielen – ökonomische Vorteile durch Energieeinsparung gegenüber. Insofern ist es die Aufgabe derer, die sich mit dem Bürokratieabbau beschäftigen, nicht alle Regelungen der Zukunft generell infrage zu stellen, sondern zu schauen: Kann man den politisch erwünschten Zweck möglicherweise einfacher erreichen? Nach dem deutlichen Abbau der Bürokratie in der Anfangszeit lautet die Aufgabe jetzt, in laufenden Gesetzgebungsverfahren den Zuwachs an Bürokratie nach Möglichkeit zu verhindern oder zu begrenzen. Neue Projekte, mit denen wir den Bürokratieaufwand der Unternehmen, deren Zukunft uns natürlich am Herzen liegt, deutlich reduzieren wollen, werden wir dann in dem neuen Arbeitsprogramm der Bundesregierung vorstellen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich sehe keine weiteren Fragen zu diesem Themenbereich. (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) – Herr Dr. Gambke. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe noch eine Frage. Ich stelle aber zunächst fest, dass Sie meine Frage nach einem neuen quantitativen Ziel nicht beantwortet haben. Zu meiner Frage. Wir haben uns im Zusammenhang mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz auch mit dem Thema der Hotelsteuer beschäftigt; unter diesem Stichwort ging es um den verminderten Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen. Wir wussten im Vorfeld, dass das zu erheblichen Bürokratiekosten führt, sowohl für die Gewerbetreibenden, also die Hotels, als auch für die Bürger. Das konnte dadurch umgangen werden, dass die Koalitionsfraktionen und nicht die Regierung dieses Gesetz eingebracht haben. Plant die Bundesregierung eine Ausweitung des Auftrags des Normenkontrollrates auf Gesetzentwürfe der Fraktionen, um in Zukunft zu verhindern, dass Fraktionen den schönen Beschluss, Gesetze nach ihren Bürokratiekosten zu bewerten, umgehen können? Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Der Normenkontrollrat ist ein Gremium zur Unterstützung der Bundesregierung. Natürlich kontrolliert nicht die Bundesregierung den Bundestag, sondern umgekehrt. Aber ich habe eben angedeutet, dass wir – das ist sicherlich in Ihrem Sinne – beabsichtigen, in Zukunft den Erfüllungsaufwand von Gesetzen nach der endgültigen Verabschiedung nochmals zu berechnen, um transparent zu machen, welche Belastungen durch das rechtskräftige Gesetz tatsächlich für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung entstehen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit beenden wir den Bereich der Themen der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus weitere Fragen an die Bundesregierung? – (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da gibt es viele!) Ich sehe, das ist auch nicht der Fall. Dann unterbreche ich die Sitzung bis zur Fragestunde um 13.35 Uhr. (Unterbrechung von 13.13 bis 13.35 Uhr) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksachen 18/814, 18/835 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 18/835 auf. Für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts beantwortet heute der Staatsminister Michael Roth die Fragen. Ich rufe die dringliche Frage 1 des Abgeordneten Hunko auf: Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung angesichts des Ausgangs der Volksabstimmung über einen Anschluss der Krim an Russland auf die Sicherheitslage in Deutschland und durch die in diesem Zusammenhang verhängten bzw. geplanten Sanktionen gegen Russland auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, die Stabilität der Euro-Zone bzw. die Volkswirtschaften der Europäischen Union? Herr Staatsminister Roth, bitte schön. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Herr Kollege Hunko, ich will noch einmal daran erinnern, dass sich die Europäische Union bei ihren Maßnahmen und Sanktionen auf ein dreistufiges Verfahren verständigt hat. Gemäß dem jüngsten Beschluss vom 17. März 2014 greift nun die Stufe 2, das heißt, gegen 21 Personen aus der Ukraine und aus Russland sind Einreiseverbote ausgesprochen worden, und deren Vermögen wurden eingefroren. Die Bundesregierung sieht derzeit weder Beeinträchtigungen der Sicherheitslage in Deutschland noch nennenswerte Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, in der Euro-Zone oder in der Europäischen Union. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Hunko. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Kollege Roth, in der letzten Woche waren Außenminister von Staaten, die gerade aus der Krise herausgekommen sind oder bei denen es den Anschein hat, dass sie jetzt aus der Krise herauskommen, zu Besuch hier im Bundestag, und sie haben diese Sorgen ebenfalls geäußert. Würden Sie auch ausschließen, dass es Auswirkungen auf die Stabilität in der Euro-Zone haben könnte, wenn es nach den jetzt umgesetzten Sanktionen zu einer Sanktionsspirale käme und der Konflikt über diese Sanktionen weiter eskalieren würde, oder wäre das eine reale Gefahr? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Es gibt keinen Sanktionsautomatismus, Herr Kollege Hunko. Die Bundesregierung und die Europäische Union insgesamt sind nach wie vor zuvörderst um eine diplomatisch-politische Lösung bemüht. Wir wollen deeskalieren und nicht eskalieren. Der nächste Europäische Rat am morgigen Donnerstag wird im Lichte der jüngsten Entwicklung auf der Krim, aber auch vor dem Hintergrund der russischen Entscheidung, sich die Krim einzuverleiben, über weitere Schritte nachdenken. Es gibt derzeit aber noch keinerlei konkrete Überlegungen, Wirtschaftssanktionen auszusprechen. Ich müsste hier also spekulieren, und das möchte ich nicht. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Gehrcke das Wort. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Schönen Dank. – Herr Staatsminister, ich möchte Sie gerne fragen, ob aus Ihrer Sicht eine Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Russland bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen und Auswirkungen auf die Verhandlungen mit dem Iran über das Atomprogramm in dem Sanktionskatalog vorgesehen sind und wie sich die Bundesregierung dazu verhält. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Es gibt eine klare Priorität der Bundesregierung – daran arbeiten wir Tag und Nacht –, nämlich auf politischem Wege und auf diplomatischem Wege zur Deeskalation beizutragen. Wir haben auch das Ziel, dass – unabhängig von weiteren Maßnahmen – die Gesprächskanäle mit Russland offen gehalten werden. Ich habe den Eindruck, dass diese Position innerhalb der Europäischen Union auf große Zustimmung stößt. Im Übrigen wissen Sie, dass wir für die Lösung von einer Reihe von internationalen Problemen – Sie haben einige angesprochen – weiterhin auf Russland angewiesen sind. Unabhängig davon gibt es aber ein klares, deutliches Signal der Bundesregierung und der Europäischen Union: Was Russland bezüglich der Krim getan hat, verstößt gegen das Völkerrecht und ist absolut inakzeptabel. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kollege Krischer hat jetzt Gelegenheit, eine weitere Frage zu stellen. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister, es hat in der vergangenen Woche und in der Woche davor zwei große Geschäfte von deutschen Unternehmen gegeben: zum einen die Transaktion der Firma Wintershall, die im Rahmen eines Asset-Tauschs Gasspeicheranteile an Gazprom verkauft hat, und zum anderen die Entscheidung von RWE, ihre Öl- und Gasfördertochter an einen russischen Investor zu verkaufen, und zwar zu einem überraschend hohen Kaufpreis und – wenn man die gesamte Verhandlungsdauer dieses Kaufs betrachtet – zu einem interessanten Zeitpunkt. Meine Frage ist: Welche Position hat die Bundesregierung zu diesem Thema, und erachtet sie es als notwendig, in irgendeiner Weise bei diesen Geschäften einzugreifen, zu prüfen, zu handeln? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Unabhängig davon, wie wir zu solchen wirtschaftlichen Entscheidungen der Privatwirtschaft stehen, gibt es für die Bundesregierung derzeit keine Möglichkeiten, einzugreifen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Keul. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Wenn wir jetzt über Sanktionen oder Einschränkungen im Handel sprechen, dann ist der erste Bereich, der mir dazu einfällt, der Bereich der Rüstungsexporte. Jetzt frage ich: Gedenkt die Bundesregierung die Lieferung eines gesamten Gefechtsübungszentrums nach Russland durch die Firma Rheinmetall zu stoppen? Ist dieses Geschäft möglicherweise durch eine Hermesbürgschaft abgesichert? Wie wird das dann in der Praxis abgewickelt? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Liebe Frau Kollegin, auch wenn in der Öffentlichkeit immer wieder anderes behauptet wird: Faktisch werden bereits jetzt keinerlei Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter nach Russland mehr erteilt. Das gilt insbesondere auch für Dual-use-Güter mit einem militärischen Verwendungszweck. Darüber hinaus hat die Bundesregierung eine Überprüfung der bislang schon erteilten Ausfuhrgenehmigungen eingeleitet und wird dann, wenn dies erforderlich ist, die entsprechenden Schritte einleiten. Das gilt auch für die konkreten Fälle, die Sie eben benannt haben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Beck. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, angesichts des hohen Tempos der Veränderungen in der Ukraine, mit denen kaum jemand gerechnet hat, und der sich daraus ergebenden Tatsache, dass wir die handelnden Personen und Parteien oft nicht wirklich gut kennen, möchte ich Sie fragen, wie die Bundesregierung die Übergangsregierung in Kiew und die Beteiligung der Partei Swoboda daran einschätzt. Haben wir es dort mit faschistischen Kräften und einer Regierung zu tun, der faschistische Parteien angehören? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Die Bundesregierung hat wie die Europäische Union insgesamt ein Interesse an einer möglichst inklusiven Regierung, die möglichst alle gesellschaftlichen Kräfte, die der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie verpflichtet sind, einbezieht. Ich weiß, dass es insbesondere in Deutschland eine kontroverse Diskussion über die Rolle von Swoboda gibt. Diese Partei ist an der Regierung beteiligt und stellt zwei Minister. Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen möchte ich nicht von einer faschistischen Partei sprechen. Es ist zweifellos eine rechtspopulistische, nationalistische Partei, aber es ist keine faschistische, eindeutig antisemitische Partei. Im Übrigen – das wissen Sie; da teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundestages – ist es deutsche Tradition: Wir verabscheuen und verurteilen den Antisemitismus überall. Wir setzen uns auch in der Ukraine für eine Aufklärung der Gewalttaten auf dem Maidan, aber auch anderswo ein. Swoboda ist nach unseren Erkenntnissen – auch nach den Gesprächen mit der Zivilgesellschaft in der Ukraine, insbesondere mit den Vertretern der jüdischen Gemeinde – zwar eine rechtspopulistische und nationalistische, aber keine faschistische Partei. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Dr. Neu. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Herr Staatsminister, der Kollege Gehrcke hatte gerade eine Frage gestellt, die Sie etwas unpräzise beantwortet haben. Es geht darum, ob angesichts des Instrumentenköfferchens, in denen die gerade ausgearbeiteten Sanktionen enthalten sind, auch der Abzug aus Afghanistan, bei dem Russland eine Rolle spielen wird, und der Iran Thema sind. Ja oder nein? Danke. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Neu, wir befinden uns derzeit noch in der Stufe 2 des sogenannten Sanktionsmechanismus. Die Stufe 3, die Sie ansprechen, ist überhaupt noch nicht im Gespräch. Wir befinden uns hier im spekulativen Bereich. Es bedürfte dafür auch eines gesonderten Beschlusses des Europäischen Rates. Derzeit investieren wir unsere gesamte Kraft, unser Engagement, aber auch unsere Kreativität darauf, weitere Sanktionen zu verhindern. Ich habe auch den Eindruck, dass es darüber in der Europäischen Union eine intensive Diskussion gibt. Denn wir müssen uns die Frage stellen, wer welchen Preis für welche Sanktion zahlt und ob wir das, was wir uns wünschen, mit den entsprechenden Sanktionen wirklich erzielen können. Insofern kann ich Ihnen noch nichts Konkretes sagen, weil es diese konkrete Diskussion noch nicht gibt. Einen Instrumentenkoffer mit Sanktionen, den Sie angesprochen haben, gibt es weder bei der Bundesregierung noch bei der Europäischen Union. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Petzold. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass es innerhalb der Bundesregierung noch gar keine Vorstellung über die Stufe 3 gibt? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Es gibt selbstverständlich eine Reihe von Überlegungen, aber es gibt noch keine Beschlüsse. Über die würde ich Sie dann informieren, wenn sie anstehen. Derzeit haben wir eine klare Priorisierung. Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass es zu einer weiteren Eskalation kommt. Denn die sogenannte dritte Stufe greift erst dann, wenn die Eskalationsspirale sich weiterdreht. Ich meine, dass es derzeit noch ein Fenster für diplomatische Bemühungen gibt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Danke schön. – Herr Staatsminister, wenn ich die Fragen insbesondere der Vertreter der Linksfraktion richtig verstehe, besteht ein großer Konsens im Haus, dass wir daran mitwirken wollen, die Chemiewaffen in Syrien zu vernichten. Wir werden wahrscheinlich in den nächsten Wochen Gelegenheit haben, in diesem Zusammenhang Äußerungen der Linksfraktion zu einer gemeinsamen Haltung zu hören. Ich würde gerne darauf Bezug nehmen, was Sie gesagt haben. Es ist nicht nur Auffassung der Bundesregierung, dass die Ereignisse auf der Krim in den letzten Stunden und Tagen und die Handlungen unterschiedlicher Personen, aber auch von Institutionen in Russland nicht nur nicht akzeptabel, sondern auch völkerrechtswidrig sind. Vielleicht kann die Bundesregierung auch hier noch einmal dokumentieren, dass dies keine Einzelmeinung Deutschlands ist, sondern dass Russland mit seiner Position und Haltung mittlerweile auch innerhalb der Europäischen Union, des Europarats und insbesondere – das ist für uns sehr wichtig – des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen isoliert ist. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Mützenich, ich bin Ihnen dankbar für diesen Hinweis und die damit verbundene Frage, weil sie mir die Chance eröffnet, eines deutlich zu machen: Es geht nicht um die Position „Der Westen gegen Russland“. Ich will auch keinem unterstellen, in den Kategorien des Kalten Krieges zu argumentieren. Sie haben völlig recht: Russland ist aufgrund seines völkerrechtswidrigen Vorgehens gegen die Ukraine und insbesondere der Einverleibung der Krim völlig isoliert. Es gibt eine klare Positionierung des Sicherheitsrates. Es gibt eine klare Positionierung im Europarat. Es gibt derzeit – auch und gerade in dieser Stunde – Bemühungen in der OSZE. Es gibt nicht zuletzt eine klare, einmütige Positionierung der Europäischen Union. Das alles macht deutlich: Es geht nicht um „den Westen gegen Russland“, sondern um das Handeln der der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Welt. Ich will das zwar nicht im Namen aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sagen. Aber es gibt ein klares Bekenntnis, das verdeutlicht, dass das, was Russland derzeit tut, auf deutlichen Widerspruch in der Weltgemeinschaft stößt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. Ich rufe nun die dringliche Frage 2 des Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu auf: Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über den Einsatz einer nach Medienberichten am 13. oder 14. März 2014 über der Krim abgefangenen, auf einem Standort der US-Armee in Bayern stationierten Drohne des Typs Hunter MQ-5B, unter anderem darüber, aus welcher Quelle die öffentlich gewordenen Informationen über diese angeblich abgefangene Drohne ursprünglich stammten, wer diese den Medien zugänglich machte, von wem die Drohne gegebenenfalls abgefangen wurde, wo bzw. in wessen Gewahrsam sie sich seither befindet, ob diese Drohne mit Aufklärungstechnik (welcher?) ausgestattet bzw. ob sie waffenfähig bzw. bewaffnet (womit?) war, und war die Bundesregierung über diesen Einsatz vorab informiert, bzw. welche weiteren Erkenntnisse über diesen Einsatz hatte sie in dessen Vorfeld? Bitte, Herr Staatsminister Roth. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Danke, Frau Präsidentin. – Ich möchte die dringlichen Fragen 2 und 3 im Zusammenhang beantworten. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Sind Sie damit einverstanden, Herr Dr. Neu? – Dann rufe ich auch noch die dringliche Frage 3 auf: Sofern die Bundesregierung über einen dieser Aspekte keine Erkenntnisse besitzt, was hat sie unternommen, um entsprechende Erkenntnisse zu erlangen, bzw. sofern dies nicht geschehen ist, aus welchem Grund wurde nicht versucht, Erkenntnisse zu erlangen? Bitte, Herr Staatsminister Roth. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Neu, um das den Kolleginnen und Kollegen zu erläutern, die nicht so im Bilde sind wie Sie: Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten betreiben auf den Truppenübungsplätzen in Grafenwöhr und Hohenfels in Bayern zu Übungszwecken einige unbewaffnete, unbemannte Flugzeuge des Typs Hunter, also Drohnen. Diese haben eine Reichweite von 260 Kilometern. Um von Bayern in die Ukraine zu kommen, müssten ungefähr 2 000 Kilometer zurückgelegt werden. Insofern halte ich das deutliche und sofortige Dementi des US-Verteidigungsministeriums, dass es sich dabei nicht um Drohnen des Typs Hunter gehandelt haben kann, für mehr als nachvollziehbar. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Neu, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Sie gehen also davon aus, dass diese Drohnen sozusagen keinen Zwischenstopp in Polen, Rumänien oder Ungarn machen können, um aufgetankt zu werden? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Uns liegt ein deutliches Dementi der Vereinigten Staaten vor. Wir haben keine weiteren Erkenntnisse. Meine Ingenieurskunst reicht nicht aus, um Ihre Frage so zu beantworten, dass sie vielleicht in das Schema passt, das Sie von mir erwarten. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ich erwarte kein Schema, sondern eine Auskunft! Danke!) – Die habe ich Ihnen auch gegeben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort zu einer Frage hat jetzt der Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. – Sie gehen jetzt davon aus, dass es sich um eine Drohne des Typs Hunter handelt. Nehmen wir einmal an, dass es eine Drohne eines anderen Typs war, möglicherweise sogar eine bewaffnete Drohne. Geben Sie mir recht, dass eine solche Drohne in Deutschland starten und auch bis in die Ukraine fliegen könnte und dass es in der Vergangenheit schon vorgekommen ist, dass solche Drohnen von Deutschland aus in eine andere Richtung, nämlich in Richtung Afrika, eingesetzt worden sind? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Ströbele, die Frage des Kollegen Neu bezieht sich auf eine Information von The Voice of Russia. Demzufolge soll die russische Rüstungsagentur am 14. März behauptet haben, dass ein unbemanntes US-Flugzeug des Typs Hunter bei einem Aufklärungsflug auf der Krim-Halbinsel abgefangen worden sei. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass in Bayern solche Drohnen stationiert sind, dass es aber technisch unmöglich ist, bei einer Reichweite von 260 Kilometern von Bayern in die Ukraine zu kommen. Insofern handelt es sich hier um eine grobe Spekulation, die ich nicht weiter befeuern möchte. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Beck. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, angesichts der besorgniserregenden militärischen Handlungen auf der Krim und der großen Sorge der internationalen Gemeinschaft, dass sich der nächste militärische Akt in der Ostukraine ereignet, frage ich Sie, ob Sie Informationen bestätigen können, dass im Dorf Strilkowe, also auf kontinental-ukrainischem Gebiet, mehrere Kampfhubschrauber russischer Herkunft gelandet und gepanzerte Fahrzeuge russischer Herkunft einschließlich 60 Soldaten stationiert sind, die eine Gasverdichtungsstation besetzt haben? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Sie wissen, Frau Kollegin Beck, dass die Lage insbesondere in der Ostukraine, aber auch im Süden der Ukraine mehr als instabil ist und dass es dort eine Reihe von Gefährdungen gibt. Ich möchte mich jetzt ausdrücklich nicht auf Ihr Beispiel beziehen, weil mir die entsprechenden Erkenntnisse im Detail dazu fehlen. Nicht zuletzt veranlasst uns diese doch sehr fragile, gefährliche Lage dazu, nach Kräften dazu beizutragen, dass es die entsprechende Monitoring-Kommission der OSZE alsbald gibt – gerade heute finden die Verhandlungen statt –, um dafür Sorge zu tragen, dass mithilfe der OSZE, eines Partners, der den Menschenrechten verpflichtet ist, die derzeitige Lage vor Ort aufgeklärt wird, damit wir nicht nur auf informelle Berichte angewiesen sind. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Gelegenheit zu einer weiteren Frage hat jetzt die Kollegin Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister, bereits seit über einer Woche erreichen uns immer wieder Berichte über verstärkte Aktivitäten von NATO-Truppen im östlichen Polen, insbesondere in der masurischen Region. In diesem Kontext würde mich schon interessieren, was der genaue Auftrag dieser Truppen ist und inwieweit und in welcher Form die Bundesregierung diese Aktivitäten unterstützt. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich um mögliche Aktivitäten der NATO in Polen handelt und nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Insofern kann ich Ihre Frage nicht beantworten, weil das nicht in den Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amts fällt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, angesichts dieser auch von den Kollegen beschriebenen militärischen Entwicklung möchte ich noch einmal auf die Frage zurückkommen, die Sie mir eben beantwortet haben. Sie sagten, dass Sie keinerlei rechtliche Möglichkeit sehen, auf Geschäfte der RWE oder der Wintershall AG Einfluss zu nehmen oder in irgendeiner Weise aktiv zu werden. Deshalb meine konkrete Nachfrage. In § 4 des Außenwirtschaftsgesetzes wird eine ganze Reihe von Gründen genannt, in denen die Bundesregierung in Vertretung der Bundesrepublik aktiv werden kann. Da ist zum Beispiel von einer Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker die Rede, da ist von einer Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik die Rede. Meine Frage: Interpretiere ich Sie richtig, dass diese Gründe, die in § 4 des Außenwirtschaftsgesetzes genannt werden, auf die Geschäfte der RWE bzw. der Wintershall AG keine Anwendung finden? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege, die Bundesregierung hat sich wiederholt für ein gemeinsames Vorgehen – ich hatte bislang immer den Eindruck, dass dies auch von einer sehr breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag getragen wird – und eine gemeinsame Strategie der Europäischen Union ausgesprochen. Das heißt, das, was wir tun oder auch nicht tun, ist in eine Strategie der Europäischen Union eingebettet. Wir werden nicht zuletzt am kommenden Donnerstag auf dem Europäischen Rat darüber sprechen müssen, wie wir mit der jüngsten Entscheidung Russlands umzugehen haben, ob wir im Bereich der zweiten Stufe verbleiben. Aber wir sind noch weit davon entfernt, über die dritte Stufe konkret zu verhandeln, geschweige denn, diese zu beschließen. Ich will wiederholen: Das setzt nämlich einen weiteren dezidierten Beschluss des Europäischen Rates voraus. Es geht also hier um eine gemeinsame Anstrengung, um gemeinsame Maßnahmen, die von der Europäischen Union insgesamt verabredet werden. Ich hielte es für nicht besonders überzeugend, wenn hier einzelne Mitgliedstaaten vorpreschten und einzelne, nationalstaatliche Maßnahmen ergreifen würden. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Nachfragewünsche. Damit sind auch die dringlichen Fragen 2 und 3 beantwortet. Wir kommen zu den Fragen auf Drucksache 18/814. Ich rufe sie in der üblichen Reihenfolge auf. Als Erstes behandeln wir den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer zur Verfügung. Zunächst rufe ich die Frage 1 des Abgeordneten Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Welche Treffen gab es zwischen der Europäischen Kommission und Vertretern der Bundesregierung bezüglich einer europarechtskonformen Ausgestaltung der Besonderen Ausgleichsregelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz, bitte nach Inhalt und Terminen aufschlüsseln, und welchen inhaltlichen Vorschlag zur europarechtskonformen Ausgestaltung hat die Bundesregierung der Europäischen Kommission diesbezüglich unterbreitet? Herr Kollege Beckmeyer. Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich beantworte die Frage wie folgt: Es gab und gibt zwischen der EUKommission und der Bundesregierung zahlreiche Gespräche bezüglich einer europarechtskonformen Ausgestaltung der Besonderen Ausgleichsregelung im EEG. Nähere Informationen zu Daten bzw. Gesprächsinhalten und zu inhaltlichen Vorschlägen der Bundesregierung können nicht übermittelt werden, da die Verhandlungen der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen sind. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Beckmeyer, herzlichen Dank für die Antwort. – Diese Antwort verwundert mich etwas. Denn wenn man in Verhandlungen geht, hat man erst einmal eine Position; das kennen wir alle aus dem Bereich der Tarifverhandlungen. Deshalb erstaunt mich, dass die Bundesregierung bei diesem Thema offensichtlich gar keine Position zu haben scheint. Wenn man in eine Verhandlung geht, dann muss man doch eine Position haben. Mich würde interessieren, mit welcher konkreten Position die Bundesregierung in die Verhandlungen gegangen ist. Dass Sie über den Verhandlungsfortschritt natürlich nicht im Detail berichten können, kann ich nachvollziehen. Das ist sicherlich ein interner Prozess. Aber mich interessiert die grundsätzliche Position. Gestern gab es Medienberichte, wonach 65 Branchen von der Ökostromumlage ausgenommen sein sollen. Können Sie bestätigen oder dementieren, dass eine solche Zahl im Raume steht und am Ende Teil einer Vereinbarung mit der EUKommission wird? Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kollege Krischer, Sie haben danach gefragt, welche Treffen es zwischen der Europäischen Kommission und den Vertretern der Bundesregierung gegeben hat, um diese Ausgestaltung zu beraten. Meine Antwort darauf habe ich Ihnen eben vorgetragen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht mir um den zweiten Teil meiner Frage!) – Ich komme zum zweiten Teil. Die Beratungen betreffen unter anderem die Inhalte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. In diesem Zusammenhang sind speziell das Thema „Besondere Ausgleichsregelung“, aber auch das Thema „Eigenverbrauch“ zu nennen. Sie haben mich außerdem gefragt, wie wir mögliche Ausnahmen von der Ökostromumlage – Meldungen darüber sind gestern durch wen auch immer an die Öffentlichkeit geraten – bewerten. Dabei geht es um ein Papier der EU-Kommission, in dem Ausnahmen für bestimmte Branchen vorgeschlagen werden. Wir werten diese Vorschläge zurzeit aus und beurteilen sie auch im deutschen Interesse. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, dass es dabei um das EEG und die Besondere Ausgleichsregelung geht, vermelden die Überschriften. Genauso ist es oft bei Tarifverhandlungen, wenn vermeldet wird, dass es um Lohnpolitik und Arbeitszeiten geht. Überschriften dieser Art sagen aber noch nichts über Ihre Position aus. Deshalb noch einmal meine Frage: Mit welcher Position, mit welchen konkreten Inhalten, mit welchem Ziel ist die Bundesregierung in diese Verhandlungen gegangen? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch ganz einfach!) Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kollege Krischer, wir haben uns ja bereits im Ausschuss für Wirtschaft und Energie darüber unterhalten. Es ist klar, dass das jetzige Erneuerbare-Energien-Gesetz – zuletzt geändert 2012; das Gesetz, das von der EUKommission im Grunde gestoppt worden ist – in diesem Jahr novelliert werden soll; das ist erklärte Politik der Bundesregierung. Unser Zeitplan sieht vor, dass der Entwurf der Novelle dem Kabinett Anfang April vorliegt. Wir werden ihn danach im Plenum des Deutschen Bundestages beraten. Wir möchten gerne, dass dieses Gesetz, nachdem wir es mit Ihnen zusammen beraten haben, am 1. August 2014 mit seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft tritt. Das Hinterfragen aller Inhalte des Ihnen bekannten Erneuerbare-Energien-Gesetzes – der Besonderen Ausgleichsregelung, einer Umlage auf Eigenstromverbrauch – ist Teil der Verhandlungen, die wir mit der EUKommission aktuell führen. Da gibt es im Detail sehr viele verschiedene Ansichten und Positionierungen. Ich bitte Sie, den Abschluss der Gespräche abzuwarten. Danach werden wir Ihnen einen entsprechenden Beschluss des Kabinetts vorlegen. Dann werden wir uns dazu inhaltlich weiter auseinandersetzen können. Herzlichen Dank. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Zu einer weiteren Frage erteile ich jetzt dem Kollegen Petzold das Wort. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich möchte Sie trotzdem noch einmal fragen, mit welcher Position die Bundesregierung, was die Ausnahmeregelungen für Unternehmen anbelangt, in diese Verhandlungen geht. Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Wir sind bereits in den Verhandlungen. Diese Verhandlungen haben insbesondere zum Ziel, die deutsche Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dessen Novelle international konkurrenzfähig zu halten. Das ist eines der Hauptziele der Bundesregierung bei diesen Verhandlungen mit der Europäischen Kommission. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Die Frage 2 des Abgeordneten Oliver Krischer, die Frage 3 der Abgeordneten Bärbel Höhn, die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Klaus Ernst und die Frage 6 der Abgeordneten Agnieszka Brugger werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende der Fragen zu diesem Geschäftsbereich. Ich bedanke mich bei Herrn Staatssekretär Beckmeyer für die Beantwortung. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung steht Staatsminister Michael Roth zur Verfügung. Die Frage 7 der Abgeordneten Agnieszka Brugger wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf: Über welche Erkenntnisse und Hinweise verfügt die Bundesregierung, dass die gegen jüdische Einrichtungen und Bürger jüdischen Glaubens gerichteten Angriffe in der Ukraine wie in Kiew im Januar 2014 (www.santegidio.org/pageID/3/langID/de/itemID/8473/Solidaritt_mit_der_jdischen_Gemein de_die_Opfer_antisemitischer_bergriffe_geworden_ist.html) vom russischen Geheimdienst, von anderen russischen Sicherheitsorganen und/oder vom ukrainischen Geheimdienst oder von anderen ukrainischen Sicherheitsorganen organisiert und gesteuert wurden? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Gehrcke, wir gemeinsam hier im Hohen Hause, aber auch in der Bundesregierung verurteilen den Antisemitismus auf das Schärfste – überall und selbstverständlich auch in der Ukraine. Die Bundesregierung verfügt aber über keine derartigen Erkenntnisse, wie Sie sie mit Ihrer Frage insinuiert haben. Sie können sich darauf verlassen: Wir stehen in engstem Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinden in der Ukraine. Selbstverständlich ist die Lage in der Ukraine ausgesprochen schwierig. Aber alle Repräsentanten der jüdischen Gemeinden haben uns gegenüber noch einmal bestätigt, dass man von einer allgemeinen Zunahme des Antisemitismus im Zusammenhang mit den jüngsten Unruhen in der Ukraine nicht sprechen könne. Ich will noch einen Punkt ergänzen, Herr Kollege Gehrcke. Sie werden sich bestimmt an den offenen Brief der jüdischen Gemeinden an Präsident Putin vom 5. März erinnern, in dem prominente Vertreter der ukrainischen jüdischen Organisationen deutlich gemacht haben, dass das Argument Putins, es handele sich hier um einen wüsten Antisemitismus, mit der Wirklichkeit rein gar nichts zu tun hat. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich muss ja nicht dem russischen Präsidenten Putin helfen wollen; ich will der Bundesregierung helfen, (Niels Annen [SPD]: Das wäre das erste Mal!) klare Erkenntnisse zu gewinnen und ihre Positionen, die Sie beschrieben haben, in der Öffentlichkeit auch energisch genug vorzutragen. (Wolfgang Tiefensee [SPD]: Dann wollen wir mal sehen!) Ich zitiere aus der israelischen Zeitung Haaretz; sie ist bekannt, das ist eines der großen seriösen Blätter. Dort war am 23. Februar zu lesen: Aus Angst vor antisemitischen Übergriffen inmitten des Chaos in Kiew fordert der ukrainische Rabbiner Moshe Reuven Asman die Juden zum Verlassen der Stadt auf. „Ich habe meine Gemeinde aufgefordert, das Stadtzentrum und auch die ganze Stadt zu verlassen und wenn möglich auszureisen.“ Das können Sie in der Haaretz nachlesen. So wird das in Israel wahrgenommen. Muss nicht die Bundesregierung angesichts solcher Wahrnehmungen viel energischer deutlich machen: „Man setzt sich nicht mit Nazis zusammen an einen Tisch, man lässt sich nicht mit denen fotografieren, sondern man wird international die Ächtung betreiben“? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich muss das auf das Schärfste zurückweisen. Die Bundesregierung setzt sich nicht mit Nazis und Faschisten an einen Tisch. Sie können sich darauf verlassen, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles dafür tun, um Jüdinnen und Juden in der Ukraine zu schützen. Wir verlassen uns dabei nicht so sehr auf Medienberichte, sondern in erster Linie auf unmittelbare Gespräche mit Repräsentanten der jüdischen Gemeinden in der Ukraine. Ich möchte daran erinnern, dass heute, in dieser Stunde, der Vorsitzende des Vereins Jüdischer Gemeinden und Organisationen in der Ukraine, Herr Zissels, in Berlin ist – ich bedanke mich auch noch einmal bei der Kollegin Beck, die das offenkundig initiiert hat –, um unter anderem mit den Vertreterinnen und Vertretern des Menschenrechtsausschusses, aber auch mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses über die Lage der Juden in der Ukraine zu sprechen. Wenn ich als Vertreter der Bundesregierung sage, dass uns derzeit keine Erkenntnisse über eine Zunahme des Antisemitismus in der Ukraine vorliegen, speist sich das aus unmittelbaren Gesprächen mit Vertretern der jüdischen Gemeinden in der Ukraine. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Auf die Quelle unmittelbarer Gespräche kann auch ich zurückgreifen. Ich halte Ihnen aber noch einmal vor – ich möchte ja, dass sich die Bundesregierung bewegt und etwas tut –, wie Ihr Kollege Günter Verheugen, der ehemalige EU-Erweiterungskommissar, der ja Ihrer Partei angehört und nicht meiner – ich könnte jetzt sagen: bedauerlicherweise; aber das ist so –, die Lage beurteilt – ich zitiere –: Das Problem liegt eigentlich gar nicht in Moskau oder bei uns. Das Problem liegt ja in Kiew, wo wir die erste europäische Regierung des 21. Jahrhunderts haben, in der Faschisten sitzen. Ende des Zitates von Günter Verheugen, Mitglied der SPD, ehemaliger Erweiterungskommissar. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Diese Auffassung teilen wir so nicht. Ich will Ihnen einfach einmal erklären, was wir bislang tun, um jeden gewaltsamen Akt entschlossen und entschieden aufzuklären: Erstens. Es gibt eine klare Zusage der derzeitigen ukrainischen Regierung, in der sie ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen bekräftigt hat. Zweitens hat sich eine Kommission in der Ukraine gegründet unter starkem Einbezug der Zivilgesellschaft, selbstverständlich auch unter Einbezug der jüdischen Gemeinden. Drittens hat der Europarat das sogenannte International Advisory Panel etabliert, das an der Aufklärung von Gewalttaten in der Ukraine aktiv beteiligt ist. Nicht zuletzt war der Untergeneralsekretär für Menschenrechte der Vereinten Nationen jüngst in der Ukraine und hat sich über die Menschenrechtssituation, auch über die Gefährdung durch Antisemitismus, einschlägig informiert. Wir sehen seinem unmittelbar aus der Lage vor Ort gewonnenen Bericht mit großer Spannung entgegen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Die Gelegenheit zu einer weiteren Frage hat der Kollege Petzold. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Herr Staatsminister, ich möchte noch einmal nachfragen, welche Rolle denn solche Erkenntnisse spielen – diese sind ja auch im Internet oder in der Presse deutlich nachvollziehbar – wie die, dass führende Repräsentanten der Swoboda-Partei eindeutige Posen zeigen, die bei uns als verfassungswidrig gelten, und dass Führungspersonal dieser Partei, dass Parlamentarier dieser Partei an Veranstaltungen der rechtsextremen NPD in Deutschland teilnehmen und teilgenommen haben. Welche Rolle spielt das bei Ihrer Meinungsbildung? Das muss doch die Alarmglocken bei Ihnen schrillen lassen. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Es gibt ja noch eine schriftlich eingereichte Frage zu der möglichen Kooperation der NPD mit Swoboda oder auch mit anderen Organisationen in der Ukraine. Ich will dem aber durchaus einmal vorgreifen und eines deutlich sagen: Aus den Erkenntnissen, die der Bundesregierung zu Swoboda vorliegen, wird deutlich, dass es sich um eine rechtspopulistische und nationalistische Partei handelt, aber um keine faschistische. Sie haben darüber hinaus nachgefragt, wie die Kooperationen der NPD mit Swoboda oder auch mit Prawyj Sektor – das ist ja eine andere Organisation, die aber dezidiert nicht der ukrainischen Regierung angehört – aussehen. Uns liegen derzeit keinerlei Hinweise auf eine finanzielle Zusammenarbeit vor. Es gibt auch kein klares Bild. Ich will Ihnen einfach einmal ein paar Beispiele nennen: Es ist durchaus richtig, dass sich die NPD bemüht hat, entsprechende Kontakte in die Ukraine zu vertiefen. Dafür spricht nicht zuletzt auch das Interview, das ein Swoboda-Funktionär im Parteiorgan Deutsche Stimme gegeben hat. Es gab auch den Besuch einer Swoboda-Delegation im Mai 2013 bei der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen. Der Vertreter des sogenannten Rechten Sektors, des Prawyj Sektor, hat seine Teilnahme am Europakongress der Jungen Nationaldemokraten im März dieses Jahres inzwischen zurückgezogen. Es gibt auch Äußerungen der NPD, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Hier gibt es nämlich teilweise eine deutliche Parteiergreifung für die Position Russlands. So wirft zum Beispiel die NPD in Mecklenburg-Vorpommern den USA und der Europäischen Union in Bezug auf die Ukraine eine antirussische Aggressionspolitik und die Destabilisierung durch Einflussagenten vor. Eine klare Positionierung der NPD kann ich hier nun beim besten Willen nicht erkennen. Auf eines können Sie sich aber immer verlassen: Die Bundesregierung wird immer uneingeschränkt gegen Antisemitismus und Faschismus vorgehen – egal wo, weltweit. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Staatsminister, ich darf Sie im Hinblick auf die Beantwortung der weiteren Fragen an die Einhaltung der Redezeit erinnern. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Danke. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Der Herr Kollege Grund hat eine Frage. Manfred Grund (CDU/CSU): Herr Staatsminister, ich möchte auf die Frage von Herrn Kollegen Gehrcke zurückkommen und Sie und die Bundesregierung fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass mehrere Mitglieder des Übergangskabinetts in Kiew, so zum Beispiel Ministerpräsident Jazenjuk, jüdische Wurzeln haben und dass der vor kurzem ernannte Gouverneur von Dnipropetrowsk, Kolomojskyj, Vorsitzender des Europäischen Rats der Jüdischen Gemeinden, Präsident der Europäischen Jüdischen Union und Leiter der Vereinten Jüdischen Gemeinden der Ukraine ist? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Lieber Herr Kollege Grund, Sie haben völlig recht: Es gibt eine Reihe von politischen Repräsentanten jüdischen Glaubens; Sie haben einige genannt. Auch der stellvertretende Premierminister, Herr Hrojsman, ist jüdischen Glaubens. Darüber hinaus gibt es – das sind zumindest meine bisherigen Erkenntnisse – drei Gouverneure, die ebenso jüdischen Glaubens sind. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die organisatorische und finanzielle Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen Partei Swoboda und der Kampfgruppe Rechter Sektor mit der deutschen NPD und anderen rechtsextremistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland vor? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich hatte diese Frage im Rahmen der Frage Ihres Kollegen eben schon weitgehend zu beantworten versucht. Ich will das noch einmal kurz darstellen und erläutern: Es ist gefragt worden, ob es eine finanzielle Zusammenarbeit zwischen Swoboda oder der sogenannten Kampfgruppe Rechter Sektor, Prawyj Sektor, zur NPD gebe. Ich habe deutlich gemacht, dass es derzeit keinerlei Hinweise auf eine finanzielle Zusammenarbeit gibt. Das ambivalente Verhältnis zwischen der NPD einerseits und diesen Gruppierungen andererseits habe ich bereits beschrieben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kollege Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich finde Ihre Unterscheidung zwischen einer faschistischen Partei sowie einer nationalistischen und rechtspopulistischen Partei schon interessant. Wenn die Position der Bundesregierung etwas klarer und entschlossener herüberkäme, würde ich gern mit Ihnen weiter darüber diskutieren. Ich möchte Ihnen einfach einmal ein paar Wahrnehmungen bezüglich der Swoboda-Partei schildern: Die Denkfabrik, das ideologische Zentrum der Swoboda-Partei, heißt „Joseph-Goebbels-Forschungszentrum für Politik“. Ist das faschistisch oder rechtspopulistisch? Das würde mich schon interessieren. Viele der Anhänger dieser Partei laufen mit Armbinden herum, auf der die sogenannte Wolfsangel zu sehen ist. Das war das Erkennungszeichen der Waffen-SS in der Ukraine. Und was Waffen-SS in der Ukraine, gerade in der Westukraine, bedeutet, ist bekannt. Ist die Bundesregierung, was Swoboda angeht, wenigstens bereit, zu sagen, dass der Übergang von einer faschistischen zu einer rechtspopulistischen Partei fließend ist und dass diese Partei eine Gefahr für die ukrainische und europäische Demokratie ist? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Da mich die Präsidentin an meine Redezeit erinnert hat, möchte ich Ihnen ausdrücklich das Angebot unterbreiten, andernorts noch einmal intensiver gemeinsam darüber zu diskutieren, wo die Unterschiede zwischen einer rechtsnationalistischen und einer faschistischen Partei liegen. Dies hat insbesondere etwas mit dem Parteiaufbau zu tun. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, wie die Bewertungen der Bundesregierung bezogen auf Swoboda aussehen. Ich finde es schon merkwürdig, dass hier insinuiert werden könnte, wir würden faschistisches, antisemitisches Gedankengut in irgendeiner Weise decken. Dies ist mitnichten der Fall. Ich will noch einmal eines deutlich unterstreichen: Der weitaus größte Teil der Protestbewegung in der Ukraine und auch deren Unterstützer haben mit Rechtsnationalismus oder -populismus, mit Faschismus, mit Antisemitismus überhaupt nichts am Hut. Insofern möchte ich hier gerne eine Trennung vornehmen: Das eine sind Entwicklungen, die auf unseren deutlichen Widerstand stoßen. Wir werden das auch im Rahmen unserer Möglichkeiten zum Thema machen und bekämpfen. Das andere ist, dass nicht der Eindruck entstehen sollte, dass die Protestbewegung auf dem Maidan in erster Linie von Faschisten und Antisemiten unterwandert wurde. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Das ist überhaupt nicht mein Eindruck. Ganz im Gegenteil: Ich möchte Trennschärfe und Klarheit haben. Ich stelle Ihnen einmal die Regierungsbeteiligung der Swoboda-Partei dar: Sie stellt vier Minister: den stellvertretenden Premierminister, den Verteidigungsminister – hier geht es um Waffen –, den Minister für Agrarpolitik und Ernährung sowie den Minister für Umwelt und Bodenschätze. Der Rechte Sektor stellt den Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates, den Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates sowie den Generalstaatsanwalt. Finden Sie es angemessen, gerade vor dem Hintergrund Ihrer Analyse, dass diese Rechtspartei – ich finde, faschistische Partei – einer Regierung so stark angehört? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Bundesregierung hat ein Interesse an einer möglichst – ich kann nur noch einmal wiederholen, was ich schon einmal gesagt habe – inklusiven ukrainischen Regierung, die alle der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Teile der ukrainischen Gesellschaft angemessen einbezieht. Dieser Linie bleiben wir treu. Alle anderen Aspekte zur Situation und Bewertung von Swoboda habe ich Ihnen deutlich geschildert. Da scheint es zwischen Ihrer Bewertung und der Bewertung der Bundesregierung einen Dissens zu geben. Sie können sich aber darauf verlassen, dass wir in dieser Frage sehr wachsam sein werden. Sollte es irgendeinen Anlass geben, der Ihre Unterstellungen erhärten sollte, dann wird es darauf eine klare Antwort der Europäischen Union, aber auch der Bundesregierung geben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Herr Staatsminister, die Bundesregierung legt offensichtlich großen Wert auf die Unterscheidung zwischen rechtspopulistischen und faschistischen Kräften. Ich finde es gut, wenn man dies sauber trennt. Deswegen würde mich interessieren, worin aus Sicht der Bundesregierung der Unterschied besteht zwischen der FPÖ eines Jörg Haider in Österreich, die von allen hier im Hause vertretenen Parteien ausgesprochen kritisch gesehen wurde und mit deren Funktionären man eine Zusammenarbeit aus gutem Grund gemieden hat, und der Swoboda, die, wie der Kollege sagte, vier Minister, darunter den Verteidigungsminister, stellt, und warum Sie, wenn Sie eine möglichst inklusive Regierung aller an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit orientierten Kräfte wollen, eine Partei einbezogen sehen wollen, die ein Joseph-Goebbels-Forschungszentrum unterhält? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich finde es erst einmal interessant, dass Sie ein Mitgliedsland der Europäischen Union, nämlich Österreich, offenkundig mit der Ukraine gleichzusetzen versuchen. Im Übrigen habe ich Ihnen deutlich klarzumachen versucht, dass die Bundesregierung eine andere Definition von Faschismus und von einer faschistischen Partei vornimmt als Sie. Daraus dürfen Sie aber nicht schließen, dass die Bundesregierung nicht mit aller Entschlossenheit und Entschiedenheit gegen Faschismus und Antisemitismus in der Ukraine und weltweit vorgeht und dagegen entschieden eintritt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Hunko. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Kollege Roth, Sie haben hier Ihre Linie damit begründet, dass Sie Swoboda als rechtspopulistisch und nicht als faschistisch einschätzen. Nun hat der Cheftheoretiker von Swoboda, Mychaltschyschyn, persönlich das Kleine ABC des Nationalsozialisten von Goebbels, das 25-Punkte-Programm der NSDAP oder den Aufsatz Warum SA von Ernst Röhm ins Ukrainische übersetzt und das mit der Aktualität dieser Schriften begründet. Wenn Sie meine Aussagen bestätigt sehen würden, würden Sie dann immer noch davon ausgehen, dass es sich dabei um Rechtspopulisten handelt, oder würden Sie dann nicht zu der Einschätzung kommen, dass es sich doch um Faschisten handelt? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Meine Antworten speisen sich aus den Informationen, die mir derzeit vorliegen. Auf Grundlage dieser Informationen formuliere ich die Antworten, die ich Ihnen und im Übrigen allen anderen Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages gebe. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Grund. Manfred Grund (CDU/CSU): Herr Staatsminister, teilen Sie meine Einschätzung, dass die Bürgerbewegung in der Ukraine, die Protestbewegung gegen das Anketten an Russland im russischen Fernsehen und von den dortigen Nachrichtenagenturen sehr stark – eigentlich fast ausschließlich – unter dem Stichwort „Faschismus“ und in Bezug auf eine mögliche faschistische Machtübernahme dargestellt wird und diese Bürgerbewegung dadurch diskreditiert wird? Teilen Sie meine Einschätzung, dass früher die Sowjetunion und heute Russland diesen Vorwurf sehr gerne nutzte bzw. nutzt, wenn es um eigene Interessen ging bzw. geht, etwa im Zusammenhang mit dem Bürger- und Arbeiteraufstand in der DDR am 17. Juni 1953, der von der sowjetischen Propaganda ebenso als faschistisch gesteuert bezeichnet wurde, um das Eingreifen zu rechtfertigen? Liegt das jetzige Verhalten möglicherweise auf einer solchen Linie, die es schon in der Vergangenheit gab? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Grund, die Bundesregierung – auch ich persönlich – tut sich mit Gleichsetzungen mit Geschehnissen der Vergangenheit immer schwer. Aber ich kann Ihnen nur darin zustimmen, dass sowohl beim Aufstand von 1953 als auch bei den Aufständen von 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei, in Prag, immer von faschistischen Aufständen gesprochen wurde. Das heißt aber nicht, dass ich jetzt eine Parallele zu der Propaganda ziehen möchte, die offenkundig in Russland betrieben wird. Ich will eines klarstellen: Nichts wiegt für die Bundesregierung schwerer als der Vorwurf des Antisemitismus. Deshalb sind wir mit den Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinden, aber auch mit den Vertretern der Zivilgesellschaft sehr eng und intensiv im Gespräch. Wenn uns die Vertreter der jüdischen Gemeinden beispielsweise erklären, dass es aus ihrer Sicht zu keinem Anstieg des Antisemitismus in der Ukraine gekommen ist, dann liegt es mir fern, dem öffentlich oder auch nichtöffentlich zu widersprechen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Frage 10 der Kollegin Dağdelen wird schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich bedanke mich bei Herrn Staatsminister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Günter Krings zur Verfügung. Frage 11 der Kollegin Dağdelen wird schriftlich beantwortet. Ich komme zur Frage 12 der Kollegin Wawzyniak. – Ich sehe die Kollegin nicht. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Frage 13 des Kollegen Ströbele und die Fragen 14 und 15 der Kollegin Jelpke werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zur Frage 16 der Abgeordneten Luise Amtsberg: Welche Schlussfolgerungen bzw. Konsequenzen zieht die Bundesregierung hinsichtlich der Situation von Flüchtlingen mit Behinderungen in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf ihre Unterbringung und den Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen, und sollten der Bundesregierung hierzu keine Daten vorliegen, plant sie, einen entsprechenden Forschungsauftrag zu vergeben? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Auf die Kollegin Amtsberg ist Verlass; vielen Dank. Bei Flüchtlingen handelt es sich um Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde. Ihnen sind nach Art. 29 und Art. 30 der Richtlinie 2011/95/EU Sozialhilfeleistungen und medizinische Versorgung wie eigenen Staatsangehörigen zu gewähren. Eine Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen, in Unterkünften für Asylbewerber etwa, findet daher nicht statt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Haben Sie eine Nachfrage, Kollegin Amtsberg? – Das ist nicht der Fall. Danke. Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Britta Haßelmann werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Zur Beantwortung der Fragen 19 bis 21 steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange und für die Frage 22 der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Kelber zur Verfügung. Die Frage 19 der Kollegin Ulle Schauws wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 20 der Abgeordneten Martina Renner auf: Sind durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie das Bundesministerium des Innern inzwischen Entwürfe für die Änderungen der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren und der einschlägigen polizeilichen Dienstvorschriften fertiggestellt worden, wie sie der Abschlussbericht des 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Untergrund, NSU, vorgesehen hat, in dem die gemeinsame Empfehlung der Obleute als Erstes die nachfolgende für den Bereich Polizei fordert: „In allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der Person des Opfers einen rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hintergrund haben könnten, muss dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumentiert werden, wenn sich nicht aus Zeugenaussagen, Tatortspuren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkreter Tatverdacht in eine andere Richtung ergibt. Ein vom Opfer oder Zeugen angegebenes Motiv für die Tat muss von der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft verpflichtend aufgenommen und angemessen berücksichtigt werden. Es sollte beispielsweise auch immer geprüft werden, ob es sinnvoll ist, den polizeilichen Staatsschutz zu beteiligen und Informationen bei Verfassungsschutzbehörden anzufragen. Dies sollte in die Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie in die einschlägigen polizeilichen Dienstvorschriften aufgenommen werden.“ (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seite 861)? Bitte schön. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Empfehlung Nr. 1 des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages betrifft Richtlinien und Dienstvorschriften bei Justiz und Polizei, also Bereichen, die überwiegend der Organisationshoheit der Länder obliegen. Der Abschlussbericht des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages war deshalb auch Gegenstand unter anderem der Erörterungen der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 14. November 2013 in Berlin. Die Justizministerinnen und Justizminister haben ihren Strafrechtsausschuss beauftragt, unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz den aus dem Abschlussbericht folgenden gesetzgeberischen und sonstigen Handlungsbedarf, zum Beispiel durch eine Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und für das Bußgeldverfahren, RiStBV, zu prüfen und der Konferenz über das Ergebnis zu berichten. In Ausführung dieses Auftrags hat der Strafrechtsausschuss der Justizministerkonferenz eine Arbeitsgruppe eingerichtet, der Vertreterinnen und Vertreter der Landesjustizverwaltungen sowie des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz angehören. Die konstituierende Sitzung der Arbeitsgruppe fand am 30. Januar dieses Jahres in Düsseldorf statt. In der Auftaktsitzung der Arbeitsgruppe wurden die Vorschläge zunächst einer ersten Bewertung unterzogen und zu Themengebieten zusammengefasst. Anschließend wurden die Zuständigkeiten für ihre Aufarbeitung unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe aufgeteilt, um zeitnah eine aus fachlicher Sicht umfassende Analyse der Vorschläge nebst etwaigen Umsetzungsüberlegungen vorlegen zu können, die in einer zweitägigen Sitzung der Arbeitsgruppe am 26. und 27. März 2014 erörtert werden sollen. Geplant ist, das Ergebnis und etwaige Umsetzungsüberlegungen in einem Bericht an den Strafrechtsausschuss sowie des Weiteren an die Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister vorzulegen, die im Juni 2014 tagen wird. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Renner. Martina Renner (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich würde gerne wissen, in welche Richtung jetzt weiter verfahren wird. Gibt es schon erste Textentwürfe zur Änderung der Richtlinie für das Strafverfahren? Können Sie uns Eckpunkte benennen oder gegebenenfalls nachreichen? Gibt es einen Konsens unter den Justizministern und -ministerinnen, dass an diesem Punkt den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses Folge geleistet wird, oder gibt es auch Gegenargumente, die in dieser Kommission gegebenenfalls vorgetragen wurden? Wenn ja, welche sind das? Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Kollegin Renner, inhaltlich deckt sich Ihre Nachfrage mit der von Ihnen eingereichten Frage 21, in der Sie wissen wollten, wann entsprechende Entwürfe für die Änderungen der RiStBV vorliegen und wie sich die Justizministerkonferenz dazu verhält. – Wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, dann würde ich die Frage gerne entsprechend beantworten. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Dann rufe ich die Frage 21 der Abgeordneten Martina Renner auf: Wann sollen die Entwürfe für die Änderungen der RiStBV und der einschlägigen polizeilichen Dienstvorschriften der Innenministerkonferenz und der Justizministerkonferenz zur Verabschiedung vorgelegt werden? Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Über die Ergebnisse und den Fortgang des in der Antwort zu Ihrer vorangegangenen Frage skizzierten Prüf- und Analyseprozesses wird den Fachkonferenzen, der JuMiKo und der Innenministerkonferenz, im Frühjahr 2014 berichtet werden. Diesen Fachkonferenzen und den in ihnen vertretenen Justiz- und Innenressorts der Länder obliegt die Entscheidung, ob bzw. in welcher Weise Empfehlungen zur Ergänzung oder Änderungen der Richtlinien und Dienstanweisungen aufgegriffen werden. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Renner, da die beiden Fragen zusammengezogen wurden, haben Sie die Möglichkeit, noch drei Nachfragen zu stellen. Martina Renner (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ist damit zu rechnen, dass noch in diesem Jahr eine Verabschiedung erfolgen wird? Sie haben darauf verwiesen, wann die nächsten Beratungen anstehen. Ich würde aber gerne wissen, ob die Änderung der Vorschrift tatsächlich zum Jahresende kommen wird? Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Ich kann mich nur wiederholen, liebe Frau Kollegin Renner: Die Entscheidung, ob bzw. in welcher Weise die Länder das umzusetzen gedenken, obliegt ihnen und nicht der Bundesregierung. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Möchten Sie eine weitere Nachfrage stellen? Martina Renner (DIE LINKE): Nein, danke. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke. – Ich sehe auch keine anderen Fragen. Ich bedanke mich beim Herrn Parlamentarischen Staatssekretär. Die Frage 22 des Abgeordneten Herbert Behrens wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die Frage 23 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Dr. Axel Troost, die Frage 26 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, die Frage 27 der Abgeordneten Lisa Paus und die Fragen 28 und 29 der Abgeordneten Susanna Karawanskij werden alle schriftlich beantwortet. Damit ist auch dieser Geschäftsbereich beendet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf. Die Beantwortung der Fragen übernimmt die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller. Die Frage 30 der Abgeordneten Tabea Rößner wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 31 der Kollegin Luise Amtsberg auf: Auf welche Weise bzw. an welchen Orten können sich nach Kenntnis der Bundesregierung Flüchtlinge mit Behinderungen bzw. behinderte Menschen, die schlecht oder nicht deutsch sprechen, über sozialrechtliche Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen informieren, und sollte die Bundesregierung hierzu keine Kenntnis haben, plant sie, einen entsprechenden Forschungsauftrag zu vergeben? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Amtsberg, Ihre Frage beantworte ich gerne wie folgt: Flüchtlinge mit Behinderung sowie behinderte Personen mit Migrationshintergrund, deren Kenntnisse der deutschen Sprache nicht ausreichend sind, um sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache zu verständigen, können sich über die ihnen zustehenden Sozialleistungen und über die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für eine Berechtigung zur Teilnahme an Integrationskursen grundsätzlich bei jedem Sozialleistungsträger informieren. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Asylbewerberleistungsgesetzes, zum Beispiel bei Flüchtlingen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, oder bei Ausländern mit gesichertem Aufenthaltsstatus, besteht für die Sozialleistungsträger eine Pflicht zur Beratung und Auskunft. Am besten wendet sich ein Flüchtling oder Ausländer, bei dem eine Behinderung vorliegt, an das für ihn örtlich zuständige Integrationsamt, das auch bei der Stellung eines Antrags auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises helfen kann. Angesichts der gebotenen Kürze der Antwort verzichte ich auf die Nennung der jeweiligen Rechtsgrundlage. Daneben können auch in den gemeinsamen Servicestellen der Rehaträger Auskünfte über die Zielsetzung, Zweckmäßigkeit und die Erfolgsaussicht hinsichtlich der Gewährung möglicher Leistungen zur Teilhabe eingeholt werden. Es wird der individuelle Hilfebedarf ermittelt und geklärt, welche Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig sind. Sind Leistungen verschiedener Rehaträger angezeigt, koordiniert die Rehaservicestelle die Zusammenarbeit dieser Träger. Behinderte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen und Grundleistungen nach den §§ 3 ff. Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, können sich hinsichtlich der für sie in Betracht kommenden Unterstützungsleistungen an den zuständigen Leistungsträger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wenden. Die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern fällt in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Da Sie gefragt haben, ob ein Forschungsauftrag zu der Problematik geplant ist, will ich Ihnen antworten: Nein, das ist nicht geplant. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Amtsberg. Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte noch einmal nachfragen. Es ist ja so, dass Flüchtlinge, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, in den ersten 48 Monaten nur bei akuten Schmerzen eine medizinische Versorgung bekommen. Das gilt auch für Rehamaßnahmen. Die Frage ist, ob es mit der Behindertenrechtskonvention vereinbar ist, wenn in vielen Fällen Anträgen auf eine Brille, einen Rollator oder einen Rollstuhl nicht stattgegeben wird. Deshalb noch einmal die Frage: Gibt es möglicherweise Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um diese Menschen zu unterstützen? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich antworte gerne darauf. Ich beziehe mich auf die Antwort, die ich Ihnen gerade gegeben habe. In meiner Antwort habe ich den Unterschied herausgearbeitet: Behinderte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen, fallen hinsichtlich Versorgung und Unterbringung in die Zuständigkeit der Länder. Das ist der Punkt, den ich hier herausarbeiten möchte. Deshalb bezieht sich Ihre Frage in erster Linie auf die Regelungen der Länder. Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kollegin Amtsberg? Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Das ist ja alles richtig. Der Punkt ist nur, dass wir auf Bundesebene zumindest die Aufgabe haben, zu schauen, wie die Länder mit einer solchen Situation umgehen. Deshalb habe ich auch danach gefragt, ob nicht eine Evaluation der Situation vor Ort angemessen wäre. Was mich noch interessiert, ist Folgendes: Entstehen für die betroffenen Personen Kosten, bzw. kann es sein, dass an irgendeiner Stelle Kosten entstehen? Ist das eigentlich eine proaktive Geschichte? Wann erfährt ein Betroffener, der eine Behinderung hat, davon, dass er die Rechte, die Sie vorgetragen haben, tatsächlich hat? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich antworte gerne auf Ihre Frage. – Ich will Ihnen sagen: An genau dieser Stelle kommt es darauf an, welchen Personenkreis Sie mit Ihrer Frage meinen. Ich möchte sie nicht interpretieren. Ich habe aber die Vermutung, dass Sie jene Asylbewerberinnen und Asylbewerber meinen, die Leistungen nach §§ 3 ff. Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Daher muss ich meine Antwort leider wiederholen: Das ist in der Tat Sache der Bundesländer. Selbstverständlich sind wir in vielen Angelegenheiten mit den Bundesländern im Gespräch. Aber natürlich ersetzt das nicht die Verschiebung von Zuständigkeiten. Hier sind die Bundesländer gefragt. Ich denke, in den jeweiligen Bundesländern gibt es entsprechende Regelungen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Gelegenheit zu einer Nachfrage hat jetzt die Kollegin Rüffer. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist ja richtig, dass die Zuständigkeit für diesen Bereich bei den Ländern liegt. Aber die Zuständigkeit für die Gesetzgebung liegt beim Bund. Insofern könnte man natürlich darüber nachdenken, welche Änderungen geboten wären bzw. ob sogar ein Wegfall des Asylbewerberleistungsgesetzes geboten wäre, um bestehenden Härten, die es in der Bundesrepublik jeden Tag gibt, entgegenzutreten, medizinische Leistungen auch Menschen, die einen Flüchtlingsstatus haben oder als Asylbewerber in Deutschland sind, ihn also noch nicht haben, zu ermöglichen und ihnen Hilfsmittel wie Rollatoren, Rollstühle usw. zur Verfügung zu stellen. Es ist eine ganz problematische Situation, dass das derzeit nicht geschieht. Die Beratung – gleich komme ich zu meiner Frage – ist gerade für Flüchtlinge mit Behinderung unglaublich wichtig. Diese Flüchtlinge haben es sehr schwer, die nötigen Informationen zu bekommen und damit Kenntnis darüber zu erlangen, welche Hilfemöglichkeiten in der Bundesrepublik, die für sie naturgemäß fremd ist, zur Verfügung stehen. Ich habe vor kurzem ein Gespräch mit Vertretern einer Initiative in Berlin geführt, die sich auf genau diese Fälle spezialisiert hat, nämlich auf Asylbewerber, Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund mit Behinderung. Ihr Problem besteht darin, dass ihre Finanzierung überhaupt nicht gesichert ist. Diese Initiative arbeitet also, ohne zu wissen, ob sie nächstes Jahr noch wird beraten können. Meine Frage an die Bundesregierung lautet: Planen Sie, Mittel zur Verfügung zu stellen, damit diese wichtige Beratungstätigkeit in Zukunft stabil ausgeübt werden kann? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Rüffer, Sie sprechen damit unter anderem einen Personenkreis an, den ich anfangs abgegrenzt habe, nämlich Flüchtlinge, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde, und Ausländer mit gesichertem Aufenthaltsstatus. Für diesen Personenkreis gelten andere Regelungen als für jene Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch nehmen. Ich will Ihnen sagen – ich glaube, wir sind da einer Meinung –: Personen mit Behinderung, die noch dazu Flüchtlinge oder Asylbewerber sind, finden auch in Deutschland erschwerte Bedingungen vor; diese Einschätzung teilt die Bundesregierung mit Ihnen und dem Parlament. Deshalb gibt es die Regelung, dass immer dann, wenn der Schutz gewährt und der Status anerkannt ist, sehr weit reichende Möglichkeiten bestehen, nicht nur zur Beratung – diese muss schon nach den §§ 14 und 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch verpflichtend erfolgen –, sondern auch im Hinblick auf entsprechende Leistungen. Davon abzugrenzen – ich wiederhole meinen Vortrag – sind jene Menschen, deren Status ein anderer ist. Für sie gelten andere Regelungen. Sie haben außerdem nach der finanziellen Absicherung der Beratungsmöglichkeiten gefragt. Was die erste Zielgruppe, die ich gerade erwähnt habe, betrifft, ist es so, dass alle Einrichtungen, die es in Deutschland gibt, die Pflicht zur Beratung haben. Erfolgt die Beratung durch weitere Einrichtungen – vielleicht können Sie das ja schriftlich konkretisieren –, müsste man prüfen, wie ihre Situation, ihre finanzielle Lage und die entsprechende Förderung ist und ob man ihnen zukünftig helfen kann. Da ich aber jetzt keine Einrichtung von Ihnen benannt bekommen habe, kann ich dazu leider keine Auskunft geben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Ehe ich jetzt der Kollegin Klein-Schmeink das Wort erteile, bitte ich noch mal alle Fragestellerinnen und Fragesteller und alle Antwortenden, die vereinbarte Redezeit zu beachten. Wir haben zu Ihrer Hilfe Lichtzeichen an verschiedenen Stellen eingeführt. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Solange es grün ist, dürfen Sie reden. Wenn es gelb ist, müssen Sie zum Schluss kommen. Aber Rot bedeutet eindeutig: Ende der Redezeit. Frau Klein-Schmeink. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte gern an die Frage anknüpfen. Es gibt gerade bei den Menschen mit anerkanntem Aufenthaltsstatus sehr viele Menschen mit seelischer Behinderung, auch aufgrund von Traumaerfahrungen in ihrem Herkunftsland oder aufgrund von Foltererfahrungen. Ich habe dazu in der letzten Wahlperiode eine Kleine Anfrage gestellt. Damals wurde deutlich, dass die Bundesregierung, was die Versorgung dieser Personengruppe angeht, über keinerlei Zahlen verfügte, vor allen Dingen auch nicht darüber, ob ihnen Möglichkeiten der muttersprachlichen Beratung und natürlich auch der Therapie zur Verfügung standen. Daraus habe ich abgeleitet, dass man dringend eine Untersuchung einleiten sollte, um zu schauen, wo es Handlungsbedarf gibt, um dann eine konkrete Grundlage zu haben. Würden Sie diese Sicht der Dinge teilen, und was gedenken Sie dann zu tun? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich ermuntere Sie ausdrücklich, möglicherweise noch einmal in dieser Hinsicht zu fragen. Wir sind uns einig, dass gerade der Personenkreis mit zum Beispiel Posttraumatischen Belastungsstörungen ein Personenkreis ist, der ganz besonderer Hilfe bedarf; das gilt nicht nur für den Personenkreis mit dem Status, den Sie gerade angesprochen haben, sondern grundsätzlich. In den letzten Jahren hat sich nicht nur bei der Diagnose, sondern insbesondere bei der Therapie viel getan. Wir wissen, dass wir nicht nur für den hier angesprochenen Personenkreis, sondern grundsätzlich noch viel tun müssen, um insgesamt zu einer adäquaten Leistung zu kommen. Davon profitiert dann auch der von Ihnen genannte Personenkreis. Ich bin mir sicher, dass wir genau diese Fragestellung erörtern werden. Letzten Endes wird die Leistung aber auch im Zusammenhang mit einer Krankenversicherung noch einmal zu erörtern sein. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. Die Fragen 32 und 33 des Kollegen Peter Meiwald werden schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt die Frage 34 der Abgeordneten Doris Wagner auf: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, um für Eltern mit Behinderungen einen Rechtsanspruch auf Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Elternrolle zu schaffen, sofern sie zum Ausgleich ihrer Behinderung darauf angewiesen sind (sogenannte Elternassistenz)? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank; ich beantworte diese Frage gerne. Frau Präsidentin, ich versuche wirklich, das in der gebotenen Kürze zu tun, und hoffe, dass dann trotzdem die Tiefe nichts zu wünschen übrig lässt. Meine Antwort auf Ihre Frage, Frau Kollegin Wagner, lautet wie folgt: Nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch ist bei der Entscheidung über Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe den besonderen Bedürfnissen behinderter Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages sowie den besonderen Bedürfnissen behinderter Kinder Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung schließt sich dem Ergebnis der eigens für diese Frage „Rechtsanspruch auf Elternassistenz: Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages unterstützen“ eingerichteten Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz an. Diese ist zu dem Ergebnis gelangt, dass nach dem bestehenden Recht alle Bedarfe von Eltern mit Behinderung durch vorrangige Leistungsgesetze wie insbesondere gesetzliche Krankenversicherung und gesetzliche Pflegeversicherung sowie durch das Achte und das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch gedeckt werden können. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer konkreten Bedarfsdeckung durch die jeweiligen Leistungsgesetze im Einzelfall wird die Unterstützung von Eltern mit Behinderungen ein wichtiger Diskussionspunkt bei den Überlegungen zur Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes sein. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Wagner. Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank für Ihre Antwort, Frau Staatssekretärin. Leider ist es allerdings so, dass es immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Gewährung von Elternassistenz kommt, obwohl es doch eigentlich unerheblich ist, dass die Leistungen der Elternassistenz bei den Eingliederungsleistungen nicht ausdrücklich genannt sind, da diese Auflistung beispielhaft ist. Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, dies zu verhindern, um behinderten Eltern einen unkomplizierten Weg zu den notwendigen Unterstützungsmöglichkeiten zu garantieren? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich beantworte Ihnen die Frage gerne. Wir leben in einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung. Jeder Antragsteller hat das Recht, sein Recht auch auf dem Klagewege noch einmal prüfen und entscheiden zu lassen; das steht außer Frage. Gleichwohl habe ich darauf hingewiesen, dass wir diesen Themenkomplex auch aufgreifen werden, und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass wir bei den Überlegungen zur Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes eben auch genau diese Fragen erörtern; ich trug das eben vor. Ich denke, auch da werden wir uns solchen Fragestellungen vertieft widmen. Ob das allerdings ausschließt, dass es auch späterhin – wenn denn ein solches Gesetz in Kraft getreten ist – zu Klagen kommt, vermag ich nicht zu sagen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Die Gelegenheit zu einer weiteren Frage hat der Kollege Kurth. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerade die Zersplitterung des Leistungsrechts für Menschen mit Behinderungen und die Verteilung der verschiedenen Ansprüche über verschiedene Sozialgesetzbücher, verbunden mit dem Unwillen der Leistungsträger, zu leisten, und dem Willen, sich stets für unzuständig zu erklären, führen dazu, dass gerade Menschen mit Behinderungen nicht nur hier, aber gerade auch hier, häufig den Klageweg beschreiten müssen. Hält die Bundesregierung das wirklich für zumutbar? Wäre es, wenn man das erkannt hat und seit weit mehr als zehn Jahren sieht, dass sich das eher verschlechtert als verbessert, nicht sinnvoller, die verteilten Ansprüche – zum Beispiel beim Recht auf Elternassistenz – zu bündeln, eindeutig, rechtssicher und klar zusammenzufassen und einem einzelnen Leistungsträger verpflichtend zuzuordnen, damit die Leistungsberechtigten nicht quasi routinemäßig auf den Klageweg verwiesen werden? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kurth, über den Unwillen der Leistungsträger möchte sich die Bundesregierung an dieser Stelle nicht äußern. Ihnen steht es zu, das so zu bewerten. Wir sind der Auffassung, dass es in der Tat sehr viele Schnittstellen gibt, und halten das als Bundesregierung für nicht zielführend. Genau deshalb planen wir, uns diese Schnittstellen im Rahmen der Gestaltung eines Bundesteilhabegesetzes noch einmal anzuschauen, um im Ergebnis etwas zu erzielen, was, wie ich denke, einer Zersplitterung, wie Sie das genannt haben, deutlich entgegenwirkt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich rufe die Frage 35 der Abgeordneten Wagner auf: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der Studie „Strukturelle und finanzielle Hindernisse bei der Umsetzung der interdisziplinären Frühförderung“ durch das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, um eine bundeseinheitliche Umsetzung der Komplexleistung „Frühförderung“ zu gewährleisten und Schnittstellenprobleme abzubauen, und wann wird die Bundesregierung tätig werden? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Wagner, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Laut der Studie „Strukturelle und finanzielle Hindernisse bei der Umsetzung der interdisziplinären Frühförderung“ sind die Eltern unabhängig von der Versorgungsstruktur mit dem Leistungsgeschehen der Frühförderung überwiegend sehr zufrieden. Die Eltern beurteilen die Leistungen, die sie und ihr Kind durch die Frühförderung erhalten, zu 97 Prozent positiv. Hinweise auf Versorgungslücken oder unterversorgte Kinder liefert diese Studie nicht. Richtig ist allerdings, wie in der Studie auch ausgeführt, dass die Vereinbarung einer gemeinsamen Empfehlung gemäß § 13 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch auf der Grundlage einer freiwilligen Verpflichtung wegen der Widerstände der beteiligten Leistungsträger nicht erreicht werden konnte. Die Leistungsträger stützen sich dabei im Wesentlichen auf die unterschiedlich gewachsenen Strukturen und verweisen auf die nur mit erheblicher Mühe geschlossenen Landesrahmenvereinbarungen, welche die Probleme im Hinblick auf die wichtigen Abstimmungen und Regelungsbedarfe in den Ländern weitestgehend gelöst hätten. Im Kontext der Vorbereitung eines Bundesteilhabegesetzes wird die Bundesregierung dieses Thema in ihre Überlegungen einbeziehen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Wagner? Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Keine weiteren Fragen. Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke auf: Ist es aus Sicht der Bundesregierung geboten, die Arbeitsstättenverordnung dergestalt zu überarbeiten, dass Betriebe generell verpflichtet werden, Arbeitsstätten barrierefrei zu gestalten und die Integrationsämter zur Übernahme der Kosten in vollem Umfang zu verpflichten? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank. – Sehr geehrte, liebe Kollegin Müller-Gemmeke, die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Arbeitsstättenverordnung dahin gehend zu ändern, dass eine Verpflichtung für den Arbeitgeber zur generellen barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstätten eingeführt wird. Die Bundesregierung hat mit § 3 a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung geregelt, dass Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben haben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Eine allgemeine, von jedem individuellen Bezug losgelöste Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung barrierefreier Arbeitsplätze und Arbeitsstätten würde die Arbeitgeber in tatsächlicher wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht überfordern. Eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung ist auch deshalb nicht erforderlich, da der Stand der Barrierefreiheit in der Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen in Deutschland ein hohes Niveau erreicht hat. Um den Arbeitgeber jedoch bei seinen Verpflichtungen zu unterstützen, hat der in § 7 Arbeitsstättenverordnung geregelte Ausschuss für Arbeitsstätten unter anderem Gestaltungsvorschläge für das Einrichten und Betreiben von barrierefreien Arbeitsstätten ermittelt. Diese heißen „Technische Regeln für Arbeitsstätten“ mit Maßnahmen für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen und mit Anforderungen zum Beispiel an behindertengerechte Türen, Verkehrswege, Fluchtwege, Notausgänge, Treppen, Orientierungssysteme und Toilettenräume. Sie wurden im Gemeinsamen Ministerialblatt der Bundesregierung veröffentlicht. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte gerne nachfragen, weil ich glaube, dass noch ein paar mehr Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt Chancen haben sollten. Von daher möchte ich nachfragen: Wenn Sie an der Arbeitsstättenverordnung nichts verändern wollen, was wird die Bundesregierung stattdessen unternehmen, um die Chancen von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Darauf antworte ich sehr gerne. – In der Tat hat die Bundesregierung ein großes Interesse daran, dass wir mehr Menschen mit Behinderung einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erlauben. Das Stichwort ist dabei inklusiver Arbeitsmarkt. Daran werden wir in dieser Legislaturperiode arbeiten und ganz sicher auch Ergebnisse erzielen. Wir würden uns freuen, wenn wir gemeinsam mit dem Parlament zu wirklichen Verbesserungen kommen. Ihre Frage zielte jedoch auf Folgendes: Wollen wir eine generell barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten einführen? – Das ist eine ganz grundsätzliche Sache. Sie würde jeden Arbeitsplatz und jede Barriere betreffen. Aus den von mir vorgetragenen Gründen halten wir das nicht für zielführend. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Ich möchte noch einmal nachfragen. Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, die Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX zu erhöhen und damit die Chancen für behinderte Menschen zu verbessern? Wenn Sie etwas in dieser Richtung vorhaben: In welcher Form und wann wird das passieren? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank auch für diese Frage, die ich ebenso gerne beantworte. – Es besteht zurzeit nicht die Absicht, die Ausgleichsabgabe zu erhöhen. In der Tat steht sie zur Verfügung, um genau die genannten Maßnahmen zu unterstützen und voranzubringen. Wir gehen davon aus, dass wir auskömmliche Mittel zur Verfügung haben. Deshalb sehen wir zurzeit keine Notwendigkeit, die Ausgleichsabgabe zu erhöhen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. Ich rufe die Frage 37 der Kollegin Beate Müller-Gemmeke auf: Wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze wurden durch die „Initiative Inklusion“ bisher tatsächlich geschaffen, und wie viele der Menschen, die darüber einen Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz bekommen haben, sind derzeit noch dort beschäftigt? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Auch diese Frage beantworte ich sehr gerne, Kollegin Müller-Gemmeke. – Die „Initiative Inklusion“ wird von den Ländern in enger Kooperation mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit 2011 bis 2018 durchgeführt. Die Länder haben gemäß der Richtlinie Initiative Inklusion dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Abstimmung mit den zuständigen Trägern der Arbeitsverwaltung zu festgelegten Stichtagen über den Stand der Umsetzung zu berichten. Die Länder sind dieser Berichtspflicht zuletzt am 31. März vergangenen Jahres nachgekommen. Demnach ergibt sich zum Stichtag 31. Dezember 2012 – das ist der aktuelle Bericht – Folgendes: 214 neue Ausbildungsplätze für schwerbehinderte Jugendliche in Betrieben und Dienststellen des allgemeinen Arbeitsmarktes; berichtet wurde in diesem Zusammenhang von sechs Ausbildungsabbrüchen, sodass sich die Zahl von 208 ergibt. 310 neue Arbeitsplätze für ältere schwerbehinderte Menschen; Angaben zu Abbrüchen in diesem Handlungsfeld werden erstmalig zum 30. Juni 2014 fällig. Deshalb können wir dazu noch keine Aussage machen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Sie haben die Gelegenheit zu zwei Nachfragen. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ja, ich möchte gerne nachfragen. Welche Vorteile bieten denn diese befristeten Sonderprogramme, wie beispielsweise die „Initiative Inklusion“ oder „Job 4000“, für die Arbeitgeber einerseits, aber auch für die arbeitsuchenden Menschen mit Behinderung andererseits? Welche Vorteile haben sie gegenüber den Förderinstrumenten im SGB III? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Auch darauf antworte ich gerne. – Ich will das am Beispiel der Förderung neuer Ausbildungsplätze aus den Mitteln der „Initiative Inklusion“ aufzeigen, wobei ich vorausschicken will, dass es grundsätzlich darum geht, überhaupt eine bessere Motivationslage und eine höhere Informationsdichte zu erreichen. Ich glaube, ich darf, ohne Sie vereinnahmen zu wollen, sagen: Wir wissen, dass wir in Deutschland hier noch viel tun können. Der Arbeitsmarkt zeigt nicht annähernd die Aufgeschlossenheit und die Initiativbereitschaft, wie sich das die Bundesregierung zurzeit wünscht. Deshalb halte ich diese Initiative für richtig. Ich habe es schon dargestellt: Sie hat zwar bereits 2011 begonnen, aber wir wollen ihr mehr Nachdruck verleihen. Wir sind also dabei, das voranzubringen. Insofern haben wir, denke ich, neben der Unterstützung im Einzelfall auch die ganz starke Zielsetzung in einer starken öffentlichen Wirkung. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Befristete Sonderprogramme sind nun einmal genau das: Sonderprogramme und befristet. Von daher möchte ich nachfragen, wie die Förderinstrumente im SGB III verbessert werden könnten und was die Bundesregierung in nächster Zeit vorhat. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Liebe Kollegin Müller-Gemmeke, ich sprach schon von der Zielsetzung der Bundesregierung, besonderes Augenmerk auf den inklusiven Arbeitsmarkt zu legen. Genau darauf zielt auch Ihre Frage, wenn man das in einem größeren Kontext behandelt. Ich bin sicher, dass wir nach einer kritischen Analyse der Instrumente, die wir derzeit haben, danach fragen werden, wie sie zu bewerten sind und ob sie der Zielsetzung entsprechen, die wir als Bundesregierung erklärtermaßen haben, den Arbeitsmarkt in Deutschland inklusiver zu gestalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Klein-Schmeink das Wort. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Nachfrage zur „Initiative Inklusion“. Inwieweit werden dort Menschen mit seelischer Behinderung einbezogen? Haben Sie dazu Zahlen? Haben Sie vor, das auch in den regulären Arbeitsmarktinstrumenten verstärkt vorzusehen? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Auch darauf antworte ich gerne, wobei ich sagen muss, dass ich die Zahlen nicht im Kopf habe. Ich kann sie aber gerne schriftlich nachliefern. Grundsätzlich muss man sehen, dass wir mit unseren Instrumente Menschen mit Behinderung nicht ausschließen wollen; wir wollen ihnen und auch unserem Arbeitsmarkt vielmehr die Möglichkeit geben, sozusagen inklusiver zu werden. Erlauben Sie mir, dass ich das schriftlich nachliefere. Denn ich denke, Sie wollen verlässliche Zahlen haben, und wir haben ein Interesse, sie zu liefern. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann ist das so zugesagt und wird geschehen. Die Frage 38 der Kollegin Kerstin Andreae wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 39 des Kollegen Markus Kurth: Welche Erfahrungen wurden aus Sicht der Bundesregierung bislang mit dem „Budget für Arbeit“ gemacht, und aus welchen Gründen hat sich die Bundesregierung dazu entschieden, zur Erleichterung des Übergangs aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt lediglich Erfahrungen mit dem „Budget für Arbeit“ einzubeziehen, obwohl die Landesregierungen hier weiter gehen und die gesetzliche Verankerung eines „Budgets für Arbeit“ in der erprobten Form fordern (vergleiche 90. ASMK-Protokoll vom 27./28. November 2013)? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Verehrter Kollege Kurth, auch hierauf gebe ich gerne Antwort. In ihrem Koalitionsvertrag sprechen sich CDU, CSU und SPD dafür aus, den Übergang zwischen Werkstätten für Menschen mit Behinderung und dem ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern und dabei die Erfahrungen mit dem „Budget für Arbeit“ einzubeziehen. Den Erfahrungen mit dem Modell „Budget für Arbeit“ in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen kommt aus der Sicht der Bundesregierung eine hohe Bedeutung zu. Sie bestätigen in einer ganzen Reihe von Einzelfällen, dass in einer von der Eingliederungshilfe unterstützten Beschäftigung werkstattbedürftiger, dauerhaft voll erwerbsgeminderter Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchaus eine Alternative zu einer Beschäftigung im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen gesehen werden kann, allerdings im Wesentlichen beschränkt auf Personen, die zu den Leistungsträgern innerhalb der Gruppe der werkstattbedürftigen Menschen mit Behinderung gehören. Die Mehrheit der Werkstattbeschäftigten, die weniger leistungsfähig ist, wäre aus Sicht der Bundesregierung bei einer tariflich entlohnten Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit über Werkstattniveau liegenden Leistungsanforderungen überfordert. Eine derartige Beschäftigung kann daher für diese Menschen keine sinnvolle und in ihrem wohlverstandenen Interesse liegende Alternative zu einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen darstellen. Vor dem Hintergrund dieser Bewertung, in der sich die Bundesregierung und die Länder im Übrigen einig sind, ist auch nicht daran gedacht, einen allgemeinen anspruchsbegründenden Leistungstatbestand „Budget für Arbeit“ im Recht der Eingliederungshilfe zu verankern. Vielmehr soll gerade den nachweislich zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigten Menschen der Übergang von der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht bzw. erleichtert werden, natürlich unter der Voraussetzung, dass die volle Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach wie vor besteht. In diesem Sinn wird die Bundesregierung bei den Überlegungen zur Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes auf Basis der Erfahrungen mit dem „Budget für Arbeit“ prüfen, wie ein Minderleistungsausgleich für werkstattbedürftige Menschen mit Behinderung, die zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigt sind, auf eine sichere Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Lösekrug-Möller, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundesregierung keinen Rechtsanspruch auf ein persönliches „Budget für Arbeit“ begründen will, sodass es beantragt werden muss? Wie rechtfertigen Sie dies angesichts der Tatsache, dass das persönliche Budget nur eine andere Leistungsform darstellt, die nicht mehr kostet und die es in anderen Leistungsbereichen wie der Assistenz – da gibt es bereits einen Rechtsanspruch – längst gibt? Warum gibt es einen solchen Anspruch im Bereich Arbeit nicht? Im wohlverstandenen Interesse der Beschäftigten im Werkstattbereich liegt es, dass diese nach ihrer eigenen Fähigkeitseinschätzung entscheiden können. Das sollte nicht etwa vom jeweiligen Sozialhilfeträger verfügt werden. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ihre Frage enthält mehrere Aspekte, auf die ich gerne eingehe. Ich habe gesagt: Es geht nicht darum, einen allgemeinen, anspruchsbegründenden Leistungstatbestand im Recht der Eingliederungshilfe zu verankern. Herr Kurth, ich kenne Sie als einen sehr sachkundigen Experten. Wir beide wissen, dass es hier wirklich auf Details ankommt; das wissen wir aus gemeinsamer politischer Erfahrung. Ich würde nicht unterstellen, dass hier andere etwas über andere verfügen. Wir gehen sehr seriös mit der Entwicklung um. Deshalb habe ich ja gesagt: Wir werden die Erfahrungen einbeziehen und prüfen. Genau das werden wir tun, und das Ergebnis werden wir Ihnen ganz sicher in dem Augenblick, in dem wir eine gesicherte Erkenntnis haben und uns darüber im Klaren sind, wie wir politisch vorgehen wollen, mitteilen und hier im Parlament zur Diskussion stellen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, erlauben Sie mir die Bemerkung, dass ich der Auffassung bin, dass wir nach vielen Jahren der Erfahrung mit dem persönlichen „Budget für Arbeit“ bereits über sehr viele Erkenntnisse verfügen. Angesichts der Tatsache, dass ein Bundesleistungsgesetz möglicherweise erst in der nächsten Legislaturperiode in Kraft treten wird – die finanzielle Entlastung wurde jedenfalls eher für 2018 und nicht früher in Aussicht gestellt –, also angesichts der Tatsache, dass es noch einige Jahre auf sich warten lassen wird: Hält es die Bundesregierung für denkbar, vorzeitig Regelungen speziell für das „Budget für Arbeit“ zu machen – wenn nur Mittel umgeschichtet werden, entstehen für die Kostenträger keine neuen finanziellen Belastungen –, sodass wir schon im Vorgriff im Bereich des Übergangs zum allgemeinen Arbeitsmarkt Erfolge erzielen können? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Unsere Aufgabe sehen wir darin, geltendes Recht immer dann zu verbessern, wenn es zielführend erscheint. Es ist eine Daueraufgabe einer Regierung, entsprechende Vorschläge zu machen und die Initiative zu ergreifen. Was Ihre Vorstellung über den Zeitraum, bis ein Bundesleistungs- bzw. Bundesteilhabegesetz kommt und in Kraft tritt, angeht: Sie reden über längere Zeiträume, als es die Bundesregierung im Augenblick in ihrer Planung vorsieht. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur Frage 40 des Kollegen Markus Kurth: Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Landesregierungen, dass im Rahmen der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe ein dauerhafter Lohnkostenzuschuss für wesentlich behinderte, erwerbsfähige Menschen im Sinne eines Minderleistungsausgleiches eingeführt werden sollte (vergleiche 90. ASMK-Protokoll), um ihre Chancen auf Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verbessern, und welche Gründe bzw. Erwägungen liegen der Einschätzung zugrunde? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Sehr gerne. – In Ihrer Frage wird nicht die Auffassung der Länder wiedergegeben. Diese teilen vielmehr unverändert die Auffassung der Bundesregierung, dass die Förderung der Teilhabe erwerbsfähiger Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben keine Aufgabe der Eingliederungshilfe ist. Im Beschluss der 90. Arbeits- und Sozialministerkonferenz wird ausdrücklich festgestellt, dass Voraussetzung für ein „Budget für Arbeit“ grundsätzlich der Zugang über den Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen sein soll und damit das „Budget für Arbeit“ nur den behinderten Menschen offenstehen soll, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind. Eine andere Darstellung der Positionierung der Länder im Sinne der Fragestellung, die einer vorläufigen Protokollfassung der 90. Sitzung der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zu entnehmen war, wurde mit der Endfassung korrigiert. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hält die Bundesregierung denn diese Grenzziehung zwischen erwerbsfähig und nicht erwerbsfähig bzw. voll erwerbsgemindert überhaupt noch für zielführend? Wäre es nicht vielmehr viel sinnvoller, von einem Kontinuum auszugehen, also von leichten Einschränkungen an einem Ende und schweren Einschränkungen am anderen Ende, und die personenbezogene Leistung, die es nach einer Veränderung der Eingliederungshilfe geben soll, eben individuell zuzumessen und an der Stelle nicht nur eine einfache Scheidelinie zu haben? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Als kundiger Thebaner wissen auch Sie, dass wir uns mit allen Fragestellungen rund um Behinderung beschäftigen und dass wir uns im Rahmen der Diskussion, die wir nicht nur zum künftigen Bundesteilhabegesetz, sondern auch zur UN-Behindertenrechtskonvention haben, genau mit dieser Frage beschäftigen. Deshalb haben wir weder ein Denkverbot noch ein Entwicklungsverbot im Hinblick auf die Fragestellung, die Sie gerade an mich gerichtet haben. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben gewiss eine zweite Nachfrage. Bitte. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe noch eine weitere Nachfrage. In meiner Frage bezog sich der dauerhafte Lohnkostenzuschuss keineswegs nur auf den Kreis der Werkstattberechtigten. Ich würde gerne die Bundesregierung fragen, ob das Modell der sogenannten Integrationsfirmen – ein Modell ist es ja gar nicht mehr; es gibt schon Hunderte von ihnen –, ob also nicht das Vorbild der Integrationsfirmen und Integrationsabteilungen eine Blaupause sein kann, um einen dauerhaften Lohnkostenzuschuss und auch „Budgets für Arbeit“ zu implementieren. Hält die Bundesregierung es für denkbar und möglich, dies auch stärker in die sogenannten normalen Firmen des ersten Arbeitsmarkts hineinzutragen? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kurth, der Erfolg von Integrationsfirmen ist auch der Bundesregierung nicht verborgen geblieben. Wir haben, glaube ich, in allen Bundesländern sehr erfolgreiche Modelle. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit nicht nur darauf geschaut, wie sie sich entwickeln, sondern diese Modelle auch immer wieder unterstützt. Deshalb ist das eine Möglichkeit, die wir selbstverständlich in die Weiterentwicklung mit einbeziehen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich rufe die Frage 41 der Kollegin Brigitte Pothmer auf: Wie hat sich die Zahl schwerbehinderter Arbeitsloser und schwerbehinderter arbeitsloser Akademikerinnen und Akademiker seit dem Jahr 2010 im Vergleich zum allgemeinen Trend auf dem Arbeitsmarkt entwickelt – bitte Zahlen für jedes Jahr getrennt nach Rechtskreisen angeben –, und wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Sehr gerne. – Das ist jetzt ein anderer Themenschwerpunkt. Verehrte Kollegin Pothmer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen hat von 2010 auf 2013 um rund 2 Prozent auf etwa 178 600 zugenommen, während die Arbeitslosigkeit insgesamt in diesem Zeitraum um 9 Prozent gesunken ist. Der Anteil der schwerbehinderten akademisch ausgebildeten Arbeitslosen an allen akademisch ausgebildeten Arbeitslosen hat sich von 3,5 Prozent auf 3,9 Prozent erhöht. Da die Darlegung der Entwicklung der Zahlen schwerbehinderter Arbeitsloser und schwerbehinderter arbeitsloser Akademikerinnen und Akademiker seit 2010 im Vergleich zum allgemeinen Trend auf dem Arbeitsmarkt für jedes Jahr getrennt nach Rechtskreisen – so haben Sie Ihre Frage ja auch formuliert – den hier zur Verfügung stehenden Zeitrahmen sprengen würde, möchte ich Ihnen gern die entsprechende von der Bundesagentur für Arbeit erstellte Tabelle zusenden. Ich habe sie dabei. Sie ist sehr schwer vorzulesen, schon gar nicht in der mir zustehenden Zeit. Frau Präsidentin, Ihre Vorgängerin in der Sitzungsleitung hatte mich da ganz hart ermahnt. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen ist stark von statistischen Effekten geprägt. Nachdem Ende 2007 Regelungen zum erleichterten Leistungsbezug für die Altersgruppe „58 Jahre und älter“ ausliefen, ist die Zahl arbeitsloser schwerbehinderter Menschen in dieser Altersgruppe erheblich gestiegen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit stieg ihre Zahl von rund 9 300 im Jahr 2008 auf rund 45 400 im Dezember 2013. Damit lag der Anteil dieser Altersgruppe an allen arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten Menschen Ende 2013 bei rund 26 Prozent. Bei arbeitslosen schwerbehinderten Akademikerinnen und Akademikern war der Anteil mit rund 37 Prozent sogar deutlich höher. Zwar haben Lebensältere ein geringeres Risiko als Jüngere, arbeitslos zu werden, zugleich aber – das wissen wir aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt – schlechtere Chancen, die Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung wieder zu beenden. Bei der Kombination „Schwerbehinderung und höheres Lebensalter“ gestaltet sich eine Beschäftigungsaufnahme zum Teil noch schwieriger. Gerade diese Kombination ist aber für die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen prägend. Oftmals ist auch aufgrund von Vorbehalten und fehlenden Erfahrungen im Umgang mit behinderten Menschen ein zurückhaltendes Einstellungsverhalten bei Arbeitgebern festzustellen. Hier besteht aus Sicht der Bundesregierung nach wie vor großer Handlungsbedarf. Aufklärung oder, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention bezeichnet, Bewusstseinsbildung sind wichtige Voraussetzungen, um Vorbehalte abzubauen und mehr Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu realisieren. Auch das ist ein zentrales Ziel der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Oktober 2013 zusammen mit den maßgeblichen Arbeitsmarktpartnern gestalteten Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich vermag mir gar nicht auszumalen, was es noch an Zeit gekostet hätte, wenn Sie die Tabelle mit vorgetragen hätten. (Heiterkeit) Frau Pothmer, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Rücksichtnahme auf das Publikum, aber auch auf Sie selbst. Ich begrüße das. Auch wenn Sie nicht alle Zahlen en détail vorgetragen haben, ist deutlich geworden, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Allgemeinen und der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Besonderen bei behinderten Akademikerinnen und Akademikern wie eine Schere auseinandergehen. Als einen Grund haben Sie statistische Effekte genannt, zum Beispiel die 58er-Regelung. Diese Regelung betrifft nun nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern alle arbeitslosen Menschen. Sie kann also keine Erklärung dafür sein; es können also nicht nur statistische Effekte sein, die dieses Auseinandergehen verursacht haben. Insofern noch einmal die Frage: Können Sie die Gründe, warum die Schere so exorbitant auseinandergeht, deutlicher erläutern? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Pothmer, das tue ich gerne. Ich glaube, dieser Effekt ist allerdings nicht unerheblich; von daher möchte ich noch einmal auf ihn verweisen. Ich will gerne schauen, ob wir Ihnen genauere Zahlen dazu liefern können. Von diesem Effekt sind meines Erachtens die Menschen mit Behinderung überproportional betroffen. Es ist so – ich will mich gerne wiederholen –, dass wir einen dringenden Handlungsauftrag sehen, zumal immer mehr Jahrgänge hochqualifizierter Menschen mit Behinderung auf den Arbeitsmarkt kommen. Deshalb ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, genau hier initiativ zu werden. Ich habe beschrieben, dass wir es besonders wichtig finden, den Vorbehalten entgegenzutreten, die diese Personengruppe in keiner Weise verdient; vielmehr sollten wir ermunternd und unterstützend darauf hinwirken, dass diese Menschen einen Platz im ersten Arbeitsmarkt finden. Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Pothmer, Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nehmen Sie mir es nicht übel, Frau Staatssekretärin: Angesichts der Dramatik, die sich in diesen Zahlen zeigt, scheint mir das Vorhaben, für mehr Aufklärung zu sorgen, dem Problem wohl nicht ganz angemessen. Es gibt ja eine ganze Reihe von Vorschlägen, auch aus den Behindertenverbänden. Darin wird zum Beispiel deutlich hervorgehoben, dass sich die Bundesagentur für Arbeit in Bezug auf die Beratung von behinderten Menschen sehr stark auf die Akquirierung von Arbeitsplätzen und nur noch sehr wenig auf die Betreuung von behinderten Menschen konzentriert. Das hat sehr viel damit zu tun, dass für die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zählt, wenn ein Arbeitsloser einen Arbeitsplatz erhalten hat. Berücksichtigt wird dabei überhaupt nicht mehr die Frage, wie lange die jeweilige Person ihren Arbeitsplatz behalten konnte. Menschen mit Behinderung brauchen nicht nur einen Arbeitsplatz. Wenn sie einen Arbeitsplatz bekommen haben, brauchen sie darüber hinaus Unterstützung und Begleitung. Von Behindertenverbänden wird kontinuierlich angemahnt, dass das nicht der Fall ist. Haben Sie vor, da etwas zu verändern? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Pothmer, auch mir ist bekannt, dass Behindertenverbände darauf hinweisen. Ich will gerne aufgreifen, dass wir das auch mit der Bundesagentur für Arbeit erörtern. Ich teile aber nicht automatisch Ihre Einschätzung, dass es da sozusagen einen Mangel an Engagement gibt. Das will ich hier ganz deutlich sagen. Ich will aber der festen Meinung Ausdruck verleihen, dass die Bundesregierung wirklich bereit ist, sich genau um diese Personengruppe zu kümmern und da viel zu tun. Insofern danke ich für Ihre Frage. Sie zielte im Übrigen – wenn ich das noch ergänzen darf; die Zeit reicht dafür ja auch noch – im Grunde genommen schon auf die nächste Frage, die ich gleich zu beantworten gedenke. Vizepräsidentin Petra Pau: Zuerst hat aber die Kollegin Rüffer eine Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kann an die Frage von Frau Pothmer anschließen; das passt dazu. – Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass die Qualifizierung von Mitarbeitern im Jobcenter sozusagen als Problemfeld gesehen wird. Meine Frage ist mit Blick auf die Beratung von Menschen mit Behinderung und speziell mit Blick auf die Beratung des in der Frage benannten Personenkreises: Wann können wir mit einer Lösung rechnen und in welchem Umfang? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich antworte gern, liebe Kollegin Rüffer. – Grundsätzlich sind wir daran interessiert, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf dem bestmöglichen Qualifikationsstand sind. Das ist eine Daueraufgabe. Wir haben dies noch einmal besonders hervorgehoben – Sie haben das zu Recht zitiert und richtig zitiert –, weil wir wissen, dass eine maximale Qualifizierung auch zu hohen Arbeitserfolgen in der Vermittlung führt. Das gilt übrigens nicht nur für die Zielgruppe, über die wir gerade sprechen, sondern das gilt grundsätzlich. Wenn Sie danach fragen, wann wir dazu Ergebnisse haben werden, will ich Ihnen sagen: Wir sehen das im Mittelpunkt der Aufgaben der nächsten Zeit. Sobald wir Ergebnisse haben, werden wir das Plenum, aber ganz sicher den Fachausschuss Arbeit und Soziales unterrichten. Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. Kollegin Rüffer, als Hinweis für die Zukunft: Wir bleiben im Allgemeinen stehen, wenn wir bei der Beantwortung von Fragen im Gespräch mit Personen auf der Regierungsbank sind. Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Pothmer auf: Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Einschätzung des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., DVBS, hinsichtlich des Reformbedarfs bei der Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen und hinsichtlich der Rolle der Vermittlungsstelle für besonders betroffene schwerbehinderte Akademikerinnen und Akademiker in der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung, wie Dr. Heinz Willi Bach sie in seinem Beitrag in der Zeitschrift horus (Ausgabe 1/2014) darlegt (www.dvbs-on line.de/horus/2014-1-5347.htm), und welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Verbesserung der Vermittlung schwerbehinderter Arbeitsloser und schwerbehinderter arbeitsloser Akademikerinnen und Akademiker? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Frau Pothmer, die Bundesregierung sieht keinen Reformbedarf hinsichtlich der Rolle des Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akademiker der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit; abgekürzt heißt die AG: SBZAV. Ich glaube, es ist besser, das auszusprechen. Der Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akademiker ist eine konsequente Weiterentwicklung der üblichen Praxis, arbeitgeber- und arbeitnehmerbezogene Prozesse strikt zu trennen. Die Weiterentwicklung ist angezeigt, um für diese Zielgruppe überregional zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere im öffentlichen Sektor, zu erschließen. Der Arbeitgeberservice führt seine Vermittlungsaktivitäten einerseits bewerberorientiert durch. Das heißt, es werden, vom Kunden, also vom Arbeitnehmer, ausgehend, Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht. Dies erfolgt auf Basis vorhandener Stellenangebote. Es werden andererseits Arbeitgeber initiativ angesprochen, um geeignete Stellen zu akquirieren. Auf dieser Grundlage werden Informationsveranstaltungen oder Gruppenberatungen für schwerbehinderte Akademiker und Akademikerinnen sowie Stellen-Matchings organisiert, um so direkt für Bewerberinnen und Bewerber aktiv zu werden. Bezogen auf die Vermittlung wird der Arbeitgeberservice also für beide Marktseiten tätig. Das ist die Besonderheit, die wir hier vorfinden. Der Service ist ausschließlich auf Personen ausgerichtet, die nach Art oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind. Konkret handelt es sich um den Personenkreis besonders betroffener schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch. Darüber hinaus wird der Arbeitgeberservice aufgrund eines Vermittlungsauftrags der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter tätig. Das heißt, Arbeitsagenturen oder Jobcenter entscheiden einzelfallbezogen über seine Einschaltung. Der vom Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf hergestellte Zusammenhang, die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen sei wegen eines Konstruktionsfehlers des Arbeitgeberservice angestiegen, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht herstellen. Die Bundesagentur für Arbeit erbringt ihre Dienstleistungen – Beratung, Vermittlung, Förderung – auch für schwerbehinderte Arbeitslose sowie für schwerbehinderte arbeitslose Akademikerinnen und Akademiker auf Grundlage des Zweiten, Dritten und Neunten Buchs Sozialgesetzbuch. Dabei haben Arbeitsagenturen und Jobcenter umfangreiche Fördermöglichkeiten. Darüber hinaus hat das Bundesministerium Programme initiiert, die die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben verbessern sollen. Über die „Initiative Inklusion“ habe ich ja bereits heute Auskunft gegeben. Sie wird in Verantwortung der Länder durchgeführt und umfasst – ich will noch eine Zahl nachschieben – ein Mittelvolumen von 140 Millionen Euro, finanziert – wir sprachen auch darüber – aus der Ausgleichsabgabe. Wir haben Ende 2013 ein neues Programm zur intensivierten Eingliederung und Beratung mit einer Laufzeit von 2014 bis 2016 aufgelegt; es wird mit 50 Millionen, auch aus Mitteln des Ausgleichsfonds, finanziert. Damit sollen Konzepte gefördert werden, die bereits bestehende Förderinstrumente und Maßnahmen ergänzen und die berufliche Integration verstärken und anregen. Die ZAV plant, hier ein Konzept zur Unterstützung der Vermittlung schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker einzureichen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich möchte die Bitte meiner Vorgängerin hier vorne noch einmal wiederholen, doch in der verabredeten Antwortzeit zu bleiben, damit noch möglichst viele Nachfragen stellen können. Sie, Frau Pothmer, haben das Wort zur ersten Nachfrage. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, die Behindertenverbände berichten immer wieder, dass insbesondere Arbeitgeber, aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Probleme mit der Sonderausstattung haben, die für manche behinderte Menschen notwendig ist, dass diese Sonderausstattung erst sehr spät zur Verfügung gestellt wird. Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, da Einfluss zu nehmen und diesen Prozess zu beschleunigen? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich versuche, Zeit aufzuholen. – Es ist denkbar, dass das in Einzelfällen unter dem Optimum bleibt. Mir sind jetzt aber keine Einzelfälle bekannt. Deshalb kann ich darauf nicht antworten. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Neben dem Problem der schlechten oder verspäteten Ausstattung für Sonderarbeitsplätze wird immer wieder auch bemängelt, dass der Verwaltungsaufwand, insbesondere für Arbeitgeber, exorbitant hoch sei. Denkt die Bundesregierung darüber nach, da Vereinfachungen vorzunehmen? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, dass der Verwaltungsaufwand exorbitant hoch ist. Wir haben als Bundesregierung – so haben wir heute in der Befragung der Bundesregierung gehört – ein großes Interesse an Entbürokratisierung und Vereinfachung. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch dieser Bereich dabei betrachtet und untersucht wird. Sofern da Vereinfachungen möglich erscheinen, werden sie ganz sicher vorgenommen. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Kurth hat das Wort zu einer Nachfrage. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo es nun um das Thema Vermittlung geht, bietet es sich an, noch einmal nach den sogenannten Integrationsfachdiensten zu fragen. Diese Integrationsfachdienste hat ja der Gesetzgeber 2001 eingerichtet, damit Arbeitgeber und auch Bewerber im Vorfeld beraten werden können, Bewerber vermittelt und danach auch betreut werden können. Das sollte eine ganzheitliche Leistung sein; so hat es sich der Gesetzgeber jedenfalls vorgestellt. Nun hat die vergangene Bundesregierung den Teilbereich der Vermittlung aus diesen Diensten einfach herausgebrochen und durch Ausschreibungsverfahren vergeben. Das hatte zum Ergebnis eine zum Teil zersplitterte Leistungslandschaft. Das hat die damalige Opposition kritisiert, und zwar vehement. Plant die jetzige Bundesregierung, diese Fehlentscheidung der vergangenen Regierung wieder zurückzunehmen bzw. zu korrigieren und die Integrationsfachdienste wieder zu dem zu machen, was der Gesetzgeber ursprünglich wollte? Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kurth, die amtierende Bundesregierung sieht davon ab, Entscheidungen der vorangegangenen Bundesregierung zu bewerten. Deshalb antworte ich Ihnen: Sollte es zu Schwierigkeiten gekommen sein, wird die jetzige Bundesregierung ganz sicher mit einem entsprechenden Problembewusstsein auch diese Fragestellung betrachten. Sollte es erforderlich sein, hier Lösungen zu finden, dann werden sie – da bin ich mir ziemlich sicher – gesucht werden. Ich will Ihnen aber sagen, dass ich erst einmal Ihre Vermutung, dass es negative Auswirkungen gibt, so nicht bestätigen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Fragen 43 und 44 des Kollegen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, 45 und 46 der Kollegin Sabine Zimmermann (Zwickau) sowie 47 und 48 der Kollegin Azize Tank zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden schriftlich beantwortet. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Frage 49 der Kollegin Bärbel Höhn, die Fragen 50 und 51 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann sowie 52 und 53 des Kollegen Harald Ebner werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Dasselbe gilt für die Frage 54 des Kollegen Omid Nouripour aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist als Nächstes an der Reihe. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks zur Verfügung. Die Frage 55 der Kollegin Tabea Rößner soll schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 56 der Kollegin Corinna Rüffer auf: Wann wird die Bundesregierung das in der UN-Behindertenrechtskonvention verankerte Recht auf angemessene Vorkehrungen als Diskriminierungstatbestand in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufnehmen, und wie begründet sie es, falls sie keine entsprechende Änderung plant? Bitte, Frau Staatssekretärin. Caren Marks, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Rüffer, Ihre Frage beantworte ich gerne, und zwar wie folgt: Um die Behindertenrechtskonvention umzusetzen, hat die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode einen Nationalen Aktionsplan verabschiedet, der in der laufenden Legislaturperiode weiterentwickelt wird. Dieser sieht auch eine Evaluierung des Behindertengleichstellungsgesetzes vor. Im Rahmen dieser zurzeit stattfindenden Evaluierung wird im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention auch geprüft, ob es bezüglich des Begriffs „angemessene Vorkehrungen“ gegebenenfalls Handlungsbedarf gibt. Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass sich aus dem Ergebnis dieser Prüfung auch Auswirkungen zum Beispiel auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ergeben können. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne. – Ich bin etwas verwundert, weil die Antwort auf die Frage sehr vorsichtig ausgefallen ist. Die Monitoring-Stelle zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention am Deutschen Institut für Menschenrechte schreibt – ich zitiere –: „Solange es Barrierefreiheit nicht gibt, helfen nur angemessene Vorkehrungen.“ Das ist sehr eindeutig. Wie bewerten Sie diese Aussage, und sehen Sie jetzt vielleicht doch einen dringenderen Handlungsbedarf? Caren Marks, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sehr geehrte Frau Kollegin Rüffer, ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Wir warten die Evaluierung ab. Wir werden sie auswerten und dann in der Bundesregierung zu einem Ergebnis kommen, das Auswirkungen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz haben könnte. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das AGG enthält keine Umsetzungsvorschrift zu Art. 5 der Richtlinie aus 2000/78/EG vom 27. November 2000, nach der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, um ihre Gleichberechtigung sicherzustellen. Wie bewerten Sie das? Was haben Sie im Hinblick auf diesen Mangel vor? Caren Marks, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Den Aspekt, den Sie angesprochen haben, Frau Kollegin, werden wir ganz gezielt angehen. Wir werden das AGG in der jetzigen Ausgestaltung daraufhin prüfen. Es kann durchaus sein, dass wir Handlungsbedarf sehen. Das wird dann innerhalb der Bundesregierung abzustimmen sein. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Frage 57 der Kollegin Corinna Rüffer: Welche Position vertritt die Bundesregierung zum vorliegenden Entwurf der Fünften Antidiskriminierungsrichtlinie der EU, und welche Alternativen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen sieht sie, falls sie den Entwurf weiterhin grundsätzlich ablehnt (vergleiche zum Beispiel Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Seite 13)? Bitte, Frau Staatssekretärin. Caren Marks, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Diese Frage kann ich in wenigen Sekunden beantworten. Frau Kollegin Rüffer, ich kann Ihnen bezüglich dieser Frage nur mitteilen, dass innerhalb der Bundesregierung die Meinungsbildung zur Fünften Antidiskriminierungsrichtlinie noch nicht abgeschlossen ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den von der EU-Kommission geplanten Rechtsakt zur Barrierefreiheit von Waren und Dienstleistungen? Caren Marks, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Auch das wird grundsätzlich geprüft. Wie gesagt: Die Frage, ob es Handlungsbedarf gibt, ist in der Regierung, wenn es darum geht, wie die Antidiskriminierungsrichtlinie weiter ausgestaltet wird, noch nicht abschließend beantwortet. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich pule jetzt noch ein bisschen weiter in der Wunde herum. Caren Marks, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Gerne. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es tut mir leid, wenn das schmerzt. Mich interessiert aber: Was müsste Ihren derzeitigen Absprachen nach mit diesem Richtlinienentwurf passieren, damit es für Sie als Bundesregierung möglich wird, zu handeln? Caren Marks, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Es ist weder eine Wunde, noch schmerzt es; das kann ich Ihnen von dieser Stelle aus versichern. Ich kann mich nur wiederholen: Wir – dabei handelt es sich im Übrigen um verschiedene Bundesministerien – warten mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bzw. der eventuellen Weiterentwicklung des AGG. Die Federführung bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention liegt im Hause des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist federführend beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Zwischen all den Ministerien, die mit dieser Frage maßgeblich betraut sind, wird es nach der Evaluierung einen entsprechenden Austausch geben, der dann zu einem Ergebnis führen wird. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. – Wir sind damit am Ende der Fragestunde, da die verabredete Zeit ausgeschöpft ist. Mit den übrigen Fragen verfahren wir entsprechend unserer Geschäftsordnung. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Haltung der Bundesregierung zur Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Preise wieder senken will, muss zurück zur Atomkraft. Wir sind bayerische Irritationen gewohnt, so auch das Hü und Hott bei der Energiewende: Mal sind es die Netze, dann ist es die Windkraft. Aber dieses Zitat stammt von einem, der nicht nur Bayer, sondern auch Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie ist. Deshalb kann man ihm das nicht so einfach durchgehen lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hubertus Zdebel [DIE LINKE]) Ich zitiere ihn weiter – ich muss in der dritten Person reden, weil er offensichtlich nicht hier ist –: Die Energiewende zum Nulltarif ist eine Illusion, jeder Bürger wird einen hohen Preis zahlen. Von Nulltarif hat, glaube ich, niemand geredet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Selbstverständlich ist eine Investition in die Zukunft, in eine unschlagbar günstige und sichere Energieversorgung unserer Kinder und Kindeskinder nicht umsonst zu haben. Das weiß nun wirklich jeder. Aber Herr Ramsauer hatte genug Stichwortgeber, die die Energiewende auf eine weitgehend faktenfremde Kostendebatte reduziert haben. Ich frage mich, was dieses Schlechtreden der Erneuerbaren am Ende bringen soll. Außer Verunsicherung wird nichts gewesen sein. Schließlich – schauen wir weiter, was Herr Ramsauer gesagt hat – geht es ihm nicht um den Bürger, sondern um die Unternehmen, die weiterhin ihre Rabatte haben sollen – zulasten des Bürgers; denn irgendwer muss die ausufernden Rabatte am Ende bezahlen, und das sind die Bürger. Wenn Herr Ramsauer meint, dass er als Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie sich hauptsächlich um die Belange der Wirtschaft kümmern muss, dann ist das vielleicht das CSU-Verständnis einer solchen Funktion. Ich meine, als Mitglied des Bundestages müsste er sich auch ein bisschen um die Volkswirtschaft kümmern. Ich erinnere einmal an die WDR-Recherchen, nach denen letzte Woche der volkswirtschaftliche Schaden der teuersten Technologie, die die Menschheit je hervorgebracht hat, der Atomtechnologie, mit 1 000 Milliarden Dollar beziffert wurde. In diesem Betrag sind natürlich die nicht unbeträchtlichen Folgekosten der Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima enthalten. Aber auch in Deutschland sind wir mit atomaren Fehlinvestitionen und Zahlungen aufgrund der Folgen von Tschernobyl mit 150 Milliarden Dollar dabei. – So viel zu dem billigen Atomstrom. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Wir reden wohlgemerkt nicht von den Kosten der Atomenergie als solcher, sondern von Geld, das ohne jeden Gegenwert für die Atomkraft ausgegeben wurde bzw. ausgegeben werden musste. Mit dieser Summe sind wir noch lange nicht am Ende. Falls Herr Ramsauer sogar an Neubauten denkt, dann empfehle ich ihm einen Blick nach Großbritannien, zum geplanten Hinkley Point C, der die Bürger mit mehr als 11 Cent für die Kilowattstunde für 35 Jahre beglücken soll. Das heißt: Auch 2050 sollen die Bürger von Großbritannien über 11 Cent pro Kilowattstunde bezahlen, mehr als jeder Wind- oder Sonnenstrom dann kosten wird. Wenn wir über Atomkraft reden, müssen wir auch über einen anderen Preis als den ökonomischen reden. Wir hatten heute Professor Kusnezow und Naoto Kan, den früheren Premier von Japan, im Umweltausschuss und haben uns einmal erzählen lassen, wie es in diesen Ländern aussieht, was die Folgen eines GAU für die Menschen bedeuten: Verlust von Heimat, Verlust von Gesundheit, unbewohnte Landstriche und die Angst, die bleibt. Das ist ein hoher Preis. Weil unsere Bürger diesen Preis niemals zahlen sollen, steigen wir aus der Atomkraft aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Ich grüße Sie, Herr Ramsauer. Entweder habe ich Sie übersehen oder Sie sind in der Zwischenzeit hereingekommen. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich habe den Unfug schon mitgekriegt! – Heiterkeit bei der CDU/CSU) – Das freut mich. Auch Sie sind vielleicht noch lernbereit, Herr Ramsauer. Die Produktion von Atomstrom verlangt auch Verantwortung für den Müll, und da sieht es in Bayern bisher ganz mau aus. Ihr Land ist nicht einmal bereit, eine Handvoll Castoren zurückzunehmen, und Sie sind – nach Niedersachsen – hauptverantwortlich für den Müll in 26 Castoren, der noch darauf wartet, aus Sellafield und La Hague zu uns zurückzukommen, nachdem wir ein Gesetz beschlossen haben, das regelt, dass er nicht mehr nach Gorleben darf. Anstatt jetzt der Produktion von noch mehr Atommüll das Wort zu reden, sollten Sie in Bayern anfangen, Verantwortung für den bereits produzierten Atommüll aus Bayern zu übernehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich gebe Ihnen den guten Rat: Vergessen Sie das dumme Gerede von vor ein paar Tagen, und bieten Sie dafür das Zwischenlager Isar an! Reden Sie sich nicht mit Transportwegen heraus; denn diese haben Sie beim Transport des Mülls nach La Hague und Sellafield und dann nach Gorleben auch nicht gestört. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Ich bin nun auch schon eine Weile Mitglied dieses Hauses; aber die Debatte, die wir hier führen, ist schon einmalig. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war auch eine einmalige Äußerung!) Der Titel, den Sie ursprünglich für diese Aktuelle Stunde vorgesehen hatten, lautet: Haltung der Bundesregierung zu Äußerungen des Bundesministers a. D. und Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, Dr. Peter Ramsauer, die Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern. – Sie wollen also über die Haltung eines Mitglieds des Deutschen Bundestages zu den Laufzeiten reden. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen wissen, wie die Bundesregierung dazu steht!) Ich dachte bisher, dass es so läuft: Das Parlament kontrolliert die Regierung. Sie sagen jetzt, die Bundesregierung müsse jede einzelne Äußerung eines Bundestagsabgeordneten kontrollieren. (Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nur von ihm!) Das ist eine neue Perspektive, die ich so nicht teilen kann. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie dem Kollegen Ramsauer aus Anlass seines 60. Geburtstages eine Sonderdebatte widmen wollten; das mag sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Ansonsten kann es nicht Ihr Ernst sein, dass wir uns in einer Aktuellen Stunde mit einem Interview auseinandersetzen – wir tun es aber leider auf Ihren Antrag hin –, das in weiten Teilen so ist, dass man sogar in Ihren Kreisen nicht darüber diskutieren müsste, weil die Positionen geteilt werden. Wenn Sie es so wollen, kann ich dieses Interview einmal durchgehen: Die Energiewende zum Nulltarif ist eine Illusion, jeder Bürger wird einen hohen Preis zahlen. Das Einzige, was wir tun können, ist, den Anstieg zu dämpfen. Ich habe hier noch keinen anderen Vorschlag gehört als den, den Anstieg zu dämpfen. Dass die Energiewende teuer ist, ist ja wohl Common Sense. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ist es!) Wir arbeiten in der Koalition momentan intensiv an der Frage, wie man die Kosten einigermaßen in den Griff bekommt. Nun will ich gar nicht darauf eingehen, wie es so weit gekommen ist. Sonst müsste ich Ihnen vorhalten, was ich Ihnen hier schon manchmal vorgehalten habe, nämlich dass Sie die Photovoltaik über das EEG zu früh an den Markt gebracht haben, (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch schon acht Jahre an der Regierung!) wodurch es zu teuer wurde, und dass die Hälfte der EEG-Umlage insbesondere grüner Ideologie geschuldet ist. Das muss man einmal in aller Deutlichkeit sagen. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier die ganze Zeit?) – Das EEG ist aber von Ihnen. Oder wollen Sie das etwa auch leugnen? Das glaube ich doch nicht. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat es aber auch funktioniert! Es hat angefangen, nicht mehr zu funktionieren, seitdem Sie regieren, Herr Nüßlein! Das ist genau das, was einen aufregt!) Das war zu früh, und es war zu teuer. Es war nicht machbar, es rechtzeitig so zu gestalten, wie wir uns das vorgestellt haben. Peter Ramsauer sagte weiter: Es darf keine Einschnitte für die Wirtschaft geben. Auch das müsste doch unsere gemeinsame Handlungsgrundlage sein. Das, was uns momentan aus Brüssel droht, ist die Grundlage für eine Deindustrialisierungswelle in Deutschland, (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und die wollen wir alle nicht. Oder sind Sie da anderer Auffassung? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst gingen die Lichter aus, und jetzt droht die Deindustrialisierung!) Die Grünen haben bei Differenzkosten von 0,2 Cent eine Härtefallregelung eingeführt. Jetzt liegen die Differenzkosten bei 6,24 Cent. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ihrer Verantwortung, Herr Nüßlein!) Wenn der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses sagt: „Das ist sehr bedenklich, insbesondere, wenn Brüssel die Ausnahme kippen will“, dann ist das doch ehrenhaft. Das muss er in seinem Amt auch sagen dürfen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Ramsauer hat auch gesagt: Wer die Preise wieder senken will, muss zurück zur Atomkraft. Ich persönlich (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja?) teile das als politische Zielsetzung nicht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Aber er beschreibt damit das, was wir ursprünglich getan haben: Wir haben die Laufzeiten damals verlängert, weil wir wussten, dass die Energiewende teuer und zeitaufwendig wird und dass wir Geld und Zeit brauchen, um sie umzusetzen. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie jetzt doch für eine Laufzeitverlängerung?) Wir haben uns wohlweislich – da lassen wir uns von Ihnen nichts anhängen – für einen anderen demokratischen Weg entschieden, weil die breite Mehrheit der Bevölkerung, auch unsere Wählerinnen und Wähler, gesagt haben: Wir wollen keine Kernenergie. Aber wir haben immer auf die Konsequenzen hingewiesen: teuer, schwierig, sehr komplex. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts ist so teuer wie Atomkraft!) Sie haben uns immer als „Atomlobbyanhänger“ und was weiß ich noch alles verunglimpft. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie sich doch von den Zahlen überzeugen!) Sie haben so getan, als ginge die Energiewende kostenlos vonstatten, als wäre sie billig zu haben, als käme es auf Geld gar nicht an. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, also wir nicht! Sie haben so getan, als würde die Atomkraft nichts kosten!) – Doch, ein großer Teil der Grünen hat so getan, als wäre eine hundertprozentige Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energien schon ab morgen möglich, als wäre alles ganz einfach, als würde sie nicht mehr Geld kosten. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ganz bestimmt nicht, Herr Nüßlein! Das glauben nicht einmal Ihre eigenen Leute!) Sagen Sie doch, wie es ist: Sie kostet mehr Geld! Warum haben Sie ein Problem damit, uns an dieser Stelle recht zu geben? (Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so albern!) All das heißt aber nicht, dass wir zurück zur Kernenergie wollen. Das heißt vielmehr, dass wir in einen konstruktiven Dialog eintreten müssen, um zu klären, wie wir diese Energiewende so gestalten, dass unsere Wirtschaft am Ende nicht am Boden liegt; denn sonst wird uns auf diesem Weg niemand folgen. Dann wäre die Energiewende in Deutschland eine Insellösung, die niemanden interessiert. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie ganz schlecht gemacht, Herr Nüßlein!) Jeder wird über uns lachen. Das ist die Sorge unseres Ausschussvorsitzenden Peter Ramsauer. Ich bitte Sie, das wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen und wenigstens diese Ansicht zu teilen. Das wäre mir sehr wichtig. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nehmen Ihre Bemühungen wohlwollend zur Kenntnis! Das war kein leichter Job, Herr Nüßlein!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Hubertus Zdebel für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ramsauer, ich freue mich, dass Sie persönlich anwesend sind, muss aber feststellen: Sie haben aus Fukushima offensichtlich nichts gelernt. Aus Fukushima zu lernen, heißt nicht: AKW müssen länger laufen. Das Gegenteil ist der Fall: AKW gehören abgeschaltet, und zwar unverzüglich. (Beifall bei der LINKEN) Offenbar lernen vor allem jene Teile der Menschheit, denen Profite wichtiger sind als Menschen, nur bedingt dazu. Nach Tschernobyl trauten sich die Atomiker über 20 Jahre nicht aus der Deckung. Nach dem Super-GAU von Fukushima dauerte das gerade einmal zwei Jahre. Atomkraft und verlängerte Laufzeiten werden nicht erst jetzt ins Spiel gebracht. Das läuft bereits seit mehr als einem Jahr, und die Atomlobby hat noch nicht einmal richtig losgelegt. Die Äußerungen von Ihnen, Herr Ramsauer, zur Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken und zum Ausstieg aus dem Ausstieg stehen nicht isoliert. Ähnlich haben sich Unionsfraktionsvize Michael Fuchs und der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder geäußert. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Was?) Bei Ihnen fällt lediglich die Plattheit Ihrer Argumentation in Bezug auf die Stromkosten auf, Herr Ramsauer – Zitat aus einem Spiegel-Interview –: „Wer die Preise wieder senken will, muss zurück zur Atomkraft. “ (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Dass Atomstrom billiger ist, ist blanker Unsinn. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Aber das hat in den Reihen von CDU/CSU auch schon vor Fukushima niemanden gestört, die Laufzeitverlängerung für deutsche Atommeiler zu beschließen. Atomstrom ist nicht billig, sondern unbezahlbar. Die Kosten für die Atomenergie wurden mit milliardenschweren Subventionen seit Jahrzehnten künstlich niedrig gehalten. Herr Ramsauer, in Ihrem Interview mit dem Spiegel betonen Sie dutzendfach, wie sehr Ihnen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands am Herzen liegt. Dabei sind Atomkraftwerke, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kürzlich wieder betonte, marktwirtschaftlich nicht lebensfähig. Atomkraft ist in Deutschland von 1950 bis 2010 mit circa 204 Milliarden Euro subventioniert worden. (Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!) Das ist das Ergebnis einer 2010 veröffentlichten Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace. Die Kosten hat der Steuerzahler zu tragen, und das wird noch Jahre so weitergehen. Ein abgeschriebenes AKW bringt den Atomkonzernen in Deutschland pro Tag etwa eine halbe Million Euro ein – mindestens. Der im Sommer 2011 verabschiedete Atomkompromiss von Union, SPD, FDP und Grünen setzt elf weitere Jahre auf die Atomkraft. Die Linke hat nachgewiesen, dass der Ausstieg deutlich zügiger und schneller möglich gewesen wäre. (Beifall bei der LINKEN) Zwar wurden die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie das AKW Krümmel vom Netz genommen; die Betriebsgenehmigung der übrigen neun Atomkraftwerke erlischt jedoch nur schrittweise bis zum Ende des Jahres 2022. Sie produzieren täglich neuen Atommüll – trotz des unverantwortlichen Risikos für die Bevölkerung. Wie schon beim von Rot-Grün im Jahr 2000 beschlossenen Atomausstieg richten sich die AKW-Restlaufzeiten nach den Profitinteressen der Betreiber. Das steht ausdrücklich in der Begründung des Gesetzentwurfs aus dem Jahr 2011, aus der ich hier kurz zitieren möchte – man kann das nicht oft genug sagen –: Auch die nunmehr vorgesehene zeitliche Befristung der Berechtigung zum Leistungsbetrieb ist … so ausgestaltet, dass die von dieser Regelung betroffenen Unternehmen nicht unverhältnismäßig belastet werden und den Betreibern eine Amortisation der Investitionen sowie die Erzielung eines angemessenen Gewinns weiterhin ermöglicht wird. Hinzu kommt: Deutschland ist nach wie vor globaler Player im nuklearen Exportgeschäft mit Atomkraftwerkstechnik und Brennelementen sowie bei Investitionen in AKW in anderen Ländern. Die Linke fordert deshalb einen unverzüglichen und unumkehrbaren Atomausstieg. Nur ein zurückgebautes Atomkraftwerk ist ein sicheres Atomkraftwerk. (Beifall bei der LINKEN) Die Restlaufzeiten der neun noch laufenden Atomkraftwerke sollen deutlich verkürzt werden, möglichst noch innerhalb dieser Wahlperiode. Daneben soll ein Verbot der friedlichen wie militärischen Nutzung der Atomenergie im Grundgesetz verankert werden. Nur so kann verhindert werden, dass eine neue Parlamentsmehrheit den Ausstiegsbeschluss einfach revidiert. (Beifall bei der LINKEN) Für einen wirklichen Ausstieg aus der Atomwirtschaft muss auch die Fertigung atomarer Brennelemente in Gronau beendet werden. Die Zentrifugentechnik in der Urananreicherungsanlage in Gronau ist hochbrisant. Sie kann auch zur Produktion von Atomwaffen genutzt werden. Handeln ist das Gebot der Stunde. Wir sollten nicht den Ramsauers dieser Welt folgen, sondern die richtigen Konsequenzen ziehen und den Ausstieg in Deutschland konsequent fortschreiben und wasserdicht machen. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb werde ich am Karfreitag mit vielen anderen Aktivistinnen und Aktivisten vor der Urananreicherungsanlage in Gronau für den sofortigen Atomausstieg demonstrieren. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Gehen Sie in die Kirche! Das ist sinnvoller am Karfreitag!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Zdebel, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit und sicherlich auch viele weitere Reden. (Beifall) Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen Ramsauer sehr dankbar für seine Äußerungen, weil sie dokumentieren, dass der Atomausstieg nichts Selbstverständliches ist. Wir werden sicherlich immer wieder dafür streiten müssen. Manchmal ist man ein bisschen belächelt worden, wenn man in einer Podiumsdiskussion im Vorfeld der Bundestagswahl gesagt hat: Das ist ein einfaches Gesetz, und es kann wieder aufgehoben werden. – Ich glaube, dass Herr Ramsauer etwas ausgesprochen hat, was sicherlich nicht nur er allein denkt. Es ist ja ein mühseliger Prozess gewesen. Die SPD hat dafür mehrere Jahrzehnte gebraucht; die CDU/CSU hatte diese Überzeugung vor zwei oder drei Jahren. Dass man dann hadert, ob das so richtig ist oder nicht, ist verständlich. Deswegen werden wir, möglicherweise auch an anderer Stelle, immer wieder darüber diskutieren müssen. Ute Vogt und ich haben überlegt, ob wir in unserer Arbeitsgruppe darauf drängen sollten, dass in den Koalitionsvertrag der Satz aufgenommen wird: Es bleibt beim beschlossenen Atomausstieg. – Wir dachten, das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich finde, es war richtig, das so deutlich zu formulieren; denn das dokumentiert: In den nächsten dreieinhalb Jahren, in dieser Konstellation, bei dieser Bundesregierung bleibt es bei dieser glasklaren Aussage, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Kollege Ramsauer hat in seinem Spiegel-Interview gesagt – jeder kann sich die Zitate ansehen –: Welche Folgen die Energiewende für die Stromkosten hat, hätte man sich vorher überlegen müssen. Ich finde, damit spricht er etwas an, was auch für uns Politiker ein entscheidendes Signal sein sollte, nämlich die Frage der Verlässlichkeit und der Investitionssicherheit. Dieses Thema hat nämlich nicht nur für die Wirtschaft, die Sie vielleicht im Blick haben, Auswirkungen, sondern auch für die vielen Menschen, die seit Jahren, seit Jahrzehnten im Bereich der Erneuerbaren aktiv sind. Deswegen ist es, gerade auf einem Gebiet wie der Energiepolitik, tödlich, nach dem Motto „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ zu verfahren. (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht Herr Seehofer doch jeden Tag!) Das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, darf es in Deutschland nie wieder geben. Man muss sich darauf verlassen können, dass es bei dieser Energiewende bleibt. (Beifall bei der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, da sind wir mal gespannt!) Hinzu kommt – in diesem Punkt sind wir überhaupt nicht einer Meinung, Herr Kollege; die Vorredner haben das schon ein bisschen problematisiert –, dass Sie sagen, Atomstrom sei gleich billige Energie. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!) Es werden im Augenblick mehrere Millionen Euro für Kampagnen zur Verfügung gestellt, es gibt großflächige Plakate, und es gibt große Anzeigen. Aber wir alle wissen, dass Atomstrom nie billig gewesen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist vielmehr eine Frage der politischen Steuerung – das gilt auch für die Energiewende –, die Energiekosten für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für die Wirtschaft so zu gestalten, dass sie akzeptabel sind; das ist unsere Aufgabe. Das hat man jahrzehntelang gemacht. Warum sollte das im Zeitalter der Erneuerbaren nicht gehen? Es geht, wenn man will. Davon bin ich überzeugt, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD) Ich bin mir sicher, dass wir mit Barbara Hendricks eine Ministerin haben, die versucht, das voranzubringen, was für mich seit vielen Jahren die Grundlage dafür ist, einen Weg weg von der Atomkraft zu fordern. Ich finde – das muss immer, auch in einem solchen Interview, Herr Kollege Raumsauer, gesagt werden –, es handelt sich um eine hochunethische Technologie, wenn wir Generationen, die von diesen Energiepotenzialen null Nutzen hatten, für Millionen Jahre Müll überlassen, von dem wir heute nicht sagen können, was damit zu machen ist. Allein dieses Argument reicht für mich aus, um alles daranzusetzen, aus dieser Technologie so schnell wie möglich auszusteigen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben natürlich das Recht, auch in diesem Haus immer wieder Kritik zu üben und Fragen zu stellen; wir alle haben dieses Recht. Aber ich wünsche mir, dass wir alle zusammen an dem Kurs der Energiewende festhalten, sodass es in Deutschland nie wieder zu einem Rückfall in das atomare Zeitalter kommt. Daran sollten wir alle arbeiten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Oliver Krischer das Wort. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Nüßlein, wie nötig diese Debatte war, hat vor allen Dingen Ihr Wortbeitrag gezeigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit haben Sie deutlich gemacht, dass Sie noch längst nicht da angekommen sind, wo viele andere schon lange waren und manche hingekommen sind; dass diese Frage für Sie noch lange nicht geklärt ist. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Sie wollen die Diskussionen von gestern führen! Die Themen sind Ihnen ausgegangen, Herr Kollege!) Vor drei Jahren dachte ich, wir haben in diesem Parlament einen Konsens, (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ja!) was die Atomkraft angeht. Bei dem, was der Kollege Miersch hier gerade gesagt hat, dachte ich: Dem kann sich eigentlich niemand verweigern. – Ihr minimaler bis nicht vorhandener Beifall zu diesen Äußerungen zeigt aber ganz deutlich, wie notwendig diese Debatte ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich habe eben im Wirtschaftsausschuss gehört, dass die Äußerungen, die der Parlamentsnovize Ramsauer da gemacht hat, nicht so gemeint gewesen seien. Herr Dr. Ramsauer, wer bei Ihrer Biografie – Bundesminister und, ich weiß nicht, die sechste Legislaturperiode im Bundestag – (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die siebte!) solche Sätze in einem Spiegel-Interview sagt, sagt die ganz bewusst, um eine Debatte anzustoßen, um eine Debatte loszutreten. Sie selber haben eben angedeutet, wie die Debatte bei Ihnen intern läuft: dass das tatsächlich eine Frage ist, die im Raume steht. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das hätten Sie gerne! Den Gefallen tun wir Ihnen doch nicht!) Deshalb ist es notwendig, dass wir hier darüber diskutieren und das auch klar benennen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]) Was ich besonders zynisch finde: Sie erwecken den Eindruck – bei Menschen, die diese Botschaft aufnehmen –, dass Atomkraft billig sei, dass Atomkraft dazu führe, dass die Strompreise sinken. Sie alle hier in diesem Hause wissen ganz genau, dass exakt das Gegenteil der Fall ist: Die Kosten der Atomkraft sind die höchsten im Vergleich zu allen anderen Formen der Energieerzeugung. Das muss hier noch einmal klar und deutlich gesagt sein, damit solche Äußerungen wie die Ihre nicht stehen bleiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die Kosten, die spätere Generationen, unsere Kinder und Enkel, tragen müssen für das, was wir da hinterlassen, sind – der Kollege Miersch hat das beschrieben – noch nicht einmal eingerechnet. In meinem Wahlkreis steht ein Forschungsreaktor, der AVR Jülich, mit einer Leistung von 15 Megawatt; das entspricht irgendwie fünf Windkraftanlagen. Sein Rückbau hat bis heute 700 Millionen Euro gekostet, und niemand zweifelt mehr daran, dass er am Ende 1 Milliarde Euro kosten wird. Die Endlagerung ist dabei noch nicht eingerechnet. Wie kann man da heute den Eindruck erwecken, Atomkraft erzeuge billig Energie? Das ist absurd. Diese Beispiele kann man weiterdeklinieren: Die Asse wäre ein weiteres Beispiel; auch dort werden Kosten in Milliardenhöhe auf uns zukommen. Es gibt viele andere Beispiele mehr. Wie kann man da behaupten, Atomkraft sei billig? Der Unterschied ist – da liegt möglicherweise das Problem –: Die Kosten der erneuerbaren Energien stehen auf der Stromrechnung. Das, was Sie und vorherige Politikergenerationen mit der Atomkraft zu verantworten haben, steht nicht auf der Stromrechnung. Das wird anders finanziert. Das bezahlen wir alle über unsere Steuern. Das ist nicht transparent. Diese Kosten sind deutlich höher als die gesamten Kosten der Energiewende. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Gegenruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen Sie doch!) Ich sage Ihnen eines: Die Debatte, die wir führen, ist ein bisschen auch eine bayerische Debatte; Herr Dr. Ramsauer kommt aus Bayern. Bei dem, was wir in den letzten Wochen aus Bayern gehört haben, kann ich nur sagen: Das ist energiepolitischer Irrsinn. – Wenn behauptet wird, die Förderung der erneuerbaren Energien führe zu einer Deindustrialisierung Deutschlands, muss ich sagen: Das ist ein völlig blödsinniger und fahrlässiger Satz, der nur dazu dient, die Energiewende schlechtzureden. – Wenn das gesagt wird, antworte ich Ihnen: Die personifizierte Gefahr einer Deindustrialisierung Deutschlands, das ist Herr Seehofer, das ist die Politik, die in Bayern gemacht wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Da müssen Sie sich in Bayern aber schlecht auskennen! Schauen Sie sich einmal die Industrie in Bayern an und vergleichen Sie das mit der Industrie bei Ihnen zu Hause!) – Schauen Sie sich doch einmal an, was die Kommunalwahl an dieser Stelle gezeigt hat! – Was Sie machen, ist das Gegenteil von Verlässlichkeit, da gilt mittags schon nicht mehr, was vormittags energiepolitischer Grundsatz war. Wer keine erneuerbaren Energien im eigenen Land will, wer Stromtrassen ablehnt, der landet am Ende bei einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken – da werden Ihre Worte, Herr Dr. Ramsauer, dann zur Self-fulfilling Prophecy; genau das ist die Politik, die im Freistaat von der CSU betrieben wird, dem reden Sie letztendlich das Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Nicht einmal den Gefallen tun wir Ihnen!) Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt gerade in Bezug auf die aktuelle außenpolitische Debatte. Auch wenn es um Unabhängigkeit und Energiesicherheit geht, kann die Antwort eigentlich nur eine sein: Wir müssen auf erneuerbare Energien und auf Energieeffizienz statt auf Risikotechnologien setzen, die uns von den Despoten dieser Welt abhängig machen. Wir wollen erneuerbare Energien und Effizienz. Das ist die Antwort für Energiesicherheit und für die Zukunft. Hier und nicht im Rückgriff auf angeblich billige Atomkraft liegt die Verantwortung für den Industriestandort Deutschland. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Steffen Kanitz das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Steffen Kanitz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Krischer, wenn Sie die Debatte nicht wollen, von der Sie glauben, dass Herr Ramsauer sie angestoßen hat, dann frage ich Sie: Warum führen Sie sie dann hier? Ich behaupte einmal, das tun Sie, weil das das Einzige ist, wozu Sie debattieren können, weil das das einzige Thema ist, bei dem alte Reflexe bedient werden und Sie glauben, damit in der Bevölkerung Widerhall zu finden. (Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie nach der Diskussion im Ausschuss heute? Das ist doch unsäglich!) „Haltung der Bundesregierung zur Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland“, das ist der Titel der Aktuellen Stunde, den Sie angemeldet haben. Gibt es irgendeine Äußerung eines Vertreters der Bundesregierung, mit der er sich gegen den Ausstieg aus der Kernkraft ausspricht? Mir ist keine einzige bekannt. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, beziehen sich einzig und allein auf die Äußerung eines Parlamentariers, den Sie dann auch noch verzerrt wiedergeben. Damit – das hat Kollege Nüßlein gerade sehr schön deutlich gemacht – offenbaren Sie ein aus meiner Sicht völlig falsches Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung. Das Parlament kontrolliert die Regierung – und nicht andersherum. Bei allen Gesprächen, die wir zu Oppositionsrechten führen, dürfen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, doch so selbstbewusst sein, diese Kontrollrechte auch ernsthaft gegenüber der Regierung wahrzunehmen. Unsere Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien sind weltweit ehrgeizig und einmalig, und wir halten unsere Ziele auch ein. Ein Viertel der deutschen Stromerzeugung erwirtschaften wir schon heute aus erneuerbaren Quellen. Die Energiewende kann aber nur zum gesamtgesellschaftlichen Erfolg werden, wenn wir endlich die steigenden Energiekosten in den Griff bekommen. Nur so erhalten wir die notwendige Akzeptanz für die Energiewende. Das gilt im Übrigen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes genauso wie für die Unternehmerinnen und Unternehmer, womit wir bei dem Grund für die heutige Aktuelle Stunde sind. Was hat Peter Ramsauer denn gesagt? Die Energiekosten sind ein Standortfaktor. Zu hohe Energiekosten gefährden den Wirtschaftsstandort Deutschland. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch so!) Auf diesen Zusammenhang hat er hingewiesen. Damit liegt er völlig richtig. (Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten früher aus der Atomkraft aussteigen sollen!) Hohe Strompreise sind aber auch eine soziale Frage. Ich kenne genug junge Familien aus Dortmund, denen die steigenden Stromrechnungen zum Verhängnis werden (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Atomare Unfälle sind auch eine soziale Frage! Das haben wir heute Vormittag gehört! Sie auch!) und die sagen: Wir haben damit zukünftig ein Problem. – Wir als Politik müssen es hinbekommen, dass beispielsweise der Facharbeiter in den Zementunternehmen unserer Wahlkreise in die Lage versetzt wird, seine Stromrechnungen zu bezahlen. Dieser Anspruch hat im Übrigen nichts mit der völlig absurden und falschen Unterstellung zu tun, in Deutschland wieder auf Kernenergie setzen zu wollen. Ganz im Gegenteil: Weil wir uns in Deutschland im Konsens für das Ende des Atomzeitalters entschieden haben, müssen wir jetzt auch verantwortungsvoll dafür sorgen, dass die Energiewende bezahlbar bleibt. Natürlich muss das Erneuerbare-Energien-Gesetz effizienter und marktwirtschaftlicher werden; denn die Energiewende ist eine Mammutaufgabe. Erste Erfolge sind sichtbar: Die EEG-Reform wird den Kostenanstieg der EEG-Umlage spürbar verlangsamen, bestehende Überförderungen bei der Einspeisevergütung werden abgebaut, und die Höhe der Förderung wird marktgerechter gestaltet. Auch wenn ich mir ein früheres Eintrittsdatum für das Ausschreibungsmodell wünschen würde, setzt die Bundesregierung mit ihrem Kurs der Energiepolitik die richtigen Prioritäten. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal einen Satz zum Thema der Aktuellen Stunde! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Er ist doch nicht Mitglied der Bundesregierung! Was soll denn der Blödsinn?) Das gilt auch für die Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen. Dort müssen wir darauf achten, unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. Auch hier habe ich Vertrauen in unseren Energieminister, der die nationalen Interessen unseres Industriestandortes Deutschland verantwortungsvoll vertritt. Wo würden wir denn heute mit einem grünen Umweltminister stehen? (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weit besser! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Definitiv besser! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nennt sich Eigentor!) Sie hätten die Ausnahmen doch längst kampflos aufgegeben. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Auch die EU-Kommission sieht mittlerweile ein, dass es sich bei einem Großteil der Ausnahmeregelungen nicht um eine ungerechtfertigte Subvention handelt, sondern dass wir hier in Deutschland für Wettbewerbsgleichheit im europäischen Kontext sorgen. (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Atomkraft zu tun?) Spinnen wir diesen irrwitzigen Gedanken – zugegebenermaßen: das fällt mir schwer – einer Verantwortung der Grünen für die Energiewende doch einmal weiter. Sie wollen 100 Prozent erneuerbare Energien, Sie wollen den Ausstieg aus Kohle, Sie wollen den Ausstieg aus Öl, und Sie wollen weiterhin eine hohe Förderung des Staates einzelner Erzeugungstechnologien, ohne diese zu hinterfragen. Meine Damen und Herren von den Grünen, Ihre Vorstellungen der Energiewende führen zu explodierenden Kosten. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Ausnahmen führen zu explodierenden Kosten!) Das ist übrigens der Grund, warum die Menschen uns – uns! – diese Aufgabe anvertrauen, nicht Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In den letzten acht Jahre ist das schon schief gelaufen! Da sind nämlich die Preise gestiegen!) Ihre Widersprüchlichkeit zeigt sich auch an der Umsetzung der Energiewende vor Ort. Einerseits unterstützen Sie das Ende der Kernenergie. Aber neue hocheffiziente Kraftwerke wie die in Datteln verteufeln Sie und arbeiten aktiv gegen die Fertigstellung. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ihrer Regierungszeit sind die Preise gestiegen!) Um den ehemaligen Umweltminister Jürgen Trittin, der anwesend ist, zu zitieren: Wer mit uns koalieren will, muss sich darauf einstellen, dass diese Investition – nämlich Datteln IV – nicht zu Ende geführt wird. – Meine Damen und Herren von den Grünen, hören Sie endlich damit auf, die Energiewende in Sonntagsreden zu propagieren und vor Ort zu sabotieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das denn mit der Energiewende zu tun?) Dafür, dass sich die grüne Opposition über die erfolgreiche Politik der Bundesregierung ärgert, habe ich Verständnis, aber kein Mitleid. Wir forcieren den Ausstieg und machen weiter mit der Energiewende. Der größte Garant für eine umweltfreundliche Energieversorgung, die sicher und bezahlbar ist, bleibt eine Regierungsverantwortung von CDU und CSU. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe am Sonntagabend das Interview gelesen und gedacht: Ich bin einfach baff! – Dann habe ich gedacht: Irgendwo habe ich das schon gelesen. Ich habe dann überlegt und verstanden, wo ich das gelesen habe: bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Eine gute Adresse, die bayerische Wirtschaft!) Vorher wurde hier über soziale Strompreise gesprochen. Ich möchte das mit dem, was im Interview steht, in einen Zusammenhang bringen. Agenda 2010: Super! Wenn die Regierung etwas anderes macht, ist das ein Verrat an Schröders Erbe. Keinen Schluck mehr aus der Pulle der Sozialleistungen. Der Mindestlohn ist eher schlecht. Vor ihm wird gewarnt, weil das Auswirkungen auf das ganze Gefüge hat und weil das Ganze nicht der Beschäftigung dient. Rente mit 63 Jahren und Mütterrente sind eigentlich auch schädlich für den Wettbewerb und für den Standort Deutschland. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Was man an so einem Interview alles diskutieren kann!) Dann geht es um Strompreise: Wettbewerbsfähigkeit über alles. Dann kommt der Satz: Wir müssen entscheiden, ob wir uns die Energiewende so leisten können und wollen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, „wollen“!) Wir müssen entscheiden. – Wen er damit meint, sagt er nicht: sich, die CSU, die Unternehmen, die Konzerne oder Otto Normalverbraucher. „Wer die Preise wieder senken will, der muss zurück zur Atomkraft.“ So steht es wortwörtlich im Spiegel. Hier wurde von alten Reflexen gesprochen. Es stimmt: Das sind die alten Reflexe der CSU, die da wieder zum Vorschein kommen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Nein, nein!) Komischerweise ist das Interview erst am Montag veröffentlicht worden, nicht an dem Wochenende davor; denn am Sonntag waren Kommunalwahlen in Bayern. Jetzt reden wir einmal über die Kosten der Atomkraft in Deutschland. Von 1950 bis 2010 wurde sie mit circa 198 Milliarden Euro subventioniert. Das hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft schon vor Jahren errechnet. Darin enthalten sind Steuervergünstigen, die Stilllegung von Meilern, Forschung inklusive Kernfusionsforschung und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie Euratom. Würde man die Kosten konventioneller Energie, also Kohle und Atomkraft, nach der Methode des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Form einer Umlage von den Stromverbrauchern bezahlen lassen, hätte diese Energieumlage im Jahre 2012 umgerechnet 10,2 Cent pro Kilowattstunde betragen. Müssten die Betreiber von Atomkraftwerken eine Haftpflichtversicherung abschließen, wenn sie denn eine bekämen, müssten sie für jedes Atomkraftwerk 72 Milliarden Euro jährlich bezahlen. Das haben Finanzmathematiker der Versicherungsbranche ausgerechnet. Derzeit ist die Haftpflicht der Betreiber auf knapp 250 Millionen Euro begrenzt. Ein weiterer Vorteil der Atombranche: Wenn etwas passiert, bezahlen es natürlich die Verbraucher und die Steuerzahler; das ist klar. Auch Professor Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung konstatiert: Atomkraft ist noch nie wettbewerbsfähig gewesen und wird es auch nie sein … Weder in Europa, noch an einem anderen Ort dieser Welt ist jemals ein Atomkraftwerk unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gebaut worden. … Übliche Kostenschätzungen für Atomkraft beinhalten oft nicht den Rückbau der Anlagen sowie die Endlagerung …, ganz zu schweigen von den enormen Kosten möglicher Großunfälle wie in Fukushima oder Tschernobyl. – Darüber haben wir heute im Umweltausschuss Berichte gehört. Sie waren erschütternd. – … Das finanzielle Risiko wird vom Staat, also uns allen getragen. Ende 2016 läuft die Brennelementesteuer aus. Dann werden die Atomkraftwerke noch mehr zu Gelddruckmaschinen, und die Gewinne werden natürlich nicht umverteilt, sondern die kassieren die großen Konzerne. Jetzt reden wir noch über die Störfälle in deutschen AKW. 2013 gab es in deutschen AKW 52 Störfälle. Das ist jede Woche einer. Ich zähle sie Ihnen auf. Brokdorf: 6, Grafenrheinfeld: 3, Grohnde: 3, Gundremmingen B: 3, Isar 2: 5, Emsland: 3, Neckar 2: 9, Philippsburg 2: 20. Das sind insgesamt 52 Störfälle. Erklären Sie bitte einmal den Menschen, dass ihr Strom vielleicht billiger wird, dass sie aber eventuell einen Störfall in Kauf nehmen müssen! Reden wir auch über Isar 2 in Ohu, das zurzeit heruntergefahren wird. Es gibt wieder einmal große Probleme, und die Menschen sind wieder verunsichert. Und dann wollen Sie in Gundremmingen in Bayern die Kapazitäten hochfahren. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist vom Tisch! Gott sei Dank! – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Vom Tisch! Sie reden von alten Zeiten, Frau Kollegin!) Es gibt genug Studien darüber, dass das Kernkraftwerk das nicht aushält. Ich halte diese Politik für verantwortungslos, und ich bitte Sie und hoffe, dass Sie sich an die Koalitionsvereinbarung und zumindest an das Gesetz zum Atomausstieg 2022 halten. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Demonstrationen beginnen. Am Samstag gibt es die ersten. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Aber hoffentlich mal die letzten!) – Das werden nicht die letzten sein. Das beginnt jetzt erst, auch in Ihrem Gebiet. – Wir stehen dahinter. Wir unterstützen diese Initiativen, und wir sagen: Atomausstieg möglichst schnell! Wir müssen die Menschen vor solchen Ideen bewahren. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Hiltrud Lotze für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Hiltrud Lotze (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus dem Wahlkreis Lüchow-Dannenberg – Lüneburg. In Lüchow-Dannenberg liegt Gorleben, und in Gorleben befindet sich das oberirdische – ich betone ausdrücklich: das oberirdische – Transportbehälterlager für hochradioaktiven Atommüll. In den Jahren 1995 bis 2011 sind dort 113 Castorbehälter abgestellt worden. Sie stehen schön aufgereiht in einer ebenerdigen Halle aus Stahlbeton mit einem Dach aus Betonplatten. Im Volksmund wird sie Kartoffelscheune genannt. Das gibt einen Hinweis darauf, dass das auf Dauer nicht die richtige Behausung für die Castorbehälter ist. In dieser Halle zu stehen, ist ein besonderes Erlebnis. Ich empfehle das allen. Man sieht diesen Behältern nicht an, welche tödliche Gefahr sich in ihnen verbirgt. Man riecht nichts. Man schmeckt nichts. Aber man spürt die Hitze, die von den Brennelementen ausgeht. Die Region Lüchow-Dannenberg trägt seit mehr als drei Jahrzehnten die größten Lasten aus der umstrittenen Nutzung der Atomenergie in Deutschland. Die Menschen dort haben das Hü und Hott über die Atompolitik gründlich satt. Sie sind auch zermürbt von dem jahrelangen Prozess, den sie dort erlebt haben, den Castortransporten und der strahlenden Gefahr, die sie vor der Haustür haben. Die Menschen dort sind aber mittlerweile Fachleute geworden. Sie kennen die tödlichen Risiken, die von der unbeherrschbaren Technik der Atomkraft ausgehen. Sie kennen die Bilder und die Schilderungen aus Tschernobyl und Fukushima. Einige sind persönlich dort gewesen und haben sich einen Eindruck verschafft. In jedem Sommer kommen krebskranke Kinder aus Tschernobyl und der umliegenden Region nach Lüneburg und Lüchow-Dannenberg, um sich in Deutschland für einige kurze Wochen zu erholen. Nicht nur in meinem Wahlkreis, aber ganz besonders dort schütteln die Menschen deswegen in diesen Tagen verwundert den Kopf, sind erschrocken oder – das gibt es auch – fühlen sich in ihrem Misstrauen der Politik gegenüber bestätigt, wenn sie in der Zeitung lesen – übrigens nur wenige Tage nach dem Jahrestag von Fukushima –, dass in der Politik über eine Renaissance der Atomkraft nachgedacht wird. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Wer tut das denn?) Ich muss es so formulieren: Für mich, die ich da schon vorbelastet bin, ist es schon starker Tobak, wenn solche Überlegungen aus den Reihen unseres Koalitionspartners kommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Im Koalitionsvertrag, für den ich im Übrigen vehement geworben habe, steht wortwörtlich: Wir wollen die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil erneuerbarer Energien konsequent und planvoll fortführen. Ich denke, das gilt ohne Wenn und Aber, auch für Bayern und die CSU. (Beifall bei der SPD – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Bayern ist das immer so eine Sache!) Wir haben im Übrigen – das wurde schon erwähnt – auch die Endlagerfrage noch nicht gelöst. Daher verbietet es sich, darüber nachzudenken, die Atomkraft weiter zu nutzen und so weiteren Atommüll anzuhäufen, ganz abgesehen – darauf habe ich eben schon versucht hinzuweisen – von den Gefahren, die von dieser Technik ausgehen, und den verheerenden Auswirkungen auf Mensch und Natur im Fall eines Unfalls. Die Überlegungen, Herr Ramsauer, die Sie angestellt haben, befeuern vielleicht die Debatte – das merken wir hier auch –, aber sie sind das falsche Signal. Ich empfinde es so, dass sie Misstrauen säen, und das ausgerechnet in einer Phase, in der die Endlagersuchkommission ihre Arbeit beginnen soll und wir besonderes Vertrauen schaffen müssen, Vertrauen in die Verlässlichkeit von politischen Beschlüssen, Vertrauen in die handelnden Personen. Stattdessen wird hier ohne Not Vertrauen verspielt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schade auch, Herr Ramsauer, dass Sie heute nicht die Gelegenheit nutzen konnten, an der Sitzung des Umweltausschusses teilzunehmen. Wir hatten eine öffentliche Anhörung. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich hatte keine Einladung!) – Es tut mir leid, aber ich vermute, Ihr Büro wusste, dass diese Sitzung stattfindet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hätte sich am Rednerpult entschuldigen können!) Aber ich glaube, dass die Sitzung aufgezeichnet wurde. Sie können es sich also noch nachträglich anschauen. Es wäre sicherlich sehr informativ gewesen, dort zuzuhören. Wir haben uns über Tschernobyl und Fukushima informiert. Wir haben vom ehemaligen japanischen Ministerpräsidenten gehört, dass die hochentwickelte und technisierte Nation Japan die Probleme in Fukushima selbst drei Jahre nach dem Unfall nicht in den Griff bekommt. Herr Professor Kusnezow aus Russland hat uns die Probleme und die Situation in Tschernobyl und Russland geschildert und gesagt, er verneige sich vor uns – das fand ich sehr beeindruckend –, weil wir den Atomausstieg besiegelt haben, und Deutschland sei in diesem Prozess eine Lokomotive. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Da haben die Russen wieder recht!) Ich bin froh, dass wir, die SPD, ein Teil dieser Regierung und damit ein Garant dafür sind, dass wir nicht wieder den Ausstieg aus dem Ausstieg proben. Ich bin froh, dass wir mit Sigmar Gabriel einen Minister haben, der die Energiewende mit Hochdruck vorantreibt. Ich bin mir ganz sicher, dass unsere Kanzlerin aus ehrlicher und tiefer Überzeugung hinter der Energiewende und dem Atomausstieg steht (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: So ist das! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pfeifen im Walde!) und nicht erneut versucht, eine Volte zu schlagen. Ich bin mir auch ganz sicher, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Ihre Glaubwürdigkeit in dieser Frage nicht verlieren wollen und natürlich genauso wie wir zum Atomausstieg stehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon mehrfach in der heutigen Debatte gesagt worden: Der Ausstieg ist beschlossen. Für mich als Sozialdemokratin und als Abgeordnete aus dem Wahlkreis, in dem Gorleben liegt, ist unumstößlich, dass wir nie wieder zur Atomkraft zurückkehren und dass diese Koalition für den endgültigen Ausstieg steht. Ich möchte appellieren, dass wir unsere Energie ab heute noch viel stärker darauf verwenden, für das Gelingen der Energiewende zu arbeiten, weil das ein Beitrag dazu ist, eine bezahlbare, sichere und ökologisch vernünftige Energieversorgung in der Zukunft zu haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Lotze, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Wir wünschen Ihnen natürlich viel Erfolg für Ihre Arbeit. Wenn ich noch einen persönlichen Wunsch, auch im Namen meiner Präsidiumskollegen, anschließen darf: Achten Sie bitte beim nächsten Mal durchaus auch auf die Zeichen für die Redezeit. (Hiltrud Lotze [SPD]: Die habe ich nicht mitbekommen!) – Genau; es ist mir schon klar, dass das beim ersten Mal so ist, aber ich bitte, in Zukunft darauf zu achten. (Beifall) Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Christian Haase das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Christian Haase (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich werde es wahrscheinlich nicht schaffen, die Zeit jetzt wieder hereinzuholen, aber ich will mich bemühen. Die Energiewende in Deutschland kann nur Erfolg haben, wenn das Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit eingehalten wird. Was bezahlbar ist, dafür haben die knapp 41 Millionen Privathaushalte in Deutschland ein sehr sicheres Gespür, und darauf sollte die Politik hören. Wenn Sie, liebe Oppositionskollegen von den Grünen – ich sehe, Sie sind noch zu neunt; so wichtig scheint die Debatte für Sie heute nicht zu sein –, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Prozentual mehr als Sie!) einmal ein Ohr für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land hätten, dann wüssten Sie, dass es bei der Energiewende vor allem auf die Akzeptanz in der Bevölkerung ankommt. Genau hierauf hat der Kollege Ramsauer hingewiesen. Er hat auf die Risiken hingewiesen, die das Zieldreieck gefährden könnten. Die Gefahren sind real, und es wäre töricht, sie aus ideologischen Gründen nicht zu bedenken. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben im Augenblick in der Bevölkerung eine Zustimmung von 89 Prozent zur Energiewende. Doch diese Stimmung kann auch kippen, wenn der Strom zum Luxusgut wird, wenn Unternehmen Arbeitsplätze ins Ausland verlagern oder wenn Stromausfälle das private und öffentliche Leben beeinträchtigen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man alles herbeireden!) Nach einer Umfrage des BDEW haben 70 Prozent der Bevölkerung Angst vor steigenden Strompreisen. Ich war vor meinem Wechsel in den Bundestag Bürgermeister in Beverungen, einer ostwestfälischen Kleinstadt im Kreis Höxter. Von meinem Wohnhaus blicke ich auf das sich im Rückbau befindende Kernkraftwerk in Würgassen. Ich habe daher schon aus privaten und beruflichen Gründen eine sehr intensive Beziehung zum Thema Energie. Sehr geehrte Frau Bulling-Schröter, ich kenne den Unterschied zwischen Störfällen und meldepflichtigen Ereignissen. Vielleicht sollten Sie noch einmal recherchieren. Das waren meldepflichtige Ereignisse, die Sie eben angeführt hatten. (Beifall bei der CDU/CSU) Nach dem Abschalten des Kernkraftwerkes 1996 haben wir sukzessive den Ausbau regenerativer Energien bei uns vorangetrieben, dezentral, mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit aktiven Stadtwerken und auch immer mit dem Blick auf die regionale Wertschöpfung. Mittlerweile werden 60 Prozent des verbrauchten Stroms bei uns im Kreis Höxter regenerativ erzeugt: 200 Windkraftanlagen, 5 000 Photovoltaikanlagen, 40 Biogasanlagen, 40 Wasserkraftanlagen. Zurzeit wird ein Wasserspeicherkraftwerk in meiner Heimatstadt geplant. Und das alles mit breiter Zustimmung der Bevölkerung. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na also, geht doch!) Warum? Weil wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und nach den Prinzipien von Maß und Mitte agieren. Doch ich spüre: Auch bei uns ist die gute Stimmung keine Dauergarantie. Die rot-grüne Landesregierung will uns mit dem Landesentwicklungsplan eine Verdoppelung der Windkraft verordnen. Es gibt keinen Schutz vor der bedrängenden Wirkung von Windkraftanlagen, weil die Landesregierung schon angekündigt hat, die Länderöffnungsklausel nicht zu nutzen. Im Nachbarkreis sorgen von einer Goldgräberstimmung getriebene Windkraftinvestoren für Wildwuchs, weil Gerichte kommunale Planungen reihenweise kippen. Jetzt stellt die Firma TenneT ihre Planungen für die NordSüd-Gleichstromtrasse SuedLink vor und macht alle Anfängerfehler hinsichtlich einer guten Kommunikation. Die Bürger gehen auf die Barrikaden und stemmen sich mit aller Macht gegen den Bau dieser Trasse. Ich möchte Ihnen mit dieser Schilderung verdeutlichen: Es gibt keine Garantie, dass wir alle für die Versorgungssicherheit notwendigen Leitungen rechtzeitig errichten können. Die Planer des Stuttgarter Bahnhofs lassen grüßen. Es gibt keine Garantie, dass der Ausbau regenerativer Energien so positiv vorangeht. Es gibt keine Garantie, dass wir das Speicherproblem rechtzeitig lösen, und es gibt keine Garantie, dass wir Markt und Kosten in einer Balance halten. Deshalb ist eine Energiepolitik mit Maß und Mitte, wie wir sie im Koalitionsvertrag verankert haben und jetzt auch umsetzen, gefragt. Ideologische Debatten oder das Spiel mit Ängsten, wie mit der Beantragung dieser Aktuellen Stunde, sind da kontraproduktiv. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, machen Sie mit, anstatt mit Nebelkerzen zu werfen! Abschließend, an den Kollegen Zdebel gerichtet: Karfreitag muss das Motto nicht Demo, sondern Demut sein. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Die würde Ihnen gut stehen!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Haase, auch für Sie war das heute die erste Rede im Deutschen Bundestag. (Beifall) Ich möchte Ihnen ausdrücklich dazu gratulieren, dass Sie die Redezeit nicht nur eingehalten, sondern sogar unterschritten haben. (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Kollege Haase erkennt die Zeichen der Zeit! – Heiterkeit) Das Wort hat der Kollege Klaus Mindrup für die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Klaus Mindrup (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon mehrfach erwähnt worden: Heute Vormittag hat im Umweltausschuss die Anhörung zu den Folgen der Atomkatastrophe in Tschernobyl und in Fukushima stattgefunden. Was da gesagt wurde, hat mich persönlich wirklich sehr tief erschüttert. Frau Lotze hat eben schon auf das, was dort gesagt worden ist, hingewiesen. Ich kann jedem hier wirklich nur empfehlen: Schauen Sie sich die Aufzeichnungen an, oder lesen Sie das Protokoll! Das, was dort steht, ist etwas, worüber wir nachdenken müssen. Vor allen Dingen müssen wir uns mit den weiteren Gefahren beschäftigen, die uns dort vor Augen geführt worden sind. Ich denke vor allen Dingen an die Gefahren von Atomkraftwerken, die bereits ein sehr kritisches Lebensalter erreicht haben. Meine Damen und Herren, auch wir in Deutschland sollten nicht so arrogant sein, zu meinen, dass wir diese Technik beherrschen können. Insofern begrüße ich es, dass wir hier den Atomausstieg mit einem breiten Konsens beschlossen haben. Das Positive der Anhörung heute war: Uns wurde sowohl von japanischer als auch von russischer Seite gesagt, dass wir, Deutschland, das weltweite Vorbild für den Wandel hin zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das müssen wir vorantreiben. Natürlich müssen wir auch über Kosten reden. Das ist schon angesprochen worden; Kollege Miersch hat es gesagt. Wenn man einen Vergleich zu atomaren und fossilen Großkraftwerken zieht, muss man sich natürlich ehrlich machen. Sich ehrlich machen bedeutet: Die externen Kosten sind bei den bisher existierenden Kraftwerken nicht berücksichtigt worden; das Thema Versicherung ist in diesem Zusammenhang schon angesprochen worden. Die zukünftigen Kosten werden nicht berücksichtigt. Die Subventionen in der Vergangenheit werden nicht berücksichtigt. Selten wird berücksichtigt, dass wir eine Konkurrenz zwischen abgeschriebenen bzw. abbezahlten Kraftwerken und neuen Kraftwerken, die sich noch refinanzieren müssen – das betrifft übrigens auch effiziente Gaskraftwerke –, haben. Man darf natürlich nicht nur auf den Strombereich schauen, sondern muss sich auch den Wärmemarkt und den Transportsektor ansehen. Diesbezüglich wird viel zu wenig über die Kosten geredet. Sie sind nämlich stärker als im Strombereich gestiegen. Ich komme zurück zum Stromsektor. Wir alle gemeinsam wissen – so besagt es auch der Koalitionsvertrag –, dass der Ausbau der Windkraft im Binnenland und der Netzausbau zusammen die Energiewende erst bezahlbar machen. Insofern wundert es mich, dass gerade aus Bayern, aus der CSU, die beiden wesentlichen Aspekte, nämlich Windkraft im Binnenland und Netzausbau, infrage gestellt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist unter den Gesichtspunkten von Kostengünstigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht nachvollziehbar. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Kollege Haase hat es bereits betont: Es geht auch um Wertschöpfung – das ist mir persönlich sehr wichtig –; es geht auch um die industrielle Substanz unseres Landes. Außerdem geht es darum, dass wir ein intelligentes System haben wollen. Die neue Energiewelt wird eine dezentrale Energiewelt sein. Ich weiß das persönlich: Unsere Genossenschaft hat hier in Berlin ein Blockheizkraftwerk im Keller und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Übrigens stammt unser Blockheizkraftwerk aus Bayern – die Hersteller sind durch die Diskussion gerade etwas verunsichert –; vielleicht kann man auch sagen: Es kommt aus Franken. Dann wissen Sie, woher es kommt. Ein Aspekt spielt für mich in der Debatte eine noch zu geringe Rolle, nämlich dass wir das Internet und die Energiewende stärker miteinander kombinieren müssen – weg sozusagen von den unintelligenten Großkraftwerken. Die moderne Mess-, Steuer- und Regelungstechnik macht es uns nämlich möglich, die Strom- und Wärmeerzeugung stärker miteinander zu kombinieren. Wenn wir heute hören: „Speicher sind sehr teuer“, muss ich sagen: Das gilt nicht für Wärmespeicher, das gilt nicht für die großen Fernwärmenetze, und das gilt auch nicht für die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung. Zum Beispiel die Anlage bei uns im Keller könnte man über eine intelligente Steuerung durchaus auch stromgeführt fahren. Man muss nur Anreize schaffen, anstatt im Grunde genommen die Wende hin zu dezentralen Systemen zu verdammen. Wichtig sind noch die volkswirtschaftlichen Aspekte. Wir alle altern. Wenn ich in 20 Jahren – hoffentlich – im wohlverdienten Ruhestand bin, dann ist ein Großteil der Investitionen in die Energiewende abbezahlt; wir haben dann abgeschriebene Kraftwerke, und dann wird dieses Land sehr gut von der Wende zu den erneuerbaren Energien leben können. Deswegen ist der Weg, den wir gemeinsam eingeschlagen haben, richtig und zukunftsweisend. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich komme nun zurück zu dem Thema Atomenergie. Wir haben Sinne, die uns bei der Atomenergie, aber auch beim Klimawandel im Stich lassen. Wir können hören, sehen, schmecken, riechen und tasten. Diese Sinne versagen bei der Radioaktivität, und sie versagen beim Klimawandel. Deswegen sind wir da auch nicht so sehr alarmiert. Wenn wir einen Sinn für radioaktive Strahlen und für den Klimawandel hätten, dann sähe die Gesellschaft anders aus. Aber wir haben ja einen Kopf zum Denken bekommen. Wir sollten uns darüber klar sein, dass ein Windrad auf dem Berg vielleicht die Landschaft verändert, aber gleichzeitig unsere Wirtschaft und unsere natürlichen Lebensgrundlagen sichert. Natürlich muss man Windräder vernünftig planen, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern. Das Windrad auf dem Berg aber ist Zukunft; es ist nicht Vergangenheit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen also die Atomkraft nicht. Daher möchte ich ganz besonders mit Blick auf die Anhänger der Atomindustrie – glücklicherweise werden es immer weniger – mit einem alten Indianersprichwort schließen: Spätestens wenn du merkst, dass das Pferd tot ist, das du reitest, solltest du absteigen. Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Mindrup, auch Sie haben heute Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag gehalten. Ich wünsche Ihnen als Berliner Kollegen alles Gute für Ihre weitere Arbeit. (Beifall) Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Andreas Jung das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Andreas Jung (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lotze, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. Auf eines will ich aber doch eingehen. Weil Sie Ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass der Kollege Dr. Ramsauer heute früh nicht an der Anhörung im Umweltausschuss teilgenommen hat, will ich einfach darauf hinweisen, dass er, wie wir alle wissen, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses ist; das ist ja auch der Aufhänger für diese Debatte. Wir wissen ferner, dass der Wirtschaftsausschuss heute früh getagt hat. Wir alle ahnen, dass man einer Leitungsaufgabe dort nur nachkommen kann, wenn man tatsächlich da ist. (Hiltrud Lotze [SPD]: Ich verstehe!) Ich kann Ihnen versichern: Trotz seines langjährigen Wirkens in der Christlich-Sozialen Union ist dem Kollegen Ramsauer die Gnade der Bilokalität noch nicht erwiesen worden. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leider! – Zuruf von der LINKEN: Gott sei Dank!) Deshalb konnte er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Ich denke, wir können ihn als entschuldigt betrachten. (Beifall bei der CDU/CSU) Damit zur Sache. Es bestehen offenkundig Meinungsunterschiede darüber, ob die heutige Debatte notwendig ist oder nicht. Die Frage, die gestellt wird, ist jedenfalls schnell beantwortet. Sie richtet sich auf die Haltung der Bundesregierung zur Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraftwerke. Die Antwort ist leicht zu finden. Im Koalitionsvertrag (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da stimmt doch schon die Hälfte nicht mehr!) auf Seite 43 links oben – dass es oben steht, ist gut; dass es links steht, ist Zufall; auch dieser Passus wird von allen Teilen der Koalition mitgetragen – (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) steht in nicht zu übertreffender Eindeutigkeit: Es bleibt beim Ausstieg aus der Kernenergie. – Es steht dort ferner: Das letzte Kernkraftwerk geht in Deutschland im Jahr 2022 vom Netz. – Und: Wir werden in Europa für diese Energiewende werben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist beschlossen, das ist gut und richtig so, und das bleibt so. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Klaus Mindrup [SPD]: Bravo!) Ich will hinzufügen, dass es eine Entscheidung ist, die ja nach reiflicher Diskussion, nach langjähriger Debatte und am Ende auch nach einer sorgfältigen Abwägung, was die Umstände und den Zeitpunkt angeht, getroffen wurde. Auf Ratschlag der Ethik-Kommission Sichere Energieversorgung hat der Bundestag das mit der großen Mehrheit von vier Fraktionen, nämlich denen von Union, SPD, Grünen und FDP, beschlossen, auch breit abgestützt in den Ländern und in der Gesellschaft. In dieser Kommission – ich finde es richtig, dass man daran immer wieder erinnert – waren natürlich Vertreter der Kirchen, es waren auch Vertreter der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Gewerkschaften dabei, und damit solche, die sich mit der ethischen Frage beschäftigt haben, aber auch solche, die sich mit wirtschaftlichen und sozialen Fragen beschäftigt haben. All diese haben am Ende gesagt: Es gibt eine ethische Begründung für diesen Ausstieg. Wir haben Technologien, wir haben Formen der Energieerzeugung, die die Risiken, die die Kernenergie durch den Umgang mit bzw. die Verwendung und später die Endlagerung von radioaktivem Material hat, nicht mit sich bringen. Deshalb ist es richtig und notwendig, auszusteigen. Sie haben aber gleichzeitig auch in dieser Breite, also Vertreter von Kirchen, von Gewerkschaften, gesagt – das sage ich an die Adresse der Vertreter der Linken, die teilweise einen sofortigen Ausstieg gefordert haben –: Es ist nicht möglich, das von heute auf morgen zu machen. Wir wollen es schneller machen, als es vereinbart war; wir wollen es sogar erheblich schneller machen. Aber wir brauchen für dieses große Projekt ein Jahrzehnt. Diese Zeit müssen wir uns nehmen, um tatsächlich den Umbau hin zu erneuerbaren Energien zu schaffen. Wenn wir es nämlich sofort machen würden – auch das haben sie gesagt –, dann würde es zu erheblichen sozialen Verwerfungen kommen. Ich denke, auch das sollten Sie bedenken, wenn Sie fordern, man solle sofort aussteigen. Damit würden wir, wie ich glaube, unserer Gesamtverantwortung für Ökologie, Soziales und Wirtschaft nicht gerecht werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das in einem so breiten Konsens möglich war, schafft doch jetzt die Chance, gemeinsam, statt die Debatten von gestern zu führen – dieses Kapitel ist abgeschlossen –, nach vorne zu schauen. Die Frage ist nicht mehr: Kernenergie oder Erneuerbare? Die Frage ist vielmehr: Wie schaffen wir es, erneuerbare Energien so effizient zu fördern, dass die Kosten möglichst gebremst werden? Wie schaffen wir es, dass wir wirtschaftlich davon Vorteile haben und es nicht dazu kommt, dass daraus ein Standortnachteil oder gar eine soziale Frage wegen steigender Preise wird? Ich glaube, das ist eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam annehmen sollten, immer mit dem Ziel vor Augen: Wir wollen eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien erreichen. Wir wollen dabei so schnell wie möglich vorankommen. Und wir wollen dies so tun, dass der Klimaschutz weiterhin Priorität genießt. All das zusammen – Erneuerbare fördern, aus der Kernenergie aussteigen, aber unter Berücksichtigung unserer Klimaziele nicht den Weg zur Kohle einschlagen – sind die Herausforderungen, um die es jetzt geht. (Beifall des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Darüber sollten wir diskutieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber sprechen wir eigentlich heute? Letztlich über ein Interview von Peter Ramsauer, in dem er auf Gefahren für den Wirtschaftsstandort Deutschland hinweist. Ich meine, das steht dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses durchaus zu. (Beifall bei der CDU/CSU) Neuerdings scheint dies allerdings so außergewöhnlich zu sein, dass die Grünen dazu eine Aktuelle Stunde beantragen. Was hat Peter Ramsauer eigentlich gesagt? Er hat gesagt: „Die Energiewende zum Nulltarif ist eine Illusion.“ Und weiter – das ist wohl auch mit der Stein des Anstoßes –: „Wer die Preise wieder senken will, muss zurück zur Atomkraft.“ Peter Ramsauer hat nie gesagt, dass er die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängern will. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Schon die in Ihrem Antrag für diese Aktuelle Stunde enthaltene Formulierung, „Äußerungen von Peter Ramsauer, die Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern“, entspringt also rein Ihrer blühenden Fantasie. (Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann interpretieren Sie den Satz einmal! Ich als Germanistin kann das nicht anders verstehen!) Peter Ramsauer drückt mit seiner Formulierung gerade aus, worum es im Kern bei der EEG-Novellierung geht, nämlich um eine Begrenzung des Anstiegs der Stromkosten. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum spricht er dann von Atomkraft?) Hätte Peter Ramsauer das mit bayerischem Idiom vor Ihnen gesagt, hätte ich verstehen können, dass es nicht alle aus Ihrer Fraktion verstehen, obwohl der bayerische Dialekt Herrn Hofreiter geläufig sein sollte. Aber er ist heute nicht anwesend. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der redet nicht so einen Stuss!) So muss man Ihnen ein bewusstes Falsch-verstehen-Wollen unterstellen. (Beifall bei der CDU/CSU) Trotzdem freut sich Peter Ramsauer über die immense Aufmerksamkeit und das politische Blitzcomeback, dass er so schnell wieder in das Zentrum der politischen Debatte gerückt ist, wobei die unfreiwillige Werbung für den Spiegel sicher nicht in seinem Sinne war. (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist lang genug dabei, dass er weiß, welche Wirkung das hat!) Bei der anstehenden Reform des EEG geht es darum, dass die Kostendynamik bei den erneuerbaren Energien nicht aus dem Ruder läuft, sondern gebremst wird. Es geht auch darum, den Industriestandort Deutschland und damit Tausende von Arbeitsplätzen nicht zu gefährden. Und es geht darum, eine schleichende Abwanderung von Industriearbeitsplätzen zu verhindern. Der Weg zum Ausstieg aus der Atomkraft ist vorgezeichnet. Die Termine für die Abschaltung der Kernkraftwerke, wie zum Beispiel Grafenrheinfeld – Ende 2015 – und Gundremmingen B – Ende 2017 –, stehen fest. Wir halten am Atomausstieg fest. Die Messe ist gelesen. Spätestens 2022 wird das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet. Ja, die Energiewende bietet immer noch Chancen, gerade für die regionale Wertschöpfung. Bereits heute stammt rund ein Viertel des produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien. Der im Koalitionsvertrag festgelegte Ausbaukorridor steht mit 40 bis 45 Prozent Erneuerbaren bis 2025 und 55 bis 60 Prozent bis 2035 fest. Mit dieser Zielsetzung unterscheiden wir uns grundlegend von dem, was die Grünen in ihrer Regierungszeit getan haben. Sie haben zwar den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, jedoch keinen Weg aufgezeigt, wie die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umgestellt werden kann. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Sie haben sich überhaupt nicht um die Preisentwicklung, den Netzausbau, den Speicherausbau und die Sicherheit der Versorgung gekümmert. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie regieren seit acht Jahren!) Sie haben vielmehr einseitig einen unkoordinierten und ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien betrieben. Das müssen und werden wir jetzt reparieren. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich die Rede von Herrn Bareiß kopieren!) Es geht darum, den Ausgleich der wegfallenden Kernkraftkapazitäten sicherzustellen. Die Grundlastfähigkeit muss nun einmal gewährleistet werden. Auf diese Herausforderungen hat Peter Ramsauer hingewiesen. Auch seine Aussage, dass man den Menschen keine sinkenden Strompreise versprechen sollte, ist nur ehrlich. Wir sind es und nicht Sie, die den Ausbau der erneuerbaren Energien wirtschaftlich vernünftig vorantreiben. Wir sind es und nicht Sie, die mehr Markt bei der Energiewende umsetzen. Und wir sind es, die den Industriestandort Deutschland erhalten werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir kämpfen für den Erhalt der besonderen Ausgleichsregelung. Die Befreiung von energieintensiven Unternehmen von der EEG-Umlage ist wirtschaftspolitisch geboten. Dies verdeutlicht folgendes Beispiel: Wenn die Ausnahmen für die Industrie wegfallen, würde ein privater Haushalt dadurch circa 55 Euro pro Jahr weniger Stromkosten bezahlen. Wegen der zu erwartenden Wohlstandsverluste würde das real verfügbare Einkommen jedoch jährlich um circa 500 Euro sinken. Das, was wir verteilen, müssen wir erst erwirtschaften. Auch hier hat Peter Ramsauer recht. (Beifall bei der CDU/CSU) Vor Ort erlebt man, dass es eine hohe Zustimmung zur Energiewende gibt. Über 80 Prozent der Menschen halten die Energiewende für richtig. Nur ein umsichtiger, ehrlicher und realistischer Blick auf die Probleme, die mit der Energiewende verbunden sind, gewährleistet langfristig deren Akzeptanz. Ich danke Peter Ramsauer noch einmal für seinen Beitrag zur Debatte. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das war der letzte Beitrag in dieser Aktuellen Stunde. Sie ist damit beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. März 2014, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Tag. (Schluss: 16.49 Uhr) Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1497 D, Tabelle 1 ist wie folgt zu lesen: Antibiotikaklassen 2011 2012 3. Generation Cephalosporine 2,057 (0,1 Prozent) 2,346 (0,1 Prozent) 4. Generation Cephalosporine 1,427 (0,1 Prozent) 1,399 (0,1 Prozent) Fluorchinolone 8,247 (0,5 Prozent) 10,382 (0,6 Prozent) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 19.03.2014 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.03.2014 Bär, Dorothee CDU/CSU 19.03.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 19.03.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 19.03.2014 Ernstberger, Petra SPD 19.03.2014 Evers-Meyer, Karin SPD 19.03.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 19.03.2014 Dr. Gebhart, Thomas CDU/CSU 19.03.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.03.2014 Hampel, Ulrich SPD 19.03.2014 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 19.03.2014 Lanzinger, Barbara CDU/CSU 19.03.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.03.2014 Noll, Michaela CDU/CSU 19.03.2014 Rößner, Tabea BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.03.2014 Rupprecht, Albert CDU/CSU 19.03.2014 Rüthrich, Susann SPD 19.03.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 19.03.2014 Schummer, Uwe CDU/CSU 19.03.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 19.03.2014 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.03.2014 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 2): Wie ist der Zeitplan für die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigte Novelle des Bundesberggesetzes, und welche konkreten inhaltlichen Änderungen sollen im Gesetz vorgenommen werden (insbesondere im Hinblick auf Gewässerschutz und unterirdische Raumplanung)? Derzeit bereitet die Bundesregierung eine Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vor, nach der die Genehmigung zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas oder Erdöl mit der Fracking-Technologie zwingend die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung voraussetzt. Bei dieser Prüfung stehen die Aspekte des Gewässer- und Trinkwasserschutzes im Vordergrund. Im Hinblick auf die unterirdische Raumplanung strebt die Bundes-regierung in Bezug auf die Berücksichtigung verschiedener Nutzungskonkurrenzen eine Verbesserung der Datengrundlagen an. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 3): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Analysten Marc Maes vom Seattle to Brussels Network (http://eu-secret deals.info/upload/2014/03/S2B-Marc-Maes-CETA-Investment_ Response-to-DG-Trade-claims-March-7-2014_v2.pdf; Seite 4 Nr. 2), dass die im CETA-Investmentkapitel enthaltene Most Favoured Nations Clause so angewendet werden kann, dass Investoren sich bei möglichen Klagen künftig auf jeglichen bilateralen Investitionsschutzvertrag beziehen können, also denjenigen „aussuchen“ können, bei dem das Unternehmen die größten Chancen auf Erfolg der Klage sieht, und wenn ja, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung hieraus? Die Verhandlungen zum Investitionskapitel sind noch nicht abgeschlossen. Eine Aussage zu den Auswirkungen der Meistbegünstigungsklauseln ist daher derzeit nicht möglich. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 4): Gibt es innerhalb der Bundesregierung Pläne, eigene bilaterale Investitionsschutzverträge abzuändern oder aufzu-kündigen, angesichts ihrer kritischen Haltung (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 32 der Abgeordneten Johanna Voß auf Bundestagsdrucksache 17/14439) zu einem Investor-Staat-Schiedsverfahren innerhalb des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP und nachdem bereits einige Staaten wie Südafrika, Ecuador und Bo-livien entsprechende Entscheidungen getroffen haben (vergleiche www.sierraclub.ca/en/main-page/multiple-countries-rejecting-investor-state-dispute-settlement; bitte begründen)? Nein. Die bilateralen Investitionsschutzverträge der Bundesrepublik Deutschland haben sich nach der Auffassung der Bundesregierung bewährt. Investor-Staat-Schiedsverfahren haben dazu beigetragen, dass deutsche Investoren die Beachtung der Schutzstandards durch das Anlageland geltend machen konnten. Südafrika und Bolivien haben zwar die bilateralen Investitionsschutzverträge mit Deutschland gekündigt. Andere Länder wie China streben dagegen den Abschluss weiterer Investi-tionsabkommen mit Investor-Staat-Schiedsverfahren an. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 5): Haben nach Kenntnis der Bundesregierung nur solche EU-Staaten bereits ein Investitionsschutzabkommen einschließlich des Investor-Staat-Schiedsverfahrens mit den USA, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht in der OECD waren (bitte die einzelnen Staaten auflisten), und inwiefern ist es nach Ansicht der Bundesregierung vor diesem Hintergrund falsch, von bereits existierenden „Präzedenzfällen innerhalb der EU“ zu sprechen, wie es Rupert Schlegelmilch, Direktor der Direktion B der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission, beim Besuch des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages am 10. Februar 2014 getan hat? Der Bundesregierung ist bekannt, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten bilaterale Investitionsverträge mit den USA geschlossen haben, unter anderem Bulgarien (unterzeichnet am 23. September 1992), Estland (unterzeichnet am 19. April 1994), Kroatien (unterzeichnet am 13. Juli 1996), Lettland (unterzeichnet am 13. April 1995), Litauen (unterzeichnet am 14. Januar 1998), Polen (unterzeichnet am 21. März 1990), Slowakei (unterzeichnet am 22. Oktober 1991), Rumänien (unterzeichnet am 28. Mai 1992) und Tschechien (unterzeichnet am 10. Dezember 2003). Über den Inhalt dieser Verträge liegen der Bundesregierung aber keine Informationen vor. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Uwe Beckmeyer auf die Frage der Abgeordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 6): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Umstände, unter denen P99-Pistolen des Ulmer Waffenunternehmens Walther ohne Ausfuhrgenehmigung nach Kolumbien gelangt sind, und was unternimmt sie, um diesen Fall aufzuklären (vergleiche Deutsche Welle vom 27. Februar 2014)? Der Bundesregierung sind die entsprechenden Pressemeldungen bekannt. Sie geht den erhobenen Vorwürfen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nach. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 7): Welche Gesamtstrategie verfolgt die Bundesregierung im Hinblick auf das Konfliktgeschehen in Somalia, und welche diplomatischen, zivilen und entwicklungspolitischen Maßnahmen werden vonseiten der Bundesregierung ergriffen, um die Konfliktursachen zu bearbeiten (bitte einzeln aufschlüsseln)? In dem komplexen Konfliktgeschehen in der Bundesrepublik Somalia überschneiden sich Auseinandersetzungen zwischen Akteuren auf der zentralstaatlichen Ebene mit denen auf regionaler oder lokaler Ebene sowie Konflikte zwischen Angehörigen verschiedener Clans und Subclans. Hinzu kommen militant-kriminelle Aktivitäten diverser nicht ideologischer Akteure sowie der Kampf zwischen der radikalislamistischen Terrorgruppe al-Shabaab und vergleichsweise „säkularen“ und moderaten Kräften. Es besteht jedoch in Somalia sowie international Einigkeit darüber, dass fehlende Sicherheit und der weit-gehende Zerfall staatlicher Institutionen die wohl wichtigsten Konfliktursachen darstellen. Diese behindern maßgeblich ein Eindämmen der Konflikte. Entsprechend sind die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, unter anderem der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Afrikanischen Union, vor allem darauf gerichtet, zur Herstellung grundlegender Sicherheit und funktionierender staatlicher Strukturen in Somalia beizutragen. In diese Bemühungen reihen sich die Beiträge der Bundesregierung ein. Die Bundesregierung engagiert sich in erster Linie im Verbund mit ihren EU-Partnern. Leitlinie hierbei ist der „Strategische Rahmen für das Horn von Afrika“, den die EU sich 2011 gegeben hat. Die EU ist in diesem Rahmen nicht nur im Bereich des somalischen Institutionenaufbaus aktiv, unter anderem im Sicherheitsbereich durch die Ausbildungs- und Beratungsmission der Europäischen Union für Somalia, EUTM Somalia, die erheblichen finanziellen Beiträge zur Mission der Afrikanischen Union in Somalia, AMISOM, sowie durch Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung. Die EU ist vielmehr auch wichtigster Geber im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit Somalia. Für entwicklungspolitische Aktivitäten vor allem in den Bereichen gute Regierungsführung – unter anderem Rechtsstaatlichkeit, Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen –, wirtschaftliche Entwicklung – unter anderem Dürreresilienzmaßnahmen, Bewässerung – und Bildung wurden im Rahmen des 10. Europäischen Entwicklungsfonds im Zeitraum 2008 bis 2013 rund 521 Millionen Euro bereitgestellt. Auch Deutschland ist neben seinem Engagement im Sicherheitsbereich auf entwicklungspolitischem und humanitärem Gebiet – unter anderem Minenräumung – sowie im Hinblick auf die Wahlen 2016 im Bereich der Demokratieförderung aktiv. So hat die Bundesregierung bei der Brüsseler Somalia-Konferenz im September 2013 EZ-Maßnahmen in Höhe von circa 90 Millionen Euro zugesagt. Darüber hinaus wird mithilfe deutscher Einzahlungen von rund 2,5 Millionen Euro in den -AMISOM Trust Fund derzeit unter anderem die Entwicklung des somalischen Mediensektors unterstützt. Dabei liegt der Fokus der Maßnahmen besonders auf der Einrichtung und Professionalisierung des VN-Radiosenders Bar Kulan sowie der Beratung für den Kapazitätsaufbau somalischer Medien im Rechts- und Verwaltungsbereich. 2013 hat die Bundesregierung am Horn von Afrika humanitäre Projekte mit einem Volumen von rund 20 Millionen Euro gefördert, einschließlich entwicklungsfördernder und strukturbildender Übergangshilfe. Das Engagement Deutschlands und der EU im Sicherheitsbereich ist somit eingebettet in einen umfassenden Ansatz zur Stärkung der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Strukturen Somalias, zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie zur humanitären Hilfe für die somalische Bevölkerung. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 10): Ist die derzeitige De-facto-Regierung in der Ukraine nach Ansicht der Bundesregierung verfassungsgemäß zustande gekommen? Am 27. Februar 2014 wählte das Parlament der Ukraine einen neuen Premierminister und bestätigte eine neue Regierung. Beide Beschlüsse wurden mit breiter Mehrheit gefasst. Die Bundesregierung sieht keinen Grund, an der Verfassungsmäßigkeit dieser Beschlüsse zu zweifeln. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 11): Wie viele Feststellungen des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit waren zuletzt im Register der Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten eingetragen (bitte so genau wie möglich nach dem Grund bzw. der jeweiligen Rechtsgrundlage unterscheiden sowie nach den fünf wichtigsten Staatsangehörigkeiten differenzieren)? Eine Erfassung von Fällen des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit ist erst seit Einführung des Registers der staatsangehörigkeitsrechtlichen Entscheidungen, EStA, nach § 33 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, StAG, vorgesehen, der am 28. August 2007 in Kraft getreten ist. Seither werden alle Entscheidungen zu Staatsangehörigkeitsurkunden, § 33 Abs. 1 Nr. 1 StAG, und zum gesetzlichen Verlust der Staatsangehörigkeit, § 33 Abs. 2 Nr. 2 StAG, im Register EStA erfasst. Das Register EStA enthält aber auch Entscheidungen, die nach dem 31. Dezember 1960 getroffen worden sind, § 33 Abs. 1 Nr. 3 StAG. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden der Länder zwar gemäß § 33 Abs. 3 StAG verpflichtet sind, die jeweiligen Entscheidungen unverzüglich an das Register EStA zu melden, eine tagesaktuelle Meldung jedoch nicht in allen Fällen erfolgt. Im Register EStA waren zum Stichtag 16. März 2014 insgesamt 2 849 Entscheidungen zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eingetragen. Diese teilen sich wie folgt auf: 2 237 Verlustfälle nach § 25 StAG – Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit –, 7 Verlustfälle nach § 26 StAG – Verzicht –, 8 Verlustfälle nach §§ 18 bis 24 StAG – Entlassung auf Antrag –, 14 Verlustfälle nach § 27 StAG – Annahme als Kind durch einen Ausländer –, 19 Verlustfälle nach § 28 StAG – Wehrdienst in fremden Streitkräften –, 13 Verlustfälle nach § 17 Nr. 5 -RuStAG a. F. i. V. m. Art. 16 des Grundgesetzes – Legitimation durch einen Ausländer, bis 31. Dezember 1974 –, 17 Verlustfälle nach § 17 Nr. 6 RuStAG a. F. i. V. m. Art. 16 des Grundgesetzes – Eheschließung mit einem Ausländer, bis 31. März 1953 –, 268 Verlustfälle nach § 29 StAG – Optionspflicht –, 266 Verlustfälle aus sonstigen Verlustgründen. Eine Differenzierung der Verlustfälle nach ausländischen Staatsangehörigkeiten erfolgt nicht. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 13): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung bezüglich des mehrfach vorbestraften Neonazis M. D. v. D., den das Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, von 1994 bis 2003 als V-Mann, VM, „Tarif“ führte, dessen Akte sein mutmaßlicher VM-Führer „Lingen“ 2011 weisungswidrig schreddern ließ und den das BfV nach dem NSU-Trio in Niedersachsen forschen ließ (Bundestagsdrucksache 17/14600, Seiten 759, 761, 773, 777), vor allem, dass dessen VM-Führer „Alex“ 1998 angebotene Hinweise zum Versteck des NSU-Trios bei D. explizit abgelehnt habe (vergleiche den Spiegel vom 24. Februar und 1. März 2014) und der D. dem BfV zwecks Billigung sowie Finanzierung antisemitische Hetzschriften vor deren Produktion vorlegte, derentwegen der niedersächsische Amtsrichter Dr. Wilfried Kraft den D. im Herbst 2000 wegen Volksverhetzung zu Haft verurteilte, und bleibt die Bundes-regierung weiter bei der Aussage, das BfV habe weder V-Leute im direkten Umfeld des NSU-Trios geführt noch die Akten zum VM „Tarif“ deshalb schreddern lassen, um heikle Details über dessen Tun geheim zu halten, etwa wenn das BfV dem D.  noch nach dieser Verurteilung bis mindestens 2003  weiteren Lohn sowie Auslagen bezahlte, außer für die oben genannten Hetzschriften auch dafür, dass D. als NPD-Kandidat am 20. April 2002 zu „Führers Geburtstag“ Nazis zu einem Drohmarsch vor das Haus jenes Richters aufrief unter der Parole „Weg mit Richter Dr. Kraft“, weshalb jener nebst Familie lange Polizeischutz erhielt (Weser-Kurier vom 3. März 2014, „Richter zweifelt am Rechtsstaat“: „Das macht mich fassungslos“)? Die mündliche Frage knüpft im Wesentlichen an die Berichterstattung des Spiegel vom 23. Februar diesen Jahres (Der Spiegel 9/2014, S. 40 ff.) an. Der ehemalige VM „Tarif“ hat gegenüber dem Spiegel angegeben, von einer Person aus dem Umfeld des Trios gefragt worden zu sein, ob er die drei nach deren Untertauchen verstecken könnte. Hiervon soll der VM „Tarif“ seinerzeit seinen V-Mann-Führer beim Bundesamt für Verfassungsschutz, BfV, unterrichtet haben, der ihm jedoch eine Absage erteilt hätte. Damit ist die Frage laut geworden, ob das BfV eine Chance verstreichen ließ, das Trio vor Beginn der Mordserie dingfest zu machen. Da die Akte des VM auch zu den am 11. November 2011 im BfV vernichteten VM-Akten gehört, ist daraufhin die Mutmaßung wieder laut geworden, die Vernichtung der Akten sei doch – entgegen der Bewertung der Bundes-regierung – zum Zweck der Vertuschung unliebsamer Wahrheiten erfolgt. Die Bundesregierung ist diesen Vorwürfen selbstverständlich umgehend nachgegangen. Die fraglichen geschredderten Akten zum VM „Tarif“ konnten schon für den NSU-Untersuchungsausschuss weitestgehend wiederhergestellt werden und wurden diesem vollumfänglich zugänglich gemacht. Aus diesen ergeben sich keine Hinweise, die die Behauptungen des VM „Tarif“ stützen würden. Auch die beteiligten Personen im BfV haben die Behauptungen auf Befragung hin deutlich zurückgewiesen. Die in der Frage benannten, vom VM „Tarif“ erhobenen Vorwürfe sind derzeit aber auch Gegenstand laufender Ermittlungen des Generalbundesanwaltes, GBA. So hat insbesondere zu dem in der Frage geschilderten Sachverhalt am 10. März 2014 eine Vernehmung des ehemaligen VM durch die Bundesanwaltschaft stattgefunden. Wir sind uns sicherlich einig darin, dass man die Vorwürfe jetzt gründlich ausermitteln und den Erfolg dieser Ermittlungen auch nicht gefährden sollte. Deshalb möchte die Bundesregierung von weiteren Stellungnahmen zum Sachverhalt an dieser Stelle absehen. Dies muss auch trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung geschehen, Informa-tionsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen. In diesem Fall tritt nach konkreter Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlamentes hinter das verfassungsrechtliche Gebot zurück, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden. Eine weitergehende Auskunft könnte gegebenenfalls -Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln, weshalb aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit folgt, dass vorliegend das betroffene Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und Strafverfolgung, vergleiche dazu BVerfGE 51, 324 (343 f.), Vorrang vor dem parlamentarischen Informationsinteresse hat. Zudem wird dem BfV in der genannten Medienberichterstattung vorgeworfen, „Tarif“ bei der Herausgabe einer neonazistischen Zeitschrift, dem „Sonnenbanner“, unterstützt und finanziert zu haben. Was nähere Details der Zusammenarbeit mit dem BfV betrifft – hierzu gehört auch der Umgang mit Publikationen des VM „Tarif“–, kann in einer öffentlichen Fragestunde des Bundestages keine Auskunft gegeben werden. Die Antwort auf die Frage ließe Rückschlüsse auf den operativen Kernbereich der Nachrichtendienste zu. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Bundesregierung sich zu solchen Fragen ausschließlich im dafür zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium äußert. Im Übrigen bleibt die Bundesregierung weiterhin bei ihren in der Frage wiedergegebenen Aussagen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 14): Für wie viele syrische Flüchtlinge wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der Aufnahmeprogramme der Länder die Aufnahme bei Verwandten angemeldet – bitte nach Bundesländern und Aufnahme über Länderanordnungen/Regelung nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes differenzieren –, und in wie vielen Fällen wurde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt? Eine Abfrage bei den Ländern hat folgendes Ergebnis erbracht: Landesaufnahmeprogramme Anträge (Anzahl der Personen) Vorab- zustimmung der Ausländerbehörde Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG BW k. A. 600 k. A. BY - - - BE k. A. 215 k. A. BB k. A. 13 k. A. HB k. A. 30 k. A. HH 266 134 k. A. HE 229 147 19 MV 9 5 k. A. NI k. A. 951 204 NW 27.800 „Inte-ressenbe-kundungen“ über eine Telefonhotline k. A. k. A. RP 250 k.A. k. A. SL 162 k. A. k. A. ST 77 k. A. k. A. SH k. A. 131 k. A. SN k. A. 141 k. A. TH k. A. 88 9 Im Rahmen der Bundesländeraufnahmeprogramme sind zum 28. Februar 2014 2 272 Visa erteilt worden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 15): Inwieweit wird sich die Bundesregierung für eine unbegrenzte Aufnahme von syrischen Flüchtlingen bei ihren hier lebenden Verwandten einsetzen, und welche konkreten Schritte für eine weitere Aufnahme syrischer Flüchtlinge bei hier lebenden Verwandten oder aus humanitären Gründen sind derzeit geplant? Der Schwerpunkt der Hilfe Deutschlands für syrische Flüchtlinge wird in der Krisenregion geleistet. Die Unterstützung Deutschlands seit dem Jahr 2012 beträgt rund 483 Millionen Euro, davon 252,7 Millionen Euro humanitäre Hilfe, 163,9 Millionen Euro strukturbildende Übergangshilfe/bilaterale Unterstützung – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – und 66,4 Millionen Euro Krisenbewältigung. Das Technische Hilfswerk leistet vor Ort, insbesondere in Flüchtlingslagern in Jordanien und Nordirak/Erbil, Hilfe durch die Bereitstellung der Wasserversorgung. Durch die Hilfe vor Ort erreicht man weitaus mehr Menschen, als dies durch Flüchtlingsaufnahme möglich ist. Deutschland nimmt bereits jetzt allein im Rahmen der humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes circa zwei Drittel aller syrischen Flüchtlinge weltweit außerhalb der Krisenregion auf, die im Zuge von humanitären Aufnahmeprogrammen Schutz finden. Der Bund hat im Rahmen seiner humanitären Aufnahmeprogramme bewusst auf die Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung verzichtet, um auch besonders schutzbedürftigen Syrern, die keine – wohlhabenden – Verwandten in Deutschland haben, die Teilnahme am Programm zu ermöglichen. Ergänzend haben 15 Bundesländer Landesaufnahmeprogramme für Syrer mit Verwandten in Deutschland aufgelegt. Bayern hat kein Landesaufnahmeprogramm. Unter der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung durch einen Verpflichtungsgeber in Deutschland erhalten so weitere Tausende von Syrern die Möglichkeit, in Deutschland Schutz zu finden. Diese Landesanordnungen wurden bereits verlängert. Kontingente sind derzeit nur von Baden-Württemberg und dem Saarland festgelegt worden. Der Bund hat die Verwandtenaufnahme durch die Länder begrüßt und sein Einvernehmen dazu erteilt. Bund und Länder erörtern derzeit, unter welchen Voraussetzungen weitere syrische Flüchtlinge aufgenommen werden können, wenn die bisherigen Kontingente der Bundesaufnahmeprogramme erfüllt sind. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Fragen der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 17 und 18): Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form wird die Bundesregierung  wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart  „rechtliche Hemmnisse bei der Ausübung des Wahlrechts für Analphabeten und Betreute abbauen“? Welche Alternativen zu einer ersatzlosen Streichung des in § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes genannten Ausschlusstatbestandes sieht die Bundesregierung, um den automatischen Wahlrechtsausschluss von Personen zu beenden, für die eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet wurde, und wann wird sie die entsprechende Streichung vorschlagen, falls sie keine Alternativen sieht? Fragen des Wahlrechts sind nach langjähriger Staatspraxis Sache des Deutschen Bundestages; die Bundesregierung bringt hierzu üblicherweise keine Initiativen ein. Ihre Fragen betreffen die Wahlrechtsausschlüsse nach § 13 Bundeswahlgesetz. Nach dieser Vorschrift sind unter anderem Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen, für die durch richterliche Entscheidung im Einzelfall zur Besorgung aller Angelegenheiten dauerhaft ein Betreuer bestellt werden musste, sowie Personen, die sich aufgrund richterlicher Anordnung in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, weil sie im Zustand der Schuldunfähigkeit eine rechtswidrige Tat begangen haben und von ihnen infolge ihres Zustands erhebliche rechtswi-drige Taten zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sind. Betroffen sind von diesen Regelungen also nicht etwa alle Menschen, für die eine Betreuung besteht, und schon gar nicht alle Menschen mit Behinderungen oder Analphabeten, die selbstverständlich wählen können und für die in der Bundeswahlordnung bereits Hilfestellungen bei der Stimmabgabe vorgesehen sind. Der Bundesregierung ist die Diskussion über die Wahlrechtsausschlüsse bekannt. Diese Diskussion hat allerdings aufgezeigt, dass es über den betroffenen Personenkreis viele Vermutungen und kaum belastbare Fakten gibt. Es ist zum Beispiel unbekannt, wie viele Personen überhaupt von den Wahlrechtsausschlüssen betroffen sind. Deshalb hat die Bundesregierung im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen, eine Studie in Auftrag zu geben, in der die tatsächliche Situation behinderter Menschen bei der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts untersucht und Handlungsempfehlungen für eine verbesserte Partizipation von Menschen mit Behinderungen entwickelt werden. Nach einem europaweiten Vergabeverfahren hat die Bundesregierung diese Studie im Dezember 2013 an ein interdisziplinär besetztes Team von Wissenschaftlern vergeben. Die Studie soll der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag als wissenschaftliche Grundlage für die Beantwortung der Frage dienen, ob es vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention mit Blick auf die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei bestimmten Gruppen von Menschen mit Behinderungen Handlungsbedarf gibt. Daher wird die Studie auch ihren Blick auf Unterstützungsmaßnahmen richten, die Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihres Wahlrechts helfen können. Gegebenenfalls können sich hieraus auch Hinweise auf geeignete Unterstützungsmaßnahmen für die Gruppe der Analphabeten ableiten lassen. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studie, mit denen Ende 2015 zu rechnen ist, kann eine fundierte Entscheidung über gesetzliche Änderungen erfolgen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 19): Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um bei der Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie (Richtlinie 2004/81/EG) die spezifischen Bedürfnisse von Gewaltopfern mit Behinderung angemessen zu berücksichtigen? Für die Bundesregierung ist der Opferschutz im Strafverfahren ein wichtiges Anliegen. Dabei muss auf Opfer von Gewalt und auf verletzte Personen mit Behinderungen besondere Rücksicht genommen werden. Daher begrüßt die Bundesregierung es ausdrücklich, dass die Opferschutzrichtlinie 2012/29/EU gerade auch die besondere Schutzbedürftigkeit von Gewaltopfern und Menschen mit Behinderungen im Blick hat. Bereits die Erwägungsgründe der Richtlinie mahnen die Rücksichtnahme auf die besonderen Belange dieser Opfergruppe an. Zudem hält die Richtlinie die Mitgliedstaaten dazu an, Maßnahmen zur frühzeitigen Ermittlung und Berücksichtigung besonderer Schutzbedürfnisse von Opfern zur Verfügung zu stellen. Hier wird besondere Aufmerksamkeit für die Belange von Opfern geschlechtsbezogener Gewalt, Gewalt in engen Beziehungen oder sexueller Gewalt sowie von Opfern mit Behinderungen gefordert. Die Bundesregierung wird diese Vorgaben bei der Umsetzung der Opferschutzrichtlinie umfassend berücksichtigen. Ihr ist an einer zeitnahen und vollständigen Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht gelegen. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ulrich Kelber auf die Frage des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 22): Wie bewertet die Bundesregierung den vom EU-Ministerrat vorgelegten Gegenvorschlag zu dem vom Europaparlament verabschiedeten Kompromisspapier bezüglich des -Verordnungsvorschlages KOM(2013) 130 hinsichtlich der dort vorgeschlagenen Regelung, Fluggesellschaften von der Entschädigungspflicht zu entbinden, sofern Verspätungen im Luftverkehr auf Herstellerfehler zurückzuführen sind, und wie wird sich die Bundesregierung in gegebenenfalls stattfindenden Trilogverhandlungen hinsichtlich dieser Frage positionieren? Die EU-Kommission hat am 13. März 2013 einen Vorschlag zur Änderung der Fluggastrechteverordnungen (EG) Nr. 261/2004 und 2027/97 vorgelegt. Das -Europäische Parlament hat am 5. Februar 2014 seine Stellungnahme zu diesem Vorschlag beschlossen. Die Beratungen des Rates der Europäischen Union zu dem Vorschlag der EU-Kommission dauern noch an. Sie werden mit der allgemeinen Ausrichtung abgeschlossen. Die griechische Ratspräsidentschaft strebt die allgemeine Ausrichtung für Juni 2014 an. In den Beratungen des Rates der Europäischen Union wird auch die Haftungsbefreiung der Luftfahrtunternehmen im Fall außergewöhnlicher Umstände thematisiert, die bereits nach geltendem Recht gegenüber dem Ausgleichsanspruch bei Annullierung und Verspätung von Flügen haftungsbefreiend wirken können. Zu diesen außergewöhnlichen Umständen können bereits nach geltendem Recht in der Konkretisierung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bestimmte technische Probleme an dem Flugzeug zählen, wenn sie Grund für die Annullierung oder Verspätung waren. Auch die Beratungen zu dieser Thematik dauern im Rat der Europäischen Union noch an. Trilogverhandlungen werden nicht von den Mitgliedstaaten, sondern von der EU-Ratspräsidentschaft, der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament geführt. Ein Trilog kann erst nach der allgemeinen Ausrichtung des Rates der Europäischen Union erfolgen. Wie sich die Bundesregierung bei der Abstimmung der Ratsposition im Trilog positionieren wird, kann erst nach Vorliegen der allgemeinen Ausrichtung festgelegt werden. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 23): Wie begründet die Bundesregierung die von ihr beabsichtigte Verschiebung der Kindergelderhöhung (Süddeutsche Zeitung vom 11. März 2013) auf das Jahr 2016, und wie lässt sich diese Maßnahme mit dem Ziel vereinbaren, die Kinder-armut in Deutschland zu bekämpfen? Das Meinungsbild über mögliche und denkbare zukünftige Gestaltungen hinsichtlich des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Derzeit sind das Bundesfamilienministerium und das Bundesfinanzministerium über Veränderungen der Familienleistungen im konstruktiven Gespräch. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 24): Hält es die Bundesregierung für verfassungsrechtlich zulässig, den im zuletzt vorgelegten Neunten Existenzmininumbericht festgestellten Anpassungsbedarf beim Kinderfreibetrag ab dem Veranlagungsjahr 2014 nicht im Jahr 2014, sondern in einem späteren Jahr umzusetzen (vergleiche dpa-Meldung vom 12. März 2014, „Schäuble: Prüfen spätere Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag“), und ist es zutreffend, dass die Bundesregierung in den Jahren 2014 und 2015 keine Erhöhung des Kindergeldes vornehmen wird? Das Meinungsbild über mögliche und denkbare zukünftige Gestaltungen hinsichtlich des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ist innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Derzeit sind das Bundesfamilienministerium und das Bundesfinanzministerium über Veränderungen der Familienleistungen im konstruktiven Gespräch. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 24): Aus welchem Grund erfolgt gemäß § 1 Abs. 2 des Kaffeesteuergesetzes lediglich eine Besteuerung von Röstkaffee und löslichem Kaffee, jedoch keine Besteuerung von rohen Kaffeebohnen, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Besteuerung des grenzüberschreitenden Handels mit Kaffee insbesondere in Form von Tabs im Onlinegeschäft sicherzustellen? Die Kaffeesteuer knüpft als besondere Verbrauchsteuer an den Verbrauch von Kaffee an. Sie ist in ihrem Wesen auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den End- oder Letztverbraucher angelegt. Rohkaffee wird in der Regel nicht an diesen Personenkreis abgegeben. Er dient vielmehr als Vorprodukt für die Herstellung von Röstkaffee, löslichem Kaffee oder kaffeehaltigen Waren, die wiederum nach den Bestimmungen des Kaffeesteuergesetzes der Kaffeesteuer unterliegen. Diese Waren stehen – im Gegensatz zu Rohkaffee – dem End- oder Letztverbraucher grundsätzlich zur Verfügung. Die gewerbsmäßige Beförderung von gemahlenem Röstkaffee in Form von Kaffeetabs, -pads bzw. -kapseln in das Steuergebiet unterliegt der Kaffeesteuer. Wer Kaffee aus einem anderen Mitgliedstaat an Privatpersonen im Steuergebiet liefert, hat dies vorher dem zuständigen Hauptzollamt anzuzeigen und eine im Steuergebiet ansässige Person als Beauftragten zu benennen. Darüber hinaus sind im Rahmen eines Erlaubnisverfahrens Sicherheit für die im Steuergebiet entstehende Steuer zu leisten sowie über die Warenbewegungen Aufzeichnungen zu führen. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 26): Wie viele Millionen Euro Versicherungsteuer hätte die Bundesregierung geschätzt zugunsten des Bundeshaushalts vom ADAC e. V. erhalten müssen, seit dieser entsprechend steuerpflichtige Versicherungsleistungen – wie Unfall/Pannenhilfe, Rechtsschutz/Krankenversicherung, Luftrettung etc. – vor Jahrzehnten anzubieten begann, und was unternahm die Bundesregierung seither sowie vor allem seit bayerische Betriebsprüfer sie explizit auf diesbezügliche „Anhaltspunkte für Steuerhinterziehung“ der ADAC-Verantwortlichen hingewiesen hatten (vergleiche den Spiegel vom 9. März 2014), um eine Strafverfolgung Letzterer sowie die vollständige rasche Beitreibung der offenen Versicherungsteuer zugunsten des Bundeshaushalts sicherzustellen? Antwort zum ersten Teil der Frage: Ob eine Versicherungsteuerpflicht überhaupt besteht, lässt sich nur anhand konkreter Sachverhalte bestimmen. Das Eingehen auf Einzelfälle verbietet allerdings das Steuergeheimnis. Antwort zum zweiten Teil der Frage: Das Bundeszentralamt für Steuern – BZSt – ist die für die Verwaltung der Versicherungsteuer zuständige Finanzbehörde. Dies beinhaltet unter anderem die Durchführung von Außenprüfungen einschließlich der Auswahl der zu Prüfenden. Das BZSt ist auch die sachlich zuständige Behörde für die Ermittlung von Steuerstraftaten, soweit die Versicherungsteuer betroffen ist. Das BMF übt insoweit nur die Rechts- und Fachaufsicht aus. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 27): Wie viele Personen haben in den letzten zehn Jahren jeweils Behindertenpauschbeträge nach § 33 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und Außergewöhnliche Belastungen durch behinderungsbedingte Ausgaben nach § 33 EStG geltend gemacht, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus hinsichtlich der Angemessenheit der Pauschbeträge? Nach den jährlichen Einkommensteuerstatistiken 2004 bis 2009 haben in diesen Jahren jeweils zwischen 3,5 bis 3,8 Millionen Steuerpflichtige einen Behindertenpauschbetrag nach § 33 b Abs. 3 EStG in Anspruch genommen. Neuere statistische Daten liegen noch nicht vor. In wie vielen Fällen über den Behindertenpauschbetrag hinaus bzw. an dessen Stelle eine behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastung gegen Einzelnachweis gemäß § 33 EStG geltend gemacht wurde, geht aus der amtlichen Statistik nicht hervor. Richtig ist, dass die Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen seit 1975 der Höhe nach zwar unverändert geblieben sind. Parallel sind seither aber viele andere Verbesserungen und Erleichterungen eingetreten, die die Pauschbeträge im genannten Kontext nicht als unangemessen erscheinen lassen. Während bis einschließlich 2007 der Steuerpflichtige bei allen behinderungsbedingten Krankheitskosten wählen musste, ob er seine Aufwendungen durch Einzelnachweise und unter Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 EStG geltend macht oder aber den Pauschbetrag nach § 33 b EStG in Anspruch nimmt, werden ab 2008 durch die Pauschbeträge nur noch die behinderungsbedingten Mehraufwendungen abgegolten. Dies sind Aufwendungen, die für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf anfallen. Alle übrigen Krankheitskosten können neben dem Behindertenpauschbetrag zusätzlich nach § 33 EStG geltend gemacht werden, auch wenn sie behinderungsbedingt entstanden sind. Bei den Pauschbeträgen für behinderte Menschen handelt es sich also nur um eine Vereinfachungsregel, die den Einzelnachweis bestimmter Aufwendungen entbehrlich werden lässt; der Nachweis höherer tatsächlicher Kosten ist aber jedem Steuerpflichtigen möglich. Damit berücksichtigt die Regelung auch Kostensteigerungen ausreichend flexibel. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fragen der Abgeordneten Susanna Karawanskij (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Fragen 28 und 29): Inwieweit ist die in Medien (vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 10. März 2014, „Bundesregierung will Lebensversicherer unterstützen“) zu vernehmende Meldung zutreffend, dass bei dem Reformpaket für Lebensversicherungen der Tag der Verabschiedung im Kabinett als Stichtag genommen werden soll, wodurch die Versicherten dann keine Chance mehr hätten, ihre Verträge vorzeitig zu kündigen, um die bislang geltende hälftige Beteiligung an den Bewertungsreserven zu retten, und nach welchen Kriterien könnte im Detail eine -potenzielle Regelung ausgestaltet sein, nach der in einer sogenannten Niedrigzinsphase die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren gekürzt oder ausgeschlossen wird und bei steigenden Zinsen „automatisch wieder die aktuelle Regelung“ mit der 50-prozentigen Beteiligung an den Bewertungsreserven greifen soll (vergleiche A. Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, in: boerse-online.de vom 10. März 2014, „Bundesregierung plant Reformpaket für Lebensversicherung“)? Vorausgesetzt, die Beteiligung der Versicherungsgemeinschaft an den Bewertungsreserven wird gekürzt oder ganz abgeschafft, wie bewertet die Bundesregierung zum derzeitigen Stand die in der Debatte befindlichen potenziellen Gegenleistungen der Versicherungsbranche im Einzelnen (vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 10. März 2014, „Bundesregierung will Lebensversicherer unterstützen“, speziell im Abschnitt „Politik fordert Gegenleistungen der Versicherer“), und wie positioniert sich die Bundesregierung zur Kritik an der potenziellen Regelung, wonach es zu einer Ausschüttungssperre an Aktionärinnen und Aktionäre kommen soll, sobald ein Versicherungsunternehmen seine Garantiezusagen an die Kundinnen und Kunden nicht einhalten kann, was aber insofern problematisch sei, weil ein Unternehmen, das sich in einer solch dramatischen Schieflage befindet, in der es keine Garantiezusagen mehr erfüllen kann, ohnehin vom Markt gehen muss, wodurch es sowieso keine Dividenden mehr an Aktionärinnen und Aktionäre auszahlen darf (vergleiche Deutschlandfunk vom 12. März 2014, „Geschenk an die Lobby“)? Zu Frage 28: Die Bundesregierung beabsichtigt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Lösungsvorschläge zum Umgang mit den Folgen des langanhaltenden Niedrigzinsumfeldes für die Lebensversicherung enthält und generationengerecht im Interesse der gesamten Versichertengemeinschaft geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Risikotragfähigkeit und Stabilität der Lebensversicherungen vorsieht. Ein entsprechender Auftrag ist bereits im Koalitionsvertrag enthalten. Welche Maßnahmen im Einzelnen konkret geeignet und notwendig sind, wird augenblicklich von der Bundesregierung geprüft. Bis dahin steht sein Inhalt noch nicht fest. Das gilt auch für die Frage, ob der Entwurf eine Stichtagsregelung vorsehen wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die bekannte Tatsache, dass bei einer vorzeitigen Kündigung einer Versicherung in der Regel Abzüge erfolgen. Zu Frage 29: Im augenblicklichen Zinsumfeld muss darauf geachtet werden, dass ökonomisch ungerechtfertigte Mittelabflüsse bei Versicherern im erforderlichen Umfang verhindert werden. Das betrifft insbesondere Ausschüttungen an Investoren, die Überschussbeteiligung der Versicherten und die Abschluss- und Verwaltungskosten der Versicherer. Notwendig ist daher ein ausgewogenes Maßnahmenpaket, das Beiträge der Versicherer, des Versicherungsvertriebs und der Versichertengenerationen einfordert. Welcher Art die jeweiligen Beiträge konkret sein werden, steht, wie bereits in meiner Antwort zu Ihrer vorherigen Frage ausgeführt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest. Betonen muss ich aber, dass von einer „dramatischen Schieflage“ der Lebensversicherung nicht die Rede sein kann. Zum einen besitzen die Versicherer aus der Vergangenheit noch genügend höher verzinste Kapitalanlagen und zum anderen nimmt der Anteil der Verträge mit hohen garantierten Leistungen kontinuierlich ab. Es ist aber auch offensichtlich, dass eine Situation, in der ein Lebensversicherungsunternehmen eine höhere Mindestverzinsung garantiert hat, als es selbst durch neue Kapitalanlagen erzielen kann, auf Dauer nicht tragbar ist. Es besteht aus meiner Sicht kein Zweifel, dass die Versicherer diese Lage bewältigen können, wenn sie sich verantwortungsbewusst verhalten. Der Gesetzgeber ist zum Handeln aufgerufen, um die Unternehmen hierzu anzuhalten und um zu gewährleisten, dass die berechtigten Erwartungen der Versichertengemeinschaft nicht enttäuscht werden. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 30): Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Landesregierungen, dass der Behinderungsbegriff im Neunten Buch Sozialgesetzbuch vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention überarbeitet werden muss (vergleiche 90. ASMK-Protokoll), und zu welchem Zeitpunkt wird sie in diesem Fall einen Überarbeitungsvorschlag vorlegen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der Behinderungsbegriff in § 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, SGB IX, der wortgleich mit § 3 Behindertengleichstellungsgesetz, BGG, ist, den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht. Er lautet wie folgt: Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. Derzeit überprüft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen einer wissenschaftlichen Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes, ob der Behinderungsbegriff gleichwohl einer Anpassung bedarf. Sollte sich Änderungsbedarf ergeben, wird dieser in Gesetzgebungsverfahren der laufenden Legislatur-periode einfließen. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage des Abgeordneten Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 32): Über welche existenzsichernden Leistungen können Studierende mit Behinderungen behinderungsbedingt höhere Aufwendungen des Lebensunterhalts decken, und sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf? Auch Menschen mit Behinderungen haben grundsätzlich ein uneingeschränktes Anrecht darauf, bei entsprechender Befähigung ein Studium ihrer Wahl, auch zur beruflichen Weiterbildung, aufnehmen und absolvieren zu können und im Bedarfsfall die hierzu notwendigen behinderungsspezifischen Unterstützungsleistungen wie persönliche Assistenz oder technische Hilfsmittel zu erhalten. Hierfür sind die für die Hochschulbildung verantwortlichen Kultusverwaltungen der Länder und Hochschulen in der vorrangigen Pflicht. Sie haben in Bedarfsfällen die individuell erforderlichen studienbegleitenden Hilfen an Studierende mit Behinderungen zu leisten und sind die richtigen Adressaten für eine Verbesserung der Situation behinderter Studierender. Durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz, BAföG, wird der typische ausbildungsbedingte Lebensunterhalt finanziert. Behinderungsbedingte Mehrkosten werden jedoch nicht durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz abgedeckt. Kosten für studienbezogene Hilfsmittel, Kommunikations- und Studienassistenzen sowie Unterstützungen der Mobilität werden gegebenenfalls über die Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch übernommen. Die Eingliederungshilfe übernimmt jedoch nicht die Finanzierung behinderungsbedingt anfallender Mehrbedarfe zum Lebensunterhalt, weshalb Studierende mit Behinderungen auf anderweitige Sozialleistungen angewiesen sind, wie zum Beispiel auf Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder auf Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch . Auch vor dem Hintergrund dieses komplexen Zusammenwirkens verschiedener Sozialleistungen wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, die Schnittstellen der verschiedenen Sozialgesetzbücher zueinander sowie diejenigen zum Bundesausbildungsförderungsgesetz systematisch aufzuarbeiten und besser miteinander zu verzahnen. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage des Abgeordneten Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 33): Ist der Bundesregierung bekannt, ob Verbände behinderter Menschen, die Beratung zu Rechtsansprüchen behinderter und chronisch erkrankter Menschen nach dem Peer-Prinzip anbieten und damit sowohl eine Beratung gewährleisten, die unabhängig von Interessen der Leistungsträger und -anbieter ist, als auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Selbstbewusstseins und Selbstbestimmungsrechts behinderter Menschen leisten, vor teilweise existenziellen Finanzierungsproblemen stehen und daher beständig mit der Situation konfrontiert sind, ihre Arbeit nicht aufrechterhalten zu können, und wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, hier Verbesserungen herbeizuführen? Die Bundesregierung ist sich der Situation von Verbänden der Selbsthilfe behinderter und chronisch kranker Menschen durchaus bewusst. Es liegt nahe, dass es bei der Verbandsarbeit vielfach auf das persönliche – und in der Regel ehrenamtliche – Engagement der Verbandsvertreterinnen und Verbandsvertreter sowohl bei der politischen Teilhabe als auch bei den Leistungen und Angeboten bei Beratung, Aufklärung und Information ihrer Mitglieder ankommt. Die hierfür zur Verfügung stehenden Mittel aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und anderen Zuwendungen sind in der Regel sehr knapp bemessen. Zur Stärkung der finanziellen Situation der Verbände stehen der Bundesregierung jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Verfügung. So werden beispielsweise mit den Mitteln aus der Ausgleichsabgabe, die im Ausgleichsfonds nach § 78 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IX, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales verwaltet werden, überregionale Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gefördert. Die Verbände können sich hier als Projektnehmer engagieren oder sich an Projekten von Forschungsinstituten, Universitäten und anderen Institutionen beteiligen. Weitere Ressorts, wie das Bundesministerium für Gesundheit, BMG, oder das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, können im Rahmen ihrer Zuständigkeit ebenfalls Projekte der Verbände fördern. Anlage 25 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 38): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt zu inte-grieren, und wie sollen diese Maßnahmen umgesetzt werden, um unnötige Bürokratie zu vermeiden? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, für Menschen mit Behinderungen mehr Beschäftigungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Dazu wurden im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention insbesondere folgende Maßnahmen auf den Weg gebracht: Zentrales beschäftigungspolitisches Element des Nationalen Aktionsplans ist die „Initiative Inklusion“, mit der mit insgesamt 140 Millionen Euro aus dem Ausgleichsfonds die berufliche Orientierung von schwerbehinderten Jugendlichen, die Ausbildung junger und die Beschäftigung älterer schwerbehinderter Menschen sowie die Inklusionskompetenz der Kammern der Wirtschaft gefördert werden. In Ergänzung dazu wurde im Oktober 2013 mit den maßgeblichen Arbeitsmarktakteuren die Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung vereinbart. Sie umfasst ein Bündel an verschiedenen Maßnahmen und Kampagnen, die eigenverantwortlich, aber auch in Kooperation durchgeführt werden. Neben den Spitzenverbänden der Wirtschaft BDA, DIHK und ZDH, dem DGB, der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen sind auch die Integrationsämter der Länder und die Verbände behinderter Menschen daran beteiligt. Im Mittelpunkt dieser Initiative steht die verstärkte Sensibilisierung von Betrieben und Unternehmen für das Arbeitskräftepotenzial und die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung. Mit vielen Aktivitäten sollen Arbeitgeber verstärkt davon überzeugt werden, dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein Gewinn für das Unternehmen ist. Einen weiteren Schwerpunkt der Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung bildet das Programm zur intensivierten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen mit einem finanziellen Volumen von 50 Millionen Euro, das sich an die Agenturen für Arbeit, die gemeinsamen Einrichtungen und die zugelassenen kommunalen Träger richtet. Damit werden Konzepte mit fortschrittlichen und strategisch sinnvollen Ansätzen für eine existenzsichernde und nachhaltige berufliche Integration von schwerbehinderten Menschen gefördert. Das Programm ergänzt das bestehende umfangreiche Instrumentarium, das der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der Integration von Menschen mit Behin-derungen in den Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. -Arbeitgeber können zum Beispiel Ausbildungs-, Eingliederungszuschüsse oder Zuschüsse zur behindertengerechten Ausgestaltung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen erhalten. Menschen mit Behinderung können unter anderem mit ausbildungsbegleitenden Hilfen, Aus- und Weiterbildungen gefördert und mit dem Gründungszuschuss bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder durch eine Kraftfahrzeughilfe unterstützt werden. Die Förderung orientiert sich dabei an dem Grundsatz: So viel Allgemeines wie möglich, so viel Spezielles wie nötig. Anlage 26 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 43 und 44): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Vorschlägen der Bundesvereinigung der Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte e. V., BVWR, zur Weiterentwicklung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (vergleiche Positionspapier vom Juni 2012), und wann wird sie die Verordnung in Zusammenarbeit mit der BVWR im Sinne der Stärkung der Mitwirkungsrechte der Werkstatträte und einer rechtlichen und finanziellen Sicherung der überregionalen Werkstattratsvertretungen weiterentwickeln? Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung mit Blick auf die Tatsache, dass Werkstätten für behinderte Menschen nur denjenigen behinderten Menschen offen stehen, von denen erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden (§ 136 Abs. 2 SGB IX), insbesondere vor dem Hintergrund der in diesem Zusammenhang auftretenden sozialversicherungsrechtlichen Schlechterstellung des ausgeschlossenen Personenkreises, und wann wird sie diesbezüglich tätig werden? Zu Frage 43: Die Bundesregierung hat im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention angekündigt, mit den Werkstatträten in einen Dialog über die Erfahrungen mit der am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Werkstätten-Mitwirkungsverordnung zu treten. Vor diesem Hintergrund haben in 2012 und 2013 insgesamt drei Veranstaltungen mit der Bundesvereinigung der Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte als der überregionalen Interessenvertretung der Werkstatt-räte und der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen stattgefunden. Bei den Diskussionen haben sich Themenschwerpunkte für eine mögliche Weiterentwicklung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung herausgestellt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird diese Punkte in naher Zukunft mit den Ländern und mit den Verbänden besprechen. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Gespräche wird dann über die notwendigen Änderungen in der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung zu entscheiden sein. Zu Frage 44: Die Bundesregierung wird dieses Anliegen im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderungen in der laufenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages prüfen. Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 45 und 46): Welche konkreten zentralen Schritte, Maßnahmen, Gipfel etc. plant die Bundesregierung in den kommenden zwei Jahren, um die im Fortschrittsbericht 2013 zum Fachkräftekonzept der Bundesregierung angekündigten Ziele bzw. Pfade umzusetzen – bitte entsprechende Terminierung benennen –, und inwieweit sollen daraus gesetzgeberische Initiativen folgen (diese bitte konkret benennen)? Inwiefern sieht die Bundesregierung die Wirtschaft in der Pflicht, durch bessere Arbeits- und Entlohnungsbedingungen die Attraktivität bestimmter Berufsgruppen zu erhöhen, und welches sind die 20 Berufsgruppen, bei denen nach Ansicht der Bundesregierung am stärksten Handlungsbedarf besteht? Zu Frage 45: Die Bundesregierung hat 2011 das Fachkräftekonzept beschlossen, das mit seinen fünf Sicherungspfaden die Fachkräftebasis langfristig sichern soll. Es enthält Indikatoren und Zielmarken, deren Erreichung durch einen jährlichen Fortschrittsbericht überprüft wird. Der Fortschrittsbericht 2013 weist auf respektable Fortschritte hin und identifiziert weiteren Handlungsbedarf. Die ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung, um die Fachkräftesicherung weiter voranzutreiben, werden ebenfalls im Fortschrittsbericht für jeden einzelnen Sicherungspfad aufgezeigt. Hierzu gehören neben dem zielgerichteten Einsatz gesetzlicher Instrumentarien unter anderem die folgenden Maßnahmen: der Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige, für den der Bund bis 2014 insgesamt 5,4 Milliarden Euro und anschließend jährlich 845 Millionen Euro Betriebskostenzuschüsse zur Verfügung stellt ; der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs; der Hochschulpakt, für den zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger insgesamt über 10 Milliarden Euro Bundesmittel zur Finanzierung der ersten beiden Programmphasen bereitstehen ; die im Februar 2013 gestartete Initiative „AusBILDUNG wird was – Spätstarter gesucht“, die für drei Jahre angesetzt ist ; das BA-Programm WeGebAU – Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen –, für das im Jahr 2014 rund 280 Millionen Euro -bereitstehen ; die BA-Initiative IFlaS – Initiative zur Flankierung des Strukturwandels –, für die im Jahr 2014 rund 400 Millionen Euro zur Verfügung stehen; die Initiative „Inklusion“, die bis zum Jahr 2018 umgesetzt wird und für die rund 140 Millionen Euro aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung stehen ; die im Juni 2012 gestartete Fachkräfteoffensive mit dem Inlandsportal www.fachkräfte-offensive.de und dem Willkommensportal www.Make-it-in-Germany.com, die für das Thema Fachkräftesicherung sensibilisiert und für unterschiedliche Zielgruppen – Arbeitgeber und Beschäftigte – spezifische Informationen bündelt und auch 2014 fortgesetzt wird; das Innovationsbüro „Fachkräfte für die Region“, das die regionalen Netzwerke zur Fachkräftesicherung identifiziert, berät und unterstützt und in 2014 fortgeführt wird ; die Initiative „Neue Qualität der Arbeit“, die sich zusammen mit Sozialpartnern, Kammern, Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft für eine höhere Qualität der Arbeit und Verbesserung der Arbeitsbedingungen engagiert und auch in 2014 weiterläuft ; das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung ; die auf das Ausbildungs-, Berufs- und Beschäftigungsfeld der Altenpflege fokussierte „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“, Laufzeit 2012 bis 2015; das ESF-Programm „unternehmensWert: Mensch“, das auch in der neuen ESF-Förderperiode ab 2015 im gesamten Bundesgebiet fortgesetzt werden soll ; die Berufseinstiegsbegleitung, für die ab der ESF-Förderpe-riode 2014 die Kofinanzierung im Rahmen verfügbarer ESF-Mittel des Bundes geplant ist und bei der neben den bisherigen Modellschulen ab 2015 auch die Modellschulen der BMBF-Bildungsketteninitiative einbezogen werden ; die „Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“, mit der in sprachpädagogischer Bildungsarbeit qualifizierte Fachkräfte gefördert werden und die bis 2014 läuft ; das Projekt „JUGEND STÄRKEN: 1.000 Chancen“, das in 2014 und 2015 fortgeführt wird ; das Förderprogramm „Integration durch Quali-fizierung“, das 2014 fortgesetzt und um ein mit ESF-Mitteln kofinanziertes Qualifizierungsprogramm im Kontext des Anerkennungsgesetzes ab 2015 ausgebaut werden soll ; das Sonderprogramm MobiPro-EU – För-derung der beruflichen Mobilität von ausbildungsin-teressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa –, für das – vorbehaltlich des parlamentarischen Verfahrens – der Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2018 auf insgesamt 359 Millionen Euro ausgeweitet werden soll; die Fortsetzung der Förderung des Berufsqualifizierungsportals bis Ende 2015 ; das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“, das auch in 2014 weiterläuft ; die Initiative „Ressourcen stärken – Zukunft sichern: Erwerbsperspektiven für Mütter mit Migrationshintergrund“, die 2014 als ESF-Programm weiterentwickelt werden soll ; das ESF-Modellprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“, das auch in 2014 mit neuen Schwerpunkten fortgeführt wird ; das Programm „Haus der kleinen Forscher“, das auch 2014 fortgesetzt wird , das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ für außerschulische Maßnahmen der kulturellen Bildung, für das ab 2013 insgesamt rund 230 Millionen Euro zur Verfügung stehen ; das Programm „Passgenaue Vermittlung Auszubildender an ausbildungswillige Unternehmen“, das auch 2014 fortgesetzt wird. CDU, CSU und SPD haben sich zudem im Koalitionsvertrag auf eine Weiterentwicklung des Teilzeitrechts verständigt. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich zum Beispiel wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, soll sichergestellt werden, dass sie wieder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können. Dazu wird ein Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit geschaffen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können damit Erwerbsarbeit und Privatleben besser vereinbaren. Unternehmen bleiben qualifizierte Fachkräfte erhalten. Zu Frage 46: Bei folgenden 20 Berufsgruppen zeigt sich nach der aktuellen Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit vom Dezember 2013 ein Fachkräftemangel: Ingenieure Metallbau und Schweißtechnik, Ingenieure Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe, Fachkräfte und Spezialisten Mechatronik und Automatisierungstechnik , Ingenieure Mechatronik und Automatisierungstechnik, Fachkräfte Energietechnik , Ingenieure Elektrotechnik, Ingenieure technische Forschung und Entwicklung, Ingenieure Konstruktion und Gerätebau, Fachkräfte und Spezialisten Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik , Ingenieure Ver- und Entsorgung, hochqualifizierte Experten im Bereich Informatik, hochqualifizierte Experten Softwareentwicklung , Spezialisten im technischen Eisenbahnbetrieb , Fachkräfte zur Überwachung und Wartung der Eisenbahninfrastruktur , Fachkräfte zur Überwachung und Steuerung des Eisenbahnverkehrsbetriebs , Fahrzeugführer Eisenbahnverkehr , examinierte Fachkräfte und Spezialisten in der Gesundheits- und Krankenpflege, Humanmediziner, examinierte Fachkräfte Altenpflege und Meister Orthopädie-, Rehatechnik und Hörgeräteakustik Die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen sind eine wichtige Stellschraube, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Beides sind wichtige Aufgaben der Tarifpartner. Es liegt daher im Interesse der von Engpässen betroffenen Branchen und Betriebe, ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Anlage 28 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Azize Tank (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 47): Welche konkreten rechtlichen und politischen Sachverhalte sind die Ursache für den seit mehreren Jahren andauernden und bis heute nicht abgeschlossenen Prüfungsprozess der Bundesregierung (vergleiche zuletzt auch die Antworten der Bundesregierung auf meine mündlichen Fragen 77 und 78, Plenarprotokoll 18/19, Anlagen 45 und 46), die ein Hindernis bei der Umsetzung sozialer Menschenrechte durch eine sofortige Ratifizierung des Fakultativprotokolls zum UN-Sozialpakt darstellen, und wann gedenkt die Bundesregierung, ihren Prüfungsprozess abzuschließen? Die zukünftige Spruchpraxis des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist nach wie vor nur eingeschränkt einzuschätzen. Darüber hinaus fehlen immer noch allgemeine Bemerkungen zu einigen Artikeln des UN-Sozialpakts. Diese sind jedoch grundlegend für die rechtliche Prüfung der Wirkung möglicher Individualbeschwerden, die im Fakultativprotokoll vorgesehen sind. Jene allgemeinen Bemerkungen werden voraussichtlich in diesem Jahr vom UN-Ausschuss verabschiedet und sind dann von der Bundes-regierung zunächst zu bewerten. Eine konkrete Aussage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Prüfungsprozesses ist daher derzeit nicht möglich. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller auf die Frage der Abgeordneten Azize Tank (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 48): Welche konkreten rechtlichen und politischen Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die durch den Europäischen Ausschuss für soziale Rechte in seinen im Januar 2014 veröffentlichten Schlussfolgerungen – Conclusions XX-2 (2013) – festgestellte Unvereinbarkeit der deutschen Staatenpraxis bezüglich der Gewährleistung der darin enthaltenen Rechte auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen aus Art. 3 § 1 – Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften betreffend selbstständig Beschäftigte – sowie des Rechts auf soziale Sicherheit aus Art. 12 § 4 b – Gleichbehandlung verschiedener Staatsbürger hinsichtlich der Ansprüche aus der sozialen Sicherheit – zügig zu beheben? Die Bundesregierung kann aus einem laufenden und noch nicht abgeschlossenen Berichtsverfahren derzeit keine Folgerungen über zu ergreifende Maßnahmen ziehen. Die Bundesregierung hat im Dezember 2012 ihren 30.  Bericht zur Anwendung der Europäischen Sozialcharta an den Sachverständigenausschuss des Europarats übersandt. Dieser hat seine aus dem 30. Bericht gezogenen Schlussfolgerungen am 29. Januar 2013 veröffentlicht und den Vertragsstaaten erstmals bekanntgegeben. Damit wird das weitere Verfahren zu den Staatenberichten eröffnet, bei dem den Vertragsstaaten wiederum die Gelegenheit eingeräumt wird, zu den Schlussfolgerungen mündlich und schriftlich Stellung zu nehmen und möglicherweise durch den Sachverständigenausschuss erhobenen Vorwürfen zu begegnen. Die nächste Sitzung des Sachverständigenausschusses wird voraussichtlich vom 19. bis 23. Mai 2014 stattfinden. Allerdings liegt für diese Sitzung noch keine Tagesordnung vor, sodass die Erörterungen zu Deutschland eventuell auch erst im Herbst 2014 stattfinden können. Damit hat sich für Deutschland bisher keine Gelegenheit ergeben, zu den Schlussfolgerungen des Sachverständigenausschusses Stellung zu nehmen. Das weitere Verfahren bleibt abzuwarten. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 49): Wie bewertet die Bundesregierung angesichts des erheblich niedrigeren Erzeugerpreisniveaus (www.misereor.de/ file admin/redaktion/Studie_System_billiges_Schweinefleisch.pdf; Tabelle Seite 15 unten) die Einräumung von 81 000 Tonnen zollfreier Quote für den Import von kanadischem Schweinefleisch im CETA (www.actionplan.gc.ca/en/page/ceta-aecq/technical-summary), und in welchem Ausmaß wird der dadurch steigende Preis- und Wettbewerbsdruck aus Sicht der Bundesregierung zu einer weiteren Beschleunigung des Höfesterbens von bäuerlichen Familienbetrieben in Deutschland führen? Bezüglich der Auswirkungen eines Handelsabkommens im Agrarbereich liegen Berechnungen des Thünen-Instituts vor, die allerdings eine vollständige Liberalisierung des Handels zwischen der EU und Kanada, auch für Schweinefleisch, unterstellen. Auf dieser Basis werden für die Land- und Ernährungswirtschaft in der EU-27 aufgrund sehr geringer Produktionswertänderungen für primäre Agrarprodukte (-0,3 Prozent) und verarbeitete Nahrungsmittel (+0,5 Prozent) keine nennenswerten wirtschaftlichen Auswirkungen erwartet. Für den Bereich Schweine- und Geflügelfleisch ist nach der Berechnung auch bei voller Liberalisierung in der EU nur mit einer marginalen Produktionsreduzierung in Höhe von 0,1 Prozent zu rechnen. Da Geflügelfleisch in dem vorliegenden Vertragsentwurf vollständig von der gegenseitigen Marktöffnung ausgenommen ist und für Schweinefleisch nur ein quotierter Zugang eröffnet ist, dürften die tatsächlichen Effekte jedoch noch niedriger ausfallen. Auf dieser Basis rechnet die Bundesregierung durch CETA nicht mit einem steigenden Preis- und Wettbewerbsdruck im Bereich Schweinefleisch und auch nicht mit messbaren Auswirkungen auf die bäuerliche Betriebsstruktur. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Fragen 50 und 51): Warum hat die Bundesregierung im Gesetzentwurf zum Direktzahlungen-Durchführungsgesetz in Art. 15, Dauergrünland in bestimmten Gebieten, das in Natura-2000-Gebieten befindliche Dauergrünland zu 100 Prozent als „umweltsen-sibles Dauergrünland“ ausgewiesen, und wie begründet sie diese vollumfassende Ausschöpfung der von der Europäischen Kommission (Verordnung (EU) Nr. 1305/2013) vorgeschlagenen Gebietskulisse? Welche ökonomischen Folgen für die in diesen Gebieten wirtschaftenden Agrarbetriebe hätte diese 100-prozentige Ausweisung als „umweltsensibles Dauergrünland“, und welche ökologischen Folgen würden damit einhergehen? Zu Frage 50: In der Direktzahlungsverordnung wird erläutert, dass eines der Ziele der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik, GAP, in der Verbesserung ihrer Umweltleistung besteht, indem die Direktzahlungen eine obligatorische „Ökologisierungskomponente“ erhalten, durch die dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden unionsweit unterstützt werden. Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten 30 Prozent der Mittel im Rahmen ihrer nationalen Obergrenzen für Direktzahlungen dazu verwenden, dass den Betriebsinhabern zusätzlich zur Basisprämie eine jährliche Zahlung für -verbindlich zu beachtende Bewirtschaftungsmethoden gewährt wird, die vorrangig sowohl klima- als auch umweltpolitische Ziele verfolgen. Bei diesen Bewirtschaftungsmethoden sollte es sich um einfache, allgemeine, nicht vertragliche, jährliche Maßnahmen handeln, die über die Cross Compliance hinausgehen und die mit der Landwirtschaft im Zusammenhang stehen, wie Anbau-diversifizierung, Erhaltung von Dauergrünland und der Errichtung von Flächen im Umweltinteresse. Im Interesse des Umweltnutzens von Dauergrünland und insbesondere der Bindung von Kohlenstoff sollten Vorkehrungen zum Erhalt von Dauergrünland getroffen werden. In diesem Zusammenhang sehen die EU-Vorschriften zum Dauergrünlanderhalt vor, dass die Mitgliedstaaten in Gebieten, die unter die Richtlinie 92/43/EWG, FFH-Richtlinie, oder die Richtlinie 2009/147/EG, Vogelschutzrichtlinie, fallen, also in den Natura-2000-Gebieten, umweltsensible Gebiete festlegen müssen, die auch Moore und Feuchtgebiete zu umfassen haben. In diesen Gebieten sind die Umwandlung sowie das Pflügen von Dauergrünland verboten. Insgesamt hat Dauergrünland im Vergleich zu Ackerland grundsätzlich erhebliche Vorteile für den Natur-, Wasser-, Klima-, Boden- und Landschaftsschutz. Ein genereller Schutz des Dauergrünlandes in ökologisch wertvollen Gebieten, wie dies Natura-2000-Gebiete darstellen, ist daher sowohl aus naturschutzfachlicher Sicht als auch aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes sinnvoll. Auch der Aspekt der Verwaltungsvereinfachung spricht für diese Vorgehensweise. Denn die Einführung einer enger abgegrenzten Kulisse wäre mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand verbunden, der von den Bundesländern abgelehnt wird. Zudem hat sich bei der Anhörung zum Gesetzentwurf kein Bundesland für eine alternative Lösung ausgesprochen. Zu Frage 51: Das „umweltsensible Dauergrünland“ in Natura-2000-Gebieten unterliegt einem Umwandlungs- und einem Pflugverbot. Dies bedeutet für die hiervon betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe eine Einschränkung ihrer betrieblichen Flexibilität. So hat das Umwandlungsverbot zur Folge, dass ein innerbetrieblicher Nutzungswechsel von Dauergrünland zu Ackerland auch dann nicht möglich ist, wenn in demselben Umfang Dauergrünland neu angelegt würde. Ferner werden die Möglichkeiten zur Grünlanderneuerung eingeschränkt. Ein Pflügen von Dauergrünland mit anschließender Wiederansaat wird auf den betroffenen Flächen nicht mehr zulässig sein. Eine Grünlanderneuerung ist aber dennoch möglich (zum Beispiel bei einer flachen Bodenbearbeitung mit anschließender Direktsaat). Wie bereits in der Antwort zu Ihrer ersten Frage erläutert, sind die positiven ökologischen Folgen erheblich. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 52): Welche Gespräche haben in den vergangenen zwölf Monaten zwischen der Ebene der Staatssekretäre sowie Leitungen von Bundesministeriumsabteilungen bzw. referaten -einerseits und Vertretern von Herstellern gentechnisch veränderter Pflanzen (DuPont-Pioneer, Bayer, BASF, KWS, Monsanto etc.) sowie Vertretern von Verbänden oder Organisationen, welche als Interessenvertretungen für die Branche der Grünen Gentechnik fungieren, andererseits über die Situation der Grünen Gentechnik in der EU inklusive der Frage anstehender Anbauzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen stattgefunden, und welche Fragen bzw. Themen wurden in diesen Gesprächen behandelt? Mit der vorliegenden Frage knüpfen Sie an Ihre Frage aus der Fragestunde am 19. Februar 2014 an, in der Sie sich nach den Gesprächen der Bundeskanzlerin und der Bundesminister mit Herstellern von gentechnisch veränderten Pflanzen und deren Interessenvertretern erkundigten. Sie bitten nunmehr um dezidierte Angaben zu weiteren Gesprächen von Vertretern der Bundesregierung. Eine Liste der Gespräche, die auf Ebene der Staats-sekretärinnen und Staatsekretäre mit Vertreterinnen und Vertretern der angesprochenen Kreise geführt wurde, war wegen der notwendigen Ressortbefragung und des Regierungswechsels in der Kürze der vorgegebenen Zeit nicht rechtzeitig zu erstellen und wird daher nachgeliefert. Darüber hinaus pflegt die Ebene der Leiter und Leiterinnen der Abteilungen und der Referate der Bundesministerien aufgabenbedingt mit einer Vielzahl von Akteuren grundsätzlich in allen Politikbereichen Kontakt. Eine lückenlose Aufstellung aller in dem angefragten Zeitraum stattgefundenen Gespräche im Zusammenhang mit der Grünen Gentechnik ist insofern nicht möglich. Der angesprochene Personenkreis steht grundsätzlich mit allen Vertretern mit berechtigtem Interesse im Austausch. Darunter fallen persönliche Gespräche sowie Telefonate mit Vertretern unter anderem von Verbänden, Unternehmen, Forschungsinstitutionen und Bürgerinitiativen. Eine Verpflichtung zur Erfassung entsprechender Daten – zum Beispiel Erfassung sämtlicher Veranstaltungen, Sitzungen und Gesprächstermine – besteht nicht, und eine solche umfassende Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 53): Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Scheitern des bisherigen Entwurfs der EU-Saatgutverordnung für ihre zukünftige Politik in -diesem Bereich, und welche Initiativen wird die Bundesregierung bei der Neugestaltung eines Verordnungsentwurfs ergreifen, um die Vermarktungsmöglichkeiten alter oder nicht-homogener Sorten bzw. von Erhaltungssorten zu verbessern sowie Einschränkungen von Landwirte- und Züchterprivilegien zu verhindern? Für die Bundesregierung ist das Scheitern des ursprünglichen Entwurfs nachvollziehbar. Dieser Entwurf wurde aber zwischenzeitlich von den Fachexperten der Mitgliedstaaten in der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates der EU intensiv diskutiert. Die dabei bislang unterbreiteten Änderungsvorschläge berücksichtigen nach Auffassung der Bundesregierung viele der vom Europäischen Parlament, EP, kritisch angemerkten Punkte. Aus Sicht der Bundesregierung wäre es deshalb gut, wenn sich EP und Rat noch auf einen gemeinsamen Text einigen könnten. Eine Neugestaltung des ursprünglichen Entwurfs im Hinblick auf die Verbesserung der Vermarktungsmöglichkeiten alter und nicht homogener Sorten bzw. Erhaltungssorten scheint anhand der in der Rats-AG eingebrachten Änderungen erreichbar. Vom vorliegenden, zum Bereich des Saatgutrechts gehörenden Vorschlag sind übrigens Einschränkungen von Landwirte- und Züchterprivilegien nicht zu befürchten. Landwirte- und Züchterprivilegien sind Gegenstand des gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts. Die EU-Kommission plant, dazu frühestens Ende 2015 einen Änderungsvorschlag zu unterbreiten. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 54): Wie häufig sind seit der Erweiterung des Atalanta-Mandats, das seit dem Jahr 2012 auch Einsätze an Land umfasst, Kräfte der Mission an Land gegen Piraten vorgegangen, und mit welchem Ziel geschah das jeweils? Die Erweiterung des Atalanta-Mandats im Jahr 2012 beinhaltete in Ergänzung zu den bereits bestehenden Optionen das „Wirken gegen Piraterielogistik am Strand (Disruption of Pirate Logistic Dumps)“. Diese Operationsart zielt darauf ab, den Piraten durch Zerstörung ihrer Ausrüstung das Gefühl des „sicheren Rückzugsraums“ am Strand zu nehmen und ihnen die Vorbereitungen für Piraterieüberfälle zu erschweren. Diese Einsatzform unterliegt allerdings sehr hohen Auflagen, um den Schutz Unbeteiligter zu gewährleisten. Bislang wurde dieses Vorgehen durch Kräfte der Operation Atalanta einmalig angewandt und führte im Mai 2012 zur Zerstörung mehrerer Piratenboote und Außenbordmotoren. Als bedeutsam ist hierbei vor allem die -abschreckende Wirkung dieser Maßnahme durch den Verlust des Sicherheitsgefühls der Piraten am Strand he-rauszustellen. Anlage 35 Antwort der Parl. Staatssekretärin Caren Marks auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 55): Welche Bedingungen müssen aus Sicht der Bundesregierung erfüllt sein, damit die Zusammenführung von Leistungen zur Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen unter dem Dach des Achten Buches Sozialgesetzbuch – sogenannte große Lösung SGB VIII – zu einer Verbesserung der Situation behinderter Kinder und Jugendlicher und ihrer Eltern führt, und in welcher Form wird die Bundesregierung die „große Lösung“ weiter vorantreiben? Für die Bundesregierung ist wesentliche Bedingung, dass sich die Leistungen für Kinder und Jugendliche primär an der Lebenslage „Kindheit und Jugend“ und den individuellen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen orientieren. Zudem müssen alle mit der Umsetzung der „großen Lösung im SGB VIII“ verbundenen Fragen geklärt sein. Die Bundesregierung prüft die im Abschlussbericht der von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz und der Jugend- und Familienministerkonferenz eingesetzten Arbeitsgruppe „Inklusion von jungen Menschen mit Behinderungen“ offengebliebenen Fragen, um auf einer verlässlichen und qualifizierten Grundlage mit allen Beteiligten über die Umsetzung der „großen Lösung im SGB VIII“ entscheiden zu können. Anlage 36 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 58): Welche Verantwortung tragen die Krankenversicherungsträger im trägerübergreifenden Rehabilitationsprozess, und in welchem Umfang werden sie dieser nach Ansicht der Bundesregierung gerecht? Die gesetzlichen Krankenkassen erbringen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn die Leistungen medizinisch erforderlich sind und keine anderen -Rehabilitationsträger wie etwa Träger der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung vorrangig zuständig sind. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist es wichtig, dass die erforderlichen Leistungen möglichst nahtlos ineinander greifen. Nach Durchführung einer medizinischen Rehabilitation können zum Beispiel weiterführende Maßnahmen zur Sicherung des Rehabilita-tionserfolges wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft angezeigt sein, für die die Krankenkassen als Rehabilitationsträger nicht zuständig sind. Um ein nahtloses Ineinandergreifen zu ermöglichen, sieht das für die Rehabilitationsträger übergreifend geltende Recht, das Neunte Buch Sozialgesetzbuch, den Abschluss gemeinsamer Empfehlungen der Rehabilitationsträger der verschiedenen Sozialleistungsbereiche vor. Es soll eine Koordinierung und ein Zusammenwirken der Leistungen erreicht werden. Derzeit wird auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine Gemeinsame Empfehlung zur Erkennung und Feststellung des Teilhabebedarfs, zur Teilhabeplanung und zu Anforderungen an die Durchführung von Leistungen zur Teilhabe überarbeitet. Die Gemeinsame Empfehlung fasst die bisherigen Gemeinsamen Empfehlungen „Einheitlichkeit/Nahtlosigkeit“, „Frühzeitige Bedarfserkennung“, „Teilhabeplan“ und „Verbesserung der gegenseitigen Information und Kooperation“ zusammen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind an dieser Überarbeitung beteiligt und nehmen damit und durch die -Anwendung der Empfehlungen wie auch die übrigen Rehabilitationsträger ihre Verantwortung im trägerübergreifenden Rehabilitationsprozess wahr. Anlage 37 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 59): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Probleme bei der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderung, insbesondere hinsichtlich der Barrierefreiheit und der Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten, zu beheben, und welche Maßnahmen wird sie dazu ergreifen? Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung bereits in der letzten Legislaturperiode einen Nationalen Aktionsplan beschlossen. Dieser sieht unter anderem vor, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit, der Bundesärztekammer und den Verbänden behinderter Menschen ein Konzept zur Sensibilisierung des medizinischen Personals für die Belange behinderter Frauen und Männer erarbeitet und umsetzt. Außerdem sieht der Aktionsplan vor, dass die Bundesregierung gemeinsam mit der Ärzteschaft ein Gesamtkonzept vorlegt, das dafür Sorge trägt, dass in den nächsten zehn Jahren weitere Artpraxen barrierefrei zugänglich werden. Derzeit prüft die Bundesregierung, welche Anreize gesetzt werden können, um die Anzahl barrierefreier Einrichtungen zu erhöhen. Infrage kommen günstige Kreditbedingungen oder andere Formen der Förderung. Die im Einzelnen zuständigen Fachressorts befinden sich hierzu im Dialog und werden zeitnah Ergebnisse vorlegen. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 60): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Umsetzung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zur Vermeidung von ärztlichen Zwangsmaßnahmen? Die UN-Behindertenkonvention enthält keine ausdrücklichen Vorgaben zur Vermeidung ärztlicher Zwangsmaßnahmen. In Art. 25 der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Verpflichtung vorgesehen, dass auch Menschen mit Behinderungen in eine Behandlung nach vorheriger Aufklärung frei einwilligen sollen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Zwangsbehandlungen im Maßregelvollzug darf auch ein Einwilligungsunfähiger über das Ob und Wie einer Behandlung, der er unterzogen wird, grundsätzlich nicht im Unklaren gelassen werden. Vor diesem Hintergrund sieht § 630 e Abs. 5 BGB vor, dass auch der einwilligungsunfähige Patient in das Behandlungsgeschehen einzubeziehen ist. Ihm sind entsprechend seinem Verständnis die wesentlichen Umstände der vorgesehenen Maßnahme zu erläutern, soweit er aufgrund seines Entwicklungszustandes und seiner Verständnismöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterung aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Darüber hinaus enthält Art. 14 „Freiheit und Sicherheit der Person“ der UN-Behindertenkonvention Vorgaben zum Freiheitsentzug von Menschen mit Behinderungen. Diese Vorgaben sind bundesrechtlich umgesetzt. Die zwangsweise Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt gegen den Willen des Betroffenen greift in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ein. Sie stellt eine Freiheitsentziehung dar, über die grundsätzlich ein Richter zu entscheiden hat. Erfolgt eine Unterbringung im Eilfall ohne richterliche Anordnung, ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die weitere Freiheitsentziehung herbeizuführen (Art. 104 Abs. 2 Satz 1, 2 GG). Als Möglichkeiten freiheitsentziehender Unterbringung kommen insbesondere die zivilrechtliche und die öffentlich-rechtliche Unterbringung in Betracht. Die zivilrechtliche Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, ist gemäß § 1906 Abs. 1 BGB nur unter engen Voraussetzungen zulässig, beispielsweise bei Eigengefährdung. Sie bedarf darüber hinaus grundsätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 1906 Abs. 2 BGB). Im Übrigen gilt, dass für die Durchführung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ebenso wie für das Recht der ärztlichen Berufsübung die Länder zuständig sind. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 61): Wann und wie wird die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigten medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderung einführen? Es ist beabsichtigt, eine Gesetzesänderung für die im Koalitionsvertrag vorgesehene Regelung zu Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen noch in diesem Jahr einzuleiten. Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, wird sich die geplante Regelung an der für sozialpädia-trische Zentren geltenden Vorschrift des § 119 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch orientieren. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 62): Was wird die Bundesregierung zur Stärkung der gemeindenahen Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen unternehmen, oder aus welchen Gründen hält sie die bestehenden Vorschriften für ausreichend? Die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen ist ein wichtiges gesundheitspolitisches Anliegen. Zur weiteren Verbesserung der Versorgungslage werden die Vorschriften stetig weiterentwickelt. Daher sieht der Koalitionsvertrag für Erwachsene mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen vor, medizinische Behandlungszentren analog zu den sozialpädiatrischen Zentren zur (zahn-)medizinischen Behandlung (neuer § 119 c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V) zu schaffen. Dies wird das Versorgungsangebot für Menschen mit Behinderung weiter verbessern. Die kassenärztlichen Vereinigungen haben den Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung. Hierzu gehört insbesondere auch die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung fachärztlicher Versorgung, die auch den Belangen von Menschen mit Behinderung ausreichend Rechnung tragen muss. In diesem Sinne schreibt auch die Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vor, dass zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung behinderter Menschen bei der Bedarfsplanung vor allem im Hinblick auf Neuzulassungen die Barrierefreiheit besonders zu beachten ist (vergleiche § 4 Abs. 1 Satz 3 BPL-RL). Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 63): Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass im Zuge der Erarbeitung des Bundesteilhabegesetzes und der gleichzeitigen Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs keine neuen Verwerfungen zulasten der Leistungsbezieher entstehen? Die Bundesregierung wird im Rahmen der regierungsinternen Abstimmung der angeführten Reformvorhaben dafür Sorge tragen, dass keine Verwerfungen zulasten der Leistungsbezieher entstehen. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 64): Plant die Bundesregierung – wie von der Allianz der deutschen Nichtregierungsorganisationen in ihrem Bericht zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland gefordert – eine Stärkung des Rechts auf gleichgeschlechtliche Pflege, oder aus welchen Gründen hält sie die bestehenden Vorschriften für ausreichend? Die Belange geschlechtsspezifischer Unterschiede sind durch den Wortlaut des Elften Buches Sozialgesetzbuch, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, insbesondere durch die Regelungen in §§ 2 und 11 bereits ausreichend berücksichtigt. Danach haben die Wünsche der Pflegebedürftigen nach gleichgeschlechtlicher Pflege, ob in der ambulanten oder stationären Pflege, nach Möglichkeit Berücksichtigung zu finden. Dort ist auch ausdrücklich verankert, dass den Pflegebedürftigen so zu helfen ist, dass sie trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges Leben führen können, das der Würde des Menschen entspricht. Die Pflegeeinrichtungen haben sicherzustellen, dass Inhalt und Organisation eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde gewährleisten. Die gesetzlichen Regelungen im SGB XI sind insgesamt geeignet, geschlechtsspezifischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 65): Was plant die Bundesregierung zur Verbesserung der teilhabeorientierten Versorgung von Menschen mit Behinderung mit Heil- und Hilfsmitteln, oder aus welchen Gründen hält sie die bestehenden Vorschriften für ausreichend? Aufgrund der im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehenden Vorschriften haben Versicherte einen umfassenden Anspruch auf die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Umfasst ist die Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch sowie die zur Vermeidung unvertretbarer gesundheitlicher Risiken erforderlichen Wartungen und technischen Kontrollen. Auch die Versorgung mit Heilmitteln ist umfassend. Sie werden von der Krankenkasse geleistet, wenn Heilmittel notwendig sind, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Zu den Heilmitteln gehören Maßnahmen der physikalischen Therapie – zum Beispiel Krankengymnastik –, der Ergotherapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie der podologischen Therapie. Die Versorgung mit Heilmitteln muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Im Koalitionsvertrag ist für Arznei- und Heilmittel vorgesehen, dass die heutigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen bis Ende 2014 durch regionale Vereinbarungen von Krankenkassen und kassenärztlicher Selbstverwaltung ersetzt werden. Unberechtigte Regressforderungen bei Retaxationen gegenüber Heilmittelerbringern sollen unterbunden werden. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Pia Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 66): Kann die Bundesregierung ausschließen, dass sie den Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung für Kinderlose erhöhen wird, um damit den geplanten Pflegevorsorgefonds aufzustocken bzw. um damit Finanzierungslücken der Pflegeversicherung zu füllen? Die Bundesregierung orientiert sich bei der anstehenden Reform der Pflegeversicherung an den Vorgaben des Koalitionsvertrages, die eine Erhöhung des Beitragszuschlags Kinderloser nicht vorsehen. Anlage 45 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Pia Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 67): Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorstoß des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigten für Pflege, Karl-Josef Laumann, im Bereich der häuslichen Pflege das ehrenamtliche Engagement stärker als bisher einzubinden, wie er es am 26. Februar 2014 in einem Interview mit der Zeitung Die Welt vorgeschlagen hat – insbesondere vor dem Hintergrund, dass schon jetzt viele Angehörige kaum Anerkennung und finanzielle staatliche Unterstützung bei der Pflege ihrer Angehörigen im häuslichen Bereich erhalten, und welche konkreten Initiativen plant die Bundesregierung in diesem Zusammenhang? Die Bundesregierung plant, auf der Grundlage des Koalitionsvertrages auch die häusliche Pflege und das ehrenamtliche Engagement zu stärken und in diesem Zusammenhang unter anderem niedrigschwellige Entlastungsangebote für Pflegebedürftige und deren pflegende Angehörige auszubauen. Das Ehrenamt in der Pflege wird dadurch weiter gestärkt und in seiner Bedeutung weiter aufgewertet. Anlage 46 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 18/814, Frage 68): Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf der europäischen Ebene Bestrebungen, Anwendungsbeobachtungen zu Arzneimitteln, die vorwiegend Marketingzwecken dienen, effektiver zu unterbinden, als dies derzeit in Deutschland durch die Vorgaben in § 67 Abs. 6 des Arzneimittelgesetzes geregelt ist? Nein, der Bundesregierung sind keine Initiativen bekannt, mit denen im europäischen Recht die Anforderungen für Anwendungsbeobachtungen verschärft werden sollen. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 69): Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass Pkw-Besitzerinnen und Besitzer, die aufgrund einer Behinderung keine oder nur 50 Prozent Kraftfahrzeugsteuer bezahlen, durch die geplante Pkw-Maut nicht zusätzlich belastet werden? Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Konzept zur Einführung einer mit EU-Recht in Einklang -stehenden Pkw-Maut nach der im Koalitionsvertrag festgelegten Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute. Diese Aussage gilt selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderung. Über spezifische Ausgestaltungsmerkmale können derzeit allerdings noch keine Aussagen gemacht werden. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 70 und 71): Wie wird die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD formulierte Ziel, die Zahl der barrierefreien Bahnhöfe zu erhöhen, umsetzen, und wie lange wird es nach Einschätzung der Bundesregierung dauern, bis alle Bahnhöfe in Deutschland barrierefrei sind? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um einheitliche Standards bei der Barrierefreiheit von Fernbussen sicherzustellen, und wen sieht sie in der Pflicht, die Barrierefreiheit an Haltestellen herzustellen? Zu Frage 70: Eigentümerin und Bauherrin der Personenbahnhöfe und damit auch bei der Herstellung der Barrierefreiheit der Personenbahnhöfe ist die DB Station&Service AG, ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG, DB AG. Die DB AG hat gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, EBO, in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden der Behindertenselbsthilfe zwischenzeitlich das zweite Programm zur Herstellung von Barrierefreiheit aufgestellt. Das Programm wurde am 27. April 2012 vorgestellt. Es soll im Sinne eines umfassenden Ansatzes eine Vielzahl von Maßnahmen für mobilitätseingeschränkte oder kleine Personen, Blinde oder sehbehinderte Personen sowie hörbehinderte Personen umfassen. Einzelheiten dazu finden sich auf der Homepage der DB AG. Der Bund stellt den Eisenbahninfrastrukturunternehmen, und so auch der DB Station&Service AG, im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, LuFV, Mittel für Investitionen in das Bestandsnetz zur Verfügung. Auf dieser Basis ist die DB Station&Service AG ermächtigt, Bundesmittel auch zur Finanzierung von Investitionen zur Herstellung der Barrierefreiheit der Infrastruktur einzusetzen. Zu Frage 71: Die technischen Anforderungen an Omnibusse sind europaweit in der Richtlinie 2001/85/EG festgelegt. Dies gilt auch für die Anforderungen an die Barrierefreiheit. Ein darüber hinausgehender Bedarf für einheitliche Standards ist derzeit nicht zu erkennen. Die Träger der Straßenbaulast haben nach ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Straßen einschließlich der Haltestellen – unabhängig davon, ob sie von Fernbuslinien bedient werden – in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Dabei haben sie die Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung ergibt sich für den jeweiligen Straßenbaulastträger aus dem Bundesfernstraßengesetz oder den Straßen- und Wegegesetzen der Länder. Für das Unternehmen, das Fernbuslinienverkehr betreibt, ist derzeit eine solche Pflicht nicht ersichtlich. Es liegt allerdings im Interesse des Unternehmens, mit seinem eigenwirtschaftlichen Verkehrsangebot einen möglichst großen Kundenkreis anzusprechen. Dafür ist eine verkehrssichere und kundenfreundliche Gestaltung wichtig. Gerade angesichts der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden Zunahme mobilitätseingeschränkter Personen sollte dabei auch eine weitreichende Barrierefreiheit angestrebt werden. Die Betreiber von Fernbuslinien sollten sich daher mit den zuständigen Baulastträgern in Verbindung setzen und hier gemeinsam Verbesserungen anstreben. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 72 und 73): Inwiefern hält es die Bundesregierung für mit der Fahrgastrechteverordnung der Europäischen Union vereinbar, dass Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nach meiner Kenntnis an vielen Bahnhöfen in Deutschland auch nach vorheriger Anmeldung in den (frühen) Morgen- und (späten) Abendstunden sowie an einigen Bahnhöfen auch an Wochenenden keine Unterstützung beim Ein-, Um- oder Ausstieg erhalten, und was wird sie tun, damit diese Personengruppe mit jedem Zug reisen kann, der am entsprechenden Bahnhof hält? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Barrierefreiheit im Flug- und Schiffsverkehr zu erhöhen? Zu Frage 72: Die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr verlangt, dass der Bahnhofsbetreiber einer Person mit einer Behinderung oder eingeschränkter Mobilität in einem mit Personal besetzten Bahnhof für kostenlose Hilfeleistung in einer Weise zu sorgen hat, dass die Person in den abfahrenden Verkehrsdienst einsteigen, zum Anschlussverkehrsdienst umsteigen und aus dem ankommenden Verkehrsdienst aussteigen kann, für den sie eine Fahrkarte erworben hat. In einem nicht mit Personal ausgestatteten Bahnhof haben das Eisenbahnunternehmen und der Bahnhofs-betreiber sicherzustellen, dass leicht zugängliche Informationen über die nächstgelegenen mit Personal aus-gestatteten Bahnhöfe und über direkt verfügbare Hilfeleistungen für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität angezeigt werden. Eisenbahnunternehmen, Bahnhofsbetreiber, Fahrkartenverkäufer oder Reiseveranstalter haben alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Meldungen des Hilfsbedarfs entgegennehmen zu können. Der Hilfsbedarf ist im Rahmen der zur Verfügung stehenden Kapazitäten zu gewähren. Darüber hinaus sind Eisenbahnen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, EBO, verpflichtet, Programme zur Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erstellen mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Sie sind weiterhin verpflichtet, diese Programme dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, BMAS, mitzuteilen. Zu Frage 73: Barrierefreie Mobilität für ältere sowie für behinderte und in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen hat für die Bundesregierung eine hohe Bedeutung, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels künftig noch wachsen wird. Seit dem 26. Juli 2008 haben in Deutschland mobilitätseingeschränkte und behinderte Flugreisende durch die europäische Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität umfangreiche und deutlich verbesserte Rechte. Flughäfen und Fluggesellschaften sind zu weitreichenden Unterstützungs- und Informationsleistungen verpflichtet, die die Vorbereitung und Durchführung einer Flugreise erleichtern. Zugleich wird in dieser Verordnung festgelegt, dass die Bedürfnisse bei der Gestaltung von neuen Flughäfen und bei neuen und neu einzurichtenden Flugzeugen soweit wie möglich zu berücksichtigen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Herstellung der Barrierefreiheit ein dynamischer Prozess ist, der nur schrittweise und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vollzogen werden kann. Aufgrund der langen Lebensdauer vorhandener und noch nicht barrierefrei konzipierter Infrastruktureinrichtungen und Flugzeugkabinen kann der Nachhohlbedarf nur schrittweise erfüllt werden. Bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel und Kommunikationseinrichtungen können nur sukzessive so gestaltet werden, dass sie für behinderte oder in ihrer Mobilität eingeschränkte Flugreisende ohne besondere Erschwernis nutzbar sind. Eine Ausstattung beispielsweise mit rollstuhlgerechten Toiletten ist bereits durch diverse Bauordnungen gewährleistet. Allerdings betreffen Fragen des Innendesigns von Flugzeugkabinen, wie zum Beispiel die Breite von Türen und Gängen, Sitzabstände und die Zugänglichkeit von Bordtoiletten den Bereich der Erstellung und des Erlasses von technischen Vorschriften für die Musterzulassung. Hier haben Deutschland und die übrigen europäischen Mitgliedstaaten seit April 2008 keine originäre Zuständigkeit mehr. Mit der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 wurde der europäischen Kommission die Zuständigkeit übertragen, Durchführungsvorschriften für die Bereiche Lufttüchtigkeit, Flugbetrieb, Lizenzierung und Sicherheit von Drittlandfluggerät zu erlassen. Für Binnenfahrgastschiffe auf dem Rhein gibt es seit 2004 neue technische Anforderungen. Bei der Ausarbeitung der Vorschriften bildete die Frage der Gestaltung von Bereichen für Personen mit eingeschränkter Mobi-lität einen wesentlichen Bestandteil. Alle seit dem 1. Januar 2006 neu gebauten Fahrgastschiffe müssen bestimmte Voraussetzungen bei der Gestaltung ihrer Fahrgasträume erfüllen (zum Beispiel bei den Ausgängen, Türen, Treppen und Aufzügen, Decks, Toiletten). Bereits in Betrieb befindliche Schiffe müssen innerhalb bestimmter Zeiträume nachgerüstet werden. Mit Inkrafttreten der Neufassung der Binnenschiffsuntersuchungsordnung vom 6. Dezember 2008 am 1. Januar 2009 wurden in Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2006/87/EG die Vorschriften für Schiffsneubauten auf allen Bundeswasserstraßen ausgedehnt. Mit der Sechsten Schiffssicherheitsanpassungsverordnung gibt es schon seit 2003 auch im Seeschiffverkehr Bestimmungen zum barrierefreien Zugang zu Diensten, zur Nichtdiskriminierung und zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Entsprechend der Richtlinie 2009/45/EG über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe sind demnach geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass für Personen mit eingeschränkter Mobilität ein sicherer Zugang zu Fahrgastschiffen und Fahrgasthochgeschwindigkeitsfahrzeugen gewährleistet ist. In Anlehnung an vergleichbare Regelungen im Luft- und Eisenbahnverkehr werden auch im Schiffsverkehr die Rechte von mobilitätseingeschränkten und behinderten Schiffsreisenden europaweit gestärkt. Die EU-Verordnung über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr zur Schifffahrt sieht unter anderem spezifische Rechte und Hilfeleistungen für diese Personen vor. Zur Umsetzung wurden in Deutschland im -Dezember 2012 insbesondere das EU-Fahrgastrechte-Schifffahrt-Gesetz, EU-FahrgRSchG, und die EU-Fahrgastrechte-Schifffahrt-Verordnung, EU-FahrgRSchV, geschaffen. Zudem wurde als Anlaufstelle für eine freiwillige Schlichtung bei Beschwerden von Fahrgästen gegenüber ihrem Vertragspartner die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, söp, mit Sitz in Berlin zertifiziert. Das Eisenbahnbundesamt, EBA, wurde als Durchsetzungsstelle für Fälle von Verstößen gegen die Vorgaben der EU-Verordnung und der gesetzlichen Regelungen benannt, um die Einhaltung der Fahrgastrechte im Schiffsverkehr zu gewährleisten. Die Bundesregierung wird vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention weiterhin den Dialog mit Unternehmen der Wirtschaft suchen, um das Qualitätsmerkmal des universellen Designs weiter zu verbreiten und, wo erforderlich, die stärkere Berücksichtigung der Interessen behinderter Menschen ansprechen. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 74 und 75): Ist die Frage von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen Gegenstand der laufenden Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP? Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Festlegung von Nachtflugverboten und anderen Betriebsbeschränkungen durch den Abschluss der TTIP beeinflusst wird? Zu Frage 74: Die Frage von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen ist nicht Gegenstand der laufenden Verhandlungen. Zu Frage 75: Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Festlegung von Nachtflugverboten und anderen Betriebsbeschränkungen durch den Abschluss der TTIP beeinflusst wird. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 76): Wird die Bundesregierung, als Vertreterin des Gesellschafters Bund in der Gesellschafterversammlung der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg, einen vom Gesellschafter Brandenburg eingebrachten Antrag auf Verlängerung des Nachtflugverbots am künftigen Hauptstadtflughafen BER für den Zeitraum 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr mittragen, und wenn nein, wie begründet die Bundesregierung eine möglicherweise ablehnende Haltung gegenüber der Ausweitung des Nachtflugverbots durch eine entsprechende Änderung der Betriebsgenehmigung? Der Gesellschafter Bund übt sein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, FBB, aus. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung im Zusammenhang mit dem BER-Projekt bedürfen nach dem Gesellschaftsvertrag einer Mehrheit von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen. Zum Beschlussantrag des Gesellschafters Land Brandenburg über eine Anweisung der Geschäftsführung der FBB zur Beantragung einer Änderung der Betriebsgenehmigung bei der zuständigen Genehmigungsbehörde über die vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nachtflugregelung des bestandskräftigen Planergänzungsbeschlusses „Lärmschutzkonzept BB“ vom 20. Oktober 2009 hinaus ist noch keine Gesellschafterversammlung berufen worden. Anlage 52 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 77): Wie fördert die Bundesregierung bezahlbaren barrierefreien Wohnraum insbesondere in studentischen Großstädten, und welche Maßnahmen plant sie angesichts des immer größer werdenden Bedarfs an behinderten- und altersgerechtem Wohnraum? Infolge der Föderalismusreform I haben seit 2007 die Länder die ausschließliche Zuständigkeit für die Wohnraumförderung. Der Bund zahlt den Ländern bis Ende 2019 jährlich 518,2 Millionen Euro Kompensationsmittel. Die Verwendung der Kompensationsmittel ist nach dem Grundgesetz seit 2014 auf „investive Zwecke“ beschränkt. Bis 2013 wurden die Mittel je nach politischer Schwerpunktsetzung von den Ländern auch für den barrierefreien Neubau preisgünstiger Wohnungen, die Modernisierung des Bestands und den Bau von Altenheimen eingesetzt. Diese Möglichkeit steht den Ländern aufgrund der Weitergewährung der Kompensationsmittel weiterhin offen. Dazu gehört auch der Bau von Studentenwohnraum. Die Schaffung von mehr bezahlbarem und generationengerechtem Wohnraum wird von der Bundesregierung weiterhin unterstützt. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass zur Förderung des generationengerechten Umbaus ein neues Programm „Altersgerecht Umbauen“ aufgelegt wird. Es soll mit Investitionszuschüssen ausgestattet werden und das bestehende KfW-Darlehensprogramm ergänzen. Im CO2-Gebäudesanierungsprogramm soll bei zusätzlichen Maßnahmen zum Barriereabbau ein Förderbonus verankert werden. Nach Auslaufen des im Rahmen des Konjunkturpakets I von vornherein bis zum 31. Dezember 2011 befristeten Bundesprogramms „Altersgerecht Umbauen“ hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, seit dem 1. Januar 2012 in der Darlehensvariante ein zinsverbilligtes Eigenmittelprogramm „Altersgerecht Umbauen“ aufgelegt. Das Zuschussprogramm ist entfallen. Bis Ende 2013 haben Bund und KfW zusammen den Umbau von insgesamt rund 121 000 altersgerechten Wohnungen gefördert. Davon entfallen auf die Laufzeit des Bundesprogramms 82 500 Wohnungen. Auch für die Schaffung von bezahlbarem und energieeffizientem Wohnraum für Studierende stehen die Programme der KfW zur Verfügung. Neben der demografischen Entwicklung und dem Wohnen im Alter ist auch die Initiative zur Schaffung von studentischem Wohnraum in dieser Legislaturperiode ein wichtiges Handlungsfeld in dem geplanten „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“. Anlage 53 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Fragen des Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 78 und 79): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen des Forschungsprojekts „Wohnen im Alter“ des ehemaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die für Deutschland bis zum Jahr 2020 einen Bedarf an 3 Millionen barrierefreien bzw. barrierereduzierten Wohnungen prognostizieren, und in welcher Form koordiniert sich die Bundesregierung mit den Bundesländern, um den Bestand solcher Wohnungen zu steigern? Wie viele Bundesmittel wurden in den letzten drei Jahren für das Programm der KfW Bankengruppe „Altersgerecht Umbauen“ bereitgestellt – bitte nach Kredit- und Zuschuss-linie und Jahren aufschlüsseln –, und wie hoch waren die abgerufenen Mittel – bitte nach Kredit- und Zuschusslinie und Jahren aufschlüsseln? Zu Frage 78: Nach Auslaufen des im Rahmen des Konjunkturpakets I von vornherein bis zum 31. Dezember 2011 befristeten Bundesprogramms „Altersgerecht Umbauen“ hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, seit dem 1. Januar 2012 in der Darlehensvariante ein zinsverbilligtes Eigenmittelprogramm „Altersgerecht Umbauen“ aufgelegt. Das Zuschussprogramm ist entfallen. Bis Ende 2013 haben Bund und KfW zusammen den Umbau von insgesamt rund 121 000 altersgerechten Wohnungen ge-fördert. Davon entfallen auf das Bundesprogramm 82 500 Wohnungen. Auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Forschungsprojekts „Wohnen im Alter“ wird die Bundes-regierung die Schaffung von mehr generationengerechtem Wohnraum weiterhin unterstützen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass zur Förderung des generationengerechten Umbaus ein neues Programm „Altersgerecht Umbauen“ aufgelegt wird, das mit Investitionszuschüssen ausgestattet wird und das bestehende KfW-Darlehensprogramm ergänzen soll. Im CO2-Gebäudesanierungsprogramm soll bei zusätzlichen Maßnahmen zum Barriereabbau ein Förderbonus verankert werden. Gemeinschaftliche Wohnformen älterer Menschen sollen modellhaft gefördert werden. Die Förderung des altersgerechten Umbaus ist auch in das am 1. Juli 2013 in Kraft getretene Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz – sogenannter „Wohn-Riester“ – aufgenommen worden. Damit erhalten förderberechtigte selbstnutzende Eigentümer die Möglichkeit, die Förderung für die bauliche Vorsorge im Alter einzusetzen. Die Schaffung von altersgerechtem Wohnraum wird auch in der sozialen Wohnraumförderung der Länder unterstützt. Infolge der Föderalismusreform I haben diese seit 2007 die ausschließliche Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderung. Der Bund stellt ihnen jedoch bis Ende 2019 hierfür Kompensationsmittel in Höhe von 518,2 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Die Verwendung der Kompensationsmittel ist nach dem Grundgesetz allerdings seit 2014 nur noch auf „investive Zwecke“ beschränkt; sie müssen seitdem nicht mehr für die soziale Wohnraumförderung eingesetzt werden. Im Koalitionsvertrag wird allerdings die Erwartung geäußert, dass die Länder diese Mittel weiterhin zweckgebunden für den Bau neuer Sozialwohnungen, neue Sozialbindungen sowie für die sozialverträgliche Sanierung des Wohnungsbestandes einsetzen. Die Mittel wurden bis 2013 je nach politischer Schwerpunktsetzung von den Ländern auch für den barrierefreien Neubau preisgünstiger Wohnungen, die Modernisierung des Bestands und den Bau von Altenheimen eingesetzt. Diese Möglichkeit steht den Ländern aufgrund der Weitergewährung der Kompensationsmittel weiterhin offen. Die demografische Entwicklung und Wohnen im Alter sind auch ein wichtiges Handlungsfeld für das geplante Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen. Zu Frage 79: Die Bundesregierung hat im Jahr 2011 bei Titel 661 08, Darlehensprogramm, Programmmittel in Höhe von 80 Millionen Euro bereitgestellt; davon wurden 64 Millionen Euro in Anspruch genommen. Bei Titel 891 02, Zuschuss, wurden 2011 Programmmittel in Höhe von 20 Millionen Euro bereitgestellt; davon wurden 13,635 Millionen Euro in Anspruch genommen. In den Jahren 2012 und 2013 wurden keine Programmmittel bereitgestellt. Auf die Antwort zu Frage 78 wird verwiesen. Anlage 54 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 80): Kann die Bundesregierung bestätigen, dass bei der 104. und 112. Sitzung des Fachausschusses Druckführende Komponenten und Werkstoffe der Reaktor-Sicherheitskommission, RSK, sowie bei der 75. Sitzung des RSK-Fachausschusses Anlagen- und Systemtechnik jeweils zwei bzw. bei Letzterer sechs Betreiber/Herstellervertreter zugegen waren, und jeweils wie viele Betreiber/Herstellervertreter waren ähnlich wie bei den oben genannten drei RSK-Fachausschusssitzungen in der letzten Wahlperiode bei weiteren Sitzungen der RSK oder ihrer Fachausschüsse zugegen, die in der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 18/815 noch nicht genannt wurden? Die RSK-Geschäftsstelle bestätigt, dass die in der Frage genannte Anzahl von Betreiber-/Herstellervertretern in den genannten Sitzungen der Ausschüsse der Reaktorsicherheitskommission, RSK, teilgenommen hat. Die Teilnahme fand im Rahmen einer Anhörung statt. Daher wurden diese Sitzungen in der Antwort auf Ihre schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 18/815 nicht aufgeführt, die sich ausdrücklich auf die Anwesenheit bei Sitzungen „abgesehen von Anhörungen“ bezog. In der letzten Wahlperiode haben nach Angabe der RSK-Geschäftsstelle insgesamt 74 Sitzungen der RSK und ihrer Ausschüsse stattgefunden, in denen 225 Betreiber-/Herstellervertreter zwecks Anhörung zugegen waren. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stefan Müller auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Frage 81): Was waren jeweils die genauen Beweggründe für die drei in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 18/668 genannten Kündigungen der bundeseigenen Deutschen Bahn AG, des vom Bund getragenen -Helmholtz-Zentrums München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH und der bundeseigenen Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs-GmbH bei den in der genannten Drucksache jeweils genannten Vereinigungen, und wie hoch waren die in der genannten Drucksache nicht aufgelisteten Mitgliedsbeiträge der bundeseigenen AVR GmbH Jülich im VGB PowerTech e. V. jeweils in den letzten zehn Jahren (zur Tatsache der Mitgliedschaft vergleiche Tätigkeitsberichte des VGB PowerTech e. V.)? Über die genauen Beweggründe für die auf Bundestagsdrucksache 18/668 genannten Kündigungen bei den dort genannten Vereinigungen durch die Deutsche Bahn AG, das Helmholtz-Zentrum München für Umwelt und Gesundheit und die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs-GmbH sowie über die nicht aufgeführten Mitgliedsbeiträge der AVR Jülich GmbH im VGB Powertech e. V. liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Innerhalb der zur Beantwortung einer mündlichen Frage zur Verfügung stehenden Frist war es nicht möglich, die Vereinigungen einzeln abzufragen. Die gewünschten Informationen werden nach erfolgter Befassung der Vereinigungen nachgereicht. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 82 und 83): Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, auch im Zusammenwirken mit den Ländern, die Erkenntnisse des Projekts „Diskriminierungsfreie Hochschule. Mit Vielfalt Wissen schaffen“ in den Hochschulen zu verankern, und wie wird die Bundesregierung künftig die Hochschulrektorenkonferenz unterstützen, um die Chancengleichheit für Studierende mit Behinderung zu sichern? Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung aufgrund der Ausführungen im zweiten Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Situation von Nachwuchswissenschaftlern mit Behinderungen, und wie beabsichtigt sie die darin aufgezeigten Erkenntnislücken zu schließen? Zu Frage 82: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, unterstützt seit vielen Jahren insbesondere im Bereich Studium und Behinderung den bundesweiten Monitoring-Prozess aller Akteure im Hochschulbereich. Darüber hinaus trägt das BMBF im Rahmen der Ressortforschung durch Studierendenbefragungen wie der So-zialerhebung, dem Studierendensurvey und der bundesweiten Studie „beeinträchtigt studieren“ dazu bei, die Daten als Grundlage für künftig erforderliche Maßnahmen im Themenfeld „Diskriminierungsfreie Hochschulen“ den zuständigen Akteuren zur Verfügung zu stellen. Für die Umsetzung von konkreten Maßnahmen, die dazu dienen, die teilweise noch vorhandenen strukturellen und direkten Diskriminierungen an Hochschulen weiter abzubauen, sind entsprechend der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Länder sowie der Eigenständigkeit der Hochschulen die Hochschulen vor Ort zuständig. Zu Frage 83: Die Bundesregierung ist sich der lückenhaften Datenlage zur Situation von Nachwuchswissenschaftlern mit Behinderung bewusst. Bei Verfügbarkeit der dafür erforderlichen Haushaltsmittel plant die Bundesregierung die Datengewinnung zum wissenschaftlichen Nachwuchs deutlich zu verstärken. Dabei ist unter anderem vorgesehen, die Situation von Nachwuchswissenschaftlern mit Behinderung zu untersuchen. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 84 und 85): Wie ermittelt die Bundesregierung mittlerweile angesichts der Ankündigung im Aktionsplan des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, einen entsprechenden Ansatz zu entwickeln, inwiefern Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit inklusiv gestaltet sind, und wie hoch ist der Anteil der entwicklungspolitischen Maßnahmen, die inklusiv sind (bitte in Prozent und absolut angeben)? Inwiefern wird das Thema „Behinderung“ vonseiten der Bundesregierung in die Post-2015-Debatte eingebracht, und inwieweit werden Menschen mit Behinderung in den Entwicklungsländern als Akteure, zum Beispiel durch Selbstvertretungsorganisationen, im Prozess berücksichtigt? Zu Frage 84: Die Bundesregierung hat durch die Verabschiedung des Aktionsplans zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen verschiedene Prozesse in Gang gesetzt, um Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit inklusiver zu gestalten. Dies betrifft viele Sektoren und Länder, in denen die deutsche Entwicklungszusammenarbeit tätig ist. Als Grundlage der Prüfung von Vorhaben dient das übersektorale Konzept „Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik“, das auch die Inklusion von Menschen mit Behinderungen umfasst. In Bezug auf die Erfassung und Evaluierung von inklusiven Vorhaben werden Evaluierungsinstrumente entwickelt. Das BMZ verfolgt einen zweigleisigen Ansatz zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit – spezifische und Querschnittsvorhaben – und förderte in den Jahren 2009 bis 2013 spezifische Projekte mit einem Volumen von rund 50 Millionen Euro zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern. Aktuelle Daten zu Vorhaben mit inklusiven Bestandteilen können bei Bedarf ermittelt werden. Zu Frage 85: Die Bundesregierung setzt sich auf internationaler Ebene aktiv für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein, dies sowohl durch Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit als auch in VN-Debatten und Prozessen. Dazu gehört unter anderem die konstruktive Mitarbeit bei den jährlichen Vertragsstaatenkonferenzen der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen oder Sitzungen der Sozialentwicklungskommission. Die Bundesregierung hat eine auf Menschenrechten basierte und inklusive Zusammenarbeit beim Gipfeltreffen der Vereinten Nationen zum Thema „Behinderung und Entwicklung“ 2013 unterstrichen. Sie setzt sich gleichermaßen hierfür ein bei der laufenden Open Working Group on Sustainable Development Goals. Die deutsche Position zur Post-2015-Debatte verweist explizit auf die Nichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen und finanziert bereits Forschungsaktivitäten zur Inklusion – ein bislang unerforschtes Gebiet. Zudem fördert die Bundesregierung den Austausch mit und die Stärkung von Selbstvertretungsorganisationen und ihrer Netzwerke, zum Beispiel durch Dialogforen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf die Fragen der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/814, Fragen 86 und 87): Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Baumaßnahmen, die durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden, in den Partnerländern barrierefrei und inklusiv ausgeführt werden? Inwiefern werden zivilgesellschaftliche Antragsteller bei durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekten, etwa durch den Titel „Förderung der entwicklungspolitischen Bildung“, dazu aufgefordert, ihre Projekte inklusiv zu planen und umzusetzen? Zu Frage 86: Das BMZ-Konzept „Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik“ (2011) – verbindlich für alle Institutionen der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit – umfasst den in den Menschenrechtskonventionen verankerten besonderen Schutz und die gezielte Förderung der Rechte benachteiligter bzw. diskriminierter Gruppen. Hierunter fallen Menschen mit Behinderungen. Einzelne Maßnahmen: Für die Erarbeitung der Länderstrategien des BMZ besteht eine entsprechende Arbeitshilfe zur Umsetzung des Menschenrechtsansatzes. Für die Erstellung von Programmvorschlägen durch die Durchführungsorganisationen – KfW, GiZ, PTB, BGR – ist die Prüfung der jeweils relevanten menschenrechtlichen Risiken und Wirkungen im Vorfeld aller Vorhaben und für alle Module der deutschen staatlichen EZ verpflichtende Aufgabe. Hierzu erstellter BMZ-Leitfaden zur Berücksichtigung von menschenrechtlichen Standards und Prinzipien, einschließlich Gender, bei der Erstellung von Programmvorschlägen der deutschen staatlichen Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit berücksichtigt Barrierefreiheit. Speziell GIZ und KfW: Inklusion und Barrierefreiheit werden bei Neubau, Erweiterung, Renovierung und Sonderbauten systematisch geprüft. Die Freigabe erfolgt nur nach vorheriger Prüfung von Konzept, Planung, Ausschreibung und Bau der zuständigen Abteilungen. Die KfW berücksichtigt dies in den Finanzierungsvereinbarungen, unter anderem durch Vorgaben für Gutachter und Guchtachterinnen. Zu Frage 87: Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft unter Nutzung aller Kooperationsmöglichkeiten ist ein wichtiges Handlungsfeld im Rahmen des BMZ-Aktionsplans zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Die für die Kooperation mit der Zivilgesellschaft verantwortliche Vorfeldinstitution Engagement Global setzt sich in verschiedenen Programmen in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren für die Inklusion von Jugendlichen und Erwachsenen ein. Die Organisation strebt die Verbesserung von Barrierefreiheit und Inklusion in den Programmabläufen an. Anlagen II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 VII Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 1756 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 22. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. März 2014 1755