Plenarprotokoll 18/36 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 36. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2014 I n h a l t : Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 2995 A Absetzung der Tagesordnungspunkte 13, 14 und 16 2995 D Nachträgliche Ausschussüberweisungen 2995 D Tagesordnungspunkt 3: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 2014 Drucksache 18/1180 2996 D b) Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Feist, Uda Heller, Albert Rupprecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Willi Brase, Rainer Spiering, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Berufliche Bildung zukunftssicher gestalten – Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung stärken Drucksache 18/1451 2997 A c) Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Das Recht auf Ausbildung umsetzen Drucksache 18/1454 2997 A d) Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Brigitte Pothmer, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Berufliche Bildung sichern – Jungen Menschen Zukunftschancen bieten Drucksache 18/1456 2997 B Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 2997 B Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) 2999 D Rainer Spiering (SPD) 3001 B Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) 3001 C Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3003 D Albert Rupprecht (CDU/CSU) 3005 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3006 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 3007 C Aydan Özoguz, Staatsministerin BK 3008 D Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3010 A Lena Strothmann (CDU/CSU) 3011 A Willi Brase (SPD) 3012 B Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) 3013 D Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3015 A Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) 3015 C Uda Heller (CDU/CSU) 3017 A Sven Volmering (CDU/CSU) 3018 B Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Bärbel Höhn, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ein starkes Primat der Politik – Für fairen Handel ohne Demokratie-Outsourcing Drucksache 18/1457 3019 C b) Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Katja Keul, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für fairen Handel ohne Klageprivilegien für Konzerne Drucksache 18/1458 3019 D c) Antrag der Abgeordneten Thomas Nord, Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP stoppen Drucksache 18/1093 3019 D d) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Thomas Nord, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vertragstext zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada sofort vorlegen Drucksache 18/1455 3020 A Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3020 A Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) 3021 C Klaus Ernst (DIE LINKE) 3022 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3022 C Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) 3024 B Klaus Ernst (DIE LINKE) 3025 C Wolfgang Tiefensee (SPD) 3027 C Stefan Liebich (DIE LINKE) 3028 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3028 D Heike Hänsel (DIE LINKE) 3029 B Klaus Ernst (DIE LINKE) 3029 D Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3030 C Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3031 C Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 3033 A Alexander Ulrich (DIE LINKE) 3035 B Klaus Barthel (SPD) 3036 D Barbara Lanzinger (CDU/CSU) 3038 B Claudia Tausend (SPD) 3040 B Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) 3041 D Dr. Sascha Raabe (SPD) 3043 D Tagesordnungspunkt 5: Bericht des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag – Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2013 Drucksache 18/1300 3045 D Kersten Steinke (DIE LINKE) 3046 A Günter Baumann (CDU/CSU) 3048 A Kerstin Kassner (DIE LINKE) 3049 C Udo Schiefner (SPD) 3050 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3051 C Paul Lehrieder (CDU/CSU) 3053 A Birgit Wöllert (DIE LINKE) 3054 B Markus Paschke (SPD) 3055 A Antje Lezius (CDU/CSU) 3055 D Annette Sawade (SPD) 3056 C Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) 3057 C Stefan Schwartze (SPD) 3058 B Gero Storjohann (CDU/CSU) 3059 B Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines -Gesetzes zur Änderung des Rind-fleischetikettierungsgesetzes und des Legehennenbetriebsregistergesetzes Drucksache 18/1286 3060 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Privatisierung von Ackerland und Wäldern durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH Drucksache 18/1366 3060 B c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über bislang geprüfte Optionen zur Steigerung von Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit sowie über Maßnahmen zur stärkeren Berücksichtigung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften als Beschaffungsvariante der öffentlichen Hand Drucksache 17/13749 3060 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Jürgen Trittin, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europäische Energieunion – Unabhängigkeit durch Effizienz, Einsparung und erneuerbare Energien schaffen Drucksache 18/1461 3060 C Tagesordnungspunkt 24: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften Drucksachen 18/823, 18/1492 3060 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Ausdehnung der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. …/2013 über ein Aktionsprogramm in den Bereichen Austausch, Unterstützung und Ausbildung zum Schutz des Euro gegen Geldfälschung (Programm „Pericles 2020“) auf die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten Drucksachen 18/1225, 18/1473 3061 A c)–k) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52 und 53 zu Petitionen Drucksachen 18/1350, 18/1351, 18/1352, 18/1353, 18/1354, 18/1355, 18/1356, 18/1357, 18/1358 3061 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Rüstungsexportgenehmigungen der Großen Koalition 3062 B Inge Höger (DIE LINKE) 3062 B Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) 3063 B Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3065 A Rainer Arnold (SPD) 3066 C Julia Bartz (CDU/CSU) 3067 D Jan van Aken (DIE LINKE) 3068 D Hubertus Heil (Peine) (SPD) 3070 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3072 A Helmut Nowak (CDU/CSU) 3073 B Klaus Barthel (SPD) 3074 B Henning Otte (CDU/CSU) 3075 B Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 3076 A Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 3077 B Tagesordnungspunkt 6: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010 und dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 Drucksachen 18/1282, 18/1486 3078 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1487 3078 C Niels Annen (SPD) 3078 C Jan van Aken (DIE LINKE) 3079 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) 3080 D Heike Hänsel (DIE LINKE) 3081 A Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3082 A Julia Bartz (CDU/CSU) 3083 A Gabi Weber (SPD) 3084 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) 3084 D Namentliche Abstimmung 3086 A Ergebnis 3086 D Zusatztagesordnungspunkt 5: Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes 3086 B Wahl 3086 D Ergebnis 3092 B Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Begrenzung und Vereinheitlichung der Zinssätze für Dispo- und Überziehungskredite Drucksache 18/807 3086 A b) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Begrenzung von Dispositions- und Überziehungszinsen Drucksache 18/1342 3086 B Caren Lay (DIE LINKE) 3086 B Mechthild Heil (CDU/CSU) 3090 D Caren Lay (DIE LINKE) 3091 B Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3092 B Dr. Johannes Fechner (SPD) 3093 B Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 3094 B Dennis Rohde (SPD) 3095 A Olav Gutting (CDU/CSU) 3096 A Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3096 B Dr. Carsten Sieling (SPD) 3097 B Tagesordnungspunkt 8: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner Drucksachen 18/841, 18/1488 3098 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner Drucksachen 18/1285, 18/1488 3098 B b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ulle Schauws, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze im Bereich des Adoptionsrechts Drucksachen 18/577 (neu), 18/1488 3098 B c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Katja Keul, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern (revidiert) Drucksachen 18/842, 18/1488 3098 C Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 3098 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 3099 C Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) 3100 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3102 B Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) 3103 C Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 3104 A Johannes Kahrs (SPD) 3105 A Namentliche Abstimmung 3105 D Ergebnis 3106 C Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen – KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern Drucksache 18/1453 3108 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen Drucksache 18/1450 3109 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3109 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 3110 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3111 C Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 3112 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 3113 D Kees de Vries (CDU/CSU) 3114 D Dr. Matthias Miersch (SPD) 3116 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3116 C Namentliche Abstimmungen 3117 C Ergebnisse 3119 D, 3122 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 Drucksache 18/1415 3117 D Michael Roth, Staatsminister AA 3118 A Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 3124 B Philipp Mißfelder (CDU/CSU) 3126 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) 3126 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3128 A Florian Hahn (CDU/CSU) 3129 B Michael Brand (CDU/CSU) 3130 B Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gemeindewirtschaftsteuer einführen – Kommunalfinanzen stärken Drucksache 18/1094 3132 A Susanna Karawanskij (DIE LINKE) 3132 B Matthias Hauer (CDU/CSU) 3133 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3134 A Bernhard Daldrup (SPD) 3135 A Ingbert Liebing (CDU/CSU) 3136 D Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher -Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik -(Direktzahlungen-Durchführungsgesetz – DirektZahlDurchfG) Drucksachen 18/908, 18/1418, 18/1493 3138 A Marlene Mortler (CDU/CSU) 3138 B Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 3139 B Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) 3140 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3141 D Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) 3142 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Frank Tempel, Jan Korte, Ulla Jelpke, Martina Renner und weiterer Abgeordneter: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksache 18/1475 3142 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3145 A Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 3146 A Frank Tempel (DIE LINKE) 3147 A Uli Grötsch (SPD) 3148 A Frank Tempel (DIE LINKE) 3148 C Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) 3150 A Tagesordnungspunkt 18: Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a GO-BT: Technikfolgenabschätzung (TA) – Postdienste und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien Drucksache 18/582 3151 B Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Schutz von Kindern vor Schadstoffen in Spielzeugen wirksam durchsetzen Drucksache 18/1367 3151 C Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einsetzung einer Unabhängigen Kommission zur sprachlichen Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen, insbesondere von Gesinnungsmerkmalen Drucksache 18/865 3152 A Halina Wawzyniak (DIE LINKE) 3152 A Ansgar Heveling (CDU/CSU) 3153 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3154 A Dirk Wiese (SPD) 3155 A Alexander Hoffmann (CDU/CSU) 3156 B Nächste Sitzung 3157 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3159 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Corinna Rüffer, Peter Meiwald und Christian Kühn (Tübingen) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010 und dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 (Tagesordnungspunkt 6) 3159 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010 und dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 (Tagesordnungspunkt 6) 3160 B Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Brunner, Susann Rüthrich, Rainer Arnold, Ulrike Bahr, Dr. Katarina Barley, Dr. Matthias Bartke, Bärbel Bas, Lothar Binding (Heidelberg), Willi Brase, Edelgard Bulmahn, Dr. Lars Castellucci, Petra Crone, Dr. Karamba Diaby, Sabine Dittmar, Elvira Drobinski-Weiß, Siegmund Ehrmann, Michaela Engelmeier-Heite, Petra Ernstberger, Saskia Esken, Karin Evers-Meyer, Dr. Johannes Fechner, Dr. Fritz Felgentreu, Elke Ferner, Christian Flisek, Gabriele Fograscher, Dagmar Freitag, Martin Gerster, Ulrike Gottschalk, Bettina Hagedorn, Rita Hagl-Kehl, Metin Hakverdi, Ulrich Hampel, Michael Hartmann, Sebastian Hartmann (Wackernheim), Dirk Heidenblut, Hubertus Heil (Peine), Gabriela Heinrich, Marcus Held, Wolfgang Hellmich, Gabriele Hiller-Ohm, Petra Hinz (Essen), Christina Jantz, Frank Junge, Thomas Jurk, Oliver Kaczmarek, Christina Kampmann, Ralf Kapschack, Gabriele Katzmarek, Cansel Kiziltepe, Daniela Kolbe, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Hiltrud Lotze, Dr. Birgit Malecha-Nissen, Caren Marks, Hilde Mattheis, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Susanne Mittag, Michelle Müntefering, Ulli Nissen, Sabine Poschmann, Dr. Simone Raatz, Martin Rabanus, Mechthild Rawert, Stefan Rebmann, Dr. Carola Reimann, Dr. Daniela De Ridder, Andreas Rimkus, Sönke Rix, Dennis Rohde, Dr. Martin Rosemann, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Bernd Rützel, Johann Saathoff, Annette Sawade, Dr. Hans-Joachim Schabedoth, Dr. Nina Scheer, Marianne Schieder, Udo Schiefner, Dr. Dorothee Schlegel, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Matthias Schmidt (Berlin), Ursula Schulte, Ewald Schurer, Dr. Carsten Sieling, Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Peer Steinbrück, Kerstin Tack, Carsten Träger, Gabi Weber, Andrea Wicklein, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Stefan Zierke (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) 3161 B Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) 3162 A Marco Bülow (SPD) 3162 B Kirsten Lühmann (SPD) 3162 D Michael Thews (SPD) 3163 A Ute Vogt (SPD) 3163 C Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Eva Högl und Burkhard Lischka (beide SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) 3163 D Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Marian Wendt (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) 3164 B Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hermann Färber, Dieter Stier und Carola Stauche (alle CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über: – Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen – KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik -anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern – Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesordnungspunkt 6) 3164 D Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über: – Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen – KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik -anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern – Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesordnungspunkt 6) 3166 A Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Alois Gerig (CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über: – Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen – KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Vorbehalte der Bevöl-kerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern (Tagesordnungspunkt 9) – Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen (Zusatztagesordnungspunkt 6) (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesordnungspunkt 6) 3167 B Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Schutz von Kindern vor Schadstoffen in Spielzeugen wirksam durchsetzen (Tagesordnungspunkt 15) 3168 C Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 3168 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 3169 A Karin Binder (DIE LINKE) 3169 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3170 A Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zum Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a GO-BT: Technikfolgenabschätzung (TA) – Postdienste und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (Tagesordnungspunkt 18) 3170 D Hansjörg Durz (CDU/CSU) 3170 D Klaus Barthel (SPD) 3172 C Herbert Behrens (DIE LINKE) 3174 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3174 D Anlage 13 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes teilgenommen haben (Zusatztagesordnungspunkt 5) 3176 A Inhaltsverzeichnis 36. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2014 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich. Ich möchte Sie vor Eintritt in die Tagesordnung darauf hinweisen, dass es eine interfraktionelle Vereinbarung gibt, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Wahl von Mitgliedern der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ gemäß § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und Satz 3 des Standortauswahlgesetzes Drucksache 18/1452 ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Freilassung der von Boko Haram entführten Schulmädchen in Nigeria (ZP 1 und ZP 2 siehe 35. Sitzung) ZP 3 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 23) Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver Krischer, Jürgen Trittin, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Europäische Energieunion – Unabhängigkeit durch Effizienz, Einsparung und erneuerbare Energien schaffen Drucksache 18/1461 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Rüstungsexportgenehmigungen der Großen Koalition ZP 5 Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen Drucksache 18/1450 ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Frank Tempel, Jan Korte, Ulla Jelpke, Martina Renner und weiterer Abgeordneter Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksache 18/1475 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Außerdem sollen die Tagesordnungspunkte 14 und 16 abgesetzt werden. Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunkteliste dargestellten weiteren Änderungen im Ablauf. Schließlich möchte ich Sie noch auf mehrere nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunkteliste aufmerksam machen: Der am 8. Mai 2014 (33. Sitzung) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts Drucksache 18/1304 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Der am 8. Mai 2014 (33. Sitzung) überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Beratung des Antrags der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ökostromförderung gerecht und bürgernah Drucksache 18/1331 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss Der am 20. Februar 2014 (17. Sitzung) überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Innenausschuss (4. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Beratung des Antrags der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Julia Verlinden, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Heizkosten sparen – Energiewende im Gebäudebereich und im Quartier voranbringen Drucksache 18/575 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Innenausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Der am 4. April 2014 (27. Sitzung) überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Innenausschuss (4. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Beratung des Antrags der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fünf Jahre UN-Behindertenrechtskonvention – Sofortprogramm für Barrierefreiheit und gegen Diskriminierung Drucksache 18/977 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Tourismus Der am 4. April 2014 (27. Sitzung) überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Tourismus (20. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Programm zur Beseitigung von Barrieren auflegen Drucksache 18/972 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Die am 8. Mai. 2014 (33. Sitzung) überwiesene nachfolgende Unterrichtung soll zusätzlich dem Innenausschuss (4. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Stadtentwicklungsbericht 2012 Drucksache 17/14450 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda Ich frage Sie: Sind Sie mit diesen Vereinbarungen und Änderungen einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 d auf: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 2014 Drucksache 18/1180 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Thomas Feist, Uda Heller, Albert Rupprecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Willi Brase, Rainer Spiering, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Berufliche Bildung zukunftssicher gestalten – Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung stärken Drucksache 18/1451 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Das Recht auf Ausbildung umsetzen Drucksache 18/1454 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Brigitte Pothmer, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berufliche Bildung sichern – Jungen Menschen Zukunftschancen bieten Drucksache 18/1456 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Hierzu soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Aussprache 96 Minuten betragen. – Auch das ist offensichtlich einvernehmlich. Wir können also so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Bundesministerin Professor Wanka. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir können stolz auf unser Ausbildungssystem sein. Die Jugendarbeitslosenquote in Deutschland liegt unter 8 Prozent. Nur Österreich hat ebenfalls eine einstellige Prozentzahl. Alle anderen europäischen Länder haben ansonsten zum Teil sehr hohe zweistellige Prozentzahlen, wie wir wissen. Das hohe Qualifikationsniveau, das wir in Deutschland haben, ist ein großer Wettbewerbsvorteil. Jetzt als Bundesministerin erlebe ich es mehr als noch als Landesministerin, dass ausländische Wirtschaftsvertreter – zum Beispiel aus Italien oder aus den USA – sagen, dass die Fachkräftesituation in Deutschland ein großer Wettbewerbsvorteil ist. An verschiedenen Stellen wird auch versucht, es in ähnlicher Weise zu machen. Zuletzt hat uns sogar – man höre und staune – die OECD dafür gelobt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Erstaunlich!) Die berufliche Ausbildung ist also ein wichtiges Rückgrat unseres Wirtschaftssystems. Man darf es aber keinesfalls nur in volkswirtschaftlicher Hinsicht betrachten, indem man sagt: Wir brauchen Fachkräfte etc. – Wir müssen auch sehen, dass jedem Einzelnen ein Berufsabschluss ein ganzes Leben lang nutzt. Er ist für seinen Lebensweg, für seine individuellen Perspektiven und für seine gesellschaftliche Teilhabe außerordentlich wichtig. Berufsbildung ist deswegen sowohl im Hinblick auf Bildungsgerechtigkeit als auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht sehr wichtig. Der Berufsbildungsbericht enthält viele Tabellen und Darstellungen. Er zeigt viel Positives. Er zeigt aber auch, dass wir in diesem Bereich Probleme haben: Es zeigen sich schon jetzt Tendenzen hin zu einer Veränderung der Ausbildungsmarktsituation. Darauf haben wir zum Teil schon reagiert, müssen aber auch noch weiter reagieren. Der Bericht zeigt deutlich auf, welche Punkte für unser Handeln in Zukunft sehr wichtig sind. Ich möchte Sie Ihnen nennen: Erstens. 2013 wurden weniger Ausbildungsverträge neu abgeschlossen als im Vorjahr und noch weniger als in den Jahren zuvor. Das Minus gegenüber dem Vorjahr beträgt 3,5 Prozent. Zweitens. Die Unternehmen haben zunehmend Probleme, geeignete Bewerber oder überhaupt Bewerber für ihre freien Ausbildungsplätze zu finden. Das heißt, wir haben in Deutschland im Moment einen Höchststand an unbesetzten Ausbildungsstellen. Drittens. Es gelingt trotzdem nicht, dass alle von der Schule direkt in die Ausbildung gehen. Wir haben in dem Bereich über 20 000 unversorgte Bewerber. Das sind zwar von der Zahl her weniger, als es freie Plätze gibt, aber wir haben auch bei denen, die eine Alternative zur Ausbildung begonnen haben, die also ein Praktikum oder etwas anderes machen, einen Anstieg. Viertens. Analog zu den eben genannten Punkten zeigen auch viele Untersuchungen, dass es zunehmend schwieriger wird, dafür zu sorgen, dass betriebliches Angebot und Nachfrage von Jugendlichen zusammenpassen. Wir haben da also – so wird bei uns im Haus gesagt – ein Matchingproblem; auf Deutsch könnte man vielleicht Passproblem sagen. Dieses Passproblem stellt sich nach Beruf und auch nach Region sehr unterschiedlich dar; aber es ist ein generelles Problem. Fünftens. Es zeigt sich im Bericht deutlich, dass immer weniger Betriebe ausbilden. In den letzten Jahren – nehmen wir einmal die Zahlen ab 1990 – ist sowohl die Zahl der Betriebe insgesamt als auch die Zahl der Betriebe, die ausbilden, gewachsen. Das heißt, dass es eine relativ parallele Entwicklung gab. Jetzt gibt es eine prozentuale Absenkung. Gemessen an der Zahl der Betriebe bilden nur knapp über 21 Prozent aus. Das ist prozentual der tiefste Stand an ausbildenden Betrieben seit 1990. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr ehrlich! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie dagegen? Was schlagen Sie zur Lösung vor?) Ein letzter Punkt, der die Berichte über dieses Thema in den Zeitungen sehr stark bestimmt: Die Zahl der Studienanfänger war 2013 zum ersten Mal höher als die Zahl derer, die eine berufliche Ausbildung begonnen haben. Die Analyse des Berichts ist nicht nur von den Koalitionsfraktionen, sondern auch von den Grünen und zum Teil von den Linken sehr ähnlich gehandhabt worden. Alle erkennen die Herausforderungen und Probleme. Aber auch die Vorschläge in Bezug darauf, was verändert werden kann, liegen gar nicht so weit auseinander. Es gibt einige, die unrealistisch sind; aber vieles liegt sehr eng beieinander. Unsere Mitarbeiter sagen, dass sie bei fast 70 Prozent der Vorschläge schon in der Vorhand sind, dass da etwas gemacht bzw. in Angriff genommen wird. Trotzdem muss aber insgesamt gesagt werden, dass niemand – weder hier im Haus noch bei den Kammern und den Sozialpartnern, wie sich in vielen Gesprächen herausstellte – eine einfache Lösung hat. Wir alle sehen aber, dass es ein großes Problem gibt. Wenn es uns nicht gelingt, entsprechend viele Facharbeiter auszubilden, kann das in den nächsten Jahren eine riesige Innovationsbremse für Deutschland darstellen. Bei all dem, was wir vonseiten der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode schon getan haben, geht es – das haben wir auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben – dezidiert um den Schwerpunkt „Berufliche Ausbildung stärken“. Wir nennen das Initiative „Chance Beruf“. Der Qualitätsmix, den wir auch immer im Verhältnis zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung hatten, ist für Deutschland wichtig. Deswegen muss ein politischer Schwerpunkt – hier geht es noch nicht um die einzelnen Maßnahmen – in dieser Legislaturperiode sein, die Attraktivität der beruflichen Ausbildung zu stärken. Dabei geht es um Qualitätsverbesserung und Gleichwertigkeit. Formal ist die Gleichwertigkeit an vielen Stellen gegeben – zum Beispiel zwischen Bachelor und Meister –, aber nicht in der Wahrnehmung der Menschen. Das gilt für die jungen Menschen, aber vor allen Dingen auch für die Eltern und die Großeltern. Es ist deswegen wichtig, effektive Maßnahmen zu ergreifen, damit sehr viele junge Menschen von der Schule direkt in die Ausbildung gehen und keine Umwege machen. Wir haben erfolgreiche Modelle erprobt. Ich sage allerdings: In Deutschland kann man Modelle ohne Ende machen; wichtig ist aber immer, dass so etwas auch systematisch in großem Umfang bzw. flächendeckend gemacht wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das heißt, wir müssen aus dem, was wir erprobt haben und was sich bewährt hat, den Regelfall machen. Als Beispiel nenne ich die Bildungsketten. Dabei handelt es sich um eine Initiative des BMBF. Bei ihr ging es zum einen darum, Schulabbrüche zu verhindern, und zum anderen, für eine Berufsausbildung zu motivieren. Das sollte zum Teil durch Ehrenamtliche begleitet werden, um den Abschluss bzw. den Berufseinstieg zu schaffen. Diese Bildungsketten sind sehr effektiv und werden überall geschätzt. Sie enthalten individuelle und präventive Beratung; das stellt für mich ein Stück weit eine Zauberformel dafür dar, dass es gelingt, die berufliche Ausbildung zu stärken. Es soll also nicht erst dann ein Nachhaken geben, wenn man merkt, dass es bei einem 27-Jährigen nicht funktioniert hat, sondern es soll individuell und präventiv beraten werden. Die Bildungsketten sind dafür ein Beispiel. Wir haben mit verschiedenen Bundesländern – zum Beispiel Thüringen und Hessen – schon Verträge geschlossen. Sie wollen das auch mit eigenen Mitteln in großem Maßstab entsprechend implementieren. Potenzialanalysen und Möglichkeiten zum Ausprobieren gehören dazu. Wir wollen aber auch die anderen vorhandenen Förderinstrumente wie „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ integrieren sowie neue entwickeln, die wir dann vorstellen werden. An dieser Stelle eine Bemerkung zum Übergangssystem. Zu diesem Punkt wird später sicher vonseiten der Linken gesagt, dass soundso viele im Übergangssystem sind. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das stimmt!) – Ist es nicht so, Frau Hein? Doch, das nehme ich an. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Doch, doch!) Ich erinnere daran: Das Übergangssystem war wichtig und notwendig, als wir deutschlandweit viel zu wenig Ausbildungsplätze hatten. Die Länder haben sich mit großen finanziellen Mitteln daran beteiligt. Hunderttausende junger Leute sind in diesem Übergangssystem gewesen. Von 2005 bis jetzt ist es gelungen, die Zahl derer, die sich im Übergangssystem befinden, um ein Drittel zu reduzieren. Es gibt die Ansicht, das Übergangssystem abzuschaffen. Das halte ich für völlig verfehlt. Wir brauchen das Übergangssystem zum einen, um die Ausbildungsfähigkeit der Schulabbrecher, die es trotz aller Bemühungen nicht schaffen, zu sichern; zum Glück sind es nur noch 5,9 Prozent und nicht mehr 12 Prozent. Zum anderen ermöglicht das Übergangssystem jungen Leuten, notwendige Voraussetzungen zu erhalten; sie können so beispielsweise, wenn sie Erzieher werden wollen, ein Praktikum absolvieren. Das heißt, wir brauchen ein Übergangssystem, das wirklich zur Ausbildung befähigt bzw. dabei Unterstützung leistet. Weil die Länder dieses System in starkem Maße tragen, wollen wir vonseiten meines Hauses mit ihnen verhandeln, wie man es zurückbauen kann. Hier geht es ja auch um unbefristete Arbeitsplätze für Lehrer und anderes, was sich über die ganze Zeit entwickelt hat. Es geht aber nicht nur darum, die nicht so leistungsstarken Schüler in die Ausbildung zu bekommen, sondern es geht uns auch darum, dass leistungsstarke Schüler eine Ausbildung aufnehmen, statt dass alle in die Hochschulen drängen und wir dann hohe Abbrecherzahlen zu verzeichnen haben. Wie kann man das erreichen? Auch hier gibt es vielfältigste Ansichten. Auf keinen Fall kann man es durch einfache Verbote erreichen. Das funktioniert nicht. Der NC, also die Zulassungsbeschränkung, ist eine Möglichkeit der Steuerung. Nehmen Sie aber zum Beispiel den Studiengang Psychologie. Bundesweit gibt es an allen Hochschulen Zulassungsbeschränkungen. (Zuruf des Abg. René Röspel [SPD]) Der Effekt ist, dass nun in Innsbruck heftig darüber diskutiert wird, dass 90 Prozent derjenigen, die dort Psychologie studieren, Deutsche sind. Einfach zu beschränken, heißt also nicht, dass sie dann entsprechend eine Ausbildung beginnen, (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ich stimme Ihnen zu als Psychologe!) sondern auch hier gilt: individuell und präventiv. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Es muss also deutlich gemacht werden, dass jeder nur dann ein Studium beginnen soll, wenn er die Chance hat, es wirklich erfolgreich abzuschließen, und dafür gesorgt werden, dass nicht so viele nur aus Statusgründen ein Hochschulstudium aufnehmen. Etwas, was wir dafür tun können, ist, die Durchlässigkeit, das Hin und Her zu erhöhen, sodass man mit einer guten beruflichen Ausbildung an die Hochschule gehen kann, sodass aber auch die, die abbrechen – die wird es immer geben –, von der Wirtschaft als kluge junge Leute gut aufgenommen werden. Dass wir diese Durchlässigkeit in Deutschland nicht haben, hielt ich immer für einen Mangel. Daran, dass es zu dieser geringen Durchlässigkeit kam, waren wir zum Teil selbst schuld. Viele Jahre galt in Deutschland die These: Bei uns ist das Abitur die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung und nichts anderes. Das ist jetzt rechtlich aufgebrochen; Möglichkeiten gibt es jetzt. Damit funktioniert es aber nicht ohne Weiteres. Es gehören viele flankierende Maßnahmen dazu, um zu erreichen, dass aufgrund der Durchlässigkeit Betriebe eher junge Leute bekommen, weil sie wissen: Ich kann weiter, wenn ich will. – Aber zugleich sollen auch nicht alle diesen Weg gehen; denn auch die Betriebe brauchen gute Leute. Ich appelliere auch an die Betriebe, bei den Ausbildungsanstrengungen nicht nachzulassen. Wenn Sie sich den Berufsbildungsbericht genau anschauen, dann stellen Sie fest, dass wir einen Rückgang der Ausbildungsplatzangebote nicht bei den großen und mittleren Unternehmen, sondern vor allen Dingen bei den kleinen Firmen zu verzeichnen haben. Zum Teil ist es auf die Frustration zurückzuführen, dass sie jahrelang keine Auszubildenden bekommen haben. Deswegen ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit, gerade die kleinen und mittleren Unternehmen sowie von Migranten geführte Unternehmen dazu zu befähigen, dass sie Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Im Rahmen von Jobstarter wollen wir bald eine neue Initiative verkünden. Meine Damen und Herren, wir haben bei der Initiative „Chance Beruf“ viele Komponenten, die hier nicht erwähnt werden können, und sprechen die unterschiedlichsten Zielgruppen an, zum Beispiel Alleinerziehende und andere. Die vor uns liegenden Herausforderungen werden wir mit der nationalen Allianz für Aus- und Weiterbildung, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, thematisieren und anpacken. Wir brauchen übergreifende Lösungsansätze – Bund, Länder, Arbeitgeber, Sozialpartner, Schulen –, um einen systematischen Effekt zu erzielen und nicht in diesen Engpass zu geraten, vor dem uns allen graut. Alle, die an diesem Berufsbildungssystem beteiligt sind, müssen sich aktiv einbringen. Wir wollen dafür sorgen, dass jeder in diesem Land eine Chance hat und von dem System profitieren kann. Deshalb gibt es dieses umfassende Bildungspaket. Damit wird es uns gelingen, die berufliche Ausbildung zukunftsfähig zu machen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Rosemarie Hein das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, ich habe ein Problem damit, wenn Sie sich hier vorne hinstellen und sagen: „Wir sind ja im Prinzip ganz gut“, dann aber Zahlen benennen, die durchaus bedenklich sind. Statt konkret darauf einzugehen, sagen Sie immer wieder: „Wir sind auf dem Weg, wir lösen das.“ Wir lösen das seit Jahren nicht, eigentlich seit Jahrzehnten nicht. Schon im Januar hat das Bundesinstitut für Berufsbildung die Ausbildungsplatzzahlen und die Arbeitsmarktzahlen für diesen Bereich vorgelegt. Das war damals schon ein Ausrufezeichen. Heute reden wir über den Bericht, der auf genau diesen Zahlen beruht. Es ist eben so – Sie haben es vorhin gesagt –: Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze und die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sind auf historische Tiefststände gesunken. Seit gestern ist die Zahl von 4,3 Prozent weniger abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Jahr 2013 im Gespräch; es sind nicht bloß 3,7 Prozent weniger. Die Zahl ist also deutlich schlechter geworden. Zugleich sind mehr Ausbildungsplätze als im Vorjahr unbesetzt geblieben; 33 000 Stellen sollen es sein. Und die Betriebe klagen zunehmend darüber, dass sie keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber finden. Die Bundesregierung spricht dann von „Passungsproblemen“. Ich finde, das ist eine Beschönigung der Situation. Sie hatten sicherlich gehofft, dass sich das Problem der Versorgungslücke bei Ausbildungsplätzen mit den zurückgehenden Schülerzahlen löst. Sie müssen aber nun feststellen, dass für 100 Ausbildungsplatznachfrager nicht einmal 92 Ausbildungsplatzangebote zur Verfügung standen. Auch hier gibt es seit Jahren keine Verbesserung. Für ein auswahlfähiges Angebot an Ausbildungsplätzen müssten – das fordern die Gewerkschaften seit vielen Jahren – 112 Plätze für 100 Suchende zur Verfügung stehen. Insofern geht es eben nicht um „Passungsprobleme“, sondern um eine massive, deftige Ausbildungsplatzlücke, nicht von nur 21 000 unversorgten Bewerbern, sondern von 83 000 Suchenden, denen kein Angebot gemacht werden konnte. Außerdem – jetzt kommt die Zahl, auf die Sie schon so lange warten – gibt es immer noch 257 000 junge Menschen, die in Maßnahmen des sogenannten Übergangsbereiches geschickt wurden, in Bildungsmaßnahmen also, die zu keinem anerkannten Berufsabschluss führen. Sie sollen zwar die Chance erhöhen, später einmal eine Ausbildung beginnen zu können, aber es gibt keine Garantie. Ein Lehrer einer berufsbildenden Schule bestätigte mir vor wenigen Tagen, dass manche Schülerin und mancher Schüler bis zu acht oder gar neun Jahre in unterschiedlichen Bildungsmaßnahmen oder Bildungsgängen seiner Schule bliebe. Was aber ist das für ein Bildungssystem, das junge Menschen jahrelang auf die Wartebank schickt, bevor sie ins Berufsleben eintreten können? Ich finde, wir können uns das nicht leisten. (Beifall bei der LINKEN) Es ist noch schlimmer: Die Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Bildungsmaßnahmen im Übergangsbereich zwischen Schule und Berufsausbildung haben zu 51 Prozent einen Hauptschulabschluss. Der Hauptschulabschluss gilt in allen Schulgesetzen als der Abschluss, der zur Aufnahme einer Ausbildung befähigt, also die Ausbildungsreife bestätigt. Was aber ist von dem von der Koalition oft als erstrebenswert angesehenen Ziel zu halten, dass jeder wenigstens einen Hauptschulabschluss macht, wenn man hinterher damit gar keinen Ausbildungsplatz bekommen kann? – Nur noch 7 Prozent der Unternehmen stellen Azubis mit Hauptschulabschluss ein. Wie soll man denn da motivieren, auf diesen Hauptschulabschluss hinzuarbeiten? Ich finde da keine Argumente mehr. Ich kann den Schülerinnen und Schülern doch nicht sagen: Macht doch mal wenigstens den Hauptschulabschluss! Dann habt ihr zwar auch keine Perspektive, aber immerhin einen Abschluss. Die Bundesregierung schickt dann Berufseinstiegsbegleiter los, die den benachteiligten Jugendlichen helfen sollen, den Weg in den Beruf zu finden. Aber was sind die vielen Hilfsprogramme wert, wenn das Erreichen oder das Nachholen des Hauptschulabschlusses eben nichts bewirkt? Das ist noch nicht alles; denn mehr als 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Übergangsbereich haben sogar einen Realschulabschluss. Drei Viertel der in den Übergangsbereich Abgeschobenen verfügen also über eine ausreichende Qualifizierung, um eine Ausbildung aufnehmen zu können. Wieso kann immer noch von Fachkräftemangel geredet werden, wenn wir so vielen jungen Menschen erst so spät oder gar nicht eine Chance geben? Nein, es muss für alle Jugendlichen einen verbrieften Rechtsanspruch auf eine Ausbildung geben, und darum fordern wir das auch in unserem Antrag. (Beifall bei der LINKEN) Ihr Ausbildungspakt ist gescheitert. Eine Neuauflage, gleich unter welchem Namen Sie die Karte im Koalitionsvertrag versteckt haben, lohnt sich nicht. Denken Sie endlich über eine Umlagefinanzierung nach, die alle Unternehmen angemessen ins Boot holt. Es ist höchste Zeit, umzudenken. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich möchte noch eine Unmöglichkeit ansprechen, auch wenn sie im Berufsbildungsbericht nur am Rande vorkommt. Fast jede oder jeder von uns dürfte irgendwann schon einmal in die Verlegenheit gekommen sein, sich den verspannten Rücken wieder richten lassen zu müssen. Dann geht man zu einem Physiotherapeuten, der kriegt das wieder hin. Ich habe neulich meine Physiotherapeutin nach den Konditionen ihrer Ausbildung gefragt. Sie kostete für sie vor einigen Jahren noch etwa 300 Euro im Monat, und das drei Jahre lang. Eine Ausbildungsvergütung gab es nicht. Von wem auch? Es ist ja kein dualer Ausbildungsberuf. So geht es auch Logopädinnen, Ergotherapeuten, Heilerziehungspflegerinnen, Altenpflegerinnen usw. Für die Gesundheits- und Sozialberufe sind die Länder zuständig, auch wenn es entsprechende Bundesgesetze zu Ausbildung und Berufsanerkennung gibt. Zum großen Teil erfolgen diese Ausbildungen in berufsbildenden Ersatzschulen, und die zahlen nicht, sondern die kosten, und zwar zwischen 300 Euro und 500 Euro im Monat. Daran ändern auch die gesetzlichen Regelungen zur Finanzierung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe und der Altenpflegeausbildung nichts. Da nicht dual Ausgebildete keine Ausbildungsvergütung erhalten, fordern wir in unserem Antrag, dass das Schüler-BAföG reformiert werden muss. (Beifall bei der LINKEN) Wohl gemerkt: Es handelt sich hier nicht um eine Maßnahme des Übergangsbereiches und nicht um eine Ausbildung über den Bedarf hinaus; denn in der Regel -finden die so Ausgebildeten hinterher alle einen Job. Zählt man die Erziehungsberufe hinzu, zeigt sich auch, dass es nicht um eine kleine Gruppe geht. Es sind etwa 200 000 junge Menschen, die jährlich diese so wichtigen Berufe ergreifen. Da muss sich endlich etwas ändern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur einige von ganz vielen Baustellen, die uns der Berufsbildungsbericht aufzeigt. Ich kann sie in der kurzen Zeit nicht alle auch nur annähernd nennen. Es scheint so, als müssten wir in Bezug auf unser gesamtes Bildungssystem umdenken. Herr Rossmann hat gestern in einem Gespräch im Bildungsausschuss geäußert, dass wir möglicherweise darüber nachdenken müssen, ein Bildungsgesetz zu machen. Ja, ich finde ein Bildungsrahmengesetz über alle Bildungsbereiche hinweg, das Rechtsansprüche, soziale Rahmenbedingungen und wesentliche Bildungsziele und Bildungswege für alle regelt, könnte ein Weg sein, aus dem Wirrwarr von Regelungen und dem Förderungs-dschungel herauszukommen und Bildung für alle zu verbessern. Dann müssen wir allerdings auch wieder über die Aufhebung des Kooperationsverbotes und des Verbots der Bildungszusammenarbeit reden, und zwar nicht nur im Hochschulbereich, sondern in allen Bildungsbereichen. Vielleicht wächst in der Koalition ja so langsam die Einsicht. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Rainer Spiering ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rainer Spiering (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können uns glücklich schätzen, über das Instrument der dualen Berufsausbildung zu verfügen – ein ausgesprochen komplexes System mit vielen unterschiedlichen Beteiligten. Ich möchte einige nennen: berufsbildende Schulen, Bund, Länder, Kommunen, Gewerkschaften, Kammern, viele andere Sozialpartner und vor allen Dingen viele engagierte junge Menschen. Das besondere System unserer Berufsausbildung versetzt Jugendliche in die Lage, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Zahlen sprechen hier eine klare Sprache. Deutschland verzeichnete 2013 mit unter 8 Prozent -europaweit die geringste Jugendarbeitslosenquote; aktuell sind es – die neuen Zahlen liegen vor – 5,5 Prozent. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr gut!) Zum Vergleich: In Spanien liegt sie bei über 50 Prozent. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Frau Dr. Hein, gestatten Sie mir eine Bemerkung, da ich aus dem System komme – ich bin seit fast 30 Jahren Berufsschullehrer –: Meine Betrachtung des Systems steht in diametralem Gegensatz zu Ihrer. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Schade!) Ihre ist eine Außenbetrachtung, die über Zahlen geht, und meine stammt aus dem inneren Erleben, wie das Berufsbildungssystem funktioniert. Wenn unser System so schlecht wäre, wie Sie es darstellen, dann hätten wir die Erfolge der letzten 50 Jahre nicht verzeichnen können. Mit Ihren Darstellungen machen Sie das alles schlecht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich möchte das an meinem Werdegang verdeutlichen: aufgewachsen in der Familie eines kleinen Handwerkers, nach der Schule Ausbildung und dann der klassische zweite Bildungsweg: Fachabitur, Studium zum -Diplom-Ingenieur an der Fachhochschule und dann Studium zum Gewerbelehrer in Hamburg. Dazu sage ich ganz deutlich: ein erfülltes Berufsleben mit dem Start-up Lehre. Das ist das, was unser System ausmacht und was es wirklich stark macht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Spiering, darf die Kollegin Hein Ihnen einen Zwischenfrage stellen? (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Die war doch gerade!) Rainer Spiering (SPD): Gerne. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich schätze Ihre Kompetenz; das ist gar keine Frage. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Ich habe mich gefreut, dass wir jetzt einen Berufsbildner im Ausschuss haben, der das Ganze aus der Praxis sieht. Möglicherweise haben Sie mich ja missverstanden; denn ich rede nicht das System schlecht, nicht das, was in den Berufsschulen passiert. Vielmehr ist das, was den Jugendlichen zugemutet wird, schlecht. Diese Erkenntnis basiert nicht auf einer Außensicht, sondern auf dem, was mir von vielen Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrern seit vielen Jahren angetragen wird. Ein Berufsschullehrer hat mir sogar gesagt: Einige Schülerinnen und Schüler bleiben länger in diesem System, als sie in der allgemeinbildenden Schule waren. – Das macht mich schon nachdenklich. Würden Sie mir recht geben, dass das ein Problem ist? Rainer Spiering (SPD): Frau Dr. Hein, ich betrachte das Problem anders. Ja, wir haben bei uns Schüler, die eine längere Zeit in diesem System verbleiben. Sie bleiben aber sicherlich längst nicht so lange, wie sie in einer allgemeinbildenden Schule waren. Ein großer Vorteil unseres Systems ist, dass es bei uns kein Hängenbleiben gibt. Ich betone „bei uns“, weil ich immer noch als Berufsschullehrer sozialisiert bin. Wir haben am Ende der Berufsausbildung ja zwei Faktoren, die unser System von anderen Systemen maßgeblich unterscheiden: Vor den Kammern machen unsere Jungs und Mädels ihren Abschluss als Facharbeiter und Facharbeiterinnen. Damit haben sie einen eigenständigen Systemabschluss. Deswegen brauchen wir kein Hängenlassen. Zusätzlich vergeben wir – jetzt komme ich zur Durchlässigkeit des Systems – den Abschluss der berufsbildenden Schulen, der in den Sek-I- oder Sek-II-Bereich führen kann. Das heißt, wir bieten zwei Abschlussmöglichkeiten. Deswegen brauchen einige Schüler vielleicht ein bisschen länger. In unserem System wird aber niemand sieben oder acht Jahre verbleiben, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist arrogant!) es sei denn – Frau Dr. Hein, vielleicht haben Sie das nicht verstanden, was möglich ist –, nach der Facharbeiterausbildung wird ein Meister- oder Technikerbrief angestrebt. Dann verbleiben sie länger bei uns. Dann erhalten sie aber auch einen entsprechend hochkarätigen Abschluss. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Vielleicht ist das auch nur ein Segment, was Sie sehen!) – Sie müssen nicht mit mir schimpfen. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass Sie uns noch einmal die Welt erklären! Das ist einfach nur arrogant! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie es doch auch verstanden! – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Aber auch das ist nur ein Ausschnitt!) Durch meine Arbeit als Berufsschullehrer bin ich immer wieder auf zwei Eigenschaften gestoßen, die ich als Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufsausbildung ansehe – die sind mir wirklich wichtig –: Sprache und Sozialverhalten. Gute schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit ist wichtig, um Arbeitsanweisungen oder Aufträge zu verstehen und umzusetzen. Und ein gutes Sozialverhalten ist notwendig, um mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden klarzukommen. Das sind für mich die Kernkompetenzen, um die es erst einmal geht. Diese beiden Kompetenzen werden schon im Kleinkindalter angelegt und sollten deshalb auch früh gefördert werden. Krippe und Kita können das sehr gut leisten. Noch eine sehr persönliche Bemerkung dazu: Es kann nicht angehen, dass im Rahmen des dualen Systems die Erzieherausbildung teilweise kostenpflichtig ist. Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Den angehenden Erzieherinnen und Erziehern muss geholfen werden, sie müssen entlastet werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Anzahl der Betriebe, die ausbilden – die Frau Ministerin hat das gesagt –, ist zurückgegangen. Die Quote liegt bundesweit bei nur noch 21 Prozent. Gerade Kleinstunternehmen haben sich aus der Berufsausbildung partiell zurückgezogen. Lehrstellen bleiben unbesetzt – ja, das ist wahr –, und gleichzeitig stehen Jugendliche ohne Ausbildungsplatz da; auch das ist wahr. Die Frage ist: Wie antwortet das System darauf? Antwortet es mit staatlicher Stringenz und versucht es, Rahmen zu setzen, die nicht einzuhalten sind, oder schafft das System Anreizsysteme? Wir sind eindeutig dafür, Anreizsysteme zu schaffen und Hilfen zu geben. Noch eine weitere Bemerkung – auch das hat die Frau Ministerin gesagt –: Erstmalig ist die Zahl der Studenten größer als die Zahl der Auszubildenden. Unsere Form der Berufsausbildung ist ein wesentliches Merkmal des erfolgreichen Industrie- und Wirtschaftsstandorts Deutschland. Es muss unsere Aufgabe sein, möglichst viele Menschen für die greifbaren Chancen des Systems zu begeistern. In den letzten Jahren hat sich etwas verändert: In vielen Berufen hat sich das Anforderungsprofil an die Auszubildenden mit rasanter Geschwindigkeit geändert. Der Transfer der Wissensgesellschaft, das heißt, der Weg von Neuentwicklungen hinein in die Betriebe, findet bei uns fast in einer Eins-zu-eins-Situation statt. Wir müssen zusammenführen, was zusammengehört. Wenn Studenten erkennen, dass ein Studium vielleicht nicht das Richtige für sie ist, würde ich das nicht als Scheitern darstellen. Vielmehr handelt es sich um die Erkenntnis: Ich muss bzw. ich kann einen anderen Weg gehen. – Wir haben glücklicherweise das System der dualen Berufsausbildung. Diese Möglichkeit müssen wir den Studentinnen und Studenten auch anbieten, und zwar auch in den Universitäten. Wir müssen Stellen schaffen, wo solche Studenten beraten und begleitet werden. Wir dürfen sie nicht alleinelassen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zur Wahrheit und zu unseren Erkenntnisprozessen gehört übrigens auch: Häufig ist der gut ausgebildete Facharbeiter besser entlohnt als der gut ausgebildete Aka-demiker oder vor allen Dingen auch als die gut ausgebildete Akademikerin. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Vor allem das Letztere! – Gegenruf des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da haben Sie recht! Leider!) Eine große Chance unseres Systems ist es, als Unternehmer in kleinen und mittelständischen Betrieben selbstständig tätig zu sein. Das ist – ich betone das – ein Wert für sich, unabhängig vom materiellen Erfolg. Ich habe das als Kind in meiner Familie erlebt. Selbstständig zu agieren und tätig zu sein, ist eine wunderbare Möglichkeit in unserem Land. Jetzt noch etwas sehr Kritisches. In den vergangenen Jahren gab es gelegentlich von der einen oder anderen Seite negative Töne über die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen. Das hat mich sehr geärgert, und es hat die Jugendlichen betroffen gemacht. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Uns auch!) Ihre Neigung, eine Ausbildung zu beginnen, hat das bestimmt nicht gefördert. Ich finde, Betriebe sollten auch den jungen Menschen eine Chance geben, die nicht auf den ersten Blick einen pflegeleichten Eindruck machen und nicht die besten Zeugnisse mitbringen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit der assistierten Ausbildung gibt es die Möglichkeit, allen Beteiligten bei eventuellen Problemen zu helfen. Wir haben einige Möglichkeiten, den Jugendlichen im System zu helfen. Eine davon sind die Jugendberufsagenturen. Die Jugendberufsagentur in Hamburg – das ist bekannt – zeigt einen Weg auf, der für den Stadtstaat Hamburg gangbar ist, weil alles aus einer Hand passiert. Ich glaube, unsere Anstrengung muss darauf hinauslaufen, dass wir dieses Beispiel, dieses Hamburger Modell, soweit es möglich ist, in die Länder und in die Regionen transferieren. Auf Grundlage dieses Hamburger Modells kann dann – die Anforderungen sind regional unterschiedlich; man muss das Modell an das System in der jeweiligen Region anpassen – den jungen Menschen passgenau geholfen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vorrangig sollen Schulabgänger in die betriebliche Ausbildung gehen. Aber für diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz finden, müssen wir auf Zeit ausreichend Plätze im überbetrieblichen Bereich bereithalten. Ich betone das: Wir müssen diesen überbetrieblichen Bereich halten, auch wenn es Stimmen dagegen gibt. In dieses Puffersystem können wir die jungen Menschen aufnehmen. Wir können sie mithilfe der berufsbildenden Schulen, die exzellent arbeiten, begleiten und für den ersten Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt befähigen. Dort können wir ihnen das, was ihnen vielleicht noch fehlt, beibringen. Die berufsbildenden Schulen können das wirklich gut – ich weiß das; denn ich komme aus diesem Bereich – und werden das auch tun. Wir müssen ihnen aber auch die Chance dazu geben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir wissen, dass 90 000 Jugendliche zurzeit nicht wissen, wie sie ihren Lebensweg nach der Schule gestalten. Der Datenschutz spielt bei der Lösung dieses Pro-blems eine große Rolle. Wir müssen im Rahmen der -gesetzlichen Möglichkeiten herausfinden – auch das machen die Hamburger gut vor –, wo diese jungen Menschen sind. Denn nur wenn wir wissen, wo diese jungen Menschen sind, können wir ihnen auch helfen. Wenn du nicht weißt, wo jemand ist, kannst du ihm auch nicht helfen. Deswegen müssen wir unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, systemisch dafür zu sorgen, dass wir alle jungen Menschen erfassen und auf ihrem Lebensweg begleiten können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich merke, dass ich jetzt durch meine restliche Rede hetzen muss. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ruhig Blut!) Lassen Sie mich noch zwei Punkte anmerken, die mir ganz wichtig sind. Wir haben ein historisch gewachsenes Rollenverhältnis, das nicht mehr zu unserer Zeit passt. Wir wissen, dass viele junge Frauen keinen der exzellent bezahlten technischen Berufe ergreifen. Ich habe mit dem Betriebsratsvorsitzenden der Meyer-Werft darüber gesprochen. Nur 10 Prozent der Arbeitsplätze in einer solch toll arbeitenden Firma sind mit Frauen besetzt. Das sind angesichts unserer Bevölkerungsstruktur deutlich zu wenig. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir müssen unsere jungen Frauen, beginnend in Krippe und Kita und nachfolgend in der Schule, dafür begeistern, diese technisch anspruchsvollen Berufe zu ergreifen, damit sie ordentlich Geld verdienen, gut in diesem System leben können und vor allen Dingen ein freies, selbstbestimmtes Leben führen können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das wäre, Herr Kollege, ein vorzüglicher Schlusssatz. Rainer Spiering (SPD): Abschließend – wenn mir diese Bemerkung noch gestattet ist –: Wir werden im universitären System etwas ändern müssen. Früher ist Berufsbildung ein eigenständiges Merkmal an Universitäten gewesen; das hat sich systemisch verändert. Ich glaube, wir müssen dahin zurückkommen. Die Berufsbildung muss an den Universitäten wieder den Stellenwert bekommen, der ihr zusteht. Denn nur dann ist das System dazu in der Lage, auf wissenschaftlicher Basis Erkenntnisse zu sammeln und sie in unsere Berufsbildung einzuspeisen. Herzlichen Dank und Entschuldigung fürs Überziehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Beate Walter-Rosenheimer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Berufsbildungsbericht 2014 liegt uns jetzt vor, und ich darf das erste Mal dazu sprechen. Ich kann nur sagen – auch wenn das bei Ihnen ein bisschen anders klingt –: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Wir sind gerade mitten im Europawahlkampf und deshalb in Europa bzw. in unseren Wahlkreisen in Deutschland unterwegs. Wir sehen, dass wir im europäischen Vergleich sehr gut dastehen; das ist eine Tatsache. Wir sehen, welch unschätzbaren Wert ein guter Start ins Berufsleben für Jugendliche hat. Wir sehen aber auch, wie bedrückend es ist, wenn Perspektiven fehlen. Wir brauchen gar nicht weit zu schauen, um in unseren Nachbarländern ein unglaubliches Ausmaß an Jugendarbeitslosigkeit vorzufinden; das haben auch Sie schon beschrieben. Griechenland, Portugal und Spanien bieten jungen Menschen nur geringe Perspektiven. Bei uns hingegen läuft vieles gut; das ist eine Tatsache. Wir werden von vielen Ländern beneidet. Unser duales System wäre ein Exportschlager, wenn es verkäuflich wäre. Aber unser Berufsbildungssystem hat auch Schwachstellen. Ich finde, es ist wichtig, das zu artikulieren und Lösungen aufzuzeigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das tun Sie in meinen Augen nicht. Das, was wir von Ihnen bisher gesehen und gehört haben, ist, wie wir finden, zu wenig. Wir finden das mutlos und halten es für nicht geeignet, um den aktuellen Herausforderungen, von denen Sie, Frau Wanka, sprechen, gerecht zu werden. Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sprechen auf Ihrer Homepage davon, dass sich der Ausbildungsmarkt ändert. Ich weiß ja nicht, welchen Vergleichsmaßstab Sie anlegen. Aber aus unserer Sicht und nach unserer Analyse hat sich leider nichts verändert, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) sondern die Probleme haben sich manifestiert. Das ist doch der Punkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber in Baden-Württemberg müsste sich etwas verändert haben! Da regiert ihr doch jetzt!) Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist wieder gesunken, um 4,3 Prozent. Das liegt nicht nur am demografischen Wandel. Der Übergangssektor – er ist heute schon beschrieben worden –, in dem viele Jugendliche für längere Zeit quasi geparkt werden, ist weiterhin viel zu groß. Über eine Viertelmillion junger Menschen – das sind über 250 000 junge Menschen – hängt da jahrelang gewissermaßen herum, ohne eine wirkliche Aussicht zu haben und ohne einen Abschluss zu erreichen. Das sind für uns zu viele, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch wenn die Zahlen insgesamt leicht rückläufig sind. Nebenbei bemerkt: Es gibt auch viele Betriebe im Land, die händeringend Auszubildende suchen, sie aber nicht finden. Außerdem herrscht Fachkräftemangel. Hier stimmt sozusagen das Matching nicht. Man muss schauen, wie man das besser hinbekommt. Hier muss man etwas tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vor diesen Herausforderungen stehen wir, und ihnen müssen wir uns stellen. Hier besteht Handlungsbedarf. Worte allein nützen da nichts. Ich finde, unsere grüne Position, die wir auch in unserem heute vorliegenden Antrag formuliert haben, ist nach wie vor aktuell und richtig. Wir brauchen eine Reform des Übergangs-dschungels, der für viele eine ewige Warteschleife darstellt und undurchsichtig ist, wir brauchen verbindliche Zusagen und Angebote an junge Menschen, und wir müssen vor allem einen richtigen Kraftakt leisten, um all den Jugendlichen, die es alleine nicht schaffen, Perspektiven aufzuzeigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, der Antrag, den Sie heute vorlegen, ist für uns nicht gerade der große Wurf. (Willi Brase [SPD]: Wie bitte? – Rainer Spiering [SPD]: Aber immerhin ein Wurf!) – Ich sage Ihnen gleich etwas dazu. – Der Deutsche Bundestag soll demnach Absichtserklärungen und Prüfvorhaben begrüßen. Die Bundesregierung soll zu Selbstverständlichem oder bereits Bestehendem aufgefordert werden. Außerdem soll der Bundestag Dinge feststellen, die Sie durch Ihre eigene Haushaltspolitik gerade konterkarieren. Verzeihen Sie bitte, aber Sie ermüden teilweise durch Begrifflichkeiten, denen es an Substanz fehlt. Ich zitiere: Alle an der Ausbildung beteiligten Akteure sollen eine Ausbildungsgarantie umsetzen … (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Entschuldigung, das ist substanziell!) – Ja. Mich interessiert aber brennend, was Sie unter Ausbildungsgarantie verstehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unsere entsprechenden Nachfragen dazu haben Sie leider noch nicht beantwortet. Wie soll die Ausbildungsgarantie denn konkret aussehen? (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das werden wir in den nächsten Monaten ausführen!) – Das wollen Sie in den nächsten Monaten sagen. Sie wecken hier Erwartungen, haben aber anscheinend noch keinen Plan dafür. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt ist aber politisches Handeln gefragt. Ich nenne weitere Beispiele: Sie begrüßen die „Evaluation des Berufsbildungsgesetzes“. Sie begrüßen die „Überprüfung der Maßnahmen im Übergangssystem“. Sie begrüßen „die Weiterentwicklung des Nationalen Pakts für Ausbildung … in eine Allianz für Aus- und Weiterbildung“, ohne überhaupt zu wissen, was dabei herauskommt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir finden: Für eine Maximalkoalition sind das wirklich Minimalaussagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Noch mehr: Alle Ihre Forderungen stellen Sie auch noch unter Haushaltsvorbehalt. Da ist überhaupt kein Mumm drin. Das ist kein Bekenntnis zu einer Reform, das ist ein zögerliches Lavieren, ohne wirklich Wege aufzuzeigen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nun -kommen Sie!) Sie fordern die Bundesregierung auf, „Jugendliche mit Migrationshintergrund bei der Eingliederung in die Berufsausbildung zu unterstützen“. Guten Morgen! Sie wollen doch nicht ernsthaft sagen, dass Sie Ihre eigene Regierung dazu jetzt noch auffordern müssen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie fordern die Bundesregierung auf, das Berufsorientierungsprogramm „auf sämtliche allgemeinbildende Schulen auszuweiten“. Das ist toll; aber wie soll das bitte gehen? Da müssen Sie doch erst einmal das Kooperationsverbot aufheben; dann können wir vielleicht leichter erreichen, was Sie sich jetzt anscheinend auch vorstellen können. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nein! Da sind Sie auf dem falschen Dampfer!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wir erkennen, wie gut die Perspektiven für begabte junge Menschen in Deutschland sind, und auch wir sehen, dass viele Betriebe vorbildlich sind, was die Ausbildung angeht, dass sie sich wirklich ins Zeug legen, um auch schwächeren Jugendlichen Chancen zu geben. All denen, die sich so vorbildlich für die Ausbildung dieser Jugendlichen engagieren, gebührt an dieser Stelle unser herzlicher Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Albert Rupprecht [CDU/CSU]) Aber, liebe Koalition, es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunftschancen unserer Jugendlichen und damit auch um die Zukunft unseres Landes. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Jetzt wird es konkret!) – Ja, jetzt wird es konkret. – Gerade diejenigen, die es nicht allein schaffen, brauchen unsere Hilfe; die anderen machen selbst ihren Weg. Sie brauchen Anerkennung für das, was sie können, Hilfe bei dem, was sie anpacken, und auch die Sicherheit, beim Scheitern nicht fallen gelassen zu werden. Genau diese Garantie meinen wir Grüne, wenn wir von Ausbildung sprechen. Von unserer Seite liegt schon lange ein fundiertes Reformkonzept vor, das wir heute mit unserem Antrag wieder ansprechen. Ich bitte Sie jetzt nicht um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag; das wäre illusorisch. Ich bin jetzt am Ende meiner Rede angelangt; aber denken Sie nicht, dass es das von grüner Seite war! Denn – um einen Ihrer berühmtesten Parteikollegen zu zitieren –: „Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen“, sagte Herr Adenauer. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Albert Rupprecht für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Albert Rupprecht (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Spiering, ich teile in Gänze Ihre Begeisterung für das berufliche Bildungssystem. Es ist weltweit wertgeschätzt, wir werden darum beneidet. Topqualität bei Produkten, Spitzenprodukte aus Deutschland sind nur möglich, weil wir topausgebildete Gesellen, Meister und Fachkräfte haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist etwas, worauf wir stolz sein können, und das gilt es zu erhalten. Trotzdem sage ich explizit dazu: Ich teile nicht die Beschreibung und auch nicht den Großteil der Instrumente, die die Linken und die Grünen vorschlagen. Mir geht es jetzt um einen vollkommen anderen Aspekt, der eigentlich bis dato auch von der Opposition nicht thematisiert wurde: Ich habe ein Stück weit die Sorge, dass wir im Augenblick den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Ich möchte das begründen mit den Zahlen, die uns seit wenigen Wochen vorliegen: Im Jahr 2000 hat ein Drittel der jungen Menschen studiert. Derzeit studiert die Hälfte bzw. beginnt mit dem Studium. Wir wollten das auch, und diese Entwicklung war auch ein Stück weit notwendig. Nach der Prognose der KMK vom 8. Mai dieses Jahres werden 2020 – das heißt, in nur sechs Jahren – aber zwei Drittel eines Jahrgangs an die Hochschulen gehen. Wenn das Realität wird, dann besteht in der Tat die Gefahr, dass das berufliche Bildungssystem ein Stück weit kollabiert. Deswegen müssen wir uns über den richtigen Mix Gedanken machen. Wenn es so kommt, wie die Prognosen besagen, dann erleben wir erstens, dass Deutschland die Meister, die Gesellen und die Fachkräfte ausgehen. Das DIW prognostiziert für 2020 1,4 Millionen fehlende Facharbeiter allein im Bereich der MINT-Berufe. Wir alle wissen, dass diese Prognosen immer unter Annahmen gemacht werden, aber das sollte und muss uns wachrütteln. Wir haben die Expansion an den Hochschulen in den vergangenen Jahren gewollt, und sie war auch richtig. Ich finde aber, dass jetzt das richtige Maß verloren geht und dass das Ganze kippt. Wenn tatsächlich zwei Drittel eines Jahrgangs an die Hochschulen gingen, dann wäre zweitens die Konsequenz nicht nur, dass uns Facharbeiter fehlen würden, sondern auch, dass noch mehr junge Menschen frustriert würden. Bereits heute stellen wir nämlich fest, dass – das ist doch die Realität an den Hochschulen – viele Studenten überfordert sind. 35 Prozent der Studierenden brechen ihr Studium ab oder wechseln das Fach. Jeder Vierte verlässt die Universität ohne Abschluss. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher nehmen Sie diese Zahlen?) Die Zahl der Studierenden, die sagen, dass sie überfordert sind und Prüfungsangst haben, nimmt zu. Selbst diejenigen, die das Studium schaffen, sind zunehmend frustriert. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird jetzt das Studium schlechtgeredet, oder wie?) Es ist doch nicht so, wie es manche formulieren, beispielsweise Dr. Schleicher, der sagt: Werde Akademiker, dann hast du eine goldene Zukunft. – Auch hier ist die Situation natürlich viel differenzierter. Wenn ein Architekt mit 30 Jahren eine Tätigkeit ausführt, die eigentlich auch ein 17-jähriger technischer Zeichner ausführen könnte, und wenn er dafür auch kein Architektengehalt, sondern das Gehalt eines technischen Zeichners bekommt, dann stimmt hier etwas nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Studieren mag für viele ein Königsweg sein, aber nicht für alle. Die Wirklichkeit ist differenzierter. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen und auch thematisieren müssen, ob die berufliche Ausbildung für viele junge Menschen nicht der deutlich bessere Entwicklungsweg wäre. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Wenn es sich wirklich so entwickeln sollte, wie die KMK prognostiziert, dann würden wir drittens auch die Hochschulen massiv überfordern. Wenn zwei Drittel eines Jahrgangs studieren, dann werden die Hochschulen am Ende, wie es Professor Lenzen formuliert hat, wie es aber auch das EFI-Gutachten und der Wissenschaftsrat zum Ausdruck bringen, mehr Berufsschule als Universitäten im Sinne von Humboldt sein. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sind sie ohnehin schon fast!) Es stellt sich die Frage: Wie sehen wir die Hochschulen? Ich bin der Meinung, wir wollen an den Hochschulen nach wie vor eine exzellente akademische Ausbildung für junge akademisch und intellektuell begabte Menschen. Genauso wollen wir parallel dazu im Bereich der beruflichen Bildung eine exzellente Ausbildung zum Gesellen, zum Meister und zur Fachkraft für praktisch begabte junge Menschen ermöglichen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Rupprecht, darf der Kollege Gehring Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Albert Rupprecht (CDU/CSU): Gerne. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Rupprecht, Sie formulieren Ihre Thesen ja schon seit mehreren Wochen und Monaten, und Sie haben auch in einer Pressemitteilung geschrieben, der gesellschaftliche Grenznutzen der Akademisierung sei überschritten und der Studienwunsch des Einzelnen dürfe nicht mehr allein maßgeblich sein. Wir als Grüne halten überhaupt nichts davon, die akademische und die berufliche Bildung gegeneinander auszuspielen; (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wir auch nicht!) denn wir brauchen Meister und Master und nicht Meister statt Master, wie Sie es formulieren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Ich würde jetzt einfach einmal gerne wissen, welche Konsequenz Sie aus dem, was Sie jetzt gerade und in den Pressemitteilungen verkünden, ziehen. Wollen Sie damit den jungen Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft ernsthaft vorschreiben, was sie künftig machen, ob sie studieren oder sich beruflich ausbilden lassen? Wollen Sie hier eine neue CSU-Planwirtschaft betreiben und die NC deutlich nach oben treiben? Was heißt das denn in der Konsequenz, wenn Sie vor einer Akademisierungswelle warnen? Man muss doch beide Bereiche attraktiv halten und darf hier jetzt nicht das Studium schlechtreden. Was ist also Ihre Konsequenz? NC für alle und Planwirtschaft durch die CSU? Albert Rupprecht (CDU/CSU): Kollege Gehring, wir sind in zwei Punkten beieinander. Erstens sind wir darin beieinander, dass wir für jeden jungen Menschen das richtige Angebot brauchen. Wenn zwei Drittel der jungen Menschen an die Hochschulen gehen, dann bin ich der festen Überzeugung, dass sich viele in einer dualen beruflichen Ausbildung besser entwickeln könnten. Zweitens sind wir in der Aussage beieinander, dass wir den richtigen Mix brauchen; das meine auch ich. Aber ich sage noch einmal: Im Jahr 2000 hat sich ein Drittel der jungen Menschen an den Hochschulen eingeschrieben, in sechs Jahren sollen es zwei Drittel sein; das Verhältnis hat sich also umgekehrt. Glauben Sie ernsthaft, dass das der richtige Mix ist, was die Zukunftsaufgaben in Deutschland betrifft, Stichwort „Fachkräftebedarf“? (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt so nicht!) Zu den Instrumenten komme ich jetzt ohnehin. Deshalb möchte ich nun in meiner Rede fortfahren. Dass zwei Drittel der jungen Menschen studieren, kann nicht unsere Vision für die Hochschulen sein. Das sage nicht nur ich, und es sagen auch nicht nur wenige Experten, sondern darüber wird im Augenblick breit diskutiert. Der Wissenschaftsrat hat sich dazu positioniert, und auch im EFI-Gutachten wird ausführlich ausgeführt, dass wir einen vernünftigen Mix von beruflicher und akademischer Bildung brauchen. Was müssen wir machen? Erstens. Wir müssen all das umsetzen, was Ministerin Wanka formuliert hat. Sie hat eine Vielzahl an Maßnahmen ausgeführt. Sie hat formuliert, dass wir berufliche Bildung zum Schwerpunkt in dieser Legislatur machen und sie aufwerten wollen. Ich nenne einmal die Stichpunkte – ich sage explizit, dass diese Punkte für uns als Unionsfraktion in den Ko-alitionsverhandlungen ein außerordentlich großes Anliegen waren –: Wir werden den Ausbildungspakt zur Allianz für Aus- und Weiterbildung weiterentwickeln. Wir werden eine Ausbildungsgarantie beschließen. Das wird nicht einfach auf politischer Ebene geschehen, sondern das wird in der Allianz mit den Akteuren besprochen werden. Wir werden die Bildungsketten und die assistierte Ausbildung erheblich ausbauen. Wir werden die Durchlässigkeit des Systems erhöhen, und zwar in beide Richtungen. Darüber hinaus werden wir viele andere Maßnahmen ergreifen; Ministerin Wanka hat die Vielzahl der Maßnahmen angesprochen. Das wird substanziell etwas kosten und entsprechend finanziell ausgestattet werden. Natürlich müssen wir uns anschauen, ob die Anreize fair gesetzt sind. Wenn der Student kostenlos studieren kann, weil das der Wunsch der Bevölkerung ist – der zu akzeptieren ist –, aber der Meister im Schnitt 10 000 Euro zahlt, dann ist der Anreiz nicht wirklich fair gesetzt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir wissen, dass das ein Kraftakt ist, aber man muss darüber nachdenken, wenn man von Wettbewerbschancen und von Attraktivität redet. Zweitens. Wir werden den vernünftigen Mix nicht nur durch eine Aufwertung der beruflichen Bildung erreichen, sondern es stellt sich auch die Frage, was das für die Hochschulen, die zweite Säule, heißt. Ich maße mir jetzt nicht an, auf der Basis der KMK-Prognose vom Mai dieses Jahres schon alle Instrumente herunterbeten zu können. Ich verweise aber auf die Stellungnahme des Wissenschaftsrates. Das ist doch eine ernstzunehmende Institution. In der Stellungnahme des Wissenschaftsrates heißt es, dass „eine indirekte Steuerung der Ausbildungsentscheidungen von Schulabgängern über die Bereitstellung von Studienplatzkapazitäten unvermeidbar“ sei. Das ist also nicht nur die Meinung von Albert Rupprecht, sondern auch die des Wissenschaftsrates. Herr Kollege Gehring, es würde mich außerordentlich wundern, wenn die Grünen ab heute die Positionen und Stellungnahmen des Wissenschaftsrates in Bausch und Bogen verdammen würden. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit dem Hochschulpakt?) Man muss darüber doch zumindest ernsthaft nachdenken. Wenn Professor Marquardt sagt, man diskutiere im Augenblick die Instrumente, dann wissen wir alle, dass jedes Instrument seine Vor- und Nachteile hat. Aber darüber zu diskutieren, ist unabdingbar. Der Wissenschaftsrat hat angekündigt, diese Einschätzung, diese Positionierung im Hinblick auf die Instrumente in den nächsten Wochen und Monaten zu präzisieren. Wir müssen uns die Zeit nehmen, das abzuwarten und dann diese Vorschläge ernsthaft zu debattieren. Ich glaube beispielsweise, dass die Finanzierung des Hochschulpaktes – Ministerin Wanka hat dazu bereits etwas gesagt – von der Zahl der Studienanfänger abhängt. Es geht auch darum, dass die Qualität an den Hochschulen erhöht wird, dass die Zahl der Abschlüsse steigt, dass wir die Abbrecherquoten senken. Deswegen muss natürlich auch dieses Thema Bestandteil des Hochschulpaktes sein. Wir können nicht einfach sagen: Wir machen weiter wie bisher, ohne auf die Qualität zu achten. Wir überweisen das Geld, und damit hat es sich. – Im Wissen um die Prognosen muss auch der Hochschulpakt entsprechende Elemente beinhalten und vernünftige Antworten auf die sich stellenden Fragen geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte es abschließend so auf den Punkt bringen: Die große Wertschätzung der dualen beruflichen Bildung, bei der wir uns in diesem Hause, glaube ich, alle einig sind, bedeutet in der Konsequenz, dass wir auch in die Zukunft schauen müssen. Die Prognosen der KMK müssen uns wachrütteln. Wenn wir das System, um das uns die Welt beneidet, auch in Zukunft aufrechterhalten und stabilisieren wollen, dann braucht es viele Einzelmaßnahmen. Aber es braucht auch vernünftige und kluge Grundsatzentscheidungen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Spiering, erst einmal zu Ihnen: Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin seit 20 Jahren Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses der IHK Chemnitz und der Handwerkskammer Chemnitz. Das sage ich Ihnen, damit Sie nicht davon ausgehen müssen, wir wüssten nicht, wovon wir reden. Ihre Sichtweise ist natürlich die der Berufsschullehrer als eine Säule der dualen Ausbildung. Das ist zwar richtig, aber dazu gehört noch ein bisschen mehr. Sie wissen, dass auch die Unternehmen und die Kammern dazugehören. Sie alle muss man im Blick haben und nicht nur die Sicht der Berufsschullehrer. Ich muss Ihnen auch sagen: Es gibt noch große Unterschiede zwischen Ost und West. Wir schieben im Osten immer noch eine ziemliche Bugwelle vor uns her, nämlich die Altbewerber aus den vorhergehenden Entlassjahren, die immer noch in sogenannten Warteschleifen sind. Deswegen hat meine Kollegin durchaus zu Recht gesagt, dass sie teilweise ziemlich lange in solchen Warteschleifen bleiben. Dazu hat übrigens Frau Ministerin Wanka überhaupt nichts gesagt. Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass Auszubildende ein Berichtsheft zu führen haben. In diesem dokumentieren sie die wichtigen Dinge ihrer Ausbildung. Wenn sie wesentliche Inhalte vergessen oder Nebensächlichkeiten zu sehr in den Vordergrund stellen, dann gibt es von den Ausbildern die Rückmeldung: Neu schreiben! Ich kann diesen Auszubildenden nur raten, sich kein Beispiel an der Bundesregierung zu nehmen. Sie nimmt alles in den Bericht auf, was die berufliche Ausbildung in Deutschland in einem richtig schönen Licht erscheinen lässt, aber die zentralen Fragen wie die hohe Zahl unversorgter Bewerber, die Qualität der Ausbildung und die Perspektiven nach der Ausbildung werden weitestgehend ausgeblendet. Ich finde, das ist ein starkes Stück; denn in allen diesen Fällen gibt es erheblichen Handlungsbedarf. Auch hier bleibt eigentlich nur das Urteil: Neu schreiben oder wenigstens nächstes Mal besser machen! (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie wirklich wissen wollen, was in der Ausbildung leider alles möglich ist, besuchen Sie doch das Onlineforum „Dr. Azubi“ auf der Internetseite des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Hier suchen Auszubildende Rat und Hilfe. Schauen Sie sich diese Meldungen dort einmal an! Janek, ein Auszubildender, schreibt: Ich mache in einem Gartencenter meine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Da nun sozusagen Saison ist, verlangt mein Arbeitgeber, dass ich bis zu 10 und möglicherweise sogar 11 Stunden am Tag und 6 Tage die Woche für die nächsten Wochen arbeiten muss, ohne freien Tag. Ist das rechtens? Eigentlich bin ich nur noch zum Essen und Schlafen zu Hause, was deutlich an meiner Substanz zehrt … Zum Lernen ist keine Zeit mehr da. Das ist die Realität, meine Damen und Herren. Sabrina, eine Auszubildende, schreibt: Ich bin im dritten Lehrjahr als Hotelfachfrau und habe in 32 Tagen Prüfung. Habe noch 32 Tage Urlaubsanspruch … Ich habe meinen Chef gefragt, wann ich dann meinen Resturlaub nehmen kann, er meinte, das geht nicht, es ist viel zu tun und er habe wenig Personal. Ich weiß nicht, was mit meinem Resturlaub wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind keine Einzelfälle. Es gibt eine Fülle von Problemen in der Ausbildung selbst. Nach dem Ausbildungsreport des DGB macht ein Drittel aller Auszubildenden regelmäßig Überstunden. Sie wissen, dass Auszubildende keine Überstunden machen dürfen, erst recht nicht, wenn sie unter 18 Jahre alt sind. 10 Prozent üben ausbildungsfremde Tätigkeiten aus, also das sogenannte Hofkehren oder auch Kopieren. 33 Prozent besitzen noch nicht einmal einen Ausbildungsplan. Was sagt die Bundesregierung dazu, dass Auszubildende als billige Arbeitskräfte missbraucht werden und ihnen eine fachgerechte und umfassende Ausbildung einfach vorenthalten wird? Nichts findet sich dazu im Berufsbildungsbericht. Wenn es insgesamt diese Mängel bei der Ausbildungsqualität und beim Jugendarbeitsschutz gibt, kann sich die Bundesregierung nicht einfach davonstehlen und den Ländern und Kammern die Schuld in die Schuhe schieben. Arbeitgeber können nicht über einen angeblichen Fachkräftemangel klagen, wenn es solche gravierenden Ausbildungsmängel gibt. Nicht zuletzt deswegen werden Ausbildungsplätze oft nicht besetzt oder Ausbildungsverträge aufgelöst. Wir müssen uns fragen: Wie wirksam sind denn die derzeitigen Kontrollen? Im Jahr 2011 gab es in den Betrieben gerade einmal 3 400 Kontrollen zum Jugendarbeitsschutz. Das ist nicht viel im Vergleich zu 1,4 Millionen Ausbildungsverhältnissen. Es gibt offensichtlich Reformbedarf. Aber davon will unsere Regierung nichts wissen. Ein zweiter Punkt, der im Berufsbildungsbericht der Bundesregierung fehlt, ist die Frage der Perspektive nach der Ausbildung. Im dualen System geht ein Drittel der Auszubildenden nach der Ausbildung in die Arbeitslosigkeit. Diejenigen, die übernommen werden, haben oft nur befristete Verträge. Deshalb ist auch hier die politische Botschaft klar: Befristungen sind einzudämmen, und unbefristete Übernahmen sollten eigentlich die Regel werden. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, gute Politik beginnt mit einer kritischen und schonungslosen Analyse der Ausgangssituation. Oder um es für die Sozialdemokraten unter Ihnen mit Ferdinand Lassalle zu sagen: „Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit.“ Was dieser Bericht alles nicht ausspricht, lässt leider nichts Gutes für Ihre Politik im Bereich der Ausbildung erahnen. Das ist keine gute Botschaft für unsere Jugend, aber für uns als Linke Anlass genug für den Appell, umso nachhaltiger für das Recht auf gute Ausbildung weiterhin zu streiten. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Bundesregierung hat nun die Staatsministerin Frau Özoguz das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Aydan Özoguz, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tim Schultheiß und Hakan Yilmaz bewerben sich für eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker. Beide sind Jahrgang 1996. Beide sind in Deutschland geboren. Beide haben Schulzeugnisse mit einem Notendurchschnitt von 2,0. Doch etwas Gravierendes unterscheidet diese beiden: Hakan hat deutlich schlechtere Chancen als Tim, zum Bewerbungsgespräch für den Ausbildungsplatz eingeladen zu werden. Hakan muss 50 Prozent mehr Bewerbungen schreiben. Allein diese Tatsache ist für uns nicht hinnehmbar. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dieses Ergebnis stammt aus der aktuellen repräsentativen Studie „Diskriminierung am Ausbildungsmarkt“ des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Jugendliche mit bestimmten Zuwanderungsgeschichten haben bereits in der ersten Bewerbungsphase schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz, und das trotz gleicher bzw. identischer Qualifikation. Wie wir wissen, ist das nur die Spitze. Negativen Einfluss können auch neudeutsche Namen, das Geschlecht und manchmal sogar die Schule, die man besucht hat, ausüben; das alles wird in der Studie aufgezeigt. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zeigt uns, dass bei denjenigen, die eine Zuwanderungsgeschichte haben, noch sehr viel zu tun ist; denn laut Berufsbildungsbericht 2014 beginnen nur halb so viele Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit – nur für diese Gruppe liegen Zahlen vor; das ist aber nur die Hälfte derjenigen mit Migrationshintergrund – eine Ausbildung wie junge Deutsche. Wir haben hier ein Verhältnis von 29 Prozent zu 59 Prozent zu verzeichnen, obwohl ein gleich großes Interesse an einer Berufsausbildung festzustellen ist und – ich glaube, das wissen viele nicht – obwohl Eltern mit Migrationshintergrund höhere Bildungserwartungen an ihre Kinder haben als Eltern ohne Migrationshintergrund. Für alle Jugendlichen kommt erschwerend hinzu – das wurde unter anderem schon von der Bundesministerin genannt –, dass es ein Rekordtief bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen gibt. Frau Hein, wir sind uns einig, dass das heutige Übergangssystem eher zu einer Art Paternoster geworden ist, in dem die Jugendlichen hoch- und herunterfahren, aber aus dem sie nicht herauskommen. Dieser Zustand wurde bereits benannt und muss verändert werden, wenn wir eine ordentliche Ausbildung für Jugendliche wollen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist im Übrigen auch der Grund, warum ich mir als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung das Thema Ausbildung als Schwerpunkt für das Jahr 2014 gesetzt habe. Ich habe mich sehr gefreut, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auch sofort zugesagt hat, den Integrationsgipfel Ende des Jahres zum Thema Ausbildung tagen zu lassen, damit wir dort wirklich alle Ergebnisse zusammenfassen können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich denke, dass wir vor allen Dingen vier zentrale Ziele verfolgen müssen. Erstens geht es darum, die Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen zu erhöhen. Wir müssen immer auch bedenken, dass nicht alle einen sogenannten Migrationshintergrund haben. Aber bestimmte Namen wirken offenbar anders als andere. Damit die Ausbildungsbeteiligung erhöht werden kann, müssen zweitens mehr Unternehmen ausbilden. Drittens brauchen wir offensichtlich mehr interkulturelle Sensibilität bei der Bewerberauswahl; denn wer zum Beispiel zusätzlich zum Deutschen eine weitere Sprache spricht oder sich in anderen Kulturkreisen auskennt, verfügt über wertvolle weitere Qualifikationen. Das sollte anerkannt werden, anstatt Bewerber mit fremd klingenden Namen sofort auszusortieren. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das bringt mich zum vierten Punkt. Auch auf dem Ausbildungsmarkt können wir einiges gegen Diskriminierung tun. Es gibt eine Idee, die durch den Raum geistert – das ist nicht die einzige gute Idee –, und zwar die der anonymen Bewerbung. Anonyme Bewerbungsverfahren können zumindest dazu beitragen, dass man im ersten Angang nicht aussortiert wird, weil sich zunächst einmal ein anderes Bild darstellt. Wir haben Unternehmer – ich hatte neulich das Vergnügen, jemanden aus Baden-Württemberg zu hören, und es gibt das Beispiel der Stadt Celle –, die das einfach einmal ausprobiert haben und sagen, dass sie plötzlich eine ganz andere Mischung bei den Bewerbungsgesprächen als vorher vorfinden, als sie schon im ersten Angang wussten, wie die Bewerber aussehen, heißen usw. Offensichtlich ist das ein ganz vernünftiges Verfahren, und das sollten wir deswegen auch unterstützen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Mir machen einige Beispiele, die neu sind, durchaus Mut. Das eine brauche ich gar nicht weiter auszuführen; Rainer Spiering hat es erwähnt. Ich meine die Jugendberufsagentur in Hamburg. Wir haben letzte Woche auf der Bundeskonferenz aller Integrationsbeauftragten aus Bund, Ländern und Kommunen über dieses Modell gesprochen. Es ist natürlich einfacher in Stadtstaaten, die Arbeitsagenturen, die Behörden und die Bezirksämter miteinander zu vernetzen, vor Ort an den Schulen präsent zu sein und Jugendliche immer wieder frühzeitig zu informieren. Ich finde an diesem Modell besonders interessant, dass es Jugendliche sind – ich konnte das selber erleben –, die sagen: Wieso fragt plötzlich jemand nach mir? Ihr habt euch doch bis heute nicht für mich interessiert. – Es ist schon wirklich spannend, wenn man das zu hören bekommt. (Beifall bei der SPD) Wichtig ist auch, sich immer wieder bewusst zu machen – das ist schon gesagt worden –: Es lässt sich vieles machen, wenn der politische Wille da ist. Es sind natürlich schwierige Mechanismen, die da funktionieren müssen, und das ist in Flächenländern schwieriger. Ich möchte aber auch ein gutes Beispiel für ein Flächenland nennen. In Baden-Württemberg gibt es das Projekt carpo für die assistierte Ausbildung. In diesem Rahmen wird an circa 20 Standorten jungen Menschen mit besonderem Förderbedarf eine betriebliche Ausbildung ermöglicht. Dieses Projekt hilft bei der Suche nach geeigneten Ausbildungsstellen, bereitet darauf vor – wir wissen, dass das manchmal eine wichtige Zeit für junge Leute ist – und hilft auch bei Fragen zur Wohnung, Kinderbetreuung etc. Dass 85 Prozent der Teilnehmer dank dieses Projekts offensichtlich den Übergang in Arbeit oder eine betriebliche Ausbildung schaffen, ist ein Erfolg. Wir sollten uns auf die Dinge konzentrieren, die uns so gute Zahlen bescheren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich bin Bildungsministerin Wanka sehr dankbar, dass sie diese Weiterentwicklung zur Allianz mit anderen gemeinsam vorantreibt. Ich denke, es muss uns in dieser Allianz für Aus- und Weiterbildung auch gelingen, die vorhandenen Instrumente zu verzahnen, um am Ende zu einer Art Ausbildungsgarantie zu kommen. Das ist das Ziel für uns alle. Wir wollen kein Kind ohne Ausbildung lassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein allerletzter Punkt. Bei aller Freude über die aktuellen Zahlen der OECD zur Fachkräftezuwanderung, die am Anfang genannt wurden, möchte ich eines deutlich sagen: Bei dem Ruf der Wirtschaft nach Fachkräften – ich habe dies immer unterstützt; wir brauchen Zuwanderung in unser Land, also bitte nicht falsch verstehen – dürfen wir niemals außer Acht lassen, dass wir auch erhebliche Potenziale im Inland haben und dass es eine zentrale Aufgabe ist, diese zu unterstützen und auszubilden. Danke. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Brigitte Pothmer ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Wanka, Sie haben die Herausforderungen, die sich aus dem Berufsbildungsbericht 2014 ergeben, richtig beschrieben. Es ist eigentlich schade, Herr Spiering, dass Sie dahinter sehr weit zurückgefallen sind. Diese Form von Gesundbeten hilft uns wirklich nicht weiter. Politik beginnt mit der Betrachtung von Wirklichkeit. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig! Sie klauen mir meine Sätze! – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Wirklichkeit, die Sie beschrieben haben, lässt sich jedenfalls im Berufsbildungsbericht nicht erkennen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Wanka, es ist richtig, dass Sie die Herausforderungen beschrieben haben. Sie haben viele Fragen gestellt. Ich erinnere Sie aber daran: Sie sind an der Regierung. Sie dürfen nicht nur Fragen stellen, Sie dürfen nicht nur Herausforderungen beschreiben, sondern Sie müssen auch Antworten geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie müssen uns sagen, was die Regierung tun will, damit sich die von Ihnen beschriebene Situation verbessert. Keine Antwort haben Sie insbesondere auf die Probleme der Gruppe von 1,4 Millionen jungen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren, die keine Ausbildung haben. Frau Wanka, diese Gruppe ist nicht kleiner geworden – trotz bester wirtschaftlicher Entwicklung, trotz Fachkräftemangels. An der Größe dieser Gruppe hat sich nichts geändert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben viel zu lange darauf gesetzt, dass der wirtschaftliche Aufschwung und der Fachkräftemangel dieses Problem lösen werden. Das ist nicht der Fall. Ich sage Ihnen: Wenn 15 Prozent einer Alterskohorte keine Ausbildung haben, nicht in das System integriert sind, dann ist das nicht nur ein Drama für die betroffenen jungen Menschen, dann ist das auch ein Drama für die Gesellschaft, insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Ich will Sie daran erinnern, wie die Situation ist: Eine immer kleinere Kohorte junger Menschen muss eine immer größere Kohorte älterer Menschen unterstützen. Wenn fast ein Fünftel der jungen Menschen daran nicht mitwirken kann, sondern selber auch noch alimentiert werden muss, dann überfordert das die Gesellschaft in hohem Maße. Deswegen haben wir da dringenden Handlungsbedarf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich sage Ihnen: Auch diese jungen Menschen brauchen eine abgeschlossene Berufsausbildung. (Beifall der Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Wenn diese Berufsausbildung aus unterschiedlichsten Gründen nicht im dualen System stattfinden kann, dann müssen wir ihnen eben ein anderes Angebot machen, aber auf jeden Fall ein berufsqualifizierendes Angebot. Darauf kommt es an. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben Ihnen mit unserem Konzept DualPlus ein ausgereiftes Papier auf den Tisch gelegt. Mit DualPlus wollen wir das duale System – das sage ich hier noch einmal ausdrücklich – nicht ersetzen, sondern ergänzen, weil es dringend eine Ergänzung braucht. Das zeigt die Zahl von 1,4 Millionen Jugendlichen, die keine Ausbildung haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Übergangssystem ist – Frau Ministerin Wanka, ich frage mich wirklich, wie lange wir darüber eigentlich schon reden – ineffizient und teuer. Dieses Übergangssystem wollen wir in eine Ausbildung mit System, und zwar mit sehr hohen betrieblichen Anteilen, überführen. Wir wollen eine Ausbildung nach dem dualen Prinzip außerhalb des dualen Systems. Damit können wir das Recht auf Ausbildung wirklich umsetzen. Das ist eine Ausbildungsplatzgarantie. Ich finde schon interessant, dass in der Rede von Frau Wanka die in der Koalitionsvereinbarung beschriebene Ausbildungsplatzgarantie gar nicht mehr vorkam. Irgendwann soll am Ende so etwas wie eine Ausbildungsplatzgarantie zustande kommen. Dafür können sich die 1,4 Millionen Jugendlichen nun wirklich nichts kaufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir brauchen keine weiteren Einzelmaßnahmen, Herr Rupprecht. Wir brauchen keine weiteren Warteschleifen. Wir brauchen eine qualifizierende Ausbildung für alle Jugendlichen. Davon profitieren die jungen Menschen, davon profitieren die Betriebe, davon profitieren Staat und Gesellschaft, weil sich jede Investition in Bildung x fach auszahlt. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Lena Strothmann erhält nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Lena Strothmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner beruflichen Laufbahn als Schneidermeisterin, als Handwerksmeisterin, habe ich über 50 junge Menschen ausgebildet. (Rainer Spiering [SPD]: Sehr gut!) Viele von ihnen sind heute erfolgreich, sind selbstständig, haben die Meisterprüfung gemacht und haben junge Menschen ausgebildet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mir liegt die duale Ausbildung sehr am Herzen, weil sie ein Erfolgsrezept ist. Und, meine Damen und Herren: Die duale Ausbildung ist die Grundlage für Generationen von Fachkräften in unseren Betrieben: im Handwerk, im Mittelstand und auch in der Industrie. Wenn wir weiterhin in unserem Land erfolgreich sein wollen, wenn wir unseren Wohlstand in Zukunft erhalten wollen, dann brauchen wir dringend leistungsstarken Nachwuchs. Das geht im Übrigen nicht nur die Wirtschaft an; das geht auch die Verbraucher an. Stellen Sie sich vor: In einem harten Winter fällt Ihre Heizung aus, bei einem starken Sturm wird Ihr Dach beschädigt, oder Sie haben einen Wasserrohrbruch – und keiner kommt. Das klingt jetzt vielleicht etwas dramatisch, aber im Handwerk ist der Mangel an Fachkräften schon deutlich spürbar, und das wird sich in Zukunft noch verstärken, wenn es uns nicht gelingt, mehr junge Menschen für die duale Ausbildung zu gewinnen. Die Zahl der Neuverträge ist in den letzten Jahren ständig gesunken; das haben wir gehört. Jetzt haben wir im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 20 000 Verträgen. Die Zahlen im Handwerk sind zwar besser, weil die Ausbildungsbereitschaft unserer Betriebe immer noch hoch ist; das Problem ist aber, dass wir aus demografischen Gründen immer weniger Schulabgänger haben. Zudem – wir haben es gehört – gibt es einen Trend zu höherer Bildung, gepusht noch durch Brüssel und die OECD. Viele streben das Abitur und ein Studium an, und im Ergebnis bleiben immer weniger junge Menschen für die duale Ausbildung übrig. Das ist eine dramatische Entwicklung, meine Damen und Herren, die sich in den nächsten Jahren auch noch verstärken wird. Hier müssen wir ansetzen. Hier müssen wir umsteuern. Was ist zu tun? Natürlich muss sich die Wirtschaft noch intensiver um ihren Nachwuchs kümmern; schließlich steht die Existenz unserer Betriebe auf dem Spiel. Aber hier ist nicht nur die Wirtschaft gefordert, meine Damen und Herren, sondern wir alle sind gefordert. Wir müssen umdenken. Die Gesellschaft muss umdenken. Für viele Schulabgänger und Eltern ist die duale Ausbildung nur noch zweite Wahl. Über 50 Prozent der jungen Menschen eines Jahrgangs streben ein Hochschulstudium an – mit steigender Tendenz. Gerade dadurch fehlen uns im Handwerk und in der gewerblich-technischen Wirtschaft geeignete Auszubildende, während die Unis gleichzeitig unter dem großen Andrang stöhnen. Dabei ist der akademische Berufsweg nicht immer der Königsweg, und vor allem – auch das muss einmal gesagt werden – schützt er nicht unbedingt vor schlechter Bezahlung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine Erhebung der Universität Duisburg-Essen hat gezeigt, dass 688 000 Akademiker in unserem Land zu den Geringverdienern gehören, meine Damen und Herren. Ein Elektromeister im Handwerk zum Beispiel oder ein Schneidermeister in meinem Betrieb verdient wesentlich mehr als junge Juristen. Professor Nida-Rümelin, Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie und Politische Theorie der Uni München, hat es auf den Punkt gebracht. Er spricht davon, dass uns ein Akademisierungswahn gepackt hat, und er hat recht. Allein die hohe Zahl der Studienabbrecher in technischen Studiengängen zeigt, dass es sinnvoll sein kann, zunächst einmal eine handwerkliche Ausbildung zu machen. Frau Ministerin Wanka hat ebenfalls recht mit ihrer Initiative, Studienabbrecher für eine Lehre im Handwerk zu gewinnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Handwerk haben junge Menschen wirklich beste Chancen; viele wissen es nur noch nicht. Das Handwerk bietet über 130 Ausbildungsberufe. Das Handwerk ist innovativ. Das Handwerk ist kreativ, und das Handwerk ist vor allen Dingen Hightech. Für jeden ist etwas dabei. (Beifall bei der CDU/CSU) Es gibt viele individuelle Karrieremöglichkeiten: eine Ausbildung, ein Studium, ein duales Studium oder die Gründung eines eigenen Unternehmens. Leider setzen sich immer noch zu wenige junge Menschen, Eltern und Lehrer mit den einzelnen Berufsbildern und den sich dadurch bietenden Chancen auseinander. An dieser Stelle muss die Berufsorientierung mehr leisten, vor allen Dingen in den Gymnasien. Die duale Ausbildung muss stärker in den Vordergrund rücken, und zwar auch in unseren Köpfen. In den Nachbarstaaten beneidet man uns um unser System. Hierzulande haben aber viele die Bedeutung der dualen Ausbildung noch nicht erkannt. Deswegen brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens. Berufliche und akademische Bildung sind auf dem Papier gleich; das haben wir in den letzten Jahren erreicht. Zu unseren Hochqualifizierten gehören nicht nur Akademiker, sondern auch Techniker und Meister. Das ist bei vielen Eltern, Lehrern und Schülern aber noch nicht angekommen. Deshalb muss die Wirtschaft an dieser Stelle mehr aufklären und vor allen Dingen auch mehr werben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD]) Zur dualen Ausbildung gehört auch der Meisterbrief. Das muss auch Brüssel begreifen. Die Kommission empfiehlt den Krisenländern auf der einen Seite das -duale System, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Auf der anderen Seite will sie aber den Meistervorbehalt als Voraussetzung zum Berufszugang abschaffen. Wir in Deutschland haben nach dem Inkrafttreten der Handwerksnovelle 2003 negative Erfahrungen mit solchen Ansätzen gemacht. Nachdem 53 Handwerksberufe zulassungsfrei wurden, gab es zwar viele Existenzgründer; das waren aber meist nur Einmannbetriebe. Eine Studie des Instituts für Handwerk und Mittelstand belegt, dass fünf Jahre nach ihrer Gründung 60 Prozent der Betriebe nicht mehr am Markt waren. Das Schlimmste ist aber: Sie bilden nicht aus. So etwas darf sich in unserem Land nicht wiederholen. Ich sage: Wer den Meisterbrief angreift, legt gleichzeitig die Axt an ein funktionierendes und erfolgreiches Ausbildungssystem. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin, Sie denken bitte an die Zeit, ja? Lena Strothmann (CDU/CSU): Ich komme zu meinem letzten Satz. – Das duale System funktioniert nur mit dem Meisterbrief. Ein bisschen Meisterbrief gibt es nicht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Willi Brase das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Willi Brase (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass wir die Struktur, die Bedeutung und die Perspektiven der dualen Ausbildung intensiv diskutieren. Es ist auch sicherlich richtig, dass wir uns mit Blick auf die eine oder andere Zahl in Erinnerung rufen, was noch alles zu machen ist. Ich habe mir die Anträge der beiden Oppositionsfraktionen angeschaut und stimme Frau Wanka zu, dass darin an der einen oder anderen Stelle durchaus Lesenswertes zu finden ist. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mehr Lob geht nicht!) Wenn wir aber wünschen, dass die jungen Menschen in Deutschland nicht nur alle den Weg des Abiturs und des Studiums gehen wollen, sondern sich auch für den Weg der dualen Ausbildung entscheiden, dann müssen wir vor allem über Qualität und Weiterentwicklung sprechen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nur wenn die jungen Menschen begreifen, dass beide Bildungswege gleiche Chancen, gleiche Lebensperspektiven und gute Arbeitsbedingungen bieten, dann werden sie sich in Zukunft anders entscheiden, als sie sich heute entscheiden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) In Bezug auf die Qualität gibt es viele Untersuchungen. Ich habe eine herausgesucht, die sich mit der Frage beschäftigt, wie es eigentlich in den Betrieben läuft. Es wurde festgestellt, dass in mitbestimmten Betrieben, in denen also das Betriebsverfassungsgesetz gilt und in denen es Betriebsräte gibt, die Ausbildung ein Stück weit intensiver und qualitativ hochwertiger ist und dass die Jugendlichen nach der Ausbildung öfter übernommen werden und teilweise auch besser verdienen. Das ist der Arbeit der Betriebsrätinnen und Betriebsräte zu verdanken; denn sie haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz den Auftrag, die Ausbildung mit zu kontrollieren, zu unterstützen und nach vorne zu bringen. Denjenigen, die sich tagtäglich für die jungen Leute einsetzen, gehört unser Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]) Wir werden darüber reden müssen, wie wir die Beruflichkeit bzw. die berufliche Bildung weiterentwickeln. Was ist das Konzept der Beruflichkeit? Was sind moderne Berufe? Müssen wir nicht wieder Kernberufe ein Stück weit stärker in den Mittelpunkt stellen? Die Diskussion darüber gibt es dort, wo sie hingehört, im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung. Dort werden die entsprechenden ordnungspolitischen Regelungen vorbereitet. Danach werden sie gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Wirtschaftsministerium verordnet. Der Weg führt wieder in Richtung Berufsfamilie. Die Zeit spricht dafür, dass wir die Ausbildungsordnung modernisieren. Entsprechende Bemühungen haben wir in den letzten Jahren vorangetrieben. Die Perspektive ist, weniger spezialisierte Einzelberufe und mehr Kernberufe zu haben. Damit steigen auch die Chancen für die jungen Leute, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mir ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dieses vor allem im Konsens, in Übereinstimmung der Sozialpartner passiert; denn die Akzeptanz der dualen Ausbildung lebt doch davon, dass Menschen in Betrieben und Verwaltungen unseres Landes positiv dazu stehen. Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen sich tagtäglich, wöchentlich, monatlich und jährlich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren? Die Deutsche Handwerks Zeitung hat für mein Bundesland Nordrhein-Westfalen den Wert dieses Engagements – nur bezogen auf das Handwerk – berechnet. Das Ehrenamt ist Millionen Euro wert. Man spricht davon, dass allein in Nordrhein-Westfalen die Arbeit der Prüfungsausschussmitglieder und Arbeitsgruppenmitglieder, die Prüfungsordnungen vorbereiten und diskutieren, 5 Millionen Euro wert ist. Wenn man das auf das Bundesgebiet hochrechnet und den Gegenwert der Arbeit des DIHK sowie der anderen Kammern hinzurechnet, geht es um fast dreistellige Millionensummen. Ich sage an dieser Stelle den Ehrenamtlern in den Prüfungsausschüssen, im Bereich des DIHK, in den Handwerkskammern und in den anderen Kammern ein ganz großes Dankeschön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir werden überlegen müssen, wie wir in noch stärkerem Maße die Durchlässigkeit zwischen den beiden großen Systemen hinbekommen. In der dualen Ausbildung wird im Arbeitsprozess gelernt. Das wird theoretisch durch die Berufskollegs ergänzt. Das heißt für uns: Auf der einen Seite wollen wir den betrieblichen Teil stärken; auf der anderen Seite müssen wir aber auch von den Ländern fordern, dass die Situation der Berufskollegs, lieber Rainer Spiering, ein Stück weit verbessert wird. Ist es nicht richtig, auch zu fordern, dass sich die Ausbildung der Berufsschullehrer in unserem Lande wieder stärker an wissenschaftlichen Kriterien orientiert? Der Abbau von Lehrstühlen ist für die Qualitätsentwicklung der dualen Ausbildung nicht gut. Die Universitäten müssen weiterhin beachten, dass jemand, der aus dem dualen Ausbildungssystem zu ihnen kommt, eine andere Erfahrung des Lernens gemacht hat als jemand, der über den rein schulischen Weg zur Hochschule kommt. Das hat nicht nur etwas mit der Brückenfunktion, sondern auch mit dem Selbstverständnis der Hochschulen zu tun. Dieses Selbstverständnis fordere ich ein. Meine Damen und Herren, der Wissenschaftsrat hat Empfehlungen formuliert und herausgegeben. Er stellt fest, wie wichtig es ist, die jungen Leute in den Schulen frühzeitig über Strukturen, Berufe, Verdienstmöglichkeiten, spätere Arbeitsbedingungen, Weiterqualifizierung und Aufstiegschancen zu informieren. Wir haben dieses aufgegriffen, Frau Pothmer, und schon sehr viel Konkretes gemacht, indem wir beispielsweise den entsprechenden Titel um 10 Millionen Euro erhöht haben. Das ist genau richtig. Alle Diskussionen hier im Hause in den letzten zehn Jahren hatten immer wieder die Frage zum Gegenstand, wie wir der Berufsorientierung zu mehr Beachtung in den Schulen verhelfen können. Diese Koalition unternimmt hier etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich möchte noch zwei Punkte ansprechen. Wenn es um Ausbildung geht, geht es nicht nur um das duale Ausbildungssystem. Es gibt sehr viele junge Leute, die nach Landesrecht ausgebildet werden. Wir führen in unserer Gesellschaft eine Diskussion über die Verbesserung der Betreuung im Bereich der Pflege. Wir brauchen hier eine stärkere Ausbildungsleistung. Wir brauchen die dreijährige Pflegeausbildung. Wir wollen und müssen sie ein Stück weit reformieren, da wir mehr junge Menschen für eine dreijährige Pflegeausbildung gewinnen wollen. Diese Ausbildung muss für junge Menschen kostenfrei sein. Ich möchte das eine oder andere Bundesland auffordern, an dieser Stelle aktiv zu werden. Es geht nicht an, dass sozusagen noch Schulgeld bezahlt werden muss; das gehört in das letzte Jahrhundert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn wir das System der dualen Ausbildung weiter vorantreiben wollen – und das wollen wir –, dann sollten wir auch begreifen, dass die duale Ausbildung ein Stück weit die Innovationskraft der Unternehmen bzw. Betriebe stärkt. Die duale Ausbildung hat zuerst eine wirtschaftliche Komponente, einen betriebswirtschaftlichen Nutzen. Es geht um die einzelbetriebliche Sicherung der Fachkräfte. Es geht darum, immer wieder neues Wissen zu erwerben und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Sie ist Teil der betrieblichen Personalplanung. Sie ist im Prinzip keine sozialpolitische Veranstaltung, sondern hat eine betriebswirtschaftliche Ausrichtung. Deshalb fordere ich die Unternehmen im eigenen Interesse auf, gemeinsam mit uns in vorausschauender Politik mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Wenn wir den Fachkräftenachwuchs, die Fachkräftesicherung auf den Weg bringen wollen, brauchen wir – so sagt das Bundesinstitut für Berufsbildung – jährlich 600 000 neu eingetragene Ausbildungsverhältnisse. Hier gibt es noch eine Menge Luft nach oben. Es muss noch eine Menge gemacht werden. Deshalb werden wir die Allianz für Aus- und Weiterbildung gut vorbereiten. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr richtig!) Wir werden eine ehrliche Betrachtung vornehmen, uns reale Ziele setzen und sie konkret umsetzen – und dies nach dem Motto „Weniger ankündigen, dafür aber stark liefern“. Ich danke für Ihr Zuhören. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun der Kollege Thomas Feist für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir über die Debatte zum Berufsbildungsbericht hinaus zu grundsätzlichen Fragen gekommen sind; denn diese grundsätzlichen Fragen müssen wir klären. Auch mein Vorredner, der Kollege Brase, hat es angesprochen: Wie können wir die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung herstellen? Die Ministerin hat in ihrer Einführungsrede gesagt: Wir müssen die Attraktivität beruflicher Bildung stärken. – Da gebe ich ihr recht. Ich halte es allerdings für den verkehrten Weg, zu sagen, dass wir eine Stärkung der Attraktivität der beruflichen Bildung erreichen, indem wir die akademische Bildung schlechtreden. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das sage ich als Heizungsmonteur und promovierter Musikwissenschaftler aus ganz persönlichem Interesse; beides ist etwas wert. Es ist ja nicht so, dass man durch eine neue Qualifikation die bereits erworbene Qualifikation abgibt. Es wurde vorhin gefragt: Was passiert, wenn die Heizung am Wochenende defekt ist? Ich kann mir da zum Teil auch selber helfen. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Zum Teil!) – Zum Teil. Ich will die Wirtschaft vor Ort nicht außen vor lassen. Aber mir ist dies auf jeden Fall lieber, als in einer Telefonhotline von einem Psychologen betreut zu werden. Deswegen müssen wir mehr für die berufliche Bildung und deren Attraktivität tun. Der Antrag, den wir heute eingebracht haben, weist dazu genau den richtigen Weg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wie schaffen wir das? Es gibt vier Themen, die wir bearbeiten müssen: Das eine ist die Berufsorientierung, und zwar für alle Schüler. Berufsorientierung heißt für mich auch Studienorientierung. Frau Kollegin Pothmer, Sie haben es vorhin angesprochen: 1,4 Millionen junge Menschen sind ohne Abschluss. Sie haben vergessen, zu erwähnen – neben der Tatsache, dass die Hälfte in Beschäftigung ist –, dass ein Großteil davon von den Hochschulen kommt, und zwar ohne Abschluss. Deswegen ist es wichtig, dass wir an den Gymnasien eine Berufs- und Studienorientierung durchführen und nicht einfach sagen: Studiere erst mal etwas, und dann schauen wir, was kommt. – Das ist der richtige Weg; den werden wir beschreiten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Zweite, das ich ansprechen möchte, ist das Übergangssystem. Ich kann in den allgemeinen Tenor, dass das Übergangssystem schlecht ist, nicht einstimmen. Sie sagen damit auch, dass die vielen engagierten Menschen, die sich den Schwächsten der Gesellschaft widmen und das in einer aufopferungsvollen Tätigkeit tun, diesen Job umsonst machen. Das kann und will ich so nicht stehen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU und sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das hat aber nichts miteinander zu tun!) Es gibt natürlich das Phänomen – Frau Hein, Sie haben es angesprochen –, dass Jugendliche acht bis neun Jahre im Ausbildungs- und Übergangssystem verharren. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Ich habe selber in diesem Bereich als Ausbilder gearbeitet, das heißt, ich spreche aus der Innensicht, und neben sehr guten Einrichtungen im Übergangssystem gibt es auch welche, die daraus ein ganz gutes Geschäftsmodell gemacht haben und Kundenbindung betreiben. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Sie kritisieren jetzt die berufsbildenden Schulen! Ich tue das nicht!) Deswegen positionieren wir uns in unserem Antrag dazu und sagen: Wir müssen hier unterscheiden; wir müssen das Übergangssystem so gestalten, dass von Anfang an das Ziel einer vollwertigen dualen Ausbildung für jeden verfolgt wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wenn wir in dieser Legislaturperiode etwas für die berufliche Bildung tun wollen, dann müssen wir uns auch mit Themen beschäftigen, die letzten Endes etwas mit Geld zu tun haben. Man muss auf jeden Fall einmal darüber diskutieren, ob die Summen, die der Bund pro Studienanfänger bereitstellt – egal ob er sein Studium vollendet, egal wie lange das Studium dauert –, in einem angemessenen Verhältnis zu dem stehen, was wir für junge Berufsanfänger tun. Natürlich kommen die jungen Berufsanfänger – das hat mein Vorredner, Kollege Brase, schon gesagt – in erster Linie der Wirtschaft zugute; aber die Ausbildungsleistung selbst ist Millionen, wenn nicht gar Milliarden wert. Insofern gilt den Unternehmen, die ausbilden, unser Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Im Bereich der Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse haben wir in der Bildungspolitik schon viel erreicht: Wir haben einen deutschen Qualifikationsrahmen, und wir haben im Zusammenhang mit dem europäischen Qualifikationsrahmen dafür gekämpft, dass hochwertige Abschlüsse in Lehrberufen wie dem des Technikers oder auch weiterführende Qualifikationen wie der Titel des Meisters mit dem Bachelor gleichgesetzt wurden. Das ist etwas, was wir stärker betonen müssen. Daraus folgt für mich aber die Frage: Warum ist ein Bachelorstudium generell kostenfrei, und welcher Systematik folgt es, dass ein Meister sein Studium selbst bezahlen muss? Ich verstehe das nicht, und ich denke, auch hier sollten wir etwas ändern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie mal los!) – Wollen Sie etwas fragen? (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich frage Sie jetzt mal was!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben die Gerechtigkeitslücke angesprochen, die sich daraus ergibt, dass das Studium kostenfrei ist, während die Meister ihre Ausbildung selber bezahlen müssen. Jetzt frage ich Sie, in welche Richtung Sie die -Gerechtigkeitslücke schließen wollen: in Richtung der Einführung von Kosten für das Studium oder in Richtung der Einführung von Kostenfreiheit für die Meisterausbildung? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Das ist eine sehr gute Frage, Frau Kollegin. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich danke Ihnen für dieses Kompliment! Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut! – -Zurufe: Oh!) – Wow! Da werde ich ja richtig rot. – Ich möchte nicht in die Richtung gehen, die meine Kollegin Hein von den Linken vorhin in ihrer Rede vorgegeben hat. Sie können es nachlesen: Frau Kollegin Hein hat sich indirekt für Studiengebühren ausgesprochen; das fand ich schon sehr bemerkenswert. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Nein! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was?) – Ja, Frau Sitte, da haben Sie nicht aufgepasst, da haben Sie die Rede nicht kontrolliert. – (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Lesen Sie unseren Antrag! Da steht das ganz genau drin! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Eine sehr freie Interpretation!) Mir geht es darum, dass ein Meisterstudium aus meiner Sicht kostenfrei sein muss; das ist mein Ansatz. Im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit halte ich die Systematik, die momentan vorherrscht, für schief – ich erkläre es noch einmal –: Das Bachelorstudium ist generell kostenfrei, das Meisterstudium nicht. Wenn ich versuchen wollte, mit Ihnen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, dann würde ich nicht das sagen, was die OECD sagt, nämlich dass wir für ein sozial gerechtes Studiensystem nachgelagerte Studiengebühren brauchen – O-Ton Professor Schleicher erst vor zwei Tagen –, sondern würde dafür plädieren, zu sagen: Ein Meisterstudium sollte kostenfrei sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Rabanus [SPD] – Zuruf von der SPD: Sag das mal den Haushältern!) – Das sagen wir auch den Haushältern. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, jetzt gibt es noch 15 Sekunden für das Finale. Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Recht vielen Dank, Herr Präsident. – In 15 Sekunden werde ich die großen Anstrengungen, die wir in unserem Antrag beschrieben haben, nicht weiter ausführen können. Aber eines ist mir noch ganz wichtig: Wir müssen etwas für die Berufsschullehrer tun, die in den Ländern leider oft das fünfte Rad am Wagen sind. Das heißt auch, dass wir die akademische Ebene der Ausbildung von Berufslehrern stärken müssen. Dafür werden wir uns starkmachen. Recht vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Ernst Dieter Rossmann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Feist hat an die sehr kluge Eingangsbemerkung unserer Ministerin über die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung angeknüpft. Wenn wir diese Linie halten, dann wächst das auch zusammen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte eine weitere Bemerkung der Ministerin aufgreifen – um auf Frau Pothmer einzugehen. Die Ministerin war so ehrlich, zu sagen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD] – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finde ich richtig!) Ich finde, man muss trotz aller Empörung akzeptieren, dass eine differenzierte, durchaus selbstkritische Betrachtung stattgefunden hat, wenn es darum geht: Wo gibt es noch Lücken und Bedarfe? In welchen Bereichen muss es noch Entwicklung geben? (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich positiv hervorgehoben!) Ein Aspekt ist zu ergänzen: Uns liegt nicht nur ein exzellenter Berufsbildungsbericht vor, sondern implizit auch ein Weiterbildungsbericht. Ich möchte die Verbindung von beruflicher Erstausbildung und Weiterbildung in die Debatte einbringen. Herr Kollege Rupprecht hat heute sehr offen und auch gegen den Mainstream angesprochen, was ihn umtreibt und wo er sich Sorgen macht. Ich finde dies gut, wo heute einmal mehr reihenweise Abgeordnete der Koalition gesprochen haben, weil so eine offene Debatte zustande kommt. Aber, Herr Kollege Rupprecht, besteht eine Stärkung des dualen Systems nicht auch darin, das Weiterbildungssystem zu verbessern? (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Uda Heller [CDU/CSU]) Es ist wichtig, dass die jungen Menschen wahrnehmen, dass sie nach der beruflichen Erstausbildung durch eine ihnen alle Perspektiven eröffnende Weiterbildung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Genauso wichtig wie die Aufwertung der beruflichen Erstausbildung ist zwar eine bessere Bezahlung, zum Beispiel – Herr Rupprecht, Sie haben darauf hingewiesen – die eines erfahrenen Zeichners im Vergleich zu der eines jungen Architekten, und die Verbesserung der Qualität der Arbeit, die Kollege Brase angesprochen hat. Aber auch die berufliche Weiterbildung muss in den Bereich Ausbildung integriert werden. Ich will Ihnen hierfür drei Gründe nennen: Erstens. Damit stärken wir die Qualität unseres dualen Bildungswesens. Zweitens. Weiterbildung ist im Übrigen ein Dach, unter das manche kriechen können, die sich sonst schämen würden, weil sie keine abgeschlossene Schulausbildung oder keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) indem Sie später ihre zweite oder dritte Chance nutzen. Denn sie tun sich leichter, wenn sie sagen können: „Ich bilde mich weiter“, statt zu sagen: „Ich hole jetzt meine Schulzeit nach“, und das mit 35. Drittens. Wir brauchen Weiterbildung, um die Fachkräfteoffensive zu unterlegen; denn es geht nicht nur um Menschen, die eine gute Erstausbildung haben. Vielmehr müssen sich alle, die eine berufliche Tätigkeit ausüben, weiter qualifizieren – im eigenen Interesse, aber auch im ökonomischen Interesse. Deshalb muss die Weiterbildung gestärkt werden. Herr Kollege Schummer, wir haben uns bei den -Koalitionsverhandlungen mit Augenzwinkern darüber verständigen können, dass aus der Allianz für die Ausbildung eine Allianz für Aus- und Weiterbildung werden muss. In Bezug auf die berufliche Ausbildung ist das im Koalitionsvertrag klar hinterlegt, in Bezug auf die -Weiterbildung muss hier jedoch noch nachgearbeitet werden. Ich will versuchen, vier Linien aufzuzeigen, wie dies aussehen könnte: Erstens. Jeder Allianz für Weiterbildung muss eine Grundbildungsinitiative hinzugefügt werden. Sosehr wir uns freuen, dass die Gewerkschaften bereit sind, der Allianz für Aus- und Weiterbildung beizutreten, so sehr sollten wir ein gemeinsames Interesse daran haben, dass die Wirtschaft in die Alpha-Initiative dieser Bundes-regierung einsteigt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Die Wirtschaft kann nicht außen vor bleiben angesichts der Tatsache, dass 60 Prozent der Menschen mit Lese- und Schreibschwächen es trotzdem schaffen, in einem Berufsverhältnis zu stehen. Das muss doch eine Herausforderung für die IHK bis hin zu den Unternehmensverbänden sein, bei der gemeinschaftlichen Aktion „Grundbildung für alle sichern“ mitzumachen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zweitens. Frau Özoguz sprach darüber, welche Potenziale wir haben, wenn eine zweite oder dritte Chance besteht, sich im Berufsleben zu qualifizieren. Das sind wirklich große Zahlen. Wir nennen immer die Zahl der 1,4 bis 1,5 Millionen Menschen unter 30 Jahren, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Bezogen auf die Gesamtberufsbiografie, also in der Perspektive bis 67, haben 5 bis 5,5 Millionen Menschen keine abgeschlossene Berufsausbildung. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Diese Menschen müssen sich auch im Alter von 40 oder 50 im Berufsleben bewähren, und sie wollen sich auch bewähren. Deshalb muss es Aufgabe der Allianz sein, dauerhaft und konstant die Weiterbildungsfähigkeit, die Weiterbildungsaufgeschlossenheit zu fördern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Drittens. Frau Strothmann, ich finde es sehr gut, dass Sie die Erste waren, die das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, eine legendäre Erweiterung unseres Leistungsbereiches in der Bildungsförderung, genannt haben. Herr Kollege Feist, ich kann nur sagen: Ja, wir stimmen Ihnen vollkommen zu. Wenn wir es schaffen, zusätzliche Mittel im Haushalt zu mobilisieren, sodass der Betrag für diejenigen gesenkt werden könnte, die sonst 10 000 Euro und mehr für eine Aufstiegsfortbildung bezahlen müssen, dann wäre das ein echtes Pfund. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es wäre auch gut, wenn wir es schaffen, das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz parallel zum BAföG in Richtung Weiterbildungsförderungsgesetz zu entwickeln. Verschiedenste Regierungen haben in diesem -Bereich Maßnahmen ergriffen. Wir haben eine Weiterbildungsprämie eingeführt, und wir haben ein Aufstiegsstipendium. Da ist Musik drin. Das kann durch diese Allianz befördert werden. Viertens. Wir brauchen generell nicht nur ein Recht auf drei Jahre Erstausbildung, sondern – so formuliere ich das immer gerne – auch ein Recht auf drei Jahre Weiterbildung. Zwei mal drei – darauf müssen die Arbeitnehmer einen Anspruch haben. So können wir berufliche Erstausbildung und Weiterbildung miteinander verknüpfen. Wenn Sie angesichts der Forderung nach einer dreijährigen Weiterbildung erschrecken, sage ich: Umgerechnet auf eine Berufsbiografie sind das zwei Wochen Lernen, zwei Wochen Weiterbildung pro Jahr. Ist das wirklich zu viel? Oder ist das nicht eher zu wenig? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Ich glaube, das ist das Mindeste, was wir brauchen. Noch eine Schlussbemerkung, weil wir auch in die Zukunft denken müssen: Frau Hein, es geht nicht um die Forderung nach einem Bundesbildungsgesetz. Es geht um diese Überlegung: Im letzten Jahrhundert haben wir über die Schaffung des Sozialgesetzbuches große gesellschaftliche Fortschritte gemacht. Wir müssen uns fragen, ob dieses Jahrhundert so etwas wie ein Bildungsgesetzbuch braucht. BAföG, Meister-BAföG, Fernunterrichtswesen, all das wird zusammenkommen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das können wir im Einzelnen jetzt nicht mehr erörtern. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Präsident, darauf werden sich weitere Reden in der Zukunft beziehen. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort der Kollegin Uda Heller für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Uda Heller (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst die gute Nachricht: Es gibt noch Schüler, die sich um ihre berufliche Zukunft Gedanken machen und darüber, welcher Beruf ihren Interessen und Neigungen entspricht. – Diese Überschrift konnte ich vorige Woche in der Zeitung meiner Heimatstadt lesen. Sie stammt also nicht von mir. Ich denke, diese Jugendlichen hat es immer gegeben; nur waren ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz geringer, da die Bewerberzahl das Angebot deutlich überstieg. Doch der Ausbildungsmarkt hat sich verändert. Die Waage zwischen Ausbildungsangeboten und Ausbildungsplatzsuchenden ist fast ausgeglichen. Demgegenüber stehen die vielfältigen Probleme, die heute alle schon angesprochen wurden: Jugendliche in Übergangsmaßnahmen, zu hohe Abbrecherquoten usw. Ich denke, wir müssen mit einem vernetzten Vorgehen gemeinsam unserem Ziel näherkommen, dem Ziel, Jugendliche in duale Ausbildung zu bringen und ihnen Perspektiven für ihre Zukunft aufzuzeigen. Hier wäre eine Verständigung in der Kultusministerkonferenz über Maßnahmen, die sich in den Schulgesetzgebungen der Länder widerspiegeln müssen, sehr hilfreich. Unter dem Titel „Weiterentwicklung des ‚Übergangssystems Schule/Ausbildung/Beruf‘“ hat der Landtag von Sachsen-Anhalt im März 2014 einen Antrag verabschiedet. Einer der Aufträge ist die Erfassung von bundeseinheitlichen und landesspezifischen Projekten, Maßnahmen und Programmen, die im Land Anwendung finden. Ich denke, dieser Antrag ist dringend notwendig, da viele Programme unabgestimmt parallel laufen. Wir müssen die Nutzhaftigkeit dieser Projekte beurteilen und daraus unsere Schlüsse ziehen. Die Angebote an den Schnittstellen zwischen Schule und Berufsausbildung sind sehr vielfältig und werden von den verschiedensten Ministerien koordiniert. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist hierbei eine flächendeckende, stärker systematisierte und mit mehr Verbindlichkeit versehene Berufsorientierung. Diese beginnt in den Schulen. Dafür müssen die Lehrerinnen und Lehrer – das wurde vorhin schon gesagt – durch Fort- und Weiterbildungen befähigt werden, und es muss ihnen die für diese spezielle Aufgabe nötige Zeit eingeräumt werden. Ich denke, es ist auch ein Problem, wenn der Auftrag nicht konkret formuliert wird; denn dann kann ich ihn nicht so ausführen, wie ich das gerne möchte und wie es vielleicht notwendig wäre. Dem praxisbezogenen Lernen und der Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft müssen ein größerer Stellenwert eingeräumt werden; (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD]) denn zielgerichtete und flächendeckende Praktika führen zur Senkung der viel zu hohen Abbrecherquoten in der dualen, aber auch in der akademischen Ausbildung. Daher muss nach meiner Überzeugung die Berufsorientierung auch an Gymnasien ein fester Bestandteil werden. Der Landkreis, aus dem ich komme, hat seit 1990 die höchste Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt. Es gab und gibt immer noch Handlungsbedarf, sowohl in der beruflichen Ausbildung als auch in der Fachkräftesicherung. Daher war die Bewerbung um das Bundesprogramm „Perspektive Berufsabschluss“ folgerichtig. Ich durfte drei Jahre lang diese Maßnahme leiten und kann mir aufgrund meiner praktischen Erfahrungen ein Urteil darüber bilden, ob sie sinnvoll war oder nicht. Der wichtige erste Schritt war, Transparenz bei Angebot und Nachfrage herzustellen. Aber auch die Zusammenarbeit und Kooperation beispielsweise mit der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter, den Schulen und berufsbildenden Schulen, den Kammern und der Wirtschaft mussten verbessert und koordiniert werden. Wir erzielten erste Erfolge durch die Abstimmung der Entscheidungsträger im Bildungsbereich, die Steigerung der Transparenz regionaler Hilfsangebote und die Verbesserung der Eltern- und Lehrerinformation. Es zeigte sich, dass eine Bildungskooperation zielführend ist. So entschloss sich mein Landkreis, dieses Projekt zu verstetigen, und gründete ein sogenanntes Bildungsbüro als Anlaufstelle. Ich will damit sagen, dass Berufsorientierungsprogramme des Bundes nach Abschluss durchaus nicht in der Schublade verschwinden, Frau Ministerin, sondern Wegbereiter für eine sinnvolle Verstetigung sein können. Eine landesweite Ausdehnung des regionalen Übergangsmanagements auf alle Landkreise ist vom Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt vorgesehen. Die Jugendberufsagenturen könnten ähnlich gestaltet werden. Ich denke, der Name ist dabei nicht das Wichtigste, sondern die Ausgestaltung und vor allem die kooperative Zusammenarbeit in diesem Bereich. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es ist natürlich auch wichtig, Schwachstellen in diesem Projekt zu identifizieren und aufzuzeigen. Man kann Dinge nur verändern – auch das wurde schon gesagt –, wenn man die Ursachen kennt. Es ist wichtig, Statistiken aussagekräftig zu gestalten. Wenn ich nicht zeitnah weiß, wie viele Schüler die Schule verlassen und mit welchem Abschluss, kann ich ihre späteren Wege nicht nachvollziehen. So fallen immer wieder viele Jugendliche durch das Netz bzw. in die sogenannten Warteschleifen. Als versorgt wird zum Beispiel auch jemand benannt, der in eine Ersatzmaßnahme eingegliedert wird. Die Schüler, die sich bei keiner Agentur als „zu vermitteln“ melden, fallen gänzlich durch das Raster. Auch diese gibt es. Sie fangen zum Beispiel bei einem Onkel eine Lehre an oder machen eben gar nichts. Diese Statistiken müssen ausgewertet und die hohen Lösungsquoten von Ausbildungsverträgen analysiert werden. Dadurch können wir die Probleme am Ausbildungsmarkt erkennen, aber auch, ob unsere jungen Leute überhaupt eine Ausbildung wollen. Dieser Aspekt ist meiner Meinung nach heute zu kurz gekommen. Ich habe in einer Berufsschule gearbeitet. Bei einem Schüler mit 300 Fehlstunden wussten wir zum Beispiel nicht, wie wir diesen Schüler zu einem Abschluss bringen. Ich denke, auch dieses Thema sollten wir nicht außen vor lassen. Wir müssen überlegen, wie wir die Motivation auf beiden Seiten stärken. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) In allen vorliegenden Anträgen finden sich gute Ansätze. Lassen Sie uns die Probleme gemeinsam angehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Sven Volmering für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Sven Volmering (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pep Guardiola hat beim FC Barcelona mit dem Konzept des ständigen Ballbesitzes eine Spielidee entwickelt, die zu vielen Triumphen führte. Mit der Zeit haben Mitbewerber natürlich darauf reagiert. Sie haben Teile dieses Systems in ihre eigene Spielweise integriert und neue Konzepte entgegengesetzt. Da man sich in Barcelona zu lange auf den alten Erfolgen ausruhte, hat sich die Mannschaft nicht weiterentwickelt und diese Saison zum ersten Mal seit Jahren ohne großen Titel abgeschlossen. Die heutige Debatte zeigt, dass wir in Deutschland vor einer vergleichbaren Herausforderung stehen. Unser duales Ausbildungssystem ist Spitzenklasse. Unser Champions-League-Erfolg ist die europaweit niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Aber im Gegensatz zum FC Barcelona ruhen sich CDU/CSU und SPD nicht auf den Erfolgen aus. Vielmehr machen wir uns mit unserem Antrag auf den Weg, die im Berufsbildungsbericht 2014 angesprochenen Probleme und Herausforderungen anzugehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir setzen dabei nicht, wie die Linke, auf Spielkonzepte aus den 70er-Jahren. Ihre Forderung nach einer Ausbildungsplatzumlage ist kontraproduktiv. Sie erreicht das Gegenteil von dem, was Sie erreichen wollen. Die Umlage schafft keine Ausbildungsplätze. Sie zerstört Zukunftsperspektiven. Deshalb lehnen CDU und CSU diesen Dinosaurier politischer Forderungen ab. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich bin optimistisch, dass wir unsere erfolgreiche Politik fortsetzen werden. Wir haben nämlich, um in der Fußballersprache zu bleiben, ein enorm gutes, nachwachsendes Spielerpotenzial. Jugendstudien zeigen, dass die jungen Menschen in Deutschland keine Null-Bock-Mentalität haben, sondern leistungsbereit sind und im Beruf erfolgreich sein wollen. Die Aufstiegschancen werden von der großen Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland optimistisch gesehen. Wenn man allerdings fragt, was wir im Bereich der Berufsbildung besser machen können, sind sich Wirtschaft und Jugend einig. Der DIHK hat 15 000 Unternehmen befragt, was eigentlich die größten Ausbildungshemmnisse sind. Die Hälfte hat dabei angegeben, dass viele Schulabgänger unklare Berufsvorstellungen haben. Wenn sich drei Viertel der Gymnasiasten und 50 Prozent der Real- und Hauptschüler weiterhin unzureichend auf die Berufswahl vorbereitet fühlen, dann stehen wir natürlich in der Pflicht. Wir müssen jungen Menschen eine Orientierungshilfe im Hinblick auf ihre Potenziale, Fähigkeiten, Schwächen und Stärken geben, damit ihnen die Berufswahl leichterfällt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Entscheidend ist, dass wir dies für alle Jugendlichen flächendeckend, zielgruppengerecht, zum richtigen Zeitpunkt, nämlich bereits während der Schulzeit, und an allen Schulformen tun. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen; ich möchte daher auf einen anderen Aspekt eingehen. Wir diskutieren viel über Chancen und Risiken der digitalen Revolution. Einerseits loben wir die enormen Potenziale der Industrie 4.0. Andererseits verfallen wir, in Teilen auch berechtigt, vor dem Hintergrund von NSA und Cyberkriminalität in einen unglaublichen Pessimismus. Sigmar Gabriel hat letzten Freitag in der FAZ einen lesenswerten Beitrag dazu verfasst. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Was er jedoch völlig ausblendet, ist die Bedeutung der digitalen Bildung. Zunächst: Im Bereich der digitalen Wirtschaft liegt ein enormes Wachstumspotenzial, welches dauerhaft neue Ausbildungs- und Berufsperspektiven schafft. (Willi Brase [SPD]: Das gilt auch für die reale Wirtschaft!) Der Branchenverband BITKOM hat letzte Woche mitgeteilt, dass die Zahl der registrierten Ausbildungsverträge um knapp 3 Prozent gesteigert werden konnte. Es gibt 39 000 offene Stellen in dieser Branche. BITKOM weist darauf hin, dass eine Berufsausbildung in diesem Bereich beste Chancen bietet, einen sicheren Arbeitsplatz zu bekommen, und zwar nicht nur im Rahmen der dualen Ausbildung, sondern das gilt durchaus auch für Leute, die ein Hochschulstudium abgebrochen haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch in vielen anderen Berufsfeldern sind das Internet und die damit verbundenen Programme und digitalen Endgeräte selbstverständliche Begleiter geworden. An dieser Stelle kommt die Qualitätsoffensive Lehrerbildung ins Spiel. Wollen wir die gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität mit ihren Chancen und Möglichkeiten in der Schule abbilden, müssen wir bei der Lehreraus- und -fortbildung an allen Schulen eine stärkere Verankerung von Kompetenzen im Bereich der digitalen Mediennutzung schaffen. Die Medienkompetenz junger Menschen muss allumfassend gestärkt werden. Denn auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt wird es immer wichtiger – dies gilt für alle Branchen –, in diesem Bereich gut geschulte junge Menschen zu beschäftigen. Die Grünen haben gerade kritisiert, wir hätten keine innovativen Ideen. Das ist nicht der Fall. So ist zum Beispiel das im Koalitionsvertrag angekündigte „Modellprojekt Freiwilliges Soziales Jahr Digital“ ebenso eine innovative Idee wie die geplante Einführung von Profilschulen IT/Digital mit dem Schwerpunkt Informatik. Das sind nur zwei von vielen Möglichkeiten, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels das Interesse an attraktiven Jobs zu wecken, für die man nicht unbedingt ein Studium braucht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) – Frau Esken, vielen Dank. Das Förderprogramm „Digitale Medien in der beruflichen Aus- und Weiterbildung“ des Bundesbildungs-ministeriums ist ebenfalls ein richtiger Schritt. Über 160 initiierte Einzel- und Verbundvorhaben zeigen, wie wichtig die Thematik für Unternehmen und Berufsbildungsinstitutionen ist. Meine Damen und Herren, uns eint das Ziel, dass wir allen jungen Menschen gute Zukunftsperspektiven bieten wollen. Über die Konzepte, wie wir dieses Ziel erreichen können, sind wir uns teilweise uneinig. Aber wie im Fußball hat auch in der Politik der Wettbewerb – in diesem Fall der Wettbewerb der Ideen – seinen Reiz. In diesem Sinne freue ich mich sehr auf die intensive Fortführung der Debatte im Ausschuss. Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Lieber Kollege Volmering, ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. (Beifall) Ich bin Ihnen besonders verbunden, weil Sie freiwillig im Rahmen der vorgesehenen Redezeit zu Ende gekommen sind, obwohl die Uhr immer noch irrtümlich scheinbar über zwei Minuten anzeigte. (Sven Volmering [CDU/CSU]: Sie zeigte gar nichts mehr an!) Ich führe das auf den verzweifelten Versuch von Anhängern des FC Bayern München zurück, Ihnen noch zusätzliche Redezeit für die Erwähnung dieses bedeutenden Vereins einzuräumen, nachdem ein anderer, spanischer Verein ausdrücklich gewürdigt wurde. Wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungspunktes. Ich weise Sie darauf hin, dass es interfraktionell den Vorschlag gibt, die Vorlagen auf den Drucksachen 18/1180, 18/1451, 18/1454 und 18/1456 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das sieht ganz so aus. Dann können wir so verfahren. Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 a bis 4 d: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katharina Dröge, Bärbel Höhn, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für ein starkes Primat der Politik – Für fairen Handel ohne Demokratie-Outsourcing Drucksache 18/1457 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katharina Dröge, Katja Keul, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für fairen Handel ohne Klageprivilegien für Konzerne Drucksache 18/1458 c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thomas Nord, Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP stoppen Drucksache 18/1093 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Ernst, Thomas Nord, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Vertragstext zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada sofort vorlegen Drucksache 18/1455 Auch hierzu soll es nach den Vereinbarungen der Fraktionen eine 96 minütige Aussprache geben. – Das ist offenkundig unstreitig; also können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen und Monaten hat die öffentliche Debatte über das sogenannte Freihandelsabkommen, das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika, stark zugenommen. Das ist auch richtig so; denn diese wichtigen Entscheidungen dürfen nicht hinter dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger getroffen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber die Debatte wird massiv erschwert; denn die Verhandlungen finden alles andere als transparent statt. Dies beklagen plötzlich viele: Martin Schulz, Wirtschaftsminister Gabriel, auch der Kollege Ferber von der CSU. Über dieses Ausmaß an Heuchelei bin ich mehr als verblüfft; denn Union und SPD haben mit ihren Mehrheiten dafür gesorgt, dass ein größeres Maß an Transparenz verhindert wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Klaus Barthel [SPD]: Wie das?) Die Bürgerinnen und Bürger fürchten, dass diese Heimlichtuerei einen Zweck erfüllt, und mit diesen Befürchtungen liegen sie genau richtig; denn wer den Inhalt des Verhandlungsmandates kennt, der sieht, dass es nicht den Interessen der Menschen, nicht dem Verbraucherschutz und dem Umweltschutz dient, sondern ausschließlich den kurzfristigen Profitinteressen einiger weniger Großkonzerne. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!) Dabei beunruhigt mich weniger das vielzitierte Chlorhühnchen. Guter Verbraucherschutz in der EU, schlechter Verbraucherschutz in den USA – das ist doch etwas zu schlicht. Hochproblematisch stattdessen ist das sogenannte Investitionsschutzabkommen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben bereits eine Reihe solcher Abkommen und haben Unmengen schlechter Erfahrungen damit gemacht. Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen: Philip Morris verklagt Australien und Uruguay auf Schadensersatz – nur weil sie Warnhinweise auf Zigarettenschachteln drucken. Der Ölkonzern Lone Pine verklagt Kanada auf Schadensersatz, weil die Provinz Quebec die Hochrisikotechnologie Fracking verbieten will. Und Vattenfall verklagt die Bundesrepublik Deutschland auf 3,5 Milliarden Euro Schadensersatz, nur weil wir aus der Hochrisikotechnologie Atomkraft aussteigen wollen. – Der Bundestag darf einem Abkommen, das solche Klagemöglichkeiten erweitert und vertieft, auf keinen Fall zustimmen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Investitionsschutzabkommen unterlaufen den Rechtsstaat; denn sie ersetzen öffentliche Gerichte, insbesondere die Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch eine Hinterzimmerjustiz. Es ist doch absurd: Mag irgendjemand von der CDU vielleicht behaupten, dass Deutschland kein Rechtsstaat ist, sodass wir das benötigen, oder dass die USA kein Rechtsstaat sind? Wollen Sie vielleicht, dass demokratisch beschlossene Gesetze durch Schattengerichte und Konzernjustiz unterlaufen werden können? Will irgendjemand, dass uns Lone Pine, Philip Morris oder Vattenfall die Politik diktieren? Wollen Sie das etwa, Kollegen von der SPD und der CDU/CSU? Die Bürgerinnen und Bürger wollen das sicher nicht, und wir wollen das auch nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Deshalb noch einmal: Der Bundestag darf einem Abkommen, das diese Klagemöglichkeiten erweitert und vertieft, auf keinen Fall zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Martin Schulz und Wirtschaftsminister Gabriel waren im Bündnis mit Frau Merkel noch vor wenigen Wochen die Cheflobbyisten für TTIP. Jetzt stehen wir aber kurz vor der Europawahl, und vor einer Europawahl passiert immer das Gleiche: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Also in fünf Jahren einmal!) Plötzlich will es keiner mehr gewesen sein. Plötzlich liegt die Verantwortung nicht mehr bei Deutschland, nicht mehr bei der deutschen Regierung und auch nicht mehr bei den deutschen Abgeordneten, sondern sie diffundiert irgendwie unnachvollziehbar nach Brüssel. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, bei den Grünen liegt sie!) Dabei war es doch die Regierung Merkel, die dieses Verhandlungsmandat im Europäischen Rat durchgesetzt hat, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) und dabei waren es doch auch die sozialdemokratischen Europaabgeordneten, die jede Gelegenheit haben verstreichen lassen, die Kritik im Europäischen Parlament wirksam werden zu lassen. (Zurufe von der SPD) Jetzt, kurz vor der Europawahl, sehen wir ein besonders billiges Wahlkampfmanöver von Herrn Gabriel: Er richtet einen sogenannten Beirat ein. Einen solchen Beirat gibt es auf europäischer Ebene auch schon. Die NGOs sagen, es gebe keine Informationen, keinen Einfluss, nichts. Das ist genau das gleiche Muster wie immer: Billige Wahlkampfmanöver vor der Wahl, und nach der Wahl ist Herr Gabriel der noch bessere Genosse aller Bosse, wie er es bereits beim Erneuerbare-Energien-Gesetz bewiesen hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der SPD – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Das ist hier aber eine dünne Nummer! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Dummheit!) Selbst die Wirtschaft erwartet von Ihrem Abkommen nichts. 85 Prozent des Mittelstandes, also der kleineren und mittleren Unternehmen, erwarten von dem Abkommen nichts. Circa 800 Millionen Menschen leben in den USA und der Europäischen Union. In diesen Wirtschaftsräumen wird fast die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung erwirtschaftet. Internationale Abkommen zwischen diesen Wirtschaftsräumen könnten globale Standards setzen, zum Beispiel im Bereich der Finanzmarktregulierung. Was wir aber nicht brauchen, ist dieses Abkommen, das Umweltstandards und Verbraucherschutzstandards senkt und eine Konzernjustiz einführt. Dieses Abkommen lehnen wir ab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Es gibt noch gar keines!) Wir brauchen stattdessen internationale Klimaschutzabkommen, internationale Umweltstandards und verbindliche internationale Sozialstandards. Völlig anders, als Frau Merkel bekannt gibt, die eine Sozialunion und selbst Sozialstandards auf europäischer Ebene ablehnt, (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Wahlkampf!) brauchen wir nicht nur auf europäischer Ebene Sozialstandards, sondern endlich auch auf internationaler Ebene. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das sind Abkommen, für die es sich lohnt, zu streiten. Das sind Abkommen, die Europa populär machen würden. Das sind Abkommen, die die Arbeit im Deutschen Bundestag populär machen würden. Machen wir uns deshalb endlich an diese sinnvolle Arbeit! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner hat der Kollege Joachim Pfeiffer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man dem Kollegen Hofreiter zugehört hat und die Anträge liest, die heute vorgelegt wurden, (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist immer hilfreich!) dann muss man leider feststellen: Zur Sache wird überhaupt nichts gesagt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht zugehört!) Vielmehr wird hier ein Wahlkampfgetöse veranstaltet. Es wird auf Emotionen abgehoben. Es werden Ängste geschürt, die wirklich abwegig sind. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Belegen Sie diese Behauptung!) Es wird ein Popanz aufgebaut, was Vertraulichkeit und angebliche Geheimhaltung anbelangt. Das ist geradezu abwegig. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch etwas zur Sache! – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die EU-Kommission verhandelt für Europa. Wir stehen am Beginn eines Verhandlungsprozesses. Wir sind gerade in der fünften Verhandlungsrunde. Sie aber glauben schon zu wissen, was dabei herauskommt. (Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann frage ich mich: Wo waren Sie denn, als die Chefunterhändler sowohl der Europäischen Union als auch der USA mehrfach in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages und in den Arbeitsgruppen zugegen waren, in denen alle Themen angesprochen wurden, um die es geht und die verhandelt wurden? Wo ist da die Geheimhaltung? Das müssen Sie mir schon einmal erklären. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr richtig!) Jegliche Verhandlungsposition der EU ist ins Internet eingestellt und nachlesbar, vorher und nachher. Wo ist da die Geheimhaltung? Das müssen Sie mir schon einmal erklären. (Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat sie denn ins Internet gestellt?) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege Ernst möchte Ihnen eine Frage stellen. Lassen Sie sie zu? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sprechen doch nachher noch!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Ja. Klaus Ernst (DIE LINKE): Herr Pfeiffer, Sie tun ja so, als sei das, wovon wir reden, völlig aus der Luft gegriffen. Ist Ihnen denn bekannt, dass im Rahmen von CETA, also dem fast identischen Abkommen, das mit Kanada geschlossen werden soll, eigentlich letzte Woche über die Texte final hätte verhandelt werden sollen? Dieses Abkommen ist also im Prinzip fertig. Ist Ihnen auch bekannt, dass die Paraphierung offensichtlich auf Druck des deutschen Wirtschaftsministeriums erst einmal nicht durchgeführt wurde und es deshalb noch kein fertiges CETA-Abkommen gibt? Sie tun so, als würde das Abkommen erst irgendwann kommen und sei noch lang nicht fertig. Wenn das CETA-Abkommen geschlossen wird und dies offensichtlich die Blaupause für TTIP ist, dann können Sie hier doch bitte schön nicht so tun, als gebe es hier gar nichts und wir wären alle neben der Spur. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Dass Sie neben der Spur sind, ist unbestritten!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Lieber Kollege Ernst, ich kann auch anhand Ihres Beitrags nicht erkennen, wo hier Geheimniskrämerei vorherrschen sollte. (Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Zeigen Sie uns den Text!) Ganz im Gegenteil: Es werden Freihandelsabkommen verhandelt. Die EU hat ein Abkommen mit Südkorea ausgehandelt, das ist in Kraft getreten. Es werden Freihandelsabkommen mit Kanada, mit Japan, mit den ASEAN-Staaten und anderen mehr verhandelt. Was ist das Ergebnis bisheriger Freihandelsabkommen? Freihandelsabkommen sind Wohlstandsmehrer. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jedes Freihandelsabkommen, das wir bisher abgeschlossen haben, hat für alle Beteiligten zu mehr Wohlstand geführt. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Meine Frage war eine andere!) Ihre Genossen in Kuba und Nordkorea sind keine Teilnehmer der Globalisierung. (Widerspruch bei der LINKEN) Mit diesen Ländern haben wir kein Freihandelsabkommen geschlossen. Deshalb geht es den Menschen dort schlechter als uns in Europa und den anderen beteiligten Staaten. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege Pfeiffer, die Frau Kollegin Höhn möchte Ihnen eine Frage stellen. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Neuer Versuch mit Frau Höhn, beim Kollegen Ernst hat es nicht geklappt. Bitte schön. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Pfeiffer, Sie haben eben gesagt, zum TTIP-Abkommen liege noch gar nichts vor. Was aber vorliegt, sind die Texte zu dem CETA-Abkommen, insbesondere auch die Texte zu den privaten Schiedsverfahren, zu den Geheimgerichten, wie sie der SPD-Spitzenkandidat Schulz immer nennt. Genau diese Texte sind aber jetzt im Rahmen der TTIP-Konsultationen in die Verhandlungen eingebracht worden. Von daher ist in der Tat das CETA-Abkommen die Blaupause für das TTIP-Abkommen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ist Ihnen bekannt, dass in einem solchen Schiedsgerichtsverfahren zum Beispiel Vattenfall aufgrund von anderen, schon früher abgeschlossenen Verträgen die Bundesregierung auf 3,7 Milliarden Euro verklagt hat und dass ein anderes Unternehmen, das in Libyen 5 Millionen Dollar im Tourismusbereich investiert hat und vor das Schiedsgericht gezogen ist, nicht nur diese 5 Millionen Dollar ersetzt bekommen hat, sondern 30 Millionen Dollar zugesprochen bekam, weil sein Ruf ruiniert war, sowie 900 Millionen Dollar für entgangene Gewinne? Halten Sie solche Verfahren, die absolut unfair sind und nur der Investitionssicherheit für Unternehmen und nicht auch allgemeinen Interessen dienen, für gerechtfertigt, und unterstützen Sie diese Verfahren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Antworten! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Das bestimmen Sie noch lange nicht, wer wie antwortet! Mal ganz ruhig da drüben!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Genau über diese Fragen wird jetzt verhandelt. Sie sprechen den Investitionsschutz an. Wer ist denn Erfinder des Investitionsschutzes, Frau Höhn? (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland!) Deutschland ist Erfinder des Investitionsschutzes, und Deutschland hat über 130 Investitionsschutzabkommen mit anderen Ländern abgeschlossen. Was ist das Ziel von Investitionsschutzabkommen? Wenn Investitionen nicht geschützt sind, sind erfolgreiches Wirtschaften und dementsprechend Investitionen nicht möglich. Deshalb ist das Ziel, dass Investitionen in anderen Ländern entsprechend geschützt werden. Das gibt es schon seit 50 Jahren. Es wird sich jetzt im weiteren Verfahren mit der EU und den USA zeigen, ob Investitionsschutzklauseln oder Schiedsgerichtshöfe notwendig sind oder ob wir zu anderen Lösungen kommen können. Ich kann per se nichts Negatives an solchen Verfahren erkennen, ganz im Gegenteil: Dann können internationale Schiedsgerichte streitige Fragen entsprechend entscheiden. (Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Woher nehmen Sie das Recht, zu sagen: „Wir wissen alles besser“ oder „Das amerikanische Rechtssystem ist nicht dafür geeignet“? Solche Fragen werden doch jetzt verhandelt. Wir sind jetzt in der fünften Verhandlungsrunde, und es ist einmal darüber gesprochen worden. Wir, die EU und die USA, haben ein ambitioniertes Ziel, nämlich bis Ende nächsten Jahres zum Ziel zu kommen. Wir sind am Anfang der Verhandlungen, aber Sie wollen schon wissen, wie sie ausgehen. Ich kann nicht erkennen, wo das Problem liegt. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ausverhandelt!) Lassen Sie uns jetzt aber zur Sache kommen, nämlich zu der Frage, um was es denn wirklich geht. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Genau!) Kollege Hofreiter hat zumindest einen richtigen Satz gesagt: Wir schaffen den weltgrößten Binnenmarkt mit 800 Millionen Menschen, der 50 Prozent des Weltbruttoinlandsproduktes und ein Drittel des Welthandels ausmacht. – Das ist richtig. Deshalb haben gerade wir Deutsche ein originäres Interesse an dem Abkommen. Wir haben einen Exportanteil von über 50 Prozent. Insbesondere unsere mittelständischen Unternehmen sind deshalb auf Investitionsschutz in anderen Ländern und Planungssicherheit angewiesen. Dieses Abkommen schafft Wachstum in Europa und in den USA. (Zuruf von der LINKEN: Wie viel denn?) Ein solches Abkommen führt zu mehr Wachstum in einer Größenordnung von pro Jahr 120 Milliarden Euro in Europa und 95 Milliarden Euro in den USA. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und wann?) Es geht um 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze, die wir gerade in den Krisenländern Europas dringend benötigen und die dort Wohlstand und Beschäftigung schaffen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt stimmen die Linken zu!) Insofern ist ein solches Freihandelsabkommen, (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Gegen die Menschen gerichtet!) wie gesagt, ein Wohlstandsmehrer. Gerade wir in Deutschland profitieren doch von solchen Freihandelsabkommen. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die Finanzwirtschaft!) Lassen Sie uns anhand von ein paar Beispielen darstellen, um was es geht. Es geht zum Beispiel um Zollabbau. Jetzt sagen Sie sicherlich: Dabei geht es nicht um viel. Die durchschnittlichen Industriezölle betragen nur 4 Prozent. Aber bei einem täglichen Handelsvolumen von über 2 Milliarden Euro geht es allein im Bereich der Automobilindustrie um über 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr an Zöllen, die damit eingespart werden können. Das bedeutet beispielsweise bei einem Mercedes-Pkw, dass dadurch ein Wettbewerbsnachteil im hohen vierstelligen Bereich ausgeglichen wird. Das heißt, es beflügelt unsere Exporte und die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie müssen über Porsche sprechen! – Gegenruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Nehmen Sie das Beispiel Standards. Es geht nicht darum, die Standards zu senken, was wieder behauptet worden ist. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum reden Sie nicht zum Thema?) Es geht vielmehr darum, dass gleichwertige Standards, zum Beispiel bei Zulassungsverfahren, gegenseitig anerkannt werden. Wir haben als Union gestern ein Gespräch mit dem neuen VDMA-Präsidenten geführt, der selber mittelständischer Unternehmer ist. Er hat an einem konkreten Beispiel dargelegt, dass seine Maschinen einen Kostenaufschlag von 18 Prozent erfahren, weil er dieselben Maschinen sowohl in Europa als auch in den USA zertifizieren lassen muss. Das stellt überhaupt keinen Mehrwert, sondern nur ein außertarifäres Handelshemmnis dar und erhöht die Kosten. Solche Kosten sollen in Zukunft durch das Freihandelsabkommen mit den USA gesenkt werden. Die gegenseitige Anerkennung von Standards eröffnet insbesondere dem deutschen Mittelstand riesige Chancen und verschafft ihm riesige Wettbewerbsvorteile in den USA. Nehmen Sie das öffentliche Beschaffungswesen, die Buy American Klausel in den USA oder den Tankerauftrag, der zuerst Airbus erteilt wurde, dann aber rückgängig gemacht wurde, als Beispiele. Sie machen deutlich, dass die Beschaffungsprozesse bislang weder transparent noch nachvollziehbar und aus unserer Sicht auch nicht gerecht ablaufen. So etwas soll in Zukunft im gegenseitigen Interesse geregelt werden. Im Ergebnis werden beide Seiten Vorteile haben, wenn niemand mehr bei den Beschaffungsprozessen des jeweils anderen benachteiligt wird. Auch dies ist eine Chance, den Mehrwert zu steigern. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist Realitätsverweigerung!) – Das sind die Fakten, über die wir reden. Es geht nicht um eine angebliche Absenkung von Standards. (Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Wo werden denn Standards abgesenkt? Herr Ernst, Sie sind doch angeblich Gewerkschafter. Fragen Sie doch einmal Ihre Kollegen aus Skandinavien. Diese sind an der Spitze der Bewegung pro TTIP, (Beifall bei der CDU/CSU) weil sie die Chance sehen, dass unsere Standards weltweit verankert werden. Die Gewerkschaften in Skandinavien sind alle für dieses Freihandelsabkommen. Gehen Sie bei diesen einmal in die Lehre, Herr Ernst! Dann können wir darüber sprechen, ob es Sinn macht oder nicht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Es macht keinen Sinn, wenn er in die Lehre geht!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Pfeiffer, der Kollege Dehm wünscht, eine Zwischenfrage zu stellen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Den lassen wir nicht fragen!) Dr. Jochim Pfeiffer (CDU/CSU): In Ordnung. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Kollege, alles, was Sie jetzt aufgeführt haben, wurde zum Beispiel in Bezug auf Südafrika gelöst, ohne dass Freihandelsabkommen abgeschlossen wurden. Vieles lässt sich vereinheitlichen und vereinfachen, zum Beispiel Zertifizierungsverfahren oder Doppelbesteuerungsabkommen, alles ohne ein Freihandelsabkommen abzuschließen, das die zivilisatorischen und sozialen Standards systematisch senkt und die Tarife und Standards reduziert, also die Menschen um das bringt, was sie errungen haben. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das denn? Wenn Sie Wahrsager sind, sagen Sie die Lottozahlen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Blödsinn!) Dies alles darf nicht Gegenstand eines Freihandelsabkommens sein. Ich bitte Sie einfach, Birnen nicht mit Äpfeln zu vergleichen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Als hätten wir bislang keine Freihandelsabkommen!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Sie müssen mir schon einmal erklären, wo Standards durch Freihandelsabkommen gesenkt wurden; das würde mich interessieren. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: NAFTA!) Worum geht es denn? Ich habe vorhin auf die Bedeutung und das Ausmaß dieses Freihandelsabkommens hingewiesen: 50 Prozent des Weltbruttoinlandsprodukts und 800 Millionen Menschen. Was ist denn die Alternative? Ich habe gerade gesagt, mit wem wir noch über Freihandelsabkommen verhandeln. Auch die USA verhandeln über weitere Freihandelsabkommen, zum Beispiel TPP, Trans-Pacific Partnership. Die entscheidende Frage lautet, ob es uns zusammen mit den USA gelingt, unsere Standards im Arbeitnehmerschutz, im Umweltschutz, im Datenschutz und im Verbraucherschutz gegenseitig anzuerkennen und damit die Chance zu eröffnen, dass sie weltweit zum Standard werden, oder ob andere Staaten aus Asien wie China zusammen mit den USA die Standards setzen. Das ist die Frage, vor der wir stehen. Es geht darum, ob wir in der Welt mitgestalten oder nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden in der Welt nicht mitgestalten, wenn wir uns, wie Sie fordern, verabschieden und die Verhandlungen über TTIP beenden. Das ist an Absurdität nicht zu überbieten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jawohl! Hunderttausende in Deutschland wollen das beenden!) Frau Künast, Sie haben das Chlorhühnchen als Thema immer ganz oben auf der Agenda stehen, während Herr Hofreiter mittlerweile die Fahne etwas eingerollt hat. Ich will erläutern, worum es bei dem Chlorhühnchen eigentlich geht. Auch da wird ein Popanz aufgebaut und so getan, als stehe der Weltuntergang beim Verbraucherschutz unmittelbar bevor. Um was geht es? Die Hühnchen werden in den USA nicht mit Chlor oder was weiß ich gefüttert, sondern sie werden in Chlor getaucht, um sie zu desinfizieren. (Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir in Europa haben andere Verfahren. Der amerikanische Verbraucher wundert sich zum Teil schon sehr, was in Europa so in die Pfanne kommt, ohne desinfiziert zu werden. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die haben eine ganz andere Sicht der Dinge. Im Moment gibt es ein Verfahren bei der WTO, in dem es darum geht, ob die Chlorhühnchen nach Europa importiert werden können oder nicht. Alle Gutachten der Europäischen Union kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die gechlorten Hühnchen nicht giftig sind und es keinerlei Grund gibt, sie nicht nach Europa zu importieren. (Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Bravo!) Was wird das Ergebnis des WTO-Verfahrens sein? Das Ergebnis wird sein, dass ungekennzeichnet und unbegrenzt Chlorhühnchen nach Europa kommen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Chlorhühnchen auf dem Oktoberfest!) Über TTIP haben wir umgekehrt die Chance – das muss doch in Ihrem Interesse sein –, zu einer Kennzeichnungspflicht zu kommen oder über Kontingente zu sprechen. Darüber wird jetzt verhandelt. Unterstützen Sie uns doch in den Verhandlungen, damit wir zu einer Kennzeichnungspflicht kommen. Ich fühle mich in der Angelegenheit sehr fatal an die Diskussion erinnert, die wir vor 25 Jahren über das Reinheitsgebot des deutschen Bieres geführt haben. Als der europäische Binnenmarkt verabredet wurde, war man in Deutschland auch der Meinung, der Untergang des Abendlandes und des Reinheitsgebotes des deutschen Bieres stünden nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland unmittelbar bevor. Was ist das Ergebnis der Entwicklung? Heute trinken wir in Deutschland immer noch zu über 95 Prozent Bier, das nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde. Das ist ein anerkannter Qualitätsstandard. Der Konsument kann selbst entscheiden, welches Bier er trinkt. Entgegen anderslautender Befürchtungen ist auch noch keiner beim Trinken von Heineken-Bier in der Hotelbar geschädigt worden. (Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zumindest nicht, wenn er das Bier in angemessenen Mengen getrunken hat. Am Reinheitsgebot wird es mit Sicherheit nicht liegen. – Genauso wenig wird das bei den Chlorhühnchen der Fall sein. Deshalb geht es darum, entsprechende Standards zu setzen, wobei am Markt jeder Verbraucher entscheiden kann, was er konsumiert. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann Ihnen empfehlen, nach dieser Rede nicht nach Bayern zu reisen!) – Dass strafrechtliche Aspekte auch im Freihandelsabkommen behandelt werden, glaube ich nicht, Herr Hofreiter; insofern müssen Sie keine Befürchtungen haben, dass in dieser Angelegenheit irgendetwas anbrennt. Ich möchte zusammenfassen. Es gibt viele offene Fragen, die in dem Verhandlungsprozess zu klären sind. Deshalb müssen wir verhandeln und das Abkommen zu einer Win-win-Situation für alle Beteiligten machen, insbesondere für uns in Deutschland, für den deutschen Mittelstand, für die deutsche Wirtschaft und für den deutschen Verbraucher. Wenn wir uns dem verweigern und nicht verhandeln, dann werden, wie gesagt, die Standards von anderen in der Welt gesetzt. Das Ergebnis wird sein, dass wir weder in Deutschland noch in Europa in diesen Fragen weltweit eine Rolle spielen. Ich frage Sie: Wollen Sie das? Ich glaube nicht, dass Sie es wollen. Deshalb lassen Sie uns die Gelegenheit, die wir auch als nationales Parlament haben, nutzen, uns in den Verhandlungsprozess einzubringen, uns zu informieren und unsere Positionen deutlich zu machen, damit diese in den Verhandlungen berücksichtigt und umgesetzt werden. Dann haben wir die Chance, mit dem weltgrößten Binnenmarkt Wachstum zu schaffen, den Menschen zu nützen und durch Freihandel und Investitionsschutz als Wohlstandsmehrer in der Zukunft Zeichen zu setzen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Ernst das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Klaus Ernst (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Pfeiffer, ich habe wahrgenommen – das steht heute auch in der Frankfurter Rundschau –: Herr De Gucht hat den Regierungen Europas empfohlen, in dieser Debatte zurückhaltend zu sein. Auch ich kann Ihnen das nur empfehlen; sonst wird es nie etwas mit TTIP. Wenn Sie dazu reden, dann erweisen Sie sich eher einen Bärendienst. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Worum geht es in dieser Debatte? Es geht um eine Vereinheitlichung der Handelsräume von Europa, den USA und Kanada. Es soll zu mehr Beschäftigung kommen. Ich kann jeden nur bitten, sich die entsprechenden Prognosen genau anzusehen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Sie haben es verstanden!) Die Berechnungsgrundlage dafür, dass es zu 400 000 Beschäftigten mehr kommt, ist, dass den USA und Kanada der EU beitreten – was mit der Realität ja wohl nichts zu tun hat. Nichttarifäre Handelshemmnisse sollen abgebaut, und Regeln, die den Handel behindern, sollen beseitigt werden. Herr Gabriel hat bemerkenswerterweise davon gesprochen, es sei doch ganz schlimm, dass die Autos in Amerika rote Blinker hätten, die Autos in Deutschland dagegen gelbe. Bisher haben wir trotzdem Autos in Amerika verkauft und die Amerikaner bei uns. An der Farbe der Blinker scheitert es also nicht, ob man im jeweils anderen Land Autos verkauft. Übrigens: Wenn die Blinker schwarz wären, wäre es auch nicht so gut. Ich kann nur sagen: Keiner ist dagegen, dass es da zu Angleichungen kommt. Es ist auch keiner dagegen, dass es einheitliche Stecker oder Ähnliches gibt. Aber können Sie mir die Frage beantworten: Warum sind die Verhandlungen über dieses Abkommen geheim, wenn es wirklich nur darum geht? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zu dem, was ich eben angesprochen habe, sagt jeder: Das ist doch okay; das machen wir einfach. – Dafür können wir übrigens auch durch Verhandlungen sorgen, die mit einem Investorenschutz überhaupt nichts zu tun haben. Meine Damen und Herren, worum geht es wirklich? Warum erfährt die Öffentlichkeit nicht, was das Verhandlungsmandat eigentlich bedeutet? Warum ist es so, dass, wenn man der Frankfurter Rundschau von heute glaubt, nicht einmal die Bundesregierung ausreichend informiert ist, was in CETA, also dem Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada, steht, einem Abkommen, das die Blaupause für das Freihandelsabkommen mit den USA wird? Warum wird nicht einmal die Bundesregierung über den Verhandlungsstand informiert? Die Frankfurter Rundschau beruft sich dabei auf geheime Dokumente des Wirtschaftsministeriums. Darin steht, so die FR: „Aus Sicht der Bundesregierung ist eine Übermittlung der endgültigen Textfassung“ – das bezieht sich auf CETA – an die EU-Mitgliedstaaten „überfällig“. Wenn die Bundesregierung diesen Text hätte, dann bräuchte sie nicht um seine Übermittlung zu bitten. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Also, erzählen Sie doch nichts von Geheimhaltung, Herr Pfeiffer. Wollen Sie uns hier veräppeln? Lesen Sie doch wenigstens einmal die Presse! Dann wissen Sie, was in diesem Land los ist. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Besser Frankfurter Rundschau als Neues Deutschland!) Das alles riecht langsam nach Skandal. Die Europäische Union und die EU-Kommission sind kein Selbstzweck. Selbst die Frage, ob wir in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt mitreden dürfen, ob das, was diesem Parlament vorgelegt wird, hier entschieden wird oder nicht, ob die Bundesregierung mitzureden hat oder nicht, ist offen. Die Europäische Kommission geht zum Europäischen Gerichtshof, um klären zu lassen, ob die einzelnen Staaten überhaupt mitreden können, wenn das Abkommen fertig ist. Wo sind wir denn kurz vor der Europawahl? Die Europäische Union ist kein Selbstzweck, sondern muss den Bürgern dienen und darf nicht der Lobby einiger Großunternehmen erliegen! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Ihr kapiert das mit Europa nie! – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Wegen der Wahlen sitzen wir hier!) In einer Veranstaltung mit Herrn Froman, Herrn De Gucht und unserem Wirtschaftsminister, die vor kurzem stattgefunden hat, hat eine Vertreterin einer NGO, -Maritta Strasser, darauf hingewiesen, dass sie bereits 470 000 Unterschriften gegen TTIP gesammelt habe. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Toll!) – Ja. Toll. – Daraufhin hat Herr De Gucht mit einer Arroganz, die ich auch von Ihnen gerade wahrnehme, gefragt, was das soll. Er sagte, er verhandle für 500 Millionen Europäer. Recht so! Der Unterschied ist allerdings: Von den 500 Millionen Europäern hat er wahrscheinlich keinen einzigen gefragt. Die 470 000 Menschen, die gegen TTIP unterschrieben haben, wurden zuvor allerdings sehr wohl gefragt – und sie haben recht! (Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ohne zu wissen, worum es geht!) Worum geht es in diesem Abkommen wirklich? Nicht um Chlorhühnchen. Das zu behaupten, ist doch ein Ablenkungsmanöver. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Es geht darum, dass eine eigene Schiedsgerichtsbarkeit gegründet werden soll. Durch diese Schiedsgerichtsbarkeit außerhalb aller rechtsstaatlichen Prinzipien sollen Unternehmen letztendlich die Möglichkeit haben, Staaten zu verklagen, ohne vor Gericht gehen zu müssen, wenn sie der Auffassung sind, dass nationale Gesetze die Rentabilität ihrer Investitionen behindern. Das ist der Kern von TTIP. Heribert Prantl, nicht unbedingt verdächtigt, Mitglied meiner Partei zu sein, schreibt von einem internationalen Supergrundrecht, das geschaffen werden soll. Käme es dazu, würde das bedeuten – ich zitiere Prantl –: Die ungestörte Investitionsausübung ist gewährleistet. Kein Großinvestor darf gegen seine Interessen zum Umweltschutz, Kündigungsschutz, Datenschutz, Verbraucherschutz und zu sozialer Verantwortung gezwungen werden. Darum geht es. Dass Sie da mitmachen, dass Sie sich selbst an der Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien beteiligen wollen, ist eigentlich unvorstellbar. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Prantl kommt zu dem Schluss: Geld schlägt die demokratische Verfassung; das ist der Mechanismus dieses Investitionsschutzes. Meine Damen und Herren, über die Klagen vor Privatgerichten werden letztendlich die Staaten zur Kasse gebeten, und darum geht es. Es wird ja gesagt: Es soll ein Recht geben, das dafür sorgen kann, dass man als Investor nicht ungerecht behandelt wird. – Warum braucht man dann ein Geheimgericht? Warum geht man dann nicht zu einem ordentlichen Gericht? Oder vertrauen Sie der deutschen Gerichtsbarkeit nicht mehr? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Oder vertraut der Amerikaner der deutschen Gerichtsbarkeit nicht? (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es gibt das doch heute schon: internationale Schiedsgerichtsverfahren!) Oder vertrauen Sie den Amerikanern nicht? (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Internationale Schiedsgerichtsverfahren! Das ist doch nichts Neues!) Auf Nichtvertrauen kann man keine Abkommen schließen. Deshalb brauchen wir diesen Unsinn nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Das haben wir seit Hunderten von Jahren!) – Der Unterschied, mein Herr, ist der, dass es, als diese Schiedsverfahren eingeführt worden sind, um Staaten ging, in denen Investitionen tatsächlich unsicher waren. Es ging um den Schutz der Investoren vor Enteignung. Jetzt geht es darum, dass den Unternehmen, die das wollen, die Gewinne gesichert werden, egal wie sie investiert haben. Darum geht es. Schauen Sie sich die Verfahren an, die schon laufen! (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, ja, klar!) Noch ein paar Bemerkungen zu den gleichen Standards. Herr Pfeiffer, wo leben Sie denn? Sie sagen: „Alles soll so bleiben, wie es ist; alles wird gegenseitig anerkannt“, deshalb frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, dass zum Beispiel in deutschen Kosmetika über 1 000 Stoffe verboten sind, während es in den Vereinigten Staaten nur acht sind? Das haben übrigens die Amerikaner gesagt. Die hoffen, dass wir unsere Regelungen behalten, weil sie Angst haben, dass sie sonst ihre schlechten Regelungen nicht mehr wegbekommen. Das ist der Punkt! Sie sagen: „Es wird nichts schlechter“, deshalb frage ich Sie: Sind Sie denn der Auffassung, dass Amerika zum Beispiel die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf, der ILO, als gleiche Grundlage für alle anerkennt? Ich habe im Wirtschaftsausschuss den amerikanischen Vertreter in den Verhandlungen gefragt, ob denn die USA bereit sind, die Grundstandards für Arbeit anzuerkennen. Darauf hat er geantwortet, das könne er sich überhaupt nicht vorstellen. Auf welcher Grundlage wollen wir denn vereinheitlichen? Das kann im Ergebnis, wenn man eins und eins zusammenzählt, nur schlechter werden. Deshalb sage ich Ihnen: Die Geheimhaltung hat einen Sinn: Die Bürgerinnen und Bürger Europas sollen nicht merken, was Sie da eigentlich treiben. Deshalb ist eine Kernforderung: Veröffentlichung aller Papiere. Das richtet sich auch an den deutschen Minister, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben Sie schon mal ins Internet geguckt? – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Die Papiere stehen alle im Internet!) – Es geht nicht um das Internet. Ich möchte die offizielle Position zu dem, was da verhandelt wurde, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Also ordentliche Kopien?) nicht irgendwelche Internetdinge. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ordent-liche Kopien fordert der Herr!) Ich sage Ihnen zum Schluss: So wie Sie das anlegen, mit der Geheimhalterei, die Sie verteidigen – vom Chlorhühnchen wollte ich gar nicht reden –, werden Sie dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas aufstehen und sich den Rechtsstaat von Ihnen nicht nehmen lassen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Lebhafter Beifall bei der LINKEN – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Tiefensee von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Wolfgang Tiefensee (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das Freihandelsabkommen EU/USA, TTIP, ist ein Streit entbrannt, nicht nur hier im Plenum. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?) Es gibt zwei Lager, zwei extreme Lager. Das eine Lager sagt – das scheint auch aus Ihren Anträgen heraus –: Wir lehnen Verhandlungen ab bzw. wir verlangen, dass sie abgebrochen werden. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir beantragen die Zitate von Herrn Gabriel! Kennen Sie Herrn Gabriel?) Das zweite Lager sagt: Wir wollen TTIP. Wir wollen ein Freihandelsabkommen um jeden Preis. Was darin steht, ist egal. – Beide Positionen sind extrem. Die SPD spricht sich für ein kritisches, aber substanzielles Verhandeln (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiter wie bisher!) mit den USA aus – auf der Ebene der EU. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis zum 25. Mai!) Die SPD setzt sich also dafür ein, dass wir den Versuch unternehmen, diese beiden Wirtschaftsräume mit einem Freihandelsabkommen noch stärker zu verschränken. Die Verhandlungen finden unter denkbar schwierigen Ausgangsbedingungen statt. Wir haben auf der einen Seite die Erfahrung mit ACTA. Wir haben auf der anderen Seite die Erfahrung mit der NSA und den Unwillen der USA, ein No-Spy-Abkommen abzuschließen. Wir haben in der Öffentlichkeit eine Diskussion, in der gesagt wird, dass die Verhandlungen mangelnde Transparenz hätten. Eine Riesenbewegung – Campact, 450 000 Unterschriften – stellt sich gegen Verhandlungen auf. Ich begrüße es, dass sich die Öffentlichkeit mit diesem Thema beschäftigt und dass wir heute im Parlament die Gelegenheit haben, öffentlich darüber zu diskutieren. (Beifall bei der SPD) Auch wenn die Ausgangsbedingungen schlecht sind, lohnt es sich meiner Ansicht nach, in die Verhandlungen zu gehen und Sondierungsgespräche zu führen. Das lohnt sich aber nur dann, wenn ganz klar ist, was wir nicht wollen, und wenn klar ist, was wir wollen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sagen Sie doch mal, was Sie wollen!) Ich möchte nun darlegen, was wir nicht wollen: Erstens. Wir wollen nicht, dass die Verhandlungen im Hinterzimmer stattfinden. Erst die Sozialdemokraten und andere haben auf europäischer Ebene dafür gesorgt, dass die Verhandlungskommission in der EU überhaupt Dokumente transparent gemacht hat. (Beifall bei der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Schwachsinn!) Wie kann es sein, dass man, nachdem man die Erfahrungen mit ACTA gemacht hat, dies nicht von vornherein tut? Das hat die Öffentlichkeit verunsichert. Zweitens. Es wird mit der SPD kein Abkommen geben, wenn nicht ein sogenanntes gemischtes Verfahren zur Anwendung kommt. Für die Damen und Herren auf der Tribüne: Das besagt genau das, was Herr Ernst gefordert hat, nämlich, dass der Deutsche Bundestag und alle anderen nationalen Parlamente an den Abstimmungen beteiligt werden. Ist dies nicht der Fall, wird es keine Zustimmung der Sozialdemokraten geben. (Beifall bei der SPD) Drittens. Wir ziehen ganz klare rote Linien, was die Standards angeht. Das betrifft unter anderem den Gesundheitsbereich und die Lebensmittel, beispielsweise das Chlorhühnchen. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Arbeitsschutz!) Wir werden im Rahmen von TTIP keinen Standard in der EU oder in Deutschland verringern. (Beifall bei der SPD) Herr Ernst, ich glaube, Sie waren dabei, als der Verhandlungsführer der EU, Herr Bercero, bei uns war. Wir haben damals die Frage nach den ILO-Arbeitsnormen, den internationalen Standards, gestellt. Wir wissen, dass die USA bisher erst zwei von zwölf Kapiteln ratifiziert haben. Da wurde gesagt: Wir können es nicht zur Vorbedingung machen, dass die ILO-Normen ratifiziert werden. Die SPD wird es aber zur Bedingung machen, dass ein Kapitel im Rahmen der TTIP-Verhandlungen in den Vertrag einfließt, das zur Anerkennung der ILO-Arbeitsnormen in den USA führt. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Tiefensee, lassen Sie eine Frage von Herrn Liebich zu? Wolfgang Tiefensee (SPD): Bitte. Stefan Liebich (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Tiefensee, dass Sie die Frage zulassen. – Wie bewerten Sie denn den Vorschlag des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dass das Freihandelsabkommen nur unterzeichnet werden darf, wenn der US-Geheimdienst NSA seine Spionage auf deutschem Boden beendet? Wolfgang Tiefensee (SPD): Vielen Dank für die Frage. Das ist genau der Punkt. Es gelingt offensichtlich nicht. Es ist anscheinend selbst zwischen befreundeten Partnern nicht möglich, ein dringend notwendiges No-Spy-Abkommen abzuschließen. Es dauert noch wesentlich länger, als wir glauben. Die TTIP-Verhandlungen für die Aufnahme eines entsprechenden Kapitels nutzen oder in Parallelverhandlungen die Unterzeichnung eines No-Spy-ähnlichen Abkommens erreichen zu wollen, das dem Vorschlag von Sigmar Gabriel gerecht wird, ist aller Ehren wert. Diese Verhandlungen müssen geführt werden. Wir haben die Riesenchance, das zu tun. (Beifall bei der SPD) Noch einmal: Die ILO-Arbeitsnormen müssen sowohl in Europa als auch in den USA Standard sein. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Es gibt noch eine zweite Nachfrage, und zwar vom Kollegen Ebner. Wolfgang Tiefensee (SPD): Das habe ich gesehen. Bitte schön. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Tiefensee, Sie sagten, mit der SPD werden im Rahmen der TTIP-Verhandlungen keine Standards abgesenkt. Ich möchte Sie fragen: Wie bewerten Sie denn die Tatsache, dass bereits jetzt im Vorfeld des Abkommens die geltenden Standards bzw. beabsichtigten Regulationen der EU im Bereich der Umwelt und der Gesundheit reihenweise abgesenkt werden? Ich nenne da nur die Milchsäurebehandlung von Schlachtkörpern bei Rindern, die bislang heiß umstritten war und nun erlaubt wurde. Ich nenne den Wegfall der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderten Honig. Ich nenne auch das In-der-Schublade-Verschwinden einer EU-Richtlinie zum Vorgehen gegen Endokrin, also gegen hormonell hochwirksame Pestizide, die dringend notwendig gewesen wäre. Auch nenne ich den derzeitigen Entwurf der EU--Ökoverordnung, aus dem mir nichts, dir nichts jeder Grenzwert für gentechnisch veränderte Organismen herausgestrichen wurde. Das alles geschah in vorauseilendem Gehorsam. Wenn wir schon vorher die Standards absenken, haben Sie am Ende recht, wenn Sie sagen: Bei TTIP senken wir nichts ab. Wie bewerten Sie das? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wolfgang Tiefensee (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege. – Was für eine absurde Sichtweise! (Beifall bei der SPD) Die EU verhandelt auf unterschiedlichsten Feldern über Richtlinien, Verordnungen und Gesetze. Sie wollen jetzt mit Ihrer Frage suggerieren, dass während dieser Sondierungsgespräche – das sind übrigens keine -Verhandlungen – all die Gesetze, Verordnungen und Verlautbarungen der EU etwas mit diesen Verhandlungen – es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit weiß, dass wir frühestens Ende 2015, Anfang 2016 in die Endkurve kommen werden – zu tun haben, und deshalb müssten wir sie ablehnen. Was für ein Unsinn! Kümmern Sie sich gemeinsam mit uns darum, dass in der EU die Standards gleich bleiben oder erhöht werden und dass es auf allen Feldern – ob Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz oder sozialer Bereich – Verbesserungen gibt. Das ist unsere Aufgabe – und nicht, eine unsinnige Verknüpfung mit laufenden Sondierungsgesprächen herzustellen. (Beifall bei der SPD) Jetzt noch eine rote Linie. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Tiefensee, Entschuldigung, es gibt noch zwei Wünsche nach einer Zwischenfrage. Wolfgang Tiefensee (SPD): Ich habe Verständnis dafür. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Hänsel und Herr Ernst möchten eine Zwischenfrage stellen. – Ich habe eine Bitte an die Kolleginnen und Kollegen. Wir haben jetzt schon eine Tagesordnung bis 0.30 Uhr. Ich bitte Sie, das ein wenig im Auge zu -behalten. Die Debatte, die wir führen, ist – keine Frage – wichtig und auch notwendig, trotzdem bitte ich Sie, die Tagesordnung im Auge zu behalten. – Frau Hänsel. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich muss Ihnen diese Nachfrage stellen, Herr Tiefensee, weil Sie selbst nämlich in dem Gespräch mit Herrn Bercero, auf das Sie sich beziehen, gesagt haben, es gäbe kein Junktim -zwischen TTIP-Verhandlungen und einem No-Spy--Abkommen. Da frage ich mich doch: Wie kommen Sie denn jetzt zu einer anderen Erkenntnis? Stehen Sie -eigentlich – auch mit Blick auf die Diskussion im -Wahlkampf – so unter Druck, dass Sie nun plötzlich mit anderen Aussagen hier an die Öffentlichkeit gehen, was TTIP und die Frage des No-Spy-Abkommens betrifft? Zweitens möchte ich Sie etwas in Bezug auf die ILO-Konventionen fragen. Da haben wir auch schon Erfahrungen. Wir haben so viele Erfahrungen mit Freihandelsabkommen: Im Rahmen des NAFTA-Abkommens zwischen Mexiko, den USA und Kanada wurde genau das – nämlich Einhaltung der ILO-Konventionen bzw. aller internationalen Arbeitsstandards – vereinbart. In einem Nebenabkommen wurde aber festgehalten, dass man den jeweiligen Rechtszustand des einzelnen Staates anerkennt. Damit waren die ILO-Normen, die großartig bestätigt wurden, plötzlich unterlaufen. Was war die Folge? Für US-Konzerne und auch für kanadische Konzerne, die sich in den USA niedergelassen haben, war es möglich, sämtliche ILO-Standards in Kanada – was -Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz usw. angeht – zu -zerschlagen. Weil wir schon zahlreiche Erfahrungen mit Freihandelsabkommen haben, finde ich, dass es mehr als blauäugig ist, hier solche Dinge zu erzählen. Es ist eine Täuschung der Bevölkerung. (Beifall bei der LINKEN) Wolfgang Tiefensee (SPD): Frau Hänsel, ich bin enttäuscht darüber, dass Sie diese Bühne nutzen, mich in Bezug auf die Befragung Herrn Berceros falsch zu zitieren. Das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPD) Wir müssen aufpassen, dass wir auch unter Abgeordneten fair bleiben. – Das weise ich ganz entschieden -zurück. Ich habe definitiv gesagt: Es gibt kein Junktim: No-Spy-Abkommen Voraussetzung für TTIP. Im -gleichen Atemzug habe ich gesagt: Die SPD wird aber keinem Abkommen zustimmen, welches nicht ein -Datenschutzkapitel beinhaltet, das unter anderem den Vorschlag von Sigmar Gabriel und anderen aufgreift. Sie verkürzen das hier und unterstellen mir sogar, ich hätte meine Meinung geändert. Sie wissen, dass die Gespräche seit Wochen und Monaten laufen. – Das war der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Erfahrung hin oder her – wir werden gleich auf das Investorenschutzabkommen zu sprechen kommen –, wir sind in neuen Sondierungs-gesprächen über ein Freihandelsabkommen, das möglicherweise zustande kommt. Dieses Freihandelsabkommen soll eine Art Blaupause sein für einen globalen Handel im 21. Jahrhundert. Die Abkommen der Vorzeit, unter anderem das berühmte mit Pakistan mit der ersten Investorenschutzklausel, liegen weit zurück. Wir werden dafür sorgen, dass Normen, auch die ILO-Arbeitsnorm, in Deutschland, der EU oder wo auch immer nicht abgesenkt werden auf dem Wege von TTIP. Das wird nicht möglich sein. Wenn es in irgendeiner Weise möglich wäre, wird es mit der SPD ein solches Abkommen nicht geben. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Es gibt immer noch die Bitte von Herrn Ernst, eine Zwischenfrage zu stellen. Klaus Ernst (DIE LINKE): Herr Tiefensee, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Ich bin Ihnen dankbar für die klare Position, dass die SPD nicht zustimmen wird. Ich nehme das mit Freude zur Kenntnis. Ich nehme das auch ernst. Aber ich frage mich, ob es überhaupt notwendig ist. Wenn es so sein sollte, dass sich die Europäische Kommission bei der Frage durchsetzt, dass es sich überhaupt nicht um ein gemischtes Abkommen handelt, dann frage ich Sie: Schätzen Sie die Macht der SPD so stark ein, dass ihr Einfluss unterhalb der Ebene der parlamentarischen Abstimmung, die es dann nicht gibt – mit uns und den Grünen hätten Sie vermutlich eine Mehrheit zur Ablehnung –, reicht, um das fertige Abkommen, auf das Sie und wir gar keinen Einfluss mehr haben, noch zu verhindern, oder müssen wir zu anderen Maßnahmen kommen? Ich freue mich, dass Sie dies so sagen, aber ich weiß nicht, ob es so klappt. Zu einem anderen Punkt: zu CETA. Wird die SPD auch CETA verhindern, wenn es eine Klausel zum -Investorenschutz geben wird, wie es sich derzeit abzeichnet? Wolfgang Tiefensee (SPD): Zwei Vorbemerkungen zum gemischten Verfahren. Ich bin dankbar für Ihre Frage. Sie haben vorhin sehr laut und sehr theatralisch gefragt: Wie kann es sein, dass der Europäische Gerichtshof angerufen wird? Wenn man Europa ein bisschen kennt, weiß man: Nur der Europäische Gerichtshof kann entscheiden, ob es ein gemischtes Verfahren ist. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das muss die EU aber nicht machen!) Der zweite Punkt ist: Selbst für den Fall, dass es kein gemischtes Abkommen gäbe – wir wollen das –, kann eine Bundesregierung nie ohne ein Parlament entscheiden, weil der Europäische Rat, das heißt die Regierungschefs, ausschließlich mit einem Mandat ihrer Parlamente abstimmen dürfen. Also in Bildern gesprochen: Frau Merkel ist Bundeskanzlerin. Wenn das Thema noch bis zur Legislaturperiode 2017 auf der Tagesordnung steht, dann kann sie unmöglich nach Brüssel reisen und einem Abkommen zustimmen, wenn das nationale Parlament nicht zugestimmt hat. Das als Vorbemerkung. Dennoch sagen wir: Wir wollen ein gemischtes -Verfahren. Warum? Es ist notwendig, dass die Parlamente beteiligt werden, um deutlich zu machen, dass es eine Aufgabe und ein Thema von nationaler Bedeutung ist. Aus diesem Grunde verlangen wir ein gemischtes Verfahren. Das wird auch so kommen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: CETA? Meine zweite Frage!) – CETA ist jetzt auf dem Tisch. Ich bin sicher, dass wir all das, was wir jetzt in breiter Öffentlichkeit zu TTIP diskutieren, auch auf CETA übertragen werden, in welcher Form auch immer. Die Verhandlungen sind von der Öffentlichkeit nicht so stark beachtet worden, deshalb denke ich, dass es eine Harmonisierung sowohl der Beschlussfassung über CETA als auch möglicherweise über TTIP geben wird. Jetzt zum Investorenschutz. Der Investorenschutz – sprich: die Klausel, die Investoren und Staaten in einem Schiedsgerichtsverfahren verbindet – ist zwischen den USA und der EU nicht nötig. Das Europäische -Parlament mit seiner sozialdemokratischen Fraktion hat eindeutig gesagt: Wir werden einem Abkommen mit -einer Investorenschutzklausel nicht zustimmen. Die brauchen wir nicht. Im Übrigen wissen Sie durch Äußerungen von Herrn Gabriel und Frau Zypries, dass Deutschland auf europäischer Ebene eine solche Klausel nicht will. Deutschland ist einer der wenigen Nationalstaaten innerhalb der EU, die dafür kein Verhandlungsmandat erteilen wollten; leider sind wir überstimmt worden. Wir werden das bei der Bewertung des Ergebnisses berücksichtigen. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Tiefensee, die Kollegin Höhn bittet um eine Zwischenfrage. Wolfgang Tiefensee (SPD): Frau Höhn, bitte. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich mache es total kurz und bitte auch um eine total kurze Antwort. In der Tat haben Sie eben gesagt: Einer Investitionsschutzklausel werden Sie nicht zustimmen, weil Sie sie für falsch halten; auch Ihr Spitzenkandidat für die Europawahl hält sie für falsch, die Umweltministerin hält sie für falsch, der Wirtschaftsminister hält sie für falsch. Im CETA-Abkommen ist aber eine solche -Investitionsschutzklausel enthalten. Unternehmen, die in den USA ihren Hauptsitz haben, können über Tochter-firmen in Kanada auf Grundlage des CETA-Abkommens klagen. Deshalb die Frage: Gilt die Aussage, dass Sie gegen jede Investitionsschutzklausel sind, auch für das CETA-Abkommen? Werden Sie gegen das CETA-Abkommen stimmen, wenn es eine solche Investitionsschutzklausel enthält, ja oder nein? Wolfgang Tiefensee (SPD): Ich will und kann das allein deshalb nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten, (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!) weil wir jetzt in einer Phase der Harmonisierung der beiden Verhandlungen sind, wobei die Verhandlungen über CETA wesentlich weiter fortgeschritten sind. Im Zusammenhang mit dem Investorenschutz denkt man bei den Verhandlungen über CETA darüber nach, ähnlich wie bei der WTO eine Kammer einzurichten, also eine -besondere, neue Art von Schiedsgericht. Man muss sich diesen Vorschlag anschauen. Sie wissen vielleicht – es könnte Ihrer Information dienen –, dass wir uns im Zusammenhang mit dem Investorenschutz im völkerrechtlichen Bereich und nicht im nationalstaatlichen Bereich befinden. Das heißt, es war interessant, bei den Verhandlungen über CETA darüber zu diskutieren: Gibt es möglicherweise eine -Harmonisierung zwischen dem Verfahren, das in der WTO angestrebt wird, und dem Verfahren, das wir bei dem Abkommen zwischen Kanada und Europa brauchen? Diese Diskussion ist – so meine Kenntnis – nicht abgeschlossen. Wenn das Abkommen eine Kammer vorsieht, die keinen Sinn und keinen Wert hat, oder man hier gar in das bekannte Verfahren einmündet, dass ein Schiedsgericht entscheiden soll, dessen Zusammensetzung nicht klar ist, dann gehe ich davon aus, dass wir von der SPD auf europäischer Ebene nicht zustimmen können. (Beifall bei der SPD) Schließlich möchte ich ein paar rote Linien ansprechen. Es muss sich keiner Sorgen machen, dass unsere Regeln für öffentliche Ausschreibungen ausgehöhlt werden. Es gibt in den Kommunen eine große Sorge, dass in einem entsprechenden Kapitel des Abkommens dafür gesorgt werden könnte, dass die öffentliche Daseins-vorsorge, die in Deutschland und Europa ganz anders gestaltet ist als in den USA, einen Schaden erleiden könnte. Auch da gibt es für uns eine rote Linie. Das Gleiche gilt für – ich höre auch hier immer wieder von den Sorgen – die Buchpreisbindung. Ich habe unlängst bei der Eröffnung der Leipziger Buchmesse gehört, wie der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels dringend darum gebeten hat, dieses hohe Gut in Deutschland zu schützen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir sowohl bei der öffentlichen Daseinsvorsorge als auch bei unserem Bankensystem und der Frage unserer dualen Berufsausbildung vielleicht nicht so sehr mit den USA zu kämpfen haben, sondern zunächst einmal auf der europäischen Ebene. (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!) Deutschland wird dafür sorgen, dass diese Standards weder auf der europäischen Ebene, durch die Hintertür, noch über TTIP abgesenkt werden. Summa summarum, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir gehören weder zu dem Lager, das eine strikte Ablehnung des Abkommens fordert, noch zu dem Lager, das eine Annahme fordert, egal was drinsteht. Wir wollen den Weg gehen, etwas für die beiden Handelsräume zu tun, indem wir nichttarifäre Handelshemmnisse abbauen, Normen und Standards vereinheitlichen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zu einer höheren Wertschöpfung beitragen, damit – falls die Verhandlungen erfolgreich sind – beide Wirtschaftsräume und indirekt alle Menschen in diesen Räumen einen Nutzen daraus ziehen. Lassen Sie uns in die Sondierungen, in die Verhandlungen gehen, lassen Sie uns gründlich verhandeln, sehr kritisch, aber nicht prinzipiell ablehnend. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katharina Dröge von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Pfeiffer, nachdem Sie hier geredet haben, habe ich mich gefragt, ob ich meine Rede komplett neu schreiben soll. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sollen ja frei reden!) Ich dachte vorher, dass es zumindest einige Grundaspekte in Bezug auf die Verhandlungen über TTIP und CETA gibt, über die wir uns als Parlamentarier einig sind. Nach Ihrer Rede muss ich daran zweifeln. Da ist zum einen das Thema Transparenz. Bislang hatte ich wahrgenommen, dass wir uns hier im Parlament einig sind, dass die mangelnde Transparenz noch verbessert werden könnte. Ich dachte, zumindest das ist eine Grunderkenntnis, die wir Parlamentarier miteinander teilen. (Beifall der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn selbst Ihre Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von uns sagt, dass sie die amerikanischen Verhandlungsdokumente nicht kennt und dass sie das bei der Europäischen Kommission kritisch angemerkt hat, dann frage ich Sie: Wissen Sie mehr als die Bundesregierung? Vielleicht reden Sie einmal mit der Bundesregierung. Für die Verhandlungen ist es sicherlich hilfreich, wenn sie mehr weiß. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Selbst die Bundesregierung kritisiert, dass die Verhandlungen nicht so transparent ablaufen, wie sie eigentlich ablaufen sollten. Das zweite Thema, Standardabsenkungen. Während die Kommission und die Minister der Bundesregierung überall herumlaufen und erzählen: „Mit TTIP wird es keine Standardabsenkungen geben“, halten Sie hier ein flammendes Plädoyer für die Einführung des Chlorhühnchens? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das fragt man sich wirklich!) Ich finde das absurd. Ihnen ist schon klar, dass das Chlorhühnchen in der EU momentan nicht zugelassen ist? Nach Ihrer Rede, die ich wirklich erfrischend ehrlich und offenbarend finde, können wir uns eigentlich nur darin bestätigt fühlen, noch kritischer auf das Thema gegenseitige Anerkennung von Standards im Zuge der Verhandlungen über TTIP und CETA zu schauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir alle kennen die Drahtberichte der EU-Kommission über die Themen „gegenseitige Anerkennung von Standards“ und „Harmonisierung von Standards“. Es ist absolut nicht garantiert, dass das europäische Vorsorgeprinzip nicht infrage gestellt wird. Da müssen wir als Parlament sehr genau hinschauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Da gilt aber europäisches Recht!) Zum Thema Investitionsschutz. Nach dem, was Herr Gabriel in letzter Zeit öffentlich dazu gesagt hat, hatte ich gedacht, dass auch hierzu im Parlament vielleicht im Grundsatz Einigkeit bestehen würde. Nach Ihrer Rede zweifle ich, ehrlich gesagt, ein bisschen daran. Ich hatte gedacht – wenn man davon ausgeht, dass sich Herr Gabriel in der Regierung durchsetzt –, dass wir am Ende auch mit Ihnen als Regierung Einigkeit beim Thema Investitionsschutz hätten. Deswegen haben wir heute einen Antrag eingebracht; wir beantragen, dass heute von diesem Parlament und auch von dieser Bundesregierung das unmissverständliche Signal ausgeht, dass es bei TTIP und CETA keine außergerichtlichen Schiedsverfahren geben wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Es wäre enorm viel gewesen, wenn wir uns heute darauf hätten verständigen können. Denn das ist eine zentrale Frage, die die Menschen in diesem Land zu Recht an den TTIP-Verhandlungen kritisieren. Angesichts der vielen Probleme, die es schon jetzt in bestehenden Schiedsverfahren auf internationaler Ebene gibt, angesichts einer Vielzahl von Klagen von Konzernen gegen sinnvolle staatliche Regulierungsvorhaben, angesichts der grundsätzlichen rechtspolitischen Bedenken gegen solche nichtstaatlichen Schiedsverfahren, angesichts der Probleme mit mangelnder Transparenz, der Doppelrolle von Anwälten und Richtern (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Ruhig bleiben! Ruhig bleiben! Ruhig bleiben!) oder der fallabhängigen Bezahlung und angesichts der vielen offenen Rechtsbegriffe, wie es sie bereits im CETA-Investitionsschutzkapitel gibt und worauf die Kommission keine Antwort gibt – angesichts all dessen und vor dem Hintergrund, dass wir hier in der EU, in -Kanada und in den USA ausreichend entwickelte Rechtssysteme haben, wäre es notwendig, dass dieses Parlament das klare Zeichen setzt, dass es solche Sonderklageprivilegien in TTIP und CETA nicht geben wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Nach der Rede von Herrn Tiefensee, der sich sehr kritisch zum Thema Schiedsverfahren geäußert hat, bin ich doch ein bisschen verwundert, dass Sie unserem Wunsch nach direkter Abstimmung unseres Antrags nicht nachgekommen sind und ihn einfach gegen unseren Willen in die Ausschüsse verweisen und damit die Diskussion darüber bequemerweise auf die Zeit nach der Europawahl verschieben wollen. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Ah, jetzt kommt es raus! Das war das Ziel!) Wir haben es Ihnen mit unserem Antrag wirklich leicht gemacht. Was steht in unserem Antrag drin, außer Zitaten von Herrn Gabriel und von Frau Hendricks? Da ist es doch nicht schwierig für Sie, zuzustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU/CSU, ich kann sogar noch irgendwie verstehen, dass Sie ein Problem damit haben, einem Antrag der Opposition zuzustimmen. Sie hätten aber auch einen eigenen Antrag einbringen können, um deutlich zu machen, wie Sie zum Thema Schiedsgerichtsverfahren in TTIP und CETA stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kollegin, ich muss Sie trotz Ihrer leidenschaftlichen Rede bitten, zum Schluss zu kommen. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. Die anderen Redner haben so viele Fragen gestellt bekommen. (Zuruf von der CDU/CSU: Darauf hat sie gehofft!) Ich möchte noch auf das Fehlen von Stellungnahmen im Konsultationsverfahren eingehen. Sie haben es wahrscheinlich alle mitbekommen: Die EU führt zurzeit ein Konsultationsverfahren zum Thema TTIP und CETA durch. Ich frage Sie: Wo ist die Stellungnahme der SPD? Wo ist die Stellungnahme der CDU/CSU? Wie sehen Sie das? Wie werden Sie sich beim Thema CETA verhalten, wenn das Investitionsschutzkapitel so bleibt? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich möchte an Sie als Parlamentarier appellieren. Wir alle werden, wenn TTIP und CETA in der Form beschlossen werden, wie sie jetzt verhandelt werden, den Menschen in ein paar Jahren erklären müssen, warum wir als Parlamentarier zugelassen haben, dass wir unsere Rechte auf Gesetzgebung und Regulierung abgegeben haben, dass wir unsere Verantwortung an intransparente Regulierungsräte abgegeben haben. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Dröge, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie haben jetzt anderthalb Minuten überzogen. Ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Oder noch schneller reden!) Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist jetzt der letzte Satz. Wir Parlamentarier sollten mit den Parlamentariern des Europaparlaments gemeinsam und solidarisch dafür eintreten, dass wir unsere Rechte als Parlament nicht an in Hinterzimmern verhandelnde Schiedsgerichte abgeben. Wir sollten dafür kämpfen, dass die Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie in einer Demokratie getroffen werden sollten, nämlich in den Parlamenten. (Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als Nächster hat der Kollege Andreas Lämmel das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Frau Dröge, wir hätten gerne mitgeklatscht, aber Ihre Rede bot wirklich keinen Anlass, Sie dafür zu unterstützen. Das muss man einmal sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Ich bin heute wieder meiner eigenen politischen Na-ivität aufgesessen: Ich hatte gedacht, dass wir heute die Debatte über die vorliegenden Anträge dazu nutzen, hier, im Deutschen Bundestag, konstruktiv über das Thema TTIP und Freihandelsabkommen zu diskutieren. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Machen wir doch! Bloß ihr nicht!) Aber das war eine völlige Fehleinschätzung. Der Kollege Hofreiter hat von der ersten Minute an klar aufgezeigt, worum es ihm geht: um Wahlkampf. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen geht es um Wahlkampf!) Frau Dröge, auch Sie haben das gesagt. Sie wollen Ihren Antrag, über den Sie kaum gesprochen haben, unbedingt heute zur Abstimmung bringen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen Sie, Herr Lämmel, es schadet überhaupt nichts, wenn die Bürger vor der Wahl wissen, was die Politiker denken! Das ist Teil der Demokratie! Das ist nützlich, wenn sie das vorher wissen!) Wenn die Grünen und die Linken solche Debatten nur für Schaufensterdiskussionen nutzen, dann stellt sich die Frage (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Habt ihr überhaupt was Inhaltliches?) – Herr Ernst, bleiben Sie doch ruhig; auch Sie regen sich immer so schnell auf –, (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Macht doch nichts!) wie die europäische Öffentlichkeit das deutsche Parlament wahrnehmen wird. Das britische Oberhaus hat eine konstruktive Diskussion über dieses Thema geführt. Die Finnen haben schon über das Thema TTIP konstruktiv diskutiert. Heute wird das die französische Nationalversammlung machen. Aber von Deutschland geht für die Beobachter ein Signal aus, das einfach nur verheerend sein kann. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Kommen wir zur Sache zurück. Um was geht es eigentlich? Es geht darum, den freien Welthandel weiterhin zu gestalten. Der freie Handel von Waren und Dienstleistungen ist doch ein unheimlicher Fortschritt der modernen Gesellschaften. Genau das hat dazu geführt, dass das Wohlstandsniveau weltweit gestiegen ist. Gerade Deutschland braucht den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen. Darum geht es. Die Welthandelsorganisation, die sich weltweit darum bemüht, Handelsbarrieren abzubauen – ich habe nicht gehört, dass jemand von Ihnen deswegen einen großen Aufstand macht –, hat mittlerweile 160 Mitglieder, die sich dem Ziel des freien Welthandels verschrieben haben. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Darum geht es jetzt aber nicht!) – Herr Ernst, dass Sie das nicht wollen, ist klar. Wenn es nach den Linken ginge, wäre Deutschland eine einsame Insel im globalen Meer. Sie hätten noch Beziehungen zu Kuba und zu Korea. Sie würden aus der NATO austreten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Jetzt sind Sie auf Ihrem Niveau!) Wenn Sie Politik für dieses Landes machen könnten, wäre Deutschland völlig isoliert. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist Ihr -Niveau!) Das wollen wir aber nicht, und dazu wird es auch nicht kommen. Nun haben sich die zwei größten Wirtschaftsräume der Welt, Europa und Amerika, aufgemacht, um über ein Freihandelsabkommen zu diskutieren. Damit wollen sie der Welt zeigen, dass diese beiden größten Wirtschaftsräume in der Lage sind, Handelsbarrieren, die nach wie vor existieren, abzubauen. Dabei geht es auf der einen Seite um die tarifären Handelsbarrieren, das heißt um Zölle – sie spielen aber im Handel zwischen Amerika und Europa keine große Rolle mehr –, und auf der anderen Seite um den großen Bereich der sogenannten nichttarifären Handelsbarrieren. Das sind die Sachverhalte, die den Handel zwischen den USA und Europa blockieren. Bei diesen nichttarifären Handelsbarrieren muss man auch immer sehen: Natürlich haben auch die Amerikaner in den letzten Jahrzehnten immer wieder versucht, über eigene Standards, über Beschränkungen des Marktes protektionistische Hürden aufzubauen, um ihren Markt abzuschotten. Das hat auch Europa getan. Das machen die Chinesen noch viel extremer, von den Russen, die Sie heutzutage ja am meisten lieben, ganz zu schweigen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ach, jetzt hören Sie mit dem Quatsch auf!) Jetzt geht es darum, darüber zu sprechen, diese nichttarifären Handelshemmnisse abzubauen. Das ist doch erst einmal ein grundvernünftiges Anliegen. Das Geschrei, das jetzt veranstaltet wird, zum Beispiel heute in dieser Debatte, hat kaum einen rationalen Kern. Sie haben diese Debatte heute praktisch genutzt – warum Sie das zu diesem Zeitpunkt machen, habe ich verstanden –, um vor der Europawahl Ihre Ansichten noch einmal in die Welt zu posaunen. (Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie verstehen es nicht, Herr Lämmel!) Man muss auch sehen: Der Austausch zwischen den USA und Europa betrifft nicht bloß den Handel, sondern auch Investitionen. Die Amerikaner haben allein im letzten Jahr in Europa 170 Milliarden Euro investiert. Das war schon einmal mehr: Zum Beispiel im Jahr 2007 betrug dieses Investitionsvolumen 240 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite haben die Europäer in den USA im letzten Jahr 98 Milliarden Euro investiert. Auch das war schon einmal mehr: 2007 waren es 236 Milliarden Euro. Das heißt, zum einen geht es um Investitionen, zum anderen geht es um den Austausch von Waren und Dienstleistungen. Die Veranstaltung, die im Bundeswirtschaftsministerium vor einiger Zeit stattgefunden hat, hat dies noch einmal deutlich aufgezeigt. Herr Ernst verschwand dort ja nach dem ersten Teil; er war weg, als es um die Details ging. Diese haben Sie nicht mehr interessiert. Das ist klar: Sie wollen sich da ja auch nicht näher einarbeiten, sondern nur Ihre plakativen Reden halten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Bei dieser Veranstaltung ging es glasklar darum – jeder, der dabei gewesen ist, hat das mitbekommen –, dass vor allen Dingen kleine und mittlere Unternehmen ein hohes Interesse daran haben, dass diese nichttarifären Handelshemmnisse abgebaut werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die großen Unternehmen sind in der Lage – sie sind auch finanzstark –, sich auf dem amerikanischen Markt zu etablieren, dort verschiedene Zulassungsverfahren zu durchlaufen und, und, und. Aber die kleinen und mittleren Unternehmen sind dazu nicht in der Lage. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie sind personell nicht dazu in der Lage, und sie haben auch nicht so viel Geld, das sie investieren müssten, um dort in den Markt einzutreten. Darum geht es im Wesentlichen: Chancen im Handel auch für kleine und mittlere Unternehmen zu eröffnen. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege Lämmel, es gibt zwei Wünsche zu Zwischenfragen. Lassen Sie diese zu? Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Wissen Sie, ich muss heute Abend noch über die Spielzeugrichtlinie sprechen, und ich wollte dies gern vor Mitternacht machen, (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das hätten Sie gleich tun können! Spielzeug ist besser! Vielleicht kennen Sie sich da besser aus! Elektrische Eisenbahn! – Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) deswegen wäre es mir ganz recht, wenn wir jetzt die Diskussion weiterführen. Dass diese Verhandlungen natürlich nicht einfach werden würden, war doch ganz logisch. Da treffen zwei gleichberechtigte große Wirtschaftsräume aufeinander. Bei früheren Freihandelsabkommen, den sogenannten FTAs, hat meistens eine große Macht mit einem kleineren Land ein Abkommen geschlossen. Hier verhandeln zwei gleichberechtigte Wirtschaftsräume, aber auch zwei verschiedene Kulturkreise miteinander. Der Staatsaufbau, die Gesetze sind in Amerika ganz anders als zum Beispiel in Europa. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dann reden die auch noch anders!) Deswegen war natürlich von vornherein für alle klar, dass die Dinge nicht einfach sind. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ach nee!) Anstatt als Parlament diese Verhandlungen konstruktiv zu begleiten und klarzumachen, was wir wollen – Kollege Tiefensee hat ja von einigen roten Linien gesprochen –, versuchen Sie hier – die Linken wie immer mit Verboten; auch die Grünen sind nicht sehr weit davon entfernt –, die Verhandlungen in den Dreck zu ziehen und in der Öffentlichkeit mieszumachen. Ihre Aufgabe als Parlamentarier wäre eigentlich, die Öffentlichkeit über Chancen und Risiken aufzuklären. Aber Sie haben offensichtlich nur eine Sache im Kopf: das Negative, das Sie immer verbreiten. (Lachen des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Bei der Veranstaltung im Bundeswirtschaftsministerium trat eine Dame auf und sagte, dass sie bereits 450 000 Unterschriften gegen TTIP gesammelt hat. Das ist einfach lächerlich. Es gibt noch kein Abkommen, über das man jetzt abstimmen kann. Das wissen Sie ganz genau. Wenn man von vornherein Unterschriften gegen ein Abkommen sammelt, geht es gar nicht mehr darum, über das Abkommen zu diskutieren, sondern darum, dass man es überhaupt nicht will. Das muss man aber auch klar sagen; denn dann wissen wir, woran wir sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Machen wir doch! Lesen Sie doch wenigstens mal die Anträge!) Ich möchte deutlich machen: Die SPD-Fraktion steht bei den roten Linien natürlich nicht allein, wie Herr Tiefensee es teilweise gesagt hat, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sondern die CDU/CSU-Fraktion hat hier überhaupt keine andere Meinung. (Lachen bei der LINKEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Jetzt bin ich aber gespannt!) Meine Damen und Herren, die USA oder die Europäische Kommission mögen im Verhandlungsprozess verschiedene Dinge vielleicht unterschätzt haben; das mag sein. Wichtig ist doch, dass man aus Fehlern lernt und dass das Verfahren, das vielleicht ein bisschen schwierig angelaufen ist, jetzt in neue Bahnen gelenkt wird. Darum muss es uns gehen. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist doch jetzt Ihre Chance!) Es muss von einer Debatte wie der heutigen das Zeichen ausgehen, dass das deutsche Parlament grundsätzlich hinter solchen Verhandlungen steht, aber dass das deutsche Parlament auch klare Vorstellungen davon hat, was wir wollen und was wir nicht wollen. Das kann ich in Ihren Beiträgen heute leider überhaupt nicht erkennen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber in Ihren? Was erzählen Sie denn da?) – Zu Ihren Anträgen, Herr Ernst, haben Sie ja gar nicht erst gesprochen, (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie ja auch nicht!) weil das sinnlos gewesen wäre; das wissen Sie natürlich selber. Deswegen finde ich, dass diese Debatte heute leider vertane Zeit ist. (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sollten dieses Thema aber weiterhin beraten. Dafür bietet die Diskussion im Wirtschaftsausschuss eine gute Basis. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Alexander Ulrich von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Alexander Ulrich (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um das einmal zusammenzufassen: Sie, Herr Lämmel, haben am wenigsten über das gesprochen, worum es heute geht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Über Ihre Anträge!) Sie haben darauf hingewiesen, wie in anderen Parlamenten über dieses Thema debattiert worden ist. Ich will es Ihnen noch einmal sagen: Durch die Anträge von uns und von den Grünen findet heute überhaupt erst eine Debatte im Bundestag statt. Sie wollten diese Debatte doch überhaupt nicht! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht wahr! – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Völliger Unsinn!) Heute ist wieder einmal klar geworden, worum es bei TTIP und CETA geht, insbesondere durch das, was Herr Pfeiffer gesagt hat; dankbarer kann man dafür nicht sein. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es haben allein in Deutschland schon über 700 000 Menschen dafür unterschrieben, dass TTIP und CETA gestoppt werden sollen. Nach der Rede wie der von Herrn Pfeiffer werden es wahrscheinlich noch deutlich mehr werden; denn jetzt ist klar, was geplant ist. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) TTIP und CETA sind ein Angriff auf unsere Lebensweise, auf unsere Standards, auf unsere Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Es ist ganz toll, dass vor der -Europawahl jedem im Land klar wird, dass diese Bundesregierung dafür die Hand reicht; das gilt insbesondere für CDU und CSU. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das macht ja auch Sinn! Aber wir warten erst mal ab, bis etwas vorliegt, bevor wir kritisieren!) Herr Pfeiffer sagte, dass das zu Wohlstand und Arbeitsplätzen führen wird und dass wir davon einiges erwarten können. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der Pfeiffer ist ein kluger Mann!) Wir mussten uns da noch nicht einmal selber bemühen. Es gibt nämlich Gutachten der EU-Kommission. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!) Diese besagen, dass es im EU-Raum ein „gigantisches“ Wachstum von 0,5 Prozent geben wird, (Zuruf von der LINKEN: Wow!) in den USA von 0,4 Prozent – (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Bis 2027!) aber nicht im Jahr, sondern bis Ende 2027. Das heißt, wir reden über ein Wachstum von jährlich weniger als 0,04 Prozent in der EU. Dafür gefährden wir unsere Lebensweise. Nur darum geht es: (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!) Es geht darum, dass die Finanzwirtschaft und die Großkonzerne Geschäfte machen können. Dafür reichen Sie die Hand, und dafür opfern Sie sogar die Rechtsstaatlichkeit. Das wird Ihnen von der Union noch auf die Füße fallen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihre Welt ist ja so einfach!) Um einmal klarzumachen, was das im Hinblick auf das Wachstum bedeutet, zitiere ich den IG-Metall-Vorsitzenden Detlef Wetzel. Er hat in einem Interview gesagt: (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Keine Analyse, keine Argumente, und die Konzerne sind schuld!) Da spielt ja das Wetter eine größere Rolle für die Beschäftigungswirkung als das Freihandelsabkommen. (Heiterkeit des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Er fügte hinzu: Die Prognosen sind äußerst unsicher, die vorhergesagten Wirkungen mikroskopisch – und vor allem würden sie ungleich teuer erkauft. Recht hat er. Deshalb muss TTIP gestoppt werden. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Sie sollten verboten werden!) Um was geht es? Hier wird ja so getan, als würden wir nur Ängste schüren. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Das ist das einzige Ziel dieser Veranstaltung! – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Nichts anderes tun Sie!) Wir reden doch über Beispiele, die es gibt. Es gibt zum Beispiel eine Firma namens Veolia. Sie klagt in Ägypten, weil der ägyptische Staat den Mindestlohn erhöht hat; das ist ein solches Beispiel. Oder – das muss man sich einmal vorstellen –: In Quebec, in Kanada, gab es einen Volksentscheid mit dem Ergebnis, dass man Fracking ablehnt. Jetzt klagt diese Firma gegen den kanadischen Staat wegen möglicherweise entgangener Gewinne. Wollen wir so etwas, wollen wir wirklich jeden sozialen Fortschritt in Zukunft verhindern, indem wir uns in die Hände von Großkonzernen begeben? Das kann doch in einer Demokratie nicht möglich sein! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Muss man bei der Linken in jeder Rede dreimal das Wort „Großkonzerne“ unterbringen?) Herr Tiefensee, wenn Sie sich hier so deutlich aussprechen, dann müssen Sie sich aber bei CETA auf den Weg machen; denn dieses Abkommen ist ausverhandelt. Da steht das alles drin, was heute hier diskutiert worden ist. Wenn CETA abgeschlossen wird, ist das eine Blaupause; dann können wir bei TTIP möglicherweise gar nichts mehr verhindern, weil auch amerikanische Konzerne über Tochterfirmen in Kanada dieses Abkommen nutzen können. Das ist doch genau die Gefahr. Darum ist es bei CETA nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wie gesagt: Die IG Metall lehnt das ab. Der DGB hat das letzte Woche auf seinem Bundeskongress abgelehnt. Kirchliche Organisationen – die Diakonie, Brot für die Welt – sagen Nein. Attac, der BUND, über 50 NGOs, alle sagen Nein zu diesen Verhandlungen. Wenn Sie hier heute eine Sofortabstimmung über die Anträge der Linken und der Grünen verhindern, sagen Sie all diesen Gruppen: Wir wollen eure Interessen den Interessen der Großkonzerne opfern. – Wir stehen auf der Seite der außerparlamentarischen Bewegung und sagen: TTIP und CETA müssen gestoppt werden. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Klaus Barthel von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Klaus Barthel (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Ulrich, es mag schon sein, dass viele Elemente, die jetzt diskutiert werden im Zusammenhang mit CETA und TTIP, unsere Lebensweise gefährden; aber ich möchte im Verlauf meiner Rede darstellen, dass wir gerade dann, wenn wir nichts tun, wenn wir keine Anstrengungen unternehmen, den internationalen Handel neu zu regeln, unsere Lebensweise erst recht gefährden. Tatsache ist doch, dass – anders als viele Romantiker, die heute herumlaufen, es behaupten – erst die Ausweitung des internationalen Handels, die internationale Arbeitsteilung und Wertschöpfungsketten über die ganze Welt Arbeit, Einkommen und Wohlstand ermöglicht haben und nicht das Klein-Klein hinter den Zollschranken des Feudalismus im Mittelalter. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Natürlich müssen wir im gleichen Atemzug auch sagen, dass die Realität des jetzigen Freihandelsmodells zeigt, dass freier Handel nicht automatisch guter Handel und fairer Handel ist und dass sich daraus nicht die Weltwirtschaft ergibt, die wir uns alle vorstellen. Wir sehen das an den Krisen, ausgelöst auf den Finanzmärkten durch die Deregulierungspolitik. Wir sehen das an dem Dumpingwettbewerb, dass kurzfristig im Moment derjenige auf dem Weltmarkt gewinnt, der den geringsten Umweltschutz, den schwächsten Verbraucherschutz, den ungeregeltsten Wettbewerb, die niedrigsten Löhne, die schwächsten Sozialsysteme und die niedrigste Kapitalbesteuerung hat; das ist die jetzige Realität der freien Märkte. Wir erleben – auch das ist richtig – das erfolgreiche Bestreben von internationalen Konzernen und Finanzinvestoren, sich gesetzlichen Regelungen und politischen Entscheidungen der Nationalstaaten zu entziehen und durch Ausnutzen des Standortwettbewerbs auf internationaler Ebene sich selbst systematisch über das geltende Recht zu stellen. Das beginnt damit, dass sich die -Amazons und Googles in aller Welt der Besteuerung ihrer Gewinne und auch der Umsatzbesteuerung entziehen, und soll demnächst gipfeln in dem sogenannten Investorenschutz; da sind ja Beispiele genannt worden. Die Krönung ist, wie man jetzt wieder lesen konnte, -Vattenfall, die machen das gleich doppelt: Auf der einen Seite verklagen sie die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs; gleichzeitig versucht man sich durch intelligente Umstrukturierung des Unternehmens auch noch der Haftung für den Atommüll und der Lasten, die sich aus der Nutzung der Kernenergie ergeben haben, zu entziehen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist -alles ohne TTIP!) Daran kann man schon sehen, dass es beim Investorenschutz Probleme gibt. In der Tat wären CETA und TTIP Neuland für die Europäische Union. Für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – das hat Kollege Tiefensee deutlich gemacht – ist klar: Wir wollen keinen Investorenschutz à la CETA oder wie manche in den USA sich das vorstellen. Jetzt sind wir beim Thema Transparenz, liebe Kollegen von den Grünen und den Linken. Auch wir beklagen die mangelnde Transparenz, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) aber wenn Sie mich fragen, wie wir und unsere Bundesregierung eigentlich dazu stehen, dann kann ich Ihnen nur raten: Lesen Sie wenigstens das, was überall nachzulesen und damit transparent ist. (Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/CSU]) Es gibt zum Beispiel eine wunderschöne Broschüre zu der schon erwähnten Veranstaltung im Bundeswirtschaftsministerium. In seinem Vorwort schrieb der Bundeswirtschaftsminister – das können alle nachlesen; das ist ganz transparent –: (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Das wollen die doch gar nicht!) Spezielle Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU nicht erforderlich, da beide Partner hinreichenden Rechtsschutz … gewähren. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie doch unserem Antrag zu!) Er schreibt weiter: Prinzipiell ist auszuschließen, dass das demokratische Recht, allgemeine Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu schaffen, gefährdet, -ausgehebelt oder umgangen wird oder dass ein Marktzugang, der solchen Regeln widerspricht, einklagbar wird. Nur dann ist ein Abkommen zustimmungsfähig. (Beifall bei der SPD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Exakt das haben wir beantragt!) Hier steht also alles zur Position der Bundesregierung, und Sie haben die Bundesregierung in den letzten Wochen und Monaten ja auch mit vielen Fragen – Kleinen und Großen Anfragen sowie einzelnen Fragen – zugepflastert. Dasselbe kann man auch bezüglich CETA nachlesen, und zwar in einer Antwort von Staatssekretär Kapferer am 25. März 2014 auf eine Frage des Abgeordneten Ulrich. Ich will das jetzt aber nicht vorlesen, weil ich nicht so viel Zeit habe. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das haben wir beantragt! Warum stimmen Sie dann nicht zu?) Das heißt, wir wollen diese Verhandlungen zum einen nutzen, um das auszuschließen, und zum anderen, um in eine neue Phase der internationalen Handelspolitik zu kommen. Kollege Ernst, das gilt zum Beispiel auch in Bezug auf die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte. In der Tat kann es Freihandel zwischen Wirtschaftsräumen und Staaten nicht geben, wenn eine Seite die ILO-Kernarbeitsnormen nicht vollständig ratifiziert hat oder nicht anwendet. Das kommt für uns nicht infrage. (Beifall bei der SPD) Das bloße Anerkennen jeweiliger Standards reicht dabei aber natürlich nicht aus, weil es hier keinen Wettbewerbsvorteil für denjenigen geben darf, der selbst zum Beispiel die Gewerkschaftsfreiheit einschränkt und die Koalitionsfreiheit nicht anerkennt. Mit solchen Dumpingprozessen würden nämlich Verlagerungen aus deutschen Industrie- und Dienstleistungsstandorten in den Niedriglohnbereich USA in Gang gesetzt werden, wo die Zölle dann entfallen. Das muss völlig klar sein. (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Wir sind durch das Beispiel VW gewarnt. Ein wohlwollender Konzern hatte versucht, Gewerkschaften und Mitbestimmung zu ermöglichen, aber er wurde durch die Politik eines Bundesstaates in den USA und die örtliche Politik dort daran gehindert, die massiv Stimmung und Druck gegen Gewerkschaften und Tarifverträge gemacht haben. So etwas geht nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir sind auch durch das Vorgehen von T-Mobile USA gewarnt, einer Tochter der Deutschen Telekom, die meint, es sei bei Verkaufsgesprächen ein gutes Argument, dass im Unternehmen keine Gewerkschaften vertreten sind, weil man dann mehr Geld für das Unternehmen erhält. Mit solchen Wirtschaftsräumen und Unternehmensstrategien wollen wir nichts zu tun haben, sondern im Gegenteil: Diese wollen wir verbessern. (Beifall bei der SPD) Wir sorgen nicht mit Mindestlöhnen, mit der Stärkung des Tarifsystems, mit der Allgemeinverbindlichkeit und mit hochgelobter Mitbestimmung für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, um dann Freihandelsabkommen mit Räumen abzuschließen, die genau das unterlaufen und unsere Standards indirekt aushöhlen. Das kann nicht das Ziel der Politik sein. Wir wollen jetzt zusammen mit den Gewerkschaften in den USA und in der Bundesrepublik ausloten, ob es Wege hin zu einer neuen und besseren Politik in all diesen Hinsichten gibt – auch in Bezug auf die Verbraucherstandards, die Arbeitsrechte usw. –; denn eines muss auch allen klar sein, die heute sagen, das alles würden sie von Hause aus nicht wollen und TTIP, CETA usw. sei Blödsinn: Wenn wir keine neue Handelspolitik einleiten, – Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Klaus Barthel (SPD): – uns nicht anstrengen, liebe Frau Präsidentin, den Handel auf internationaler Ebene neu aufzustellen, und solche Verhandlungen nicht wenigstens einmal versuchen, dann wird sich in unserem Sinne erst recht nichts ändern, sondern dann werden die Dumping-Prozesse, die ich am Anfang beschrieben habe, unter der Überschrift „Globalisierung“ weitergehen. Diese Globalisierung müssen und wollen wir gestalten, und ich hoffe auf unser aller Unterstützung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Barbara Lanzinger von der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt: Kaum ein Thema wird derzeit so kontrovers und so aufgeladen diskutiert wie das TTIP. Ich sage bewusst: aufgeladen. Dazu tragen auch die Reden der Kollegen Hofreiter und Ulrich bei. Sie schüren eher Ängste, anstatt zu versuchen, das Ganze aufzuklären. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! Wir klären auf!) Ich habe eines gelernt – lassen Sie mich das hier anmerken –: Wer schreit, hat meistens nicht recht. (Beifall bei der CDU/CSU) Zahlreiche Demonstranten gehen zu diesem Thema auf die Straße. Binnen kürzester Zeit kamen mehrere Hunderttausend Unterschriften gegen das Abkommen zusammen; das stimmt. (Beifall des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Glauben Sie uns: Auch wir nehmen diese Bedenken ernst, (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Herr Pfeiffer nicht!) nicht nur Sie. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Herr Lämmel hat gesagt: Lächerlich!) – Jetzt schreien Sie schon wieder. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Und zwar dazwischen!) Ernst nehmen wir aber auch die Potenziale: Freier Handel enthält die Chance auf mehr Wohlstand. Das Abkommen ist ein wichtiges Instrument für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa. Es ist deshalb durchaus begrüßenswert. Aber – auch das sage ich ganz deutlich – wir brauchen klare, nachvollziehbare, transparente und verständliche Regeln. Wir befinden uns noch am Anfang der Verhandlungen. So ist es noch nicht möglich, bereits heute alle Details beurteilen zu können. Jedoch ist es möglich und notwendig – da gebe ich vielen recht –, grundsätzliche Kriterien zu benennen und einzufordern. Wir müssen das Abkommen als Chance begreifen, die Vor- und Nachteile abzuwägen und alle damit verbundenen Risiken zu benennen, um diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausschließen zu können. Ein wichtiger Punkt muss sein, dass das Abkommen unserem Anspruch an Qualität und unseren Anforderungen an ein hohes Schutzniveau standhält. Deutschland hat einen unschlagbaren Vorteil im globalen Wettbewerb: einen starken Mittelstand, im Ausland bewundert und geschätzt. Der „German Mittelstand“ gilt als Jobmotor Nummer eins, als Treiber für Innovationen und als ein Rezept für den Erfolg der deutschen Wirtschaft. Ich denke, dagegen können Sie nichts sagen. Herr Hofreiter – hören Sie mir bitte zu, ich habe Ihnen gerade auch zugehört –, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen nehmen, dass der Mittelstand dieses Abkommen ablehnt. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zeitung lesen hilft!) Ich habe andere Zahlen. Nach den Zahlen des DIHK von Anfang Mai dieses Jahres sind 60 Prozent für dieses Abkommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Über 99 Prozent der deutschen Unternehmen sind Mittelständler. Das sind über 3,6 Millionen vielfältige und dynamische Unternehmen, die mehr als 60 Prozent aller Jobs in Deutschland stellen und in unterschiedlichen Branchen mit unterschiedlichen Produkten und Dienstleistungen tätig sind. Deutsche Produkte werden im Ausland sehr gerne gekauft, weil sie hohe Qualitätsstandards aufweisen. Zudem bringen vor allem unsere KMU, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die international tätig sind, weitaus mehr neue Produkte auf den Markt als die ausschließlich in der Heimat tätigen Unternehmen. Deshalb ist es besonders wichtig, die internationalen Aktivitäten unseres Mittelstands weiter zu fördern und auszubauen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das TTIP schafft wirtschaftliche Chancen für Europa und besonders für Bayern – das sage ich ganz deutlich – mit seiner mittelständisch geprägten, exportstarken Wirtschaft. Insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen würden von einem tiefgreifenden Abkommen profitieren und dadurch wirksame Unterstützung bei der Internationalisierung erhalten. Es gilt, bei den Verhandlungen sicherzustellen, dass es zu keiner Absenkung der bewährten Qualitätsstandards und des europäischen Schutzniveaus kommt. Wo „Made in Germany“ draufsteht, muss auch „Made in Germany“ drin sein. Aber ich möchte der Fairness halber auch festhalten: Nicht nur wir haben hohe Standards, auch die Amerikaner haben hohe Standards. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es gilt, beides miteinander zu verknüpfen. Wir können nicht immer so tun, als ob wir die besten wären. Es gilt vielmehr, diese Standards zusammenzuführen. (Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Linken können nicht zugeben, dass die Amerikaner auch etwas Positives haben!) Für die Wirtschaft ist es wichtig, nichttarifäre Handelshemmnisse abzubauen sowie regulatorische Vorschriften zu harmonisieren und gegenseitig anzuerkennen. Die Abschaffung der Zölle alleine reicht nicht aus. Für die vielen exportorientierten und mittelständischen Unternehmen stellen gerade die doppelten Zulassungs-, Zertifizierungs- und Normungsprozesse große Handelsbarrieren und Hürden vor allem beim Markteintritt dar. So führen beispielsweise doppelte Prüfungsverfahren zu erhöhten Kosten und einem bürokratischen Aufwand. Ein gutes Beispiel hierfür hat der Präsident des DIHK angeführt: Aktuell haben die USA und die EU unterschiedliche Zertifizierungsstandards für Schweißnähte in Druckbehältern. Obwohl die Produkt- und Sicherheitsstandards der Behälter gleich sind – Sie kennen sie vielleicht; ich spreche das jetzt einmal an; Sie haben heute keine Beispiele genannt –, werden die Zertifikate nicht gegenseitig anerkannt. Dadurch muss ein und dieselbe Schweißnaht zweifach zertifiziert werden. Das muss man sich einmal vorstellen. Das bedeutet erhebliche Zusatzkosten, ohne dass dadurch ein Mehrwert für die Verbraucher erzielt wird. Wir brauchen die Anerkennung unterschiedlicher Verfahren, die zum gleichen Ergebnis führen. Notwendig ist auch die Harmonisierung der Standards, die Anerkennung gleichwertiger Standards und die Abschaffung doppelter bzw. vergleichbarer Zusatzverfahren. Gerade für Bayern sind die USA nicht nur der wichtigste Exportmarkt, sondern zugleich auch ein wichtiger Investitionsstandort. Die Beseitigung von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen ist wichtig. Beispielsweise zahlt die deutsche Automobilwirtschaft jährlich für ihre Exporte in die USA über 1 Milliarde Euro an Zöllen. Aus diesen Gründen begrüßen wir auch ganz besonders das im TTIP enthaltene Sonderkapitel für KMU mit speziellen Regeln, damit zukünftig der deutsche Mittelstand unter erleichterten Bedingungen im transatlantischen Handel aktiv werden kann. Ich denke, das ist sehr wichtig. Neben den ökonomischen Effekten hat das Freihandelsabkommen aber auch ein hohes politisches und strategisches Potenzial. Es kann der Weltwirtschaft neue Impulse verleihen. Es wird die Nachfrage nach Rohstoffen, Bauteilen und anderen Vorleistungen erhöhen, die von anderen Ländern produziert werden. Es kann Vorreiter für die Entwicklung globaler technischer Standards sein und die Führungsfähigkeit der transatlantischen Partner unter Beweis stellen. TTIP ist für uns auch ein Vorreiter für unsere hohen Schutzstandards. Es wurden schon alle Stichworte genannt, zum Beispiel die kommunale Daseinsvorsorge, der Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz und die Landwirtschaft. Ich muss nicht alles wiederholen, möchte aber ergänzen, dass dazu auch unser gut durchdachtes, ausgewogenes und sehr strengen Kriterien unterliegendes europäisches Patentsystem gehört, wie der Präsident des Europäischen Patentamts zu Recht festgestellt hat. Dazu sage ich ganz klar: Finger weg! Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Investitionsschutz einschließlich der Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten. Hierfür brauchen wir neue Ansätze; das ist schon angesprochen worden. Eine unvereinbare Paralleljustiz ist nicht sinnvoll. Wir haben sowohl in der EU als auch in den USA gut entwickelte, funktionierende und verlässliche Rechtssysteme. Unsere nationale Gesetzgebung darf im Zuge des Freihandelsabkommens nicht durch internationale Schiedsgerichte ausgehebelt werden. (Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Unbestreitbar bestehen bei einem solchen Abkommen über den Atlantik Interessengegensätze sowohl zwischen als auch innerhalb der Länder. Interessen der Unternehmen stehen den Interessen von Bürgerinnen und Bürgern und Verbrauchern gegenüber. Jedoch bringen uns diese hoch emotionalen und überhitzten Debatten gar nichts. Sie schüren nur Ängste. Notwendig sind sachliche und inhaltlich richtige Diskussionen. Wir brauchen eine genaue Abwägung statt einseitiger Vorurteile und oftmals auch unhaltbarer Vorwürfe, die Ängste schüren. Wir sagen Ja zu einem ausgewogenen Abkommen. Ausgewogen heißt: strikte Prämisse unserer in Europa hohen Schutzmechanismen, keine Vereinheitlichung auf den kleinsten Nenner, sondern ein Abstimmen auf unsere Traditionen und bewährten Normen. Ausgewogen heißt auch: absolute Transparenz in den Verhandlungen. Allerdings ist dabei ein gewisser Grad an Vertraulichkeit notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wo fängt er an? Wo hört er auf?) TTIP darf nicht heißen, dass vorrangig die Interessen der Großunternehmen oder der USA unterstützt werden. Wir müssen vielmehr deutlich machen, welche Chancen ein Freihandelsabkommen für unsere heimische Wirtschaft und unsere Verbraucherinnen und Verbraucher hat. Es ist erfreulich, dass die EU-Kommission mit der öffentlichen Konsultationsphase beim Investitionsschutz begonnen hat; dieser Teil ist ausgeklammert. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ein Stopp der Verhandlungen, wie ihn die Linke fordert, ist der falsche Weg. Damit würden wir die Vorteile – Herr Kollege Lämmel hat bereits darauf hingewiesen –, (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Herr Lämmel hat doch gar nichts gesagt!) die ein Freihandelsabkommen bietet, frühzeitig verspielen. Die inhaltlichen Verhandlungen haben erst begonnen. Wir sollten daher abwarten, welche Ergebnisse in den nächsten Monaten während der Verhandlungen und in den öffentlichen Konsultationen gefunden werden, und zwar unter Beteiligung der nationalen Parlamente. Die EU-Kommission verhandelt; das stimmt. Aber wir sollten uns einbringen. Das tun wir auch. Die Bundesregierung vertritt gegenüber der Kommission, dass sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat, sofern die Länder betroffen sind, die Möglichkeit zur Mitwirkung in Form eines Ratifizierungsgesetzes erhalten. Zum Schluss. Das TTIP-Abkommen stellt für uns alle, vor allem für unseren Mittelstand, eine große Chance dar. Nur wenn wir gemeinsam daran arbeiten und offen über die Regeln diskutieren, können wir es zum Erfolg führen. Das ist aber nicht möglich, wenn man sich gegenseitig lächerlich macht und die Argumente der anderen Seite überhaupt nicht ernst nimmt. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Claudia Tausend von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Claudia Tausend (SPD): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, dass wir heute Gelegenheit haben, uns mit dem Freihandels- und Investitionsschutzabkommen auseinanderzusetzen; denn das Thema beherrscht die Öffentlichkeit und die Schlagzeilen. Nicht alles, was wir in der Presse lesen und was wir auf den Veranstaltungen in unseren Wahlkreisen erleben, trifft den Kern der Debatte richtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen, noch lieber wäre mir gewesen, diese Debatte in der nächsten Sitzungswoche in 14 Tagen zu führen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich!) Das hätte manches entspannt und mit Sicherheit auch den sachgerechten Umgang mit diesem Thema befördert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde die Debatte zwar sehr lebhaft, interessant und auch sehr zünftig, wie ich als Bayerin sagen darf. Aber ich glaube, dass unsere Aufgabe als Mitglieder des Bundestages in der Aufklärung sowie der sachgerechten Information und Beratung besteht. Ich glaube nicht, dass uns die Zeit davongelaufen wäre. Die Kollegin Lanzinger hat nicht als Einzige betont, dass wir am Anfang der Diskussionen stehen. Wir werden mehrere Verhandlungsrunden vor uns haben. Dass in der laufenden Verhandlungsrunde – genauso wie in den Verhandlungsrunden in den nächsten Monaten – nicht sehr viel passieren wird, dürfen wir vermuten. Schließlich findet in wenigen Tagen die Europawahl statt. Danach muss sich die Kommission neu bilden. Wir wissen noch nicht, wer neuer zuständiger Kommissar wird. Gleichzeitig finden in den USA Midterm Elections statt. Wir stehen also überhaupt nicht unter Zeitdruck, sondern können uns alle Zeit der Welt lassen, um die komplexe Materie gründlich zu beleuchten. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit CETA?) Kollegin Höhn, viele Menschen haben Angst vor TTIP. Wir nehmen das absolut ernst. Die 480 000 Unterschriften von Campact – das ist die Zahl, die mir bekannt ist – werden wir zu würdigen haben und in unseren Überlegungen berücksichtigen müssen. Wer in seinem Wahlkreis unterwegs ist, hört quasi live, wie groß die Angst ist, wie viele vermeintliche oder tatsächliche Gefahren von TTIP ausgehen. (Beifall bei der SPD) Das öffentliche Bewusstsein zeigt: Das Frühwarnsystem hat funktioniert. Es wurde reagiert, auch von der EU-Kommission durch das Konsultationsverfahren für das Investitionsschutzabkommen. Unabhängig davon, wie man zu diesem Thema steht – der Kollege Tiefensee hat sich dazu ausführlich geäußert –, begrüße ich, dass auch die Kommission lernfähig war und erkannt hat, dass mehr Transparenz zwingend erforderlich ist, um Klarheit in der Öffentlichkeit zu schaffen und so überhaupt erst Zustimmung zum weiteren Vorgehen und zum Ergebnis zu ermöglichen. (Beifall bei der SPD) Auch wenn sich schon die Kollegin Lanzinger in diesem Punkt verdient gemacht hat, möchte ich versuchen, zu erklären, worum es bei TTIP eigentlich geht. Es geht wirklich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, um die Einfuhr des Chlorhuhns oder des Chlorhähnchens, es geht auch nicht um den Marktzugang für das Genfood oder für das Hormonfleisch. Sie können es mir glauben oder nicht, aber in der offiziellen Information der EU-Kommission ist zu lesen – ich zitiere –: Fracking, Chlorhühnchen und Genfood sind in der EU verboten oder streng reguliert. Das wird auch ein Freihandelsabkommen nicht ändern. Nur Regierungen oder Parlamente können entscheiden, Gesetzgebung zu ändern. Die Europäische Union wird unsere hohen EU-Standards nicht zur Verhandlung stellen. … Alle EU-Staaten werden weiterhin selbst regulieren können. Beispiel Hormonfleisch, das in der EU streng verboten ist … Ich denke, man sollte weniger Misstrauen walten lassen, sondern diese Auskünfte der Europäischen Kommission ernst nehmen. Worum geht es dann? Es geht auch – das wurde schon ausführlich dargestellt – um den Abbau von Zollschranken und in zweiter Linie um den Abbau von technischen Handelshemmnissen, von nichttarifären Handelshemmnissen, von Doppeltests, von doppelten Zulassungs- und Prüfverfahren. Jetzt komme auch ich zum Thema Mittelstand. Was will der Mittelstand? Den Mittelstand, Herr Kollege Ernst, nehmen auch wir in Bayern sehr ernst. Der will nicht seine Bäckersemmel – das haben Sie mir vorhin zugeflüstert – exportieren. Es gibt auch Zulieferer zu exportorientierten Industrieunternehmen, Automobilkonzernen etc. Ich kenne Umfragen, nach denen etwa zwischen 60 und 80 Prozent der Mittelständler – ich hatte gestern ein Gespräch mit unserer IHK – TTIP begrüßen, weil sie sich erhoffen, ihre Exportchancen zu verbessern. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich muss zum Schluss kommen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Schade!) Ich begrüße ausdrücklich die Initiative des Bundeswirtschaftsministers, die Zivilgesellschaft einzubinden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gestern hat er einen Beirat gegründet. Dazu gehören der BDI, der Außenhandelsverband, der DGB, der Deutsche Städtetag, die Verbraucherzentrale, der Naturschutzring und der Bund Naturschutz. Das ist der richtige Weg, um mit den Bedenken der Zivilgesellschaft umzugehen. Die roten Linien sind ausführlich dargestellt worden. Aber lassen Sie mich bitte noch einen Punkt herausgreifen. Es ist mir als langjähriger Kommunalpolitikerin ein besonderes Anliegen, die öffentliche Daseinsvorsorge auf Dauer zu sichern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir hatten das Thema Wasser zweimal im Feuer vonseiten der Kommission, einmal mit der Konzessionsrichtlinie und zuvor mit der Dienstleistungsrichtlinie. Ich schließe mich auch hier komplett der Forderung des Deutschen Städtetags unter seinem Vorsitzenden Dr. Uli Maly an: Die öffentliche Daseinsvorsorge muss ohne Wenn und Aber erhalten bleiben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, die sozialen Dienstleistungen, der ÖPNV, Abfallwirtschaft, Kultur und Bildung gehören dazu. Deswegen bin ich ausdrücklich für eine Positivliste, was bedeutet, dass nur über die Dinge, die ausdrücklich im Verhandlungsmandat stehen, tatsächlich verhandelt wird. (Beifall bei der SPD) Ich komme zum Schluss. Es ist mehrfach dargestellt worden: Die SPD nimmt das Thema Risiken ernst, sieht aber durchaus auch Chancen. Wir begleiten die Verhandlungen kritisch, führen den Dialog mit der Zivilgesellschaft und sagen klipp und klar: Ein Freihandelsabkommen und Investitionsschutzabkommen um jeden Preis wird es mit uns nicht geben. Ich bedanke mich für das Zuhören. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede, Frau Tausend, in dieser lebhaften Debatte. (Beifall) Jetzt hat der Kollege Matthias Heider von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind bereits in der Schlussrunde unserer Debatte, in der stellenweise sehr emotional vorgetragen wurde. Aber das scheint mir doch an dem bevorstehenden Wochenende zu liegen. Ich freue mich, dass ich Gelegenheit habe, auf die wichtigsten Punkte unserer Debatte einzugehen. Mit der EU und den USA stehen sich heute die beiden wichtigsten und größten Binnenmärkte dieser Erde gegenüber. Die Geschichte, die einst im 16. Jahrhundert mit dem Import von Baumwolle, von Erdnüssen, von Kartoffelpflanzen aus Amerika und umgekehrt mit dem Export von Karotten, Rindern, Hühnern, aber auch von Werkzeugen und Schiffen nach Amerika begann, geht auch heute noch, viele Jahrhunderte danach, weiter. Heute stellen die Vereinigten Staaten und die EU fürei-nander die wichtigsten Handelspartner dar. In früheren Jahrhunderten waren es eher Portugal und Spanien, heute ist es Deutschland innerhalb der EU, das die meisten Exporte in die USA erreicht. Im Jahr 2012 wurden aus Deutschland Waren im Wert von 87 Milliarden Euro nach Amerika ausgeführt. Das entspricht fast 30 Prozent der EU-Exporte in die USA. Wichtigste Exportgüter waren Fahrzeuge und Fahrzeugteile mit 28 Prozent. Auf dem zweiten Platz lagen Maschinen mit 17 Prozent, und auf Platz drei pharmazeutische Erzeugnisse mit rund 10 Prozent. An diesen Zahlen kann man die Bedeutung eines Freihandelsabkommens für Deutschland und die Europäische Union erkennen. Das Ziel der Verhandlungen muss sein, ein innovations- und ein investitionsfreundliches Klima zu erzeugen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bei dem geplanten Freihandelsabkommen geht es zunächst um den Abbau von Zöllen und von nichttarifären Handelshemmnissen. Zwar sind die Zölle bereits relativ niedrig; jedoch kann jede noch so kleine Senkung des Zolltarifs Impulse geben. Wenn mehrere Millionen Euro an Einsparungen zusammenkommen, dann ist das ein Impuls für den gesamten Handelsraum. Besonders werden europäische und deutsche Unternehmen von dem Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse profitieren. Damit meine ich nicht die von den Linken immer wieder ins Feld geführten Großkonzerne; vielmehr werden es vor allem die kleinen und mittleren Unternehmens sein, die sich keine großen Exportabteilungen und keine teuren Apparate leisten können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese wagen derzeit den Schritt über den Atlantik deshalb nicht, weil die unterschiedlichen Standards, Regulierungen und Zulassungsverfahren hohe Hürden im Handel bedeuten. Der damit verbundene bürokratische Aufwand ist nicht so einfach zu erledigen. Doppelte Produktzulassungen, Testverfahren und Konformitätsprüfungen erhöhen bei der Einfuhr in die EU laut der Studie eines niederländischen Instituts die Zulassungskosten bereits um durchschnittlich 21 Prozent. Bei Nahrungsmitteln sind es sogar 57 Prozent, bei Kosmetika 35 Prozent und bei Fahrzeugen 26 Prozent Mehrkosten. Durch solch ein Freihandelsabkommen haben wir die Chance, Standards und Zertifizierungsverfahren auf ein gleich hohes Schutzniveau zu bringen. Beispiele für die unterschiedlichen Regelungen sind heute schon genannt worden. Selbst dem Kollegen Ernst ist aufgefallen, dass die Fahrzeuge in den USA mit roten Blinkergläsern fahren müssen, während die in der EU mit orangefarbenen unterwegs sind. Deutsche Autobauer müssen Sonderanstrengungen für den amerikanischen Markt erbringen, obwohl die orangefarbenen Blinkergläser genauso sicher sind wie diejenigen, die dort verwandt werden. – Es gibt weitere Beispiele: Nebelschlussleuchten sind in den USA nicht obligatorisch. Seitenspiegel müssen dort nicht einklappbar sein. Sondersignale von Einsatzfahrzeugen sind anders. Will man das ändern, muss man über das Schutzniveau sprechen und ein Angleichungsverfahren festlegen. Man darf das aber nicht in Bausch und Bogen verurteilen, wie Sie es heute in Ihren Reden und mit Ihren Anträgen tun. Die Beispiele lassen sich fortsetzen; es geht um Medikamente, Kosmetika und chemische Substanzen. Hier helfen nur der Abgleich in Verhandlungen und das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der gelisteten Stoffe. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD]) Mit der Diskussion um die Angleichung von Standards sind in der Bevölkerung Ängste entstanden, dass, wie Sie kundtun, Verbraucher- und Umweltstandards, also geltendes Recht in der Europäischen Union, abgesenkt würden. Ich kann deshalb die Sorgen der Bürger gut verstehen. Jedoch basieren diese Sorgen keineswegs auf guten Informationen; vielmehr haben Sie gezielte Fehlinformationen unter die Bevölkerung gebracht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine Senkung von Standards durch dieses Freihandelsabkommen wird es nicht geben; das hat EU-Handelskommissar De Gucht in Gesprächen mit diesem Parlament in der vorletzten Woche klipp und klar gesagt. Insofern bin ich dem Bundeswirtschaftsminister ausgesprochen dankbar, dass er in seinem Haus einen Beirat installiert hat, der die Kommunikation all dieser Informationen verbessern wird. Berechtigte Fragen zu dem Abkommen gibt es natürlich, zum Beispiel zum Investitionsschutz. Das Thema muss sehr sorgfältig behandelt werden; denn kein Investitionsabkommen ist wie das andere. Viele Abkommen, die abgeschlossen worden sind – es sind 120, 130 an der Zahl, die für Deutschland gelten –, haben eine völlig andere Geschäftsgrundlage. Da muss man etwas differenzieren. Es muss klar sein, dass ein Investitionsschutz nur für solche Sektoren gelten kann, wo ein besonderes Bedürfnis besteht und wo die Verhandlungspartner ein beidseitiges besonderes Interesse daran haben. Auch das brauchen wir bei dem Rechtsstandard, der in den USA und in Deutschland vorherrscht, sicherlich nicht in Zweifel zu ziehen. Leider wird in Deutschland über wirklich konstruktive Verbesserungsvorschläge wenig gesprochen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schon in den Einladungen für Veranstaltungen wird wahllos auf das Freihandelsabkommen eingedroschen. Schauen Sie sich diese Einladung hier einmal an: „TTIP: Angriff auf Demokratie, Löhne, Soziales und Umwelt“. Da steckt alles drin, was man braucht, um möglichst große Verunsicherung in der Bevölkerung zu verursachen. (Beifall bei der CDU/CSU) Es geht Ihnen gar nicht um Impulse für den Binnenmarkt. Es geht Ihnen mit Ihren Anträgen gar nicht um Beschäftigung. Es geht Ihnen auch gar nicht um Innovationen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: TTIP ist das Thema!) Sie suchen eine Trägerrakete für Ihre gesellschaftspolitischen Botschaften. Das ist Ihr Ziel, das Sie hier im Bundestag kurz vor einem Wahlwochenende verfolgen. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie rühren sich einen Cocktail aus Themen mit hohen Aufmerksamkeitswerten in der Bevölkerung zusammen und garnieren das auch noch mit dem Vorwurf der Geheimniskrämerei von Regierungsstellen. (Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/CSU]) Sie sind sich auch nicht zu schade, das in einem Atemzug mit dem NSA-Skandal, dem Abhören unserer Bundeskanzlerin und der Mordserie des NSU in Verbindung zu bringen. Glauben Sie nicht? Schauen Sie einmal auf die Website Ihres Kollegen Troost! Da werden Sie fündig werden. Aufmerksamkeit kriegen, Angst machen, Agitation betreiben – und das unter der Überschrift „TTIP“, das hat schon bei der Bundestagswahl nicht funktioniert. Ich hoffe im Interesse der Bürger dieses Landes, meine Damen und Herren, dass das auch bei der Europawahl am kommenden Wochenende nicht funktionieren wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das hat mit der Wahl nichts zu tun!) Man kann von Glück sagen, dass diese Botschaften nicht alle Bürger erreichen. Nach einer Meinungsumfrage eines Instituts zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das sind die Richtigen!) sind 53 Prozent der Amerikaner und der Deutschen der Auffassung, dass das Abkommen grundsätzlich eine gute Sache ist. Nur 25 Prozent der Bevölkerung sind skeptisch. Sie wollen uns heute hier genau das Gegenteil glauben machen. Das ist eine asymmetrische Mobilisierung. So nennt man das. (Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist ein asymmetrischer Unsinn!) Lassen Sie mich abschließend auf die positiven -Aspekte des Abkommens zurückkommen. Wir wollen einen Mehrwert für die Bürger und die Unternehmen generieren. Unabhängige Studien haben gezeigt, dass das Abkommen im europäischen Markt über die Jahre ein Wirtschaftswachstum im Wert von bis zu 120 Milliarden Euro erbringen kann. Das ist ein kostenloses Konjunkturpaket. Das müssten Sie doch eigentlich gut finden. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Hören Sie doch auf!) Ich glaube – jedenfalls bei uns ist das so –, unser Finanzminister wird das gut finden. Wir schaffen zahlreiche Arbeitsplätze. Wir erleichtern dem deutschen Mittelstand, vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, den Zugang zum amerikanischen Markt. Nicht jedes Unternehmen hatte bisher diese Chance. Wir setzen gemeinsame Standards als große Binnenmärkte in einer Handelswelt, die immer komplexer wird und deren Volumen mehr zu den Schwellenländern driftet. Ich glaube, Produkte mit der Bezeichnung „Gemeinsamer EU/US-Standard“ wären ein Vorbild für diese Länder, und das wäre auch ein Impuls für das globale Wachstum. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin davon überzeugt, dass wir am Ende der Verhandlungen über ein ausgewogenes Abkommen abstimmen können. Für den Abstimmungsprozess hat der Kollege Tiefensee gerade schon deutliche Hinweise gegeben. Ob es sich um ein gemischtes oder ein anderes Abkommen handelt, das kann man erst am Ende der Verhandlungen bei einem Vertragsdokument feststellen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ihr findet es doch jetzt schon gut!) Bei den meisten Abkommen – die meisten Abkommen waren auch gemischt – haben hinterher die Mitgliedstaaten in ihren parlamentarischen Verfahren zugestimmt. So gehört sich das, meine Damen und Herren. Ich glaube, wir haben keinen Grund, von diesem Verfahren abzuweichen. Die CDU/CSU befürwortet das. (Beifall der Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] und Wolfgang Tiefensee [SPD]) Wir als Parlament haben die Möglichkeit, selbst über das Abkommen zu entscheiden. Die Mehrheit dieses Hauses wird sich dabei von vernünftigen Argumenten leiten lassen. Das passt zu einem freiheitlichen Binnenmarkt, zu einem starken Rechtsraum, so wie er in den USA und in der EU vorliegt. Wenn das Verhandlungsergebnis vorliegt, dann werden wir es uns in aller Ruhe ansehen und uns unsere endgültige Meinung dazu bilden. Einige gute Gründe dafür habe ich Ihnen aus Sicht der CDU heute bereits genannt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Sascha Raabe von der SPD das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Warum verhandeln wir eigentlich ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, wenn wir uns im Rahmen der Welthandelsorganisation, der WTO, doch eigentlich vorgenommen hatten, einen multilateralen, weltweit gültigen Abschluss zu Fragen des gerechten und fairen Handels zu erarbeiten? Leider ist es so, dass die sogenannte Doha-Entwicklungsrunde, die sich insbesondere zum Ziel gesetzt hatte, die Marktzugänge für Entwicklungsländer zu verbessern, an die Wand gefahren wurde, vor allem von der -Europäischen Union und den USA, und gescheitert ist. Die Frage der Agrarsubventionen ist dort nie richtig angegangen worden. Man hat die Märkte in Afrika und in vielen Entwicklungsländern durch Dumping zerstört. Bis heute leisten die USA noch Baumwollsubventionen, was westafrikanische Bauern schädigt. Jetzt, nachdem man die WTO-Runde an die Wand gefahren hat, sagt man: Die WTO taugt nichts. Jetzt müssen wir ein bilaterales Abkommen schließen. – Das ist eigentlich sehr schade. Ich bin allerdings jemand, der sagt: Jetzt müssen wir schauen, welche Chancen die bilateralen Abkommen, die weltweit immer häufiger geschlossen werden, bieten. Das gilt übrigens sowohl für Entwicklungsländer als auch für Arbeiter in Deutschland und weltweit. Eine Chance, die ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und den USA bietet, ist, dass man sich nun mit der Frage der Sozialstandards und der Kernarbeitsnormen beschäftigt. Ich bin in diesem Bereich seit über elf Jahren tätig und weiß, dass eine Beschäftigung mit diesem Thema in der WTO sehr schwer durchsetzbar ist. Das liegt daran, dass die Regierungen der Entwicklungsländer Angst haben, dass es sich dabei um ein Mittel zu Protektionismus handelt. Ich sage dazu: Wir machen keine Handelsabkommen für Regierungen und Eliten, sondern für alle Menschen, die hart arbeiten. Es muss deshalb in Deutschland und weltweit so sein, dass jeder Arbeiter von seiner Hände Arbeit leben kann. Ich bitte Sie deshalb alle um Unterstützung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das Abkommen zwischen der EU und den USA ist deshalb so wichtig und auch weltweit bedeutsam, weil, wenn wir hier über die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und über ein Drittel des weltweiten Handelsvolumens verhandeln, das natürlich Standards setzt, die dann auch für andere Handelsabkommen, zum Beispiel solche, die die EU derzeit mit Indien und anderen Entwicklungs- und Schwellenländern verhandelt, von Bedeutung sind. Wir können den USA daher nicht durchgehen lassen, dass sie bisher nur zwei von acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert haben. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es!) Die Kernarbeitsnormen – das sollten diejenigen, die sich damit nicht im Detail auskennen, wissen – haben den Charakter von universellen Menschenrechten. Das sind nicht irgendwelche deutschen Arbeitsrechte, die wir dort eins zu eins umsetzen wollen. Das sind selbstverständliche Menschenrechte, zu deren Einhaltung sich fast alle auf der ganzen Welt verpflichtet haben. Als vor zwei Wochen der EU-Handelskommissar -Karel De Gucht und der US-Handelsbeauftragte Michael Froman in Berlin waren, habe ich Herrn De Gucht gefragt: Fordert denn die EU von den USA ganz konkret, dass diese acht ILO-Kernarbeitsnormen umgesetzt werden? Er hat mir geantwortet: Wissen Sie, Herr Raabe, wir dürfen da als EU gar nicht so mit dem erhobenen Zeigefinger agieren; denn selbst einige EU-Mitgliedstaaten hätten, so Herr De Gucht, die ILO-Kernarbeitsnormen noch nicht ratifiziert. – Das war eine klare Falschaussage vom EU-Handelskommissar. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sehr gut!) Denn alle 28 Mitgliedstaaten der EU haben alle acht ILO-Kernarbeitsnormen unterzeichnet. Es erschüttert mich schon, dass ein EU-Handelskommissar, der sich mit diesem Thema eigentlich auskennen und es leidenschaftlich verfolgen müsste, nicht weiß, wovon er redet. Das macht mir schon Angst, und insbesondere auch – Herr Heider, da muss ich Sie in der Tat korrigieren –, mit welcher Arroganz er mit den Sorgen und Ängsten der Bürger umgeht. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Auch wenn noch nicht komplett feststeht, wie das Abkommen aussehen wird, muss man es ernst nehmen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger in der Campact-Kampagne dagegen aussprechen. Es geht nicht an, zu sagen: Das sind die Interessen von 500 000 Menschen, ich vertrete 500 Millionen EU-Bürger. – Wer hat den De Gucht denn gewählt? Er vertritt gar niemanden; er ist überhaupt nicht gewählt worden. Deshalb hoffe ich – darüber würde ich mich freuen –, wenn Martin Schulz als Kommissionspräsident als Allererstes diesem arroganten EU-Handelskommissar den Stuhl vor die Tür setzt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das kann er gar nicht! Das muss man auch wissen, wenn man so daherredet!) Wir müssen wissen, dass selbst Somalia und Myanmar mit drei ratifizierten ILO-Kernarbeitsnormen noch besser dastehen als die USA. Wenn wir nicht darauf drängen, dass diese Kernarbeitsnormen umgesetzt werden – das haben auch der Kollege Klaus Barthel und andere gesagt –, führt das bei Wegfall der Zölle dazu, dass zum Beispiel Opel und andere Autohersteller eventuell dazu verleitet werden, Teile der Produktion von Rüsselsheim und anderen deutschen Produktionsstandorten in die USA zu verlegen. Die werden sich sagen: Wir müssen uns dann nicht mehr mit Gewerkschaften und Betriebsräten herumärgern. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es!) Das können wir im Interesse der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zulassen. Wir wollen nicht, dass Menschen, die in den Autofabriken hart arbeiten, unter Druck geraten. Wir wollen aber auch nicht, dass uns dann die Inder und andere sagen: Wieso fordert ihr immer nur von Entwicklungs- und Schwellenländern die Einhaltung der Kernarbeitsnormen ein, fordert das aber nicht einmal von den USA ein? (Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist es!) Deswegen sage ich: Menschenrechte sind überall gültig. Sie gelten auch für die USA. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sehr gut! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Auch für Russland gelten die!) Wir können nur dann einem Abkommen zustimmen, wenn diese Kernarbeitsnormen in ihm verbindlich verankert sind, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] und Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es reicht auch nicht, wenn es nur in einem Kapitel „Wolkenkuckucksheim“ bzw. in einer Absichtserklärung in dem Sinne: „Wir wünschen uns, dass alle Partner das umsetzen“, enthalten ist. Vielmehr muss das auch im Zuge eines allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus hinterlegt werden, damit Beschwerden überprüft werden können. Am Ende sollte auch die Sanktion drohen, solch ein Abkommen auszusetzen. Dann werden sich auch die US-Unternehmen genau überlegen, ob sie nicht lieber einen Betriebsrat zulassen, statt Milliardenverluste zu haben. Ich glaube, dass das auch fair ist. Die Wirtschaft wird von diesem Abkommen profitieren. Auch die Arbeitnehmer auf beiden Seiten des Atlantik können profitieren – aber eben nur dann, wenn es fair und gerecht ist. Die SPD wird nicht zur Verfügung stehen, wenn nicht auch die Arbeitnehmerrechte in den USA auf den entsprechenden internationalen Stand gebracht werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluss noch auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen, nämlich auf die Auswirkungen eines solchen Abkommens auf die Länder, die dort nicht begünstigt sind. Herr Heider hat hier die Bertelsmann-Studie zitiert. Darin heißt es leider auch: Die großen Verlierer einer Eliminierung der Zölle sind Entwicklungsländer. Diese verlieren … dramatisch an Marktanteilen durch das neue Abkommen. Es trifft besonders die armen Länder. In afrikanischen Ländern können teils Pro-Kopf-Einkommensverluste von bis zu 4 Prozent drohen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Entwicklungsländer in der Lage sind, auch ihre Produkte möglichst zoll- und barrierefrei in diesen neuen Markt zu liefern. Es ist ganz wichtig, dass sie keine Verluste erleiden. Neben dem Abbau der Zölle gehört natürlich dazu – dies ist für die Weiterentwicklung der Entwicklungsländer wichtig –, dass wir den Entwicklungsländern dabei helfen, diesen Handel auch betreiben zu können. Im Augenblick haben die LDCs – die ärmsten Entwicklungsländer – zwar zollfreien Zugang, nur können sie ihn kaum nutzen, weil sie weder Fabriken noch Häfen oder Straßen haben, um ihre Waren in die EU zu liefern. Deswegen – meine Kollegen aus der SPD haben das schon oft gehört – ist es wichtig, dass wir auch unsere internationalen Verpflichtungen erfüllen und für die Entwicklungshilfe endlich 0,7 Prozent unseres Bruttonationaleinkommens ausgeben, (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Tiefensee [SPD]: Ceterum censeo!) damit alle Entwicklungsländer die Chance haben, an einem fairen Handel teilzunehmen, und allen Menschen auf der Welt, in Deutschland wie auch in Afrika, gedient ist. In diesem Sinne sage ich im Hinblick auf die nächsten Haushaltsberatungen: Lassen Sie uns die Mittel dafür kräftig erhöhen, und lassen Sie uns ein faires Handelsabkommen zwischen der EU und den USA abschließen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU] und Klaus Ernst [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das war der letzte Redner in dieser Debatte. Wir kommen jetzt zu einer Reihe von Abstimmungen. Zunächst Tagesordnungspunkte 4 a und 4 c: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/1457 und 18/1093 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 4 b, zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1458. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmung über ihren Antrag in der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Überweisung, und zwar zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Wir stimmen nach ständiger Übung zunächst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist die Überweisung mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke so beschlossen. Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksache 18/1458 nicht in der Sache ab. Tagesordnungspunkt 4 d: Wir kommen zum Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1455. Die Fraktion Die Linke wünscht Abstimmung in der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Überweisung an dieselben Ausschüsse wie bei der Vorlage auf Drucksache 18/1457. Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung mit den Stimmen der CDU/CSU und den Stimmen der SPD so beschlossen. Deshalb stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksache 18/1455 nicht in der Sache ab. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Beratung des Berichts des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag – Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2013 Drucksache 18/1300 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Vorsitzende des Petitionsausschusses, die Kollegin Kersten Steinke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Kersten Steinke (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute fast in der Kernzeit unseren Jahresbericht vorstellen können – ich hoffe, das nächste Mal wird die Debatte in der Kernzeit stattfinden –; deshalb mein herzliches Dankeschön an die parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen! Das Berichtsjahr 2013 war in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Zum Ersten ist unser Bericht – bezogen auf die Tätigkeit der Abgeordneten – eigentlich ein Halbjahresbericht; denn die Sommerpause und die Bundestagswahl sowie die darauffolgenden Sondierungs- und Koalitionsgespräche bescherten uns eine unfreiwillige und ungewohnt lange Auszeit. Ein knappes halbes Jahr gab es keine parlamentarische Beratung von Petitionen. Dies hat sich in einigen Fällen auch auf die Bearbeitungszeit von Petitionen ausgewirkt. Ich bitte deshalb die vielen Bürgerinnen und Bürger, die die Weiterführung bzw. den Abschluss ihres jeweiligen Petitionsverfahren in dieser Zeit anfragten, um Verständnis. Zum Zweiten wird die jetzige Debatte weitgehend von Ausschussmitgliedern bestritten, die im Berichtsjahr noch gar nicht Mitglied des Bundestages, geschweige denn Mitglied des Petitionsausschusses waren. Zum Dritten wurde mit einem Anteil von 45 Prozent an den Gesamteingaben ein neuer Spitzenwert seit 2005 bei der Eingabe von Petitionen auf elektronischem Weg erreicht. Zwei Zahlen prägten die Arbeit des Petitionsschusses im Jahre 2013 in besonderer Weise. Die erste Zahl ist die der Gesamteingaben. 14 800 Petitionen wurden im Berichtsjahr eingereicht. Die Zahl der Eingaben ist zwar im Vergleich zu den Vorjahren leicht rückläufig, aber dafür stieg die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger über Unterschriften und Mitzeichnungen im Internet, wie man an der zweiten wichtigen und beeindruckenden Zahl erkennen kann: Über 1,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich bis Ende 2013 auf der Internetseite des Petitionsausschusses angemeldet, um Petitionen auf elektronischem Weg einzureichen, um öffentliche Petitionen mitzudiskutieren oder mitzuzeichnen. 426 veröffentlichte Petitionen im Jahr 2013 wurden von über 500 000 Bürgerinnen und Bürgern durch ihre Mitzeichnung unterstützt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2 bis 3 Millionen Seitenaufrufe pro Monat zeigen das rege Interesse der Bevölkerung an diesem Angebot des Petitionsausschusses. Unser Internetportal ist damit klarer Spitzenreiter unter den Internetangeboten des Deutschen Bundes-tages; und darauf sind wir auch ein bisschen stolz. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) All die genannten Zahlen zeigen: Der Petitionsausschuss hat in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert, und die Bürgerinnen und Bürger haben Vertrauen in unsere Arbeit. Genau dieses Vertrauen gilt es jährlich und täglich aufs Neue zu rechtfertigen. Wie in den Jahren zuvor, entfiel der größte Teil der Eingaben, etwa 20 Prozent, also 3 076 Vorgänge, auf das Ressort Arbeit und Soziales. Hier ging es vorrangig um Beruf und Einkommen und um gerechte Renten. Der Themenblock „Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II“ war 2013 mit 1 464 Eingaben das Schwergewicht in diesem Bereich. Immer wieder stellt die Rentenanpassung ein großes Thema bei den Petitionen dar, so auch 2013. Die Bürgerinnen und Bürger kritisieren dabei die geringe und vor allem die unterschiedliche Rentenanpassung in den östlichen und westlichen Bundesländern. Auf dem zweiten Platz der Bundesressorts folgt das Bundesministerium der Justiz mit 1 879 Eingaben bzw. circa 13 Prozent der Gesamteingaben. Hier ging es unter anderem um das Sorgerecht für nichteheliche Kinder oder um Probleme beim Abschluss von Verträgen im Internet und deren Folgen wie missbräuchliche Abmahnungen sowie illegale Downloads. Trotz der kurzen Parlamentszeit hat der Petitionsausschuss im Jahr 2013 16-mal getagt und 18 Berichterstattergespräche mit einzelnen Ministerien geführt, um -Lösungen für schwierige Fälle zu finden. Hier wurden beispielsweise Visaangelegenheiten, die Sicherheit im Straßenverkehr und die Auslagerung von Dienstleistungen durch Behörden thematisiert. Hervorzuheben sind weiterhin die drei öffentlichen Sitzungen, in denen zehn Petitionen zur Einzelberatung aufgerufen wurden. Themen waren unter anderem die Petition zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Altenpflege mit 108 146 Unterstützerinnen und Unterstützern, die Petition zu bezahlbarem Strom für alle Verbraucher mit fast 48 000 Unterschriften, die Petition zur Verpflichtung der Internetanbieter zur Netzneutralität mit fast 77 000 Unterschriften und die Petition zur Abschaffung der Luftverkehrsteuer mit fast 150 000 Unterstützerinnen und Unterstützern. Die zuletzt genannte Petition ist übrigens die am häufigsten mitgezeichnete öffentliche Petition im vergangenen Jahr. Dieser folgt an zweiter Stelle die Petition zur Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen mit über 91 000 Mitzeichnungen. (Beifall der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE]) Zu folgenden Petitionen führte der Ausschuss drei Ortstermine durch: Besprochen wurden gemeinsam mit den Petenten und den Vertretern der zuständigen Verwaltungen vor Ort der Schienenlärm und die Strecken-führung der Bahn in Coswig, Bad Oeynhausen und -Hameln sowie die Koordinierung mehrerer Großprojekte der -Infrastruktur und Energieversorgung in der Region der Gemeinde Birkenwerder und der Stadt Hohen -Neuendorf. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen und Fakten sieht sich der Ausschuss seit einiger Zeit in einer Konkurrenzsituation: Sogenannte Petitionsplattformen schießen wie Pilze aus dem Boden. Ich sage hier aber ganz deutlich: Nicht überall, wo Petition draufsteht, ist Arti-kel 17 des Grundgesetzes drin. Nur bei uns können sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen, dass ihr Anliegen gemäß Artikel 17 Grundgesetz behandelt wird, es also eine Dreifachgarantie gibt: Die Petition wird entgegengenommen, geprüft und beschieden. Ich bin der -festen Überzeugung: Besonders das Instrument der -öffentlichen Petitionen kann helfen, dem scheinbar steigenden Desinteresse an Politik entgegenzuwirken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei all den Möglichkeiten, die das Petitionsrecht in Verbindung mit dem Internet bringt, dürfen wir eines nicht vergessen: die privaten Sorgen und Nöte des einzelnen Bürgers, quasi das Kerngeschäft des Petitionsausschusses und damit auch der Hauptanteil unserer Arbeit. All die persönlichen -Bitten und Beschwerden, etwa wegen einer falsch berechneten Rente, eines nicht finanzierten Rollstuhls oder eines abgelehnten Besuchervisums, beziehen sich auf Probleme, die für den Einzelnen, der sich an uns wendet, existenziell sein können. Die Bearbeitung dieser Eingaben eignet sich nicht für Diskussionsforen und öffentliche Beratungen. Doch auch diese Beschwerden zeigen, wo Politik nicht funktioniert, und werden von uns sehr ernst genommen und gründlich bearbeitet. Der Petitionsausschuss wird täglich mit vielen Einzelschicksalen konfrontiert, bei denen Bürgerinnen und Bürger zwischen die Mühlsteine der Bürokratie geraten sind und nicht mehr ohne fremde Hilfe herauskommen. Hier ein Beispiel: Kürzlich erst hat sich ein ehemaliger Petent gemeldet und dem Ausschuss nach der positiven Erledigung seiner Eingabe gedankt. Er hatte sich im -Namen seiner 92-jährigen erblindeten Mutter an uns gewandt, deren Ehemann bei einem Arbeitsunfall bei der Deutschen Reichsbahn verstarb. In der DDR erhielt sie eine Hinterbliebenenrente, doch der Bezug endete, da sie bereits 1988 nach West-Berlin übersiedelte und ihr die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt wurde. Anträge auf eine Unfall-Hinterbliebenenrente wurden daraufhin trotz eines sehr geringen Einkommens wiederholt abgelehnt. Durch die Petition ihres Sohnes stellte die Unfallkasse des Bundes ihren Witwenrentenanspruch jedoch rückwirkend für die letzten vier Jahre fest. Solche Fälle sind eine große Motivation für uns Abgeordnete im -Petitionsausschuss, zeigen sie doch, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern helfen können, zu ihrem Recht zu kommen. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sehr geehrte Damen und Herren, unser Petitionsausschuss wird in diesem Jahr 65. Ich weiß, man sieht es uns nicht an, aber es ist so. (Heiterkeit bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Am 14. Oktober 1949 kam er das erste Mal zu seiner Konstituierung zusammen, um sich, fußend auf Artikel 17 Grundgesetz, künftig der Bitten und Beschwerden der Bevölkerung anzunehmen. Seitdem gibt es ein demokratisches Petitionsrecht, das im Laufe der Jahre immer wieder Verbesserungen erfuhr. Doch das war nicht immer so. Es gab auch die Vorgängerin der Petition. Bittschriften oder Bittbriefe gab es schon in der frühen Neuzeit seit dem 13. Jahrhundert, man nannte sie Supplik. Diese konnte man bis ins 19. Jahrhundert an eine höher gestellte Institution oder einen Landesherren stellen. Damals mussten die Suppliken mit großem Respekt und vielen Unterwürfigkeitsformeln als alleruntertänigste Bitte aufgesetzt werden. Es ist gut, dass das heute nicht mehr so ist. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bürgerinnen und Bürger können sich heute demokratisch und ganz bequem von zu Hause aus politisch einmischen. Ich bin davon überzeugt: Die Mitglieder des Petitionsausschusses und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes werden auch weiterhin alles dafür tun, dass dies so bleibt bzw. immer weiter verbessert wird. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in diesem Jahr möchte ich mich besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsausschussdienstes unter Leitung von Herrn Dr. Schotten recht herzlich bedanken und den Wunsch und die Hoffnung äußern, dass die Zusammenarbeit weiterhin so gut bleibt. Herzlichen Dank! (Beifall im ganzen Hause) Ein spezieller Dank geht an unseren Ausschusssekretär, Herrn Finger, der mich seit 2005 bei meiner Arbeit begleitet und unterstützt. Herzlichen Dank, Herr Finger! (Beifall im ganzen Hause) Mein Dank geht auch – das ist nicht ungewöhnlich – an meinen Stellvertreter, Herrn Storjohann, mit dem ich seit 2005 sehr gut zusammenarbeite. Herzlichen Dank, Herr Storjohann. Ich glaube, wir sind ein gutes Team. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, für das kommende Jahr erhoffe ich mir von den Mitgliedern unseres Parlaments, des Petitionsausschusses und des Petitionsausschussdienstes weiterhin eine konstruktive Zusammenarbeit, um unsere Bemühungen für die Bürgerinnen und Bürger noch effektiver gestalten zu können. Unseren neuen Ausschusskolleginnen und -kollegen möchte ich sagen: Schön, dass Sie sich für den Petitionsausschuss entschieden haben! Sie werden es nicht bereuen. Denn eine Lebensweisheit besagt: Der Pessimist sieht in jeder Aufgabe ein Problem. Der Optimist sieht in jedem Problem eine Aufgabe. – Wir vom Petitionsausschuss sind Optimisten und sehen in der Lösung der vielen Probleme unserer Petentinnen und Petenten unsere Aufgabe. Ich freue mich, diese gemeinsam mit Ihnen lösen zu können. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Günter Baumann, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Günter Baumann (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Petentin aus Thüringen schreibt dem -Petitionsausschuss des Bundestages einen Brief – ich -zitiere –: … ich bedanke mich für die umfangreiche Antwort bezüglich meiner Anfrage. Ich möchte Ihnen auch mitteilen, dass die Berufsgenossenschaft meine Witwenrente bereits korrigiert und neu berechnet hat. Die Petentin hatte sich an unseren Ausschuss gewandt und hat geklagt, dass bei der Berechnung ihrer Rente, die sich aus verschiedenen Renten zusammensetzt, eine Fehlberechnung vorgenommen worden ist. Wir haben eine aufsichtsrechtliche Prüfung vorgenommen und feststellen müssen: Da ist ein Fehler unterlaufen. Daraufhin wurde ihre Rente korrigiert. Das Positive ist: Gleich-zeitig wurden die Berufsgenossenschaften vom Bundesversicherungsamt angewiesen, vergleichbare Fälle ebenfalls zu prüfen. Der Nebeneffekt war also, dass eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern ebenfalls einen Bescheid über eine höhere Rente bekommen haben. Es wurde also von Amts wegen korrigiert. Meine Damen und Herren, auch solche Dankschreiben wie das gerade genannte tun den Abgeordneten, die jeden Tag einen Stoß Ordner auf dem Tisch haben, gut. Wir haben das freudig zur Kenntnis genommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können in Deutschland auf unser Petitionswesen, das im Grund-gesetz verankert ist, stolz sein. Das System funktioniert, und es wird von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen. Die relativ konstante Zahl an Petitionen – in den letzten sechs, sieben Jahren waren es zwischen 15 000 und 18 000 Petitionen – zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Bitten und Beschwerden zu uns kommen, und das, obwohl es in unserem Land sowohl bei den Behörden wie auch in der privaten Wirtschaft ständig mehr Beauftragte und Ombudsmänner gibt. Allein im Bund haben wir noch 18 Beauftragte – sie haben alle ihre Aufgaben; wir stehen also nicht in Konkurrenz zueinander –, aber viele Bürgerinnen und Bürger kommen mit ihren Problemen zu uns, weil sie wissen, dass wir eine direkte Verbindung zur Gesetzgebung haben. Wir alle, die wir im Petitionsausschuss arbeiten, sind in mindestens einem Fachausschuss. Wir können daher viele Probleme in die Fachausschüsse mitnehmen, was ein absoluter Vorteil ist. Wir haben seit Jahren – das ist eine wichtige Zahl; viele Zahlen hat die Vorsitzende bereits genannt, diese möchte ich aber noch nennen – eine Erfolgsquote von etwa 40 Prozent. Das heißt, in 40 Prozent der Fälle können wir den Bürgern, die eine Petition eingereicht haben, helfen, egal in welcher Form. Das ist sehr positiv. An dieser Stelle möchte auch ich mich ganz herzlich bedanken, zunächst bei den Abgeordneten im Ausschuss. Ich denke, wir haben eine sehr kollegiale Zusammenarbeit. Das funktioniert ziemlich gut. Im Mittelpunkt unserer Arbeit sollte das Problem des jeweiligen Bürgers bzw. der jeweiligen Bürgerin stehen. Wir sollten noch mehr darauf achten, parteipolitische Zusammenhänge in die zweite Reihe zu schieben. Es geht hier um die -Probleme. Ich denke, wir sind diesbezüglich auf einem guten Weg; aber vielleicht können wir manches noch verbessern. Ein besonderer Dank geht an den Ausschussdienst; die Vorsitzende hat diesen Dank schon formuliert. Ohne die Fachkompetenz der im Ausschussdienst Tätigen wären wir nicht handlungsfähig. Diese Zuarbeit brauchen wir einfach. Sie ist ganz wichtig. (Beifall im ganzen Hause) Mein Dank gilt auch all denen, die mitgeholfen haben, dass wir am heutigen Tage relativ zeitig diskutieren dürfen. Leider kann ich die Personen nicht genau benennen. In den letzten Jahren fand diese Debatte in der Regel ziemlich spät am Abend statt. Deswegen danke ich all denen, die dabei mitgeholfen haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 45 Prozent der Petitionen werden inzwischen per E-Mail eingereicht. Wir haben das System der öffentlichen Petitionen. Wenn in vier Wochen 50 000 Unterschriften eingehen – sie kennen das –, beraten wir eine Petition öffentlich. Im letzten Jahr haben wir – die Vorsitzende hat es schon gesagt – in drei Sitzungen zehn Petitionen öffentlich behandelt. Das Entscheidende ist, dass wir alle Petitionen gleich behandeln, dass wir keinen Unterschied machen. Die Petitionen von gut vernetzten Gruppen in unserem Land, die es schaffen, uns in wenigen Tagen Zehntausende -Unterschriften zu präsentieren, dürfen wir nicht anders behandeln als die Petition der Bürgerin, die mit einem Anliegen bezüglich ihrer Rente, ihrem Rollstuhl oder einem anderen Anliegen kommt. Jede Petition muss für uns eindeutig gleich sein. Ich bitte, dass wir im Ausschuss gemeinsam darauf hinwirken. Wir wollen der Ausschuss für die Bitten und Beschwerden des Bürgers bzw. der Bürgerin sein, also des kleinen Mannes bzw. der kleinen Frau. Für die Menschen, die mit ihren -Problemen an verschiedenen anderen Stellen im Land vielleicht schon gescheitert sind und dann zu uns kommen, sind wir eigentlich da. Wir sind stolz darauf, dass unser Ausschuss bestimmte Rechte hat, die andere Ausschüsse in dieser Form nicht haben. Ein Recht sind die Berichterstattergespräche. Es ist ganz wichtig, dass wir mit der Arbeitsebene eines Ministeriums in Kontakt kommen, dass wir in Gesprächen über die Petitionen diskutieren und die Sachlage konkret hinterfragen können. Es ist wichtig, dass wir Informationen bekommen, die für uns wichtig sind. So können wir Petitionen oft schneller bearbeiten und dem Petenten helfen. Ein Beispiel: In einer Petition hat sich eine Bundespolizistin darüber beschwert, dass die Kinderbetreuungskosten während eines Lehrgangs, den sie machen musste, der für einen Laufbahnwechsel notwendig war, nicht erstattet wurden. Wir haben im Gespräch relativ schnell klären können, dass das ein Fehler war. Das musste korrigiert werden. So konnten wir der Frau helfen. Das ist ein positives Beispiel. Ein zweites Sonderrecht, von dem wir sehr gerne Gebrauch machen, sind die Ortstermine. Diese Ortstermine haben zwei gute Aspekte: Der eine Aspekt ist, dass wir Werbung für uns machen. Wenn wir in eine Region kommen, ist die Presse immer stark vertreten. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen uns zur Kenntnis. Sie sehen, dass es uns gibt. Die Werbung ist ganz, ganz wichtig. Der zweite Aspekt ist: Wir können vor Ort direkt mit den Petenten und allen Beteiligten, die etwas mit dem Thema zu tun haben, diskutieren und uns das Problem vor Ort anschauen. Im letzten Jahr hatten wir einen Termin an der Eisenbahnstrecke Dresden–Berlin; es ging – das ist schon erwähnt worden – um Lärmschutz. Das war ein sehr guter Termin, weil alle an einem Tisch saßen: die Bürgerinitiative, Politiker der kommunalen Ebene, Politiker des Landes und Vertreter der Bahn. Wir haben uns die Strecke angeschaut und gesagt, dass dort wirklich etwas getan werden muss. Nach längerer Beratung haben wir auch einen Beschluss gefasst, in dem wir ganz konkret festgelegt haben, dass die Bundesregierung dort etwas tun muss, und zwar bei der Priorisierung der Strecke im Lärmsanierungsprogramm und bei der Beschleunigung der Umrüstung der Güterwagen. Außerdem soll an einer ganz bestimmten Stelle – dort steht ein Krankenhaus – eine Lärmschutzwand errichtet werden. Das Spannende ist, dass die Bundesregierung uns ein Jahr nach unserem Beschluss antworten muss. Im Juli erwarten wir eine Antwort, wie weit man mit der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen vorangekommen ist. Das ist also ein gutes Beispiel. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ganz kurz zum Schluss noch. Es gibt manchmal sehr schwierige Fälle, bei denen wir nicht so richtig vorankommen. Bei diesen Fällen sind wir im Ausschuss einer Meinung: Wir wollen etwas tun. Oft wissen wir aber nicht, wie. In manchen Fällen vertreten auch die Ministerien die Auffassung, dass sie da gar nichts tun wollen. Wir bleiben dann einfach hartnäckig. Ich möchte zwei Themen nennen, ohne im Detail darauf einzugehen: Das Thema Fremdrentner ist noch offen, genauso das Thema DDR-Antennengemeinschaften. Diese Probleme wollen wir gerne lösen. Wir können manchmal ganz schön hartnäckig sein und lange an einem Thema dranbleiben, um im Interesse der Bürgerinnen und Bürger etwas zu erreichen. Wir wollen in diesem Sinne weiterhin für unsere Menschen arbeiten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Kassner, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Kerstin Kassner (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte an dieser Stelle ist wichtig. Im Petitionsausschuss arbeiten wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zusammen. Das wird von jedem von uns im Petitionsausschuss verlangt. Diesem Anspruch wollen wir auch gerecht werden. Ich habe am Zustandekommen dieses Berichtes, wie unsere Vorsitzende sagte, keinen Anteil. Ich bin eine von den Neuen. Ich bin mit Optimismus und Elan in diese Aufgabe gestartet. Denn meine Erfahrungen, die ich in meiner früheren Tätigkeit als Landrätin gesammelt habe, haben mir gezeigt, dass es immer gut ist, wenn man sich um die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger kümmert, schnell die Ursache des Unbehagens angeht und versucht, möglichst unbürokratisch und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu helfen. Die Arbeit im Petitionsausschuss habe ich als Möglichkeit gesehen, weiterhin auf diese Art und Weise tätig zu sein. Nach etwa fünf Monaten dort habe ich festgestellt: Oh, es ist wirklich viel Arbeit. Im Überschwang meiner Gefühle habe ich einmal meinen Mitarbeiterinnen gesagt, ich würde so lange da bleiben, bis die letzte Petition abgearbeitet ist, und erst dann wieder nach Rügen fahren. Da haben sie mich gefragt, ob ich die nächsten vier Jahre hierbleiben will. Ich habe mir das also dann noch einmal überlegt. Wir arbeiten so gut, so schnell, aber auch so beharrlich, wie wir können, an den Petitionen. Sie sind sehr umfangreich und bilden das gesamte Spektrum der Arbeit in Behörden, aber auch im ganz normalen Leben ab. Man bräuchte eigentlich viel öfter die Unterstützung der Fachpolitiker, die uns helfen, die Beschwerden inhaltlich richtig zu bearbeiten. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, die Fachpolitiker noch mehr einzubeziehen. Denn mittlerweile stellen wir 26 Mitglieder des Petitionsausschusses, davon sechs von der Opposition, die wir ja alle Petitionen bearbeiten müssen, fest: Das ist schon ein hartes Brot. Da haben wir ganz schön zu tun. Man muss sich wirklich ins Zeug legen, um das zu schaffen. Wichtig ist auch, dass man die Bürger mit einbeziehen kann. Deshalb möchte ich dem Ältestenrat ganz herzlich danken, dass wir hier und heute über dieses Thema sprechen können. Nutzen Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, diese Möglichkeit, wenn Sie Sorgen und Probleme haben. Wir sind gern für Sie da. Wir werden versuchen, in Ihrem Interesse zu handeln, auch wenn manches nicht gleich erledigt werden kann. Viele Dinge, die auf unseren Tisch kommen, sind eine Art Seismograf der Politik. Man erkennt, wo die Sorgen und Nöte der Menschen in unserem Land sind. Etwa 25 Prozent der Petitionen, die auf unseren Tisch kommen, betreffen soziale Probleme. Dadurch merkt man, dass in unserer Republik noch so manches zu verändern ist. (Beifall bei der LINKEN) Die Petitionen betreffen immer wieder die Probleme, mit denen wir uns schon beschäftigt haben: Hartz IV, die Arbeitsverwaltung und die Rentenproblematik. Kollege Baumann hat einen ganz speziellen Fall erwähnt, aber es gibt viele Fälle von Ungerechtigkeit bei der Rentenüberleitung im Zuge der deutschen Einheit. Hier haben wir noch sehr viel zu tun, um zu erreichen, dass es wirklich gerecht zugeht. (Beifall bei der LINKEN) Dem wollen wir uns natürlich mit ganzer Kraft widmen. Ich möchte an dieser Stelle den Dank an unsere Mitarbeiter und natürlich vor allem an die Mitarbeiter des Ausschussdienstes erneuern. Es ist wirklich grandios, was die Kollegen da leisten. Vielen Dank! (Beifall im ganzen Hause) Mir haben auch öffentliche Diskussionen sehr gut gefallen; das sollten wir öfter machen. Deshalb rege ich an, über das Quorum von 50 000 Petenten nachzudenken. Vielleicht sollte man es doch etwas herabsetzen, weil die Befassung mit diesen Anliegen uns allen einen Erkenntnisgewinn verschafft. Ich würde mir auch wünschen, dass über Massenpetitionen tatsächlich hier im Parlament diskutiert wird. Sie sind es einfach wert, auf den Tisch des Hohen Hauses zu kommen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Bürgerinnen und Bürger, Sie sollten diese Möglichkeit nutzen, wenn Sie denken, dass Ihnen auf diese Art und Weise Gerechtigkeit und Hilfe zuteilwerden. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Udo Schiefner, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Udo Schiefner (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich vor der Bundestagswahl abzeichnete, dass ich erstmals diesem Parlament angehören könnte, haben mich erfahrene Kolleginnen und Kollegen – ich verrate allerdings nicht, wer – vor dem Petitionsausschuss gewarnt. (Vereinzelt Heiterkeit – Günter Baumann [CDU/CSU]: Das ist klar! Namen!) Eine außergewöhnlich große Arbeitsbelastung und verwirrend viele Themen kämen auf mich zu. Mir wurde geraten, mich als Parlamentsneuling zunächst einmal auf einen Fachausschuss zu konzentrieren. Darauf konzentriere ich mich – keine Sorge –; aber ich bin richtig froh, meinem Wunsch entsprechend auch im Petitionsausschuss mitarbeiten zu können. Die ersten Monate in diesem Ausschuss belegen, dass dies eine ganz wichtige Arbeit im Parlament ist. Ich bereue meine Entscheidung keine Minute. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jede Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht, sich mit seiner Sorge an den Bundestag zu wenden. Häufig sind ganz konkrete individuelle Probleme zu lösen. Oft führen Petitionen aber auch dazu, dass ein Gesetz auf den Prüfstand gestellt werden muss; das gilt auch für Durchführungsbestimmungen und Verordnungen. In den Petitionen geht es immer wieder auch um die Nebenwirkungen der Gesetze, die wir hier beschließen, die aber womöglich erst in der Praxis deutlich werden. Durch die Petitionen erfahren wir, wo politische Entscheidungen oder ihre Umsetzung nicht immer rundlaufen und wo es ganz klar Nachbesserungsbedarf gibt. Dabei ist es kein Zufall, dass sich ein Fünftel aller Petitionen um den Bereich Arbeit und Soziales dreht. Dort sind die Menschen hautnah betroffen, und dort ist die Gesetzeslage am komplexesten. Oft geht es um persönliche Belange. Es geht um die falsch berechnete Rente oder den nicht finanzierten Rollstuhl. Aber ebenso treibt die Menschen Grundsätzliches um wie Rentenregelungen, Verbraucherschutz oder auch Verkehrsthemen. Mit eindrucksvollen Zahlen – unsere Ausschussvorsitzende, Kollegin Steinke, hat sie gerade genannt – belegt der Jahresbericht, wie engagiert die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sind. Das wird deutlich, wenn wir auf die Zahl der in 2013 eingereichten Petitionen blicken. Der Petitionsausschuss ist damit für mich einer der wichtigsten Ausschüsse dieses Hauses. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte unterstreichen: Die Petition ist zentrales Instrument unserer lebendigen Demokratie. Darauf können wir stolz sein. Ich bin dankbar, dass unsere Verfassungsmütter und -väter Artikel 17 ins Gesundgesetz geschrieben haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Neben den Petitionen Einzelner gewinnen öffentliche Sammelpetitionen eine immer größere Bedeutung; auch dies wurde schon erwähnt. Ich finde, sie beflügeln die öffentliche Debatte. Oft – meines Erachtens aber noch nicht oft genug – werden diese Petitionen in öffentlichen Anhörungen verhandelt. Im vergangenen Jahr fanden zehn öffentliche Anhörungen statt. In diesem Jahr konnten wir bereits zwei öffentliche Anhörungen erleben. Bürgerinnen und Bürger konnten ihre Anliegen persönlich vorbringen, auf Nachfragen antworten und wurden von Regierungsvertretern angehört. Näher dran sein, finde ich, kann man nicht. Wir brauchen diese Nähe für unsere Arbeit im Ausschuss, aber auch im Plenum, gerne auch häufiger als zehnmal im Jahr. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Darum sollten wir die Verfahrensgrundsätze des Peti-tionsausschusses offen diskutieren, beispielsweise mit Blick auf die Mitzeichnungsfristen oder das erforderliche Quorum für öffentliche Anhörungen. So könnten wir mehr Petitionen, die auch für die Öffentlichkeit wichtig sind, Raum bieten und auch ihre Wahrnehmung im parlamentarischen Alltag erhöhen. Ich wiederhole es gerne noch einmal: Petitionen zeigen uns auf, wenn Gesetze in der Lebensrealität der Menschen nicht so funktionieren, wie wir uns das vorgestellt haben. Das liegt nicht daran, dass wir im Bundestag uns nicht alle Mühe gäben, das Richtige zu tun. Ob das richtig Gedachte auch in der Praxis funktioniert, dies wird erst deutlich durch die vielen Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Steinke, liebe Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses, zu den erfreulichsten Erfahrungen meiner bisherigen Arbeit hier im Bundestag gehört – dies kann ich abschließend sagen – die gute und engagierte Atmosphäre im Petitionsausschuss. Quer durch die Fraktionen beraten wir sachlich und kollegial die Anliegen der Petentinnen und Petenten. Doch ohne die umfangreiche Zuarbeit des Ausschussdienstes – dies wurde schon mehrmals erwähnt – hätten wir tatsächlich keine Chance, die Flut von Petitionen zu bewältigen. Auch darum herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Herr Kollege Schiefner, Sie sind nicht nur das erste Mal in dieses Parlament gewählt worden, sondern das war auch Ihre erste Rede. Herzlichen Glückwunsch dazu! (Beifall) Nächste Rednerin ist die Kollegin Corinna Rüffer, Bündnis 90/Die Grünen. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Neuabgeordnete bin auch ich beeindruckt von der Arbeitsleistung und den Erfolgen des Petitionsausschusses. Dafür meinen Respekt und meinen Glückwunsch an die Mitglieder der letzten Wahlperiode! Mehr noch bin ich beeindruckt vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Sie haben dafür gesorgt, dass das Portal des Petitionsausschusses mit mehr als 33 000 Klicks pro Tag und 1,6 Millionen Nutzerinnen und Nutzern Spitzenreiter unter den Internetangeboten des Bundestages ist und zu den wichtigsten Formen der politischen Aktivität in den neuen Medien zählt. Meine Vorgänger haben mir die Mitgliedschaft im Petitionsausschuss damit interessant gemacht, dass man immer mitten im Leben und sehr nah bei den Bürgern sei. Außerdem sei die Atmosphäre eine ganz besonders gute, da man – anders als in anderen Ausschüssen – weniger an der parteipolitischen Auseinandersetzung als an der gemeinsamen Lösung von Problemen orientiert sei. Das stimmt. Nur zu viel Arbeit dürfe man nicht fürchten; denn der Petitionsausschuss sei traditionell der fleißigste Ausschuss. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Das haben auch andere Redner gesagt. Nach zehn Ausschusssitzungen kann ich Ihnen sagen: Ich glaube, das stimmt, und da stimmen alle Ausschussmitglieder zu. Der Petitionsausschuss ist ein ganz hervorragender Ausschuss. Es macht mir ebenso wie den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, aber offensichtlich auch den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen riesigen Spaß, hier für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einzutreten. Zunächst aber gilt mein ausdrücklicher Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes. Sie hatten im Berichtszeitraum eine wahre Herkulesaufgabe zu bewältigen: Nicht nur, dass sie die massenhaften Petitionen wie gewohnt gewissenhaft und kompetent bearbeitet haben, sie mussten zu Beginn der Wahlperiode auch ein quasi führerloses Schiff steuern. Denn SPD und Union haben Monate für die Regierungsbildung benötigt und so auch die Einsetzung der Fachausschüsse lange verhindert. In dieser außergewöhnlichen Situation zeigte sich die ganze Qualität der hervorragenden Mannschaft im Ausschussdienst. Sie, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort hinten, haben das Grundrecht in Artikel 17 des Grundgesetzes vor dem Schiffbruch bewahrt. Vielen Dank dafür! (Beifall im ganzen Hause) Diese bedenkliche Situation, dass das Petitionsrecht durch die Handlungsunfähigkeit der Regierungskoalition monatelang blockiert war, darf sich nicht wiederholen. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Gerüchte!) Darum begrüßt meine Fraktion ausdrücklich den Vorschlag, den Petitionsausschuss quasi als ständigen Ausschuss nach dem Ende einer Wahlperiode bis zur Neubesetzung der Parlamentsausschüsse fortbestehen zu lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das geht ja nicht!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich mich für den Petitionsausschuss entschieden hatte, bekam ich vielfach zu hören, der Ausschuss sei in Wahrheit nicht ernst zu nehmen und nur ein Feigenblatt des Parlamentes, um Versäumnisse zu verdecken und aufkommenden Protest zu lähmen. Ich sage: Das Gegenteil ich richtig. Der Petitionsausschuss ist Alarmglocke statt Beruhigungspille. Das Petitionsrecht ist eines der bedeutendsten Instrumente politischer Innovationen, bürgerschaftlichen Engagements und demokratischer Mitwirkung. Kein anderes Parlamentsgremium ist so nah an den Sorgen und Nöten der Bürgerinnen und Bürger. Ob Vorratsdatenspeicherung, Hebammen, Asyl für Edward Snowden, ALG II oder Hospizversorgung: Es gibt keine Gesetzeslücke, die die Menschen stört, kein Thema, das die Öffentlichkeit bewegt, und keine Ungerechtigkeit, die die Bürgerinnen und Bürger erzürnt, die nicht ihr Echo im Petitionsausschuss fänden. Spätestens seit der von Rot-Grün durchgeführten Reform des Petitionsrechtes fühlen sich auch viele Bürgerinnen und Bürger von dieser Partizipationsmöglichkeit angesprochen, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das hat es auch vorher schon gegeben!) die eine eher kritische und skeptische Grundhaltung gegenüber der Politik zeigen. Mein Fazit lautet darum: Der Petitionsausschuss ist das Lorbeerblatt und nicht das Feigenblatt des Parlamentes. (Beifall im ganzen Hause) Doch wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, der trägt sie an der falschen Stelle. (Heiterkeit des Abg. Stefan Schwartze [SPD]) Dem Vertrauen in die Gestaltungskraft von Parlament und Politik kann der Petitionsausschuss nur gerecht werden, wenn das Parlament selbst den Petitionsausschuss nicht als Kummerkasten, sondern als Labor und Werkstatt für Fortschritt und Verbesserung begreift. Darum müssen wir auch in dieser Wahlperiode mit Nachdruck an einer Fortentwicklung des Petitionsrechts arbeiten, damit die Bitten und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger mehr als bisher in die Entscheidungsfindung des Parlamentes einfließen. Grundsätzlich sollten alle Petitionen öffentlich beraten werden, es sei denn, der Petent wünscht das nicht oder private oder datenschutzrechtliche Belange stehen dem entgegen. Heute ist es aber Praxis, dass selbst öffentliche Petitionen nichtöffentlich beraten und beschieden werden. Das ist vollkommen absurd und nicht vermittelbar. Mit einer Stärkung des Petitionsrechts könnten wir auch die repräsentative und die teilnehmende Demokratie auf neuartige Weise kombinieren. Darum sollten wir das Instrument der öffentlichen Petitionen zu einer wirklich offenen Petition weiterentwickeln: Petitionen sollten nicht nur, wie bisher, auf dem Portal des Ausschusses diskutiert und mitgezeichnet, sondern auch gemeinsam erarbeitet und eingereicht werden können. Diese Bitten zur Gesetzgebung sollten dann auch in den Fachausschüssen des Parlamentes und hier im Plenum angemessen beraten werden. Partizipation findet aber nicht nur über das Internet statt. Deshalb brauchen wir im Petitionsrecht erweiterte Zugangsformen und Zugangspforten für diejenigen, die sich nicht im Netz bewegen wollen oder können, zum Beispiel Menschen mit geringem Einkommen oder niedrigem Bildungsniveau oder auch alte Menschen. Wir sollten zum Beispiel über Bürgerbüros vor Ort und andere Möglichkeiten der Hilfestellung und nichtelektronischen Einreichung von Petitionen nachdenken. Zudem müssen wir auch die Menschen gewinnen, die sich bisher zu wenig eingemischt haben, zum Beispiel Erwerbslose, Frauen sowie Migrantinnen und Migranten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich und meine Fraktion ist natürlich jede Petition gleich viel wert, ganz gleich, ob sie von einer Person, von 100 Personen, von 1 000 Personen oder sogar von Hunderttausenden eingereicht wird. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günter Baumann [CDU/CSU]: Der Satz war richtig!) – Danke, Herr Baumann. – Die Hilfe im Einzelfall, das Aufdecken und Beseitigen von eklatanten Ungerechtigkeiten oder Willkür ist nämlich unser Kerngeschäft. Einer meiner Vorgänger, Josef Winkler, hat es einmal so formuliert: Im Petitionsausschuss sind wir das Sprachrohr der Leisen, die Muskeln der Schwachen. – Doch in Zeiten, in denen nur wenige Oppositionsabgeordnete einer großen Mehrheit von Abgeordneten der Großen Koalition gegenüberstehen, ist es eine besondere Herausforderung, den Bürgerinnen und Bürgern mit ihren Anliegen zu ihrem Recht zu verhelfen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wieso gibt es da einen Unterschied?) Schon in den ersten Ausschusssitzungen dieser Wahlperiode wurde deutlich, dass die Mitglieder der Regierungsmehrheit kein großes Interesse daran hatten, ihre eigene Regierung zu kritisieren – naturgemäß. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Das ist falsch! Absolut falsch!) Aber seien Sie versichert, dass wir Sie es spüren lassen werden, dass wir im Ausschuss zwar wenige, aber dafür umso besser sind. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Morgen begehen wir in diesem Hause den 65. Geburtstag des Grundgesetzes. Seit über 60 Jahren ist also auch das Petitionsrecht wertvoller Teil unserer demokratischen Verfasstheit. Der Petitionsausschuss ist seitdem aus der passiven Rolle des Kummerkastens und Warners herausgewachsen. Er hat sich bewegt und bewegt dadurch die Menschen in diesem Land. Er ist durch die vielen Petitionen wahrscheinlich auch ein bisschen weise geworden. Doch: „Was nützt mir meine Weisheit, wenn die Dummheit regiert?“ So heißt es in einem alten jüdischen Sprichwort. Vielleicht würde heute die Antwort lauten: Schreib doch eine Petition und ändere es. – In diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass uns die Petitionen schlaumachen und unser Land weise regiert wird. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Da waren aber nicht viele Gemeinsamkeiten zu erkennen! – Gegenruf der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Paul Lehrieder, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich darf jetzt im neunten Jahr im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mitwirken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Das habe ich nicht deswegen gesagt, um Applaus zu bekommen, lieber Kollege Storjohann, aber es tut trotzdem gut; keine Frage. – Es ist richtig, was viele Redner bereits ausgeführt haben: Der Petitionsausschuss ist sicher sehr arbeitsintensiv. Es ist aber der Ausschuss – die Erfahrung durfte ich die letzten Jahre machen –, in dem man die Sorgen und Nöte unserer Mitmenschen, ob groß, ob klein, ob von Einzelnen oder von Gruppen, tatsächlich aus nächster Nähe mitbekommt. Ich kenne eine sehr wichtige Partei in Bayern, die auf ihre Plakate schreibt: „näher am Menschen“. Der Petitionsausschuss ist näher am Menschen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich darf die Gelegenheit nutzen, mich für die CSU beim Ausschusssekretariat sehr herzlich zu bedanken. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats machen einen tollen Job. Sie arbeiten uns die Akten hervorragend zu. Wenn man weiß, dass der Petitionsausschuss im Laufe eines Jahres immerhin die stolze Anzahl von 14 800 Petitionen, mithin 60 Petitionen pro Tag, werktäglich gerechnet, bearbeiten muss, dann sieht man, was die Damen und Herren in unserem Sekretariat tatsächlich alles leisten müssen. Herzlichen Dank dafür! (Beifall im ganzen Hause) Ich darf auch die Gelegenheit nutzen, mich bei unserer Vorsitzenden, Frau Steinke, für die im Wesentlichen sehr objektive und überparteiliche Leitung des Ausschusses sehr herzlich zu bedanken. Frau Steinke, da müssen Sie jetzt durch, dass Sie von der CSU einmal gelobt werden. Es macht Spaß, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bedanken darf ich mich auch bei den Geschäftsführern der Fraktionen, dass es uns heuer gelungen ist, den Petitionsbericht zu so prominenter Zeit im Plenum debattieren zu dürfen. Das war nicht in jedem Jahr so. Lieber Max Straubinger, liebe Geschäftsführer der anderen Fraktionen, herzlichen Dank dafür! Ich bitte darum, das weiter so zu handhaben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Kersten Steinke [DIE LINKE]) Das Jahr 2013 war für den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages – hierauf wurde schon hingewiesen – ein ungewöhnliches Jahr. Die Bundestagswahl nach der parlamentarischen Sommerpause und die darauf folgenden Sondierungs- und Koalitionsgespräche brachten für die Abgeordneten des Petitionsausschusses eine unfreiwillige und ungewohnt lange Pause mit sich. Zwar haben wir in dieser Zeit dennoch, ebenso wie der Ausschussdienst, zahlreiche Petitionen bearbeitet. Allerdings konnten wir aufgrund der fehlenden Sitzungen keine Petitionen abschließend beraten. Nichtsdestotrotz waren wir bemüht, so viele Eingaben wie möglich abzuarbeiten, und so war das Jahr 2013 für alle Beteiligten ein besonders arbeitsreiches Jahr. Eine Besonderheit des Petitionsrechts ist nämlich, dass der Petitionsausschuss nicht der sogenannten Diskontinuität unterliegt. Das Diskontinuitätsprinzip des Deutschen Bundestages bedeutet die sachliche, organisatorische und personelle Nichtfortsetzung nach Ablauf einer Wahlperiode. Jedes Gesetzgebungsverfahren endet mit der Wahlperiode. Alle Gesetzesvorlagen beispielsweise, die vom alten Bundestag nicht beschlossen wurden, müssen erneut eingebracht und neu verhandelt werden. Das gilt aber nicht für die Behandlung von Petitionen. Es ist gut, dass man die Arbeit nicht doppelt machen muss, sondern da weiterarbeiten kann, wo man in der letzten Wahlperiode aufgehört hat. Als sich der Petitionsausschuss mit Beginn der 18. Wahlperiode neu zusammengesetzt hat, wurden die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, die sich an den Petitionsausschuss gewandt haben, weiter bearbeitet. Das heißt, kein Anliegen eines Bürgers geht verloren; alle Anliegen werden bearbeitet. Die besondere Bedeutung des Petitionsausschusses zeigt sich nicht nur in der verfassungsrechtlichen Verankerung in den Artikeln 17 und 45 c unseres Grundgesetzes, sondern auch in der Zahl der Eingaben, die den Deutschen Bundestag jedes Jahr erreichen. 14 800 Petenten, 60 Petitionen pro Tag – ich habe schon darauf hingewiesen –, sind ein stolzes Ergebnis. Das heißt aber auch, dass die Bürger sich trauen und das Jedermann-Grundrecht, das jedem unabhängig von der Staatsangehörigkeit zusteht, von vielen Menschen in Anspruch genommen wird. Auch im Berichtsjahr 2013 lag der Fokus der Eingaben auf dem Bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, für das ich bereits in den letzten Jahren Bericht erstatten durfte. Wie schon in den Vorjahren gingen hierzu die meisten Eingaben ein. Die 3 067 Eingaben machten rund 20 Prozent und damit den größten Anteil an der Gesamtzahl aller eingereichten Petitionen aus. Nicht nur die Eingaben in diesem Bereich waren rekordverdächtig: Mit über 41 Millionen Menschen waren auch noch nie so viele Menschen in Lohn und Brot wie 2013. Der Großteil der Eingaben im Bereich Arbeit und Soziales betraf, wie auch in den Jahren zuvor, die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, das sogenannte Hartz IV, gefolgt vom Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung. Ich gehe davon aus, dass uns auch in Zukunft die eine oder andere Eingabe dazu erreichen wird. Auch im Jahr 2013 erreichten den Petitionsausschuss zahlreiche Eingaben, die sich mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, GEMA, beschäftigten. Wir haben uns letztes Jahr – daran darf ich in diesem Zusammenhang erinnern – auch mit der Petition zur Künstlersozialkasse befasst. Ich will abschließend an alle Fraktionen meinen Dank richten. Am meisten Spaß macht es uns, wenn es uns wie bei einigen Petitionen gestern Vormittag gelingt, einstimmig eine Empfehlung auf den Weg zu bringen und wir fraktionsübergreifend sagen: Diesem Mann oder dieser Frau muss geholfen werden. Dass wir uns zusammenraufen und einen einstimmigen Beschluss fassen, kommt nicht in jedem Ausschuss in der Häufigkeit vor wie im Petitionsausschuss. Herzlichen Dank dafür! Ich wünsche Ihnen alles Gute und uns weiterhin eine gute Zusammenarbeit. Danke schön. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke schön. – Das Wort hat jetzt Birgit Wöllert, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Birgit Wöllert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich gehöre zu den neuen Bundestagsabgeordneten. Es ist natürlich schwierig, die Arbeit von Menschen zu beurteilen, die vorher hier gearbeitet haben. Als ich gefragt wurde, ob ich im Petitionsausschuss mitarbeiten würde, bin ich etwas zusammengezuckt. Denn ganz überraschend ist es für mich nicht, dass das viel Arbeit bedeutet. Ich habe fast eine ganze Legislaturperiode im Petitionsausschuss des Brandenburger Landtags gearbeitet und weiß daher auch, dass man in einem solchen Ausschuss einen guten Überblick über die Probleme bekommt, die es im Land gibt. Das ist auch eine gute Qualifikation für die eigene politische Arbeit. Das ist übrigens auch der Arbeit des Ausschussdienstes zu verdanken, weil er die Abgeordneten fachlich sehr gut in die Lage versetzt, sich ein Urteil zu bilden, auch wenn sie dem Votum dann nicht immer folgen. Also auch von mir ein herzliches Dankeschön für diese fleißige Arbeit! Ich beziehe gleich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Büros und natürlich auch unsere Referentinnen und Referenten in meinen Dank mit ein. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mein Fachgebiet ist die Gesundheitspolitik. Die Gesundheitspolitik nimmt im Ranking der Petitionen des vergangenen Jahres Platz fünf ein. Das bedeutet: Auch in diesem Politikbereich gibt es in diesem Land viel zu tun. Es gibt eine Reihe von Problemen, die ich konkret ansprechen möchte. So mutet es zum Beispiel schon fast zynisch an, wenn Krankenkassen einem Menschen den Zugang zu seinem Arbeitsplatz im eigenen Haus oder in seinen Garten verweigern, weil sie die Kosten für das geeignete Hilfsmittel zur Überwindung einiger Treppenstufen nicht übernehmen. Es geht auch nicht an, dass den Patientinnen und Patienten, deren Mobilität eingeschränkt ist, die aus Altersgründen Fachärztinnen und Fachärzte kaum erreichen können oder die dafür große Strecken überwinden müssen, die Fahrtkosten nicht erstattet werden. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir ihnen den Weg zu gesundheitlichen Leistungen erleichtern können. (Beifall bei der LINKEN) Gerade in meinem Bundesland Brandenburg ist das in der Fläche ein großes Problem. Dass mein Bundesland nach Berlin – Berlin liegt ja mitten in Brandenburg – (Heiterkeit bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bei der Anzahl der Petitionen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl auf Platz zwei liegt, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Menschen dort am meisten ihr demokratisches Recht wahrnehmen und versuchen, auch mithilfe von Petitionen zu ihrem Recht zu kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die öffentlichen Petitionen verweisen. Ich halte diese Petitionen für ein sehr gutes Mittel, um die Menschen demokratisch zu beteiligen. Das zeigt nicht zuletzt die Petition zur Hebammenproblematik. Wir werden am 23. Juni öffentlich darüber sprechen. Diese Petition hat viele motiviert, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen. Ich freue mich weiterhin auf die Arbeit im Petitionsausschuss. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Es spricht jetzt Markus Paschke, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Markus Paschke (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. Das ist meine politische Leitidee. Wie wichtig das ist, wird mir bei meiner politischen Arbeit im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages immer wieder deutlich; denn dort wird man direkt mit den Problemen der Menschen konfrontiert. Als neuer Abgeordneter habe ich in den vergangenen Monaten erfahren, welch großes Potenzial ein solches Petitionssystem besitzt. Erlauben Sie mir, Ihnen dies an einem Beispiel aus dem Jahresbericht des Petitionsausschusses deutlich zu machen. Eine 60-jährige Frau hatte sich an den Peti-tionsausschuss gewandt. Sie berichtete, dass sie seit dem 16. Lebensjahr ununterbrochen als Krankenschwester gearbeitet hat. Nach den Berechnungen der Rentenversicherung wird die Rentenhöhe voraussichtlich etwas über 472 Euro betragen, was nicht zuletzt auch auf die niedrige Entlohnung von Krankenschwestern zurückzuführen ist. Diese Frau hat nie über die finanziellen Mittel verfügt, Rücklagen zu bilden oder private Vorsorge zu betreiben. Der Petitionsausschuss sah aufgrund der Schilderungen der Krankenschwester die Notwendigkeit, für Geringverdienende im Alter etwas zu tun. Er unterstützt deshalb das grundlegende Anliegen für eine höhere Rentenleistung für Geringverdienende. Im Koalitionsvertrag, den CDU/CSU und SPD geschlossen haben, wurde die solidarische Lebensleistungsrente vereinbart. Diese Rente soll nach bisherigen Überlegungen die Lebensleistung derjenigen honorieren, die bei Erreichen der Regelaltersgrenze 35 Jahre Beiträge gezahlt und dennoch im Alter weniger als 30 Rentenentgeltpunkt erreicht haben. Die Einführung der solidarischen Lebensleistungsrente ist noch in dieser Legislaturperiode geplant. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wann denn?) Die Petition der Krankenschwester hat einen wichtigen Beitrag zu diesem politischen Beschluss geleistet. Aber nicht nur dieser von mir erwähnte Fall macht deutlich, wie wichtig es ist, dass wir immer genau hinschauen, wenn es darum geht, Beschlüsse im Petitionsausschuss zu fällen; denn unsere Entscheidungen wirken sich häufig direkt auf das Leben der Menschen aus. Eine weitere Frage, die wir Abgeordnete uns immer wieder stellen müssen, lautet: Wie erreichen wir mehr Bürgerbeteiligung? Meine Erfahrungen nach einem halben Jahr Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag zeigen: Mit dem Petitionsausschuss und dem Petitionsrecht kann man etwas sichtbar politisch bewegen, ja sogar etwas verändern. Das beweist auch eindrucksvoll der vorliegende Bericht. Deshalb unterstützen wir nicht nur das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, sondern wir nehmen auch ihre Sorgen und Nöte ernst. An diesem Anspruch müssen wir uns als Abgeordnete immer wieder messen lassen. Nicht selten werden wir durch die Probleme der Menschen, die sich an uns wenden, auf Gesetzeslücken und Ungerechtigkeiten aufmerksam; denn hinter den meisten Petitionen verbirgt sich nicht nur ein Einzelschicksal. Deshalb setzen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion – auch ich persönlich – für ein starkes und bürgerfreundliches Petitionsrecht ein, egal ob es um private Probleme oder um öffentlich-politische Belange geht; denn bei all unserem politischen Denken und Handeln muss der Mensch immer im Mittelpunkt stehen. Jede Petition bedarf der Vorbereitung und der Recherche. Wie viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner möchte auch ich mich ganz ausdrücklich bei allen Beteiligten in den Petitionsverfahren und ganz besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes für ihre Arbeit bedanken. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herzlichen Dank. – Nächste Rednerin ist Antje Lezius, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Antje Lezius (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin eine neue Abgeordnete. Als ich in den Bundestag einzog, habe ich mir natürlich Gedanken über die Mitarbeit in den Fachausschüssen gemacht. Ich möchte hier ganz offen gestehen: Der Petitionsausschuss kam mir dabei nicht in den Sinn. Als ich nach einer Mitarbeit in ebendiesem Gremium gefragt wurde, war ich entsprechend überrascht. Dienstälteste Kollegen lobten mir gegenüber die Vielseitigkeit der Arbeit, ganz besonders für die neuen Abgeordneten. Der Blick in den Jahresbericht zeigte mir, dass Vielseitigkeit noch untertrieben ist. Ich möchte fast sagen: Die Themenvielfalt des Petitionsausschusses ist allumfassend. Das macht nicht unwesentlich den Reiz der Mitarbeit in diesem Ausschuss aus. Die Themen reichen von persönlichen Beschwerden über Verwaltungshandeln, Umweltschutz, Arbeits- und Sozialrecht bis hin zu politischen Forderungen und Anregungen zu den unterschiedlichsten Bereichen – insgesamt eine gewaltige Menge an Themen, in denen entsprechendes Fachwissen gefragt ist. Nicht umsonst ist der Petitionsausschuss der Ausschuss des Deutschen Bundestages mit den meisten Mitarbeitern im Ausschussdienst, die die Petitionen betreuen, bearbeiten und aufbereiten. An dieser Stelle möchte ich wie meine Vorredner und Vorrednerinnen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ausschussdienstes meinen persönlichen Dank und großes Lob aussprechen. Sie erledigen ihre Arbeit hervorragend. (Beifall im ganzen Hause) Viele Petitionen können ein guter Anstoß für uns als Gesetzgeber sein, manche haben einen ernsten persönlichen Hintergrund, anderes mutet auf den ersten Blick etwas skurril an, wie zum Beispiel die Forderung, das Tragen von Jogginghosen in der Öffentlichkeit zu verbieten. Jedem, der sich Gedanken macht, wie unser Land besser werden kann, jedem, der sich die Mühe macht, dies aufzuschreiben und einzureichen, sei hier einmal gedankt. Dabei ist es egal, ob wir diesen Gedanken zustimmen oder nicht. Wichtig ist, dass die Menschen sich beteiligen und an der politischen Arbeit aktiv teilhaben; denn was unserem Land am wenigsten hilft, ist Teilnahmslosigkeit. Die Politik, der häufiger vorgeworfen wird, sich abgehoben in einem Raumschiff abzuspielen, trifft im Peti-tionsausschuss direkt auf das Volk. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Petitionsausschusses habe ich diesen auf einem Stand des Deutschen Bundestages auf dem Maimarkt in Mannheim vertreten dürfen. Das war eine sehr gute Erfahrung. Die Menschen kamen mit ihren Fragen und Anliegen zu mir. Die Resonanz war dabei äußerst positiv, weil die Leute merkten, dass sie vom Petitionsausschuss ernst genommen werden. Dafür wollen wir als Ausschuss weiter arbeiten. Mir als neue Abgeordnete im Petitionsausschuss sind die teilweise sehr langen Bearbeitungszeiten einzelner Petitionen aufgefallen. Dies liegt zum einen natürlich an der großen Menge der Eingaben, wie wir eben schon gehört haben; zum anderen erfordert aber auch die gebotene Sorgfalt bei der Bearbeitung ihre Zeit. Dafür haben wir in der Öffentlichkeit nicht immer mit Verständnis zu rechnen, aber es ist eben häufig auch nicht vermeidbar. Meinen Respekt möchte ich gegenüber den Ausschussmitgliedern der Opposition ausdrücken; denn diese haben schließlich bei viel weniger Abgeordneten das gleiche Arbeitspensum an Petitionen zu erledigen wie wir Abgeordneten der Koalition. Der Begriff Petition ist zurzeit in aller Munde, und es ist gut so, dass die Bürger und Bürgerinnen sich ihrer Rechte immer mehr bewusst werden, Hilfe auch ersuchen und sich einmischen. Davon lebt unsere demokratische Gesellschaft. Leider müssen wir aber auch feststellen, dass nicht jedem Betroffenen klar ist, was eine Petition eigentlich ist und was eben keine ist. Im Internet findet sich mittlerweile eine Vielzahl von Möglichkeiten, Petitionen einzureichen, die gar keine sind. Mit diesen Onlinepetitionen vergeuden die Menschen Zeit und Energie, die sie besser in eine offizielle Petition an die zuständige Stelle investieren könnten. Die Öffentlichkeitsarbeit des Ausschusses und auch der einzelnen Fraktionen klären hier auf. Ich wünsche mir, dass dies in Zukunft noch mehr fruchtet; schließlich soll der Bürger sein Recht auf Petitionen auch wahrnehmen können, wenn er dies wünscht. Dafür werden meine Kolleginnen und Kollegen aus diesem Ausschuss und ich weiterhin mit Tatkraft, Freude und natürlich heißen Diskussionen arbeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. Danke schön. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort erhält jetzt die Kollegin Annette Sawade, SPD-Fraktion. Annette Sawade (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Vorsitzende Steinke! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schiefner, noch einmal herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf den Besuchertribünen! Ich vergesse Sie, die Bürgerinnen und Bürger auf den Besuchertribünen, in meiner Anrede nicht; denn es geht heute um den direkten Kontakt der Bürgerinnen und Bürger zu uns Abgeordneten. Kürzlich war ich wieder mit einer Besuchergruppe aus meinem Wahlkreis auf der Dachterrasse des Reichstagsgebäudes. Wenn man dort oben steht und herunterschaut, sieht man ein Kunstwerk, das von außen nicht sichtbar ist. Viele von uns kennen es; sie haben sich dort beteiligt. Es ist der Schriftzug „Der Bevölkerung“ von Hans Haacke, umgeben von Erde aus fast allen Wahlkreisen unserer Republik. Daran denke ich oft, wenn ich das Besondere des Petitionsverfahrens im Deutschen Bundestag erkläre; denn glücklicherweise reicht „der Bevölkerung“ der reine Besuch dieses Hauses nicht aus. Nein, sie nimmt ihr Recht der Petition aktiv wahr. Der Petitionsausschuss steht „der Bevölkerung“ als Ansprechpartner und Unterstützer ihrer Anliegen zur Verfügung. „2013 war für den Petitionsausschuss ein ungewöhnliches Jahr …“ Das sind die ersten Worte des Berichts über die Tätigkeit des Ausschusses. Es wurde vorhin schon erwähnt: Mit Beginn der parlamentarischen Sommerpause 2013 ruhte die Arbeit der Abgeordneten bis zur ersten Sitzung des Petitionsausschusses am 15. Januar dieses Jahres. Die Gründe dafür sind bekannt. Erst nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages wurden die Beratungen im Ausschuss mit teilweise neuer Besetzung wieder aufgenommen. Aber die uns vorliegenden Zahlen beweisen es: Die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen des Ausschussdienstes pausierte nicht. Sie haben im letzten Jahr erneut eine enorme Arbeit geleistet. An dieser Stelle meinen herzlichen Dank! (Beifall im ganzen Hause) Die Vorsitzende und meine Vorredner haben schon einige Zahlen genannt. Eine möchte ich noch nennen: 14 800 Petitionen wurden allein 2013 eingereicht. Das sind im Schnitt 41 Petitionen pro Tag. Hinzu kamen öffentliche Anhörungen. Das Besondere am Petitionsrecht ist – auch das wurde schon erwähnt –, dass die Petitionen die Wahlperiode, die Legislatur, überdauern – manchmal wirklich sehr lange. Das haben gerade wir, die wir neu in diesen Ausschuss eingetreten sind, gemerkt. Im Artikel 17 des Grundgesetzes findet das Petitionsrecht seine verfassungsrechtliche Grundlage: Jedem ist das Recht gegeben, Bitten oder Beschwerden beim Deutschen Bundestag einzureichen. Doch was heißt „Jedem“? Es sind alle Bürgerinnen und Bürger gleich welcher Staatsbürgerschaft, Konfession oder Religion, ebenso Vereine, Bürgerinitiativen oder Interessengruppen. Auch wenn die Aufzählung nicht annähernd vollständig ist, macht sie deutlich, dass wir es mit ganz verschiedenen Anspruchsgruppen oder auch Einzelpersonen zu tun haben. Welche Form der politischen Partizipation in unserem Land ist so offen für alle Menschen mit ihren unterschiedlichsten Anliegen? Petitionen tragen dazu bei, bestehende Gesetze, Ausführungsbestimmungen, Übersehenes und Ungerechtigkeiten zu überdenken, zu korrigieren und vor allem zu neuer Qualität zu bringen, ganz im Sinne von Hans Haacke, dass aus der aus den Wahlkreisen zusammengetragenen Erde etwas Neues wachsen soll. Ja, der Peti-tionsausschuss dient „der Bevölkerung“. Wir müssen den Menschen in unserem Land dankbar sein für ihre Petitionen, weil sie neben den ganz persönlichen Anliegen, die auch für uns manchmal sehr bewegend sind, auf Missstände, auf eine vergessene Kultur, auf falsch umgesetzte Regelungen hinweisen. Aber viele Menschen empfinden, dass die Sprache der Politik und der Verwaltung manchmal schwierig und in Teilen nicht verständlich ist – und sie haben recht. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sprache ist eine, wenn nicht sogar die Voraussetzung, um Teilhabe in demokratische Gesellschaften zu sichern. Sprache ist die Voraussetzung dafür, zu verstehen. Ein Recht der Petentinnen und Petenten ist auch, dies einzufordern. Wir alle im Petitionsausschuss stehen deshalb vor der Herausforderung, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen, aber auch auf die Einzelprobleme einzugehen. Ich selbst fühle mich dem Petitionsausschuss in besonderem Maße dankbar verbunden, hat er mir nach meiner Ausreise aus der ehemaligen DDR im Jahr 1982 doch geholfen, in der Bundesrepublik beruflich Fuß fassen zu können. Das ist für mich ein Grund mehr, hier im Petitionsausschuss mitzuarbeiten. Ich bin sehr froh darüber, dass die SPD das Thema Fremdrenten am Kochen hält, und ich hoffe, dass wir in absehbarer Zeit hier zu einem guten Ergebnis kommen können. (Beifall bei der SPD) Ich komme zum Schluss. – Sehr geehrte Frau Vorsitzende, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen und vom Ausschussdienst, ich bedanke mich für den guten Einstieg und für die ersten Wochen der guten Zusammenarbeit. Ich freue mich auf die künftigen Beratungen und wünsche mir, dass sich der Ausschuss auch -weiterhin durch seine hohe Kollegialität – das wurde ja erwähnt – auszeichnet, und zwar zum Wohle unserer Petentinnen und Petenten. Herzlichen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Christel Voßbeck-Kayser, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktive Teilhabe an der Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist in Deutschland Realität, und sie wird auch gelebt. Auch ich als Neuling hier im Parlament habe mich bewusst für den Petitionsausschuss entschieden. In keinem anderen Ausschuss ist man so dicht an den Sorgen und Nöten der Bürger dran. Gerade als neue Abgeordnete lernt man sehr gut kennen, welche Aufgaben welches Ministerium beschäftigen. Man hat außerdem die Möglichkeit, den Bürgern und Bürgerinnen zu helfen. Dass alle Eingaben, egal ob es Bitten oder Beschwerden sind, gelesen und sachgerecht bearbeitet werden, ist selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist, dass jeder Bürger auch eine Antwort erhält. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zahl von 14 800 eingereichten Petitionen im letzten Jahr, 60 pro Werktag – das wurde schon mehrfach erwähnt –, zeigt, dass die Bürger von dieser Möglichkeit der direkten Demokratie Gebrauch machen. Aber sie zeigt für mich auch – auf diesen Aspekt möchte ich jetzt etwas näher eingehen –, wie Bürger sich direkt an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen können. Die Ideen, die Bürger mit ihrer Petition an uns he-rantragen, werden ernst genommen und aufgenommen. Beispiel: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; umgangssprachlich auch „der gelbe Schein“ genannt. Ein Bürger brachte in seiner Eingabe vor: Warum ist es nicht möglich, im Zeitalter der elektronischen Lohnsteuerkarte und des biometrischen Personalausweises die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf dem elektronischen Weg vom Hausarzt zur Krankenkasse und zum Arbeitgeber versenden zu lassen? Das Bundesgesundheitsministerium antwortete: Grundsätzlich geht das, wenn der Versicherte einwilligt; das ist aus Datenschutzgründen erforderlich. – Das Bundesgesundheitsministerium hat weiter geantwortet, dass die technische Infrastruktur im Gesundheitswesen dies auch möglich macht. Und was soll ich Ihnen sagen? Einstimmig, also parteiübergreifend, hat der Petitionsausschuss beschlossen: Wir geben dieses Anliegen an den Gesundheitsausschuss. – Er kümmert sich jetzt um die Umsetzung dieser Idee eines Bürgers. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was machen Petitionen deutlich? Petitionen machen deutlich, wie Bürger an unserer politischen Arbeit auf Bundesebene teilhaben können, wie sie mit ihren Anliegen, mit ihren Anregungen und auch mit ihren Aufforderungen Denkanstöße in politische Entscheidungsprozesse hineingeben und sie somit auch direkt beeinflussen können. Diese Form der Demokratie ist ein hohes Gut. Dessen sollten wir uns heute, wo wir über den Jahresbericht sprechen, auch einmal bewusst werden. Es gibt viele Länder, wo diese Form der Demokratie alles andere als selbstverständlich ist; wir haben in den Aktuellen Stunden schon oft darüber gesprochen; ich erwähne in diesem Zusammenhang die Ukraine und auch – das ist heute besonders aktuell – Thailand. Deshalb: Die konstruktive und bürgernahe politische Arbeit über Parteigrenzen hinweg ist eine ganz wertvolle Arbeit in unserem demokratischen System und auch für unser demokratisches System. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kersten Steinke [DIE LINKE]) Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes – Sie sitzen etwas versteckt da hinten –, ich freue mich auf -unsere weitere, immer sachorientiert geprägte Arbeit in diesem Ausschuss. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Stefan Schwartze, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Stefan Schwartze (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Sehr geehrte Parlamentarische Staatssekretäre, Sie beschäftigen wir noch viel öfter als die Minister. Liebe Gabriele Lösekrug-Möller, Sie sind lange Mitstreiterin im Peti-tionsausschuss gewesen. Der Parlamentarische Staats-sekretär Ole Schröder – er ist leider schon weg – nimmt seine Aufgabe für das Innenministerium mit besonderer Entschlossenheit wahr. Ihnen allen einen herzlichen Dank! Das Petitionsjahr 2013 war ein verkürztes Arbeitsjahr. Die letzte Sitzung fand Anfang September 2013 statt. Dann kam die Bundestagswahl. Die Konstituierung des Bundestages brauchte aus gutem Grund etwas länger. Es waren schließlich fast alle Fraktionen an den Gesprächen beteiligt. Der Petitionsausschuss tagte von September bis Januar leider nicht. Für die Petitionsarbeit bedeutete dieser Zustand, dass Petitionen zwar beim Bundestag eingingen, aber nicht parlamentarisch geprüft werden konnten. Die Menschen mussten auf die Bearbeitung ihrer Anliegen mehrere Monate warten. So eine lange Pause entspricht nicht dem Petitionswesen, wie es die SPD gern hätte. Wir alle sind gefordert, hier Lösungen zu finden. Es gibt bereits ein Gremium beim Bundestag, das auch nach Bundestagswahlen so lange fortbesteht, bis sich ein neues konstituiert hat. Ich spreche vom Parlamentarischen Kontrollgremium. Ich könnte mir eine ähnliche Lösung auch für den Petitionsausschuss vorstellen, damit das im Grundgesetz verankerte Recht auf Bitte und Beschwerde wirklich stets ohne Unterbrechung wahrgenommen werden kann. Es gäbe noch einen anderen Ansatz: Wir konstituieren den Ausschuss ganz einfach in der ersten Plenarsitzung nach den Wahlen. Das wäre ein gutes Zeichen für mehr Bürgernähe und für die Wahrung der Grundrechte. Ich glaube, darüber können wir reden. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist gut, dass wir dieses Thema auf die Tagesordnung der Konferenz der Petitionsausschüsse des Bundes und der Länder, die im September stattfindet, gesetzt haben. Ich bin fest überzeugt, dass wir alle hier im Hause eine gemeinsame Lösung finden werden, die rechtlich sicher und bürgerfreundlich ist. Das Besondere an Petitionen an den Bundestag ist, dass sie den Gesetzgeber direkt erreichen. Über die Auswahl der Themen entscheiden dabei nicht die Abgeordneten, sondern die Menschen selbst. Nur Petitionen bieten einen direkten Zugang zum Parlament, der mit dem Beratungsgebot verbunden ist. Es war zudem richtig und wichtig, öffentliche Petitionen beim Bundestag einzuführen. Die damit neu eingeführten öffentlichen Beratungen des Petitionsausschusses sind gar nicht mehr wegzudenken. Eine erfolgreiche Petition gelingt übrigens nicht nur organisierten Gruppen, sondern auch immer wieder Einzelpersonen. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Sowohl als auch!) Eines ist sehr wichtig, zu betonen: Es geht um Petitionen beim Deutschen Bundestag. Es existieren inzwischen mehrere privatrechtliche Plattformen, auf denen ebenfalls Petitionen eingereicht werden können. Diese Plattformen erwecken den Eindruck, dass auch dort eingereichte Petitionen den Gesetzgeber direkt erreichen und eine parlamentarische Beratung des Anliegens stattfindet. Genau das geschieht aber nicht. All diese Plattformen sind zwar Mittel der Bürgerbeteiligung. Wer jedoch erreichen will, dass der Gesetzgeber handelt, muss sich direkt an den Bundestag wenden. Wir müssen so gut sein, dass diese privatrechtlichen Portale überflüssig werden. Wir sind das Original. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Seit 2009 bin ich nun im Petitionsausschuss. Für mich stand fest: Ich bleibe in diesem Ausschuss. Nirgendwo sonst gibt es eine solche Vielfalt an Themen, und nirgendwo sonst hat man einen solchen direkten Kontakt zu den Menschen. Besonders gefreut hat mich eine Entscheidung in einem Bereich, der uns schon einige Zeit beschäftigt hat. Wir im neu zusammengesetzten Petitionsausschuss haben gemeinsam – über alle Fraktionsgrenzen hinweg – eine Petition unterstützt, nach der die Arbeitssituation der vom Bundestag ausgegliederten Mitarbeiter verbessert werden soll. (Beifall im ganzen Hause) Wir wollen sie zurück ins Haus holen. Lassen Sie uns alle gemeinsam auch zügig an der Umsetzung arbeiten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich wünsche mir auch, dass wir unsere Bürgernähe noch deutlicher beweisen, indem wir die Zahl der Ortstermine erhöhen. Das ist – ich weiß das – eine große Herausforderung auch für den Ausschussdienst. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen aus dem neuen und aus dem alten Petitionsausschuss danken. Danken möchte ich ganz besonders den Mitarbeiterinnen des Ausschussdienstes, die heute hier sitzen. (Beifall im ganzen Hause) Danken möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unseren Abgeordnetenbüros. Ohne deren wertvolle Arbeit ginge das hier gar nicht. (Beifall im ganzen Hause) Ganz besonders danken möchte ich den Petentinnen und Petenten; denn ohne sie wüssten wir oft gar nicht, wo der Schuh drückt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Gero Storjohann, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Gero Storjohann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich schließe ich mich vorab dem Dank der Vorredner an; damit habe ich auch das erledigt. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich aus voller Überzeugung bereits seit zwölf Jahren Mitglied des Petitionsausschusses bin. (Beifall im ganzen Hause) Günter Baumann werden wir nie erreichen; er macht das noch länger. Ich möchte kurz auf Dinge eingehen, die hier angesprochen worden sind. Kollegin Rüffer hatte die Weiterentwicklung des Petitionswesens angesprochen, was ihr ein besonderes Anliegen ist. Darüber haben wir in der letzten Legislaturperiode intensiv diskutiert. Es ist immer die Frage, inwieweit wir Einzelanliegen würdigen, inwieweit wir Kampagnen aufgreifen und wo wir in besonderem Maße unsere Arbeitskraft hineinstecken. Es ist hier schon gesagt worden, dass gerade die kleinen Oppositionsfraktionen durchaus eine starke Arbeitsbelastung haben. Insoweit stellt sich die Frage, wie wir das alles noch schaffen können. Allein das Ansinnen, mehr Ortstermine durchzuführen, bedeutet, dass alle Mitglieder – und nicht nur die der großen Fraktionen – vor Ort sein müssen. Insofern sollten wir uns auf das, was wirklich wichtig ist, konzentrieren, und das sollten wir auch gut machen. Bei Ortsterminen haben wir gute Ergebnisse erzielt, weil wir gemeinsam gehandelt haben. Wir nehmen alle Vorschläge auf und prüfen sie. Ich glaube aber, wir werden nicht so weit kommen, wie Sie sich das wünschen, weil die damit verbundene Arbeitsbelastung das einfach nicht zulassen wird. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass in erster -Linie die Abgeordnetenbüros, was die Bearbeitung persönlicher Angelegenheiten angeht, die Anlaufstation für die Bürger sind. Es ist nicht nur der Petitionsausschuss, es sind nicht nur die Onlineplattformen, sondern auch in den Abgeordnetenbüros wird eine wertvolle Arbeit geleistet. Das möchte ich in Erinnerung rufen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Kollegin Rüffer, Sie haben gesagt, dass Sie der Meinung sind, dass wir als Petitionsausschuss so etwas wie eine Beißhemmung gegenüber der Regierung haben bzw. dass die Mehrheitsfraktionen nicht in der Lage sind, mit der Regierung kritisch umzugehen. Nun ist der Kollege Schröder gerade nicht anwesend. Der erzählt immer etwas anderes, nämlich beispielsweise, dass wir sehr hartnäckig sind, gerade wenn es um Asylanträge geht. Des Weiteren verweise ich auf das, was die Kollegin Sawade hier zur Fremdrente gesagt hat. Dieses Problem kenne ich seit 2002. Mein erstes Bürgergespräch bezog sich auf die Regelung der Fremdrente. Wir als Ausschuss bemühen uns – wir sind sozusagen der Stachel im Fleisch der Regierung –, hier eine Lösung herbeizuführen. Egal welche Regierung wir hatten, ob es nun eine schwarz-rote oder eine schwarz-grüne war, – – (Heiterkeit) – Entschuldigung! Egal welche Farbe die Regierung hatte, egal welcher Staatssekretär uns gegenüber saß, es gab nie eine Lösung. Wir sind uns im Ausschuss einig: Wir drängen beim Fremdrentengesetz weiter auf eine Lösung. Das erwarten wir auch. Ich möchte einen Aspekt herausstellen, den man normalerweise im Parlament nicht so hervorhebt: Das ist unsere internationale Zusammenarbeit. Der Petitionsausschuss ist weltweit so etwas wie ein Unikum. Es gibt nicht viele Petitionsausschüsse; denn weltweit hat sich das Ombudsmannsystem durchgesetzt. Wir verstehen unsere Arbeit auch dahin gehend, dass wir junge Demokratien unterstützen und sie bei kritischen Auseinandersetzungen mit Regierungshandeln stärken. Aus diesem Grund haben wir den Kontakt zum IOI und zum EOI, dem Internationalen und dem Europäischen Ombudsmann-Institut, intensiviert. Das Internationale Ombudsmann-Institut hat seinen Sitz in Wien. Eine Delegation des Ausschusses besuchte Wien und Bratislava. Wir haben auch – oh Wunder! – die Mongolei besucht. Die Eingeweihten wissen, dass die Mongolei eine Verfassung hat, die sich aus der deutschen Verfassung ableitet. Im Jahr 2007 hat eine Delegation des dortigen Parlaments eine Hospitation bei unserem Petitionsausschuss gemacht. Man hat sich angeschaut, wie Petitionen im Deutschen Bundestag bearbeitet werden. Im Jahr 2012 hat das mongolische Parlament einen Petitionsausschuss eingerichtet. Bei diesen Besuchen wurde immer wieder deutlich gemacht: Bitte helft uns, wir müssen mehr Selbstbewusstsein entwickeln, wie wir mit Petitionen umgehen. – Das haben wir gemacht. Wir haben dort ein kleines Seminar abgehalten. Als Petitionsausschuss gewähren wir gerne international Hilfestellung. Deshalb: Petitionsarbeit macht Spaß. Für die Bürger ist es eine gute Sache. Im Ausschuss macht es Freude, mit vielen Kollegen, die guten Willens sind, fraktionsübergreifend zu arbeiten. Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit. Es war wieder einmal ein gutes Arbeitsjahr für den Petitionsausschuss. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Vielen Dank auch an alle für diese -Debatte. Ich glaube, alle, die Gelegenheit hatten, dieser Debatte zu folgen, sind davon überzeugt, dass die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger bei Ihnen im Ausschuss gut aufgehoben sind und dass Sie alle daran arbeiten, Lösungen für jedes einzelne Problem zu finden. Ich schließe die Aussprache. Jetzt kommt eine ganze Reihe von Abstimmungen. Ich bitte um Konzentration. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 c sowie Zusatzpunkt 3 auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und des Legehennenbetriebsregistergesetzes Drucksache 18/1286 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Keine Privatisierung von Ackerland und Wäldern durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH Drucksache 18/1366 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierung Bericht der Bundesregierung über bislang -geprüfte Optionen zur Steigerung von Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit sowie über Maßnahmen zur stärkeren Berücksichtigung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften als Beschaffungsvariante der öffentlichen Hand Drucksache 17/13749 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss Digitale Agenda ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver Krischer, Jürgen Trittin, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Europäische Energieunion – Unabhängigkeit durch Effizienz, Einsparung und erneuerbare Energien schaffen Drucksache 18/1461 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 k auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 24 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften Drucksache 18/823 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/1492 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1492, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/823 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit bei gleichem Stimmenverhältnis angenommen. Tagesordnungspunkt 24 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Ausdehnung der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. …/2013 über ein Aktionsprogramm in den Bereichen Austausch, Unterstützung und Ausbildung zum Schutz des Euro gegen Geldfälschung (Programm „Pericles 2020“) auf die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten Drucksache 18/1225 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) Drucksache 18/1473 Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1473, den Gesetz-entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/1225 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkte 24 c bis 24 k. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 24 c: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 45 zu Petitionen Drucksache 18/1350 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 45 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 24 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 46 zu Petitionen Drucksache 18/1351 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 46 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 24 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 47 zu Petitionen Drucksache 18/1352 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 47 ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 24 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 48 zu Petitionen Drucksache 18/1353 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 48 ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Linken gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 24 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 49 zu Petitionen Drucksache 18/1354 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 49 ist mit den Stimmen von CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 24 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 50 zu Petitionen Drucksache 18/1355 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 50 ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 24 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 51 zu Petitionen Drucksache 18/1356 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 51 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 24 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 52 zu Petitionen Drucksache 18/1357 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 52 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 24 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 53 zu Petitionen Drucksache 18/1358 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Sammelübersicht 53 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Rüstungsexportgenehmigungen der Großen Koalition Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Inge Höger, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag heute mit einer positiven Nachricht beginnen. Am Sonntag hat sich die Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz gegen den Kauf von Kampfflugzeugen ausgesprochen. (Beifall bei der LINKEN) Das ist ein großartiger Sieg über die Rüstungslobby. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Und gegen den Mindestlohn!) Ich gratuliere insbesondere der „Gruppe für eine Schweiz ohne Armee“ zu diesem Erfolg. (Zuruf von der CDU/CSU: Und was ist mit dem Mindestlohn?) Ich hoffe, dass dieses Beispiel Schule macht und die todbringenden Geschäfte mit der Waffe der Vergangenheit angehören werden, egal ob es sich um Inlandsaufträge oder um Importe oder Exporte handelt. (Beifall bei der LINKEN) Schließlich geht es bei Rüstungsgeschäften nicht um eine x-beliebige Handelsware. Das Geschäft mit Waffen ist das Geschäft mit dem Tod. Es muss umgehend be-endet werden. (Beifall bei der LINKEN) Es ist beschämend, dass Deutschland schon seit einigen Jahren der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt ist. Rechnet man die Rüstungsexporte aller EU-Staaten zusammen, dann stellt man fest: Die Friedensnobelpreisträgerin EU ist zugleich Rüstungsexportweltmeisterin. Wie wir wissen, findet jede Waffe ihren Krieg. Trotzdem boomt das Geschäft mit dem Tod. Noch im Wahlkampf tat die SPD so, als wäre sie zwar nicht generell gegen Rüstungsexporte, aber zumindest gegen Exporte in Krisenregionen. Die aktuellen Informationen über den Umfang der Rüstungsgeschäfte in den ersten vier -Monaten dieses Jahres zeigen, dass Deutschland weiter in Krisengebiete liefert. Die Tendenzen, die wir aus den ersten Monaten der Praxis von Rüstungsexporten der Großen Koalition ablesen können, sind erschreckend. Zwar hat die deutsche Rüstungsindustrie weniger in NATO- und EU-Staaten geliefert – hier hat die Wirtschaftskrise den Spielraum für militärische Beschaffungen ziemlich eingeschränkt –, aber die Exporte in Drittstaaten, oft an autoritäre, menschenverachtende Regime, haben deutlich zugenommen. Das kann nur das Ergebnis eindeutiger politischer Vorgaben sein. Inzwischen machen die Waffenexporte in Drittstaaten weit mehr als die Hälfte aller Exporte aus. Sie sind nicht mehr die Ausnahme, sie sind ganz offensichtlich die -Regel. Eine solche Zunahme der Waffenlieferungen an Länder wie Saudi-Arabien, Algerien, Brunei und Singapur ist kein Zufall. Ich nenne das Heuchelei: vorne nach Frieden rufen und hinten Waffen liefern. Für diese Politik gibt es Verantwortliche, ganz besonders auch an der Spitze des Wirtschaftsministeriums. Minister Gabriel ist wenig glaubwürdig, wenn er die Verantwortung für Entscheidungen, die in seinem Ministerium in diesem Jahr getroffen wurden, auf die Vorgängerregierung schiebt. Sollte es die von ihm angeführten „rechtlich verbindlichen Exportzusagen“ tatsächlich geben, dann wäre der Genehmigungsvorgang nur noch eine Farce. Das kann nicht sein. Ich fordere deshalb das Ministerium auf, dem Bundestag mitzuteilen, welche dieser verbindlichen Zusagen wann und von wem getroffen wurden. (Beifall bei der LINKEN) Als Parlamentarierin drängt sich mir jedoch der -Anschein auf, dass es weder mit der angekündigten re-striktiven Politik bei den Waffengeschäften noch mit der versprochenen Transparenz besonders weit her ist. Auf meine wiederholten Fragen danach, inwieweit der Export des hochmodernen Gefechtsübungszentrums nach Russland bereits durchgeführt wurde, erhielt ich jeweils nur ausweichende Antworten. Herr Gabriel, im März hat Ihr Ministerium öffentlich mitteilen lassen, dass Sie in der gegenwärtigen Lage die Ausfuhr des Zentrums nach Russland für nicht vertretbar halten. Ich bin der Ansicht, dass die Ausfuhr eines Übungszentrums, das Armeen auf den Kampf gegen Menschen in einer Stadt vorbereitet, grundsätzlich nicht vertretbar ist. Leider musste ich dann den Medien entnehmen, dass Ihre späte Einsicht zu spät kam. Laut Geschäftsbericht von Rheinmetall wurden alle wesentlichen Bestandteile bereits geliefert. Rheinmetall hat den 100-Millionen-Auftrag bereits im letzten Jahr nahezu abgeschlossen, auch das Geld ist inzwischen geflossen. Sie haben mit viel Tamtam so getan, als versuchten Sie, einen Zug zu stoppen; dabei war der längst abgefahren. Sie können sich Ihre Aussagen über eine restriktive Rüstungsexportpolitik also sparen. Das ständige Versteckspiel um die Rüstungsdeals hat System. Das Geschäft mit dem Tod funktioniert am besten im Verborgenen. Der Waffenhandelsexperte Andrew Feinstein geht davon aus, dass Rüstungsexporte und Transparenz nicht zusammenpassen. Nach seinen Recherchen entfallen 40 Prozent der weltweiten Korruption auf Rüstungsgeschäfte. Können wir wirklich davon ausgehen, dass der dritte Platz der deutschen Rüstungs-industrie ohne Korruption zustande kam? Ist der Fall der zwei gut vernetzten ehemaligen SPD-Abgeordneten, gegen die nun wegen dubioser Beraterhonorare in Millionenhöhe bei Waffengeschäften in Griechenland ermittelt wird, wirklich eine Ausnahme? Die Linke fordert ein Verbot aller Rüstungsexporte und den Ausstieg aus der Waffenproduktion. (Beifall bei der LINKEN) Nur so gelingt ein Einstieg in eine wirkliche Friedens-politik. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren über das Thema Rüstungsexporte inzwischen in fast jeder Sitzungswoche. (Inge Höger [DIE LINKE]: So lange, bis Sie aufhören! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Zu Recht!) Ich will noch einmal versuchen, Ihnen zu erläutern, welche Motivation hinter Rüstungsexporten steckt; ich hoffe, dass es diesbezüglich einen großen Konsens in diesem Hause gibt. Rüstungsexporte sind kein Selbstzweck. Sie finden nicht im luftleeren Raum statt. Ihnen liegen auch keine wirtschaftlichen Erwägungen zugrunde. Wenn Sie sich den vergleichsweise geringen Anteil der Rüstungsexporte am Gesamtexport vor Augen führen, wissen Sie, dass sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten in der Tat zu vernachlässigen sind. (Inge Höger [DIE LINKE]: Also politische Erwägungen!) – Ja, genau, es sind politische Erwägungen. Rüstungsexporte – ich sage das in aller Klarheit und Deutlichkeit für unsere Fraktion – sind ein legitimes, sinnvolles, notwendiges Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik. (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Zurufe von der LINKEN) Die Rüstungsexportpolitik dient auch dazu, unsere Kernkompetenzen und Fähigkeiten im technologischen Bereich zu sichern und zu erhalten. Sie dient dazu, uns nicht von anderen abhängig zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zwar grundgesetzwidrig, aber sonst sehr klar!) Lassen Sie mich versuchen, das Ganze an zwei, drei Beispielen zu erläutern. Wenn Sie sagen, dass man nicht in Krisengebiete liefern soll, dann ist das aus meiner Sicht scheinheilig, verlogen (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja unlogisch! Wenn es kein Krisengebiet ist, brauchen die keine Waffen!) und unlogisch. Genau, das ist unlogisch, Herr Trittin. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich Minensuchgeräte liefere, dann muss ich sie dorthin liefern, wo es Minen gibt, wo Minen zu suchen und zu beseitigen sind, und nicht dorthin, wo es keine Minen gibt. Also muss ich sie in Krisengebiete oder ehemalige Krisengebiete liefern. (Richard Pitterle [DIE LINKE]: Liefern Sie auch die Waffen, die man dann suchen muss?) Jetzt kommen wir zu den Kleinwaffen und zu anderen Dingen. Nehmen wir das Beispiel Mali. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dahin liefern wir aber gar nicht!) Mali ist mehr oder weniger ein Failed State. Mali ist nicht einem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen, vielmehr konnte der Staat sein Gewaltmonopol nicht aufrechterhalten. Die Franzosen haben interveniert, mit mehr oder weniger offener Unterstützung durch uns. Jetzt sagen wir: Wir wollen gemeinsam Mali aufbauen; wir wollen, dass die Regierung das Gewaltmonopol durchsetzen kann; wir wollen die malischen Sicherheitskräfte ausbilden, damit sie diesem Auftrag nachkommen können. Dazu muss ich sagen: Wenn man dies international beschließt, können wir in Deutschland doch nicht sagen, dass wir die Instrumente, die notwendig sind, damit das Gewaltmonopol in Mali durchgesetzt werden kann – hier geht es auch um Kleinwaffen –, nicht liefern. Es ist scheinheilig und verlogen, wenn man einerseits über Menschenrechte spricht, andererseits aber, wenn es darum geht, die Menschenrechte international durchzusetzen, sagt: Nach mir die Sintflut! Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! – Das halte ich für unverantwortlich. Das ist nicht unsere Außen- und Sicherheitspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Welche Menschenrechte setzen Sie in Saudi-Arabien durch, Herr Dr. Pfeiffer? – Niema Movassat [DIE LINKE]: Saudi-Arabien!) – Genau. Jetzt komme ich zu Saudi-Arabien. Da ist es nicht anders. Wie ist die Situation dort? Saudi-Arabien ist, ob uns das gefällt oder nicht, seit Jahrzehnten ein verlässlicher Verbündeter des Westens, ein Stabilitätsanker im Mittleren Osten, (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das war Gaddafi auch, als er die Grenzen dicht gemacht hat!) der dafür sorgt, dass Bürgerkriege wie in Syrien, im Jemen und im Iran eine gewisse abschreckende Wirkung haben. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Widerlich!) – Das mag Ihnen jetzt gefallen oder nicht. Das ist aber die Politik, die wir als Bundesrepublik Deutschland international vertreten. Das war auch zur Zeit der rot-grünen Regierung so. Sie von der Linken haben Gott sei Dank nie Regierungsverantwortung getragen und werden sie hoffentlich auch nie tragen. Wenn wir sagen, dass Saudi-Arabien ein Stabilitätsanker ist, dann müssen wir es auch mit den Instrumenten ausstatten, die es braucht, um seine Küsten zu schützen. (Inge Höger [DIE LINKE]: Panzer gegen die eigene Bevölkerung!) Ich versuche dies einmal anhand eines aktuellen Beispiels zu erläutern, und zwar anhand des Schützenpanzers kanadischer Bauart. Dies ist eine multinationale Angelegenheit. Heute sind Rüstungsprojekte ja nicht mehr nur Projekte einzelner Staaten. Die Kanadier wollen einen Schützenpanzer dorthin liefern, und es gibt deutsche Zulieferungen zu diesem Panzer. Vor zwei Jahren wurden die deutschen Zulieferer ausgewählt, weil sie die beste Technologie bei optronischen Systemen haben. Diese Zulieferungen machen nur einen kleinen Anteil von 5 Prozent aus. Insgesamt ist dies eine Entscheidung der westlichen Allianz, der westlichen Verbündeten, der europäischen Staaten, der Europäischen Union, der USA und auch Kanadas. Was würde passieren, wenn wir die Genehmigung nicht erteilen? Was wäre dann die Folge? Die Folge wäre nicht, dass der Panzer nicht nach Saudi-Arabien geliefert wird. Natürlich würde er geliefert, aber ohne deutsche Technologie. Noch viel schlimmer ist: Die deutsche Technologie würde dann von solchen internationalen Projekten ausgeschlossen, (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist sehr christlich!) weil die Deutschen keine verlässlichen Verbündeten mehr wären. „German free“ würde dann dort die Runde machen. Ich will nicht, dass wir uns aus internationalen Projekten zurückziehen müssen und wir keine verlässlichen Verbündeten mehr sind. (Inge Höger [DIE LINKE]: Sie reden von Menschenrechten, oder was?) Deshalb bin ich ganz klar der Meinung, dass wir dazu stehen und die Instrumente liefern müssen. Wenn wir dies in diesem Fall nicht machen würden, wären wir auch bei anderen Projekten nicht mehr dabei. Dann würden Sie in zehn Jahren beklagen, dass wir in Deutschland nicht mehr in der Lage sind, unsere Verteidigungs- und Sicherheitsfähigkeiten aufrechtzuerhalten. Wir würden uns dann von anderen abhängig machen. Wollen wir diese Fähigkeiten dann aus China, aus Russland oder auch aus den USA importieren? Ich will das nicht. Ich will eine europäische Lösung. Deshalb brauchen wir eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Diese muss selbstverständlich von einheitlichen Rüstungsexportbedingungen flankiert werden. So wie wir es im Dual-Use-Bereich bereits geregelt haben, müssen wir es auch im Bereich der Kriegswaffen tun. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Pfeiffer. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Das ist ein legitimes Instrument. Das müssen wir erläutern und vertreten. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Pfeiffer. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Wir dürfen uns nicht wegducken nach dem Motto: Das geht uns nichts an. Wenn wir uns nicht beteiligen, wird alles gut auf der Welt. – Die Welt ist leider kein Hort des Friedens. (Zurufe von der LINKEN) Wir leisten unseren Beitrag dazu, dass sie ein Hort des Friedens wird. Dazu dienen auch deutsche Rüstungs-exporte. (Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Machen Sie weiter so!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich darf noch einmal daran erinnern, dass die vereinbarte Redezeit bei Aktuellen Stunden fünf Minuten beträgt und nicht sechs Minuten, nicht sechseinhalb oder fünfeinhalb Minuten. Ich bitte die folgenden Rednerinnen und Redner, darauf zu achten. Die nächste Rednerin ist die Kollegin Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt kaum einen Bereich in der deutschen Politik, wo das, was eine Bundesregierung immer wieder beteuert und erklärt, so sehr von dem abweicht, was sie wirklich tut, wie bei den Rüstungsexporten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich kann Ihnen von grüner Seite aus eines versprechen: Wir werden uns nicht von Ihren Sonntagsreden einlullen lassen, und wir lassen uns auch nicht von der Selbstgefälligkeit der Großen Koalition entmutigen, sondern wir werden Ihnen im Bereich der Rüstungsexporte und Waffengeschäfte sehr gründlich auf die Finger schauen und immer wieder Licht ins Dunkel bringen. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist auch Ihre Pflicht!) In ihrem Koalitionsvertrag schreiben Union und SPD, dass sie sich natürlich zu einer restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik bekennen, dass sie die deutschen Rüstungsexportrichtlinien als verbindlich und handlungsleitend für ihre Entscheidungen betrachten. Es wäre schön, wenn es so wäre. Wir können gern einmal ganz konkret einen Blick in die Rüstungsexportrichtlinien werfen. Dort stehen sehr gute Formulierungen. Dort steht zum Beispiel bezüglich Kriegswaffenlieferungen an Drittstaaten, dass Exporte in Staaten, die nicht Mitglieder der EU oder der NATO sind, eigentlich nicht genehmigt werden dürfen und nur genehmigt werden können, wenn besondere außen- und sicherheitspolitische Gründe dafür sprechen. Weiter steht in den Richtlinien: „Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.“ Die Menschenrechtslage im Empfängerstaat ist als entscheidendes Kriterium in den Richtlinien verankert. Wenn wir jetzt diese guten Grundsätze einmal mit der Realität und den Zahlen abgleichen, ergibt sich ein ziemlich hässliches Bild und zeigt sich eine riesige Lücke. Die Rüstungsexporte an Drittstaaten haben sich in den letzten Jahren von der Finanzsumme her fast verdoppelt, die Tendenz ist steigend. Der aktuellste uns vorliegende Rüstungsexportbericht aus dem Jahr 2012 besagt, dass 55 Prozent der deutschen Rüstungsexporte an Drittstaaten gegangen sind. Ich kann da nur sagen: Solche Exporte sind offensichtlich nicht mehr die Ausnahme, sondern sind zu einer sehr bedenklichen Regel geworden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, die ersten Zahlen für 2013, die wir bisher gesehen haben, sind noch krasser. Unter Kanzlerin Merkel hat Schwarz-Gelb eine richtige Rüstungsexportoffensive gestartet. Aber auch die Große Koalition ist in ihren ersten Monaten kaum besser. Von Januar bis April dieses Jahres – das konnten wir jüngst nachlesen – sind noch mehr Waffen in Länder geliefert worden, die nicht Mitglied der NATO und nicht Mitglied der EU sind, als unter Schwarz-Gelb im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Auch das spricht natürlich Bände. Wirtschaftsminister Gabriel sagt: Das waren alles meine bösen Vorgänger; das geht auf deren Konto. – Auch an dieser Stelle schauen wir als Grüne ganz genau hin. Ich muss Ihnen sagen: Auch das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Die Bundesregierung vertritt ja neuerdings die Position, dass positiv beschiedene Voranfragen keinerlei Rechtsverbindlichkeit haben; diesen Teil können Sie ja dann schon einmal komplett zurücknehmen. Aber ich muss Ihnen auch sagen: Auch endgültig erteilte Genehmigungen kann man wiederrufen, und Verträge kann man kündigen, wenn man das tun möchte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das wollen wir aber nicht!) Wenn Ihr Engagement für Frieden und Sicherheit und das Engagement von Herrn Gabriel mehr sind als schöne Pressestatements, dann lassen Sie Ihren Worten doch einfach Taten folgen, und nehmen Sie einen Großteil dieser Rüstungsexporte einfach wieder vom Tisch. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Sie haben wohl noch nicht kapiert, dass man sich an Verträge halten muss! Im Übrigen wurden unter Herrn Fischer jede Menge BSR-Beschlüsse gefasst!) Meine Damen und Herren von der SPD, Ihnen wird nicht mehr lange die Möglichkeit bleiben, sich hinter schwarz-gelben Waffengeschäften zu verstecken. Denn irgendwann müssen auch Sie einmal sagen, was eigentlich aus Ihrer Wahlkampfforderung, die Panzerlieferung nach Saudi-Arabien zu stoppen, geworden ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Aber ich will nicht immer nur die SPD kritisieren; denn bei Ihnen stimmt ja wenigstens die Rhetorik. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bei der Union ist es noch schlimmer; Sie haben das hier sehr klar offenbart. Auch Ihre Kanzlerin ist in diesem Punkt sehr deutlich bzw. eben nicht deutlich. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Ja was denn jetzt?) Sie spricht von der Ertüchtigung von Partnerstaaten. Herr Pfeiffer, ich muss Sie enttäuschen: Sie meint damit nicht die Lieferung von Minensuchgeräten an Saudi-Arabien, sondern sie meint Waffenlieferungen an den Machthaber in einem Land, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden, (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Wissen Sie, dass der Herr Fischer das auch gemacht hat?) das im Nachbarland friedliche Proteste mit Panzern niedergeschlagen hat und das dazu beiträgt, dass der Konflikt in Syrien noch blutiger wird. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: In Saudi-Arabien braucht man übrigens Gott sei Dank keine Minensuchgeräte!) Das ist die Wahrheit. Das, was Sie hier erzählt haben – es würde um Minensuchgeräte gehen –, ist nicht die Wahrheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Auch der Kollege Otte, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, macht keinen Hehl aus seinen Überzeugungen. Er befindet sich dabei im offenen Widerspruch zu den deutschen Rüstungsexportrichtlinien. Er argumentiert mit dem Arbeitsplatzerhalt. Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Für mich kann der Profit eines einzelnen Unternehmens nicht rechtfertigen, dass man in einem Land zu Menschenrechtsverletzungen beiträgt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, kehren Sie diesen zynischen Trend der letzten Jahre, immer mehr Rüstungsgüter und Waffen an Drittstaaten zu liefern, sehr schnell um! Es ist einfach brandgefährlich, Waffen an autokratische Regime zu liefern. Es ist auch sicherheitspolitisch irrsinnig. Am Ende riskiert man, dass man sich im Fall des Falles auch an Verbrechen mitschuldig macht. Ich habe ein zweites Versprechen für Sie – auch hier wird es in den nächsten Jahren nicht bequem –: Wir Grüne werden nicht müde werden, weiter für einen radikalen Kurswechsel zu kämpfen: (Florian Hahn [CDU/CSU]: Den Sie selber eingeleitet haben?) für eine Rückkehr zu einer wertegeleiteten Außenpolitik und eine Abkehr von einer Wirtschaftspolitik, die Frieden und Sicherheit, Stabilität und Menschenrechte auf der Welt gefährdet. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie haben diesen Kurswechsel eingeleitet?) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Rainer Arnold (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist inzwischen schon ein Ritual bei den Linken: vor jeder Wahl ein vermeintlicher Skandal. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Sie liefern ja auch genug Anlass!) Was bietet sich da mehr an, als jedes Mal über Rüstungsexporte zu reden? Es ist klar: Das ist für Sie einfach. Sie wollen keine bündnisfähigen deutschen Streitkräfte, keine Rüstungswirtschaft und – Überraschung! – logischerweise auch keine Exporte. Eine differenzierte außenpolitische Debatte mit Ihnen zu führen, ist leider nicht möglich. Was Sie machen, ist Gedöns und Schwarz-Weiß-Malerei. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich halte es da mit Willy Brandt, den Sie sonst gern missbräuchlich zitieren. Er sagte zu Recht: Ich glaube nicht, dass diejenigen Recht haben, die meinen, Politik besteht darin, zwischen Schwarz und Weiß zu wählen. Man muss sich auch häufig zwischen den verschiedenen Schattierungen des Grau hindurchfinden. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und Strauß hat gesagt: Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt, dem soll der Arm abfallen! Das war 1954!) Genau so ist Politik, insbesondere die Außen- und -Sicherheitspolitik. Nur schwarz und weiß zu sehen, ist einfach. Es gibt selbstverständlich Länder, in die wir exportieren können, weil sie NATO-Staaten oder NATO-gleichgestellte Länder sind. Es gibt aber auch eine Reihe von Ländern, bei denen völlig ausgeschlossen ist, dass wir dorthin exportieren. (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Saudi-Arabien beispielsweise!) Dazwischen gibt es einen Graubereich. Es ist unsere Verantwortung, in diesem grauen Bereich genauer zu schauen, ob die Rüstungsexportrichtlinien stringent eingehalten werden, (Inge Höger [DIE LINKE]: Tun Sie aber nicht!) aber auch jeweils zu prüfen: Gibt es nicht auch sicherheitspolitische Interessen, die zu einer Entscheidung führen? Zum Beispiel ist die Lieferung von Booten für den Küstenschutz anders zu bewerten als die Lieferung eines Waffensystems, mit dem der Staat die eigene Bevölkerung direkt unterdrücken könnte. Diese Differenzierung muss auch in Zukunft möglich sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir haben entsprechende Rüstungsexportrichtlinien – übrigens unter Rot-Grün – geschaffen, und wir werden jetzt diese Richtlinien noch einmal weiterentwickeln. Allein dass die Bundesregierung unmittelbar nach Entscheidungen berichten muss, wird dazu führen, dass die Einhaltung der Richtlinien auch stringenter erfolgt. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Die Bundesregierung ist in der Pflicht, zu berichten, das heißt auch, zu erklären und zu begründen. Frau Kollegin Höger, Sie sagen die Unwahrheit, wenn Sie sagen, Rüstungsexporte geschähen im Verborgenen. – Das war schon bisher nicht im Verborgenen; (Inge Höger [DIE LINKE]: Ihr tagt doch immer geheim!) die Information kam nur viel zu spät. Zukünftig wird innerhalb von 14 Tagen informiert – wie es in einer gewachsenen Demokratie mit ihren Regeln für Transparenz angemessen ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum klatscht die Union eigentlich nicht?) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, mit den Forderungen, die Sie erheben, bedienen Sie Ihre Stammwählerklientel. Das ist aber nur ein kleiner Teil unserer Gesellschaft. Die Mehrheit in Deutschland will Streitkräfte, und die Mehrheit in Deutschland will auch, dass die Streitkräfte gut und vernünftig ausgestattet sind. In unserem Koalitionsvertrag steht, dass eine stringente Einhaltung der Rüstungsexportrichtlinien für uns verbindlich ist. Ebenso haben wir aber auch eine Verantwortung – aus nationalen Sicherheitsinteressen – für unsere Rüstungswirtschaft. Die Ingenieure und die guten Facharbeiter dort müssen sich nicht entschuldigen oder rechtfertigen für das, was sie tun; wir brauchen sie. Wir müssen gemeinsam mit der Wirtschaft auch darüber nachdenken, wie man auf einer geringeren Basis – sie wird in Zukunft nicht mehr so hoch sein – die Fähigkeiten bewahren kann. Dabei geht es nicht um einfache Arbeitsplätze, und es geht auch nicht um ökonomische Interessen – es geht um nationale Sicherheitsinteressen. Wollen wir wirklich – auch angesichts der aktuellen Debatte über Spionage/NSA – im Bereich von Aufklärungssystemen, im Bereich von Kommunikationselektronik, auch im Rüstungsbereich am Ende so abhängig werden von den Vereinigten Staaten, wie wir es heute im Bereich Internet sind? Hat das noch etwas mit nationaler Souveränität zu tun? – Deshalb ist es richtig, dass wir uns unserer Verantwortung für die Rüstungswirtschaft stellen. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb liefern wir Panzer nach Saudi-Arabien?) Wir wollen nicht zum Einkäufer von US-Produkten werden. Konsequent einzuhalten, dass keine Waffensysteme, die zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung genutzt werden können, in dubiose Staaten geliefert werden, gleichzeitig aber in Absprache mit der Rüstungswirtschaft für eine Grundauslastung zu sorgen, dies in die Balance zu bringen, ist Aufgabe verantwortungsvoller Politik. Wenn ich einen Strich darunter ziehe – auch an die Frau Kollegin Brugger gerichtet –, muss ich sagen: Es wird in den nächsten Jahren häufiger als in den vergangenen vier Jahren auch Ablehnungen von beantragten Exporten geben. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Ha, ha, ha! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das hoffe ich nicht! Es wäre sehr schlecht, wenn das so wäre! – Lachen bei der LINKEN) – Herr Kollege Pfeiffer, wenn Sie jetzt hier diesen Zuruf machen entgegen dem, was wir im Koalitionsvertrag formuliert haben – dass die Exportrichtlinien stringent einzuhalten sind –, dann ist das Ihr Bier und Ihre Entscheidung. Wir lassen uns als Sozialdemokraten von Ihrem Zuruf hier nicht mit in Haftung nehmen. (Beifall bei der SPD – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Die werden stringent eingehalten!) Wir werden Wert darauf legen, dass die Rüstungsexport-richtlinien stringent eingehalten werden; das ist die eine Seite. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Das bezweifelt gar keiner!) Die andere Seite ist: Es wird natürlich auch in Zukunft Genehmigungen für Exporte geben. Das Neue wird sein: Die Bundesregierung kann sich nicht mehr hinter dem geheim tagenden Bundessicherheitsrat verstecken, sondern muss gegenüber dem Parlament erklären und begründen, wo die sicherheitspolitischen Interessen liegen. Damit das hier auch gesagt wird: Das ist Aufgabe der gesamten Bundesregierung, aller derjenigen, die im Bundessicherheitsrat sind, und das beginnt bei der Verantwortlichen für den Bundessicherheitsrat, nämlich bei der Bundeskanzlerin. Alle gemeinsam sind zukünftig in der Erklärungspflicht. Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU] – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das hat sie auch bisher schon!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Julia Bartz hat für die CSU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Julia Bartz (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Export ist ein wesentlicher Faktor für unseren Wohlstand. (Inge Höger [DIE LINKE]: Aber nicht der Rüstungsexport!) Das war aber nicht immer so. Gerade meine Heimat, Bayern, war nach dem Krieg ein wirtschaftlich schwaches und industriell rückständiges Agrarland. Der wirtschaftliche Aufstieg Bayerns war eng mit der Politik von Franz Josef Strauß und insbesondere auch mit der Ansiedlung von Unternehmen aus dem Bereich der Luft- und Raumfahrt sowie der Wehrtechnik verknüpft. Mit Ariane und Airbus ist es gelungen, Hand in Hand mit dem ehemaligen Erzfeind Frankreich einen Technologiekonzern zu schaffen, dessen Flugzeuge mit denen der Amerikaner in Wettbewerb treten konnten. Dies war nicht nur ein industriepolitischer, sondern auch ein friedenspolitischer Meilenstein in der Geschichte Europas. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Noch gibt es in vielen Regionen Deutschlands solche Zentren der Hochtechnologie. An ihnen hängen Zigtausende Arbeitsplätze; derzeit sind es 80 000. Ein Vergleich zwischen dem Wegfall dieser Arbeitsplätze und dem Einzelschicksal der Schlecker-Frauen, nach dem Motto: „Kann wegfallen, Pech gehabt“, wird weder den außen- und sicherheitspolitischen noch den lokalen Auswirkungen gerecht. (Henning Otte [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Zum Export von Rüstungsgütern haben Ihre eigenen Kollegen im Wolgaster Stadtrat schlüssig erklärt, warum der – wörtlich – „Mega-Auftrag“ so wichtig ist. Ihre Kollegen erkennen den Bau von 100 Patrouillenbooten für Saudi-Arabien als Bereicherung für die Region an. Der Export bringe – ich zitiere aus der Pressemitteilung Ihrer Kollegen – eine Perspektive für viele Familien in Wolgast und Umgebung. … Auszubildende haben … wieder eine Zukunft. Es lohnt sich, hierzubleiben. (Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: In orthopädischen Betrieben!) So viel zur regionalen Auswirkung von Rüstungsexporten. Aber auch bei globaler Betrachtung liegt es in unserem Interesse als einer der größten Handelsnationen der Welt, weiterhin Rüstungsgüter herzustellen und auch zu exportieren. Natürlich ist jede Entscheidung über einen Rüstungsexport eine delikate politische Entscheidung, aber auch eine wichtige, die sowohl außen- und sicherheitspolitische als auch industriepolitische Fragen betrifft. Diesen Fragen sollten wir uns stellen. Welche Industriepolitik wollen wir im Rüstungsbereich? Bleiben wir bei Saudi-Arabien. Wenn wir dieses Land in unserer Außenpolitik trotz aller menschenrechtlichen Bedenken mit guten Gründen als stabilisierende Kraft in der Region betrachten, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssten wir nicht alle Tassen im Schrank haben!) dann empfiehlt es sich, auch einen guten Kontakt dorthin zu pflegen. Wenn von dort Wünsche nach bestimmten Waffensystemen geäußert werden, dann müssen wir diese in der Gesamtschau unserer Außen- und Sicherheitspolitik betrachten, wie dies offensichtlich auch die ehemalige rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder mit Außenminister Joschka Fischer getan hat, (Henning Otte [CDU/CSU]: Aha!) bevor sie den Export von Tausenden Scharfschützengewehren nach Saudi-Arabien genehmigt hat. (Henning Otte [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Ja, sag einmal: Was ist das denn? Das ist ja peinlich! – Gegenruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nicht peinlicher als Eure Geschäfte! Ihr tut nur so! Widerlich!) Lassen Sie uns in dieser Debatte bitte ehrlich bleiben. Wenn wir keine Rüstungsexporte wollen, dann müssen wir auch den 80 000 Beschäftigten der Rüstungsbranche sagen: Verlasst unser Land. – Unsere Partner im Ausland rollen ihnen den roten Teppich aus; denn dort gibt es weniger bis gar keine Bedenken in Bezug auf Rüstungsexporte. Unsere Nachbar- und Partnerländer haben sogar ganz im Gegenteil ein großes Interesse daran, unsere qualitativ hochwertigen Produkte der deutschen Wehrtechnik zu bekommen. Wir sollten uns also genau überlegen, was wir außen- und sicherheitspolitisch, aber auch industriepolitisch wollen – das sage ich in Richtung des Bundeswirtschaftsministeriums –: Wollen wir wirklich einen unwiderruflichen Abfluss von Kompetenz und hochqualifizierten Arbeitskräften? Wollen wir uns wieder von der Lieferung anderer Nationen abhängig machen? Wollen wir einen Industriezweig, den wir uns mühsam über Jahrzehnte aufgebaut haben, abschaffen? (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Ja!) Wollen wir unsere technologische Spitzenstellung in diesem sicherheitsrelevanten Bereich aufgeben? (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deindustrialisierung Deutschlands!) Oder wollen wir auch zukünftig in der Lage sein, modernstes Material und bestes Gerät zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten zu entwickeln? Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Keine Einsätze sind der beste Schutz!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Jan van Aken das Wort. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Lügenmärchen! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Lügner der Nation!) Jan van Aken (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Zitat des Tages kommt von Herrn Pfeiffer von der CDU/CSU. Er hat gerade wörtlich gesagt: Die Welt ist … kein Hort des Friedens. Wir leisten unseren Beitrag dazu … Recht hat er. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: „Sie friedvoller zu machen“, habe ich gesagt! Lügenbaron!) Wir leisten leider unseren Beitrag dazu: mit den milliardenschweren deutschen Rüstungsexporten. Noch nie hat Deutschland so viele Waffen exportiert wie unter der Kanzlerin Merkel. Frau Merkel ist die Waffenkanzlerin. (Widerspruch bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Der lügt, wenn er den Mund aufmacht!) Aber sie ist wenigstens ehrlich. Die SPD dagegen ist unehrlich. Herr Arnold hat sich hier gerade hingestellt und gesagt: Wir haben beschlossen – das haben wir auch –, dass innerhalb von 14 Tagen über solche Beschlüsse im Bundessicherheitsrat informiert wird. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie bekommen gleich eine Antwort!) Wissen Sie, wann der Bundessicherheitsrat das letzte Mal getagt hat? (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor 14 Tagen!) Vor 15 Tagen. Haben Sie gestern eine Information bekommen? Ich habe sie nicht bekommen und Sie auch nicht. (Rainer Arnold [SPD]: Der Beschluss kam aber erst am 8. Mai! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist Irreführung, was Sie hier machen!) Sie geben hier zwar immer Versprechen ab, aber Sie halten sie nie. (Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es ist Ihr Geschäftsmodell, die Menschen zu vergackeiern!) Das ist seit vier Monaten das Problem mit Herrn Gabriel. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Der Lügenbaron der Nation!) Ich persönlich habe ein halbes Dutzend Mal mit Herrn Gabriel das Problem gehabt, dass er in der Öffentlichkeit irgendetwas sagt und hinterher praktisch genau das Gegenteil macht. Ich will Ihnen nur einmal drei Beispiele nennen. Erstes Beispiel. Herr Gabriel hat mir am 30. Januar 2014 in aller Öffentlichkeit versprochen – ich zitiere –: (Florian Hahn [CDU/CSU]: Er hat Ihnen gar nichts versprochen!) Sie, Herr van Aken, bekommen „jede Information, die zu erteilen ich bei der geltenden Rechtslage in der Lage bin“. Was passiert? Gar nichts! Drei Monate lang gab es keine Informationen über Rüstungsexporte. Wir mussten erst mit einer Klage drohen. Herr Lammert – vielen Dank noch einmal an ihn – hat ihn schriftlich darauf hingewiesen, dass das, was er tut, verfassungswidrig ist. Erst nach drei langen Monaten und viel Druck hat er die Zahlen endlich herausgerückt. Sein Versprechen hier war alles nur Gerede. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Unsinn!) Zweites Beispiel. Im Wahlkampf hat er gesagt: Rüstungsexporte in Länder, in denen Menschenrechte massiv verletzt werden, lehnen wir ab. – Das können Sie auch heute noch bei abgeordetenwatch.de nachlesen. Was macht er, gerade Minister geworden, am 21. Januar 2014? Er genehmigt eine Bürgschaft in Höhe von 1,4 Milliarden Euro für über 100 Patrouillenboote und andere Schiffe für Saudi-Arabien. Was ist denn das, bitte sehr? Das ist doch ein Rüstungsexport, wie er gesagt hat, in ein Land, das Menschenrechte massiv verletzt. Im Wahlkampf das eine sagen und dann, sobald er Minister ist, genau das Gegenteil tun, das ist eine Sauerei. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rainer Arnold [SPD]: Das ist sicherheitspolitisch erklärbar!) Drittes Beispiel. In der Bild-Zeitung vom Sonntag war ein Interview mit Gabriel zu lesen. Da sagt er wörtlich: „Deutschland muss seine Waffenexporte sehr restriktiv handhaben …“ – Richtig! Was lese ich am gleichen Tag, also am letzten Sonntag, im Spiegel? Unter Sigmar Gabriel wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits Rüstungsexporte für 1,1 Milliarden Euro genehmigt. – Das ist nicht restriktiv, das ist ausufernd. Gerade den Export von Waffen in Drittländer hat er sogar gesteigert. Gabriel hat mehr Rüstungsexporte in Drittländer genehmigt als die Vorgängerregierung. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Quatsch! Weniger als im Vorjahr!) Es ist so peinlich, wenn Sie jetzt hier behaupten, das seien alles noch Entscheidungen der Vorgängerregierung. Frau Brugger hat gesagt: Lesen Sie § 7 Absatz 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Da steht ausdrücklich – ich zitiere –: „Die Genehmigung kann jederzeit widerrufen werden.“ – Herr Gabriel hätte das also tun können, er hat sich aber nicht getraut. Es war seine Entscheidung. Es spricht auch Bände, dass er heute nicht hier sitzt, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Weil er krank ist, Sie unverschämter Lümmel! Der Mann ist krank!) weil er genau weiß, dass er in der Öffentlichkeit immer das Gegenteil von dem sagt, was er macht. (Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nehmen Sie das zurück! Das ist unverschämt!) Ich muss ehrlich sagen: Ich vermute, niemand hier im Bundestag, außer Herrn Pfeiffer, vermisst die FDP, ich ganz besonders nicht. Aber ich finde es ganz unlauter von Herrn Gabriel, dass er jetzt die Verantwortung für seine eigenen Rüstungsexportentscheidungen Herrn Rösler in die Schuhe schiebt. So funktioniert das nicht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mein Eindruck von der SPD und von Herrn Gabriel ist: Immer, wenn irgendwo eine Fernsehkamera in der Nähe ist, ist er der totale Kritiker von allen Waffenexporten. Kaum ist die Kamera aus, winkt er alle Rüstungsexporte durch, auch nach Saudi-Arabien, auch an Menschenrechtsverletzer. Dafür sind Sie mitverantwortlich. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind perfide! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Er ist ein Lügner!) Ich wünsche mir ganz ernsthaft, dass ich mich irre. Sie haben dazwischengerufen: Das ist perfide! Das ist eine Unterstellung! – Ich lasse mich gern überzeugen, dass Sie die Exporte von Kleinwaffen tatsächlich verbieten lassen wollen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Hören Sie gleich mal zu!) Ich lasse mich gern davon überzeugen, dass Sie wirklich keine Waffenfabriken mehr exportieren wollen. Aber dann tun Sie es endlich. Das ist überaus notwendig; denn unter dieser Kanzlerin, mit der Sie gerade koalieren, wurden im letzten Jahr zum Beispiel Kleinwaffen für 135 Millionen Euro in alle Welt exportiert. 135 Millionen Euro! Wenn ich mir vorstelle, dass jetzt in dieser Minute irgendwo in Syrien, in Libyen oder Mali ein Mensch mit einer deutschen Waffe erschossen wird, dann finde ich das grauenvoll. (Beifall bei der LINKEN) Das ist wahrscheinlich der Moment, wo die Damen und Herren von der CDU/CSU wieder aufstöhnen und einfordern, man möge doch diese Debatte nicht so emotional führen. (Henning Otte [CDU/CSU]: Behaupten Sie nicht einfach Dinge, die nicht stimmen!) Doch, ich finde, sie muss emotional geführt werden. Es geht hier nicht um Kühlschränke. Es geht hier auch nicht um Nähmaschinen. Es geht um Waffen! Es geht um Tod, um Vergewaltigung, um Vertreibung und um Krieg und um nichts anderes! Eine solche Debatte führe ich emo-tional. (Beifall bei der LINKEN) Ich kann nicht kalt bleiben, wenn ich mir vorstelle, wie viele Tausende und Zehntausende Menschen in den nächsten Jahren von den Waffen getötet werden, die Sie heute exportieren. Ich finde es beschämend, dass solche Pfeiffer wie Sie von der CDU überhaupt keine Emotionen mehr zeigen, wenn mit Ihren Exporten gemordet wird. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Hubertus Heil hat für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, das Thema Rüstungsexporte verdient weder Naivität noch Zynismus, und ich sage das hier in unterschiedliche Richtungen. Sie sollten sich die Fähigkeit aneignen, in einer Demokratie zu differenzieren, Herr van Aken. Ich habe mich so echauffiert, weil Sie Herrn Gabriel angegriffen haben, weil er heute nicht anwesend ist. Er ist krank. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Gute Besserung! – Inge Höger [DIE LINKE]: Woher sollen wir das wissen? – Gegenruf des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das wusste die Fraktionsführung!) Das passiert schon einmal im Leben. Das zu skandalisieren, sagt auch etwas über Ihren Charakter, finde ich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Aber dabei bleibt es nicht stehen. Es geht nicht nur um die Frage: fehlende Differenzierung oder Naivität? Vor allem geht es nicht an, mit Desinformation oder Irreführung zu arbeiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das will ich anhand von ein paar Punkten belegen, Herr van Aken. Tatsache ist: Deutschland ist ein Standort für Wehr- und Sicherheitstechnik. Tatsache ist auch: 80 000 Menschen – das ist schon erwähnt worden – arbeiten in dieser Industrie, die sehr stark exportabhängig ist. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fachkräftemangel!) – Hören Sie einfach einen Moment zu, bevor Sie sich so ausgiebig ausbrüllen! Es ist uns aber nicht egal, wohin Kriegswaffen exportiert werden. Das ist der Unterschied. Sie fordern auf Wahlplakaten – das ist Ihre Position und an Schlichtheit nicht zu überbieten –: „Rüstungs-Exporte verbieten! Die Linke.“ (Jan van Aken [DIE LINKE]: Sie unverschämter Lümmel, Sie!) – Das habe ich gerufen, weil ich es unverschämt finde, wie Sie mit der Krankheit eines Ministers umgehen. Sie sollten sich schämen, solche Reden zu halten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ihnen ist die kurzfristige Pointe wichtiger als die Wahrheit, Herr van Aken. Sie sagen – das sind sachliche Unterschiede –, Sie wollen Exporte verbieten. Wir sagen: Wir wollen Exporte nicht verbieten, sondern wir wollen, dass restriktiv entschieden wird, wohin exportiert wird. (Inge Höger [DIE LINKE]: Das vermissen wir aber!) Die neue Bundesregierung liefert ein Instrument, das der deutschen Öffentlichkeit und diesem Parlament helfen wird, eine restriktivere Rüstungsexportpolitik zu betreiben. (Inge Höger [DIE LINKE]: Davon merken wir aber nichts!) Das sage ich, weil Sie an dieser Stelle die Tatsachen bewusst verdreht haben, Herr van Aken. Es ist jemandem, der schließlich nicht ganz blöd ist, aus meiner Sicht nicht als Naivität anzurechnen, sondern es ist tatsächlich perfide, wenn Sie so tun, als würden wir uns nicht an das halten, was wir als Bundestag beschlossen haben. Der Deutsche Bundestag hat am 8. Mai einen Beschluss gefasst. Das heißt, die 14-Tage-Frist läuft noch. Sie wissen, dass für die erstmalige Anwendung der Transparenzregeln die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates geändert wird. Das passiert gerade. Wir werden also in den nächsten Tagen das bekommen, was wir gefordert und durchgesetzt haben, nämlich dass statt Geheimdokumenten und Geheimniskrämerei dieses Parlaments nach Rüstungsexportentscheidungen eine Dokumentation erfolgt. Danach kann man ernsthafte Debatten darüber führen, ob Rüstungsexportrichtlinien eingehalten oder verletzt wurden. Ihnen geht es aber nicht darum, ob Rüstungs-exportrichtlinien eingehalten oder verletzt werden. Ihr Geschäftsmodell ist die Skandalisierung. Mit unserer Transparenz werden wir das kaputtmachen. Vielleicht sind Sie deshalb so sauer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will auf die Frage eingehen, die Sie in den Raum gestellt haben: Ja, es ist richtig, dass Rüstungsexporte stattgefunden haben, und zwar aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen, die die Vorgängerregierung abgeschlossen hat. Um einen Posten zu nennen, den Sie auch kennen: Der größte Posten, um den es geht, sind Exportgenehmigungen mit einem Volumen von über 191 Millionen Euro für Exporte nach Singapur. Dabei handelt es sich um eine Bundeswehrabgabe. Das sind völkerrechtliche Verträge, aus denen man nicht einfach aussteigen kann. Aber ich sage auch – Kollege Arnold hat das angedeutet; darin unterscheiden wir uns, Herr Pfeiffer, falls es Ihnen nicht passt –: Für uns ist Rüstungsexportpolitik keine Wirtschaftspolitik, sondern Sicherheitspolitik. Deshalb werden wir in puncto Transparenz den Druck auf Entscheidungsträger, wer auch immer eine Bundesregierung stellen wird, für eine restriktive Exportpolitik verstärken. Das wird mutmaßlich dazu führen, dass dieses Land weniger exportieren wird als in den letzten Jahren. Sie können das anhand von Zahlen nachvollziehen. In den ersten Monaten dieses Jahres – auch das verschweigen Sie wider besseres Wissens, Herr van Aken – haben weniger Rüstungsexporte als im Vorjahr stattgefunden. Das werden Ihnen die Berichte deutlich machen. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Und die Drittländer?) – Ja, wir werden über die Drittländer differenziert reden müssen. Es gibt welche, in die Exporte nicht möglich sind, und andere, in die exportiert werden kann, weil es dort ein stabiles System gibt und die Menschenrechte nicht verletzt werden. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Saudi-Arabien ist doch dabei!) Es gibt zudem sicherheitspolitische Interessen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Es ist schon ein Unterschied, ob Sie Panzer oder Patrouillenboote in ein Land exportieren. Panzer lassen sich möglicherweise gegen die Bevölkerung einsetzen. Deshalb haben wir das bei der Vorgängerregierung zu Recht kritisiert. Bei Patrouillenbooten geht es zum Beispiel um den Schutz von Küsten und Bohrinseln. Sie geben die Fähigkeit zur Differenzierung auf, nur weil Sie sich davon billige Vorteile im Wahlkampf versprechen. Ihnen geht diese Fähigkeit ab. Das ist nicht gut für die Demokratie. Deshalb sind Sie nicht politikfähig. Mit den Grünen streite ich mich gerne darüber, ob die Richtlinien, die wir gemeinsam erarbeitet haben, eingehalten werden oder nicht. Darüber können wir demnächst auf der Basis von Fakten und mehr Transparenz in diesem Haus strittig diskutieren. Aber ich habe eine Differenzierung bei den Grünen festgestellt. Sie sind nicht für ein Verbot von Rüstungsexporten. Jedenfalls habe ich nichts Entsprechendes gelesen. Aber Sie sprechen sich für ein solches Verbot aus. Eine Differenzierung ist Ihnen völlig egal. Sie versuchen, Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung als Feindbild zu kultivieren. Aber das wird Ihnen nicht gelingen. Es geht um die Verantwortung für die Sicherheit nicht nur in diesem Land, sondern auf der ganzen Welt. Dazu trägt auch die restriktive Handhabung unserer Richtlinien bei. Wir werden mit noch nie da gewesener Transparenz dafür sorgen, dass wir nicht in Länder exportieren werden, in denen die Bevölkerung unterdrückt wird. Hier geht es um Leben und Tod. Als Wirtschaftspolitiker sage ich ganz bewusst: Das ist nicht eine rein ökonomische, sondern eine ethische Frage. Die Fähigkeit zur Differenzierung wünsche ich Ihnen und allen anderen in diesem Haus. Das ist in einer tatsächlich schwierigen Situation angemessen. Ich bin froh, dass der Kollege Arnold darauf hingewiesen hat, dass das Leben nicht nur schwarz oder weiß, sondern manchmal auch grau ist. Das werden wir mit mehr Transparenz ausleuchten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Katja Keul hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal zum aktuellen Anlass für diese Debatte. Nach eigenen Angaben hat Wirtschaftsminister Gabriel seit dem 1. Januar 2014 für über 1 Milliarde Euro Rüstungsexporte genehmigt. Über 50 Prozent dieser Genehmigungen wurden für Exporte an Staaten außerhalb von NATO und EU erteilt, an sogenannte Drittstaaten, an die nach den Grundsätzen der Bundesregierung eigentlich gar nicht geliefert werden dürfte. Diesen Trend haben wir seit Jahren gemeinsam mit der SPD-Fraktion immer wieder kritisiert, während die Union es einfach geleugnet hat. Jetzt beruft sich Herr Gabriel darauf, dass er wegen rechtlich verbindlicher Exportzusagen aus den vorangegangenen Jahren nicht anders konnte. Was genau meint er damit eigentlich? Die von uns vermuteten Vorbescheide sollen es angeblich nicht sein; denn diese seien ja so unverbindlich, dass man das Parlament darüber gar nicht informieren müsse, so jedenfalls die Verteidigungslinie der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht, wo die Kollegen Ströbele und Roth mit mir ihre parlamentarischen Auskunftsrechte einklagen. In Karlsruhe ließ diese Regierung verlauten, Vorbescheide seien unbedingt geheim zu halten, weil die Willensbildung der Regierung damit gar nicht abgeschlossen sei. Aha! Das dürfte gerade die Industrievertreter ziemlich überrascht haben, die sich seit jeher auf die Vorbescheide verlassen und noch nie enttäuscht wurden. Aber darum soll es jetzt angeblich nicht gehen. Stattdessen soll es sich um Bestätigungen von Genehmigungen aus früheren Jahren handeln. Also bitte! Ein bisschen ernster könnten Sie die Opposition schon nehmen. Was wir hier machen, unterliegt zwar dem Diskontinuitätsprinzip. Aber nur weil Bundestagswahlen waren, brauchen nicht alle Exportgenehmigungen neu bestätigt zu werden. Könnte es eventuell sein, dass es hier um das zeitliche Auseinanderklaffen von Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz geht? Das wiederum hieße, dass Sie uns seit Jahren die abschließenden Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz in den Exportberichten unterschlagen hätten und die Berichte also noch weniger aussagekräftig waren, als wir es ohnehin beklagt haben. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Ich wundere mich schon die ganze Zeit, wo die 1,8 Milliarden Euro für die Leopard-Panzer an Katar -geblieben sind, die Anfang letzten Jahres genehmigt wurden. Diese tauchen in Ihren Antworten zu 2013 komischerweise gar nicht auf. Wenn ich mir die Erklärungsversuche von Herrn Gabriel in der Presse dazu ansehe, dann habe ich den Eindruck: Der Minister selbst hat es noch nicht so richtig durchdrungen. Das ist dann wirklich der Gipfel der Intransparenz, wenn der Minister selbst nicht mehr durchblickt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir zählen also eins und eins zusammen und stellen fest: Die Regierung entscheidet verbindlich über einen Waffenexport, indem sie eine Kriegswaffenkontrollgenehmigung erteilt. Wann sie aber diese Genehmigung veröffentlicht, kann sie selbst steuern, indem sie die Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz, die letztlich reine Formsache ist, willkürlich in andere Jahreszeiträume legt. Mit Transparenz hat das nun wirklich gar nichts mehr zu tun. Wenn mich aber nicht alles täuscht, dann ist heute ein historischer Tag; denn heute sind 14 Tage seit der ersten Sitzung des Bundessicherheitsrates vergangen, und wir erwarten die groß versprochene und angekündigte Mitteilung über die in dieser Sitzung erteilten Genehmigungen. Von irgendwelchen Differenzierungen zwischen -diversen Genehmigungsgrundlagen war bei Ihrem großartigen Beschluss aus der letzten Sitzungswoche nicht die Rede. Ich lese Ihnen diesen vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird – Zitat –: „den Deutschen Bundestag über abschließende Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates unverzüglich …, spätestens zwei Wochen nach Tagung des Bundessicherheitsrates zu unterrichten“. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kommt ja auch!) Jede abschließende Genehmigungsentscheidung! (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Vorbereitender Ausschuss!) – Wir nehmen Sie beim Wort, Herr Heil. Wo wir schon bei Ihren Ankündigungen sind: Die Ausfuhrkontrolle in Bezug auf Überwachungstechnologie ist in der Tat überfällig. Nachdem die Vorgängerregierung nicht nur unsere grünen Anträge hier im Bundestag, sondern auch die Initiativen im Europäischen Parlament ausgebremst hatte, haben sich nun zahlreiche Staaten im Rahmen des Wassenaar-Abkommens auf die Aufnahme dieser Technologie in die entsprechende Verbotsliste geeinigt. Mit anderen Worten: Deutschland kommt ohnehin nicht umhin, hier tätig zu werden. Der Versuch, sich als Vorreiter zu zelebrieren, ist auch hier nicht wirklich gelungen. Manchmal läuft es auch wirklich doof, Herr Heil. Gerade jetzt, da Sie zwangsweise Exportgenehmigungen von über 1 Milliarde Euro bestätigen müssen, kommt auch noch heraus, dass zwei ehemalige SPD-Abgeordnete 5 Millionen Euro vom deutschen Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann erhalten haben, weil sie sich so gut in Südosteuropa auskennen. (Rainer Arnold [SPD]: Ich kenne die beiden überhaupt nicht! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Können Sie meine ganze Partei dafür in Verantwortung nehmen?) Die haben das mit der parlamentarischen Kontrolle offensichtlich etwas missverstanden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Finden Sie es fair, mir das persönlich zuzurechnen?) – Nein, ich hatte Sie nur angesprochen, weil Sie gerade in ein Gespräch vertieft waren, und ich wollte nicht, dass Sie die Pointe verpassen. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich kann mehrfach hören!) Was nützt es, Griechenland wegen Korruption anzuprangern, wenn genau diese Korruption von deutschen Waffenherstellern genutzt wurde und Griechenland noch 2010 neben Portugal größter Abnehmer deutscher Rüstungsgüter gewesen ist? (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da haben Sie recht!) Das war zu einem Zeitpunkt, als wir hier im Bundestag schon über erste Rettungspakete diskutiert haben. Das macht die deutschen Ratgeber in Europa nicht glaubwürdiger. Ich sage Ihnen, was gegen Korruption wirklich hilft: Transparenz, und zwar hier und in Griechenland. Haben Sie endlich den Mut, Ihre Entscheidungen auf den Tisch zu legen und uns gegenüber zu begründen. Dann haben wir endlich die Gelegenheit, Sie davon zu überzeugen, dass Ihre Begründung nicht trägt. Am Ende werden wir uns dann hoffentlich doch noch einig: Deutsche Kriegswaffen haben in Drittstaaten nichts zu suchen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Helmut Nowak für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Helmut Nowak (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Export von Sicherheits- und Verteidigungsdingen (Inge Höger [DIE LINKE]: Waffen sind das!) – auch – ist in Deutschland nicht verboten, er ist aber streng reglementiert. Beides ist absolut richtig. Im Vergleich zu anderen Ländern, auch und gerade im transatlantischen Bündnis, haben wir uns für klar definierte Hürden bei der Genehmigung und bei der Kontrolle von Rüstungsexporten ausgesprochen. Dazu wurde heute schon sehr viel erzählt; seit vielen Wochen geht das so. Klar ist aber auch, dass die Existenz einer wirksamen Landesverteidigung essenziell für die nationale Souveränität eines Staates ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Hierzu gehören auch das Vorhalten und die Weiterentwicklung technologischer Fähigkeiten. Wo die Fähigkeiten und das Potenzial zu wirksamer Verteidigung fehlen, entwickelt sich schnell ein machtpolitisches Vakuum, und das könnte durchaus Begehrlichkeiten wecken. Das tut es offenbar auch. Wer vor dieser Tatsache die Augen verschließt, dem sei gerade in diesen Tagen dringend angeraten, einmal einen Blick auf unsere Freunde und Nachbarn in Osteuropa zu richten. Aber einmal angenommen, wir würden uns dem Ansinnen der Linken tatsächlich anschließen und sämtliche Rüstungsexporte verbieten: Was würde das bringen? Ich bin mir sicher: Es würde kein Krieg dadurch verhindert werden. Möglicherweise gäbe es eher mehr Kriege. Die Folge wäre lediglich, dass unsere Exporte dann von anderen Ländern übernommen würden, deren Kontrollen möglicherweise geringer sind als bei uns. Deutsche Rüstungsexporte, insbesondere in Drittländer, unterliegen der restriktivsten Genehmigungspraxis, die bis hin zum letztendlichen Verbleib der Rüstungsgüter, also die Zeit nach der Nutzung, alles penibel und transparent regelt. Ein generelles Exportverbot würde lediglich einen riesigen Verlust an wirksamer Kontrolle mit sich bringen, aber unsere Sicherheit ganz klar nicht erhöhen. Bis vor wenigen Wochen hatten wir hier in Mitteleuropa eine bewaffnete Auseinandersetzung unter Nachbarn in unserer Nähe noch für kaum denkbar gehalten. Wir wurden eines Besseren – oder besser: eines Schlechteren – belehrt. Kann man also Ländern, insbesondere NATO-Mitgliedern, verwehren, ihre Landesgrenzen auch mit deutscher Technologie zu sichern und das Leben und das Hab und Gut der eigenen Bevölkerung zu schützen? Ist es darüber hinaus redlich, beispielsweise Soldaten anderer Nationen auszubilden, ihnen unsere Werte zu vermitteln, wenn man sich anschließend aber weigert, sie mit den Waffen auszurüsten, die sie brauchen, um sich entsprechend zu verhalten? Ich denke da an Afghanistan und an Afrika, wo wir mittlerweile sehr engagiert sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die negativen Folgen eines generellen Verbotes von Rüstungsexporten träfen – darüber sollten wir uns, glaube ich, im Klaren sein – uns in erster Linie selbst. Zum einen haben wir als Deutsche ein vitales Interesse daran, dass beispielsweise die für uns so wichtigen internationalen See- und Handelswege gesichert und geschützt werden. Wir haben natürlich auch ein Interesse daran, dass der Terrorismus bekämpft wird. Das heißt, dass wir Staaten, die sich zur Terrorismusbekämpfung bekennen, dazu aus eigener Kraft aber nicht in der Lage sind, mit Waffen beliefern müssen. Zum anderen benötigen wir den Export von Rüstungsgütern, um unsere eigene Rüstungs- und Verteidigungsindustrie, die nach wie vor zu den leistungsfähigsten der Welt gehört, auf diesem Niveau zu halten. Auch das ist letztendlich ein Ausdruck der von mir erwähnten Souveränität. Ein generelles Ausfuhrverbot deutscher Sicherheitsprodukte würde in vielen Fällen das Ende von Entwicklung und Produktion von Sicherheitsgütern in Deutschland bedeuten. Als Ergebnis stünde der Verlust von Zehntausenden von Arbeitsplätzen fest, wie hier heute schon mehrfach gesagt wurde. Viel bedeutender allerdings wäre, dass unser Land damit vollständig abhängig von Importen wird und dass wir damit die Kontrolle über unsere eigene nationale Sicherheit verlieren würden. Das kann nicht das Ziel einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik sein. Es ist jedenfalls nicht das Ziel der Großen Koalition. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die deutsche Rüstungsexportpolitik war immer eine Politik der Selbstbeschränkung. Diese Standards europaweit, bündnisweit und letztendlich international durchzusetzen, das sollte das Ziel unserer Politik sein, aber doch nicht ein Verbot von Exporten, welches unsere auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit aufbauende Politik konterkarieren, ganze Industriebereiche und deren Arbeitsplätze vernichten würde und am Ende uns selbst in eine fatale Abhängigkeit brächte. Daher ein klares Ja zu der klugen und verantwortungsvollen Rüstungsexportpolitik aller Bundesregierungen seit Bestehen der Republik und ein klares Nein zu dem Ansinnen der Linken. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Nowak, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich denke, ich spreche im Namen des gesamten Hauses, wenn ich Ihnen alles Gute für die weitere Arbeit hier im Bundestag wünsche. (Beifall) Das Wort hat der Kollege Klaus Barthel für die SPD-Fraktion. Klaus Barthel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Teil der Medien, aber auch in dieser Debatte gibt es die Tendenz, Politik dadurch schlechtzumachen, dass man alles mit allem vermischt, dass man versucht, Glaubwürdigkeit systematisch zu untergraben, Unterschiede zu nivellieren und damit so zu tun, als wären alle gleich, nach dem Motto „Hau drauf! Am besten geht man nicht zur Wahl“. Ihnen von den Linken sage ich: Von dieser Art von Politik werden auch Sie nicht profitieren. Denn das, was Sie als Alternative anbieten – einen sofortigen Waffenexportstopp –, lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen; das weiß jedes Kind. Hören Sie deswegen auf, hier auf diese Art und Weise zu diskutieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir lesen – Ähnliches hörten wir auch in dieser Debatte –: „SPD-Politiker kassierten bei Panzer-Deal“, „Und dann hat die SPD noch ihren ganz eigenen Rüstungsskandal …“ – Das wird sowohl in den Reden der Linken als auch in den Zeitungen vermischt – das muss man sich einmal vorstellen – mit der Debatte über mehr Transparenz bei Rüstungsexporten heute und mit dem, was Sigmar Gabriel als Vizekanzler und Wirtschaftsminister an Umsteuerung in Rüstungsfragen durchzuführen versucht. Es ist unglaublich, was hier passiert. Man muss sich einmal überlegen, worum es da geht. Ich bin der Letzte, der irgendwelche Machenschaften rechtfertigt. Es ist so: Die beiden, um die es geht, haben diesem Haus bis 1990 bzw. 1994 angehört. Das ist 20 Jahre und mehr her. Es heißt immer „SPD-Politiker“. Ab diesem Zeitpunkt waren sie keine SPD-Politiker mehr, sondern höchstens Ex-SPD-Politiker. (Beifall bei der SPD) Ihre Geschäfte haben drei Jahre, vier Jahre, fünf Jahre später angefangen, und die Kohle haben sie noch später gekriegt. Das heißt, sie hatten zu dem Zeitpunkt kein Mandat von dieser Partei, kein Mandat im Deutschen Bundestag. Ich frage mich: Was hat das, verdammt noch mal, mit dieser Diskussion über Rüstungsexporte heute zu tun? (Beifall bei der SPD – Wolfgang Hellmich [SPD]: Reine Agitation!) Allein schon dass Sie heute diese Aktuelle Stunde machen können, beruht doch darauf, (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Dass wir im Parlament sind und eine beantragen können! ) dass sich etwas geändert hat. Wann hatten wir es denn schon einmal, dass eine Bundesregierung vier Monate nach ihrer Amtsaufnahme Beschlüsse über mehr Transparenz in diesem Bereich gefasst hat und Sie solche Antworten bekommen, auf denen Sie Ihre Debatte überhaupt erst aufbauen können? Das konnten Sie bisher noch nie. (Zuruf des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE]) Allein das ist schon Ausdruck von Veränderung. Zeitnahe Unterrichtung, mehr Transparenz: Der erste Rüstungsexportbericht kommt im Juni und nicht erst im nächsten Jahr. Es wird Halbjahresberichte geben usw. usf. Wir können heute darüber diskutieren, dass wir in den nächsten Tagen sehen werden, was wirklich passiert. Alle, die sich mit Rüstungsexporten beschäftigen, wissen ganz genau, welche Vorläufe und Nachläufe es gibt und dass man nicht nach vier Monaten beurteilen kann, ob sich in der Rüstungsexportpolitik einer Bundesregierung etwas geändert hat; das ist doch absolut lächerlich. (Beifall bei der SPD) Wie oft haben wir uns denn, liebe Kollegen von den Grünen, von den Schwarz-Gelben anhören müssen, dass die Exporte noch auf Schröder und die Grünen zurückgehen? So kann man hier nicht diskutieren. Man muss dafür kämpfen, dass die Rüstungsexportrichtlinien wirklich eingehalten werden. Dass wir dazu zurückkehren, sie ernst nehmen, hat der Bundeswirtschaftsminister zugesagt. Dass das nicht Teil der Wirtschaftspolitik ist, hat der Bundeswirtschaftsminister zugesagt. Insofern, liebe Kollegin Bartz, argumentieren Sie hier an der Sache und an den Grundlagen der Entscheidung vorbei, auf die wir uns gemeinsam beziehen. Er hat gesagt: Die Spähsoftware, die Überwachungstechnologie muss einbezogen werden – lange eine gemeinsame Forderung –, und wir wollen das bei den Kleinwaffen und Gewehren in Zukunft viel genauer und restriktiver handhaben. Ich sage dazu: Wir müssen auch bei dem Thema Endverbleibskontrolle etwas tun; das ist klar; wir nehmen das sehr ernst. Ich zitiere wieder die Presse: Gabriel blockiert Rüstungsexporte. Die Kollegen Fuchs und Hahn warnen vor Nachteilen für die deutschen Unternehmen. Die Kollegen Pfeiffer und Uhl sehen keine Notwendigkeit, die Rüstungsexporte noch sanfter anzufassen. Frau Bartz hat dann noch mit Franz Josef Strauß angefangen. Es hieß, Saudi-Arabien sei ein Stabilitätsanker und zu beliefern. Vom verteidigungspolitischen Sprecher der CDU/CSU hören wir, es gehe darum, linke Strömungen in der SPD zu beruhigen; das sei ein Riesenschaden für die Außenpolitik. Wenn Sie – bei diesen Äußerungen! – so tun, als hätte sich in der neuen Koalition nichts geändert und als würde sich nichts ändern, dann leben Sie nicht auf dieser Welt. (Beifall bei der SPD) Also: Wir folgen nicht irgendwelchen linken Strömungen, sondern der Mehrheit der Bevölkerung, die weniger Rüstungsexporte will. Die Korrektur ist da. Die Diskussion ist heute ganz anders möglich als früher. Sie können sicher sein, dass wir Sozialdemokraten in dieser Debatte für mehr Hellgrau sorgen werden. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Henning Otte hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Henning Otte (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss bei dieser Debatte leider wirklich sagen: Man muss bei der Fraktion Die Linke offensichtlich mal wieder bei Adam und Eva anfangen: „Rüstung“ kommt von „Ausrüstung“. So wie ein Handwerker einen Hammer und einen Nagel braucht, so brauchen Soldaten und Polizisten Waffen, um sich schützen bzw. wehren zu können, wenn sie angegriffen werden. Wenn Sie ihnen diese verweigern wollen, dann müssen Sie das sagen. Aber wer sich von Brandanschlägen linksextremistischer Kräfte gegen Bundeswehreinrichtungen nicht distanziert, von dem kann man in dieser Hinsicht nichts erwarten. Sie offenbaren sich hier, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Anlässlich der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung gab es gestern einen Empfang, bei dem der brandenburgische Ministerpräsident, Herr Dr. Woidke, dargestellt hat, dass Deutschland ohne Bundeswehr und ohne NATO heute nicht so gut dastehen würde. Wenn man sich einmal anschaut, welche Hochtechnologieprodukte dort ausgestellt werden, dann stellt man fest, dass diese ein Beweis für Know-how und Kompetenz auf Spitzenniveau sind. Bundeswehr, NATO, Frieden in Europa und Spitzentechnologie haben etwas miteinander zu tun. Das alles wollen wir als Union nicht aufgeben. Deswegen sagen wir: Wir müssen ermöglichen, dass Soldaten auch die notwendige Ausrüstung bekommen, weil das Ausdruck von Stabilität und Sicherheit ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Mittlerweile ist es doch schon so, dass mittelständische Betriebe ihre Optik- und Aufklärungsprodukte nicht mehr einbauen können. Dadurch sind 85 000 Arbeitsplätze gefährdet, unmittelbar sogar noch einmal 200 000. Deswegen ist es gut, dass unsere Technologien auch in der Welt gefragt sind. Das ist ein Ausdruck von Kompetenz. Viel wichtiger, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ist es, dass wir diese Ausrüstungskompetenz auch erhalten, um sie weiterhin unseren Sicherheitskräften zur Verfügung zu stellen. Ja, wir haben eine stabile Lage in Europa, und wir reduzieren die Streitkräfte. Dadurch werden weniger Rüstungsgüter abgenommen. Um aber eine Grundauslastung zu erhalten, müssen wir es den Unternehmen ermöglichen, sich andere Märkte zu erschließen. Das ist doch Ausdruck von sozialer Marktwirtschaft. Sie wollen dort Planwirtschaft an der Realität vorbei. Ich sage als verteidigungspolitischer Sprecher: Wir brauchen eine Rüstungstechnologie, weil sie Ausdruck einer nationalen Sicherheitsvorsorge zum Schutz unseres Landes, unserer Soldatinnen und Soldaten und auch unserer Polizisten ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir jetzt Anfragen aus den baltischen Staaten oder aus Polen bekommen, weil man sich dort Sorgen um die Sicherheit macht, dann sind wir in einer Partnerschaft offen dafür und sagen: Wenn wir Güter haben, die euch helfen, dann stellen wir diese auch zur Verfügung. – Lassen Sie mich noch einmal sagen, dass in Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes ganz klar geregelt ist, dass Waffen „nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert oder in Verkehr gebracht werden“ dürfen. Diesbezüglich wenden wir die unter Rot-Grün 2005 eingeführten Richtlinien an. Der Rüstungsexportbericht erscheint jetzt mindestens zweimal jährlich. Handfeuerwaffen werden jetzt mit einer unauslöschbaren Kennzeichnung versehen. Ich sage auch – da gebe ich dem Kollegen Arnold recht –: Wir brauchen eine eigene wehrtechnische Industrie. Wir haben schon bei den Browsern und bei der Softwareentwicklung den Anschluss verloren, die jetzt in den USA bzw. in Asien entwickelt werden. Wohin das führen kann, sehen wir beim Thema NSA: dass nämlich andere Systeme sich aufschalten, womöglich sogar unsere Systeme lahmlegen. Ich sage noch einmal: Wir brauchen auch aus einem nationalen Sicherheitsbewusstsein eine eigene Ausrüstungsindustrie. Dafür stehen wir. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Arnold [SPD]) Export sichert auch Einflussmöglichkeiten, um mitzubestimmen, wo etwas wie geregelt wird. Ich sage auch einmal: Der Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren und der Wegfall des Eisernen Vorhangs waren erst einmal Ausdruck einer zivilen, friedlichen Bewegung der Menschen. Das Ganze ist aber auch deswegen möglich gewesen, weil sich zwei Systeme gegenüberstanden, die sich nicht angegriffen hätten, weil es ein ausgewogenes Sicherheits- und Kräfteverhältnis gab. Ich stelle fest, dass die Fraktion Die Linke hier wieder einmal einen Tanz vollzieht, dass Menschen beunruhigt und verängstigt werden, dass man versucht, Sicherheitslagen zu destabilisieren – und das nur aus einem Grund: Sie wollen sich die Existenz einer gewissen Wählerklientel erhalten, um Ihre Existenz zu sichern. Das ist beschämend! Das ist peinlich! Das hat sich heute wieder einmal offenbart! Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und -Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn festhalten: Rüstungsexporte sind kein Mittel der Wirtschaftspolitik. Sie sind Instrument der Sicherheitspolitik. In einem demokratischen Land dürfen sie nicht mit dem Schleier der Geheimhaltung verdeckt werden. (Beifall bei der SPD) Tatsache ist erstens: Noch nie hat eine Bundesregierung so transparent und offen Auskunft über den Export von Rüstungsgütern gegeben wie diese. Tatsache ist zweitens: Diese Bundesregierung legt bei Rüstungsexporten an sogenannte Drittstaaten – also Staaten außerhalb von EU und NATO sowie gleichgestellte Staaten – sehr strenge Maßstäbe an. Der Export von Kriegswaffen wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen für eine Genehmigung sprechen. Ein Anspruch auf Genehmigung besteht nicht. Es gelten die strengen, im Jahr 2000 von Rot-Grün eingeführten politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Das heißt, wir werden auch dann keine Genehmigungen für zweifelhafte Geschäfte erteilen, wenn damit der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden sein könnte; denn bei Rüstungsexporten geht es um Leben und Tod. Tatsache ist drittens: Erstmalig legt eine Bundesregierung strenge Maßstäbe auch für den Export von Überwachungstechnologie an; denn im Internetzeitalter werden Menschen nicht nur mit Gewehren und Panzern unterdrückt. Dafür hat Bundesminister Gabriel – national und auf europäischer Ebene – Vorschläge gemacht. Meine Damen und Herren, wir meinen es ernst mit der Transparenz. Wir legen Entscheidungen des Bundessicherheitsrates und seines vorbereitenden Ausschusses der Staatssekretäre offen. Dieses Parlament wird von uns über abschließende Genehmigungsentscheidungen zeitnah unterrichtet. (Beifall bei der SPD) Derzeit ändert das Bundeskanzleramt dazu die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates, um den Bundestag innerhalb von zwei Wochen zu informieren. Ferner wird der Rüstungsexportbericht bereits vor der Sommerpause erscheinen. Wir werden diesen Bericht voraussichtlich am 11. Juni vorlegen. Darüber hinaus werden wir zusätzlich zu dem Jahresbericht bereits im laufenden Jahr – in der zweiten Jahreshälfte – über die Zahlen des ersten Halbjahres berichten. Im Übrigen nimmt die Bundesregierung zu zahlreichen aktuellen Fragen der Rüstungsexportkontrolle, die aus dem parlamentarischen Raum kommen, regelmäßig sehr präzise und umfassend Stellung. Ein solches Maß an Transparenz, meine Damen und Herren, ist ein -Novum in der Geschichte dieses Landes. (Beifall bei der SPD) Wir legen alles offen, was wir genehmigt haben; aber wir können mit Rücksicht auf die legitimen Interessen der betroffenen Firmen auch in Zukunft nicht darüber -reden, was wir abgelehnt haben. Wir müssen damit -leben, dass es auch in Zukunft nur die Schlagzeile „Gabriel genehmigt“ geben wird – und nie die Schlagzeile „Gabriel lehnt ab“. Weiter müssen wir damit leben, dass die Opposition immer wieder versuchen wird, das auszuschlachten. Ich will hier aber etwas klarstellen. In den ersten vier Monaten des Jahres 2014 hat Deutschland im Vergleich zum Vorjahr ein Viertel weniger Rüstungsgüter exportiert. Insbesondere die Exporte in Entwicklungsländer sind stark zurückgegangen. Weiter wissen Sie so gut wie ich, dass der ganz überwiegende Teil der erteilten Genehmigungen für die Ausfuhr in die aufgeführten Drittländer auf Entscheidungen früherer Bundesregierungen aus den vergangenen Jahren zurückgeht. Eine neue Bundesregierung findet deshalb zum Teil rechtlich bindende Entscheidungen vor. Ein ganz wesentlicher Anteil der gesamten Ausfuhrsumme der ersten Monate in 2014 in Drittstaaten – 300 Millionen Euro – war schon 2013 rechtlich -bindend beschlossen. Der weitaus größte Einzelposten betrifft eine Genehmigung für den Export von Panzern nach Singapur. Egal wie man in der Sache über dieses Projekt denkt, eines haben wir zur Kenntnis zu nehmen: Es handelt sich dabei um eine Bundeswehrabgabe. Hierfür wurde vor Jahren zwischen Deutschland und Singapur ein völkerrechtlich bindender Vertrag geschlossen. Weitere Beispiele für eine bereits existierende Rechtsverbindlichkeit sind die im November 2013 erteilte und bis zum Oktober 2014 gültige Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zur Ausfuhr eines Patrouillenbootes nach Brunei mit einem Genehmigungswert von circa 96 Millionen Euro und die im November 2012 erteilte und bis Ende 2015 gültige Genehmigung zur Ausfuhr von Lenkflugkörpern nach Saudi-Arabien mit einem Genehmigungswert von circa 21 Millionen Euro. In beiden Fällen lag eine bindende Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz vor. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Falsch!) Das heißt, Exporte von über 300 Millionen Euro waren rechtlich zwingend. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Nein!) Voranfragen zählen hierzu ausdrücklich nicht. Zur Frage, ob positiv beschiedene Voranfragen rechtlich binden, hat sich die Bundesregierung im verfassungsrechtlichen Verfahren zum Auskunftsrecht von Abgeordneten ausführlich geäußert. Ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach einer positiv -beschiedenen Voranfrage besteht in der Tat nicht. Aber natürlich kann eine neue Bundesregierung positiv beschiedene Voranfragen nicht einfach ignorieren. Es gibt eine politische Bindung und es gibt rechtliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um von einer Voranfrage absehen zu können. Damit ist der weitaus überwiegende Teil des Volumens bereits verbindlich von der alten Bundesregierung zugesagt worden, nämlich Exporte in Drittstaaten im Wert von 460 Millionen Euro von 650 Millionen Euro. Das sind über zwei Drittel. Meine Damen und Herren, Sigmar Gabriel hat immer wieder deutlich gemacht, dass Waffenhandel kein Mittel der Wirtschaftspolitik ist. Bei allen neuen Entscheidungen, die der Minister zu verantworten hat, wird er dafür sorgen, dass Deutschland damit deutlich vorsichtiger umgeht. Die Entscheidungen der letzten Jahre kann er aber nicht rückgängig machen. Deshalb wird es in diesem und auch im nächsten Jahr noch Exporte geben. Nicht jede Lieferung von Rüstungsgütern ist politisch abzulehnen. Ein international vertrauenswürdiges Deutschland steht zu seiner Verantwortung für die internationale Sicherheit. Es wird auch in Zukunft Einzelfallentscheidungen geben. Insgesamt aber gilt: Wir steigern die Transparenz, und wir handeln restriktiver. Das sind die Tatsachen. Wenn Sie diese Tatsachen auch in -Zukunft ignorieren wollen, kann ich Ihnen auch nicht helfen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Gleicke, den Linken ging es überhaupt nicht darum, sich das anzuhören. Die Linken hatten überhaupt gar kein Interesse an sachlicher Aufklärung. Es geht darum, diese Themen ständig zu skandalisieren, um sie einer bestimmten Klientel immer sachgerecht zu liefern. Herr van Aken, ich habe es Ihnen schon fünfmal erklärt. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Es wird nicht besser, wenn Sie es sechsmal tun!) Sehen Sie sich einmal die Geschichte Ihrer Partei an. Mit den Waffen, die die SED bis vor 25 Jahren über die Welt verstreut hat – ohne Rüstungskontrollbericht, ohne Parlament, ohne jegliche Kontrolle –, werden heute noch Leute getötet. Das sollten Sie in Ihrer Partei aufarbeiten und dazu Stellung nehmen. Ich habe noch in der Schule gelernt, dass es gerechte und ungerechte Kriege gibt und wir die gerechten Kriege unterstützen müssen. Ihnen geht es nicht um sachliche Aufklärung und sachliche Diskussion, sondern es geht Ihnen nur darum, eine bestimmte Klientel an Wählern zu befriedigen. Das ist die Ideologie Ihrer Partei. Sie wissen ganz genau, dass die Themen „Verbot von Exporten“ oder „Auslaufen der Produktion“ völliger Unfug sind. Man könnte fast vermuten, Sie seien der verlängerte Arm von Putin oder von anderen und (Zurufe von der LINKEN: Hört! Hört!) wollten sozusagen die deutsche Wehrindustrie stilllegen, um die russische Wehrindustrie zu stärken. Es ist eine -Illusion, zu glauben, dass das Volumen der in der Welt gehandelten Rüstungsgüter geringer würde, wenn wir in Deutschland nicht mehr produzieren würden und keine Rüstungsexporte genehmigen würden. Es würden nur andere die Geschäfte übernehmen. Sie glauben doch nicht, dass Putin in Russland Rüstungskontrollberichte abgibt! Sie glauben doch nicht, dass in China Rüstungskontrollberichte abgegeben werden! Sie glauben doch nicht, dass die Parlamente in anderen Ländern so ausführlich wie in Deutschland über das unterrichtet werden, was die Regierung tut! Ihre Scheinheiligkeit dreht einem wirklich den Magen um. Außerdem gehen Ihre Behauptungen immer knapp an der Lüge vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich komme zu einem letzten Punkt. Wir haben gestern im Wirtschaftsausschuss die Änderung der Außenwirtschaftsverordnung behandelt. Die Verordnung zeigt ganz deutlich, wie genau in Deutschland gearbeitet wird, wenn es um Rüstungs-exporte geht. Ich weiß schon, wie groß das Geschrei in einem halben Jahr sein wird, wenn die Bundesregierung wieder die Zahlen veröffentlicht und dann plötzlich -Rüstungsexporte zum Beispiel in die Zentralafrikanische Republik oder nach Somalia auf der Liste stehen. Damit Sie einmal sehen, dass es, wie der Kollege Arnold sagte, nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern auch grau – Sie haben sich das nicht angeschaut, Herr van Aken, weil es Ihnen zu mühselig ist, solche Verordnungen durchzulesen –, (Lachen des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE]) möchte ich einmal sagen, worum es im Falle Somalias geht: … Güter, die ausschließlich zur Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia … oder zur Nutzung durch diese bestimmt sind, … Güter, die ausschließlich zur Nutzung durch Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen oder internationale, regionale und subregionale Organisationen bestimmt sind, … Schutzkleidung, einschließlich Körperschutzwesten und Militärhelme, die vom Personal der Vereinten Nationen, von Medienvertretern und humanitären Helfern und Entwicklungshelfern … zur eigenen Verwendung … ausgeführt wird … Jetzt kommt das Thema Kleinwaffen, das hier immer eine ganz besondere Rolle spielt. Im Falle der Zentralafrikanischen Republik geht es um … Kleinwaffen und dazugehörige Güter, die ausschließlich zur Verwendung durch internationale Patrouillen bestimmt sind, die in dem Dreistaaten-Schutzgebiet Sangha-Fluss für Sicherheit sorgen, um gegen Wilderei, den Elfenbein- und Waffenschmuggel … vorzugehen … Wissen Sie, genau diese Dinge werden natürlich im Rüstungskontrollbericht auftauchen. Insofern ist es nur Teil der Ideologie, die Sie hier verbreiten, dass all die Güter, deren Export Deutschland genehmigt, Rüstungsgüter sind, deren Export man verbieten müsste. Sie müssen schon etwas genauer argumentieren und hinschauen, wenn es darum geht, die Rüstungsexporte Deutschlands zu beurteilen. Aber das kann man von Ihnen nicht erwarten; das erwarte ich von Ihnen auch in der nächsten Zeit nicht. Die Transparenz, die jetzt hergestellt wird, werden Sie vielfach für Debatten hier im Deutschen Bundestag nutzen, die immer den gleichen Tenor haben werden. Dann können wir uns wieder darüber austauschen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010 und dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 Drucksachen 18/1282, 18/1486 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1487 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Der Kollege Niels Annen hat für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Niels Annen (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, dem Mandat, über das wir jetzt reden, zuzustimmen. In vielen Regionen der Welt sind wir heute mit anhaltender Instabilität konfrontiert. Somalia ist dabei – man muss es wahrscheinlich so formulieren – zu einem traurigen Synonym für Staatszerfall, für das Scheitern von Staaten geworden. Die internationale Gemeinschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt das vor enorme Herausforderungen, auch deshalb, weil sie gefordert ist, Teile staatlicher Aufgaben quasi treuhänderisch zu übernehmen. Was in unserer Diskussion abstrakt klingt, ist dagegen für die betroffenen Menschen sehr konkret, und es ist mit dramatischen Folgen verbunden. Denn ohne staatliche Strukturen und ein staatliches Gewaltmonopol gibt es keine Sicherheit und keine Entwicklung. An deren Stelle tritt die Herrschaft von Clans, von organisierter Kriminalität und, wie wir alle leider wissen, auch von immer mehr terroristischen Organisationen, von gut organisierten extremistischen politischen Kräften. Für die Grundversorgung der Bevölkerung fühlt sich dann schnell niemand mehr verantwortlich. Das können wir in Somalia seit vielen Jahren beobachten. Zudem: Die Folgen eines Staatszerfalls bleiben nicht auf das jeweilige Land beschränkt. Somalia ist auch ein Symbol dafür, dass sich die Unregierbarkeit einiger Landstriche auf die gesamte Region ausweiten kann. Die internationale Gemeinschaft ist dann natürlich noch stärker gefordert. Deswegen engagieren wir uns seit Ende 2008 unter Beteiligung der Bundeswehr in der Operation Atalanta. Ich will die Dimension deutlich machen, um die es hier geht. Auch heute noch sind über 2,5 Millionen Menschen in Somalia auf akute Nothilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Diese Hilfe erfolgt überwiegend auf dem Seeweg. Die Operation Atalanta gilt primär dem Schutz der Nahrungsmittelversorgung für Somalia, die mit Schiffen des Welternährungsprogramms durchgeführt wird. Ja, Atalanta hat auch noch eine andere Funktion: Sie schützt auch die zivile Schifffahrt; denn durch das Seegebiet vor Somalia, das ist allgemein bekannt, geht eine der wichtigsten internationalen Handelsrouten. Sie verbindet Europa, die arabische Halbinsel und Asien. Diese Route ist für unsere Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Auch deswegen ist die Fortsetzung von Atalanta in unserem eigenen nationalen Interesse. Für die somalische Bevölkerung ist die Versorgung mit Lebensmitteln keine Frage des Interesses, sondern eine existenzielle Frage. Deswegen ist es eine gute Nachricht, dass seit dem Beginn der Operation Atalanta alle Schiffe des Welternährungsprogramms der UN sicher nach Somalia eskortiert wurden. Wurde im Jahr 2009 noch von 117 Piratenangriffen berichtet und wurden 46 Entführungen von Handelsschiffen registriert, so ist die Zahl der Angriffe im Jahre 2013 auf drei gesunken. Glücklicherweise können wir berichten: Entführungen haben nicht mehr stattgefunden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, den wir trotz dieser guten Zahlen vom Horn von Afrika nicht vergessen dürfen. Weiterhin befinden sich Seeleute in der Gewalt von Piraten, die Lösegelder erpressen wollen, und zwar – wir wissen das aus Medienberichten – unter inakzeptablen humanitären Bedingungen. Das ist ein Fall für die internationale Strafverfolgung. Die Anzahl der Piratenangriffe ist auf einen Tiefstand gesunken. Der Golf von Aden ist durch die Operation Atalanta erheblich sicherer geworden. Zu diesem Ergebnis haben nicht zuletzt der bessere Schutz der Handelsschiffe sowie eine bessere Koordinierung beigetragen. Ich möchte trotzdem offen sagen: Natürlich ist das Problem Piraterie damit nicht beseitigt. Wir sind uns auch bewusst, dass der Erfolg an der einen Stelle zu Verdrängungen hin zu einer anderen Stelle führt und dass wir inzwischen weitere Piraterieschwerpunkte haben: am Golf von Guinea, am Golf von Bengalen oder an der Straße von Malakka. Das bereitet uns große Sorge. Auch terroristische Angriffe, wie wir sie im Suezkanal erlebt haben, verdienen unsere Aufmerksamkeit. Ich denke, uns allen hier ist klar, dass wir trotz der Erfolge von Atalanta noch weit von einer Stabilisierung von ganz Somalia entfernt sind. Auch deswegen engagieren wir uns mit der Trainingsmission für die somalische Armee und in der europäischen Initiative zur Stärkung regionaler maritimer Fähigkeiten. Ich finde es richtig, dass darüber und auch über die Frage, ob wir die unterschiedlichen Instrumente noch besser verzahnen können, auf europäischer Ebene eine Debatte geführt wird, die zu einem neuen Mandat führen soll. Meine Fraktion jedenfalls wird sich an dieser Debatte beteiligen und die Diskussion aufmerksam verfolgen. Lassen Sie mich zum Schluss eines sagen: Trotz aller Schwierigkeiten gibt es auch hoffnungsvolle Zeichen in Somalia; denn in einigen Teilen des Landes haben sich durchaus funktionsfähige staatsähnliche Einheiten gebildet, zum Teil geschah das sogar unter Anwendung demokratischer Prinzipien. Diese Entwicklung sollten wir weiterhin unterstützen. Die Operation Atalanta wird nicht alle Probleme lösen, aber sie trägt dazu bei, dass ein Umfeld geschaffen wird, in dem sich Somalia in Zukunft hoffentlich demokratisch entwickeln kann. Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Jan van Aken hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Der schon wieder!) Jan van Aken (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit sechs Jahren schon setzen Sie auf eine militärische Bekämpfung der Piraterie. Jetzt wollen Sie den Marineeinsatz Atalanta noch einmal verlängern. Sie bieten hier zwei Argumente an – auch für Sie, Herr Annen –: Erstens, Atalanta sei ein Erfolg gewesen, zweitens, Atalanta sei Teil eines vernetzten Ansatzes, mit dem Sie zur Stabilisierung in Somalia beitragen. Das höre ich seit Jahren, und das ist seit Jahren falsch. (Beifall bei der LINKEN) Ob die Zahl der Piratenangriffe steigt oder sinkt, jedes Mal verkünden Sie Erfolg. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass Atalanta nichts zur Bekämpfung der Ursachen der Piraterie beiträgt. Jetzt sagen Sie, in den letzten zwei Jahren ist die Zahl der Piratenangriffe am Horn von Afrika massiv gesunken. Das ist aber nicht das Verdienst von Atalanta; das wissen Sie ganz genau. Das liegt vor allem daran, dass jetzt immer mehr private Sicherheitskräfte auf den Schiffen mitfahren. Mittlerweile sind auf jedem dritten Schiff, auf 35 Prozent der Schiffe, die durch das Operationsgebiet von Atalanta fahren, private Sicherheitskräfte. Wenn Sie mir die Zahl nicht glauben: Wir haben sie direkt von der Pressestelle von NAVFOR, also von Atalanta selbst. Der Krieg gegen die Piraten wird längst privat geführt, von Unternehmen, die sich auf das Geschäft mit dem Krieg zur See spezialisiert haben und damit mittlerweile jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro verdienen. Das Schlimme ist, dass diese Firmen in einem völlig rechtsfreien Raum agieren. Wie brutal die Realität ist, bekommen wir kaum mit. Es gibt aber ein Video, das mit der Helmkamera von einem dieser bewaffneten Söldner auf einem der Schiffe aufgenommen wurde. (Rainer Arnold [SPD]: Also brauchen wir mehr Soldaten!) Das müssen Sie sich mal anschauen. Da wird minutenlang auf ein Schiff geballert, das für ein Piratenschiff gehalten wird. Noch lange, nachdem es abgedreht ist, wird gezielt auf Menschen geschossen. Das ist der Versuch, gezielt zu töten, ohne jede Kontrolle, in einem völlig rechtsfreien Raum. (Charles M. Huber [CDU/CSU]: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?) Das ist im Moment die Realität. Damit es hier keine Missverständnisse gibt: Das ist kein Grund, mehr Kriegsschiffe in die Region zu schicken; denn mit Kriegsschiffen können die Piraten schon mal gar nicht bekämpft werden. Das haben Sie schon lange erkannt. (Beifall bei der LINKEN – Charles M. Huber [CDU/CSU]: Wir reden von Atalanta! – Rainer Arnold [SPD]: Nur gute Worte!) Keine noch so große Kriegsflotte kann die Piraterie nachhaltig bekämpfen; das sagen Sie ja selbst. Piraterie ist nur ein Symptom, ein Ausdruck von Armut und Rechtlosigkeit, den sich skrupellose Geschäftemacher zunutze machen: auf der einen Seite die Drahtzieher der Piraterie, auf der anderen Seite die privaten Sicherheitsfirmen. Den Letzteren haben Sie sogar hier im Bundestag einen Freibrief dafür gegeben, indem Sie die Zulassung privater maritimer Sicherheitskräfte erleichtert haben. Zum zweiten Punkt, zu Ihrer vernetzten Sicherheit. Sie reden immer davon, dass sich die Situation in Somalia verbessert habe. Aber Sie wissen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Weder politisch noch ökonomisch hat sich in Somalia in den letzten Jahren irgendetwas verbessert. Die sogenannte Regierung von Somalia hat in den letzten Monaten sogar die Kontrolle über große Teile der Hauptstadt verloren. Schwere Anschläge sind in Mogadischu an der Tagesordnung. Jetzt droht auch noch eine katastrophale Hungersnot, und Sie reden von einer „Verbesserung der Situation“. Das, was jetzt helfen würde, was seit Jahren helfen würde, wären Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Aber genau das versuchen Sie zu verhindern. Sie heizen den Konflikt dadurch an, dass Sie eine der beiden Bürgerkriegsparteien, die sogenannte Regierung, durch die Ausbildung von Soldaten militärisch unterstützen. Diese Regierung ist nur eine sogenannte Regierung – das wissen Sie auch –; denn sie ist nicht demokratisch legitimiert. Sie hat überhaupt keine Kontrolle mehr und übt überhaupt keine staatlichen Funktionen mehr aus. Das ist einfach nur eine Bürgerkriegspartei. Sie setzen darauf, dass sie die andere Bürgerkriegspartei militärisch besiegt. Das klappt aber nicht. Das funktioniert nicht. Das wissen wir spätestens seit Afghanistan. Einen Konflikt lösen Sie nicht militärisch, sondern nur durch Verhandlungen. Doch das verhindern Sie. (Beifall bei der LINKEN) Seit dem Jahr 2006 haben Sie hier, hat die Bundesregierung mit ihrer militärischen Logik dazu beigetragen, dass der Konflikt immer weiter eskaliert ist – und das gemeinsam mit den USA. Ich möchte daran erinnern, dass die USA auch in Somalia einen völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg führen, gesteuert von Basen hier in Deutschland. Das unterstützen Sie. Sie müssen endlich aufhören, die gezielten Tötungen der Amerikaner von deutschem Boden aus zu unterstützen. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte kurz auf die Debatte von eben eingehen, weil Herr Lämmel die Waffenlieferungen nach Somalia erwähnt hat. Es ist ein riesiger Fehler gewesen, das Waffenembargo gegen Somalia zu lockern. Denn Sie wissen, wenn Sie sich informiert haben, genauso gut wie ich, dass auch die sogenannte Regierung in Somalia in den illegalen Waffenhandel innerhalb Somalias involviert ist. Wir wissen – die UNO hat es dokumentiert –, dass Waffen, die jetzt dorthin gehen, direkt von der sogenannten Regierung in Somalia weitergegeben werden, auch an die Al-Schabab-Milizen. Das passiert mit den Waffen, die jetzt dorthin geliefert werden. Deswegen sagen wir: Das Waffenembargo muss sofort wiederhergestellt werden. (Beifall bei der LINKEN) Ihre einzige Antwort auf die Gewalt in Somalia und vor Somalia ist eine Politik der Waffengewalt. Das werden wir nicht mittragen. Auch dieses Atalanta-Mandat werden wir ablehnen. Wir werden ferner die Privatisierung der Pirateriebekämpfung ablehnen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es nicht nur nicht nach Somalia, sondern nirgendwohin noch Waffenexporte geben darf. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Roderich Kiesewetter. (Beifall bei der CDU/CSU) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Kollege van Aken, wir befinden uns in völlig unterschiedlichen Veranstaltungen. Sie reden hier über Dinge, die eigentlich durch das verhindert werden, worüber wir heute sprechen: Atalanta. Gerade Atalanta verhindert es ja, dass wir in Somalia dieses Debakel bekommen, über das Sie gerade sprechen. Wir haben ja diesen vernetzten Ansatz. Wenn Sie uns hier vorwerfen, dass wir zu einer militärischen Eskalation beitragen, möchte ich Ihnen ein paar Fakten entgegenhalten. Vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2012 sind leider über 250 000 Menschen in Somalia verhungert. Daher sind die Maßnahmen des Welternährungsprogramms absolut notwendig. Im Jahr 2008 gab es 42 Entführungen von Schiffen. Deshalb war es richtig, dass sich die Europäische Union im Jahr 2008 entschieden hat, die Operation Atalanta zum Schutz des Welternährungsprogramms durchzuführen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Seit dem Jahr 2009 sind über 270 Schiffe des Welt-ernährungsprogramms sicher in ihren Zielhäfen angekommen. Im ersten Quartal dieses Jahres gab es gerade noch fünf versuchte Überfälle auf Schiffe, die alle abgewehrt werden konnten. Das sind die Fakten. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Kiesewetter, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Hänsel? Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Ja, klar. Ich bin untersuchungsausschusserprobt. Gerne. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Kiesewetter, ich habe eine Nachfrage. Sie haben hier das Jahr 2008 und den Schutz für die Schiffe des World Food Programme erwähnt. Wir haben im Entwicklungsausschuss noch einmal nachgefragt. Von der Marine haben wir die Information bekommen, dass es im Jahr 2008 genau einen Angriff auf ein Schiff des World Food Programme gab. Können Sie das bestätigen? Sie haben ja argumentiert, dass Sie das Mandat in allererster Linie deswegen brauchen, weil Sie das World Food Programme schützen müssen. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Sie sehen das etwas eingeschränkt, Frau Hänsel. Ich versuche, Ihnen da Zusatzinformationen zu geben. Es gab 42 Überfälle auf Schiffe, unter anderem des World Food Programme. Allerdings kommt noch etwas hinzu: Dort verläuft eine der wichtigsten Seefahrtsrouten der Welt, eine Route, die für die Europäische Union und für uns Deutsche von zwingender Notwendigkeit ist mit Blick auf die Verbindungen nach Asien und auf die Arabische Halbinsel. Im Jahr 2008 gab es 42 Entführungen. Das möchte ich hier festhalten. In diesem Jahr und auch im letzten Jahr gab es keine Entführung. Es gab nur eine Reihe versuchter Entführungen. Das ist der Erfolg von Atalanta. Das muss man festhalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich glaube, wir sind uns einig: Eine militärische Lösung allein kann nicht funktionieren. Aber gerade dieser Sachverhalt zeigt, wie wichtig die militärische Begleitung und Absicherung im vernetzten Handeln ist. Im Übrigen hat Deutschland seit April auch die militärische Führung der Operation Atalanta inne. Der deutsche Truppenkommandeur führt die Operation. Auch einige unserer Schiffe begleiten die Mission. Zurzeit sind 23 EU-Mitgliedstaaten mit rund 930 Soldaten an der Mission beteiligt. Ich möchte auch festhalten, welche Anstrengungen die Europäische Union leistet. Ferner unterstützt die Europäische Union mit der Mission zur Stärkung der Fähigkeiten im Küstenschutz und in der Küstenüberwachung – diese trägt den historischen Namen Nestor – den Aufbau von Fähigkeiten der somalischen Küstensicherung und der Marine. Des Weiteren bestreitet Deutschland nicht nur 20 Prozent sämtlicher humanitärer EU-Ausgaben, sondern hat im Rahmen der Not- und Übergangshilfe seit 2008 auch erhebliche Summen aufgebracht, insbesondere, Herr van Aken, für Ernährung und sauberes Trinkwasser. Ich glaube, das alles sind hervorragende Beispiele, die zeigen, wie notwendig vernetztes Handeln ist und wie notwendig die Begleitung dieser zivilen Mission durch militärische Absicherung ist. Meine Fraktion jedenfalls wird der Fortsetzung dieses Mandats eindeutig zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte mich bewusst auch an die Fraktion der Grünen wenden. Sie verfolgen einen bemerkenswerten Ansatz und fordern stärkeres vernetztes Handeln. Ich glaube, wir haben dieses vernetzte Handeln in sehr breit ausgeprägten Grundzügen; die beiden Missionen der EU habe ich angesprochen. Wir haben die NATO-Mission zum Schutz der Ozeane, die Operation Ocean Shield, AMISOM und UNOSOM. All diese Missionen – hinzu kommen weitere, teilweise bilaterale Abkommen – können natürlich besser koordiniert werden. Aber dafür, dass Sie diesen Antrag deswegen ablehnen, weil es noch keine bessere Vernetzung gibt, möchte ich nachher eine Erklärung von Ihnen hören. Des Weiteren wird von der Opposition als Kritikpunkt angeführt, dass die Ausweitung der Mission Atalanta an Land zu einer Eskalation beitragen könne. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch hier Fakten: Im Jahr 2012 gab es im Rahmen von Atalanta einen einzigen Einsatz an Land, seither keinen mehr. Es ist also eindeutig festzustellen, dass von Atalanta eine abschreckende Wirkung ausgeht. Ich glaube, die Ausweitung auf den Küstenschutz bzw. den Küstenrand im Jahr 2012 war richtig und notwendig. Es war gut, dass wir diese Entscheidung im Bundestag getroffen haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Henning Otte [CDU/CSU]: Und gehalten haben!) Lassen Sie mich abschließend noch etwas zum vernetzten Ansatz und zum ganzheitlichen Vorgehen sagen. Die Bundesregierung entwickelt gerade unter starker Abstützung auf den Bundestag eine Afrikastrategie. In Afrika gibt es eine Reihe von Staaten, die zu stürzen drohen, die nicht unseren Maßstäben entsprechen. Ich glaube, dass wir Teilstrategien brauchen, die sich auf einzelne Länder beziehen. Auch die Erfahrungen, über die wir verfügen – in den Stiftungen, im Rahmen der Politikberatung, aber auch die persönlichen Erfahrungen vieler Abgeordneter –, sind für die Entwicklung einer neuen Afrikastrategie von Bedeutung; das möchte ich sehr deutlich sagen. Wenn sich die Bundesrepublik Deutschland stärker engagieren will, wie Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier es auf der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt haben, dann bedarf es einer stärkeren strategischen Ausrichtung. Ich bin sehr froh, dass wir im Bundestag angesichts der Herausforderungen, die sich uns in der Ukraine, in Syrien und seit Jahrzehnten insbesondere in Afrika stellen, nunmehr bereit sind, uns strategisch stärker aufzustellen. Ich bin darüber sehr froh, weil ich glaube, dass wir als Parlamentarier deutlich machen können, dass sich die Exekutive auf den Bundestag stützen kann, was strategische Expertise, aber auch kritisches Nachfragen angeht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit Atalanta weiterhin zum Erfolg beiträgt und Vorschläge für die weitere Ausgestaltung der Afrikastrategie entwickelt werden können, bitte ich Sie um Zustimmung zur Fortsetzung des Mandats. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Doris Wagner hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will es gar nicht bestreiten, Kollege Kiesewetter: Die Mission Atalanta ist sehr erfolgreich. Und: Ja, unsere Soldatinnen und Soldaten leisten dort hervorragende Arbeit. Trotzdem wird sich meine Fraktion bei der Abstimmung nachher enthalten. Das klingt paradox, (Niels Annen [SPD]: Ist es auch!) aber das ist es nicht. Denn mit diesem Mandatstext stellt sich die Bundesregierung gegen den Geist des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Damit wird sie ihrer Verantwortung gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten nicht gerecht. Es scheint doch mehr als fraglich, ob wir mit diesem Mandat wirklich zur nachhaltigen Bekämpfung der Piraterie vor Somalia beitragen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Sinn des Parlamentsbeteiligungsgesetzes darin besteht, sicherzustellen, dass der Bundestag verantwortungsvoll darüber entscheidet, wo und wie die Bundeswehr zum Einsatz kommt. Deshalb verpflichtet das Gesetz die Regierung, klar zu benennen, mit welchem Auftrag und mit welchen Mitteln deutsche Streitkräfte in Konflikte eingreifen sollen. Nur auf dieser Grundlage lässt sich wirklich abwägen, ob die Erfolgsaussichten rechtfertigen, dass unsere Soldatinnen und Soldaten ihr Leben aufs Spiel setzen. Im Falle der Mission Atalanta befindet die Bundesregierung dies alles nicht mehr für notwendig. Statt klar zu umreißen, was die deutsche Marine am Horn von Afrika eigentlich machen soll, speist uns die Bundesregierung mit dem Verweis ab, man werde einfach weitermachen wie bisher. Ich möchte Ihnen klar sagen: Diese Nachlässigkeit ist in meinen Augen eine krasse Missachtung nicht nur des Deutschen Bundestages, sondern auch unserer Soldatinnen und Soldaten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Warum insbesondere den Sozialdemokraten an dieser Intransparenz gelegen ist, hat mein Kollege Omid Nouripour bereits in der ersten Lesung erörtert: Die SPD will auf diese Weise verschleiern, dass sie genau dieses Atalanta-Mandat letztes Jahr noch abgelehnt hat. Doch auch der Union kommt diese Verschleierungstaktik gelegen; denn genau das ist es ja, was Sie mit der Kommission zur Überprüfung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes eigentlich beabsichtigen: Der Bundestag soll eben nicht mehr jedes Jahr genau hinsehen und entscheiden können, ob ein bestimmter Bundeswehreinsatz im Ausland zu verantworten ist oder nicht. Was Sie hier eigentlich betreiben, ist die schleichende Einführung von Dauermandaten, die wir einfach durchwinken sollen, ohne näher nachzufragen und nachzudenken. Aber da machen wir Grüne nicht mit, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Dann müssen Sie den Antrag ablehnen! Enthalten geht dann nicht!) Die mangelnde Klarheit des Mandatstextes ist jedoch nur ein Grund, warum meine Fraktion sich bei dieser Abstimmung enthalten wird. Der andere Grund liegt darin, dass das Mandat die Bundeswehr nach wie vor dazu ermächtigt, bis zu einer Tiefe von 2 Kilometern auf das somalische Festland vorzudringen, um dort, wie es heißt, gegen logistische Einrichtungen der Piraten vorzugehen. Die Bundesregierung nimmt billigend in Kauf – das glaube ich wirklich, Kollege Kiesewetter –, dass die Bundeswehr durch Operationen an Land auch noch zur militärischen Eskalation in Somalia beitragen könnte. Das ist doch nun wirklich das Letzte, was eine verantwortungsvolle Außenpolitik machen sollte. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Fraktion hat bereits bei der Debatte über die deutsche Beteiligung an der EU-Ausbildungsmission EUTM Somalia immer wieder darauf hingewiesen, dass wir den Einsatz militärischer Mittel in Somalia für gefährlich und vor allem für kontraproduktiv halten, weil er genau das Gegenteil von dem bewirkt, was wir eigentlich erreichen wollen. Offenbar hat sich diese Erkenntnis, zumindest was die Mission Atalanta anbetrifft, auch in EU-Regierungskreisen durchgesetzt; denn die beteiligten EU-Staaten haben im ganzen vergangenen Jahr nicht ein einziges Mal tatsächlich Gebrauch gemacht von der Möglichkeit, Soldaten am Strand von Somalia gegen Piraterieinfrastruktur vorgehen zu lassen. Diese Passage des Mandats ist offenbar vollkommen überflüssig. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es sollte doch eigentlich unser aller Bestreben sein, eine größtmögliche Legitimation für Auslandseinsätze herzustellen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nach einer Streichung dieser möglichen Landeinsätze hätten auch wir Grüne dem Einsatz der Bundeswehr vor der Küste Somalias wieder zustimmen können. Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, wir fordern Sie noch einmal ausdrücklich auf: Setzen Sie sich bei den Verhandlungen über die Verlängerung des EU-Mandats im Herbst dafür ein, dass die Strandoption aus dem Mandatstext wieder verschwindet, und sorgen Sie bitte dafür, dass all die richtigen und wichtigen zivilen Maßnahmen, die die EU bzw. die Bundesregierung in den vielen strategischen Papieren in jüngster Zeit angekündigt hat, verstärkt auch umgesetzt werden! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Julia Bartz das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Julia Bartz (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Somalia hat sich innerhalb der vergangenen 25 Jahre zu einem akuten Krisenherd entwickelt, der weit in die Region ausstrahlt. Terrorismus, Piraterie und Flüchtlingsströme gefährden die Stabilität am Horn von Afrika. Seit dem endgültigen Staatsverfall 1991 befindet sich das Land in einem Ausnahmezustand. Terror und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung sind an der Tagesordnung. Mit der Al-Schabab-Miliz ist der internationale Terrorismus in das Land eingezogen und trägt insbesondere zur Instabilität im gesamten ostafrikanischen Gebiet bei. Immer wieder werden Anschläge in und um Somalia herum verübt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz der Ukraine-Krise und des Syrien-Konflikts müssen wir weiter auf Afrika schauen. Der Bürgerkrieg in Somalia ist in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit weit in den Hintergrund geraten. Wir dürfen uns von der scheinbar ruhigen Lage am Horn von Afrika aber nicht täuschen lassen. Von den subversiven Kräften in Somalia geht nach wie vor eine große Gefahr aus. Die Bemühungen unserer Partner der Afrikanischen Union, Sicherheit und Stabilität zu schaffen, sind nur teilweise von Erfolg gekrönt. Die Binnenflüchtlinge und die mangelnde Versorgung der Bevölkerung führen letztendlich dazu, dass sich das Land in einer andauernden humanitären Katastrophe befindet. In Somalia haben wir es mit einer brisanten Gemengelage zu tun: im Wiederaufbau befindliche staatliche Strukturen, Terroristen und Clans, Warlords und Piraterie. All das wird begleitet von Hunger und Leid, die den Alltag der meisten Menschen in Somalia bestimmen. Die Auswirkungen davon spüren wir weltweit. 2008 wurden 42 Schiffe entführt; einige davon hatten dringend benötigte Nahrungsmittel für die somalische Bevölkerung an Bord. Das „maritime Kidnapping“ und die Überfälle und Angriffe auf Handelsschiffe wurden eine immer ernstere Bedrohung für die somalische Bevölkerung selbst, aber auch für die internationale Handelsmarine. Seit 2008 sichern nun gemeinsam mit unseren Partnern deutsche Soldatinnen und Soldaten das Seegebiet am Horn von Afrika. Schon bei einem ihrer ersten Einsätze haben sie mithilfe eines Kampfhubschraubers die Kaperung eines ägyptischen Frachters verhindert. Unsere Truppe hat sich im Verlauf der Mission als eine schlagkräftige und verlässliche Einheit erwiesen, und ich bin stolz auf unsere Männer und Frauen, die ihren Dienst am Horn von Afrika leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Vielzahl der Angriffe zeigt, wie zwingend notwendig unser Eingreifen war. Freie Seewege am Horn von Afrika sind für Deutschland als Handelsnation absolut unerlässlich. (Zuruf von der LINKEN: Das ist ein Schulaufsatz!) Außerdem ist Atalanta unabdingbar, um den Korridor für Hilfslieferungen nach Somalia offenzuhalten. Durch unseren Einsatz versiegen auch die Einnahmequellen inländischer Terroristen. Jede verhinderte Schiffsentführung blockiert eine Modernisierung und Professionalisierung der Piraten und damit auch deren niederträchtiges Geschäftsmodell. Die jetzt ausbleibenden Millionen, die nun nicht mehr als Lösegeld erpresst werden, können auch nicht in Waffen und Munition investiert werden. Die Zahl der Angriffe auf Handelsschiffe hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen: 2010 gab es noch 47 Entführungen und insgesamt 174 Angriffe, 2013 waren es nur noch sieben Angriffe und keine einzige erfolgreiche Entführung. Das ist der Erfolg von Atalanta! Natürlich wissen wir, dass alleine mit Atalanta kein Frieden nach Somalia gebracht werden kann und dass militärische Einsätze alleine nicht reichen, um Armut und Hungersnöte zu verhindern. Aber wir wissen auch, dass die Methode „Hans Guck-in-die-Luft“ den Menschen in Somalia nicht helfen wird. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, militärische Operationen sollten immer mit einem zivilen Ansatz verbunden werden und stets Ultima Ratio sein. Atalanta bettet sich deshalb in einen vernetzten Ansatz ein. Im Zusammenspiel ressortübergreifender Operationen wollen wir die Lage in Somalia und am Horn von Afrika langfristig stabilisieren. Im Rahmen von EUTM Somalia legen wir den Grundstein für eine staatliche Sicherheitsstruktur. Mit EUCAP Nestor bereiten wir den Weg für einen selbstständigen Küstenschutz. Mit über 300 Millionen Euro beteiligen wir uns an der humanitären Hilfe in Somalia. Die GIZ ist aktiv, um die Lage der Binnenflüchtlinge zu verbessern, und nicht zuletzt verzeichnen wir durch unseren erfolgreichen Beitrag an Atalanta einen stetigen Rückgang von Piratenangriffen. So kann erfolgreiche Sicherheitspolitik aussehen. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Gabi Weber das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gabi Weber (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Die SPD-Fraktion unterstützt die Verlängerung des Atalanta-Einsatzes und wird dem vorliegenden Mandat zustimmen. Mit Ausnahme der beiden letzten Male tun wir das seit Beginn des Einsatzes 2008. Bei den beiden vergangenen Verlängerungen hat die SPD gegen die damalige Ausweitung des Mandates -gestimmt. Befürchtet wurden damals unerwünschte -Verwicklungen in einen Bürgerkrieg an Land. Unsere Befürchtungen sind jedoch nicht eingetreten. Unsere damalige parlamentarische Zurückhaltung hat sicher im Sinne einer Kontrolle der damaligen Bundesregierung gewirkt und dazu beigetragen, Strandeinsätze auf ein Minimum zu begrenzen. Echte politische Auseinandersetzungen leben von überzeugenden Argumenten. Wir sind an dieser Stelle überzeugt worden. So viel zum Vorwurf von vorhin, wir würden unsere Position von damals verschleiern. Das tun wir nicht. (Beifall bei der SPD) Der Atalanta-Einsatz ist allerdings im regionalen Kontext zu sehen. Im strategischen Rahmen der EU für das Horn von Afrika engagiert sich Deutschland auf vielfältige Weise, manche würden sogar sagen: ganzheitlich. Die zivile Mission EUCAP NESTOR unterstützt mehrere Länder der Küstenregion Ostafrikas beim Aufbau von eigenen maritimen Kapazitäten im Bereich der Küstenwache und des Küstenschutzes. Im Rahmen der Trainingsmission EUTM Somalia bildet die Bundeswehr seit diesem Jahr auch wieder in Mogadischu somalische Sicherheitskräfte aus. Heute verlängern wir das Mandat für EU NAVFOR Somalia – Operation Atalanta, das die genannten Bemühungen von Seeseite unterstützt und für sichere See- und Handelswege am Horn von Afrika sorgt. In diesem Zusammenhang danke ich den deutschen Soldatinnen und Soldaten der Marine für ihren Einsatz, die leider noch allzu oft sehr lange Abwesenheitszeiten von zu Hause hinnehmen müssen, um ihren Auftrag zu erfüllen. Um aber tatsächlich von einem ganzheitlichen Ansatz sprechen zu können, sind weitere Entwicklungsmaßnahmen im Landesinneren notwendig. Hier können und müssen wir mehr machen als bisher. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]) Piraterie fällt nicht vom Himmel. Meist stecken die Menschen in einer Notsituation, und kriminelle und terroristische Gruppen wie die Schabab-Milizen machen sich dies zunutze und schicken wehrlose Fischer auf hochgefährliche Missionen auf See. Die durch Schiffskaperungen erzielten Einnahmen wiederum führen dazu, das Land weiter zu destabilisieren. Das ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir übernehmen die Verantwortung, für stabile und sichere Verhältnisse zu sorgen. Der beste Schutz der Handelswege wäre eine Verbesserung der Bedingungen für die Menschen im Land und an der ostafrikanischen Küste. Ganz richtig: Im Rahmen von Atalanta können wir nur die Symptome der fragilen Situation in Somalia bekämpfen. Gegen die Ursachen hingegen engagieren wir uns entwicklungspolitisch. Das sollte man allerdings nicht in einem integrierten Mandat vermischen. Beide Maßnahmen, militärische und entwicklungspolitische, müssen parallel erfolgen. In den letzten fünf Jahren betrug der deutsche Anteil an der -humanitären Hilfe der EU-Kommission für Somalia 313 Millionen Euro. Sie sind unter anderem an das Rote Kreuz, den Roten Halbmond und – ganz wichtig – -humanitäre NGOs geflossen. Auch Nahrungsmittelhilfe finanzieren wir in nicht unerheblichem Maße: alleine 25 Millionen Euro für kenianische Flüchtlingslager. Wirklich tiefgreifend kann dieses Engagement nur sein, wenn somalische zivilgesellschaftliche und staatliche Strukturen gestärkt und wirtschaftliche Perspektiven für die Menschen geschaffen werden. Der sogenannte New Deal Compact, der vergangenen September zwischen der somalischen Regierung und internationalen Geldgebern in Brüssel verabschiedet wurde, verfolgt daher fünf Ziele: erstens, alle Seiten einzubinden, zweitens Sicherheit und, damit verbunden, drittens Rechtssicherheit für die Bevölkerung herzustellen, viertens Grundlage für ökonomisches Wachstum durch den Ausbau der Infrastruktur und fünftens – das ist für die Menschen ganz wichtig – Ausbau von staatlichen Dienstleistungen. Daran beteiligt sich Deutschland bis 2016 mit 90 Millionen Euro. An dieser Stelle wird deutlich, wie Entwicklungshilfe parallel zu dem, was wir militärisch tun, sinnvoll eingesetzt wird. Damit können wir diesem Staat wirklich helfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein umfassender Ansatz ist der einzige Weg zu einer Lösung, um langfristig Frieden im Land zu erreichen und Somalia effektiv zu helfen. Diesen Weg wollen wir gehen. Aus diesem Grund stimmen wir diesem Mandat heute zu. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Petra Pau (DIE LINKE): Das Wort hat der Kollege Ingo Gädechens für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um die notwendige Aufmerksamkeit für den letzten Redebeitrag in dieser Debatte. Ingo Gädechens (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hätten wir nicht so ein wunderschönes warmes Wetter, wären wir in einer anderen Jahreszeit, könnten wir -singen: „Alle Jahre wieder“. Es geht erneut um die Verlängerung eines aus meiner Sicht überaus erfolgreichen Mandats. Es geht um die Fortführung der Mission -Atalanta. Da wir in relativ kurzen Abständen, Jahr für Jahr, über diese Fortsetzung beraten, ist in der Vergangenheit und auch in der heutigen Debatte sehr viel Richtiges und Wichtiges, aber seitens der Opposition auch erneut viel Falsches gesagt worden. Ich will an dieser Stelle weder auf Herrn van Aken noch auf Frau Wagner eingehen; denn der Saal füllt sich, und wir alle wollen der namentlichen Abstimmung entgegenschreiten. Der Antrag der Grünen – Sie fordern mehr Evaluierung und die Bekämpfung der Ursachen; das wollen wir auch – ist eher plakativ. Denn neben dem Schutz der Schiffe des World Food Programme – es wurde bereits gesagt: 170 Schiffe haben den Hafen sicher erreicht – ist das Engagement Deutschlands im Rahmen der EU zur Unterstützung der Sicherheitsinstitutionen in Somalia umfassend eingebettet, um auch die zivilgesellschaftlichen und staatlichen Strukturen in Somalia zu stärken, wo immer es nur geht. Die Bundesregierung fördert seit Jahren in großem Umfang Maßnahmen der humanitären Hilfe. Sie beliefen sich in den Jahren 2008 bis 2013 auf über 313 Millionen Euro. Darüber hinaus wurden 35 Millionen für Hilfsorganisationen – auch sie sind in der Debatte schon erwähnt worden – und andere NGOs zur Verfügung gestellt. Deutschland wird damit seiner Verantwortung in der Welt und erkennbar auch in dieser notleidenden Region gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU) In einigen Reden wurde den Soldatinnen und Soldaten Dank ausgesprochen. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Deutsche Marine aber derzeit lediglich über elf Fregatten und fünf Korvetten verfügt, die für den Einsatz am Horn von Afrika geeignet sind. Auch in dieser Debatte möchte ich die überaus schwierige Situation in der Marine ansprechen. Dabei geht es nicht nur um Personal, sondern auch um das vorhandene Material, also um die Schiffe, die in den ständigen NATO-Einsatzverbänden in ungeplanten Einsätzen wie zum Beispiel zum Schutz der „Cape Ray“, aber ganz besonders im Einsatz UNIFIL und im Atalanta-Mandat über Gebühr strapaziert werden. Darüber hinaus sorgen in gewissen Zeiträumen unsere Marineflieger mit den Seefernaufklärern für ein besseres Lagebild in diesem sehr groß dimensionierten Seegebiet. Das alles erfordert Logistik, technische Wartung und auch Betreuung der Kräfte an Land. Viele der Außen- und Verteidigungspolitiker haben die Soldatinnen und Soldaten am Horn von Afrika im Versorgungshafen Dschibuti besucht. Auch dieser Staat Dschibuti mit der gleichnamigen Hafenstadt war und ist ein zunehmend wackeliger afrikanischer Staat. Ich denke, flankierend haben die Besuche und vor allem die Gespräche mit den Regierungsvertretern vor Ort geholfen, den Weg für geordnetere Strukturen zu ebnen. Dank deutscher Hilfe ist es zum Beispiel gelungen, nicht nur ein flächendeckendes Funknetz, sondern auch eine Organisationsstruktur in die bis dahin relativ verwahrloste örtliche Polizei zu bringen. Es sind manchmal die kleinen Gesten, Handreichungen und anpackenden Hilfen, die einem Staat Zuversicht und Selbstbewusstsein geben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) All das sind gute Synergieeffekte am Rande der Mission Atalanta, die positiv wirken. Die Bundesverteidigungsministerin Frau von der Leyen hat es mehrfach ausgeführt, und auch der Außenminister hat es vorgestern in der Ausschusssitzung gesagt: Die Forderungen vieler Staaten der Welt und die Appelle an die Bundesrepublik Deutschland sind vielfältig und gehen zumeist über das hinaus, was unser Land zu leisten in der Lage ist. Es gilt immer wieder in ehrlicher Selbstbestimmung und kritischer Abwägung festzulegen, wo, mit welchen Mitteln, in welchem Umfang und wie wir in der friedlichen Staatengemeinschaft unseren ganz eigenen Beitrag leisten wollen, ja leisten müssen. Die Staatengemeinschaft erwartet von uns, dass sich die Bundesrepublik Deutschland weiterhin am Atalanta-Mandat beteiligt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1486, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/1282 anzunehmen. Mir liegen inzwischen sechs Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor. Diese nehmen wir entsprechend unseren Regeln zu Protokoll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass wir im Anschluss an diese namentliche Abstimmung die geheime Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes vornehmen werden. Des Weiteren werden wir danach noch drei namentliche Abstimmungen durchführen, eine namentliche -Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 8 und zwei namentliche Abstimmungen zum Tagesordnungspunkt 9. Diese namentlichen Abstimmungen finden in circa zwei bzw. drei Stunden statt. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen und die Abstimmungsurnen an die entsprechenden Plätze zu bringen. Sind alle Schriftführerinnen und Schriftführer an ihrem Platz? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die schon abgestimmt haben, Platz zu nehmen. – Nach dieser namentlichen Abstimmung kommen wir zu einer weiteren Abstimmung. Erst danach kommen wir zu einer Wahl mit Wahlscheinen. Wer seinen Wahlausweis übrigens noch nicht hat, kann sich diesen für den nächsten Tagesordnungspunkt schon einmal aus seinem Abstimmungsfach besorgen. In jedem Fall werde ich die weitere Abstimmung und auch die Wahl nicht aufrufen, bevor wir nicht von hier vorne die Abstimmungsergebnisse bei einfachen Abstimmungen zweifelsfrei feststellen können. Dazu ist es notwendig, dass Sie sich bitte wieder hinsetzen und uns den Blick frei machen. Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abgeben konnte? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die im Moment hier vorne keine Aufgabe haben, uns den Blick in die Fraktionen frei zu machen, damit ich mit der Abstimmung fortfahren kann. Ich bitte, beim nächsten Mal etwas aufmerksamer zu sein. Es könnte im Übrigen helfen, wenn der Geräuschpegel insgesamt etwas heruntergeschraubt würde, damit alle Kolleginnen und Kollegen mitbekommen, dass sie zur Abstimmung gerufen sind. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1491. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der antragstellenden Fraktion Bündnis 90/Die Grünen durch die übrigen Fraktionen abgelehnt, wobei ich bemerke: Wir sind uns hier vorne einig, dass die Hände, die die Gegenstimmen anzeigten, in der Mehrzahl waren gegenüber den Händen, die aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhoben wurden. Wir konnten hier aber keinen einheitlichen Willen von Fraktionen in der Abstimmung feststellen. Ich bitte also darum, die notwendige Aufmerksamkeit für die folgenden Tagesordnungspunkte aufzubringen. Das gilt wiederum für alle Fraktionen des Hauses. Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Nach § 5 Absatz 1 des Gesetzes über den Bundesrechnungshof wählen der Deutsche Bundestag und der Bundesrat jeweils ohne Aussprache auf Vorschlag der Bundesregierung den Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Bundesregierung schlägt mit Schreiben vom 16. Mai 2014 vor, Herrn Kay Scheller zum Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu wählen. Herr Scheller hat auf der Ehrentribüne Platz genommen. Herr Scheller, ich grüße Sie hiermit herzlich. (Beifall) Nun bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Die Wahl ist geheim. Zur Wahl sind die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, das heißt mindestens 316 Stimmen, erforderlich. Sie benötigen Ihren Wahlausweis sowie einen Stimmzettel mit Wahlumschlag. Den Stimmzettel mit Umschlag erhalten Sie an den Ausgabetischen neben den Wahlkabinen. Den Wahlausweis entnehmen Sie bitte, soweit das noch nicht geschehen ist, Ihrem Stimmkartenfach. Da die Wahl geheim ist, dürfen Sie Ihren Stimmzettel nur in einer der Wahlkabinen ankreuzen und in den Wahlumschlag legen. Die Schriftführerinnen und Schriftführer sind verpflichtet, jeden zurückzuweisen, der seinen Stimmzettel außerhalb der Wahlkabine angekreuzt und in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann in diesem Falle vorschriftsmäßig wiederholt werden. Gültig sind Stimmzettel mit einem Kreuz bei „Ja“, „Nein“ oder „Enthalte mich“. Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmzetteln sowie Stimmzettel, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Bevor Sie den Stimmzettel in eine der aufgestellten Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis einem der Schriftführer an der Wahlurne. Ich weise darauf hin, dass der Nachweis der Teilnahme an der Wahl nur durch die Abgabe des Wahlausweises erbracht wird. Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Wahl. Haben alle Kolleginnen und Kollegen des Hauses Ihre Stimme abgegeben? (Zurufe: Nein!) Haben jetzt alle Kolleginnen und Kollegen Ihre Stimme abgegeben? – Ich sehe, das ist der Fall. Ich schließe damit die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Wahl wird Ihnen später bekannt gegeben. Ich gebe Ihnen jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta bekannt: abgegebene Stimmen 582. Mit Ja haben gestimmt 461, mit Nein haben gestimmt 70, Enthaltungen 51. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 579; davon ja: 458 nein: 70 enthalten: 51 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Tino Sorge Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoguz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Gülistan Yüksel Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Nein SPD Klaus Barthel Marco Bülow Petra Hinz (Essen) Cansel Kiziltepe Hilde Mattheis René Röspel Swen Schulz (Spandau) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sylvia Kotting-Uhl Christian Kühn (Tübingen) Monika Lazar Peter Meiwald Beate Müller-Gemmeke Lisa Paus Corinna Rüffer Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Edelgard Bulmahn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Renate Künast Markus Kurth Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Irene Mihalic Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Dr. Valerie Wilms Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Begrenzung und Vereinheitlichung der Zinssätze für Dispo- und Überziehungskredite Drucksache 18/807 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Finanzausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Begrenzung von Dispositions- und Überziehungszinsen Drucksache 18/1342 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Finanzausschuss Ich bitte Sie, dazu Platz zu nehmen. – Danke schön. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Caren Lay, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Knietief im Dispo ist nicht nur der bekannte Titel des Comeback-Albums der Band Fehlfarben, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was für ein Album?) sondern es ist auch traurige Realität für viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Jeder fünfte Deutsche hat sein Konto schon einmal überzogen. Viele Menschen, die davon betroffen sind, haben keine Möglichkeit, aus dieser Überschuldungsfalle herauszukommen. Deswegen fordern wir als Linke zum fünften Mal in diesem Hohen Haus: Eine Begrenzung der Dispozinsen muss endlich her. (Beifall bei der LINKEN) Wer im Dispo steckt, dem kommt es ganz schön teuer zu stehen. Die Banken verlangen im Schnitt über 11 Prozent, wenn Bürgerinnen und Bürger im Dispo stecken. Aber ich frage mich zugleich: Was machen eigentlich die Banken, wenn sie frisches Geld brauchen? Die Banken machen es sich einfach. Die Banken gehen zur Europäischen Zentralbank und bekommen dort ihr frisches Geld zu einem Schnäppchenpreis. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt derzeit bei dem historischen Tief von 0,25 Prozent. Zu diesem Prozentsatz bekommen die Banken ihr Geld. Schauen wir uns dies einmal näher an. Auf der einen Seite haben wir 0,25 Prozent Zinssatz für die Banken, und auf der anderen Seite fast 11,3 Prozent für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das ist eine Gewinnmarge von über 11 Prozent. Man könnte auch sagen: Es ist Abzocke auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir Linke sagen: Diese Bereicherung der Banken auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger muss endlich beendet werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sprechen hier nur von den Durchschnittswerten. Sehen wir uns die Höchstwerte an, dann wird es nur noch schlimmer. Bei der Volksbank Feldatal liegen die Dispozinsen beispielsweise bei 15 Prozent. Oder nehmen wir die Überziehungszinsen: Da liegt der Durchschnittswert bei 16 Prozent, und es gibt Höchstwerte von 22 bis 23 Prozent. Das kann wirklich nicht sein. Meine Damen und Herren, ich habe es bereits erwähnt: Die hohen Zinsen treffen die Schwächsten, vor allen Dingen diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die keine Chance haben, einen anderen Kredit zu bekommen. Das sind diejenigen, die vielleicht auf den letzten Drücker den Strom, die Miete bezahlen müssen, damit sie nicht aus ihren Wohnungen fliegen. Auch deswegen verstehe ich nicht, dass die Politik es weiterhin sehenden Auges zulässt, dass die Banken hier Milliardengewinne machen; denn an jedem einzelnen Prozentpunkt des Dispo verdienen die Banken 400 Millionen Euro jährlich. Da kommt ganz schön was zusammen. Das kann so einfach nicht sein. (Beifall bei der LINKEN) Das alles hätte längst vermieden werden können. Vor fünf Jahren hat die Fraktion Die Linke hier zum ersten Mal einen Antrag zur Deckelung der Dispozinsen eingebracht. Wir haben hier inzwischen vier Initiativen vorgelegt, über die abgestimmt wurde; sie sind allesamt abgelehnt worden, und es ist einfach nichts passiert. Wir hatten in der letzten Legislatur eine Verbraucherministerin, die immer gesagt hat, dass sie das nicht gut findet. Dann hat sie die Banken zum Kamingespräch eingeladen. Da wurde ein bisschen geschimpft, und am Ende kam eine lasche Selbstverpflichtung heraus, aus der nichts geworden ist. Dann gab es einen neuen Hoffnungsträger: Peer Steinbrück von der SPD. Er hat sich unserer Forderung im Grunde angeschlossen; das fanden wir sehr gut, das haben wir begrüßt. Da war vor einem Jahr von „Wucher“ die Rede; es hieß, das müsse gestoppt werden, die Zinssätze müssten gedeckelt werden. Da war gerade wieder Wahlkampfzeit. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Sie diese Forderung in der letzten Legislatur unterstützt haben, ich frage mich ehrlich gesagt, wer für Sie eigentlich den Koalitionsvertrag verhandelt hat. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wir haben einen eigenen Vorschlag gemacht, einen handhabbaren!) Es scheint mir so, als habe sich hier die CDU/CSU, die das schon immer durchweg blockiert hat, komplett durchgesetzt. Dazu heißt im Koalitionsvertrag ganz lapidar, dass der Dispokredit „nicht zu einer übermäßigen Belastung“ führen solle, dass es „einen Warnhinweis“ auf dem Kontoauszug gebe solle – einen solchen Warnhinweis gibt es schon heute: Ein fettes Minus ist ja wohl Warnhinweis genug – und dass dann eine „Beratung“ angeboten werden solle. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Jetzt wird gehandelt!) Meine Damen und Herren, das kann doch wirklich nicht sein. Das ist doch eine lasche Formulierung. Beratung statt Problemlösung – das ist Unsinn. Ein engagierter Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern sieht nun wirklich anders aus. Immerhin hat sich die Forderung, die wir von der Fraktion Die Linke aufgestellt haben, nach und nach durchgesetzt. Ich freue mich sehr, dass die Verbraucherschutzministerkonferenz in der letzten Woche einen entsprechenden Beschluss gefasst und die Bundesregierung aufgefordert hat, einen gesetzlichen Deckel einzuziehen. Es handelte sich übrigens um einen Antrag des rot-rot regierten Landes Brandenburg. Darüber freuen wir Linke uns natürlich ganz besonders. (Beifall bei der LINKEN) Ich freue mich auch, dass dieser Antrag im Bundesrat eine Mehrheit gefunden hat. Die Union hat ja hier, wenn die Einführung eines gesetzlichen Deckels für den Dispo wieder einmal ausgesessen und verhindert wurde, vor allen Dingen immer argumentiert: Na ja, es gibt eine Wahlfreiheit der Verbraucher; sie sind mündig und können einfach mal ihr Konto wechseln. – Abgesehen davon, dass es immer noch kein Recht auf ein Girokonto gibt, ist es sinnvoll, sich mit den Fakten vor Ort zu beschäftigen. Ich habe bei mir im Wahlkreis den Versuch gemacht; ich kann Sie nur auffordern, das auch selbst einmal zu tun. Man findet vielleicht eine Internetbank, die einen Dispo von etwa 8,5 Prozent gewährt. Aber da muss ich fragen: Für welche Rentnerin ist das denn wirklich eine Lösung? Wer eine Filialbank haben möchte, wer es gewohnt ist, buchstäblich zur Kasse zu gehen, wer eine direkte Beratung in Anspruch nehmen will, der kommt auch in meinem Wahlkreis Bautzen nicht mit Dispozinsen unter 10,95 Prozent davon. Deswegen sage ich: Der Bundestag, der Gesetzgeber muss hier endlich handeln. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine Damen und Herren, die Sie diese Debatte verfolgen: Wenn Sie im Saarland wohnen, haben Sie noch eine andere Chance. Hier hat nämlich der Landesverband der Linken Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt, damit wenigstens im Saarland endlich die Dispozinsen gedeckelt werden. Bis zum 22. September haben Sie noch Zeit, Ihre Unterschrift zu leisten. Darum möchte ich Sie, liebe Saarländerinnen, liebe Saarländer, ganz herzlich bitten. Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich: Stimmen Sie heute endlich für unseren Antrag! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Mechthild Heil, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Lay, Unsinn wird trotz ständiger Wiederholung nicht zur Wahrheit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, gilt auch für Ihre altbekannte Forderung nach einer Deckelung der Dispo- und Überziehungszinsen. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was ist denn daran Unsinn?) Sie wiederholen diese Forderungen immer und immer wieder. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Weil sie -richtig sind!) Sie haben es ja eben gesagt: schon fünfmal. Glauben Sie wirklich, so ließe sich guter Verbraucherschutz machen? Ihren Baukasten für Verbraucherschutzkonzepte kennen wir allmählich ganz genau: Sie haben Deckel, Sie haben Ampeln, Sie haben Bremsen. Medienwirksam sind diese Schlagworte, das gebe ich zu; aber sie lösen keines der uns bekannten Probleme. Ihre Problemanalyse ist genauso vereinfachend und wirklich mager: Die Leitzinsen sind niedrig, trotzdem müssen die Kunden Wucherzinsen zahlen. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: So ist es ja auch!) Dann der Ruf der Linken nach dem Staat – wir kennen das –: Der Staat muss deckeln. – Es interessiert Sie nicht, dass die Höhe der Dispozinsen nur bedingt mit dem Refinanzierungszinssatz für die Banken zu tun hat. Auch Verwaltungskosten und das Ausfallrisiko spielen für Sie überhaupt keine Rolle. (Zuruf von der LINKEN: Was? – Caren Lay [DIE LINKE]: Doch, 5 Prozent mehr!) Aber – das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen –: Nicht alle Banken sind gleich. Es gibt verschiedene Bankmodelle, die unterschiedliche Konstruktionen haben – Sie haben es selbst gesagt –: Eine Direktbank hat im Gegensatz zu einer Bank mit großem Filialnetz vielleicht ganz andere Möglichkeiten, zu finanzieren; denn sie hat weniger Miet- und Personalkosten. Aber das alles interessiert Sie nicht! Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Heil, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Lay? Mechthild Heil (CDU/CSU): Aber gerne. Caren Lay (DIE LINKE): Vielen lieben Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Die Zuhörerinnen und Zuhörer mussten fast den Eindruck gewinnen – so befürchte ich –, als wollten wir Linke, dass für die Kunden das Gleiche wie für die Banken gelten muss, nämlich der Leitzins der Europäischen Zentralbank, der derzeit bei 0,25 Prozent liegt. Deswegen ist meine Frage: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass wir als Linke nicht fordern, diesen eins zu eins umzusetzen, sondern vielmehr gefordert haben, dass der Dispozinssatz maximal 5 Prozentpunkte über diesem Leitzinssatz liegt? Bei diesem Vorschlag der Linken müsste doch immer noch genügend Geld für die Verwaltungstätigkeit und auch ein bisschen Geld für die Gewinne der Banken übrig bleiben. Haben Sie also zur Kenntnis genommen, dass wir einen durchaus moderaten Vorschlag machen? Mechthild Heil (CDU/CSU): Vielen Dank für die Frage. – Sie wiederholen das, was Sie eben schon einmal gesagt haben: Sie wollen, dass der Dispozinssatz 5 Prozent über dem Leitzinssatz liegt. Das ist für mich ein fester Deckel. Sie haben selber darauf hingewiesen, dass Sie das hier im Bundestag schon fünfmal gefordert haben, aber deswegen wird es nicht besser: Es bleibt ein fester Deckel. Zu beweglichen Lösungen fällt Ihnen nichts ein. Wirkliche Antworten auf die Probleme geben Sie nicht. – Die Frage ist damit beantwortet; ich sage Ihnen aber gleich gerne noch etwas zur Höhe der Zinssätze in meinem Wahlkreis. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wie schwach! Wie schwach!) Sie interessieren sich nicht für die wirklichen Probleme. Mit einer Obergrenze scheren Sie alle Banken über einen Kamm. Das ist – ganz klar – Ihre Meinung. Das ist sozialistische Politik, das kennt man; aber mit sozialer Marktwirtschaft hat das nichts zu tun. Denn es gibt auch unter den Banken Wettbewerb, der den Verbrauchern am Ende nutzt. Es gibt zum Beispiel Banken, die einen sehr günstigen Zinssatz anbieten. Der niedrigste Dispozinssatz, den ich gefunden habe, beträgt aktuell 4,2 Prozent und liegt somit weit unter dem Deckel, den Sie hier fordern. Würden wir dem also folgen, was Sie hier fordern, würden genau die Banken, die jetzt günstiger sind, ihren Dispozinssatz nach oben, an die von Ihnen geforderte Grenze, anpassen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Marktwirtschaft funktioniert anders!) Der Deckel schadet also den Verbrauchern. Er nützt ihnen nichts. Der Deckel ist weder zielführend noch verbraucherfreundlich. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) Was Sie vorlegen, ist einfach nicht durchdacht. Unser Ansatz ist ein komplett anderer. Wir haben und wir werden die Banken auch in Zukunft nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Die Banken müssen sehr genau prüfen, ob ihre Zinsen angemessen oder notwendig sind. Und sie müssen ihre Preise und Zinssätze nicht nur transparent machen, sondern auch für jeden Kunden deutlich sichtbar aushängen. Das haben wir schon in der vergangenen Wahlperiode angeschoben, und es hat Wirkung gezeigt. Einige Banken haben ihre Zinssätze gesenkt, einige haben den höheren Zinssatz für die geduldete Überziehung, die über das eingeräumte Limit hinausgeht, an den niedrigeren Dispozinssatz angepasst. Der politische und auch der öffentliche Druck hat also Bewegung in die Branche gebracht. So macht man das, und nicht mit einem Deckel, wie Sie das wollen. Seien Sie doch einmal ehrlich – auch das muss hier einmal gesagt werden –: Kein einziger Fall von Überschuldung wird gelöst oder auch nur entschärft, indem wir die Dispozinsen deckeln. Deshalb haben ja auch die Schuldnerberater aufgeschrien, als einige Banken angekündigt haben, den höheren Zinssatz für die geduldete Überziehung abzuschaffen; denn damit würde ja auch eine Schwelle auf dem Weg zur weiteren Überschuldung abgeschafft. Genau an dem Punkt müssen wir doch ansetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen eine gute Schuldnerberatung, und wir brauchen gute Beratung hinsichtlich der Umschuldungsmöglichkeiten, wenn ein Verbraucher über längere Zeit im Dispo steckt. Außerdem wollen wir einen Warnhinweis beim Übertritt in den Dispo einführen. Am Ende geht es doch nicht um Verbote oder um einen Deckel. Wir wollen den Verbraucher befähigen, seine Finanzen selbst in die Hand zu nehmen, vielleicht sogar die Bank zu wechseln, wenn eine andere Bank ein besseres Angebot macht. Der Kunde, der Verbraucher kann die Bank zwingen, bessere Angebote zu machen. Diese Marktmacht, die der Kunde hat, müssen die Verbraucher nutzen. Deshalb setze ich mich auch in dieser Legislaturperiode besonders für die Stärkung der -Finanzkompetenz ein. Lassen Sie uns gemeinsam an Lösungen für die wirklichen Ursachen des Problems der Überschuldung arbeiten, anstatt hier Symptomkosmetik zu betreiben. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bekannt: abgegebene Stimmen 579. Mit Ja haben gestimmt 538, mit Nein haben gestimmt 25, Enthaltungen 16. Herr Kay Scheller hat damit die erforderliche absolute Mehrheit erreicht. Ich spreche Herrn Kay Scheller zu seiner Wahl durch den Deutschen Bundestag die Glückwünsche des Hauses aus. Ich werde das Ergebnis der Wahl der Frau Bundeskanzlerin und dem Herrn Präsidenten des Bundesrates mitteilen. (Beifall) Die nächste Rednerin in der Debatte ist Frau Nicole Maisch, Bündnis 90/Die Grünen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen endlich ein Gesetz mit einer Obergrenze für Dispo-Zinsen. … Nie war Geld für die Banken so billig. Aber die Kunden … müssen für ihren Dispo-Kredit im Durchschnitt über zehn Prozent zahlen. Das ist Abzocke! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es wundert mich, dass die SPD an dieser Stelle nicht klatscht; denn das waren nicht meine Worte, sondern die Worte ihres Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, die er der Bild-Zeitung zu Protokoll gegeben hat. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hätten Sie vorher sagen müssen!) Auch Ihrem Kanzlerkandidaten, Herrn Steinbrück, konnten im Bundestagswahlkampf die Worte gar nicht markig genug sein. Er forderte in Interviews eine Deckelung der Zinsen, um den Wucher der Banken zu begrenzen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Richtig! Alles richtig!) Legal sollte nur noch ein Aufschlag von maximal 8 Prozentpunkten möglich sein. Das hat er im Wahlkampf 2013 den Journalistinnen und den Journalisten in die Feder diktiert. Auch der heutige Verbraucherschutzminister Maas stellte sich als stellvertretender Ministerpräsident des Saarlandes selbstverständlich hinter eine gesetzliche Begrenzung der Dispozinsen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Bravo!) Abzocke, Wucher, gesetzliche Begrenzung – dazu kann ich nur sagen: gut gebrüllt, rote Löwen! Aber nach sechs Monaten Großer Koalition sind von den Löwen nur noch sozialdemokratische Kätzchen übrig geblieben. (Zurufe von der SPD: Oh!) Von der Forderung nach einem gesetzlichen Deckel für Dispozinsen hat sich die SPD still und leise verabschiedet und schleicht jetzt schnurrend der Union und den Banken um die Beine. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Statt klare Kante gegen Marktversagen und Abzocke zu zeigen, speist Justizminister Maas die Bankkunden mit Placebos ab. Wir finden es ja schön, wenn in Zukunft auf dem Überweisungsträger oder den Kontoauszügen steht: „knietief im Dispo“, aber mal ehrlich: Das wird den Bankkundinnen und -kunden nicht helfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Situation der Bankkunden hat sich nämlich in der Vergangenheit nicht wesentlich verbessert. Durchschnittlich zahlt man über 11 Prozent Dispozins – meine Vorrednerin von der Linken hat es angesprochen – und bis zu 22,5 Prozent für die geduldete Überziehung. Das ist wirklich Abzocke. Das ist wirklich Wucher. Ich habe mich gewundert, dass Frau Heil nicht ein bisschen mehr Mitgefühl mit den Leuten, die im Dispo stecken, aufgebracht hat. Schließlich kommt sie aus der Selbstständigkeit und sollte wissen, dass auch Selbstständige in den Dispo rutschen, wenn zum Beispiel ihre Auftraggeber am Ende des Monats noch nicht gezahlt haben. Der Dispo ist keineswegs nur ein Kredit für die, die mit ihren Finanzgeschäften zu Hause nicht zurechtkommen, sondern betrifft auch viele Selbstständige. Da ist es besonders übel, wenn die Zinsen so hoch sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Tagesgeldkonto oder Sparbuch bringen kaum noch Zinsen, aber beim Dispo wird hingelangt, als befänden wir uns in historischen Hochzinszeiten. Damit sollte Schluss sein. Das meinen auch die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder. Wir fordern Sie auf: Folgen Sie dem Beschluss der VSMK vom 16. Mai! Legen Sie einen Gesetzentwurf vor, um Dispozinsen gesetzlich zu begrenzen! Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir fordern Herrn Maas auf, ein entsprechendes Konzept vorzulegen, so wie er es im Wahlkampf versprochen hat. Es gibt Vorschläge der Linken, und es gibt Vorschläge der SPD aus der letzten Legislatur. Wir möchten Ihnen zwei weitere Vorschläge machen: Sie könnten die bestehende Wuchergrenze in § 138 BGB präzisieren. Das ist nichts Sozialistisches, Exotisches oder Ungewöhnliches, sondern ein solches Verfahren ist der deutschen Rechtsordnung durchaus bekannt. Sie könnten auch den Verzugszins nach § 288 BGB als Modell für einen gesetzlichen Deckel für Dispositions- und Überziehungskredite heranziehen. Ich finde, wir sollten jetzt in ein parlamentarisches Verfahren einsteigen, das die Verbraucherinteressen auf der einen Seite und die Risikokosten, die Verwaltungskosten der Banken auf der anderen Seite in einen fairen Ausgleich bringt. In ein solches Verfahren können wir einsteigen. Dann müssen die Löwen auch nicht mehr als Bettvorleger liegen bleiben. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner für die SPD ist der Kollege Dr. Johannes Fechner. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Johannes Fechner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Auskunft der Schufa sind in Deutschland 6,7 Millionen Menschen überschuldet. Auch wenn diese Zahl in den letzten beiden Jahren erfreulicherweise zurückgegangen ist, haben wir hier als Politiker erheblichen Handlungsbedarf und müssen uns um die Menschen kümmern, die in die Schuldenspirale geraten sind. Die Große Koalition handelt hier. Schon im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, diesen Menschen zu helfen. Wir haben dort ausdrücklich geregelt – ich möchte es zitieren –: Die Inanspruchnahme des Dispositionskredits soll nicht zu einer übermäßigen Belastung eines Bankkunden führen. Daher sollen die Banken verpflichtet werden, beim Übertritt in den Dispositionskredit einen Warnhinweis zu geben; bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme sollen sie dem -Kunden eine Beratung über mögliche kostengünstigere Alternativen zum Dispositionskredit anbieten müssen. Sie sehen, wir nehmen die Probleme ernst. Wir handeln. Das sage ich an die Kollegen von der Opposition gerichtet. (Beifall bei der SPD) Es ist wichtig, dass die Menschen gewarnt werden und frühzeitig erkennen, dass sie ihren Kreditrahmen überschreiten. Schon heute gibt es in der Tat die Pflicht, auf dem Kontoauszug hierüber zu informieren. Aber wir wollen noch weitergehen, und zwar auf einem Feld, das für mich ganz wichtig ist, nämlich auf dem Feld der -Beratung. Denn die Betroffenen sind oft geschäftsunerfahren und haben alle möglichen Probleme, zum Beispiel Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Diese Menschen brauchen Hilfe, weil sie alleine nicht aus der Schuldenspirale herauskommen. Deswegen ist es unser Ziel, die Banken gesetzlich zu verpflichten, mit ihren Kunden in eine Beratung einzutreten. Wir wollen detailliert regeln, dass es eine Beratung hinsichtlich der Finanzsituation der Kunden gibt, dass ihre Leistungsfähigkeit analysiert wird und – das ist ganz wichtig – dass es eine Pflicht der Banken gibt, eine kostengünstigere Alternative zu der jetzigen Kreditsituation anzubieten. Das sind ganz konkrete Maßnahmen. Wir handeln. (Beifall bei der SPD) Es gibt teilweise von einigen Banken die Kritik, dass diese Beratung mit einem hohen Aufwand und mit -hohen Kosten verbunden wäre. Ich meine, man sollte sich anschauen, wie günstig sich Banken Geld leihen können und wie viel Geld sie mit diesem Geschäfts-modell verdienen. Da wird sich Geld für die Beratung finden lassen. Im Übrigen gibt es schon jetzt viele Banken, die von den Dispozinsen absehen, etwa die Sparda-Bank in Baden-Württemberg und die ING-DiBa, die größte europäische Direktbank. Fazit: Sie sehen, dass wir dieses wichtige Thema bearbeiten. Wir handeln, um die Situation der Betroffenen zu verbessern. An dieser Stelle möchte ich dem Justizminister für sein großes Engagement bei diesem Thema ausdrücklich danken. Ich erinnere nur an seinen Meinungsaustausch – ich möchte es einmal so nennen – mit dem Chef der Deutschen Bank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit guten Gründen ist die SPD nach wie vor der Meinung – die SPD hat keinen Grund, hier frühere Positionen aufzugeben –, dass wir eine gesetzliche Deckelung des Dispozinses brauchen. Von einer Kapitulation der SPD in den Koalitionsverhandlungen, wie ich es hier gehört habe, kann überhaupt keine Rede sein. Wir haben gar keine Regelung dieser Frage im Koalitionsvertrag. Nicht zuletzt die Verbraucherschutzministerkonferenz hat ja letzte Woche beschlossen, dass eine gesetzliche Dispobremse in Deutschland eingeführt werden soll, übrigens auch mit den Stimmen der unionsgeführten Länder. Da, Frau Heil, möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Die Dispobremse ist kein Unsinn, sondern sie kann neben der Beratung ein wichtiger Baustein sein, um die Situation der verschuldeten Menschen zu verbessern. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihre Anträge werden wir trotzdem ablehnen. Dafür gibt es gute Gründe: Ihre Handlungsaufforderung – Sie fordern die Bundesregierung ja zum Handeln auf – ist schlicht nicht notwendig. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben einen Justizminister und eine Große Koalition, die vorangehen und die Dinge, die ich genannt habe, auf den Weg bringen. Es geht aber auch um das Inhaltliche: Sie von der Linken sagen überhaupt keinen Ton zur Beratung. Das ist aber ein ganz wichtiges Feld. Den Antrag der Grünen halte ich für viel zu unbestimmt. Wenn Sie eine gesetzlich festgelegte Dispogrenze wollen, dann müssen Sie auch sagen, bei wie viel Prozent sie liegen soll. Dazu sagen Sie aber überhaupt nichts. Das ist zu schwammig. Dem kann ich deshalb nicht zustimmen. Zum Schluss will ich festhalten: Die SPD handelt, weil wir ganz konkrete Verbesserungen für die überschuldeten Menschen erreichen wollen. Die geplanten gesetzlichen Beratungspflichten für die Banken sind ein ganz wichtiger Baustein, um die Situation der verschuldeten Menschen zu verbessern. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Dr. Volker Ullrich. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohe Dispo- und Überziehungszinsen sind in der Tat ein Problem und ein Ärgernis. Es ist den Verbrauchern manchmal nur schwerlich zu vermitteln, weshalb sich Banken bei der Zentralbank zu weniger als 1 Prozent refinanzieren können, die Verbraucher aber Dispo- und Überziehungs-zinsen im zweistelligen Bereich zahlen müssen. Aber es darf nicht der Fehler gemacht werden, davon auszugehen, die Differenz sei der Gewinn, den die Banken einstreichen. Vielmehr sei daran erinnert, dass der Zins auch der Preis für das Risiko und das Entgelt für ein -Filialstruktursystem ist und dass er letzten Endes auch die Verwaltungskosten der Banken abdeckt, die den Verbrauchern durch Dispositionskredite sehr unbürokratisch und schnell zu Liquidität verhelfen. Deswegen ist dieses Thema sehr differenziert, aber, wie ich meine, trotzdem besonnen zu behandeln. Es ist für die Verbraucher nicht ganz unproblematisch, wenn sie hohe Dispozinsen zahlen müssen. Denn gerade für die Menschen in unserer Gesellschaft, die verschuldet sind und versuchen, sich mithilfe von Schuldnerberatungen ihrer Verschuldungssituation zu entledigen, stellt die Höhe dieser Zinsen ein Problem dar, das es ihnen eher erschwert als erleichtert, aus dieser Situation herauszukommen. Deswegen meinen wir, dass hier auch die Banken gefragt sind, einen Beitrag zu leisten, damit das Problem hoher Dispozinsen bei den Verbrauchern nicht überhandnimmt. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: So ist es!) Es sei hier angesprochen, dass unser Staat die Bankwirtschaft in Deutschland in den letzten fünf Jahren, ohne pauschalisierend wirken zu wollen, nicht unbedingt sehr stiefmütterlich behandelt hat. Deswegen meine ich, dass wir von den Banken auch im Rahmen einer Selbstverpflichtung einfordern können, (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das machen Sie aber nicht!) bei den Dispozinsen Augenmaß zu bewahren und die Gesamtsituation der Verbraucher im Auge zu behalten. Wir meinen, es ist der richtige Weg, dass sich die Banken selbst verpflichten, transparenter zu arbeiten, Aufklärungshinweise zu geben und im Falle der dauerhaften Inanspruchnahme eines Überziehungskredits Alternativen aufzuzeigen. Ich glaube, in einer Marktwirtschaft wäre eine solche Selbstverpflichtung, die ohne gesetzlichen Deckel auskommt, ein erster guter Schritt, um den Verbrauchern einen Weg aus der Schuldenfalle aufzuzeigen und gleichzeitig das System der Marktwirtschaft aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der CDU/CSU) Ja, ich meine, die Banken haben die Verpflichtung, die Dispositionszinsen in einem vertretbaren Rahmen zu ihren Refinanzierungskosten zu halten. Ich glaube, dass die Banken den Millionen von Verbrauchern gegenüber, die diese Kredite in Anspruch nehmen – oder in -Anspruch nehmen müssen –, auch eine Verpflichtung haben, so zu handeln, dass diese Kredite nicht in eine Abwärts-, in eine Schuldenspirale führen. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Lassen Sie uns die Ergebnisse dieser Selbstverpflichtung abwarten. Lassen Sie die Banken getreu dem Motto „Mehr Transparenz und Aufklärung“ handeln. Wenn sich keine -Ergebnisse einstellen sollten – was ich persönlich bezweifle –, durch die die Dispositionskreditzinsen langfristig dauerhaft sinken, dann sei es diesem Hause unbenommen, über andere Möglichkeiten nachzudenken. Aber ich meine, wir sollten die im Koalitionsvertrag angesprochenen guten Regelungen jetzt umsetzen, sie jetzt ausprobieren und damit insgesamt ein Zeichen setzen, dass die Balance zwischen den Banken – die die Kredite vergeben – und dem mündigen Verbraucher – der aus unserer Sicht die Möglichkeit hat, zwischen Banken zu wechseln und seine finanziellen Angelegenheiten selbst in Ordnung zu bringen – mit unserem Vorschlag gut gewahrt ist. Das wird dazu führen, dass die Zinsen für Dispo- und Überziehungskredite mittelfristig sinken. Davon haben die Verbraucher etwas. Lassen Sie uns gemeinsam auf diesem Weg weitermachen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Dennis Rohde ist jetzt der nächste Redner für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dennis Rohde (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute schon viel über die Folgen von überhöhten Dispozinsen gehört. Ich glaube allerdings, dass wir mehr und intensiv auch über die Kernproblematik dahinter sprechen sollten; denn zur Wahrheit gehört: Es gibt nicht den einen Grund, warum jemand unter die Dispolinie fällt. Da gibt es die einen, die am Ende des Monats für zwei bis drei Tage in die roten Zahlen rutschen, und dann gibt es diejenigen, die ein strukturelles Problem haben, diejenigen, die sich in einer Schuldenspirale befinden, diejenigen, bei denen rote Zahlen nicht nur ein kurzzeitiges Phänomen sind, sondern wie selbstverständlich zum Leben dazugehören, diejenigen, bei denen der Schuldenturm immer höher und der Berg an Verbindlichkeiten immer erdrückender wird, diejenigen, die nicht nur verschuldet, sondern überschuldet sind. Wenn man sich die einschlägigen Statistiken ansieht – ich weiß das aus meiner Tätigkeit in einer Schuldnerberatungsstelle –, erkennt man: Am Anfang dieser Spirale stehen oft Schicksalsschläge, Dinge, auf die man wenig Einfluss hat. Da ist zum Beispiel der Verlust des Arbeitsplatzes, der gestern noch sicher schien, insbesondere im Niedriglohnsektor, wo man sich keine Reserven aufbauen konnte. Da ist der unerwartete Tod des -Lebenspartners, der keine Lebensversicherung hatte, und plötzlich steht man ohne sein Einkommen da. Da ist der Ausbruch einer Krankheit, die einem die Existenzgrundlage entzieht. Aber da sind auch falsche Finanzprodukte, die im Endeffekt nicht halten, was im Vorfeld versprochen wurde. Wenn sich die Menschen dann – oftmals nach Jahren in der Schuldenfalle – in eine Beratung begeben, hört man zu Beginn des Gespräches fast immer dieselben Sätze: Das war ein unheimlich schwerer Schritt für mich. Ich habe lange mit mir gerungen. Oder: Ich schäme mich. – Obwohl das Gros der Menschen wenig dafür kann, dass sie in die Schuldenfalle geraten sind, findet in unserer Gesellschaft oftmals eine starke Stigmatisierung statt: Überschuldung wird gleichgesetzt mit Schuld daran haben. Gerade dieses gesellschaftliche Problem darf in dieser Debatte nicht unerwähnt bleiben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir müssen also gerade diejenigen schützen, bei denen aus Verschuldung schnell Überschuldung wird. Gerade ihnen müssen wir die Gelegenheit geben, ihren Lebensunterhalt ohne Rückgriff auf riskante Kredite zu bestreiten, die ihnen schaden, anstatt ihnen zu helfen. Teure Kredite werden überdies häufig von Menschen genutzt, die über ein unzureichendes Maß an finanzieller Bildung verfügen. Der Begriff „Informationslücke“ erscheint mir in diesem Zusammenhang reichlich verniedlichend. (Beifall des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Wahrheit ist doch: Viele Produkte im Kredit- und Bankensystem sind so unübersichtlich geworden, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sie selbst kaum verstehen, geschweige denn das Risiko kalkulieren können. Ein Beispiel aus den Vertragsbedingungen einer Bank für einen Ratenkredit: Die Bank ist verpflichtet, auf Verlangen des Kunden den zuletzt fällig werdenden Teil der abgetretenen Ansprüche insoweit auf ihn zu übertragen, als der Umfang der abgetretenen Ansprüche die Höhe der bestehenden Forderung der Bank um mehr als 20 % übersteigt und sich die Forderung um mindestens 20 % seit Vertragsabschluss bzw. seit der letzten teilweisen Rückübertragung verringert hat. Ich frage, ob Sie alles verstanden haben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wunderbar! Alles klar!) Ja, so etwas unterschreiben wir alle, zum Beispiel, wenn wir per Ratenzahlung einen neuen Fernseher, eine Couch oder ein Fahrrad kaufen – ganz normale Dinge, die dank attraktiver Finanzierungsangebote immer öfter finanziert statt bar bezahlt werden. Wir in der SPD-Bundestagsfraktion sind der Ansicht, dass hier dringend etwas passieren muss, wenn wir es mit dem Schutz vor Überschuldung ernst meinen. (Beifall bei der SPD) In Zukunft soll niemand mehr die Risiken eines für ihn falschen Finanzproduktes gutgläubig in Kauf nehmen müssen. Es muss verhindert werden, dass der Strudel aus ständiger Disponutzung und hohen anfallenden Zinsen überhaupt erst beginnt. Im Laufe der Legislatur werden wir deshalb klug durchdachte Lösungen in den parlamentarischen Prozess einbringen, um faire Bedingungen für Finanzprodukte zu schaffen und sie für alle Beteiligten so auszugestalten, dass das geliehene Geld eine echte Hilfe und nicht der Beginn eines finanziellen und privaten Desasters ist. Den Rahmen dafür haben die Bundesminister Maas und Schäuble heute vorgestellt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Olav Gutting, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Olav Gutting (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Höhe von Dispozinsen und Überziehungskrediten: Was für ein Thema für die Politik! Das eignet sich hervorragend für Politiker, um hier zu punkten. (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, machen Sie mal!) Auf der einen Seite sind raffgierige Banken, auf der anderen Seite sind die armen, unwissenden Verbraucher, die natürlich schutzwürdig sind. Hier muss sich die Politik ja dazwischenwerfen und schützend vor die Verbraucher stellen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!) Das ist feinster Populismus, meine Damen und Herren. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Ich halte nichts von einer staatlich verordneten Zinsdeckelung. Natürlich müssen wir Missbrauch aufdecken; Missbrauch muss bekämpft werden. Es gibt ja auch bereits den § 138 im BGB, der Wuchergeschäfte als nichtig betrachtet, und § 291 im Strafgesetzbuch, der Wucher in schweren Fällen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft. Es ist also nicht so, dass hier jeder freie Bahn hätte. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Gutting, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Maisch? Olav Gutting (CDU/CSU): Ja, bitte. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Gutting, danke, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. – Sie sagen: Wer einen Deckel auf die Dispozinsen fordert, betreibt Populismus. Würden Sie Populismus auch den Verbraucherschutzministerinnen und -ministern vorwerfen, die ja zu einem Gutteil auch aus unionsmitregierten Bundesländern kommen? Sind das also auch Populisten und Populistinnen? (Beifall bei der LINKEN – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Selbstverständlich will er das!) Olav Gutting (CDU/CSU): Wenn Sie mich so fragen, dann sage ich Ja. (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Okay! Interessant! – Zurufe von der LINKEN: Oh!) Ich meine, einen Rest Eigenverantwortung müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern schon noch zugestehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein Rest Eigenverantwortung ist auch aus Respekt vor den Menschen notwendig. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die ohne Not in Schulden kommen! Was hat denn das mit Eigenverantwortung zu tun?) – Ihr nehmt ja alle Leute an die Hand, als wären es kleine Kinder, die durch die Welt geführt werden müssen. So ist es aber nicht. Es geht auch um Menschenwürde, und dazu gehört, dass man Respekt vor ihren eigenen Entscheidungen hat. Diese Eigenverantwortung ist uns wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie haben keine eigene Entscheidung!) Wir verfolgen in der Koalition den richtigen Ansatz: Die Banken sind verpflichtet, bei Übertritt in den Dispokredit einen Warnhinweis zu geben. Das ist gut und wichtig; denn manche Leute merken das gar nicht. Bei dauerhafter und erheblicher Inanspruchnahme von entsprechenden Krediten muss eine Beratung über eine kostengünstigere Alternative stattfinden. – Das setzen wir um; das ist richtig, aber auch ausreichend. Es gehört zur Ehrlichkeit in dieser Debatte, zu sagen, dass es der mündige Verbraucher durchaus in der Hand hat, welche Zinsen in welcher Höhe er bezahlt. Es gibt zinsgünstige Angebote am Markt. Kollegin Heil hat das vorhin schon gesagt, und Namen von Banken wurden bereits genannt. Namhafte Anbieter verzichten bereits auf die Erhebung eines Zusatzzinses bei der geduldeten Überziehung eines Dispositionskredites. Hier muss man einfach sagen: Der Verbraucher ist aufgerufen, sich zu informieren und den Wettbewerb zwischen den Banken, den wir in Deutschland Gott sei Dank haben, zu seinem Vorteil zu nutzen. Es gilt aber auch: Wenn Banken für Dispokredite mehr verlangen als für reguläre Darlehen, dann ist das völlig in Ordnung. Es geht jetzt nicht darum, die Banken in Schutz zu nehmen, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein!) aber Unsinn muss man schon richtigstellen. Es ist eben ein Unterschied, ob man einen Dispokredit oder ein reguläres Darlehen vergibt. Ein Dispokredit ist kurzfristig nutzbar, flexibel und ohne Bürokratie zu erhalten. Diesen Nutzungsspielraum für den Verbraucher muss man sich eben mit einem höheren Zinssatz erkaufen. Es gibt keine Prüfung der Bonität, keine Bearbeitungszeit. Der Dispokredit kann sofort in Anspruch genommen werden. Die Risiken dafür müssen von den Banken abgefedert werden; das ist doch völlig logisch. (Lachen des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) All das muss man doch einmal zusammen sehen. Auch die Risikokosten für die Limitüberwachung, das Mahnwesen, das Inkasso, das Vorhalten und die Überwachung, all das ist aufwendig. Die Rechnung, die Sie hier aufmachen, und die Gewinnspannen, von denen Sie reden, sind – Entschuldigung – einfach Unsinn. Es stimmt einfach nicht, wenn Sie sagen: 0,25 Prozent Refinanzierungskosten für die Banken bei 11 Prozent Zinsen für die Bankkunden ergeben 11 Prozent Gewinn. – So funktioniert das nicht. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat niemand behauptet!) Es ist unredlich – das will ich abschließend betonen –, wenn hier immer wieder der Zinssatz der EZB, der Basiszinssatz, in Verbindung mit den Dispokrediten gebracht wird. Es ist doch so, dass sich vor allem Genossenschaftsbanken und Sparkassen nicht in erster Linie über die EZB refinanzieren; vielmehr refinanzieren sie sich über ihr Kundengeschäft, nicht über die Notenbank. Wenn ein Großteil dieser Kundeneinlagen wegen vereinbarter Fristigkeiten überhaupt nicht an den aktuellen Märkten hängt, dann verbilligen sich auch nicht die Refinanzierungsmittel für die Bank, wenn die EZB die Zinsen senkt; sie verbilligen sich maximal mit einer erheblichen Zeitverzögerung. Deswegen ist es unredlich, hier einen Zusammenhang zwischen der Höhe des Leitzinses der EZB und dem Dispozinssatz herzustellen. Auch deswegen werden wir Ihren Antrag heute ablehnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Dr. Carsten Sieling, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Carsten Sieling (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der EZB-Zins bei 0,25 Prozent liegt und der Dispozins im Durchschnitt bei über 11 Prozent liegt – da gibt es noch weitere Extreme –, dann muss man leider davon reden, dass der Markt hier nicht mehr funktioniert. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist Marktversagen, gegen das wir vorgehen müssen. Diese Situation hat es in der Marktwirtschaft in Deutschland nicht immer gegeben, sondern sie ist nach 2008 entstanden. 2008/2009 hat es die Entwicklung gegeben, dass die Dispozinsen extrem gestiegen, nach oben geschossen sind, wodurch diese Entkopplung entstanden ist. In den Jahren vorher war das nicht so: Da gab es eine vernünftige Spannbreite mit einer Differenz zwischen 5 und 6 Prozent. Das kann man als Risikoprämie und Kostenanteil werten. Das ist eine vernünftige Höhe. (Beifall des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE]) Da müssen wir wieder hinkommen. Es ist unsere Aufgabe, politisch darauf hinzuwirken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE]) Es gibt einen Unterschied zur letzten Legislaturperiode. In der letzten Legislaturperiode haben wir alle gemeinsam in diesem Haus mühsam versucht, uns die -Situation zu vergegenwärtigen und sie sich uns klarzumachen. Einige hatten mit Blick auf die Banken schon Vorschläge gemacht, aber wir waren immer noch in der Situation, dass wir an die Wirtschaft nur appelliert haben. Ich sage noch einmal: 2008 hat das Ganze angefangen. Wir appellieren seit langem an die Wirtschaft, und es ist leider nichts passiert. Jetzt ist die Situation eine andere; denn diese Große Koalition hat erstmalig in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben: Wir schauen nicht mehr zu, sondern wir wollen handeln. – Wir handeln mit den Maßnahmen, die dargestellt worden sind: Es wird Warnhinweise geben, es wird eine Verpflichtung geben, anders zu beraten, und viele andere Dinge mehr. Das ist eine gute politische Leistung. Ich finde, darüber könnte sich das ganze Haus freuen. Auch die Opposition könnte sagen: Diese Maßnahmen schützen die Verbraucherinnen und Verbraucher. – Gut, dass wir das in der Großen Koalition so machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will an dieser Stelle auch deutlich sagen, dass wir uns das ansehen werden. Wir haben hier die verschiedenen Aspekte gehört. Wir werden überprüfen müssen, ob diese Maßnahmen greifen. Wir haben im Koalitionsvertrag klar festgelegt: Wir sehen das Problem und wollen es lösen. Dafür schlagen wir entsprechende Wege vor. Wenn diese Wege nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen und auch unsere verstärkten Appelle nichts bringen – wir sehen sehr wohl, dass verschiedene Banken auf diese Appelle reagieren –, wenn das alles nicht fruchtet, dann werden wir über weitere Maßnahmen nachdenken müssen. Wir haben uns vorgenommen, eine Koalition zu sein, die den Markt wieder funktionsfähig macht, die dazu beiträgt, dass die Wirtschaft funktioniert. Die Spaltung der Zinssätze zeigt ein Marktversagen. Dagegen müssen wir vorgehen. Notfalls werden wir das gesetzlich machen müssen – aber nicht jetzt. Vielmehr müssen wir schauen, ob unsere guten Hinweise und unsere gute Politik ausreichen. Deshalb sage ich zu den Verbraucherschutzministern: Es ist richtig, dass Sie darauf hinweisen. Ich freue mich, dass auch die unionsgeführten Verbraucherministerien den Weg in diese Richtung eingeschlagen haben. Das ist doch ein guter Anfang. Aber erst einmal machen wir das, was wir in der Koalition vereinbart haben, und dann werden wir sehen, ob wir auch gesetzlich handeln müssen. Wenn es sein muss, tun wir das. Minister Maas und Minister Schäuble haben, finde ich, heute gute Eckpunkte zur Verbraucherpolitik vorgelegt, die genau in diese Richtung gehen, meine Damen und Herren. So etwas ging in der letzten Legislatur-periode nicht. Da konnte auch der Bundesfinanzminister eine solche Politik nicht angehen, weil wir hier noch eine Fraktion mehr hatten. Die Wählerinnen und Wähler haben den Bundestag konsolidiert. (Heiterkeit bei der SPD) Das stärkt auch den Verbraucherschutz, meine Damen und Herren. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/807 und 18/1342 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c auf: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner Drucksache 18/841 – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner Drucksache 18/1285 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/1488 b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ulle Schauws, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze im Bereich des Adoptionsrechts Drucksache 18/577 (neu) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/1488 c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Katja Keul, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern (revidiert) Drucksache 18/842 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Drucksache 18/1488 Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bzw. der Bundesregierung liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir später namentlich abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange für die Bundesregierung. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Verbots der Sukzessivadoption durch Lebenspartner ist bekannt. Das Urteil muss bis zum 30. Juni dieses Jahres umgesetzt werden. Deshalb haben wir uns mit dem Gesetzentwurf beeilt. Bei aller Eile müssen wir aber auch ein ordentliches Verfahren einhalten. Wir haben mit einer Paralleleinbringung dem Bundesrat die Gelegenheit gegeben, im ersten Durchgang ebenfalls Stellung zu nehmen. Obwohl es schon mehrere Anhörungen zur Adoption durch Lebenspartner im Bundestag gegeben hat und auch das Bundesverfassungsgericht sich in seinem Verfahren durch Sachverständige hat informieren lassen, haben wir im Rechtsausschuss nochmals Sachverständige angehört. Das hat zu wichtigen Erkenntnissen geführt. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz nach der Anhörung lautet: Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen soll unverändert beschlossen werden. Dieser Gesetzentwurf ist eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das heißt: Die vom Gericht getroffene Übergangsregelung, wonach die Adoption des angenommenen Kindes des Lebenspartners möglich ist, wird in das Gesetz aufgenommen. Eine Sachverständigenanhörung führt nur selten zu einem einhelligen Ergebnis. Auch bei der Sukzessiv-adoption waren sich die Sachverständigen nicht einig. Für mich ist das wichtigste Ergebnis der Anhörung: Der Entwurf ist verfassungsgemäß. Das sehen die Sachverständigen in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit so; nur eine Sachverständige ist anderer Auffassung gewesen. Sie hat mich nicht überzeugen können. Folgte man der Auffassung dieser Sachverständigen, so wäre auch die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil gefundene Übergangslösung verfassungswidrig. Das halten wir für abwegig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zwar haben die vier angehörten Praktikerinnen, die die Lebenswirklichkeit von Adoptionen kennen, überwiegend eine weitergehende Umsetzung des Urteils für sinnvoll gehalten. Die Praktikerinnen plädieren mit einer Ausnahme für die Zulassung der gemeinsamen Adoption durch Lebenspartner. Die Praktikerinnen unterscheiden sich darin von den beiden angehörten Staatsrechtlern, aber auch sie befürworten die Regelungsvorschläge der Koalitionsfraktionen jedenfalls als zutreffende Umsetzung des verfassungsgerichtlichen Urteils. Auch dies war unstrittig. Ich sehe mich deshalb darin bestätigt, dass der Entwurf der Koalitionsfraktionen eine richtige und wichtige Lösung vorgibt. Vor allem aber hat sie eine gesellschaftspolitische Dimension, die nicht zu unterschätzen ist. Lebenspartnerschaften sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das hat die Anhörung noch einmal bestätigt. Und es entspricht schon lange der Realität, dass Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren großgezogen werden, was ihnen im Übrigen – darüber besteht Einigkeit – keinesfalls schadet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist in der Sachverständigenanhörung noch einmal eindrucksvoll bestätigt worden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe. Maßgeblich sind immer die Verhältnisse im Einzelfall, die von Jugendamt und Gericht sorgfältig geprüft werden. Der Koalitionsentwurf zur Zulassung der Sukzessiv-adoption ist also ein wichtiger Schritt. Das Kind erhält, wenn auch nacheinander, zwei Eltern und dadurch die Gewissheit, dass ihm zwei Elternteile zur Seite stehen und im Fall des Verlusts eines Elternteils der andere Elternteil bleibt. Weil das Verhältnis zwischen dem Kind und dem bislang allein sozialen Elternteil rechtlich anerkannt wird, wird nicht nur deren Verhältnis, sondern die ganze Familie gestärkt, gerade auch im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Familien, in denen die Eltern gleichen Geschlechts sind, ist sehr wichtig für die Entwicklung und das Wohlbefinden der Kinder, die in solchen Familien aufwachsen. Noch immer erleben viele von ihnen Diskriminierung oder Stigmatisierung. Die Sachverständigen schilderten in der Anhörung Beispiele. Das zu -beschließende Gesetz wird dazu beitragen, Stigmatisierungen dieser Kinder entgegenzuwirken. Mit dem Gesetz sorgen wir dafür, dass auch die betreffenden Kinder das bekommen, was alle Kinder brauchen und verdienen, nämlich Eltern. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Harald Petzold, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, Sie setzen die Widersprüchlichkeit der Argumentation, die durch Herrn Minister Maas bereits in der ersten Lesung vorgetragen wurde, leider fort. Ich kann seitens meiner Fraktion nur sagen: Das, was uns hier vorgelegt wurde, ist eine einzige Enttäuschung vor allen Dingen für die Betroffenen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das betrifft sowohl das Verfahren, das hier angewendet wurde, als auch den Umgang mit der Anhörung und das Ergebnis, das uns zur Abstimmung vorliegt. Sie haben das Verfahren richtig beschrieben. In der Anhörung, die Sie durchgeführt haben, haben fünf von sieben Sachverständigen darauf hingewiesen, dass Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften genauso gut aufwachsen wie in „normalen“ Familien und dass damit kein Grund gegeben ist, einer Volladoption den Weg nicht zu ebnen. (Beifall bei der LINKEN) Trotzdem legen Sie uns heute diesen Gesetzentwurf zur Abstimmung vor. Sie haben des Weiteren ein Verfahren gewählt, in dem die Ausschüsse, ohne dass die Ergebnisse der Anhörung tatsächlich nachvollziehbar vorgelegen haben, schon beraten und entschieden haben. Sie haben die mitberatenden Ausschüsse erst dann beraten lassen, als der federführende Ausschuss schon entschieden hatte. Das kann ich seitens meiner Fraktion nur als eine Farce betrachten. (Beifall bei der LINKEN) Zur Anhörung selbst. Sie haben uns mit den Professoren Grzeszick und Uhle zwei Herren als Sachverständige vorgesetzt, die allen Ernstes versucht haben, uns einzureden, dass eine Adoption von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften nicht dem Kindeswohl dient, weil deren Eltern, also Lesben und Schwule, in der Gesellschaft noch diskriminiert werden. – Wenn mir mehr Redezeit zur Verfügung stünde, würde ich diese Aussage längere Zeit wirken lassen. Denn wenn Sie das zu Ende denken, dann kommen Sie zu dem Schluss, dass niemand, der in dieser Gesellschaft noch diskriminiert wird – das sind leider einige –, das Adop-tionsrecht wahrnehmen dürfte. Wo leben wir denn, meine Damen und Herren von der CDU/CSU? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Von dieser kruden Argumentation ist es wirklich nur ein ganz kleiner Schritt hin zu dem Vorschlag des russischen Präsidenten, Lesben und Schwulen die Kinder gleich wegzunehmen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Geht’s Ihnen nicht gut?) – Das kann ich Sie zurückfragen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Kann man hier jedes Zeug behaupten?) Solche Sachverständigen sind eine Peinlichkeit für eine Partei, die mit dem Hinweis plakatiert, dass sie angeblich gleiche Chancen für alle in Europa möchte. Ich kann nur hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler das am Wochenende entsprechend quittieren werden. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: „Wer nicht meiner Meinung ist, dem sollte man den Mund verbieten!“ Das ist eine Peinlichkeit! Was bilden Sie sich eigentlich ein? – Widerspruch bei der LINKEN) – Herr Fraktionsvorsitzender, es kann ja sein, dass Sie meinen Argumenten keinen Wert beimessen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein! Ich sage nur: Es ist eine Unverschämtheit, zu sagen: „Wer nicht meiner Meinung ist, ist eine Peinlichkeit“! – Gegenruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es richtig peinlich, Herr Kauder! – Widerspruch bei der LINKEN) – Herr Kauder, hören Sie doch einmal zu! Vergessen Sie das Atmen nicht! Sie können sich in einer ruhigen Minute noch einmal die Vorlage Ihrer eigenen Bundesregierung vornehmen. Dort, Herr Kauder, ist die Stellungnahme des Bundesrates angefügt. In der Stellungnahme steht: b) Der Bundesrat stellt … fest, dass die vorgesehene Gesetzesänderung dem Ziel der völligen rechtlichen Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften … nicht hinreichend Rechnung trägt, … c) Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit eine weitergehende Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Adoptionsrecht erreicht werden kann. Ich kann Ihnen nur empfehlen, diese Bitte des Bundesrates tatsächlich ernst zu nehmen und endlich umzusetzen. (Beifall bei der LINKEN) Am vergangenen Dienstagabend lief im Fernsehen ein bemerkenswerter Film, er ist Oscar-prämiert: The Kids Are All Right. Ich kann allen empfehlen, sich diesen Film anzuschauen. Er handelt von einer Regenbogenfamilie. In dem Film ist deutlich zu sehen, dass die Kinder in dieser Familie aufwachsen wie in allen normalen Familien auch, dass sie vor allen Dingen weder lesbisch noch schwul werden, dadurch dass sie in einer lesbischen Partnerschaft aufwachsen, und dass dies dem Kindeswohl kein bisschen schadet. Es mag sein, dass Sie von der Koalition glauben, mit dem uns heute vorgelegten Gesetz noch einmal Zeit gewonnen zu haben und an alten Zöpfen weiterflechten zu können. Ich sage Ihnen: Sie halten uns sowieso nicht auf. We are unstoppable – das ist nicht erst seit letztem Wochenende ein geflügelter Satz geworden. Er wird den Weg in die Gesellschaft antreten. Ich kann Sie nur auffordern: Sorgen Sie endlich für Gleichstellung, und stellen Sie sich der gesellschaftlichen Realität! Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Nächste Rednerin ist Frau Dr. Sabine Sütterlin-Waack, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute in abschließender Beratung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner sowie mit dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, der die gemeinschaftliche Volladoption durch gleichgeschlechtliche Partnerschaften festschreiben will. Um drei Dinge gleich vorwegzunehmen: Erstens. Wir sollten dieses Thema, bei dem es um die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft geht, nicht als Vehikel – das ist eben schon wieder geschehen – für eine Grundsatzdiskussion über die Gleichstellung homosexueller Paare missbrauchen. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweitens. Wir sollten nicht im Rahmen der jetzt anstehenden Entscheidung eine Diskussion über das Recht auf ein Kind führen. Dieses Recht gibt es nämlich nicht, für keinen, und zwar unabhängig von seiner sexuellen Identität. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Adoptionsrecht ist ein Recht für die Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können. Für sie wird eine geeignete Ersatzfamilie gesucht, in der sie möglichst unbeschwert aufwachsen können. Nur für sie müssen wir das Gesetz ändern. Drittens. Wir werden den Gesetzentwürfen von Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen, und zwar aus folgenden Gründen: Auch nach der geltenden Rechtslage können Kinder schon heute bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen. Allerdings besitzt nur ein Elternteil die Elternrechte. Das wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ändern. Die Zahl der Kinder, für die wir diese Regelung beschließen, ist gering. Ich halte es trotzdem für richtig, dass wir für diese Kinder die bestmögliche rechtliche Situation schaffen. Bei der überwiegenden Zahl der Adoptionen in homosexuellen Partnerschaften handelt es sich im Übrigen um Stiefkindadoptionen, also um die Annahme des leiblichen Kindes des Partners. Die entscheidenden beiden Fragen, die in diesem Zusammenhang immer wieder gestellt werden, sind folgende: Warum lassen Sie eigentlich die Sukzessivadoption für Gleichgeschlechtliche zu, die gemeinschaftliche Volladoption aber nicht? Und: Wachsen die Kinder in einer homosexuellen Beziehung genauso gut auf wie in einer heterosexuellen? (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sollten sie das nicht?) Zunächst zur ersten Frage. Die Sukzessivadoption ist ein Sonderfall im Rahmen der Adoptionen. Sie ist auch nicht das, was uns die Opposition immer wieder berichtet, nämlich eine verkappte Volladoption, da sie ja in zwei Schritten dicht aufeinanderfolgend durchgeführt werden kann. Ja, diese Möglichkeit gibt es. Sie ist aber nicht die Regel. Jedenfalls liegt sie nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde. Dort handelt es sich im ersten Fall um ein im Jahr 2000 geborenes Kind, das im November 2002 das erste Mal adoptiert wurde. Nach Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Dezember 2002 wollte der Lebenspartner des Adoptivvaters das Kind adoptieren. Der zweite Fall betrifft ein 1999 geborenes Kind, das im Juli 2004, also fünf Jahre später, erstmals adoptiert wurde und irgendwann nach der im Oktober 2005 begründeten eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Partnerin der Adoptivmutter angenommen werden sollte. Das Gericht hatte – das ist sehr wichtig – also nur über zwei echte Sukzessivadoptionen zu entscheiden. Schon aus dem zeitlichen Ablauf wird der Unterschied zur Volladoption deutlich. Die betroffenen Kinder hatten schon vor der zweiten gewünschten Adoption eine soziale und rechtliche Bindung zum Adoptivvater bzw. zur Adoptivmutter; denn sie lebten schon eine Zeit lang mit dem ersten Adoptivelternteil zusammen. Sie bekommen durch die Sukzessivadoption einen zweiten Elternteil mit allen Rechten und Pflichten hinzu. Sie geben allerdings keine Rechte auf. Sie haben nach der Sukzessivadoption mehr Rechte als vorher, nämlich insbesondere Erb- und Unterhaltsrechte, und – auch das ist wichtig – sie fühlen sich mit anderen Kindern gleichwertig. Sie haben nun ebenfalls zwei rechtliche Elternteile. Ganz anders ist es hingegen bei der Volladoption. Dort werden durch die Adoption die bestehenden Rechtsbeziehungen zu den leiblichen Eltern gekappt. Die Kinder kommen in eine neue Familie, und zwar belastet mit der Trennung von den leiblichen Eltern. Jetzt kommen wir zur zweiten Frage. Diese Kinder müssen Diskriminierungen, die es unstreitig immer noch gibt, aushalten, Diskriminierungen wegen der von vielen Menschen immer noch als besonders empfundenen Situation in den sogenannten Regenbogenfamilien. Wir müssen uns nun fragen, ob diese Diskriminierungen so schwer wiegen, dass es uns unsere staatliche Wächterfunktion hinsichtlich des Kindeswohls verbietet, Kinder in eine für sie unbekannte homosexuelle Partnerschaft zu geben. (Unruhe bei der SPD – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das ist absurd!) Denn, meine Damen und Herren, wir müssen uns immer vor Augen halten, dass die Adoption generell ein staatlicher Hoheitsakt ist, der Grundrechtseingriffe beinhaltet. Jetzt komme ich zu der oft zitierten Studie der Universität Bamberg aus dem Jahr 2009. Genau diese ist bei Fachleuten umstritten, auch in einer der Stellungnahmen, die das Bundesverfassungsgericht für seine Entscheidung einholte. Der Studie fehlt es an allgemeingültigen Aussagen über männliche gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Sie machten nur 7 Prozent der befragten Paare aus. Diese Studie hat darüber hinaus weitere empirische Schwächen. Sie lässt keine Entwicklungsaussagen zu. Kindeswohlaspekte werden nicht aussagefähig untersucht. Sie setzt sich nicht mit kritischen Stimmen ausei-nander. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann geben Sie doch eine Studie in Auftrag!) – Dazu kommen wir gleich. – Kurz, diese Studie ist zur Beantwortung unserer Frage einfach nicht ausreichend geeignet. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Genau das wurde auch in der öffentlichen Anhörung durch zwei Sachverständige bestätigt. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass es dafür noch Studien braucht! Ich meine, die Lebensrealität reicht doch aus!) Sie kritisierten, dass die Frage, welche Folgen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften langfristig hat, nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht worden sei. Die Sachverständigen vermissten in der Studie vor allem Aussagen zu möglichen Diskriminierungs- und Stigmatisierungserfahrungen der Kinder. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Ja, zwei Sachverständige von sieben!) – Ja, zwei. Auch wenn die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in unserer Gesellschaft zunimmt, reagieren Teile der Gesellschaft immer noch mit Vorurteilen, Ausgrenzungen und Benachteiligungen gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften. Nach dieser Studie sind circa 45 bis 50 Prozent der befragten Kinder von derartigen Diskriminierungen betroffen. Sie sind dieser Situation oft relativ schutzlos ausgeliefert. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oft durch so subtile Formen wie Ihre Reden!) Ich möchte noch einen weiteren Aspekt erwähnen. Das Gericht befasst sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit der Sukzessivadoption und verpflichtet den Gesetzgeber nicht, die gemeinschaftliche Volladoption zuzulassen. Die beiden bereits erwähnten Hochschullehrer, beides übrigens Verfassungsrechtler, haben während der Anhörung ausdrücklich erwähnt, dass der Gesetzgeber in dieser Sache Entscheidungsspielraum hat. (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Weiterhin muss bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden, dass es Richtlinien zur Adoption gibt, die Kriterien festlegen, nach denen Eltern auszuwählen sind, bei denen möglichst wenig weitere Belastungen zu erwarten sind. Denn im Großen und Ganzen geht es einzig und allein darum, dem Kind eine problemlose Entwicklung zu ermöglichen, die nur durch den Ausschluss aller denkbaren Risikofaktoren erreicht werden kann. Meine Damen und Herren, wir müssen uns vor Augen halten, dass die staatliche Gemeinschaft in Form von Adoptionsbehörden und Familiengerichten über einen wesentlichen Teil der Zukunft der betroffenen Kinder entscheidet. Wir haben mit der Neuregelung der entsprechenden Normen eine große Verantwortung. Diese nehmen wir wahr. Ich bitte darum – auch die verehrten Kolleginnen und Kollegen der Opposition –, auch diejenigen, die mit diesem Thema die vielzitierten Bauchschmerzen haben, ernst zu nehmen, ihnen ihr Verantwortungsbewusstsein abzunehmen und sie nicht als Ewiggestrige zu verdammen. Bedenken muss man auch, dass uns das Bundesverfassungsgericht eine sehr enge zeitliche Vorgabe gesetzt hat, bei der nicht alle dargestellten Aspekte berücksichtigt werden konnten. Wir haben also noch nicht die notwendige Sicherheit, um der Volladoption zuzustimmen. Die Empfehlung aus der Sachverständigenanhörung, eine neue, aussagekräftigere wissenschaftliche Studie als Entscheidungsgrundlage hinzuzuziehen, werden wir weiter erörtern. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Anhörung des Rechtsausschusses am 5. Mai waren die Sachverständigen einhellig der Meinung, dass allein das Kindeswohl Maßstab der Adoption sein darf. Ich glaube, darüber sind auch wir uns hier alle einig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Mehrheit der von Ihnen, von Union und SPD, eingeladenen Sachverständigen hat im Rechtsausschuss aber auch klar gesagt, die sexuelle Orientierung der Eltern sei für die Entwicklung eines Kindes unbedeutend; entscheidend sei vielmehr die Qualität und Festigkeit einer Partnerschaft. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar bejaht, dass Lebenspartner gute Eltern sind. Es wies unmissverständlich Bedenken zurück, dass Kindern das Aufwachsen mit gleichgeschlechtlichen Eltern schaden könnte. Es ist vielmehr – ich zitiere – „davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie in einer Ehe“. Wenn also nach der überwiegenden Auffassung das Kindeswohl bei einer Adoption durch gleichgeschlechtliche Partner nicht gefährdet ist, frage ich mich, warum nach Ihrem Gesetzentwurf im Ergebnis Ehegatten nur gemeinschaftlich, aber nicht einzeln, Lebenspartner dagegen nur einzeln, aber nicht gemeinschaftlich ein Kind adoptieren dürfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Das ist nicht nur völlig absurd und widerspricht dem gesunden Menschenverstand; Sie verstoßen mit Ihrem Gesetzentwurf meines Erachtens und unseres Erachtens sehr wohl auch gegen die Verfassung, und zwar doppelt: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Erstens verstoßen Sie gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Sie benachteiligen adoptierte Kinder in einer Lebenspartnerschaft und die Lebenspartnerinnen und -partner durch Verweigerung der gemeinschaftlichen Adoption. Zweitens verstoßen Sie gegen Artikel 6 des Grundgesetzes; denn Sie benachteiligen bei der Ausgestaltung der Sukzessivadoption Ehepaare gegenüber Lebenspartnerschaften, weil Ehegatten anders als Lebenspartner ein Kind nicht alleine adoptieren dürfen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt doch eines ganz klar: Der Diskriminierungswille der Union gegenüber Lesben und Schwulen geht so weit, dass Sie für die Benachteiligung der Lebenspartner an anderer Stelle Ehen gegenüber Lebenspartnerschaften benachteiligen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, das ist eine Bankrotterklärung der großkoalitionären Rechtspolitik, und der Herr Bundesjustizminister macht das klaglos mit. Was bewegt Sie also, diesen mutlosen und nach meiner Auffassung zudem verfassungswidrigen Gesetzentwurf vorzulegen? Wie groß ist die Abneigung bei Ihnen gegenüber Lesben und Schwulen, dass Sie mit Händen und Füßen jegliche Form von rechtlicher Gleichstellung immer wieder abwehren, dass Sie das Bundesverfassungsgericht, das ausdrücklich keinen Unterschied zwischen Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften in Bezug auf die Adoption macht, immer wieder ignorieren und dass Sie die mehrheitlich befürwortende Meinung in unserer Gesellschaft für gleiche Rechte für Lesben und Schwule ausblenden? Ich nenne es mal beim Namen: Es geht hier um Ihre Angst. Es geht um Ihre Angst, dass Menschen, die ganz normal lesbisch und schwul lieben und leben und ganz selbstverständlich Verantwortung für Kinder tragen, (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ich habe kein Problem damit!) mit Ehegatten in der traditionellen Ehe auf Augenhöhe kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es geht hier schlicht um Homophobie. Es geht um die Fortsetzung von Diskriminierung, und die hat in einem Gesetz nichts zu suchen. Ihr Gesetzentwurf ist gerade jetzt, wo homophobe Strömungen in ganz Europa Zulauf haben, durchaus auch politisch brisant. Denn sie halten damit Türen offen für Vorurteile gegenüber Lesben und Schwulen. Ich finde, es ist jetzt an der Zeit, Gleichbehandlung aktiv zu fördern und ein klares Bekenntnis zu Toleranz und demokratischen Grundwerten abzugeben. Aber was tun Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD? Von Ihrem Versprechen „100 Prozent Gleichstellung nur mit uns“ sind heute genau 0 Prozent geblieben. (Burkhard Lischka [SPD]: Das ist Unsinn! – Dr. Eva Högl [SPD]: Das stimmt ja nun nicht!) Wie glaubwürdig sind Ihre Lippenbekenntnisse vom Internationalen Tag gegen Homophobie? Was wollen Sie beim nächsten CSD denn zu diesem Gesetzentwurf sagen? Darum appelliere ich an Sie alle: Entscheiden Sie sich für das Kindeswohl. Entscheiden Sie sich für unser Grundgesetz und für die dort verankerte Gleichheit aller Menschen. Sprechen Sie heute Lesben, Schwulen und ihren Kindern den Respekt aus, den sie verdienen, und stimmen Sie unserem grünen Gesetzentwurf zu. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Dr. Karl-Heinz Brunner, SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Positive zuerst: Wir, die Koalition von SPD und Union, werden die bestehenden Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, auch wenn Sie das nicht glauben, beenden. Wir werden die Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen, ebenfalls beseitigen. – So steht es im Koalitionsvertrag. Das bleibt für uns Sozialdemokraten das Ziel. Glauben Sie uns: Es war nicht leicht, das zu vereinbaren. Insofern danke ich den Kolleginnen und Kollegen der Union, die dies ermöglicht haben. Ich sage das bewusst auch an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen der CSU, denen das besonders schwergefallen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Damit steht die Agenda fest: rechtliche Gleichstellung für alle Menschen, egal ob hetero, schwul, bi oder lesbisch. Niemanden zu diskriminieren oder ungleich zu behandeln – eine Selbstverständlichkeit im 21. Jahrhundert, über die wir eigentlich nicht diskutieren müssten. Dies, so sage ich, bringen wir auf den Weg und werden wir auf der Agenda halten. Gestatten Sie mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Union, Folgendes zu sagen: Bis es so weit kommt, werden Sie uns dazu schon noch etwas liefern müssen. Wir wollten bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine einfache Regelung schaffen und das Wort „Ehe“ durch „Lebenspartnerschaft“ ersetzen, um die Volladoption zu ermöglichen. Ich glaube aber, wir kommen noch auf einen guten Weg, wenn wir uns vernünftig austauschen. Darum und um die Gleichstellung von Schwulen und Lesben, von Bi- und Gendermenschen in unserer Gesellschaft geht es heute jedoch nicht. Heute geht es, auch wenn die Sachverständigen der Anhörung uns überwiegend eine große Lösung vorgeschlagen haben, nur um die Kinder, nur um die Adoption, genauer um die Sukzessivadoption. Den Kindern – das hat die Anhörung zweifelsfrei geklärt; das ist der Unterschied zum Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen – ist es herzlich egal, ob sie ein oder zwei Mütter oder Väter haben. Für sie zählt allein die Liebe, die Geborgenheit, egal ob von leiblichen Eltern, Pflegeeltern oder Adoptiveltern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der CDU/CSU) Glauben Sie mir, Kolleginnen und Kollegen, Felix und Lena – nennen wir sie einmal so – machen keinen Unterschied, von wem sie Trost bekommen, wenn das Knie aufgeschürft ist. Genau das – Verantwortung, Fürsorge und stabile Familienverhältnisse zugunsten des Kindeswohls – verlangt unser Bundesverfassungsgericht zu Recht, bis zum 30. Juni dieses Jahres gesetzlich zu regeln. Das setzen wir jetzt um – nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Meine Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der Grünen unterstellt gleichzeitig, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung und der Koalition in zwei Fällen verfassungswidrig sei. Ich sage ganz offen: Dem kann man in keinem Falle zustimmen; denn das Bundesverfassungsgericht selbst kann nicht das, was es im Urteil gefordert hat, für verfassungswidrig erklären. Wir befassen uns nicht mit der Verfassungswidrigkeit im Verhalten der Menschen in dieser Gesellschaft, sondern wir befassen uns nur mit der Sukzessivadoption. Lassen Sie uns doch alle miteinander den Weg gehen, die Ungleichbehandlung zu beseitigen – nicht vor Gerichten, sondern hier im Hohen Hause. Wir Sozialdemokraten stehen dazu. Wir wollen die Gleichstellung ohne Wenn und Aber. Wir werden dabei nicht lockerlassen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Nächster Redner ist Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sei noch einmal daran erinnert, dass es bei der heutigen Debatte um die Verwirklichung von Kindeswohl geht und dass einzig und allein das Schicksal der Kinder im Mittelpunkt der Debatte zu stehen hat. Natürlich können wir auch eine Debatte über Toleranz und Gleichstellung führen. Wenn wir aber über Toleranz reden, ist es – das muss ich ehrlicherweise sagen – schon unerträglich, dass Sie Toleranz zwar einfordern, dann aber die Gutachten zweier renommierter Wissenschaftler als peinlich bezeichnen. Das hat mit Toleranz nichts zu tun! (Beifall bei der CDU/CSU) Mit Toleranz hat es auch nichts zu tun, werte Kollegin Schauws, dass Sie der Union hier Diskriminierungswillen unterstellen. Wir haben keinen Diskriminierungswillen. Wir haben den Willen, die Rechte von Kindern zu verbessern und die Eingliederung von Kindern in Familien zu stärken. Das ist unser Wille! Wenn Sie uns Diskriminierungswillen unterstellen, spielen Sie mit der Angst. Sie verwenden Zitate, die Sie hier besser nicht vorgetragen hätten. (Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Unterstellung! Das ist eine richtige Diagnose! „Homophobie ist heilbar“!) In gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften werden Werte gelebt, die für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft wichtig sind. Sie geben uns Stabilität. Die gelebte Solidarität ist wichtig und entspricht auch dem christlichen Menschenbild. Die Frage der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften eignet sich aber nicht, um über die Adoption zu sprechen; denn bei der Adoption sind immer auch Dritte, nämlich Kinder, im Spiel. Es gibt kein Recht auf ein Kind, um Gleichstellung zu erzwingen, sondern es gibt nur das Recht des Kindes, in Familien aufzuwachsen, in denen die Kinder betreut werden. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen das Kind gleichstellen, wenn Sie das Kindeswohl ernst nehmen!) Sie dürfen deswegen auch nicht den Fehler machen – er erschließt sich leicht auch schon bei oberflächlicher Betrachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts –, dass Sie die Volladoption mit der Sukzessivadoption gleichsetzen. Das ist nämlich dem Wesen und der Abfolge nach etwas völlig anderes. Bei der Sukzessivadoption hat ein Lebenspartner schon eine rechtliche und emotionale Beziehung zu dem Kind, die sich verfestigt hat und tatsächlich gelebt wird. Durch die anschließende Adoption bekommt das Kind ein Mehr an Rechten und Möglichkeiten, sich gegen widrigste Lebenslagen abzusichern. Es bekommt Erb- und Unterhaltsrechte sowie das Recht auf Besuch und Umgang. Wir stärken damit also ausschließlich die Rechte von Kindern. Deswegen ist es – da will ich widersprechen – der CSU nicht schwergefallen, dem zuzustimmen. Überall dort, wo die Rechte von Kindern verbessert werden, fällt es der CSU leicht, zuzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Nur: Die Frage der Volladoption ist davon zu trennen. Bei der Volladoption besteht nämlich kein rechtliches und emotionales Band zwischen dem zu adoptierenden Kind und dem Lebenspartner, sondern diese rechtlichen und tatsächlichen Bindungen werden neu geknüpft. Deswegen ist das ein völlig neuer juristischer Ansatz. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es abenteuerlich!) Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, dass er dort, wo Ansatzpunkte für eine Differenzierung bestehen, auch seinen gesetzgeberischen Spielraum wahrnimmt. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es eine richtige gesetzgeberische Grundsatzentscheidung, zu sagen: Wir setzen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts getreu den Vorgaben um. Weiterhin ist uns im Rahmen unseres Ermessensspielraums unbenommen, zu sagen: Die Vergleichbarkeit zwischen Volladoption und Sukzessivadoption ist eben nicht gegeben. Deswegen kann der Gesetzgeber hier mit Fug und Recht eine Differenzierung vornehmen. Ich appelliere an Sie: Stimmen Sie dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu, weil er ein Mehr für die Rechte der Kinder bedeutet. Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, weil es der richtige Weg ist, die Sukzessivadoption zuzulassen. Ich bitte Sie auch, alles andere jetzt nicht zu entscheiden, weil dafür die Grundlage fehlt, weil die Expertise fehlt und weil es im Augenblick nicht notwendig ist. Lassen Sie uns diesem Gesetzentwurf zum Wohle der Kinder zustimmen. Lassen Sie uns in diesem Sinne tolerant sein und für die Rechte der Kinder eine gute und tragfähige Lösung schaffen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Johannes Kahrs, SPD. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sütterlin-Waack, Herr Kollege Ullrich, wir sprechen hier über Gleichstellung. Kinder sind kein Vehikel zur Gleichstellung, sondern entweder man ist gleich oder man ist es nicht. Sie haben vollkommen recht: Es gibt kein Recht auf ein Kind – logischerweise. Es geht uns nur darum, dass man gleichbehandelt wird, dass man sich wie jeder andere um eine Adoption bewerben kann. Fachlich entscheidet das sowieso das Jugendamt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Helmut Heiderich [CDU/CSU]) Es geht hier nur darum, sich wie jeder andere bewerben zu dürfen. Also geht es bei dieser Frage um Gleichstellung. In dem diesbezüglichen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes steht: Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestaltung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen nicht … (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Ich finde, das kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Das ist eine klare Ansage. Ich persönlich werde heute dem Gesetzentwurf zustimmen, weil er ein Mehr an Rechten ermöglicht. Gleichzeitig werde ich dem Änderungsantrag der Grünen zustimmen, weil der Antrag Gleichstellung fordert. Ich möchte aber darauf hinweisen: Über die Begründung wird nicht abgestimmt. Denn die Begründung ist latent grenzwertig. In der Sache ist es richtig, dass wir alle für Gleichstellung streiten. Meine Freundinnen und Freunde der SPD werden dem Änderungsantrag nicht zustimmen – einige werden sich enthalten –, weil wir einen Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU abgeschlossen haben. An Verträge hält man sich. In diesem Koalitionsvertrag stehen Dinge, die wir sehr gut finden. Es gibt aber auch Dinge, die die CDU/CSU gut findet. In diesem Fall bitte ich mich zu entschuldigen. Wenn man sich die Gesetzentwürfe ansieht, dann stellt man fest: Wir Sozialdemokraten stehen für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Wir glauben, dass es eine Gleichstellung bei der Ehe und auch in der Frage der Adoption geben muss – Artikel 3 Grundgesetz. Ich persönlich habe seit 1998 zusammen mit vielen Freunden in der SPD und bei den Grünen die Gleichstellung vorangetrieben, und das Bundesverfassungsgericht hat in unserem Sinne entschieden. Auch bei der letzten Großen Koalition haben wir etwas erreicht. Im Kern ist es so, dass es mit der CDU/CSU nur schrittweise vorangeht. Herr Kauder, als Koalitionspartner ein guter Tipp von mir: Auch in Ihren eigenen Reihen bröckelt es. Räumen Sie das Thema doch einfach ab! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Gesellschaft hat Sie überholt. Es ist anders. Sie wissen es; Ihre Wähler wissen es. In der Sache wäre es für alle Beteiligten einfacher. Ich könnte Sie jetzt fragen, wann Sie sich entschieden haben, heterosexuell zu sein. Ich habe mich nie entschieden, homosexuell zu sein. Aber ich bin es, und ich möchte gleichberechtigt sein. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie von der Bundes-regierung eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner. Zu diesen Abstimmungen liegen zahlreiche Erklärungen nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung vor. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1488, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/841 sowie den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Druck-sache 18/1285 zusammenzuführen und anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1494 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wir stimmen nun über den Änderungsantrag auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Oben rechts fehlt noch ein Schriftführer oder eine Schriftführerin. – Sind jetzt alle Plätze besetzt? – Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Haben alle anwesenden Mitglieder des Bundestages ihre Stimme abgegeben? – Das ist der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 18.40 bis 18.47 Uhr) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Die unterbrochene Sitzung wird wieder eröffnet. Ich bitte Sie alle, Platz zu nehmen. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck, Ulle Schauws, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner – bekannt: abgegebene Stimmen 563. Mit Ja haben gestimmt 111, mit Nein haben gestimmt 432, Enthaltungen 20. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 563; davon ja: 111 nein: 432 enthalten: 20 Ja CDU/CSU Cajus Caesar SPD Johannes Kahrs Hilde Mattheis Frank Schwabe Christoph Strässer DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Agnieszka Brugger Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Dr. Katarina Barley Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoguz Markus Paschke Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Michael Roth (Heringen) Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Peer Steinbrück Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Bernd Westphal Dirk Wiese Gülistan Yüksel Dr. Jens Zimmermann Enthalten CDU/CSU Dr. Stefan Kaufmann Dr. Philipp Lengsfeld SPD Heinz-Joachim Barchmann Dr. Daniela De Ridder Dagmar Freitag Dirk Heidenblut Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Cansel Kiziltepe Dr. Bärbel Kofler Detlev Pilger Mechthild Rawert Stefan Rebmann Andreas Rimkus Dr. Ernst Dieter Rossmann Susann Rüthrich Gabi Weber Andrea Wicklein Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Stefan Zierke Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen. Tagesordnungspunkt 8 b. Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze im Bereich des Adoptionsrechts. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1488, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/577 (neu) abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 8 c. Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1488, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/842 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD und CDU/CSU gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 sowie Zusatzpunkt 6 auf: 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern Drucksache 18/1453 ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen Drucksache 18/1450 Über beide Anträge werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte die Kollegen, jetzt entweder Platz zu nehmen oder den Saal zu verlassen, wenn sie zu anderen Sitzungen müssen. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestern früh wurden dem Deutschen Bundestag von den Ökoverbänden über 100 000 Unterschriften übergeben, verbunden mit dem Aufruf, Gentechnikfreiheit in Deutschland und Europa zu sichern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Ute Vogt [SPD]) Es gibt einen klaren Auftrag der Bevölkerung an die Politik, die Gentechnikfreiheit zu sichern, das heißt, dafür zu sorgen, dass in Deutschland und möglichst auch in Europa keine gentechnisch veränderten Pflanzen wachsen. (Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Was muss man tun, um dieses Ziel zu erreichen? Man muss, Herr Kauder, an den Zulassungsverfahren ansetzen. Wir müssen die sozioökonomischen Risiken prüfen. Wir müssen die langfristigen Risiken prüfen, und wir müssen eine unabhängige Risikoprüfung sicherstellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Solange das nicht erledigt ist, dürfen keine neuen Gentechnikpflanzen zugelassen werden und so lange brauchen wir uns auch nicht über die nächsten notwendigen Schritte zu unterhalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) All das haben der EU-Umweltministerrat 2008, das Europaparlament 2011, der Bundesrat im April dieses Jahres und gestern mit der Übergabe der Unterschriften noch ein Haufen Menschen in diesem Land gefordert. Mit entsprechenden Maßnahmen soll das Einfallstor für die Gentechnik pollenfest verschlossen werden. Genau das sind die Forderungen, die in unserem gemeinsamen Antrag mit den Linken gestellt werden. Jetzt versuchen Sie, die Menschen im Land mit einem dreisten Täuschungsmanöver in die Irre zu führen. Was Sie von der Großen Koalition in Ihrem Antrag heute fordern, führt zu mehr Anbauzulassungen und damit zu mehr Gentechnik in Europa und Deutschland. (Ute Vogt [SPD]: Quatsch! Doch nicht in Deutschland!) Sie reißen für die Gentechnikkonzerne durch Ihre Unterstützung der Zulassung von Merkel-Mais die Tür zur EU weit auf, und Sie schaffen die Kennzeichnung von Genhonig ab. Das ist das Gegenteil von Transparenz und Wahlfreiheit, die Sie in Ihrem Antrag versprechen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Landwirtschaftsminister Schmidt und die Umweltministerin fordern seit Monaten die Unterstützung des -Vorschlags der griechischen Ratspräsidentschaft zu nationalen Anbauverboten. Verschwiegen wird dabei aber das Ziel dieses Vorschlags. Nach einer Weisung der -Regierung Merkel an den Umweltrat von 2012 lautet es nämlich: Die nationalen Anbauverbote sollen den Zulassungsstau für gentechnisch veränderte Pflanzen in Europa beseitigen. – Nach dem Stau kommt die Flut, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Alois Gerig [CDU/CSU]: Ach, das ist doch Asbach Uralt!) Dieser Vorschlag von Dalli war schon 2010 falsch, er war 2011 falsch, und er ist es heute noch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was steht darin? Die EU-Mitgliedstaaten müssen als Bittsteller bei der Industrie auftreten, wenn sie in ihrem Land keinen Anbau von Genpflanzen haben wollen. Im neuesten Vorschlag der griechischen Ratspräsidentschaft ist diese Verknüpfung nach wie vor enthalten: Erst muss man bei den Herstellern antreten, dann bekommt man eventuell ein Anbauverbot. Der Block zu den Verhandlungen mit Monsanto und BASF & Co. ist das einzig Fassbare an diesem Vorschlag. Die Anbauverbote bezüglich Phase II sind so schwammig formuliert und so -widersprüchlich, dass alle von uns befragten Juristen inklusive des Wissenschaftlichen Dienstes große Fragezeichen hinter die Rechtssicherheit setzen. Was Sie wollen, ist also erstens eine Kungelei mit der Industrie und -zweitens ein Geflecht juristischer Fallstricke, bei denen niemand vorhersagen kann, liebe Kollegin, ob das Instrument überhaupt funktioniert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ach, das ist doch gar nicht wahr! Du solltest mal unseren Antrag -lesen! Das wäre von Vorteil!) An die eigentlichen Punkte, die Zulassungsverfahren, gehen Sie gar nicht heran. Sie holen uns den Trojaner ins Haus. Das heißt, wenn Sie etwas gegen Einbrüche tun wollen, machen Sie erst einmal die Haustür bzw. die Wohnungstür auf, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na klar! Dann wird bestimmt nicht eingebrochen!) und dann befestigen Sie an der Zimmertür einen Zettel, auf dem steht: Bitte nicht einbrechen. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Dafür wollen Sie sich jetzt feiern lassen? In Ihrem Antrag stehen Dinge, die bei der Industrie die Sektkorken knallen lassen; das kann man klar belegen. Ich habe hier nämlich ein Strategiepapier der europäischen Gentechniklobby vom September 2012. Es ist ein minutiöses Drehbuch, wie der Gentechnik in Europa endgültig zum Durchbruch verholfen werden soll. Darin steht jeder Akt dieses Marionettentheaters, das wir gerade erleben: Akt eins. Um Druck aufzubauen, soll die Kommission eine Anbauzulassung auf den Weg bringen, damit die Mitgliedstaaten einem Opt-out zustimmen und kompromissbereiter werden. – Mit dem Merkel-Mais ist das bereits erfolgt. Akt zwei. Anbauverbote sollen nur möglich sein, wenn vorher mit der Industrie verhandelt wurde. – Das ist erledigt; das steht in Phase I. (Ute Vogt [SPD]: Quatsch!) Akt drei. Die Mitgliedstaaten sollen nur dann die Möglichkeit für Anbauverbote bekommen, wenn sie nicht gegen weitere EU-Anbauzulassungen stimmen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ungeheuerlich!) Und: Um die Bundesregierung für Opt-out zu gewinnen – das steht darin –, sollte die Abschaffung der Kennzeichnungspflicht für Honig mit Gentechnikbestandteilen zügig abgeschlossen werden. – Das ist am 8. Mai dieses Jahres erfolgt, mit aktiver Unterstützung der Bundesregierung. Die Große Koalition arbeitet das Drehbuch also brav ab, und das wollen Sie uns als Ausstieg aus der Gentechnik verkaufen. Ich sehe das eher als eine sozialdemo-kratische Interpretation von Pinocchio und nicht als die Interpretation des Koalitionsvertrages. Tun Sie endlich etwas. Tun Sie endlich etwas Konkretes für die Gentechnikfreiheit. Gehen Sie die lückenhaften EU-Zulassungsverfahren an. Hören Sie auf, die Menschen im Land hinter den Merkel-Mais zu führen. Machen Sie Schluss mit dem Verwirrspiel. Steigen Sie aus. Stimmen Sie mit uns für die Gentechnikfreiheit in Deutschland und Europa, lieber Kollege Gerig. Jetzt kommt es darauf an. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Alois Gerig [CDU/CSU]: Solche Reden muss man halten, wenn die Felle weggeschwommen sind, mein Lieber! Mein Gott!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Bundesminister Christian Schmidt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es bleibt dabei: Europa ist dem Recht verpflichtet – nicht dem appellativen, sondern dem, was man an Verfahren entwickelt. Deswegen, lieber Kollege Ebner, bei allem Respekt: Weder Pinocchio noch sonst jemand ist hier unterwegs, es geht hier um eine ziemlich ernsthafte Sache: um die Frage, wie wir die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger, die Interessen, die Sie sehen, in Einklang bringen mit dem Recht in Europa. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Der Einsatz grüner Gentechnik ist in unserem Land ein Thema, das die Menschen umtreibt, übrigens sehr viel mehr als der Einsatz von Gentechnik beispielsweise bei der Herstellung von Medikamenten. Ich danke deswegen den Koalitionsfraktionen – und auch den Bundesländern – dafür, dass sie das Thema mit ihrem konstruktiven Antrag begleiten und der Regierung damit ein klarer Auftrag gegeben wird. Wir müssen die Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann tun Sie es!) Sie verbinden mit dem Einsatz dieser modernsten Technik Ungewissheiten für Natur und Umwelt. Die Große Koalition ist fest entschlossen, in dieser Hinsicht keine Unklarheiten entstehen zu lassen. Das Meinungsbild in der Öffentlichkeit ist – Sie haben darauf hingewiesen – eindeutig geprägt. Wir hören den Menschen zu. Es ist der Bundesregierung bewusst, dass es weder in der Gesellschaft noch in der Politik eine Mehrheit für den Einsatz grüner Gentechnik in unserem Lande gibt. Vor allem sorgt die Menschen eines: Sie wollen sicher sein, dass der genetische Bauplan der bei uns reifenden Pflanzen nicht so umgebaut wird, dass die Statik des Neubaus nicht trägt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Nun findet in Deutschland durch unsere schon jetzt strenge gesetzliche Regelung zurzeit kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft statt. Das Gesetz, das damals von Ministerin Künast in den Bundestag eingebracht worden ist, wurde von Horst Seehofer sehr verschärft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Seit dieser Zeit, seit Horst Seehofer, gibt es keinen Einsatz von grüner Gentechnik in Deutschland. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was reden Sie denn da? Ihr habt doch MON 810 zugelassen!) – Kollegin Höhn, ich möchte einfach einmal sagen, dass wir Vorsorge getroffen haben. Die Rechtslage in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern am klarsten, es ist klar geregelt, was denjenigen, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, durch die verschuldensunabhängige Haftung an Verantwortung auferlegt wird. Was gehört für mich zu verlässlichen Rahmenbedingungen, die von Dauer sind, die über das, was wir bisher haben, hinausgehen? Erstens. Wir brauchen Rechtssicherheit. Zweitens. Wir brauchen Transparenz für die Verbraucher. Und drittens. Wir brauchen Perspektiven für eine Landwirtschaft auf ethischem Fundament. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Sonntag stehen die Wahlen zum Europäischen Parlament an. Die meisten von uns sind deshalb viel im Land unterwegs und werben für die Wertegemeinschaft Europa. Dabei bekommen wir immer wieder zu hören, dass Brüssel einheitliche Vorgaben für alle mache und dass es ab und zu notwendig sei, davon abzuweichen. Das war in einem ersten Versuch im Hinblick auf die Schaffung einer Regelung zu den Anbaubedingungen für gentechnisch veränderte Pflanzen nicht anders. Aber jetzt hat sich das Blatt gewendet: Was jetzt an Vorschlägen aus Brüssel vorliegt, stärkt das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten. Ich sage das, obwohl ich den endgültigen Vorschlag der griechischen Ratspräsidentschaft noch nicht kenne; er ist gegenwärtig ja noch in Arbeit. Ich begrüße die Möglichkeit zum sogenannten Opt-out, das heißt, zur nationalen Regelung, ausdrücklich. Ich begrüße auch ausdrücklich, dass wir davon ausgehen können, dass Koch und Kellner auf der richtigen Seite bleiben, das heißt, dass nicht der Staat, der von der Opt-out-Regelung Gebrauch machen will, mit dem Unternehmen, das einen Antrag stellen will, etwa Verhandlungen führen muss. Das geht so nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Es geht eigentlich schlicht um den Ansatz, dem Grundsatz der Subsidiarität hier neue Geltung zu verschaffen. Lassen Sie uns in aller Klarheit festhalten, dass wir uns hiermit auf bestehende Vorstellungen und Befindlichkeiten zubewegen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage des Kollegen Ebner? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Kollege Ebner, bitte. (Ute Vogt [SPD]: Jetzt aber nicht weinen!) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben soeben die richtige Frage angesprochen, wer Koch und wer Kellner ist. Das haben Sie auch schon gestern im Ausschuss gemacht und gesagt, Sie tragen es auf keinen Fall mit, dass die Staaten als Bittsteller auftreten müssen. Liegt Ihnen denn der neue Vorschlag der griechischen Ratspräsidentschaft vor? Gestern lag er ja wohl noch nicht vor. Ich habe jetzt ein inoffizielles Exemplar, das ich Ihnen gerne zukommen lasse. Liegt Ihnen dieser Text vor, in dem genau dieser Fall noch immer steht? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Welche Exemplare Ihnen vorliegen, lieber Kollege, weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, dass ich über die Verhandlungen, die im Augenblick stattfinden, das eine oder andere weiß. (Heiterkeit der Abg. Ute Vogt (SPD) Die Forderung (Zuruf von der LINKEN: Da spricht der Kellner!) – nein, hier spricht der Koch –, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) dass sich der Koch und der Kellner unterscheiden, muss darin aufgenommen werden. Wer das in Europa noch nicht geschrieben hat, der kann heute ja auch zuhören und erfahren, welche Meinung die Bundesregierung zu diesem Thema hat. Ich denke, Herr Kollege Ebner, wir sind hier genau der gleichen Meinung. Im Übrigen bin ich der Meinung, wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren. Ich habe Ihren Antrag gelesen, in dem Sie sehr umfangreiche Ausführungen zur gentechnisch veränderten Maislinie 1507 gemacht haben. Sie und ich wissen, dass diese Maislinie in diesem Jahr aus Praktikabilitätsgründen gar nicht mehr angebaut werden kann. Hinsichtlich der Frage, ob wir im nächsten Jahr Artikel 23 der EU-Freisetzungsrichtlinie, die Schutzklausel, anwenden sollten: Bei diesem Punkt hätte ich lieber mehr Rechtssicherheit durch eine nationale gesetzliche Regelung; denn wir wissen auch aus anderen Ländern, dass mit der Anwendung der Schutzklausel durchaus rechtliche Schwierigkeiten verbunden sind. Man möge nur die französische Rechtsprechung zum Thema MON810 in den letzten Wochen verfolgen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Deswegen: Wir begeben uns nicht auf Nebenkriegsschauplätze, sondern Sie können davon ausgehen, dass wir eine klare Zielvorgabe haben. Transparenz für den Verbraucher ist das Weitere, was wir brauchen. Das „Ohne-Gentechnik“-Siegel haben wir bereits eingeführt. Daneben müssen wir die Wahlfreiheit der Kunden sicherstellen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt: Der Verbraucher muss wissen, dass er auf in Deutschland erzeugte Produkte und auf den Pflanzenschutz in Deutschland, aber auch darauf vertrauen kann, dass er ein Stück Wahlfreiheit behält. – Ich gebe keine Glaubensbekenntnisse zu dieser Frage ab; die gebe ich im Gottesdienst in der Kirche ab. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin hier Pragmatiker und stelle fest, dass ich die Wahlfreiheit in Deutschland nur dann für jeden Einzelnen aufrechterhalten kann, wenn ich sicherstelle, dass bei uns gentechnisch veränderte Organismen nicht angebaut werden. Das ist die zweite Stufe dieser Regelung, und um dies und nichts anderes geht es. Es mag sein, dass wir nicht auf den Einsatz der Grünen Gentechnik angewiesen sind. Bezogen auf die Gentechnik mit ihren Risiken und Chancen ist ein Schwarz-Weiß-Denken ziemlich kompliziert. Die Vereinten Nationen – also keine NGO und keine Pro-Gentechnik-Gruppe – weisen darauf hin, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf bis zu 9 Milliarden Menschen steigen wird. Wir werden 70 Prozent mehr Nahrungsmittel produzieren müssen. Ich bemühe mich gerade gemeinsam mit meinem Kollegen Gerd Müller, Afrikakonzepte zu entwickeln und die Erreichung dieses Ziels mit Grünen Zentren zu unterstützen. Wir in Deutschland haben gute Böden, ein gutes Klima und gutes Saatgut. Eine leistungsstarke und nachhaltige Landwirtschaft sichert ertragreiche Ernten – Jahr für Jahr. Können wir das auch für Afrika sagen? Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir zwar für unser Land Entscheidungen treffen können, dass wir uns aber nicht anmaßen sollten, anderen Ländern, weder in Europa noch in der Welt, genau zu sagen, was für sie richtig ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will schon sagen, dass wir darauf achten müssen, in Forschung und Entwicklung nicht den Anschluss zu verlieren. Wir verfügen über eine ausgezeichnete Forschungslandschaft, wenngleich ich den Eindruck habe, dass die meisten deutschen Wissenschaftler im Bereich der Gentechnik ihren Wohnsitz schon längst in den USA oder in anderen Ländern dieser Welt, etwa in Brasilien, genommen haben. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es leider!) Wir müssen aber die wissenschaftliche Kompetenz – das ist das einzig Nachhaltige bei uns – erhalten und pflegen, wenn wir die internationale Entwicklung eigenständig zum Wohle des Verbraucherschutzes und des Naturschutzes beeinflussen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ablehnung Grüner Gentechnik für Deutschland ergibt sich für mich aus diesen pragmatischen Überlegungen. Wenn sich die Europäische Union, der Ministerrat und die anderen europäischen Institutionen zu einer Opt-out-Regelung entschließen, dann werden wir diese Option wahrnehmen und dann zügig über die Frage einer Übertragung auf Deutschland reden. Ich will hier klar sagen: Um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland nicht zuzulassen, sehe ich keinen anderen Weg, als ihn in einer nationalen Gesetzgebung zu untersagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das ist unser Ziel und nichts anderes. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann hat nun für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir diskutieren über die Agrogentechnik schon sehr lange und sehr kontrovers. Ich finde, dieser demokratische Streit hat sich gelohnt, weil sich Mehrheiten verändert haben. Inzwischen lehnen 80 Prozent der Bevölkerung diese Risikotechnologie ab. Viele NGOs haben sich sehr darum bemüht und arbeiten weiterhin sehr intensiv daran, dass die Öffentlichkeit über die Gefahren dieser Risikotechnologie aufgeklärt wird, aber auch über die Strategie der Konzerne, die dahinterstehen und über die der Kollege Ebner schon gesprochen hat. Ich finde, es ist heute an der Zeit, den NGOs dafür zu danken. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Heute geht es in dieser Debatte um einen Aspekt von vielen, nämlich um die Frage, ob es EU-Mitgliedstaaten erlaubt sein soll, zugelassene gentechnisch veränderte Pflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet nicht anbauen zu lassen. Bisher ist das – zugegebenermaßen – sehr restriktiv und rechtsunsicher geregelt. Die Linke will ein gentechnikfreies Europa. Deswegen ist für uns das nationale Anbauverbot nur die zweitbeste Lösung. In Brüssel wird seit langem über diese Option, das sogenannte Opt-out, diskutiert. Deshalb ist die Debatte zu den Regeln, nach denen dieses Opt-out gewährt werden soll, extrem wichtig; denn wo Opt-out draufsteht, ist oft ein vergiftetes Angebot drin. Ich nenne hier als Beispiel den aktuellen Entwurf der griechischen Ratspräsidentschaft. Mit diesem Entwurf werden Mitgliedstaaten zu Bittstellern bei den Konzernen gemacht, so wie das der Minister gestern im Ausschuss auch schon formuliert hat. Das ist für uns Linke absolut indiskutabel. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Uns ist völlig egal, ob die Gespräche direkt abgehalten werden sollen oder ob das Ganze über die EU-Kommission laufen soll. Das wäre ein politischer Kniefall vor handfesten wirtschaftlichen Interessen. Das kann man in einer Demokratie nicht zulassen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Außerdem sind in diesem Vorschlag die Hürden für einen Ausstieg aus dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen so hoch, dass ich dazu nur sagen kann: Das ist ein Scheinangebot. Es ist also nicht nur vergiftet, sondern gar kein richtiges Angebot. Auch das ist aus unserer Sicht nicht verhandelbar. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Bundesregierung wollte bisher gar kein nationales Anbauverbot haben; die Gründe dafür standen im Gegensatz zu denen der Linken. Sie wollte und will den Anbau dieser Pflanzen, zumindest in der Union ist das klar. Aber der öffentliche Proteststurm gegen die Enthaltung der Bundesregierung bei der Abstimmung über die Anbauzulassung der Maislinie 1507 in Brüssel hat Wirkung gezeigt. Das zeigt übrigens, dass es sich lohnt, sich zusammenzutun, einig zu sein und sich zu Wort zu melden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber statt nun konsequent zu handeln, versucht die Kanzlerin einen Trick. Kollege Ebner hat es schon erläutert. Sie erklärt sich diese Woche bereit, in Brüssel für ein nationales Anbauverbot zu stimmen. Sie meint aber das vergiftete Scheinangebot der griechischen Ratspräsidentschaft. Sie tut also aus meiner Sicht nur so, als ob sie auf die kritischen Stimmen hören würde. Und weil einige Fachleute – aus allen Fraktionen übrigens – das schon geahnt haben, haben wir uns bereits am 25. April mit einer gemeinsamen Initiative an alle Kolleginnen und Kollegen gewandt. Ich danke übrigens allen Kolleginnen und Kollegen, die in dieser Gruppe sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unsere Forderungen lauten in Kurzfassung: die griechische Opt-out-Variante ablehnen, Zulassungsverfahren deutlich verbessern und sozial-ökonomische Risiken berücksichtigen. Erreicht haben wir damit immerhin, dass heute dieser Antrag der Koalition vorliegt und wir uns darüber verständigen können. Man muss auch zugeben: Der Antrag nimmt einige Gedanken der überfraktionellen Gruppe auf. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das will ich als Linke gerne zugestehen. Aber wichtiger für die Bewertung des Antrags ist, was nicht darin enthalten ist. Es fehlt nämlich zum Beispiel der Ausschluss einer Bittstellerfunktion der Mitgliedstaaten gegenüber den Konzernen. Ich frage mich, warum Sie das nicht in den Antrag aufgenommen haben. Für uns Linke ist das nämlich ein absolutes No-Go. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweitens fehlt die Forderung nach der kritischen Überarbeitung des Zulassungsverfahrens. Aber nur damit können wir verhindern, dass in Europa gefährliche Pflanzen zugelassen werden. Deswegen ist es so wichtig, dass wir auch das angehen, und deshalb müsste es auch im Antrag gefordert werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Drittens fehlt der Auftrag an die Bundesregierung, in Brüssel gegen sämtliche Zulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen zu stimmen, zumindest solange das Zulassungsverfahren nicht deutlich verbessert worden ist. Dass die SPD trotzdem versucht, diesen Antrag, der aus meiner Sicht ein Minikompromiss ist, als großen Wurf und als Durchbruch zu feiern, finde ich sehr bedauerlich. Ich hätte mir eine etwas kritischere Sicht auf die eigene Rolle gewünscht. Aber ich finde trotzdem: Es ist ein wichtiger Schritt. Das ist anerkannt. Ich freue mich und bedanke mich auch noch einmal bei den Grünen, dass eine gemeinsame Positionierung der Opposition möglich war. Allen Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen biete ich heute noch einmal ausdrücklich an, gemeinsam für unser Ziel weiterzustreiten, nämlich für ein gentechnikfreies Europa. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, es wurde schon angesprochen: Gestern haben wir Unterschriften von über 100 000 Bürgerinnen und Bürgern überreicht bekommen, die uns aufgefordert haben, den Gentechnikanbau zu verhindern. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Was ist das gegen die 79 Millionen?) Täglich gehen bei uns allen Bürgerbriefe mit der gleichen Aufforderung ein. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben dazu eine klare Position: Wir lehnen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ab; (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) denn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will solche Pflanzen weder auf dem Acker noch auf dem Teller. Deshalb bin ich froh darüber, dass wir heute zusammen mit den Kollegen von der CDU/CSU einen Antrag einbringen können, (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der leider nicht hilft!) mit dem wir die nationalen Möglichkeiten zum Ausstieg aus dem GVO-Anbau entscheidend verbessern wollen. Unser Koalitionspartner hat dafür einen weiten Weg gehen müssen. Aber auch wir haben Abstriche machen müssen. Das Ergebnis kann sich dennoch sehen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich bitte Sie und euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich vorurteilsfrei mit diesem Antrag zu befassen, statt in die übliche Grabenkampfrhetorik zu verfallen. Anders als manche behaupten, enthält unser Antrag nämlich keine grundsätzliche Zustimmung zum griechischen Vorschlag. Er ist eine Diskussionsgrundlage, und wir stellen Bedingungen an seine Ausgestaltung. Die wichtigsten Punkte dabei sind die Rechtssicherheit bei den Ausstiegsmöglichkeiten und die Erweiterung der Ausstiegsmöglichkeiten in Phase II, das heißt nach der EU-Zulassung des entsprechenden GVO. Der Ausstieg soll nämlich jederzeit möglich sein – ich betone: jederzeit –, und es müssen dafür keine neuen Forschungsergebnisse bzw. objektiven Gründe vorgelegt werden. Das heißt, jederzeit müssen die Mitgliedstaaten die Möglichkeiten haben, etwa nach einem Regierungswechsel, aus dem Anbau auszusteigen. Bisher wird nämlich nur der jederzeitige Anbaueinstieg offengehalten. Die Befreiung der Mitgliedstaaten von der Vorlage neuer Forschungsergebnisse zur Begründung ihres Ausstiegs aus dem GVO-Anbau soll gewährleisten, dass die Opt-out-Regelung wirklich eine Erleichterung gegenüber dem derzeitigen Recht darstellt; denn bereits jetzt können die Mitgliedstaaten gemäß der sogenannten Schutzklausel – wohlgemerkt: in einem sehr schwierigen Verfahren – nach Vorlage neuer Studien aus dem Anbau aussteigen, wie etwa bei MON 810. Eine Neuregelung muss also einen Mehrwert bringen. Ich sage ganz deutlich: Das sind die für eine Zustimmung unverzichtbaren Bedingungen. Der aktuelle griechische Vorschlag verpflichtet – darauf wurde schon verschiedentlich hingewiesen – die Mitgliedstaaten, die keinen GVO-Anbau wollen, dazu, bei den Unternehmen um Ausnahme zu bitten. Man muss sich das einmal vorstellen: Staaten sollen sich auf die Ebene von Unternehmen begeben müssen. Ich denke, das kann keiner von uns wollen; denn dann wäre die Souveränität eines Staates eindeutig beschädigt. Dass die EU-Kommission als Verhandler zwischengeschaltet werden soll, ist nur die zweitbeste Lösung. Wir wollen eine Regelung, die den Einfluss der Unternehmen einschränkt. Das möchte ich insbesondere an die Adresse meines Kollegen Ebner sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir setzen uns mit unserem Antrag erneut dafür ein, dass die Mitgliedstaaten in der sogenannten Phase II, also nach der Zulassung, ohne die Einwilligung von Unternehmen den GVO-Anbau untersagen können. Damit wäre der für uns Bürgerinnen und Bürger sowie für viele Umwelt- und Verbraucherverbände kritischste Punkt, nämlich der gestiegene Einfluss der Unternehmen, entscheidend entschärft und die Souveränität der Mitgliedstaaten gewährleistet. Einen weiteren für die Verbraucherinnen und Verbraucher wichtigen Punkt – der Minister hat ihn in seiner Rede schon erwähnt – möchte ich kurz ansprechen. Ich finde nach wie vor, dass die Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, wichtig ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt – das möchte ich in Richtung des Koalitionspartners ganz deutlich formulieren –, uns in Brüssel genau dafür starkzumachen. Diese Vereinbarung soll nun endlich umgesetzt werden. Das ist dringend nötig; denn dann wäre dem, was Sie gesagt haben, Herr Minister, nämlich dem Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Transparenz und Wahlfreiheit, endlich Rechnung getragen. Bitte lassen Sie uns daran arbeiten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Kees de Vries hat für die Fraktion der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Kees de Vries (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen heute über zwei Anträge ab. Beide betreffen die Grüne Gentechnik. Fangen wir mit dem Antrag der Grünen und der Linken an. Dieser verwendet sehr viele Worte darauf, dass letztendlich Gentechnik inklusive Forschung in Europa verhindert werden soll. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut so!) Damit koppeln wir uns von einer weltweiten Entwicklung ab (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) und begeben uns für die Zukunft in Abhängigkeit von anderen Ländern, die etwas mehr Mut zeigen. Es ist einfach unsere Pflicht, einen solchen Antrag abzulehnen. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mut zum Risiko, Herr Kollege!) Kommen wir nun zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Diesem ist ein langer und intensiver Diskussionsprozess von der fraktionsoffenen Sitzung bis zur heutigen Vorlage vorausgegangen. Tatsächlich, wenn ich mir diesen Antrag anschaue, kann auch ich sagen: Es hat sich gelohnt. Es wird aber niemanden verwundern, wenn ich von diesem Kompromiss nicht begeistert bin. Dennoch kann und werde ich ihn voll und ganz unterstützen, und zwar deshalb, weil dieser Antrag das Ergebnis eines demokratischen Prozesses ist. Ich bin froh, in einem Land leben zu dürfen, in dem eine solche Entscheidung auf so einem Weg zustande kommen kann und in diesem Fall auch zustande gekommen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dennoch sollten wir die Augen nicht davor verschließen, dass diese Diskussion viel zu sehr auf emotionaler Basis geführt wurde. (Beifall bei der CDU/CSU) Sechs auch von Deutschland teuer bezahlte EFSA-Studien, die in dem letzten hier diskutierten Fall der Zulassung der Maislinie 1507 eine höchstmögliche Sicherheit für Gesundheit und Umwelt bewiesen haben, werden einfach infrage gestellt. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die ist auch sehr neutral, die EFSA!) Hier wurde eine Stellungnahme auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens eines für Fragen der Gentechnik zuständigen Expertengremiums abgegeben. Dieses Gremium setzt sich aus unabhängigen wissenschaftlichen Sachverständigen zusammen, (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Na ja! Daran gibt es durchaus Zweifel!) die von spezialisierten Arbeitsgruppen unterschiedlicher Fachgebiete, zum Beispiel der Allergologie, Ökologie oder Toxikologie, unterstützt werden. Wenn von diesen unabhängigen Wissenschaftlern in mehreren Nachprüfungen festgestellt wird, dass es keine nachteilige Wirkung für Mensch, Tier und Umwelt gibt, dann sollten wir eigentlich gegenüber diesen Gremien ein gewisses Maß an Respekt aufbringen. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso haben Sie das bei Mais 1507 nicht gemacht? – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn das Verfahren falsch ist, ist auch das Ergebnis falsch!) Aber ich weiß natürlich auch, dass es politische Kreise gibt, die kein Interesse haben, in diesem Sinne aufzuklären. Ich bin beeindruckt, dass es diesen Kreisen gelungen ist, die Angst vor dem Unbekannten so zu schüren, dass sogar Teile dieses Hauses dadurch beeinflusst worden sind. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Oh mein Gott!) Ich meine, es wird auf Dauer nicht gut gehen, wenn Angst der Ratgeber ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten nicht Angst mit Vorsorge verwechseln!) – Genau, Herr Ebner, das haben Sie richtig erkannt. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Dann hat das Europäische Parlament auch unrecht!) Wahlfreiheit und Kennzeichnung sind für mich die entscheidenden Punkte in diesem Antrag. Ich bin der Meinung, dass das Ziel eine lückenlose und praktikable Kennzeichnung von allen – ich betone: von allen – GVO sein soll. (Beifall bei der CDU/CSU) Der einfache Satz „Mithilfe von Gentechnik produziert“ ist da völlig ausreichend. Das würde zu Klarheit und Wahrheit beitragen. Ich habe gute Hoffnung, dass auch unsere Kollegen der Grünen wenigstens diese Transparenzregelung mittragen. Wir bestätigen mit dem Antrag nicht nur die Aussage im Koalitionsvertrag, dass wir die Sorgen der Bevölkerung und ihre Vorbehalte ernst nehmen und berücksichtigen, nein, wir sichern zudem im Interesse einer sachlich und wissenschaftlich fundierten Politik für das Wohl des Landes und der Menschen die Forschungsfreiheit. Das ist der entscheidende Unterschied zum Antrag der Grünen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist übrigens auch ein Antrag der Linken!) Ich spreche mich deshalb so deutlich für Forschungsfreiheit aus, weil ich sicher bin, dass die Forschung in Deutschland und Europa unabhängig und von sehr hoher Qualität ist und darum hier erhalten werden muss, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) und weil ich hoffe, dass wir mithilfe dieser Forschung und einer praktikablen Kennzeichnung die unbegründeten Ängste der Bürgerinnen und Bürger abbauen können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD] – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ein Gespenst geht um!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dr. Matthias Miersch das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege de Vries, ich will mit Ihnen auch heute nicht in der Sache diskutieren; (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist ja klar!) wir haben da sicherlich ganz unterschiedliche Auffassungen. Aber ich möchte mich bei Ihnen ausdrücklich dafür bedanken, dass wir trotz der Unterschiede in der Sache diesen Antrag heute hier gemeinsam verabschieden können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Es ist erst ein paar Wochen her, dass ich, ebenfalls an dieser Stelle, gesagt habe, dass ich es nicht für akzeptabel halte, dass sich eine Bundesregierung bei der Frage, ob eine gentechnisch veränderte Sorte auf der EU-Ebene zugelassen wird, enthält. Ich bin nach wie vor dieser Auffassung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Umso besser ist, dass wir als Parlamentarier unsere Verantwortung in den letzten Wochen wahrgenommen haben. Jetzt, in einer Phase, in der es um eine sehr zentrale weitere Frage auf europäischer Ebene geht – wie kann eine nationale Ausstiegsklausel formuliert werden? –, zeigen wir in diesem Parlament klar Flagge und geben der Bundesregierung Handreichungen mit auf den Weg. Das ist ein entscheidendes Signal dieses Parlaments. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ich möchte hier eine Sache wirklich sehr deutlich klarstellen. Was ich meine, trifft jeden. Harald Ebner, man sollte damit sehr vorsichtig umgehen. Von einem Täuschungsmanöver zu sprechen, ist eine Ungeheuerlichkeit für jeden, der sich mit diesem Antrag auseinandergesetzt hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dahinter steht natürlich, dass Sie überhaupt nicht damit gerechnet haben, dass diese Große Koalition zu diesem Antrag fähig ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie schreiben ja selbst in dem von Ihnen gestellten Antrag, eine nationale Opt-out-Klausel werde diese Bundesregierung wahrscheinlich nie verfolgen. Wir sind weiter. Wir haben die Sprachlosigkeit dieser Bundesregierung durch diesen Antrag beendet, indem wir gesagt haben: Wir wollen eine nationale Ausstiegsklausel, und wir wollen sie gerade nicht so wie die griechische Ratspräsidentschaft; vielmehr wollen wir die Souveränitätsrechte des Parlamentes sichern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das muss man schon zur Kenntnis nehmen. Auch Umweltverbände sagen: Ja, das, was hier gemacht wird, ist die zweitbeste Lösung. Denn sie wissen, zumindest wir würden es begrüßen, wenn auf europäischer Ebene nichts mehr stattfände. – Ich erinnere die Grünen daran, dass auch Frau Künast die Erfahrung machen musste, dass das alles auf europäischer Ebene nicht so einfach ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich musste als Anwalt Rechtsgutachten über die Frage der Verfassungsgemäßheit von gentechnikfreien Regionen auf kommunaler Ebene schreiben. Wir reden jetzt nicht über gentechnikfreie Regionen auf kommunaler Ebene, sondern wir reden über nationale Ausstiegsklauseln. Ich finde, das ist viel besser. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Schmidt, ich bin für Ihre Äußerungen sehr dankbar. Dieser Antrag soll Sie und Barbara Hendricks bei Ihren Beratungen in Brüssel unterstützen; schließlich wird in den Schlussverhandlungen dort sicherlich noch das eine oder andere verhandelt werden müssen. Ich sage ganz eindeutig: Der Satz, dass ein nationales Parlament jederzeit von einer Ausstiegsklausel Gebrauch machen können muss, ist sehr zentral. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Es darf eben nicht so sein, dass ein Unternehmen einem Staat vorschreiben kann, wie er mit dem Thema Grüne Gentechnik umzugehen hat. Das ist ein sehr zentraler Punkt. Ich bin dankbar dafür, dass Sie das heute hier so betont haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Miersch, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ebner? Dr. Matthias Miersch (SPD): Bitte. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Da kannst du jetzt noch was klarstellen!) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kollege Miersch, würden Sie bestreiten, dass es mit einer Opt-out-Klausel europaweit zu mehr Zulassungen kommt, wie es in dem von mir eben zitierten Lobbypapier von vielen Spezialisten, auch von den Anbauverbänden und den Umweltverbänden, prognostiziert wird? Dr. Matthias Miersch (SPD): Vielen Dank für diese Frage, Herr Kollege Ebner, weil Sie mir so Gelegenheit geben, bei der knappen Redezeit diesen Zusammenhang doch noch einmal aufzuzeigen. Ich glaube, Sie haben völlig verkannt, dass wir hier heute über eine Thematik reden, die gerade in den nächsten Wochen in Brüssel zur Debatte steht. Es geht darum, ob ein nationales Recht besteht, trotz Zulassung von einer gentechnisch veränderten Sorte im eigenen Land abzusehen. Das ist ein zentrales Moment und ein zentraler Fortschritt. Das hat mit der Zulassungsfrage an dieser Stelle überhaupt nichts zu tun, sondern mit der Autonomie des Mitgliedstaats. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was nutzt das an der holländischen Grenze, am Niederrhein?) Das hätte etwas damit zu tun, wenn es eine Kooperation mit den antragstellenden Unternehmen gäbe, was Sie zu Recht kritisiert haben. Aber genau das will das Parlament nicht. Wir wollen, dass das Souveränitätsrecht jederzeit gewahrt ist. Deswegen ist das ein zentraler Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir als Große Koalition gehen hier heute einen ersten Schritt zusammen, leider nicht mit Ihnen. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass das Thema Grüne Gentechnik eines ist, was an ethische Grundsätze geht. Wir haben heute gerade die erste Sitzung der Endlagersuchkommission gehabt, die wir alle zusammen eingesetzt haben. Ich wünsche mir, dass es irgendwann dazu kommt, dass wir auch eine gemeinsame Entscheidung zum Thema Grüne Gentechnik treffen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich glaube, dass jetzt jedenfalls die Blockade innerhalb der Bundesregierung aufgelöst ist und dass es, wenn man den Duktus des Antrags ernst nimmt, bei den nächsten Zulassungsfragen nicht mehr zu Enthaltungen kommen wird, sondern zu einem klaren Votum im Sinne dieses Antrags, (Beifall bei der SPD) nämlich zur Ablehnung der Zulassung. Insofern ist das ein deutliches Signal. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Abstimmung! Ich habe noch ein paar Termine!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu zwei namentlichen Abstimmungen. Tagesordnungspunkt 9. Abstimmung über den gemeinsamen Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke auf Drucksache 18/1453 mit dem Titel „Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern“. Wir stimmen über den Antrag auf Verlangen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke namentlich ab. Während die Schriftführerinnen und Schriftführer die vorgesehenen Plätze einnehmen, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass mir mehrere Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen. Wir nehmen sie entsprechend unseren Regeln zu Protokoll. Sind alle Schriftführerinnen und Schriftführer am vorgesehenen Platz? – Das ist der Fall. Ich eröffne die erste namentliche Abstimmung. Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Aufmerksamkeit. Zusatzpunkt 6. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf der Drucksache 18/1450 mit dem Titel „Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen“. Wir stimmen jetzt über den Antrag auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD namentlich ab. Sind alle Schriftführerinnen und Schriftführer am vorgesehenen Platz? – Das ist der Fall. Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung. Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, welches seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der beiden Abstimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben. Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 Drucksache 18/1415 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Staatsminister Michael Roth. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Guten Abend, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Expertinnen und Experten hier im Hohen Hause wissen, dass KFOR seit 15 Jahren im Kosovo präsent ist. Da wir in jedem Jahr hier im Bundestag darüber diskutieren, ob wir das Mandat verlängern, ist nach einer so langen Zeit sicherlich kritisch zu fragen: Ist dieser Einsatz noch nötig? Und wenn ja, in welchem Umfang? Bevor ich auf die aktuelle Lage im Kosovo zu sprechen komme und den Antrag der Bundesregierung begründe, möchte ich eine kurze Vorbemerkung machen. Im Kontext der Ukraine-Krise wird der Kosovo immer wieder als Vergleichsfolie für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim herangezogen. Oftmals geschieht dies allerdings auf der Basis völlig falscher Fakten und zweifelhafter Argumente. Es ist schon sehr verräterisch, dass gerade diejenigen, die das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft im Kosovo-Krieg und die spätere Unabhängigkeitserklärung des kleinsten Balkanstaates bislang immer abgelehnt haben, beides nun plötzlich zum Präzedenzfall für ihr eigenes Vorgehen erklären wollen. Ich will daher auf diese hinkenden Vergleiche gar nicht im Detail eingehen, denn sie verstellen den Blick auf eine ganz andere Realität auf dem südlichen Balkan. Die Krim ist eben nicht der Kosovo; denn dort ist es durch geduldige und hartnäckige Verhandlungsarbeit gelungen, Schritt für Schritt eine weitreichende Annäherung und Verständigung zwischen dem Kosovo und Serbien herbeizuführen. Deshalb sollte uns gerade das Beispiel des Kosovo bei anderen internationalen Krisenherden, in denen sich Deutschland und die Europäische Union derzeit engagieren, Mut machen. Denn die hoffnungsvollen Fortschritte der vergangenen Monate zeigen uns: Auch in einer Region, die seit Jahrzehnten von tiefen ethnischen, religiösen und politischen Gegensätzen und massiven Auseinandersetzungen geprägt ist, ist eine friedliche Konfliktlösung möglich. Ein solcher Weg des politischen Dialogs – das wissen wir alle – ist selten einfach und vor Rückschlägen nicht gefeit. Aber er bietet doch die realistische Chance, die Spirale der eskalierenden Gewalt dauerhaft zu durchbrechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als wir in diesem Haus vor einem Jahr das letzte Mal über die Zukunft von KFOR beraten haben, prägte noch sehr vorsichtiger und abwartender Optimismus unsere Haltung. Damals war die Tinte unter der Normalisierungsvereinbarung zwischen Serbien und dem Kosovo gerade erst ein paar Wochen trocken. In dieser Phase war nicht mit Sicherheit abzusehen, ob die praktische Umsetzung dieses doch sehr ambitionierten Übereinkommens tatsächlich gelingen würde. Heute, ein Jahr später, besteht dagegen kein Zweifel mehr: Das Abkommen, das im April 2013 geschlossen wurde, war ein echter Durchbruch im Annäherungsprozess. In beiden Ländern wird dieser Weg hin zu normalen nachbarschaftlichen Beziehungen inzwischen von einer immer breiteren politischen, vor allem aber auch von einer gesellschaftlichen Mehrheit getragen. Die konkreten Fortschritte, die im vergangenen Jahr erzielt wurden, stimmen mich durchaus optimistisch. Das gilt insbesondere für den Abbau der illegalen Parallelstrukturen im mehrheitlich serbisch bewohnten Nordkosovo und deren Eingliederung in die kosovarische Staatsverwaltung. Beispielhaft hervorheben möchte ich die weitgehend abgeschlossene Polizeiintegration. Knapp 300 vormals beim serbischen Innenministerium beschäftigte, illegal im Nordkosovo tätige Polizisten gehören mittlerweile zur kosovarischen Polizei. Sie beziehen ihr Gehalt aus Pristina. Über den kosovarisch-serbischen Regionalkommandeur für den Norden sind sie fest in die Befehlskette der kosovarischen Polizei eingebunden. Ein ebenso großer Fortschritt ist der freie Zugang des kosovo-albanischen Grenzpersonals zu den Grenzposten im Norden. Was so selbstverständlich klingt, war lange Zeit völlig undenkbar. Bis zum Dezember 2013 konnten Zöllner und Grenzpolizisten ihre Einsatzorte ausschließlich in Begleitung der EU-Rechtsstaatlichkeitsmission, EULEX Kosovo, oder nur auf dem Luftweg erreichen. Positiv ist auch, dass im Winter 2013 im Kosovo erstmals landesweit Kommunalwahlen nach kosovarischem Recht stattfinden konnten. Anders als in den Jahren zuvor machten dabei erstmals auch sehr viele Kosovoserben im Norden des Landes von der Möglichkeit Gebrauch, legitime Bürgermeister und Gemeinderäte zu wählen. Nur in sehr wenigen Wahllokalen gab es Probleme. Dort wurde die Wahl zwei Wochen später ohne weitere Zwischenfälle wiederholt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese ersten Erfolgsmeldungen verdanken wir vor allem dem Mut und der Entschlossenheit der Regierungen in Belgrad und Pristina, endlich die schwierige Lage im Nordkosovo in den Griff zu bekommen. Die serbischen Bürgerinnen und Bürger haben den außenpolitischen Kurs ihrer Regierung bei den jüngsten Parlamentswahlen klar bestätigt. Es bleibt aber abzuwarten, ob auch die kosovarischen Wählerinnen und Wähler ihrer Regierung bei den Neuwahlen Anfang Juni 2014 ein starkes Mandat für weitere Schritte der Annäherung und der Versöhnung geben werden. Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir nicht aus dem Blick verlieren: Die Fortschritte der vergangenen Monate sind vor allem auch ein klarer Erfolg für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Ohne die unermüdliche Vermittlungsleistung von Catherine Ashton, unserer EU-Außenministerin, wäre dieser Durchbruch überhaupt nicht möglich gewesen. Die EU bleibt auch weiterhin in der Verantwortung, den politischen Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo zu begleiten; (Beifall bei der SPD) denn unser langfristiges Ziel bleibt ein dauerhaft befriedeter, europäisch eingebundener westlicher Balkan. In diesem Sinne war es eine kluge Entscheidung, dass wir die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien immer auch an konkrete Fortschritte im serbisch-kosovarischen Dialog geknüpft haben. Wir sind sehr gut beraten, wenn wir diese Konditionalität auch im weiteren Verlauf der Beitrittsgespräche beibehalten. Denn eine Reihe von Fragen ist immer noch ungelöst: Für das Gerichtswesen im Norden müssen zügig praktikable Lösungen gefunden werden. Die serbischen Zivilschutzkräfte im Norden müssen in kosovarische Strukturen aufgenommen werden. Auch die Gründung des Verbands kosovo-serbischer Gemeinden steht noch aus. Ebenso muss die kosovarische Regierung weiter hart daran arbeiten, im eigenen Land für eine gute Regierungsführung zu sorgen. Hier ist noch eine lange Wegstrecke zurückzulegen. Korruption, organisierte Kriminalität, unzureichende Rechtsstaatlichkeit müssen noch entschlossener bekämpft werden als bislang. Ebenso gilt es, die Demokratie nachhaltig zu stärken. Daher ist es gut, dass die EU-Staaten hier ebenfalls unter deutscher Beteiligung Flagge zeigen und im Rahmen der Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX Kosovo den Aufbau von Polizei, Justiz und Verwaltung im Kosovo aktiv unterstützen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz der genannten Bewährungsproben haben wir heute, 15 Jahre nach dem Ende des Kosovo-Kriegs, erfreulicherweise ein hohes Maß an Stabilität und Sicherheit erreicht. Das liegt nicht zuletzt am Einsatz der NATO-geführten Operation KFOR, an der sich Deutschland von Beginn an beteiligt hat. Seit Juni 1999 waren nunmehr bereits über 100 000 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Kosovo stationiert. Ihnen danke ich im Namen der Bundesregierung für ihren Beitrag zu einem friedlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen und vor allem auch multiethnischen Kosovo. Ihr Einsatzgebiet war dabei nicht immer so ruhig und stabil wie heute. In den vergangenen Jahren ist es uns gelungen, die KFOR mehr und mehr auf eine Rolle als Ultima Ratio zu beschränken. Viele Sicherheitsaufgaben, beispielsweise der Schutz von serbischen Denkmälern oder serbisch-orthodoxen Klöstern, werden inzwischen eigenständig von der kosovarischen Polizei übernommen. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Weil KFOR es nicht konnte!) Die KFOR steht als letzte von insgesamt drei Sicherheitsreihen nur noch für den Fall bereit, dass erneut gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen ausbrechen sollten. Gerade im Norden des Landes kommt es vereinzelt leider immer wieder zu Zwischenfällen, wie zuletzt im Verlauf der Kommunalwahlen im November 2013 in der Stadt Mitrovica. In diesen Situationen zeigt sich, dass die enge Zusammenarbeit zwischen kosovarischer Polizei, EULEX-Mission und KFOR-Kräften im Notfall gut funktioniert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, solange die Umsetzung des Normalisierungsprozesses andauert und noch nicht unumkehrbar abgesichert ist, wäre es voreilig, die aktuelle internationale Sicherheitsarchitektur im Kosovo auszudünnen. Die kosovarische Regierung und die lokalen Sicherheitskräfte sind noch nicht in allen Bereichen voll handlungsfähig. Deshalb wollen wir diesen Stabilisierungseinsatz fortsetzen und mit unserer Beteiligung an der KFOR-Schutztruppe und der EULEX-Mission weiterhin Präsenz im Kosovo zeigen. Nur so können wir den politischen Dialog zwischen Serbien und Kosovo militärisch absichern und notfalls rasch vor Ort auf veränderte Sicherheitslagen reagieren. Sollte die Umsetzung der Normalisierungsvereinbarung nachhaltige und belastbare Erfolge zeigen und die Sicherheitslage weiter stabil bleiben, ist mittelfristig auch eine weitere deutliche Reduzierung der Truppenstärke denkbar. Die Chance, dass dies gelingt, ist gegenwärtig so groß wie noch nie. Durch die fortgesetzte Beteiligung an KFOR will Deutschland seinen eingegangenen Verpflichtungen und seiner hervorgehobenen Rolle bei der Konfliktlösung im Kosovo auch in Zukunft gerecht werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Ziele bleiben unverändert: Kosovo stabil halten, den Frieden in der Region sichern. Der Kosovo gehört zu Europa, und er hat eine Perspektive, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Ich bitte Sie daher im Namen der Bundesregierung um Ihre Unterstützung für die Fortsetzung des laufenden Mandats. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor wir in der Debatte fortfahren, gebe ich Ihnen die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt. Dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke „Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern“ haben bei 568 abgegebenen Stimmen 107 Kolleginnen und Kollegen zugestimmt, 458 Kolleginnen und Kollegen haben mit Nein gestimmt, 3 haben sich enthalten. Der Antrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 567; davon ja: 107 nein: 457 enthalten: 3 Ja SPD Ralf Kapschack DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Dr. André Hahn Heike Hänsel Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Nein CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoguz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Enthalten CDU/CSU Josef Göppel Charles M. Huber SPD Marco Bülow (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Schade eigentlich!) Zum Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD „Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen“. Hier haben 564 Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 458 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 106, Enthaltungen gab es keine. Der Antrag ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 565; davon ja: 459 nein: 106 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Roy Kühne Uwe Lagosky Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoguz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Nein DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Wir fahren fort in der Redeliste zum Tagesordnungspunkt 10. Das Wort hat der Kollege Dr. Alexander Neu für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN – Niels Annen [SPD]: Lasst die Spiele beginnen!) Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Linke lehnt wie jedes Jahr den KFOR-Einsatz und auch die Beteiligung der Bundeswehr ab. Warum? Es ist unsere Überzeugung, dass der Einsatz militärischer Mittel in der internationalen Politik inakzeptabel ist. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Das können Sie gar nicht begründen!) Es gibt auch noch einen materiellen Grund, warum wir die sogenannte Friedenstruppe KFOR ablehnen: Sie ist nämlich faktisch eine Besatzungsarmee. (Widerspruch bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie sah seit Juni, seitdem sie einmarschiert ist, bei der Flucht und Vertreibung von über 230 000 Serbinnen und Serben, Roma und anderen Volksgruppen zu. Selbst die Grünen haben sich darüber nicht beschwert, obwohl sie doch sonst immer den Mund aufreißen, wenn es um Vertreibung geht. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo? – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das Friedensgutachten gelesen? Im Friedensgutachten steht: Das ist ein Riesenerfolg! Sie sollten nicht nur Ihre eigenen Texte lesen, sondern auch einmal die Augen aufmachen!) Bis heute gibt es keine signifikante Zahl über die Rückkehr der Vertriebenen. Noch immer leben mehrere Zehntausend Menschen in Zentralserbien in Notbehausungen. Das interessiert die Grünen auch nicht. Die NATO hat die ethnischen Säuberungen im Kosovo nach Juni 1999 nicht nur geduldet, sondern auch akzeptiert. (Michael Brand [CDU/CSU]: Geschichts-klitterung!) Damit hat die NATO ihren Schutzauftrag gemäß Resolution 1244 verletzt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Gabi Weber [SPD]: Ideologische Verblendung! – Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist Ihre schlimmste Rede überhaupt!) Der tatsächliche, der unterschwellige Auftrag der KFOR war nämlich ein ganz anderer: nicht die Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 1244, sondern die militärische Absicherung einer zukünftig geplanten Unabhängigkeit des Kosovo. Folgerichtig ist die serbische Provinz des Kosovo seit 15 Jahren von der NATO und NATO-nahen Staaten besetzt. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleich kommen die Illuminaten!) Wie kann das sein? Es existiert zwar eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, aber wir erinnern uns, was 1998/1999 passiert ist: (Michael Brand [CDU/CSU]: Sie erinnern sich nicht! Garantiert nicht!) Die NATO hat sich auf die Seite der Kosovo-Albaner gestellt, sie war also nicht nur Konflikt , sondern auch Kriegspartei. (Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Originalton SED!) Sie hat den UCK-Separatismus unterstützt und drei Monate Belgrad und Serbien bombardiert, bis Serbien im Juni 1999 kapitulierte. (Michael Brand [CDU/CSU]: Reden Sie mal über Milosevic! Der kommt gar nicht vor in der Geschichtsklitterung!) Belgrad hatte nun die Wahl zwischen einer schlechten und einer schlechteren Option, nämlich die Akzeptanz der Besetzung des südlichen Teils Serbiens pur oder zumindest unter Kontrolle der Vereinten Nationen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unverschämt!) Belgrad entschied sich seinerzeit für die letztere Variante in der Hoffnung, dass die Vereinten Nationen irgendwie das Treiben der NATO unter Kontrolle bringen könnten, was aber nicht passiert ist. So mutierte die Kriegspartei NATO über Nacht zur Friedenstruppe KFOR mit UN-Mandat. (Gabi Weber [SPD]: Schade, dass die UN so „doof“ sind!) Anders ausgedrückt: Der Bock wurde zum Gärtner gemacht. Die Friedenstruppe KFOR kann seitdem im Mäntelchen der UN Realitäten vor Ort schaffen, und sie hat es auch gemacht: Wir haben die Unabhängigkeit des Kosovo. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das hat nicht die NATO entschieden, sondern die Bevölkerung Kosovos!) Parallel hintertrieben die OSZE und die UNMIK vor Ort, vom Westen dominiert, von Anfang an, durch die Resolution 1244, die territoriale Integrität Serbiens und haben stattdessen den Pseudostaat Kosovo kreiert. Ich habe zwei Jahre dort gearbeitet, 2000, 2002 sowie 2004. Ich konnte tagtäglich erleben, wie die serbischen Staatsstrukturen im Kosovo abgeschafft wurden (Lachen des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]) und durch eigenstaatliche Strukturen ersetzt wurden: zum Beispiel Einführung der D-Mark, später der Einführung des Euro, eigene Identitätspapiere, neue Gesetze, Nummernschilder – all das, um einen neuen Staat Kosovo als Realität aufzubauen. Auch heute geht es bei der Verlängerung des KFOR-Mandats nicht um die Sicherheit der Menschen vor Ort, nein, es geht darum, die militärische Absicherung dieses illegalen Möchtegern-Staatsgebildes fortzusetzen. Wir erleben aktuell ein ähnliches Szenario in der Ukraine, nur mit umgekehrten Vorzeichen; Herr Roth ist schon darauf eingegangen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Er ist nicht darauf eingegangen, er hat Ihnen widersprochen!) Separatisten wollen die Unabhängigkeit des Ostens der Ukraine wie seinerzeit separatistische Kosovo-Albaner, Slowenen, Kroaten und Bosnier die Unabhängigkeit von Jugoslawien. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist die Rhetorik von Milosevic, die Sie da führen!) Seinerzeit waren das in den Augen des Westens Helden, Freiheitskämpfer und Demokraten. Die Separatisten im Osten der Ukraine gelten aber als Ganoven und Terroristen, die man auch militärisch bekämpfen darf, wie ich gestern von Außenminister Steinmeier gelernt habe. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das hat er nicht gesagt! Unverschämtheit!) – Sie haben halt ein anderes Hörvermögen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist glatt gelogen, was Sie sagen!) Ihnen fällt Ihre eigene Doppelzüngigkeit, wenn es um die Frage des Völkerrechts geht, nicht einmal mehr auf. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Die Frage der Souveränität und des Selbstbestimmungsrechts legen Sie jeweils instrumentell aus. Der Punkt ist aber, dass internationales Recht entweder für alle gleichermaßen gilt oder für keinen. Alles andere ist Willkür. (Beifall bei der LINKEN) Stoppen Sie die Willkür, akzeptieren Sie das internationale Recht, und leben Sie danach! Die Wiederentdeckung des internationalen Rechts im Kontext der Ukraine-Krise hat – so nehme ich das zumindest wahr – nur einen instrumentellen Charakter. Plötzlich redet man von Souveränität und von territorialer Integrität, von all dem, was für Sie im Fall Jugoslawien nie eine Rolle gespielt hat. Daher ist das ein rein instrumenteller Ansatz. Eine innere Läuterung Ihrerseits kann ich nicht erkennen. (Niels Annen [SPD]: „Läuterung“?) Ihre Äußerungen folgen lediglich geopolitischen und geoökonomischen Erwägungen im Kampf um Einflusszonen. Sie wissen, dass das so ist, und die Linke weiß, dass Sie es wissen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei der SPD – Zuruf von der SPD: Unfug! – Michael Brand [CDU/CSU]: Was wir denken, das überlassen Sie mal uns!) Ihre Kanzlerin hat vor Wochen im Rahmen der Ukraine-Krise Folgendes gesagt: Das Recht des Stärkeren wird gegen die Stärke des Rechts gestellt. Ändern Sie das, meine Damen und Herren von der Regierung, indem Sie endlich damit anfangen, das Völkerrecht umfassend zu respektieren und nicht zu brechen. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Das sagen Sie einmal den Russen, bitte!) Europa braucht keine militärischen Besetzungen. Europa braucht keine Annexionen, keine Sezessionen, keine Ausgrenzungen, keine Aufrüstungen und keine geopolitischen Sandkastenspielchen. (Michael Brand [CDU/CSU]: Ich empfehle Ihnen eine Reise nach Moskau!) Was Europa braucht, ist eine europäische Sicherheitsarchitektur im Sinne eines Systems gegenseitiger, kollektiver Sicherheit unter Einschluss Russlands. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Neu, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Ich komme zum Ende. – Der KFOR-Einsatz steht dem aber diametral entgegen. Das ist der Grund, warum die Linke diese Verlängerung ablehnt. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Neu, Sie haben an der Reaktion unserer Fraktion gemerkt, wie viel Unverständnis bei uns für Ihre Einlassungen herrscht. (Niels Annen [SPD]: Nicht nur in Ihrer Fraktion!) Die Alternative, es mit dem Völkerrecht an der einen oder anderen Stelle vielleicht nicht so ernst zu nehmen, die Sie dazu vorschlagen, stößt wirklich auf Unverständnis. Für die Bundesrepublik Deutschland nehme ich übrigens in Anspruch, dass sie das Völkerrecht in den vergangenen Jahrzehnten durchgehend sehr ernst genommen hat, was nicht für alle NATO-Partner gilt. Aber zu sagen, dass man das Völkerrecht entweder komplett durchhalten muss oder es gleich abschaffen kann, halte ich nun wirklich für vollkommen grotesk. Wenn das in Sachen Konfliktlösung Ihre politische Antwort ist, dann könnten wir nach Ihrer Logik ja gleich die UNO abschaffen. Das, was Sie gesagt haben, war geprägt von Verschwörungstheorien. Kein einziges Mal kam in Ihrer Rede der Name Milosevic vor. Doch das gehört zur historischen Wahrheit im Kosovo dazu. Kofi Annan hat damals von der dunklen Wolke des Völkermords, die he-raufzieht, gesprochen. Daher ging es nicht nur um die Frage der territorialen Integrität und nicht nur um die Frage des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Es ging vor allem um die Abwendung eines Völkermords. Vor dem Hintergrund war der KFOR-Einsatz gerechtfertigt, und heute wird er ja unter einem UNO-Mandat geführt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Mißfelder, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage des Kollegen Neu? – Bitte. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Jetzt kommt wieder die Propaganda!) Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Kollege Mißfelder, Sie versuchen wieder einmal, von Völkermord zu reden. Ich habe mich da noch einmal schlau gemacht. (Florian Hahn [CDU/CSU]: „Schlau gemacht“!) Ich habe mir die Urteile einiger Verwaltungsgerichte vom Anfang 1999 zur Asylfrage angeschaut. (Michael Brand [CDU/CSU]: Er hat Kofi Annan zitiert!) Ich zitiere: „Eine explizit an die albanische Volkszugehörigkeit anknüpfende politische Verfolgung ist auch im Kosovo nicht festzustellen. Der Osten des Kosovo ist von den bewaffneten Konflikten bislang nicht erfaßt, das öffentliche Leben in Städten wie Pristina, Urosevac, Gnjilane usw. verlief im gesamten Konfliktzeitraum in relativ normalen Bahnen.“ Das „Vorgehen der Sicherheitskräfte – der jugoslawischen – (war) nicht gegen Kosovo-Albaner als ethnisch definierte Gruppe gerichtet, sondern gegen den militärischen Gegner und dessen tatsächliche oder vermutete Unterstützer.“ Das war ein Zitat aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 12. Januar 1999 an das Verwaltungsgericht Trier. Weiter, Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster auf der Grundlage einer Lageanalyse des Auswärtigen Amtes vom 24. Februar 1999: Wenn im übrigen der (jugoslawische) Staat auf die Separatismusbestrebungen mit konsequenter und harter Durchführung der Gesetze sowie mit antiseparatistischen Maßnahmen reagiert, denen sich ein Teil der Betroffenen ins Ausland entzieht, ist dies kein vom (jugoslawischen) Staat programmatisch gesteuerter Vorgang, der auf die Ausgrenzung und Vertreibung der Minderheit abzielt, sondern im Gegenteil auf ein Sicheinfügen dieses Volkes in den Staatsverband. Auch die Ereignisse seit Februar/März 1998 lassen ein Verfolgungsprogramm wegen albanischer Volkszugehörigkeit nicht erkennen. Die Maßnahmen der bewaffneten serbischen Kräfte sind in erster Linie auf die Bekämpfung der UCK und deren vermutete Anhänger und Unterstützer gerichtet. Das sind die Aussagen des Auswärtigen Amtes von 1998 und 1999, worauf sich wiederum zum Teil deutsche Gerichte in ihren Urteilen bezogen haben. Also, Völkermord – ja oder nein? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr Neu, ich beantworte Ihre Frage ganz kurz. Ich glaube, es sprach schon für sich selbst. Sie haben ja auch an den Reaktionen hier gemerkt, wie grotesk das ist und wie wahrgenommen wird, was Sie vortragen. Wo waren Sie zu der Zeit, als in Jugoslawien systematisch Vertreibung und auch Mord stattgefunden haben? Politiker sind ja gehalten, Gerichte generell nicht zu kritisieren. Ich weiß, wie hoch Richter in Deutschland angesehen sind. Ich will auch nicht darüber sprechen, in welcher geistigen Umnachtung derjenige, der das Urteil geschrieben hat, zu dem Zeitpunkt gelebt haben muss. (Zuruf von der LINKEN: Ah!) Ich muss Ihnen wirklich sagen: Das hier als politisches Instrument zu missbrauchen, ist falsch. Ich bleibe dabei. Kofi Annan hat von der heraufziehenden Wolke des Völkermords gesprochen. Diese Einschätzung teilen wir. Deshalb war es richtig, wenn auch umstritten, an dieser Stelle militärisch einzugreifen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es war ja insbesondere für die damalige Koalition eine ganz schwierige Entscheidung. Wenn man zurückblickt, merkt man: Es war ein Paradigmenwechsel in der Nachkriegsgeschichte. Ich bin deshalb auch froh, dass wir den Parlamentsvorbehalt haben. Dadurch beraten wir jedes Jahr zu Recht darüber, ob der Einsatz sinnvoll ist und unter welchen Gegebenheiten dieses Mandat fortgesetzt werden kann. Staatsminister Roth hat ja gesagt: Die Chance, jetzt die politische Lösung weiter voranzutreiben, ist riesig groß. Diese Chance sollten wir mit allen Möglichkeiten, die wir haben, nutzen. Dabei spielt Europa die zentrale Rolle. Das war übrigens damals bedauerlicherweise nicht der Fall. Wir haben damals nicht die zentrale Rolle gespielt, sondern die Amerikaner. Sie haben eigentlich das gemacht, wofür die Europäische Union zuständig ist, nämlich in ihrer Nachbarschaft selbst für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit zu sorgen. Das hat die Europäische Union damals wirklich auf die miserabelste Art und Weise nicht geschafft. Heute haben wir die Chance, mit einer gemäßigteren Regierung in Serbien, auf politische Kräfte in nahezu allen Ländern des früheren Jugoslawiens zuzugehen. Wir können durch große Gesten das, was geschehen ist, zwar nicht vergessen machen, aber zumindest können wir versuchen, es politisch zu heilen. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass man die Situation nutzen muss, die sich gerade ergibt. Wenn KFOR einen Stabilisierungsbeitrag leistet, ist das gut. Ich freue mich, zu hören, dass es bei einem Militäreinsatz nicht tagtäglich zu Feuergefechten kommt, dass nicht tagtäglich Personen schwer verwundet werden, dass es sich vielmehr um die letzte von drei Verteidigungslinien handelt. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass das ein erfolgreiches Mandat ist. Ich habe mich auch sehr darüber gefreut, zu hören, dass man mit Blick auf die Zeit nach Ablauf des jetzt anstehenden Mandats – es ist erneut auf zwölf Monate angelegt – über eine Absenkung der Truppenhöchstgrenze nachdenkt und intensiv darüber diskutiert. Wir begrüßen es im Zweifel immer, wenn Soldaten wieder abgezogen werden, zumal es sich hier um die 15. Einbringung dieses Mandats handelt. Aus unserer Sicht besteht also die Chance, den politischen Prozess im früheren Jugoslawien weiter zu begleiten. Wir sind mit allen Vertretern im Gespräch, so schwierig es auch im Einzelfall ist. Jeder weiß um die Schwierigkeiten auf dem Balkan, sei es nun in Albanien oder in Serbien selbst; jeder weiß, wie schwierig es ist, dort staatliche Strukturen zu implementieren. Ich glaube, dass es trotzdem eine große Chance gibt. Man kann auch eine mögliche Mitgliedschaft zur Europäischen Union als Mittel nutzen. Man kann die Perspektive dazu als Vehikel einsetzen, um diese Länder auf den richtigen Weg zu führen. Das sage ich sicherlich nicht im Namen aller in meiner Fraktion, aber ich spreche zumindest für den Großteil der Außenpolitiker und der Europapolitiker in meiner Fraktion, die ganz bewusst die Beitrittsperspektiven für alle Länder des früheren Jugoslawiens offenhalten wollen. Aus meiner Sicht ist das der sinnvollste politische Weg, um für dauerhafte Stabilität und für Frieden in der Region zu sorgen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Dr. Tobias Lindner das Wort. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute erneut über eine Verlängerung des KFOR-Mandats. Bei einem Mandat, das schon so lange Zeit läuft, könnte man das Gefühl haben, die Verlängerung sei eine Gewohnheitsübung, das sei Routine, da werde sich nichts ändern. Wenn jemand, der sich in so einer Welt bewegt, seine fünf Minuten Redezeit wie der -Kollege von der Linken für Ausführungen zur völkerrechtlichen Situation nutzt – Ausführungen, die ich, wie ich sagen will, absolut nicht teile –, könnte ich das noch verstehen. Ich will meine fünf Minuten hier nutzen, um darüber zu sprechen, was sich im Kosovo verändert hat und wo Chancen liegen. Wenn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, erneut über die Verlängerung dieses Mandats diskutieren, müssen wir sehen, dass KFOR statt wie anfangs 50 000 Soldatinnen und Soldaten heute nur noch 5 000 Soldatinnen und Soldaten umfasst, dass KFOR nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern – der Staatsminister hat von einer dritten Linie gesprochen – einen Rahmen bietet, der es eines Tages hoffentlich möglich machen wird, auf diese Mission zu verzichten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch nach so langer Zeit ein erfreuliches Zeichen und ein Fortschritt. (Beifall der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben gehört, dass Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und nicht zuletzt die EULEX-Mission in den letzten Jahren zu Fortschritten geführt haben. Wir haben darüber gesprochen, dass wir die Entwicklung von Strukturen beobachten können, die einen Rahmen schaffen, der sich selbst tragen kann und der einen erneuten Ausbruch von massiver Gewalt unmöglich macht. Wir müssen aber genauso, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Kenntnis nehmen, dass Angehörige von EULEX immer wieder, gerade im Norden Kosovos, unter Beschuss geraten. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass im Spätjahr 2013 ein litauischer EULEX-Zöllner bei seinem Einsatz ums Leben gekommen ist. Wir müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch zur Kenntnis nehmen, dass es bei Kommunalwahlen, die in Summe erfolgreich und gut verlaufen sind, auch zu Gewaltausbrüchen gekommen ist. Wenn wir dies alles zur Kenntnis nehmen, dann müssen wir heute zu dem Ergebnis kommen, dass nach wie vor, auch im nächsten Jahr, ein KFOR-Einsatz notwendig sein wird. Für diesen Einsatz, weil er eben den Rahmen bietet für eine Perspektive in Richtung Europa, haben Sie die überwiegende Zustimmung meiner Fraktion, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will noch auf einen anderen Punkt eingehen – der Kollege Mißfelder hat das schon anklingen lassen –: Wir führen heute nicht die Diskussion, ob Serbien eines -Tages Vollmitglied der Europäischen Union sein wird. Wir führen heute auch nicht die Debatte darüber, ob -Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit dem Kosovo zum Erfolg führen werden. Aber wir führen meiner Meinung nach sehr wohl die Diskussion darüber, dass man diesen beiden Staaten eine Perspektive bieten und einen Weg aufzeigen muss: Wenn ihr bereit seid, weitere Schritte in Richtung EU zu gehen, wenn ihr bereit seid, eure Beziehungen zu normalisieren, wenn ihr bereit seid, sowohl ganz praktische Schritte der täglichen Zusammenarbeit zu gehen als auch über grundlegende Fragen zu reden, dann wird euch eines Tages die Tür zur Europäischen Union offenstehen, dann gibt es einen Weg, dann gibt es ein Angebot der Europäischen Gemeinschaft unter dem gemeinsamen Dach Europa. Ich will für mich ausdrücklich bekräftigen: Diese -offene Tür, dieser Weg ist eine Riesenchance für eine Zukunft des Kosovos, für eine Zukunft der gesamten -Region von Serbien und Kosovo, für eine friedvolle -Zukunft ohne die KFOR eines Tages. Deswegen unterstützen wir, dass diese Tür offengehalten wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ein bisschen mehr Elan hätte ich jetzt von Ihnen erwartet! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]: Von ihm? – Weiterer Gegenruf des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU]: So wie Sie in Ihrem Sitz hängen?) – Ich will, wenn hier über Elan gesprochen wird, zum Abschluss doch noch eines sagen – auch wenn heute auf den Tribünen keine Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sitzen –: Es gab in diesen 15 Jahren, in denen wir jetzt über Serbien, das Kosovo und KFOR reden, (Herbert Behrens [DIE LINKE]: 10 Jahren!) viele Debatten, in denen es sich Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und anderer Fraktionen nicht einfach gemacht haben. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ach Gottchen!) – Herr Kollege Neu, ich finde es etwas fehl am Platz, dass Sie, wenn ich davon spreche, dass Menschen hier Gewissensentscheidungen treffen, das mit „Ach Gottchen“ kommentieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Wir als Abgeordnete sind in letzter Konsequenz unserem Gewissen verantwortlich – gleich, wie wir entscheiden. Für mich als Parlamentarier ist das das schönste und höchste Gut, das ich in diesem Amt habe. Zum Abschluss will ich sagen: Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben es, ganz gleich, wie sich die Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Hause entscheiden – auch die Kollegen der Linken –, verdient, nicht als Besatzungsarmee bezeichnet zu werden; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) denn das, Herr Kollege Neu, wird dem Auftrag, der Mission und auch den Gefahren, denen sich unsere Soldatinnen und Soldaten aussetzen, nicht gerecht. In diesem Sinne: Mit der Unterstützung unserer Fraktion für diesen Antrag der Bundesregierung gehen wir in die Ausschussberatungen, und ich kann Ihnen unsere Zustimmung versichern. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Florian Hahn für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Florian Hahn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und -Kollegen! KFOR dient weiterhin der militärischen Absicherung der Friedensregelungen für Kosovo. Im Kosovo unterstützt die Bundeswehr EULEX, die Rechtsstaatsmission der EU im Kosovo, die Entwicklung eines -hoffentlich irgendwann stabilen, demokratischen und multiethnischen Kosovo und den Aufbau der geplanten kosovarischen Sicherheitskräfte. Der Deutsche Bundestag hat diesem Mandat 1999 das erste Mal zugestimmt. Seitdem haben wir es 14-mal -verlängert. Etwa 120 000 Soldaten waren seitdem im Einsatz. Wir müssen auch 26 Tote beklagen. Im Rahmen des aktuellen Mandats können bis zu 1 850 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden. In einer besonders kritischen Situation – wir erinnern uns an die Jahre 2011 und 2012; es war während des Einsatzes der operativen Reserve – waren circa 1 250 deutsche Soldatinnen und Soldaten nötig, um dort wieder Ruhe zu erreichen. Mit Beruhigung der Situation Anfang 2013 wurde das deutsche Kontingent wieder reduziert, und es beträgt heute knapp über 700 Soldatinnen und Soldaten. Dies ist im Übrigen die zweitgrößte Mission unserer Bundeswehr. Deutschland stellt zurzeit mit der Einsatzkompanie KFOR, dem Einsatzlazarett und Teilen der schnell verlegbaren operativen Reserve bedeutsame Fähigkeiten für diese Mission. Ich finde es gut, dass wir Parlamentarier uns regelmäßig mit den Mandaten insgesamt befassen, und es ist richtig, sich zu fragen, ob dieses Mandat nach so langer Zeit wirklich noch erforderlich ist und auch in Bezug auf den Personalumfang noch den Anforderungen vor Ort entspricht. Auch die 15. Verlängerung eines Mandats darf nicht zur Routine werden; sie verlangt unsere volle Aufmerksamkeit. Man sieht: Im Kosovo hat sich gerade auch im letzten Jahr viel getan. Die gesamte Entwicklung im Kosovo ist ein Beispiel dafür, dass die angestrebte Annäherung an die Europäische Union ein starkes Druckmittel darstellt und positive Wirkungen erzeugen kann. Ohne die -Aussicht, Verhandlungen über einen Beitritt – im Falle Serbiens – oder eine Assoziierung – im Falle Kosovos – aufzunehmen, wäre es nie zu Fortschritten in den Gesprächen zwischen Serbien und dem Kosovo gekommen. Serbien muss sich jetzt als frischer EU-Beitrittskandidat erst recht an den angestrebten Zielen messen lassen und alles in seiner Macht Stehende tun, um eine nachhaltige Stabilisierung im Nordkosovo zu unterstützen. Das muss auch in den Beitrittsverhandlungen immer wieder deutlich gemacht werden; (Beifall bei der CDU/CSU) denn eine Stabilisierung gibt es im Kosovo noch nicht. (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Seit zehn Jahren nicht!) Positiv ist unter anderem zu werten, dass das kosovarische Parlament im April der Verlängerung von EULEX zugestimmt und für die Bildung eines Kriegsverbrechertribunals votiert hat. Allerdings werden wir auch hier genau schauen müssen, wie es in der Praxis arbeiten wird und ob wir das, was dort passiert, anerkennen können. (Michael Brand [CDU/CSU]: Wie wahr!) Insgesamt gibt es noch viel zu tun. Es gibt zwar eine prinzipielle Einigung auf Grundzüge der Justizstrukturen im Norden, dies wurde aber noch nicht endgültig besiegelt. Eine effektive Justiz ist aber Voraussetzung, damit organisierte Kriminalität und Korruption endlich wirksam bekämpft werden können. (Beifall bei der CDU/CSU) Es fehlt auch an der Etablierung des kosovo--serbischen Gemeindeverbandes aus mehrheitlich serbischen Gemeinden. Auch die geplante Umwandlung der kosovarischen Sicherheitskräfte in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte musste mit Blick auf die Parlamentsauflösung verschoben werden. Fazit: Zurzeit ist Kosovo in einer noch immer fragilen Übergangssituation, in der beides möglich erscheint: der Weg zum Besseren und eine echte Normalisierung oder ein erneuter Rückfall in Blockade und Eskalation. Wir hoffen das Beste, aber bleiben auf das Schlimmste vorbereitet. Es ist wichtig, alle Möglichkeiten der Reaktion zu behalten. Zu Recht ist im Antrag dargelegt, dass jetzt noch nicht der Moment ist, Kräfte abzubauen und die Personalobergrenze abzusenken. Wir müssen auf Lageänderungen flexibel und angemessen reagieren können. Im Sinne des Konzepts der drei Sicherheitslinien bleibt die internationale Truppenpräsenz von KFOR so lange nötig, bis die Sicherheitsorgane Kosovos, gegebenenfalls unterstützt durch die EU-Mission EULEX, ein sicheres und stabiles Umfeld aufrechterhalten können. Lassen Sie mich zum Schluss ein Wort zum Kollegen Neu sagen: Das, was Sie hier abgeliefert haben, ist wirklich ein Hohn für alle Opfer von Unterdrückung und -Verfolgung im Kosovo Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben nicht einmal den Namen des Kriegsverbrechers Slobodan Milosevic genannt. Sie sind nicht darauf eingegangen, dass Albaner im Rahmen eines Apartheid-regimes systematisch aus ihren Berufen, aus Universitäten, aus Krankenhäusern gedrängt worden sind, dass Schulen geschlossen wurden, dass Menschen von den Verbrecherbanden Milosevics verfolgt wurden und es zu Massakern und gewaltsamen Entführungen kam. Hören Sie endlich mit der nationalistischen Propaganda eines alten Serbien auf. Das hat das heutige Serbien nicht verdient. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Michael Brand hat für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Brand (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute das KFOR-Mandat verlängern, dann tun wir das, weil uns alle vernünftigen Beobachter innerhalb und außerhalb des Kosovos mahnen: Die KFOR ist und bleibt noch auf absehbare Dauer der wichtigste Stabilitätsanker im noch instabilen Kosovo. (Inge Höger [DIE LINKE]: „Auf Dauer“? Wie lange noch?) Die Gespräche mit der Verteidigungsministerin Ende letzter Woche im Kosovo bei Bundeswehr, KFOR und auch EULEX haben eines bestätigt: Wir sind dort noch lange nicht durch. Ich will einige kritische Anmerkungen zur Entwicklung im Kosovo machen. Als jemand, der die Entwicklung dort seit langem intensiv beobachtet, aber auch -begleitet, muss ich feststellen: Weder Stabilität noch Rechtsstaat noch stabile staatliche Strukturen, die europäischen Standards entsprechen, sind bisher in einem zufriedenstellenden Ausmaß geschaffen worden. Wir müssen uns schon kritisch die Frage stellen: Wie kann es eigentlich sein, dass die mit Abstand größte -Mission, die die EU je auf den Weg gebracht hat, in einem der kleinsten Länder der Welt bis heute so wenig Wirkung und Erfolge zeigt? (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Allerdings! Das ist die richtige Frage!) Die mangelhaften Erfolge, die ich angesprochen habe, nicht nur der EULEX, sondern auch vieler anderer internationaler Organisationen, sind zu einem wesentlichen Teil der erkennbaren Weigerung der kosovarischen Regierung zuzurechnen, ernsthaft gegen Kriminalität und Korruption vorzugehen. Auch müssen wir uns -eingestehen, dass zu spät erkannt wurde, dass dieses Problem die staatlichen Strukturen erfasst hat und zu durchdringen droht. Das ist keine Banalität. Die einfache Bevölkerung in den Städten und Dörfern trägt schwer an dieser Entwicklung. Es sind gerade diese Menschen, die auf KFOR setzen – als Anker für Recht und Gesetz. Als wir vergangenen Donnerstag mit der Ministerin in Pristina waren, zeigte die Titelseite der wohl einzigen unabhängigen kosovarischen Tageszeitung Koha Ditore eine Grafik aus NATO-Quellen mit der Schlagzeile: „Die Mafia in der Politik Kosovas“. Diese Grafik aus – ich betone das – NATO-Quellen zeigte Mitglieder der Regierung einschließlich des amtierenden Ministerpräsidenten. Für uns mag das schockierend erscheinen – für die Bevölkerung im Kosovo ist es traurige Erkenntnis seit Jahren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, was Ihre Zwischenrufe angeht: Man kann negative und schlimme Entwicklungen im Kosovo an der Spitze der Regierung kritisch ansprechen, ohne einseitig Partei zu ergreifen, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ohne undifferenziert zu argumentieren und ohne die -Unabhängigkeit dieses Landes infrage zu stellen, und im Übrigen auch ohne Propaganda. Lieber Herr Neu, das, was Sie geboten haben, war wirklich die Rhetorik Milosevics. Das hat Serbien heute nicht verdient. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das weise ich zurück! Wir haben das Völkerrecht verteidigt!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Staaten des westlichen Balkans behalten die europäische Perspektive, und sie brauchen sie auch. Aber es bleibt bei unserer Linie. Deswegen sind die kritischen Anmerkungen notwendig: Europa ist eine Wertegemeinschaft. Die EU ist nicht zum Nulltarif zu haben. Es gibt Kriterien, an die sich alle halten müssen, die den Weg in die Europäische Union suchen. Es darf und es wird hierbei keine politischen Rabatte geben. Die deutsche Position ist glasklar: Wer für Korruption und Verbrechen steht, dem steht die Tür nach Europa nicht offen. Wer Korruption unterstützt, der kann nicht auf unsere Unterstützung setzen. Für EU und NATO gilt auch: Wer die weitere Ausweitung krimineller Strukturen stoppen will, der muss einen klaren Kurs fahren. Wir müssen und werden uns und andere vor dem politischen Krebsgeschwür der Korruption und der Kriminalität schützen. Für das KFOR-Mandat bedeutet dies: Wer diejenigen schützen und stärken will, die auf einen echten Rechtsstaat hinarbeiten, der tritt für die Verlängerung dieses Mandates ein. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Kritik an den Zuständen in vielen Ländern des westlichen Balkans darf uns eines nicht passieren: Wir dürfen nicht vergessen, dass die Ursache für all diese Verwerfungen in den Angriffskriegen des Regimes von Slobodan Milosevic und Aggressionen gegenüber den Nachbarländern zu suchen sind. – Sie müssen nicht den Kopf schütteln, Herr Neu. Sie haben ihn nicht einmal erwähnt. Dass Sie ihn komplett ignorieren, ist unglaublich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Inge Höger [DIE LINKE]: Das ist Geschichtsklitterung, was Sie da machen!) Wahr ist auch, dass wir auf dem Weg vom Krieg bis heute vieles erreicht haben und dies auch stabilisieren können. Manches ist allerdings nicht konsequent genug angepackt worden. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Brand, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage des Kollegen Neu? Michael Brand (CDU/CSU): Ich glaube, das nützt nichts mehr. Die Zeit will ich den anderen Kollegen ersparen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich davon spreche, was nicht konsequent genug angepackt worden ist, dann meine ich zum Beispiel aktuelle Probleme im Norden wie die Frage der Struktur mit den serbischen Gemeindeverbänden, die Bewegungsfreiheit von EULEX und die Unabhängigkeit der Justiz. Auch ein Mangel an Konsequenz hat zu der aktuellen problematischen Lage der inneren und äußeren Sicherheit auf dem Balkan beigetragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen wieder vor Wahlen. In der Republik Kosovo finden in wenigen Tagen, am 8. Juni, vorgezogene Neuwahlen statt. Das Ergebnis und die Auswirkungen auf Rechtsstaat, Zusammenarbeit und eine reale europäische Perspektive werden abzuwarten sein. Wer Europa sagt, der muss Europa auch umsetzen. Dazu zählen Rechtsstaat, Demokratie, gute Nachbarschaft, Schutz von Minderheiten und andere Kernelemente. Dazu zählt im Übrigen auch, dass die Regierung für das Volk da ist und nicht dafür, die eigenen Taschen zu füllen. (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Die neue Regierung in Serbien will einen neuen Kurs einschlagen. Wir setzen darauf, dass dies trotz der neuen Nähe Serbiens zu Russland – dabei geht es auch um die Frage der Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine – ein Kurs in Richtung EU bleiben wird. Eines bleibt mit Blick auf Serbien wie auf Kosovo klar: Wir dürfen die KFOR-Truppen so lange von dort nicht abziehen, wie wir nicht die sichere Überzeugung haben, dass wir nach einem Abzug nicht rasch wieder zurückmüssen, weil die nächste Krise ausbricht. Die KFOR bleibt Stabilitätsanker nicht nur für den Kosovo, sondern auch für die Stabilität auf dem Westbalkan. Dass KFOR dies nicht alleine leisten kann, liegt auf der Hand. Die Politik ist gefragt. Für die Zukunft brauchen wir für den Kosovo ein besseres, kohärentes Konzept aus Sicherheitspolitik, wirtschaftlicher Entwicklung und einer Perspektive in Richtung Europa. Nur so kann der noch weite Weg gelingen, diese Region, die mehrfach Ausgangspunkt schwerer europäischer Krisen und Kriege war, dauerhaft zu stabilisieren. Ich danke der Bundesregierung, insbesondere unserer Verteidigungsministerin, und vor allem den Soldatinnen und Soldaten dafür, dass sie einen viel wichtigeren Dienst tun, als es den allermeisten vielleicht bewusst ist. Ich sehe, Frau Präsidentin, dass meine Redezeit abgelaufen ist. Zum Schluss will ich noch eines loswerden: Wenn man über den Balkan spricht, dann will ich die akute große Flutkatastrophe dort nicht unerwähnt lassen. Die Schäden in Serbien werden auf über 1 Milliarde Euro, die in Bosnien-Herzegowina auf über 3 Milliarden Euro geschätzt. Ich habe heute Gespräche mit Vertretern von Luftfahrt ohne Grenzen und der Aktion Deutschland Hilft geführt. Wir brauchen viele Spender und viel Unterstützung, vor allem jetzt bei der Nothilfe. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auch beim Räumen der gefährlichen Landminen, die in die Städte und Dörfer geschwemmt worden sind, sollten wir rasch und massiv helfen. Wir erkennen, dass die -Helfer und die Bürokratie dort mit dem Ausmaß der Katastrophe völlig überfordert sind. Vieles findet nicht den Einzug in unsere Nachrichtensendungen und Zeitungen. Umso mehr sollten wir rasch unterstützen, und zwar in technischer, organisatorischer und finanzieller Hinsicht. Wir haben die Kenntnisse, und wir wären auch herzlich willkommen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das ist mal ein Wort!) Vizepräsidentin Petra Pau: So wichtig der letzte Abschnitt auch war, der offensichtlich auf Zustimmung bei allen Fraktionen des Hauses gestoßen ist, (Beifall bei der LINKEN) bitte ich trotz alledem, in Zukunft zu berücksichtigen, dass die Ankündigung des Schlusses einer Rede nicht den Schlusspunkt ersetzt. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/1415 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gemeindewirtschaftsteuer einführen – Kommunalfinanzen stärken Drucksache 18/1094 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Innenausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre -keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Susanna Karawanskij für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die finanzielle Situation vieler Kommunen ist katastrophal. Das hohe Niveau der Aufnahme kurzfristiger Kredite, also von Kassenkrediten, das derzeit bei 48 Milliarden Euro liegt und nur der Deckung laufender Kosten, aber nicht der Finanzierung von Investitionen dient, spiegelt die Situation vieler Kommunen treffend wider. Es besteht dringender -Handlungsbedarf. Das KfW-Kommunalpanel, das vor wenigen Tagen erschienen ist, zeigt auf, dass der Investitionsstau noch immer riesig ist. Während manche strukturstarke Kommunen zuletzt tatsächlich mehr Steuern eingenommen haben, befinden sich finanzschwache Kommunen in einem Teufelskreis. Darüber können auch die aktuellen Steuerschätzungen nicht hinwegtäuschen. Die Kommunen werden in einem allgemeinen Kürzungswahn gezwungen, immer weiter ihre Schulden abzubauen, wodurch jedoch die Investitionen komplett brachliegen und die öffentliche Infrastruktur Schritt für Schritt verrottet. Dadurch wird in den Kommunen jegliches Wirtschaftswachstum abgewürgt. Höhere Steuereinnahmen bleiben dann aus, und die Verschuldung kann ebenfalls nicht abgebaut werden. Ein Übriges leistet dann noch die unsägliche Schuldenbremse. Das alles führt zu einem stärkeren Auseinanderdriften von reichen und armen Kommunen, die an der Wand stehen. Genau das muss ein Ende haben. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen eine Stärkung der Kommunalfinanzen, damit nicht nur die Pflichtaufgaben, sondern auch die freiwilligen Aufgaben der Kommunen erfüllt werden können. Neben einer Soforthilfe für Kommunen, die wir als kommunale Investitionspauschale in Höhe von über 3 Milliarden Euro fordern, brauchen die Kommunen mittelfristig und langfristig stabile und höhere Einnahmen. Zur Stärkung dieser haben wir einen Antrag vorgelegt, der die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer vorsieht. Wir wollen die Gewerbesteuerumlage an den Bund als Sofortmaßnahme umgehend einstellen und dann sukzessive den Anteil an die Länder bis Ende 2019 abschaffen. Damit würde die Gemeindewirtschaftsteuer vollständig zu einer reinen Kommunalsteuer. Das ist gut für die kommunalen Haushalte, und das sind wir unseren Kommunen, in denen wir alle schließlich leben, auch schuldig. (Beifall bei der LINKEN) Gehen wir ins Detail. Drei Aspekte sind uns bei der Gemeindewirtschaftsteuer wichtig. Zum einen wird die Last der Gewerbesteuer auf mehr Schultern verteilt; denn alle unternehmerisch Tätigen mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, sollen einbezogen werden. Das betrifft beispielsweise die Freiberufler. Des Weiteren wollen wir die Bemessungsgrundlage verbreitern. Dabei berücksichtigen wir auch die Belange von Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmern und Existenzgründern, was bedeutet, dass die Schuldzinsen von nun an dazugerechnet werden. Mieten und Pachten sind gleichfalls in voller Höhe zu berücksichtigen. Gewinne und Verluste müssten dann in der Entstehungsperiode zeitnah geltend gemacht werden, damit eine Kleinrechnung von Gewinnen unterbunden wird; denn wir Linke wollen die Steuerschlupflöcher für Unternehmen nicht öffnen, sondern schließen. (Beifall bei der LINKEN) Schließlich wollen wir angemessene Freibeträge für Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer und Existenzgründer, um die Steuerbelastung zu mindern und um vor allen Dingen eine Substanzbesteuerung zu vermeiden. Wir brauchen solide Finanzen für die Kommunen. Ein erster wichtiger Schritt dahin ist die Gemeinde-wirtschaftsteuer. Geschlossene Büchereien, verrottende Theater oder auch Schwimmbäder, Straßen als Buckelpisten – das geht alle Bürgerinnen und Bürger an. Wer sich für die Kommunen einsetzen will, wer sich für die Menschen in den Kommunen einsetzen will, muss unserem Antrag zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Matthias Hauer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Matthias Hauer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag haben Sie von der Linksfraktion ganz tief in die politische Mottenkiste gegriffen. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Niemals!) Sie präsentieren uns heute einen veralteten Antrag. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Er ist immer noch richtig!) Er ist vier Jahre alt, wurde damals nahezu wortgleich gestellt und aus guten Gründen schon 2010 vom 17. Deutschen Bundestag abgelehnt. Ich sage Ihnen schon einmal eines voraus: Auch die Neuauflage heute wird scheitern; denn Ihr Antrag bedeutet nichts anderes als eine massive Steuererhöhung für den Mittelstand, und das wird es mit dieser Bundesregierung nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD]) Sie wollen, dass Freiberufler Ihre Gemeindewirtschaftsteuer zahlen; Sie wollen also eine neue Steuer zulasten von Freiberuflern. Sie wollen, dass der Mittelstand durch eine veränderte Bemessungsgrundlage stärker belastet wird. Sie wollen also höhere Steuern auch für andere Selbstständige. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wir wollen das nicht. Ihre Pläne führen zu einer existenzgefährdenden Substanzbesteuerung. Wenn Sie dem Mittelstand die Luft zum Atmen nehmen, dann -treiben Sie Unternehmen in die Pleite. Sinkende Steuereinnahmen, steigende Arbeitslosigkeit – das ist die Konsequenz Ihres Antrags. Ihr Antrag ist aber nicht nur inhaltlich falsch, er ist auch handwerklich schlecht. Sie fordern die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage. Davon würden jedoch die Kommunen profitieren, die ohnehin schon ein hohes Gewerbesteueraufkommen haben. Gerade den finanzschwachen Kommunen, denen wir alle helfen wollen, würden Sie mit dieser Maßnahme nicht helfen. Die in -Ihrem Antrag beklagte Ungleichentwicklung zwischen armen und reichen Kommunen würde sich dadurch sogar noch verstärken. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Bund hat in den vergangenen Jahren massive -Anstrengungen unternommen, um die Finanzkraft aller Kommunen zu stärken. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit der Übernahme der Kosten der Grundsicherung die größte Kommunalentlastung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Allein im Zeitraum 2012 bis 2016 ist das eine Entlastung von knapp 20 Milliarden Euro. Von dieser Übernahme profitieren insbesondere die finanzschwachen Kommunen. (Beifall bei der CDU/CSU) Diesen Weg der konsequenten Kommunalentlastung geht die Große Koalition weiter. Beispielsweise wird der Bund die Kommunen mit dem Bundesteilhabegesetz um 5 Milliarden Euro jährlich entlasten. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes wird mit einer Entlastung von jährlich 1 Milliarde Euro begonnen. Insgesamt profitieren die Kommunen allein im Jahr 2014 direkt oder indirekt von den Entlastungen durch den Bund in einer Höhe von 22,3 Milliarden Euro. Zumindest das hätten Sie von der Linksfraktion in Ihrem Antrag berücksichtigen müssen. Wir dürfen eines nicht übersehen: Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland ist sehr unterschiedlich. Während im letzten Jahr die Kommunen insgesamt -einen positiven Finanzierungssaldo von etwa 1,1 Milliarden Euro aufweisen konnten, stehen einige Kommunen buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. In den Städten Nordrhein-Westfalens ist die Lage besonders dramatisch. Ich betone das; denn ich komme aus Nordrhein-Westfalen. Die sechs Städte mit der höchsten Gesamtverschuldung in Deutschland liegen allesamt in Nordrhein-Westfalen. Fast die Hälfte aller Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt: 177 von 396 Gemeinden, befindet sich in einer Haushaltsnotlage, Tendenz steigend. Beispielsweise drohte meiner Heimatstadt noch vor einigen Jahren der vollständige Verzehr des Eigenkapitals. Auch wenn ein breites Parteienbündnis vor Ort mit klugen Entscheidungen dafür gesorgt hat, dass Essen heute erstmals seit 1982 keine neuen Schulden mehr macht, belasten uns die Altschulden weiterhin massiv. Vor allem der zunehmende Anteil der Kassenkredite, also sozusagen der Dispokredit der Kommunen – Frau Karawanskij, das haben Sie schon erwähnt –, bereitet mir große Sorgen. Ein Problem ist, dass diese Kassenkredite eben nicht an Investitionsausgaben geknüpft sind und dass eine mögliche Erhöhung der Zinssätze wie ein Damoklesschwert über den Kommunen schwebt. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben – das sei noch erwähnt – mehr Kassenkredite aufgenommen als alle anderen Kommunen in allen anderen Bundesländern zusammen. Es ist auch kein Zufall, dass vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen betroffen sind. NRW hat den höchsten Kommunalisierungsgrad in ganz Deutschland. Das heißt, nirgendwo anders werden so viele Aufgaben und damit auch so viele Ausgaben vom Land auf die Kommunen übertragen. Diesem hohen Kommunalisierungsgrad steht gerade in Nordrhein-Westfalen leider ein völlig unzureichender kommunaler Finanzausgleich durch das Land gegenüber. Hier muss das Land endlich seiner Verantwortung gerecht werden; denn es ist Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes, für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zu sorgen. So könnte den notleidenden Kommunen tatsächlich geholfen werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme nun zum Schluss. Der Bund leistet trotz der klaren Länderzuständigkeit einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Stärkung der Kommunen. Diesen Weg muss der Bund weiterhin gehen. Der Antrag der Linksfraktion nutzt den finanzschwachen Kommunen hingegen überhaupt nichts. Er führt stattdessen zur Belastung des Bundeshaushalts. Er gängelt den Mittelstand mit höheren Steuern. Deshalb gehört dieser Antrag dahin, wo er herkommt: in die politische Mottenkiste, verbunden mit der Hoffnung, dass Sie uns diesen Antrag in vier Jahren nicht erneut vorlegen. (Zuruf von der LINKEN: Vorher schon!) Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Hauer, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses viel Erfolg für Ihre Arbeit. (Beifall) Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Besucherinnen und Besucher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, wenn wir im Deutschen Bundestag Gelegenheiten finden, uns mit dem Thema Kommunalfinanzen zu befassen. Herr Hauer, viele machen es sich ein bisschen zu einfach, insbesondere Sie. Ich habe Ihnen während Ihrer Rede keine Zwischenfrage gestellt, und ich habe auch nicht dazwischengerufen; denn es war Ihre erste Rede. Herzlichen Glückwunsch! Aber zu sagen, das sei alles Ländersache, ist ein bisschen zu einfach. Da machen Sie sich einen schlanken Fuß. Wir, der Bund, haben eine Verantwortung für die Kommunen. Es gibt viele Bundesleistungsgesetze, für die der Bund nicht ausreichend finanzielle Verantwortung trägt, was sich in den Kommunen widerspiegelt. Wir müssten in diesem Parlament längst eine Debatte darüber führen. Ihre Analyse greift wirklich zu kurz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Stichwort „Eingliederungshilfe“: Ein Bundesleistungsgesetz mit einem Bundesteilhabegeld müsste auf den Weg gebracht werden. Für die Eingliederungshilfe werden im Moment bundesweit rund 13 Milliarden Euro ausgegeben. Diese Hilfe wird zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen zu 100 Prozent von den Kommunen finanziert. Auch in vielen anderen Bundesländern ist das eine kommunale Leistung. Daran sehen wir doch ganz eindeutig, dass für die in dem entsprechenden Bundesgesetz verankerten Leistungen, die jedem Menschen mit einer Behinderung zustehen, nicht die Kommunen die finanzielle Verantwortung übernehmen sollten; hier ist vielmehr der Bund in der Pflicht. Ich finde es ziemlich abenteuerlich und eigentlich auch ein Stück weit erbärmlich, dass Schwarz-Rot gesagt hat: Ab 2018 entlastet der Bund die Kommunen um 5 Milliarden Euro. Das war im Fiskalpakt mit den Ländern anders vereinbart. Allein an diesem einen Bundesleistungsgesetz zeigt sich ganz deutlich, wie wichtig die Frage der Verantwortung des Bundes für die Kommunen ist. Daran gibt es nichts he-rumzureden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ein zweiter Punkt. Gerade in Bezug auf Nordrhein-Westfalen wollen wir daran denken, dass wir mehrere Verfassungsgerichtsurteile haben, die die schwarz-gelbe Landesregierung leider ausgelöst hat. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Frau Haßelmann, Sie haben die Verfassung gebrochen! Verfassungsbrecher!) Wir haben allein in den letzten drei Jahren in Nordrhein-Westfalen – um da einmal für Klarheit zu sorgen – über 300 Millionen Euro zusätzlich an die Kommunen gegeben. Die hatten Sie den Kommunen entzogen. So sieht es auch republikweit aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, es geht heute um Ihren Antrag. Deshalb will ich zum Thema Gewerbesteuer auch noch etwas sagen. In der Tat, auch wir glauben, dass die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer sinnvoll und richtig ist. Es geht hier um die Frage: Wie können wir Bemessungsgrundlagen verbreitern? Wie können wir die Einnahmen verstetigen? Richtig und wichtig ist, darüber zu diskutieren. Das werden wir im Folgenden im Fachausschuss tun. Ich glaube, dass der Ansatz mit der Gewerbesteuerumlage ziemlich kompliziert ist. Den teilen wir in der Sache so nicht. Bei dem Verteilungsmechanismus zwischen Bund, Ländern und Kommunen müssten wir dann natürlich sehr schnell auch über die Einkommensteuer reden. Deshalb müssen wir mit sehr großer Vorsicht darangehen. Insbesondere in Bezug auf die Kommunen mit Kassenkrediten und die notleidenden Kommunen muss man Folgendes sehen: Die Disparität der Kommunen – Herr Hauer, da hatten Sie recht – ist sehr groß. Es gibt arme Kommunen, es gibt reiche Kommunen. Es gibt einen Überschuss von 1,7 Milliarden Euro, der sich aber sehr ungleichmäßig verteilt. Zeitgleich gibt es eine Steigerung der Kassenkredite. Das zeigt schon, wie schwierig und wie unterschiedlich die Lage der Kommunen ist. Ich glaube, ein Schlüssel bei der Frage der Entlastung der Kommunen ist das Thema „soziale Kosten“, und zwar viel eher als das Thema „Weiterentwicklung der Gewerbesteuer“. Darauf müssen wir jetzt auch als Bund den Fokus legen. Wir sind dazu bereit. Wir sind gespannt, wann Sie endlich bereit sind, die Zusagen an die Kommunen einzulösen, die Sie in Ihrem Koalitionsvertrag gemacht haben. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Bernhard Daldrup für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Bernhard Daldrup (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Karawanskij, Sie haben gesagt: Wer etwas für die Menschen tun will, muss unserem Antrag zustimmen. – Das ist nicht gerade bescheiden. Wir wollen etwas für die Menschen tun. Deswegen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Ich werde Ihnen auch sagen, warum das so ist. Wir haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Reihe von Befunden und Analysen, die die dramatische Situation vieler Kommunen in Deutschland darstellen und beweisen. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Was tun Sie?) Sie haben das KfW-Kommunalpanel genannt. Wir haben die Kommunalfinanzberichte der Spitzenverbände. Wir haben Kommunalstudien von Ernst & Young, von -Bertelsmann. Kurzum: Es ist durchaus interessant, kurz vor den Kommunalwahlen in neun Bundesländern das Thema hier noch einmal aufzugreifen; wir haben jedenfalls nichts dagegen. Die rasant gestiegenen Sozialausgaben – in 2014 beispielsweise werden es etwa 50 Milliarden Euro sein – setzen die Kommunen unter enormen Druck; das ist zutreffend. Die massive Ausweitung von Kassenkrediten – Frau Haßelmann hat das angesprochen; Herr Hauer, Sie haben es auch erwähnt –, nämlich 48 Milliarden Euro zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Finanzierung laufender Ausgaben, ist in der Tat ein Problem, das viele Kommunen in eine sogenannte Vergeblichkeitsfalle führt. Damit ist gemeint: wachsende Verschuldung trotz größter kommunaler Sparanstrengungen, kein Spielraum für Investitionen. Das alles ist hier dargestellt worden. Der Investitionsstau – Sie haben gesehen: er wird etwas geringer – ist mit 128 Milliarden Euro schon noch dramatisch. Dort, wo er abgebaut wird, handelt es sich um einzelne Kommunen, deren Finanzlage besser ist. Ich komme damit zu einem Kernproblem der Kommunalfinanzen in der Bundesrepublik Deutschland: Die Schere zwischen den vermeintlich reichen Kommunen – es fällt mir immer noch schwer, von „reichen Kommunen“ zu reden – und den tatsächlich armen Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland geht immer weiter auseinander – in sehr unterschiedlichen Bundesländern im Übrigen; ich komme auch gern noch auf Nordrhein-Westfalen zu sprechen. Dieser Sachverhalt muss uns wichtig sein, weil das nicht nur den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen verletzt, weil das nicht nur ein Problem für die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Grundgesetz ist, sondern – jetzt wende ich mich auch an andere Fachpolitiker, an Wirtschaftspolitiker beispielsweise – weil das auch für den Wirtschaftsstandort insgesamt bedrohlich ist. (Beifall bei der SPD) Denn es ist nicht nur eine Frage der Nähe zu den Absatzmärkten, sondern auch der technischen, sozialen und kulturellen Infrastruktur, die heutzutage als Standortfaktor von elementrarer Bedeutung ist. Vor dem Hintergrund, dass die freiwilligen Leistungen immer weiter zusammengestrichen werden und die Attraktivität immer weiter nachlässt, kann ich Ihnen sagen: Trostlosigkeit in einer Stadt ist kein Standortfaktor. Insofern sind wir alle gefordert, uns mit dieser Fragestellung zu befassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Hier wird dann oft über die Verantwortung der Länder gesprochen. Dem Grunde nach haben wir da wahrscheinlich keinen Dissens. Ich komme auch aus Nordrhein-Westfalen. Herr Hauer, Sie sind nicht so ganz auf der Höhe der Zeit mit Ihrer Darstellung, was die Fragen der Wirkungen des Stärkungspaktes angeht. Ich will ja im Einzelnen gar keine NRW-Debatte führen; aber ich kann mich noch gut daran erinnern, als die Regierung den Kommunen beispielsweise die Beteiligung an der Grunderwerbsteuer komplett gestrichen hat. Das machte pro Jahr ungefähr 160 Millionen Euro aus. Die Kommunen wurden zur Sanierung des Landeshaushaltes herangezogen. Das machte jährlich ungefähr 140 Millionen Euro aus. Es gab eine verfassungswidrige Abrechnung der Einheitslasten. Das machte ungefähr 800 Millionen Euro aus. Die finanziellen Probleme vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben sich in dieser Zeit dramatisch verschlechtert. Dieser Weg, den seinerzeit die Regierung von Jürgen Rüttgers eingeschlagen hat, ist unter der Regierung von Hannelore Kraft deutlich verlassen worden. (Beifall bei der SPD – Widerspruch des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]) – Herr Brinkhaus, das ist doch die Wahrheit. Meine Güte, ich will doch gar nicht opponieren. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die CDU freut sich! Das freut uns!) Aber die kommunale Finanzlage ist in vielen Städten immer noch dramatisch. Ich hatte in der letzten kommunalpolitischen Debatte auf eine Reihe anderer Städte aus Hessen und anderen Ländern hingewiesen. Aber warum sage ich das eigentlich? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn mittlerweile acht Bundesländer – acht Bundesländer – kommunale Rettungsschirme aufspannen, Stärkungspakte beschließen, Entschuldungsfonds einrichten, dann sollten wir uns meines Erachtens dem Problem zuwenden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich finde, diese Koalition wendet sich dem Problem zu. Das will ich erläutern. Erster Punkt. Die Investitionskraft wird gestärkt mit 700 Millionen Euro für die Städtebauförderung und Investitionen in Verkehrsinfrastruktur, Kitas, Bildung, Hochschulen im Umfang von 11 Milliarden Euro. Das hilft auch den Kommunen. Zweiter Punkt. Die Kosten der Grundsicherung im Alter werden vollständig übernommen. Das ist ein Ergebnis der Verhandlungen im Bundesrat und eine Gemeinschaftsleistung, durch die die Kommunen massiv von einem großen Teil der Soziallasten befreit werden – eine wichtige Geschichte. (Beifall bei der SPD) Dritter Punkt. Durch jeweils 1 Milliarde Euro in 2015 und 2016, die wir zielgerichtet am besten in der Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft eingesetzt sehen, werden auch die Kommunen weiter entlastet. Das parlamentarische Verfahren im Unterausschuss Kommunales – Herr Liebing hat darauf hingewiesen – steht ja noch bevor. Vierter Punkt. Ein modernes Bundesleistungsgesetz, Frau Haßelmann, das auch die Kommunen um 5 Milliarden Euro jährlich entlasten soll, ist ein entscheidender Schritt. Unser Ziel bleibt es, diese Entlastung auch noch in 2017 wirksam werden zu lassen. (Beifall bei der SPD) Diese Vereinbarungen des Koalitionsvertrages sind Fortschritte für die Städte und Gemeinden, weil konzeptionell – das unterscheidet uns – die Entlastung der Kommunen mit den ständig steigenden Sozialausgaben verknüpft wird. Es geht nicht einfach nur um mehr Geld, sondern auch um die Fragestellung: Wie kann man Kommunen entlasten und gleichzeitig das Problem wachsender Sozialausgaben thematisieren? Das ist ein, glaube ich, wichtiger und entscheidender Unterschied, den ich hier ansprechen will. Ich empfehle übrigens die aktuelle Studie von Hans Eichel und anderen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die genau an diese Fragestellung anknüpft. Damit werden wir uns aber in der Zukunft befassen. Jetzt will ich noch ein paar Bemerkungen machen, die Ihren Antrag zur Gewerbesteuer betreffen, Frau Karawanskij. Erstens. Die Koalition stellt die Gewerbesteuer nicht zur Disposition. Das ist eine ganz wichtige Feststellung. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ingbert Liebing [CDU/CSU]) Zweitens. Sie plädieren in Ihrem Antrag im Kern für das Kommunalmodell des Städtetages; Herr Hauer hat darauf hingewiesen. Wir müssen für ein solches Modell, glaube ich, noch ziemlich viel Überzeugungsarbeit leisten – Sie übrigens auch. Ich bin gestern bei der Anhörung im Tourismusausschuss gewesen. Da ging es um die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung für den Hoteleinkauf. Mit Ihrem Antrag wollen Sie diese Möglichkeit sogar noch erweitern. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Ihre Position dort fragend oder fordernd eingebracht worden wäre; ganz im Gegenteil. Erkundigen Sie sich einmal! Eine Debatte und eine Klärung, die Sie selbst bei sich herbeiführen müssen, scheint mir da wichtig zu sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Drittens. Die Gewerbesteuerumlage ist in den 60er-Jahren eingeführt worden mit der Zielsetzung – ohne es mit Blick auf die Zeit hier im Detail darzustellen –: Verstetigung der Einnahmen und weniger Konjunkturanfälligkeit. Das waren die Ziele bei der Einführung der Gewerbesteuerumlage. Diese Ziele waren und sind richtig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deswegen ist es völlig falsch, die Gewerbesteuerumlage abzuschaffen; denn wenn man sie abschafft – das will ich an dieser Stelle sagen –, schafft man ein flexibles Instrument des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Kommunen ab, beschädigt damit das Gleichgewicht des Finanzausgleichs und gefährdet das Interesse von Bund und Ländern am Erhalt der Gewerbesteuer. Das sollten Sie nicht voranbringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Weiter potenziert man die Abhängigkeit der Kommunen von einzelnen starken Gewerbesteuerzahlern. Besonders problematisch an Ihrem Antrag ist, dass die Vorteilsnehmer Ihres Vorschlags die reicheren Kommunen wären und nicht die ärmeren. Das heißt mit anderen Worten: Das ist ein Aufruf zum interkommunalen Gewerbesteuerdumping. Das können Sie nicht wollen! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mit anderen Worten: Ihr Antrag geht eigentlich an der Sache bzw. an dem Ziel, das Sie damit erreichen wollen, vorbei. Deswegen lehnen wir ihn auch ab. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und Ihnen einen schönen Abend wünschen. Jetzt kommt die letzte Runde. Schauen wir mal! (Zurufe von der CDU/CSU) – Ja, die letzten zweieinhalb bis fünf Stunden heute Abend und meine letzte Runde. Wir sind also noch lange nicht fertig und haben noch sehr viel spannende Themen auf der Tagesordnung. Diese Runde wird von Ingbert Liebing von der CDU/CSU-Fraktion abgeschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Gewerbesteuer oder einer Gemeindewirtschaftsteuer ist – darauf hat der Kollege Hauer zu Recht hingewiesen – überhaupt kein neues Thema. Darüber wird schon seit über zehn Jahren diskutiert. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Deswegen ist es immer wieder wichtig!) Auch in der vergangenen Wahlperiode haben wir die Problematik einer hohen Konjunkturanfälligkeit der Gewerbesteuer diskutiert und andere Alternativen in die Diskussion geworfen, wie wir mehr Stabilität und Kontinuität in die Steuereinnahmen der Kommunen hineinbekommen können. Wir haben aber feststellen müssen, dass die Vorschläge auch in der kommunalen Familie untereinander schwer konsensfähig sind. Und wir sind auch schon in der vergangenen Wahlperiode dem Grundsatz gefolgt, dass wir bei der Gewerbesteuer keine Veränderungen gegen die Kommunen vornehmen. So ist es bei der Gewerbesteuer geblieben, und damit verbunden auch bei der Problematik einer hohen Konjunkturanfälligkeit. Wenn wir uns aber die Entwicklung der Einnahmen aus der Gewerbesteuer anschauen, müssen wir heute im Ergebnis feststellen, dass sie Höchststände erreicht. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre gab es eine Verdoppelung der kommunalen Steuereinnahmen durch die Gewerbesteuer. Dies ist eine gute Entwicklung. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ja!) Die Tiefststände hatten wir – Frau Haßelmann, daran darf ich Sie wegen Ihres Rundumschlages von vorhin erinnern – im Übrigen vor zehn Jahren, als Rot-Grün regierte. Das waren Zeiten, als Sie mit in der Regierung gewesen sind und die Verantwortung dafür getragen haben, dass ein Gesetz über die Grundsicherung im Alter eingeführt wurde, für dessen Bezahlung Sie die Rechnung an die Kommunen geschickt haben, während Sie sich quer durch die Republik dafür haben feiern lassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit dieser Politik haben wir in der vergangenen Wahlperiode aufgeräumt. Wir haben seitens des Bundes diese Aufgabe übernommen und die Kommunen in der Größenordnung von 5 Milliarden Euro entlastet. Das war gute Politik für die Kommunen, die in genauem Gegensatz zu der steht, die Sie zu verantworten haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das war ein doppelter Rittberger!) Da wir bei der Gewerbesteuer eine Entwicklung hin zu Höchstständen haben – im vergangenen Jahr hatten die kommunalen Kassen über 32 Milliarden Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer –, verbietet es sich geradezu, eine Diskussion über weitere Erhöhungen bei dieser Steuer zu führen. Nichts anderes ist das, was Sie, Frau Karawanskij, im Antrag Ihrer Fraktion hier vorgelegt haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist durch die gerade vorgetragenen Erläuterungen des Kollegen Hauer deutlich geworden. Sie wollen die Bemessungsgrundlage verbreitern und neue Steuerpflichtige einbeziehen. Das ist nichts anderes als Steuererhöhung. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wir senken den Steuersatz!) Wes Geistes Kind Sie sind, macht Ihr Antrag deutlich, in dem es heißt, dass der auf den Kommunen lastende Kürzungsdruck erhöht werde und das den Spielraum einenge, sich zu verschulden. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Nicht zu verschulden! Zu investieren!) Sie beklagen also, dass der Spielraum, sich zu verschulden, enger wird. Des Weiteren haben Sie von der „unsäglichen Schuldenbremse“ gesprochen. Sie reden über die Schuldenbremse, als sei sie ein Problem. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Natürlich!) Dabei ist nicht die Schuldenbremse das Problem, sondern das Problem ist, dass Sie über Jahrzehnte hinweg eine falsche Politik und viele andere in der Republik und auch wir alle miteinander auf Bundesebene eine Politik der Verschuldung betrieben haben. Aber die Schuldenbremse ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung dieses Problems. Wir müssen mit der Verschuldungs-politik Schluss machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wes Geistes Kind Ihr Antrag ist, zeigt sich also daran, dass Sie an der Politik der Verschuldung festhalten und Ihnen für die Lösung der Probleme nichts anderes einfällt, als über Schulden zu reden und für höhere Steuern zu werben. Beides sind die falschen Rezepte zur Lösung der Probleme, vor denen wir stehen. Nehmen wir das Beispiel der gestiegenen Gewerbesteuereinnahmen: Die höheren Steuereinnahmen bei den Kommunen sind doch nicht durch Steuererhöhungen zustande gekommen, sondern dadurch, dass wir mit kluger Politik wirtschaftliche Dynamik ausgelöst haben, dass wir eine Konjunktur unter Dampf haben. Dadurch kommen mehr Steuern in die Kassen. Davon profitieren wir auf Bundesebene, davon profitieren wir in den Ländern, und davon profitieren auch die Kommunen. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ihr seid einfach toll!) Nichts ist so gut für unsere Kommunen wie eine -solide Wirtschaftspolitik, eine stabile Politik, die für Wachstum und Beschäftigung sorgt und dadurch wieder für steigende Steuereinnahmen in den Kommunen. Diese Politik wollen wir fortsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD]) Dem widerspricht Ihr Antrag. Deswegen werden wir Ihren Antrag im Ausschuss und in der abschließenden Beratung nicht mittragen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/1094 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich bitte diejenigen, die den nächsten Tagesordnungspunkt nicht mit bestreiten wollen, die Plätze zu wechseln. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsgesetz – DirektZahlDurchfG) Drucksachen 18/908, 18/1418 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) Drucksache 18/1493 Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie je ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an Marlene Mortler für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Marlene Mortler (CDU/CSU): Grüß Gott, Frau Präsidentin! Vizepräsidentin Claudia Roth: Grüß Gott, Frau Mortler! Marlene Mortler (CDU/CSU): Sie haben mich ganz schön überrascht; denn ich dachte, ich bin wieder die letzte Rednerin. Jetzt bin ich die erste Rednerin in dieser Debatte. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Letzten werden die Ersten sein, heißt es!) Aber, ich glaube, wir kriegen es hin. Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt leichte Geburten, es gibt normale Geburten, und es gibt schwere Geburten. (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Aber Hauptsache, das Kind ist gesund! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und es gibt Totgeburten!) Der Abschluss des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes im Rahmen der GAP, der Gemeinsamen Agrar-politik, gehört für mich in die Kategorie „Schwergeburt plus zwei Nachgeburten“. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Aber wir haben es geschafft. Deshalb herzlichen Dank an alle Geburtshelfer. Dazu gehört unser Minister im Hintergrund. Dazu gehören alle Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppe Agrar, eingeschlossen Franz Josef Jung als unser Vizefraktionsvorsitzender. Dazu gehören natürlich auch, lieber Wilhelm, die Kolleginnen und Kollegen der SPD. Liebe Frau Vogt, jetzt sind wir wieder gut. (Willi Brase [SPD]: Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen!) Wir Koalitionäre sind uns einig, dass es anstehende Gesetze leichter haben sollen. Warum? Es ging und geht um nichts anderes als das Greening. Dabei war uns allen von Anfang an klar: Grünland muss Grünland bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Über die Details reden diejenigen, die mehr Redezeit haben als ich. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Noch mehr? Ihr habt schon so viel!) Tatsache ist erstens: Wir wollten, dass es in den sogenannten umweltsensiblen Gebieten, sprich FFH-Gebieten, Fauna-Flora-Habitat-Gebieten, keinen Grünlandumbruch geben darf, und den wird es auch nicht geben, das heißt: null Prozent. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha!) Außerhalb der FFH-Gebiete darf Grasland nur dann umgebrochen werden, so haben wir beschlossen, wenn gleichzeitig ein Hektar an der gleichen Stelle oder anderswo durch einen anderen Hektar ersetzt, sprich: angesät wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb noch einmal: Unter dem Strich muss und wird die Grünlandfläche immer gleich groß bleiben. Zweitens: ökologische Vorrangflächen. Ich freue mich sehr über den Kompromiss, den wir auch hier erzielt haben. Warum? Weil wir wollten, dass das Greening nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis funktioniert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was spricht gegen die Verwendung von Wirtschaftsdünger bei Zwischenfrüchten? Nichts. Was spricht gegen die Düngung von Eiweißpflanzen und einen Pflanzenschutz nach guter fachlicher Praxis? Nichts. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Nichts“? Was? – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon mal was von Naturschutz gehört?) Denn wenn der Bauer sät, dann will er nicht nur ernten; er weiß auch, dass Eiweißpflanzen Stickstoff binden, dass sie die einheimische Eiweißversorgung verbessern, dass sie zusätzlich Bienenweiden bilden. Wir werden also mit der Annahme des heute vorliegenden Gesetzentwurfs einen Mehrwert für Ökologie und Praxis beschließen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit diesem Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden außerdem kleinere Betriebe und Junglandwirte besser gefördert; auch das muss man im Gesamtzusammenhang sehen. Wir verstehen Umweltschutz in und mit diesem Gesetz nicht als Gegensatz, sondern als festen Bestandteil einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU) Das heißt, wir erreichen Umweltschutz und Biodiversität im gelebten landwirtschaftlichen Alltag. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Ganz pathetisch!) In diesem Sinne freue ich mich über unseren gemeinsamen Abschluss. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da lachen Sie doch selber!) Es können neue Taten folgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Abschließend ein herzliches Dankeschön. – Ich weiß nicht, ob es an Ihnen liegt, sehr geehrte Frau Präsidentin, aber ich bin schon wieder vor Ende meiner Redezeit fertig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Ja, aber so viel früher nicht. Nächstes Mal kriegen Sie dann 11 Sekunden mehr Redezeit. Vielen Dank, Frau Mortler. Nächste Rednerin in der Debatte ist Dr. Kirsten Tackmann für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Bis 2020 werden EU-Gelder in Höhe von 5 Milliarden Euro unseren Agrarbetrieben zur Verfügung gestellt. Das ist sehr viel Geld. Der Entscheidungsrahmen ist bereits in Brüssel festgelegt worden. Am Anfang dieser Debatten schien es tatsächlich so, als ob ein Paradigmenwechsel gelänge, nämlich eine Förderung nach dem Prinzip: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Aber so ist es doch auch!) Aber letzten Endes ist es sozusagen im Rohr krepiert. Es war erstens gewollt, dass über die Förderung soziale Ziele erreicht werden, (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wir machen Agrarpolitik und nicht Sozialpolitik!) nämlich Beschäftigungsförderung, gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Zweitens sollte eine naturverträglichere Flächenbewirtschaftung erreicht werden. Am Ende steht nun ein weicher Kompromiss, der zwar in die richtige Richtung geht, aber nicht weit genug. Heute geht es um die Gestaltungsspielräume, die Brüssel Deutschland gelassen hat. Leider hat sich die Koalition die vielen guten Ansätze aus Brüssel entweder nicht zunutze gemacht oder sogar ihre Umsetzung vereitelt. Ich will das anhand von drei Punkten konkret nachweisen: Nach den EU-Vorgaben können die Mitgliedstaaten Betriebe mit vielen Beschäftigten unterstützen; das war eine zentrale Forderung der Linken. Es geht dabei nicht um ein Rundum-sorglos-Paket für ineffiziente Betriebe, sondern darum, dass zum Beispiel Betriebe mit Tierhaltung mehr Leute beschäftigen als Ackerbaubetriebe. Als Tierärztin will ich, dass Tierhaltungen durch ausreichend gut bezahltes und gut qualifiziertes Personal betreut werden; denn auch das trägt zur Tiergesundheit bei. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Für uns selbstverständlich!) Mehr Personal ist zwar schlecht für die Betriebskosten, aber gut für die ländlichen Räume und für die Finanz-etats in Bund, Ländern und Kommunen. Wir alle wollen doch keine Betriebe, deren Geschäftsführer einmal in der Woche vorbeischaut, um zu prüfen, ob der Lohn-unternehmer seine Arbeit geleistet hat. Die Kritik an solchen Großbetrieben ist völlig nachvollziehbar. Aber gerade deshalb wäre die Berücksichtigung der Personalkosten bei den Fördermitteln so wichtig gewesen. Das hätte großen Agrargesellschaften mit wenigen und schlecht bezahlten Beschäftigten zwar sehr weh getan, aber Genossenschaften mit vielen Beschäftigten und Tierhaltung zumindest nicht geschadet. Stattdessen werden jetzt die ersten 46 Hektar höher gefördert. Ich gönne den kleinen Betrieben jede Unterstützung, keine Frage, aber Studien zeigen, dass dieses Geld eher eine Sterbehilfe ist; denn die Probleme der kleinen Betriebe werden dadurch nicht gelöst. Dafür werden aber 9 Prozent der Fördermittel von Ostdeutschland nach Südwestdeutschland umverteilt. Das finde ich falsch, und das nehme ich als Brandenburgerin auch persönlich. (Beifall bei der LINKEN – Willi Brase [SPD]: Oh!) Zweites Beispiel für Fehlentscheidungen: Weidetierhalter, insbesondere von Schafen und Ziegen, bekommen am Markt schon lange keine kostendeckenden Preise mehr. Immer mehr Betriebe müssen deshalb aufgeben, obwohl doch gerade sie dem Bild, das die -Menschen von guter Landwirtschaft haben, am besten entsprechen. Außerdem sind Schafe und Ziegen die besten Grünlandnutzer, die besten Landschaftspfleger und die besten Deichbefestiger; wir brauchen sie also. Aber dafür, damit sie weiterexistieren können, brauchen die Schäfereien auch ihre Mutterschafprämie zurück. Ja, das wäre eine Abweichung vom Prinzip der Flächenförderung, aber an der Stelle wäre diese Ausnahme gerechtfertigt. Wir sollten das unbedingt so regeln. (Beifall bei der LINKEN) Drittes Beispiel für Fehlentscheidungen: Ich habe nie verstanden, warum ökologische Vorrangflächen nicht als Chance verstanden wurden. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wir haben diese Chance genutzt! Ein Blick in das Gesetz genügt!) Auf diesen 5 Prozent der Betriebsfläche kann man viel Gutes tun, was auch die Akzeptanz in der Gesellschaft erhöht: zum Beispiel Hecken anlegen oder Pufferstreifen an Wäldern, Feldern und Gewässern wild-, bienen- und insektenfreundlich gestalten. (Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Das geht alles! Steht alles im Gesetz!) Natürlich soll das Erntegut auch als Tierfutter oder für Biogasanlagen genutzt werden können. Aber die -Konservativen haben das erst ganz blockiert und dann die Regelungen so aufgeweicht, dass ein ökologischer Vorrang mehr als fraglich erscheint. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das sollten Sie einmal nachlesen!) Mein Fazit ist deshalb: ein paar Schritte in die richtige Richtung, aber viele vergebene Chancen. Deshalb ist Enthaltung der Linken bei der Abstimmung eigentlich schon zu viel des Lobes. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Willi Brase [SPD]: Oh! Da geht es ja nur um 5 Milliarden Euro! Ihr seid inkonsequent!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Tackmann. – Nächster Redner in der Debatte ist für die SPD Dr. Wilhelm Priesmeier. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Mortler, ich als Tierarzt weiß mit schweren Geburten umzugehen. Insofern stelle ich fest: Das, was da „geboren“ worden ist, ist gesund, kräftig und lebensfähig. Darüber freue ich mich. So soll das sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich erinnere auch daran, dass wir Sozialdemokraten am 11. Juni letzten Jahres einen Antrag mit dem Titel „Grünland effektiv schützen“ eingebracht haben. Gefordert haben wir darin, „ein striktes nationales Grünlandumbruchverbot als Greening-Anforderung durch-zusetzen“. Ich betone in diesem Zusammenhang: Sozialdemokraten reden nicht nur und bringen schlaue Anträge ein, sondern sie liefern auch, und das ist uns gelungen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU] – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mit dem „Liefern“ würde ich vorsichtig sein! Biomasse ist ein ganz schwieriger Punkt! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben damit einen ganz wesentlichen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz geleistet. Auf die Rolle, die Grünland spielt, und seine Wichtigkeit braucht man nicht in allen Einzelheiten einzugehen. Wir wissen ja um die CO2-Bindung in solchen Flächen. Wir wissen auch um den Artenreichtum des Grünlandes. Keine Fläche ist so artenreich wie das Grünland. Das kann man mit Ackerland nicht erreichen. Demzufolge ist uns das Grünland natürlich besonders wichtig. Wir wissen auch um die Bedeutung von Grünland als Produk-tionsfaktor für die Milchviehhaltung. Aus diesem Grunde muss man bestimmten Regionen wie etwa solchen, in denen Vogelschutzgebiete etabliert sind und die dadurch ein Problem mit der Milchviehhaltung bekommen hätten, kleinere Zugeständnisse machen und dafür sorgen, dass das Grünland auch in Zukunft dort als Futtergrundlage für die dort ansässigen Betriebe seine Funktion erfüllen kann. Das haben wir gewährleistet. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich verweise darauf, dass dort in Zukunft jeglicher Umbruch bzw. jegliche Umwandlung ausgeschlossen ist. Wenn aus betrieblichen Gründen an anderen Stellen die eine oder andere Fläche umgelegt wird, dann erfolgt ein entsprechender Ausgleich dafür. Ich erinnere aber auch an die absolut geschützten Grünlandbereiche. 700 000 Hektar in den FFH-Gebieten, den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten – dabei handelt es sich um ganz besonders schützenswerte Pflanzengesellschaften auf diesen Grünlandflächen –, werden richtigerweise vollständig unter Umbruchverbot gestellt. Wir folgen da den Vorgaben der EU. Das ist nach meiner Einschätzung eine auch für die Zukunft taugliche Kulisse. Man muss aber auch berücksichtigen, dass wir in den letzten 20 Jahren 650 000 Hektar Grünland verloren haben. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das liegt aber nicht an der Landwirtschaft!) Zum Vergleich: Das entspricht fast der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Rheinland-Pfalz. Diese Fläche ist in irgendeiner Form verloren gegangen. (Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Straßen, Häuser! – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Stromleitungen!) Das ist unbestritten so. Dieser Verlust kam schleichend, nicht über Nacht. Insofern verdeutlicht dieses Geschehen den Handlungsdruck, der hier gegeben war. (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD]) Ich glaube, dass wir in diesem Zusammenhang zumindest einen weiteren Schritt in die richtige Richtung unternommen haben. Ich fordere schon seit vielen Jahren Maßnahmen nach dem Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Güter“. Insofern habe ich das Copyright auf diese Formulierung. Ich stelle es Ihnen aber gerne zur Verfügung. (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD] – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schön! Was hast du umgesetzt? – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das haben hier viele schon gesagt!) Jährlich schichten wir nun 4,5 Prozent der Direktzahlungen aus der ersten in die zweite Säule um. Auch das ist wichtig. Das war ein Kompromiss, um den auf der Sonderkonferenz der Agrarminister im November hart gerungen werden musste. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der sah aber anders aus, der Kompromiss! Du weißt doch, dass da noch mehr drin gewesen ist! Er war ein bisschen umfangreicher!) – Wenn da noch ein bisschen mehr drin gewesen wäre, hätte ich mich gefreut. Manchmal ist der Spatz in der Hand aber besser als die dicke, fette Taube bei Friedrich Ostendorff auf dem Dach. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch für ihn ist es schwierig, sie einzufangen. Das dauert zumindest. Insofern habe ich das erst einmal so angenommen. Wir müssen ja sehen, dass dieses Gesetzeswerk für die Überprüfung eine Frist bis etwa 2017 vorsieht. Wir wissen ja alle, dass auf der europäischen Ebene fast immer Folgendes gilt: Nach der Reform kommt erst einmal die Halbzeitbetrachtung und dann wieder eine neue Reform. – Ich bin deshalb hoffungsfroh, dass wir mittels der gebotenen Maßnahmen 2017 das eine oder andere korrigieren können. Es ist aber, wie ich glaube, schon wichtig, dass etwa 230 Millionen Euro jährlich, also insgesamt über 1,1 Milliarden Euro, die in die zweite Säule verbracht werden, für die Betriebe zur Verfügung stehen, die in besonderer Weise richtungsweisend sind, sich also etwa an Tierschutzstandards oder ökologischen Standards orientieren bzw. für bestimmte Strukturen, die wir fördern wollen, von besonderer Wichtigkeit sind. Die Umschichtung eröffnet solche Möglichkeiten. Das ist im Übrigen nicht kofinanziert. Das entlastet die Bundesländer. Wir wissen alle, wie es um manche Bundesländer bestellt ist. Daher ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir das so machen. Dem System der Direktzahlungen, wie wir es kennen, ist nach meiner Einschätzung – hoffentlich – keine allzu lange Zukunft mehr beschieden. Ich glaube, dieses -System ist mehr als nur reformbedürftig. Denn die Zielsetzung dieses Systems müssen wir im Verhältnis zu den eingesetzten finanziellen Ressourcen sehen; alle europäischen Steuerzahler, die deutschen im Besonderen, müssen natürlich die Grundlage für die Transferleistungen, die aus den Brüsseler Kassen wieder zurückkommen, zunächst in Form von Steuerzahlungen aufbringen. Da muss man natürlich auch nach Nachhaltigkeit fragen; da muss man sich ernsthaft fragen, ob Anspruch und Wirklichkeit deckungsgleich sind. Ich glaube, das ist nicht so. (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD] – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen widersprüchlich!) Wir müssen uns über die Strukturen Gedanken machen. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir mit den Strukturen im ländlichen Raum umgehen wollen. Das Fazit kann nur lauten: Wenn wir in Europa und vor allen Dingen in Deutschland mittlerweile eine sehr wettbewerbsfähige Landwirtschaft haben, dann muss man nicht große, wettbewerbsfähige und ertragsstarke Betriebe unter dem Gesichtspunkt der Einkommensstützung mit erheblichen Prämien zusätzlich fördern. Das gilt – das ist meine Einschätzung – vor allen Dingen für bestimmte Ackerbaustandorte. Vielmehr muss man schauen: Welche Strukturen will ich, und was ist vor Ort angemessen? Ein Betrieb in Bayern ist anders strukturiert als woanders, und bei Grenzertragsstandorten in bestimmten Regionen werden wir auf Unterstützung nicht verzichten können. Im Grundsatz muss aber diese Gießkannenpolitik, wie wir sie aus den letzten Jahrzehnten kennen, ein Ende -haben. Dafür wollen wir und will ich als Sozialdemokrat eintreten. Das wird auch die Option für die nächsten vier Jahre sein. Ich werde immer wieder einmal den Finger in die Wunde legen, damit wir die Orientierung nicht -verlieren. Das Ziel werden wir in dieser Koalition nicht erreichen können, aber ich glaube, nach dieser Koalition kommt mit Sicherheit eine andere Koalition, und vielleicht sind dort bessere Chancen für die Erreichung dieses Zieles gegeben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wilhelm!) In dem Sinne: Vielen Dank für das Zuhören und noch einmal vielen Dank für die Kooperationsbereitschaft. Vor allen Dingen danke ich dem Kollegen Holzenkamp. Manche Sachen waren nicht immer ganz einfach, aber ich glaube, das bekommen wir alles wieder auf die Reihe. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner Friedrich Ostendorff für Bündnis 90/Die Grünen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit welcher gesellschaftlichen Legitimation kann die Politik in Zukunft weiterhin jährlich rund 5 Milliarden Euro an die deutsche Landwirtschaft ausschütten? Unter dieser Überschrift haben wir seit 2009 über die Zukunft der -Gemeinsamen Agrarpolitik diskutiert. Die Antwort war eindeutig: öffentliches Geld nur noch für öffentliche Leistungen. 300 Euro pauschal pro Hektar, das heißt: Wer schon viel hat, dem wird noch mehr gegeben, und zwar ohne Gegenleistung. Das kann es nicht mehr sein! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stattdessen muss den Zahlungen ein Mehrwert an Ökologie, Verbraucher- und Tierschutz gegenüberstehen. Diese Forderung der Zivilgesellschaft ist in keiner Weise unanständig, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit. EU-Agrarkommissar Ciolos hat daraus einen -Reformansatz entwickelt, den wir Grüne weithin teilen: das sogenannte Greening. Agrarstaatssekretär Bleser hat noch am Montag überheblich das Greening als den -Geburtsfehler der Reform bezeichnet. Das Greening, meine Damen und Herren, ist doch kein Geburtsfehler der Reform, sondern ein kluges Angebot der Gesellschaft an die Landwirtschaft gewesen, die 5 Milliarden Euro im Jahr für die Zukunft festzuschreiben. Der Bauernverband und seine Truppen in den Parlamenten haben das Greening von Anfang an so bekämpft, verwässert und durchlöchert, bis feststand, dass die 5 Milliarden Euro weiter als bedingungslose Subvention gezahlt werden. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Schämen Sie sich für solche Aussagen!) Das Ergebnis liegt uns heute vor. CDU/CSU und SPD schlagen als Flächennutzung im Umweltinteresse allen Ernstes vor: Der Landwirt baut Mais mit Untersaat an, düngt diese Untersaat, die sogenannte ökologische Vorrangfläche – Frau Mortler hat es uns gerade vorgetragen – nach der Maisernte mit Gülle, spritzt die Untersaat im Frühjahr mit dem Totalherbizid Roundup tot (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das soll Ökologie sein?) und baut dann wieder Mais an. Dafür soll der Landwirt weiterhin 300 Euro pro Hektar von der Gesellschaft bekommen! Was glauben Sie denn, wie lange das noch gutgeht? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für wie dumm, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, halten Sie denn die Bürgerinnen und Bürger? Warum sollte die Gesellschaft bereit sein, dafür Steuergelder zu zahlen? Das erklären Sie uns bitte heute ausdrücklich. All das wird auch noch von der SPD mitgetragen, -einer SPD, die noch 2010 die Neuqualifikation aller -Agrarzahlungen besonders durch Wilhelm Priesmeier immer wieder gefordert hat. Nichts davon, Wilhelm Priesmeier, habt ihr umgesetzt! Nichts, liebe Sozial-demokraten! (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: So sind die!) Jetzt vergießt ihr Sozialdemokraten Krokodilstränen, als wärt ihr gar nicht Teil der Großen Koalition, als wärt ihr gar nicht dabei gewesen, als hättet ihr dieses Gesetz nicht mit verhandelt. Das ist die Botschaft, die wir heute wieder empfangen haben. Dieser Gesetzentwurf ist so schlecht, dass ihn sogar der Deutsche Jagdverband, dem ja niemand unterstellen würde, der grünen Politik sehr nahe zu stehen, scharf -ablehnt. Scheinbar einzig der Intervention vernunft-begabter SPD-Umweltpolitiker ist es zu verdanken, dass nicht auch noch der Grünlandschutz geopfert wurde und 2014 zum Jahr des Grünlandumbruchs würde. (Widerspruch der Abg. Marlene Mortler [CDU/CSU]) Dieser positive Aspekt kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, liebe Freundinnen und Freunde, dass dieser Gesetzentwurf nur ein Ziel verfolgt: Er soll verhindern, dass auch nur ein einziger Acker in Deutschland pestizidfrei wird. Das ist Ihnen vollumfänglich gelungen, meine Damen und Herren. Die großen Ackerbaubetriebe im Osten und die Pestizidindustrie werden es Ihnen danken. Verlierer sind nicht nur die Biodiversität – welch Pikanterie: ausgerechnet heute, am Internationalen Tag der biologischen Vielfalt, beschließen wir das –, sondern auch die vielen bäuerlichen Betriebe, insbesondere die Betriebe in Bayern. Meine Damen und Herren, Sie haben eine historische Chance für die Gemeinsame Agrarpolitik vertan. Es gab wie noch bei keiner Reform – ich glaube, dass ich das nach Jahrzehnten in der Szene gut beurteilen kann – die Bereitschaft der Gesellschaft, eine reformierte Gemeinsame Agrarpolitik nach dem Prinzip „Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen“ mitzutragen. Die Öffentlichkeit hatte ihre Hand ausgestreckt – Sie haben diese Hand ausgeschlagen. Ich weiß nicht, ob es diese Bereitschaft 2020 wieder geben wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Ostendorff. – Der letzte Redner in dieser Debatte: Franz-Josef Holzenkamp für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden heute das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz und schaffen endlich Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die Bauern, und zwar von jetzt bis 2020. Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt, und zwar für die Landwirtschaft, aber, meine Damen und Herren von den Grünen, auch für den Naturschutz. Wir machen es uns nicht so einfach, in Form von rückwärtsgewandter Politik wieder auf Flächenstilllegungen zu verfallen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer spricht denn von Flächenstilllegungen, Herr Kollege? Niemand!) Nein, wir schaffen intelligente Lösungen nach dem Motto „Schützen durch Nützen“. Das ist vernünftige Politik – alles andere ist vollkommener Unsinn. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schützen durch Spritzen!) Wir wollen eine praxisnahe Gestaltung der Umsetzung; das ist jetzt gewährleistet. Wir wollen möglichst wenig Gängelung. Ich sage noch einmal: Das ist wahrscheinlich der Unterschied, meine Damen und Herren der Grünen, zwischen Ihnen und uns. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Eben nicht!) Da wird auch ein bisschen die unterschiedliche Geisteshaltung deutlich: Sie predigen nur von Verboten, von Bevormundung. Schon vor Jahren sprachen Sie von Feldspionen. Wir haben Zutrauen zu den Menschen und bringen Menschen in Verantwortung. Ich denke, das ist die richtige Politik. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb gestalten wir die Umsetzung praxisnah ohne Gängelung. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geld ohne ökologische Leistung!) Und wir kommen einer ethischen Verantwortung nach, nämlich der ethischen Verantwortung Deutschlands, als Gunstregion in der Welt auch der Ernährung der Menschen in der Welt nachzukommen, und das ist richtig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Um was geht es konkret? Wilhelm Priesmeier hat auf den Beschluss der Agrarministerkonferenz vom November letzten Jahres hingewiesen, dass wir umschichten, 4,5 Prozent; das sind jährlich 230 Millionen Euro mehr für den ländlichen Raum und für Umweltschutz. Das muss man, Herr Ostendorff, auch dazusagen, wenn man alles in Bausch und Bogen kritisiert. Wir machen eine Angleichung der Prämien zu einer Basisprämie. Wir führen einen bundeseinheitlichen Zuschlag ein, ganz bewusst für kleinere Betriebe. Wir wollen, dass kleinere Betriebe – Betriebe bis 46 Hektar – bessergestellt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das war ein großer gemeinschaftlicher Konsens, und darüber können wir uns glücklich schätzen. Des Weiteren geht es – das wurde schon ein paarmal angesprochen – um das Greening, um den Grünlanderhalt. Was vorhin behauptet wurde, ist schlichtweg die Unwahrheit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eines, Wilhelm, war uns gemeinsam immer klar: Vorhandenes Grünland muss erhalten bleiben. Aber wir wollen es so gestalten, dass man auch wirtschaften kann, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dass Bauern auch Futterqualitäten mit ihrem Grünland erreichen können. Deshalb haben wir die Grünlandkulisse für die Definition des sensiblen Grünlandes reduziert von den gesamten Natura-2000-Gebieten auf die FFH-Gebiete. Hätten wir das so gelassen, dürften – man muss sich das einmal vorstellen! – 1,2 Millionen Hektar in Deutschland nicht einmal gepflügt werden, nur um wieder Gras anzusäen. Dann wäre keine vernünftige Futterqualität mehr gewährleistet gewesen. Deshalb haben wir an dieser Stelle genau das Richtige gemacht. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Widerspruch in sich, Herr Kollege!) Für die Grünlandflächen, die darüber hinausgehen, gilt ein einzelbetriebliches Autorisierungsverfahren, das heißt, Umwandlung nur gegen Neuanlage von Grünland. Das Ergebnis ist, wie meine Vorrednerin Marlene Mortler schon sagte: Bei uns bleibt Grünland Grünland. – Das ist richtig und gut so. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wollen Sie es dann umpflügen? Schützen durch Spritzen!) Zu den ökologischen Vorrangflächen: Es gibt einen Maßnahmenkatalog; Sie haben entsprechende Beispiele angeführt. All diese Maßnahmen können wir nutzen. Es ist nicht richtig, das infrage zu stellen. Die Entscheidung für Zwischenfrüchte war gut. Wir machen hier zusätzliche Auflagen: keine Pflanzenschutzmittel, kein mineralischer Stickstoffdünger, keine Klärschlammausbringung, spätester Aussaattermin 1. Oktober und mindestens zwei Kulturpflanzenarten. Das sind hohe Auflagen. Außerdem sehen wir einen Anrechnungsfaktor von 0,3 vor; das heißt, wir verdreifachen sozusagen die ökologischen Vorrangflächen. Ist das denn keine ökologische Leistung? Das ist eine! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie führen doch die Leute in die Irre!) Im Zusammenhang mit den Leguminosen wird von Pestiziden geredet. Man benutzt immer sehr bewusst ein solches Vokabular. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein normaler wissenschaftlicher Begriff!) Ich spreche lieber von Pflanzenschutz; wir wollen keine Pest verbreiten. Wir sind uns eigentlich darin einig, mehr Eiweißpflanzen in Deutschland haben zu wollen. Warum haben wir sie nicht? Weil die Wettbewerbsfähigkeit nicht gewährleistet ist! Wir haben jetzt zwar die notwendigen ökologischen Vorrangflächen und könnten sie für Leguminosen nutzen; aber wenn dort zur Ernte ein Mähdrescher durchfahren soll, dann brauchen wir etwas Pflanzenschutz. Ansonsten funktioniert das nicht; sonst käme nur noch ein Häcksler da durch, und das kann ja wohl keine Lösung sein. Deshalb entspricht dieses Vorgehen auch unserer Eiweißpflanzenstrategie, und es bringt uns ökologisch einen großen Schritt weiter. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich bin sehr angetan, dass Sie sich enthalten. Damit hätte ich gar nicht gerechnet. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben eben einfach einen guten Gesetzentwurf vorgelegt, bei dem man sich zumindest enthalten kann, aber eigentlich zustimmen muss. Wir haben bei diesem Gesetzentwurf nur Gewinner: den Naturschutz und die Bauern. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Naturschutz ganz bestimmt nicht! Schützen durch Spritzen!) Ich bedanke mich bei allen, die geholfen haben, und werbe um Ihre Zustimmung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1493, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/908 und 18/1418 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir jetzt zuerst abstimmen. Änderungsantrag auf Drucksache 18/1502. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen, Ablehnung von CDU/CSU und SPD und Enthaltung der Linkspartei abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 18/1503. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Zugestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke, abgelehnt haben CDU/CSU und SPD. Änderungsantrag auf Drucksache 18/1504. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen, Ablehnung von CDU/CSU und SPD und Enthaltung der Linkspartei abgelehnt. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Fraktion!) Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, abgelehnt hat Bündnis 90/Die Grünen, und enthalten hat sich die Linkspartei. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion, Ablehnung von Bündnis 90/Die Grünen, Enthaltung der Linkspartei. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1499. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Zugestimmt haben die Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, abgelehnt haben CDU/CSU und SPD. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1505. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen, Ablehnung von CDU/CSU, SPD und der Linken. Jetzt mache ich eine Ankündigung für die Kolleginnen und Kollegen und die Gäste hier im Hohen Hause darüber, was wir heute noch debattieren. Debattiert werden jetzt noch der Zusatzpunkt 7 – darin geht es um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – und der Tagesordnungspunkt 17: Einsetzung einer Kommission zur sprachlichen Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen. Die anderen Punkte werden zu Protokoll gegeben bzw. sind abgesetzt worden. Ich glaube, das wurde nicht allen vermittelt. Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Frank Tempel, Jan Korte, Ulla Jelpke, Martina Renner und weiterer Abgeordneter Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksache 18/1475 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Irene Mihalic für Bündnis 90/Die Grünen. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Drei Monate und vier Sondersitzungen im Innenausschuss haben leider weder Transparenz noch Aufklärung in dieser Sache gebracht. Das Gegenteil ist der Fall: Die Umstände der langwierigen Bearbeitung im BKA von kinderpornografischen Daten aus Kanada und die Informationsweitergaben zu den Ermittlungen sind immer undurchsichtiger geworden. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition – das ist für mich, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, eine sehr herbe Enttäuschung –, handeln leider nach der Devise: Obstruktion statt Aufklärung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Einzig der Vorsitzende des Innenausschusses war bei Ihnen wirklich die große Ausnahme. Aber da, wo er seinen Aufklärungswillen offensiv bekundet hat, haben Sie sogar versucht, ihn auf Linie zu bringen. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Quatsch!) Diese Haltung lässt mich ernsthaft an Ihrem Parlamentsverständnis zweifeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Aber das ist dieselbe Haltung, die Sie nach der letzten Sondersitzung vor die Kameras hat treten lassen, wo Sie trotz massiver Ungereimtheiten und vieler offener Fragen sinngemäß sagten: Alles ist gut, alles ist aufgeklärt. Wir können zur Tagesordnung übergehen, alles gar kein Problem. Damit sagen Sie im Grunde, dass Sie kein Problem darin sehen, falls bestimmte Informationen möglicherweise da angekommen sind, wo sie nicht hingehören und wo sie Schaden anrichten können. Dabei ist doch mehr als deutlich geworden, dass nicht nur die berechtigten Geheimnisträger von diesen Vorgängen gewusst haben. Die Informationen zu den Ermittlungen gegen Sebastian Edathy waren quasi Streuwissen in der damaligen Bundesregierung und bei den Koalitionsverhandlungen. Trotzdem scheint es Ihnen völlig egal zu sein, ob und von wem Sebastian Edathy möglicherweise vor diesen Ermittlungen gewarnt wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht es nicht. Hier geht es nicht mehr nur um Geheimnisverrat; hier steht Strafvereitelung im Raum, und das muss aufgeklärt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Mit Ihrer Haltung sagen Sie auch, dass Sie kein Problem bei der damaligen Bundesregierung sehen, und das, obwohl vieles darauf hindeutet, dass die Rolle des Innenministeriums gerade in Bezug auf den BKA-Beamten, der auch auf der Kundenliste stand, zumindest unglücklich gewesen ist. Offenbar haben Sie auch kein Problem damit, dass kinderpornografisches Material über zwei Jahre in BKA-Computern lagert, bevor erkennbar etwas passiert und strafrechtliche Schritte eingeleitet werden. Sieben geschlagene Monate lang sind die Dateien überhaupt nicht angerührt worden. Angesichts der damit verbundenen schwerwiegenden Straftaten ist das ein skandalöser Vorgang. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Da muss man sich doch fragen: Wo sind die organisatorischen Mängel? Ist das Personal richtig eingesetzt? Wie sind die Abläufe? Was muss sich konkret ändern? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das können wir so nicht einfach hinnehmen. Wir wollen, nein wir müssen das aufklären. Wir hatten von Anfang an das Ziel, diese ganze Angelegenheit so schnell und so gründlich wie irgend möglich aufzuklären, um das Vertrauen ins BKA, in die Politik und nicht zuletzt in den Rechtsstaat wiederherzustellen. Wir haben das im Innenausschuss wirklich versucht. Man kann uns weiß Gott nicht vorwerfen, dass wir uns nicht bemüht hätten, diesen ganzen Vorgang so schnell und so gründlich wie möglich im Innenausschuss aufzuklären. Aber es hat sich gezeigt, dass der Innenausschuss nicht das richtige Gremium ist, um in dieser Frage Klarheit zu schaffen. Es gab weder die Möglichkeit, Einzelbefragungen durchzuführen, noch konnten Unterlagen beigezogen werden. Deshalb brauchen wir jetzt diesen Untersuchungs-ausschuss, in dem wir aber auch nach genau derselben Devise vorgehen wollen, die wir von Anfang an hatten: schnell und gründlich aufklären. Daher bitte ich Sie noch einmal, genau zu prüfen, ob Sie die parlamentarische Untersuchung in dieser Sache weiter ablehnen. Unser Antrag liegt vor. Grüne und Linke können den Untersuchungsausschuss aufgrund der Minderheitenrechte gemeinsam durchsetzen, und das werden wir auch tun. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, es wäre gut, wenn auch Sie – das ist meine ganz herzliche Bitte an Sie – endlich in den Aufklärungs-modus umschalten und konstruktiv mitarbeiten würden. (Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Was haben wir denn monatelang im Innenausschuss gemacht?) Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Irene Mihalic. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist Armin Schuster. (Beifall bei der CDU/CSU) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Mihalic, über Sie als ehemalige Polizeibeamtin – wir sind Berufskollegen – bin ich manchmal verwundert. Wie Sie es fertigbringen, Tatsachen seit Monaten zu verdrehen, ist wirklich einzigartig. Dass Sie aber jetzt auch noch damit werben, Sie würden beim BKA versuchen, Vertrauen herzustellen, stellt die Dinge nun wirklich auf den Kopf. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vertrauen ins BKA!) Sie tun genau das Gegenteil, Entschuldigung. Meine Damen und Herren, ich will gleich zur Beruhigung beitragen. Ihren Wunsch auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Fall Edathy – mich stört schon Ihre Formulierung – kann man nachvollziehen – wenn auch vielleicht nicht verstehen –, aber nur so lange, bis man Ihren Antrag gelesen hat. Er ist nicht nur inhaltlich tendenziell verengt auf das BKA, sondern auch in Teilen juristisch nicht einwandfrei formuliert und, was den fehlenden Untersuchungszeitraum oder die nicht zulässige Zahl der vorgeschlagenen Untersuchungsausschussmitglieder angeht, auch formell nicht ordnungsgemäß. Der Antrag ist alles in allem eigentlich gar nicht behandlungsfähig. Aber die gute Nachricht vorweg: Auch wenn Sie es nicht gut zu Papier bringen können, respektieren wir natürlich Ihre parlamentarischen Rechte. Wir spüren, was Sie denken, (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie gütig!) und werden nicht gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stimmen. Wir erwarten allerdings in den Beratungen im Ausschuss einige Korrekturen und Ergänzungen im Untersuchungsauftrag. Wir debattieren nicht über einen Untersuchungsausschuss zum Fall BKA oder eines BKA-Beamten; wir diskutieren über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Fall Edathy. Das ist ein gewaltiger Unterschied. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Im Innenausschuss hat das BKA mit den unmittelbar involvierten Mitarbeitern bereits die meisten der in Ihrem Antrag gestellten Fragen erschöpfend beantwortet. Selbst wenn es noch Restfragen gibt – ich denke dabei auch an den Beamten aus den eigenen Reihen des BKA –, rechtfertigt das alleine aber nicht die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Wir hätten das im Innenausschuss wunderbar weiter klären können. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie wollten doch nicht!) Meine Fraktion und ich hegen an den Darstellungen von BKA-Chef Ziercke und seinen Mitarbeitern im Gegensatz zu Ihnen nicht die geringsten Zweifel. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche denn? Es gab vier!) Um langwierigen Wiederholungen im Untersuchungsausschuss vorzubeugen, wollen wir Ihnen ein paar Punkte in den Untersuchungsauftrag hineinschreiben, die Sie ursprünglich angekündigt hatten und die nun merkwürdigerweise keine Erwähnung mehr finden oder nur noch sehr zaghaft auftauchen. Ein Beispiel. In Ihrem Antrag heißt es, der Untersuchungsausschuss solle „den Gang und die Gründe für die lange Dauer des Verfahrens“ – das ist übrigens eine Wertung – „in Deutschland beim Bundeskriminalamt, auch im Zusammenwirken mit Stellen der Länder“ aufklären. Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden in diesem Land sind die Staatsanwaltschaften in den Ländern, und es ist nicht das BKA. Das Zitat zeigt, dass Sie im Prinzip alles verdreht haben. Die für den Fall Edathy zuständige niedersächsische Staatsanwaltschaft wird in Ihrem Antrag doch allzu künstlich ausgespart. Finden Sie nicht auch? (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn in diesem Fall über die Dauer von Ermittlungen gesprochen werden soll, dann spielt Niedersachsen eine zentrale, wenn nicht die zentrale Rolle. Wir sollten uns also angesichts dieses Falles ganz allgemein mit Fragen der Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften auseinandersetzen. So hatte der Beschuldigte in dem zu untersuchenden Fall angeblich zu einem sehr frühen Zeitpunkt Kenntnis von den -Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, genauso wie die Medien. Mit der Formulierung „lange Dauer“ nehmen Sie in Ihrem Antrag eine unzulässige Wertung vor. Aber ich finde es trotzdem gut, dass wir uns damit befassen. Das gibt den Sicherheitsbehörden im Untersuchungsausschuss endlich die Chance, öffentlich darzulegen, wie stark schwankend Kinderpornografiefälle auftreten, welches Ausmaß solche Fälle annehmen, wie viele Fälle wann gleichzeitig bearbeitet werden und – das finde ich ganz besonders interessant; das werden wir aufklären – welchen Einfluss fehlende Mindestspeicherfristen auf Prioritätensetzungen haben, wenn mehrere Fälle anstehen. Ich bin sehr gespannt auf die Expertenmeinungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben auch ein großes Interesse daran – das fällt in Ihrem Antrag quasi aus –, zu klären, wie unterschiedlich Ermittlungsbehörden bei nicht eindeutig strafbaren kinderpornografischen Bildern vorgehen. Ich darf daran erinnern, dass es bei der Einschätzung solcher Bilder eine Grauzone gibt. Ich bin nicht sicher, ob wir in Deutschland eine einheitliche Anwendung geltenden Rechts, also die Funktionsfähigkeit der Justiz, auf einem garantierten Standard überhaupt gewährleisten können. Das zu hinterfragen und von Experten belegen zu lassen, finde ich sehr spannend. Ich habe Ihnen alle Fehler erspart. Ich könnte noch unendlich fortfahren. Vizepräsidentin Claudia Roth: Nein. Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Ich weiß, Frau Präsidentin. Ich komme zum Ende. Wir werden zusammen mit Ihnen etwas Gutes aus -Ihrem Antrag machen; da bin ich mir ganz sicher. Deshalb hat die Union auch nicht die Vorstellung, dass dieser Untersuchungsausschuss seinen Untersuchungsauftrag in fünf bis zehn Sitzungen erfüllen kann. Das ist ein Trugschluss. Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben. Wenn wir schon einen Untersuchungsausschuss einsetzen, dann machen wir es richtig. Sie können sich auf eine intensive Zusammenarbeit mit uns freuen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Schuster. – Nach Frau Mihalic und Herrn Schuster kommt jetzt mit Frank Tempel für die Linke der dritte ehemalige Polizeibeamte, und es kommen noch weitere. Das ist sicherlich eine wichtige Information für die Gäste. Frank Tempel für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ebenso wie die Grünen fordert die Linke einen Untersuchungsausschuss zur Klärung von Fragen, die sich in den Bereichen des Innenministeriums, des Parlaments und des Bundeskriminalamts rund um ein mögliches Strafverfahren gegen den ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy ergeben haben. Auch als Nachhilfe für Herrn Schuster finde ich es wichtig, noch einmal klarzustellen, worum es grundsätzlich geht. Eines der wichtigsten Prinzipien in unserem Rechtsstaat ist das Prinzip der Gewaltenteilung. Exekutive, Legislative und Judikative wurden ganz klare Aufgaben zugeteilt. Ich bin ein strenger Verfechter der Aufgabentrennung. Das heißt, ob ein Herr Edathy oder ein ehemaliger Minister Friedrich strafrechtlich verurteilt werden müssen, ist Sache der Gerichte und nicht unsere Sache. Es geht in dem vorliegenden Antrag nicht um Herrn Edathy oder Herrn Friedrich – es handelt sich nicht um einen Edathy-Untersuchungsausschuss –, sondern um bestimmte Aufgaben. Es ist die Aufgabe der Legislative, also die von uns Parlamentariern, die Exekutive, zum Beispiel das Bundeskriminalamt, zu kontrollieren. Diese Kontrolle ist eine Pflicht und hat ganz sicher nichts mit Misstrauen oder Vertrauen zu tun. Es ist vielmehr eine Pflichtaufgabe des Parlaments, die Exekutive zu kontrollieren; das wissen Sie. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn bei uns selbst oder in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass es Fehler in der Exekutive gab, haben wir die Pflicht, diesen Fehlern nachzugehen, ganz gleich, ob es um menschliche Fehler ging oder um strukturelle Fehler. Wenn also konkret der Eindruck entstanden ist, dass im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen einen namhaften Politiker oder -gegen einen höheren BKA-Beamten etwas falsch lief, besteht ein hohes öffentliches Interesse an der Aufklärung. Transparenz ist wichtig, damit der Bürger Vertrauen in staatliche Institutionen hat. Deswegen haben wir, wie gesagt, in bereits vier Innenausschusssitzungen versucht, den wichtigsten Fragen nachzugehen, (Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: Das haben wir auch geschafft!) zum Beispiel: Warum informiert ein Innenminister -Unbefugte über staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, obwohl er das nach der Regelung über Geheimnisverrat eben nicht darf? Welchen Weg haben diese Informationen durch die SPD-Reihen genommen? Ist Herr Edathy nun vorher informiert worden oder nicht? Das sind -Fragen, die in der Öffentlichkeit stehen. Man braucht bloß die Zeitungen aufzuschlagen. Da wird das gefragt. Ich unterstelle der SPD das nicht, aber diese Frage steht in der Öffentlichkeit, und wir haben die Aufgabe, dem nachzugehen. Dafür bekommen wir sehr hohe Diäten, und wir sollten uns ein bisschen anstrengen. (Beifall bei der LINKEN) Es wurden aber in diesen Sitzungen immer neue Fragen aufgeworfen, wesentlich mehr neue Fragen, als wir Antworten bekommen haben. Wir haben einen BKA-Chef erlebt, der sich permanent von Anfang an in eine Verteidigungshaltung begeben hat und beispielsweise auf die Frage des Ausschussvorsitzenden in der dritten und vierten Sitzung – bei einem völlig neuen Fakt –, -warum er das nicht schon in der ersten Sitzung gesagt habe, geantwortet hat: weil er das nicht gefragt worden sei. Aktive und transparente Mitarbeit sieht völlig anders aus. Ich als Kriminalist kenne das Verhalten von Beschuldigten, die immer nur das zugeben, was gerade sowieso offensichtlich ist. (Zuruf des Abg. Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]) – Hören Sie doch einfach zu! – Der BKA-Chef ist eben nicht als Beschuldigter in den Innenausschuss eingeladen worden, sondern als Behördenleiter. Darauf ist er mehrfach, von Dr. Notz zum Beispiel, hingewiesen worden. Er hat es aber nie verstanden. Er hat sich immer in der Verteidigerposition gesehen, und Sie haben sich in jeder Innenausschusssitzung als sein Anwalt aufgespielt. Das ist der Unterschied zum Aufklärungswillen, und das hat die Kollegin von den Grünen angesprochen. Der Untersuchungsausschuss soll Fehler aufzeigen, menschliche und strukturelle, und er soll aufzeigen, -welche Lösungsansätze wir haben, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden. Wenn alles richtig war, Herr Schuster, dann kann der Untersuchungsausschuss auch zu diesem Schluss kommen. Das haben wir nie in -Abrede gestellt. Wir wollen fair und transparent zur Aufklärung beitragen. Auch dass alles richtig war, ist letztendlich möglich. Wenn dem so ist, muss auch das geklärt werden, damit die Zweifel in der Öffentlichkeit wirklich ausgeräumt werden. Wenn Sie zu diesem Sachverhalt die Medienberichterstattung verfolgen und die Zeitung aufschlagen, dann werden Sie feststellen, dass die Fragen eben nicht beantwortet sind. Deshalb fordern auch wir den Untersuchungsausschuss. Wir werden diesen Untersuchungsausschuss sehr fair betreiben, aber uns auf die Aufgaben konzentrieren, für die wir zuständig sind. Für die Staatsanwaltschaft ist das Landesparlament zuständig, nicht wir. Auch in dieser Hinsicht sollten Sie Nachhilfeunterricht nehmen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Tempel. – Nächster -Redner in der Debatte ist Uli Grötsch, auch ehemaliger Polizeibeamter, für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Uli Grötsch (SPD): Der vierte Polizeibeamte in der Reihe. – Frau -Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass nun nach monatelanger Ankündigung gestern der Antrag der Opposition zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der Operation „Selm“ des Bundeskriminalamtes eingebracht worden ist. Wie schon mehrfach betont, ist aus unserer Sicht ein Untersuchungsausschuss in diesem Fall das falsche Mittel zur Sachverhaltsaufklärung. Wir haben uns im Innenausschuss in vier Sitzungen eingehend, ausführlich, umfassend und nach meiner Meinung in wirklich erschöpfender Art und Weise mit den relevanten Fragen beschäftigt und dafür zahlreiche Personen aus Bundes- und Landesbehörden und sogar Mitglieder der Bundesregierung angehört. Inwieweit das in dieser Art und Weise notwendig war und ob nicht einzelne Mitglieder des Innenausschusses sogar über das Ziel hinausgeschossen sind, darüber gehen die Meinungen wohl auseinander. Offenbar gehen sie auch darüber auseinander, lieber Kollege Tempel, welche Rolle der Präsident des Bundeskriminalamts bei den Befragungen im Innenausschuss gespielt hat. Wir haben ihn völlig anders wahrgenommen als Sie. Wir haben klare Antworten auf unsere Fragen bekommen. Wir haben keinen Zweifel an der Darstellung des Präsidenten des Bundeskriminalamtes. Sofern Detailfragen offengeblieben sein sollten, hätten wir sie, wie eingangs schon erwähnt, zeitnah und -erschöpfend in einer oder zwei weiteren Sitzungen des Innenausschusses klären können. Stattdessen setzt die Opposition auf das eher schwerfällige und vor allem langwierige Instrument eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Das Problem dabei ist, dass man nicht einfach auf den Erkenntnissen des Innenausschusses aufbauen kann, sondern dass wir in einem solchen Untersuchungsausschuss mit der förmlichen Beweiserhebung ganz von vorn anfangen müssen. Ob das Parlament seine Ressourcen hier effektiv und sinnvoll einsetzt, halte ich für fraglich. Wie Kollege Schuster schon angedeutet hat, halte ich es für sehr optimistisch, dass der Ausschuss in den von den Initiatoren anvisierten vier oder fünf Sitzungen seine Arbeit abschließen kann. Welches politische Ziel mit diesem Ausschuss verfolgt werden soll, bleibt für mich und wohl auch für Teile der Opposition ebenfalls nach wie vor ein Rätsel. Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wir sind keine Ermittlungsbehörde. Ich glaube nicht, dass es Aufgabe des Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder ist, staatliches Handeln permanent zu kontrollieren. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Grötsch, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder eine Zwischenbemerkung des Kollegen Tempel? Uli Grötsch (SPD): Selbstverständlich. Vizepräsidentin Claudia Roth: Bitte, Herr Tempel. Frank Tempel (DIE LINKE): Danke schön. – Wir haben im Innenausschuss regelmäßig recht aktiv Kommunikation betrieben und eine recht angenehme Zusammenarbeit gepflegt. Dabei haben wir immer wieder das Signal bekommen, dass die Regierungskoalition eher auf einen sehr straffen, sehr kurz geführten Untersuchungsausschuss setzt, wenn er schon kommen muss. Jetzt wird uns hier von beiden Regierungsfraktionen gesagt, dass eine solche kurze Dauer völlig unrealistisch ist. Sollen wir die Redebeiträge der beiden Vertreter der Regierungsfraktionen, insbesondere Ihren, also so verstehen, dass wir den Untersuchungsauftrag wesentlich gründlicher und intensiver ausüben sollen? Das können wir bei den Fragestellungen sehr gerne berücksichtigen. Kann ich Ihre Aussage so verstehen, dass die Untersuchungen noch gründlicher und intensiver, also nicht bloß in vier bis sechs Sitzungen, erfolgen sollen? Das nähmen wir gerne auf. Ich möchte das mit Blick auf das Protokoll hier bloß klargestellt wissen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE]) Uli Grötsch (SPD): Herr Kollege, ich habe gerade schon darauf hingewiesen, dass ich in Zweifel ziehe, dass die Ressourcen des Parlaments und seiner Mitglieder in diesem Untersuchungsausschuss sinnvoll angelegt sind. Genauso wie Herr Schuster glaube ich, dass sich im Zuge der Sitzungen des Untersuchungsausschusses noch viele offene Fragen ergeben werden und dass dieser Untersuchungsausschuss eine ganz eigene Dynamik entwickeln kann. Ganz ohne Frage ist auch uns daran gelegen, dass wir die Untersuchungsausschusssitzungen kurz, möglichst schmerzlos und sehr effektiv gestalten. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich im Zuge der Tätigkeit des Ausschusses noch Fragen ergeben, die in diesem Ausschuss geklärt werden müssen. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ist ja gut, dass wir es machen!) – Ja, das ist absolut in unserem Interesse; keine Angst. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Komisch, dass Sie sagen, dass alles klar ist!) Wie gesagt, welches politische Ziel mit diesem Ausschuss verfolgt werden soll, erschließt sich uns zunächst nicht. Gerade wurde schon darauf hingewiesen, dass man durchaus die Frage stellen darf, ob die Ressourcen beim Bundeskriminalamt richtig eingesetzt sind. Ich glaube schon, dass das so ist; daran habe ich überhaupt keinen Zweifel. Eine Frage, die man in diesem Zusammenhang aber auch stellen darf, ist, ob dort genug Personal vorhanden ist oder ob manches nicht schlichtweg daran scheitert, dass dort einfach zu wenig Personal vorhanden ist, um bestimmte Fälle schneller zu bearbeiten, als dies im Fall der Operation „Selm“ geschehen ist. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit Monaten fragen wir das!) Sie, die Oppositionsfraktionen, haben lange über der Formulierung des Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gebrütet. Gebracht hat es offenbar nicht viel. Wir debattieren heute einen Antrag, der – der Kollege von der Union hat schon darauf hingewiesen – einige handwerkliche Schwächen hat. Das sind keine Lappalien; denn die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Antrages liegt in der Gesamtverantwortung des Parlaments. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie dagegen!) Aber, wie ebenfalls schon erwähnt, die handwerklichen Fehler können behoben werden, wenn die Opposition bereit ist, in einigen Punkten nachzubessern. Daran haben wir keinen Zweifel. Deshalb beantragen wir heute die Überweisung dieses Antrags in den Geschäfts-ordnungsausschuss. Lassen Sie mich ein paar Aspekte benennen, die mir besonders wichtig sind: Bereits die von der Opposition beantragte Größe des Ausschusses von sechs Mitgliedern lässt sich kaum mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Spiegelbildlichkeit der Ausschussgröße vereinbaren. Die Opposition würde bei dieser Ausschussgröße ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses stellen, obwohl sie im Plenum nur über etwa ein Viertel der Sitze verfügt. Das geht unserer Meinung nach so nicht. Darüber hinaus ist insbesondere der Teil des Untersuchungsauftrags problematisch, mit dem ein Disziplinar- und Strafverfahren gegen einen einzelnen BKA-Beamten zum zentralen Untersuchungsgegenstand werden soll. Ich habe große Zweifel, ob hier überhaupt ein besonderes öffentliches Interesse an der Aufklärung dieses bereits abgeschlossenen Einzelfalls besteht. Aber entscheidend ist ein grundsätzlicher Gedanke: Wollen wir uns als Parlament wirklich zum Oberkontrolleur einzelner disziplinarischer oder strafrechtlicher -Entscheidungen aufschwingen? Es dürfte auch für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbar sein, warum hier eine öffentliche parlamentarische Befassung in einem Untersuchungsausschuss erforderlich ist. Hier steht zudem ein möglicher Eingriff in den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter im Raum, wenn die richterliche Entscheidung zum Strafbefehl gegen einen Beamten Gegenstand der Untersuchung werden soll. Meine Bauchschmerzen nehmen noch mehr zu, wenn ich an die Persönlichkeitsrechte des schon genannten Beamten denke. Wir vermissen eine besondere Rechtfertigung dafür, warum wir einen einzelnen Beamten einer solch intensiven parlamentarischen Kontrolle und medialen Aufmerksamkeit unterwerfen wollen. Es war ja eine private Verfehlung und keine dienstliche Verfehlung, und der Beamte war kein Staatssekretär oder Minister, (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es spannend!) sondern ein Beamter einer Bundesbehörde. Wollen wir wirklich die privaten Verfehlungen eines einzelnen -Beamten zum öffentlichen Spektakel machen, liebe Kolleginnen und Kollegen? (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt ein Beamter?) Wohin soll ein solches Vorgehen führen? Wenn überhaupt, dann müssen wir diesen Untersuchungsabschnitt klar begrenzen auf die mögliche Beteiligung der politischen Leitungsebene beim Umgang mit diesem Vorgang. Weiterhin beinhaltet der Antragstext eine Vielzahl von Behauptungen und Wertungen, wie schon erwähnt wurde, obwohl erst untersucht werden soll, ob das -wirklich so war, wie Sie das in Ihrem Antrag darstellen. Einige der Formulierungen verstoßen eindeutig gegen das sogenannte Antizipationsverbot. Auch diese Probleme müssen im Geschäftsordnungsausschuss erst noch geklärt werden. Schließlich lässt mich der Antragstext mit zu vielen Fragen zurück, weil er an vielen Stellen einfach unbestimmt und unklar ist. Ein Untersuchungsauftrag muss schon aus rechtsstaatlichen Gründen inhaltlich bestimmt sein. Er darf nicht von vornherein Fragen über den -Umfang des Untersuchungsgegenstandes aufwerfen. Ich hoffe, dass wir diese Fragen im Geschäftsordnungsausschuss sachorientiert und zügig klären können, sodass einer baldigen Einsetzung des Untersuchungsausschusses dann nichts mehr im Weg steht. Auch wenn wir diesen Untersuchungsausschuss für das falsche Instrument halten, so soll er doch auf der Basis eines rechtssicheren Einsetzungsbeschlusses seine Arbeit aufnehmen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön, Herr Kollege. – Nächster Redner in dieser Debatte: Dr. Stephan Harbarth für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Grundgesetz sieht nicht vor, dass 127 Abgeordnete des Deutschen Bundestags einen Untersuchungsausschuss einrichten können. Diese Möglichkeit besteht, weil die Regierungskoalition aus CDU/CSU und Sozialdemokraten die institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen hat. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonst hätten wir geklagt, Herr Kollege!) Da muss ich Ihnen schon sehr klar sagen: Wenn Sie von den Grünen sich heute hier so aufführen (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonst hätten wir geklagt!) und erklären, es sei eine Regierungskoalition, die – Zitat – Obstruktion statt Aufklärung betreibe, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) wenn Sie hier erklären – Zitat –, Sie hätten Zweifel an unserem Parlamentsverständnis, dann stellt das die Dinge auf den Kopf. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich habe Verständnis dafür, dass man, wenn man als zwei Fraktionen 16 Prozent der Bevölkerung hinter sich weiß, versucht, hier einen starken Auftritt zu machen. Aber nach dem, was wir Ihnen an Minderheitenrechten eingeräumt haben, ist es ungehörig, (Widerspruch des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) uns ein eingeschränktes Parlamentsverständnis vorzuwerfen. Das gehört sich nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wären dafür nach Karlsruhe gegangen! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe auch mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass es Ihnen darum geht, das Vertrauen in polizeiliche Strukturen wiederherzustellen. Das Vertrauen in polizeiliche Strukturen herzustellen, war nicht immer Kernprogrammatik grüner Politik. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe das deshalb mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, und wir werden Sie daran messen. Wir werden schauen, ob es Ihnen tatsächlich um Aufklärung geht oder ob es Ihnen darum geht, Polizisten zu diffamieren und zu diskreditieren. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Unterstellung! Unglaublich!) Für Letzteres stehen wir mit Sicherheit nicht zur Verfügung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir sind der festen Überzeugung, dass der Untersuchungsgegenstand grundsätzlich zulässig ist. Es gibt aber in der konkreten Ausgestaltung eine Reihe von Punkten, bei denen wir Diskussionsbedarf im Geschäftsordnungsausschuss sehen. Das gilt zunächst für die Frage – das ist vorhin angeklungen –, wie groß eigentlich der Untersuchungsausschuss sein soll. In der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist geregelt, dass 8 oder 16 Mitglieder möglich sind. Für einen Untersuchungsausschuss aus 6 Mitgliedern stehen wir nicht zur Verfügung, auch deshalb nicht, weil es nicht sein kann, dass zwei Fraktionen mit 127 Abgeordneten in diesem Untersuchungsausschuss genauso viele Mitglieder stellen wie eine Fraktion mit 311 Abgeordneten. Das spiegelt die parlamentarische Zusammensetzung nicht wider. Deshalb werden wir das so auch nicht mitmachen. Wir haben noch eine Reihe von Zweifeln hinsichtlich der Bestimmtheit einzelner Punkte des Untersuchungsauftrags. Wir haben an einigen Stellen noch Zweifel, ob die Grundrechte betroffener Personen hinreichend gewahrt sind. Wir werden aber nach meiner Überzeugung das alles im Geschäftsordnungsausschuss einer vernünftigen Lösung zuführen können. Das gilt auch für die Frage, wie wir diesen Untersuchungsausschuss im Spannungsverhältnis von Parlament und Rechtsprechung ausgestalten. Die Vorgänge, um die es hier geht, sind zugleich Gegenstand staatsanwaltschaftlicher, möglicherweise auch gerichtlicher und -disziplinarischer Untersuchungen. Dieses schwierige Spannungsverhältnis, das sich hier zwischen verschiedenen Staatsgewalten auftut, werden wir im Einzelnen noch auszutarieren haben. Ich sage Ihnen klar: Sie können diesen Untersuchungsausschuss haben. Wir werden allerdings sicherstellen, dass sich der Untersuchungsausschuss des Themas dann in der ganzen Breite annimmt. Wenn Sie glauben, Vorgänge auf Länderebene, wie die im rot-grün regierten Niedersachsen, hier ausklammern zu können, indem Sie sie in Ihrem Untersuchungsauftrag bestenfalls ganz marginal ansprechen, dann werden Sie erleben, dass das mit uns nicht geht. Wenn wir uns die Dinge anschauen, dann werden wir sie uns gesamthaft anschauen, dann werden wir uns auch die Dinge im rot-grün regierten Niedersachsen anschauen und fragen: Was ist dort auf Verwaltungsebene möglicherweise schiefgelaufen? Was ist dort auf Regierungsebene möglicherweise schiefgelaufen? Dass man einen Teil skandalisiert und versucht, über den anderen Teil den Mantel des Schweigens zu legen, wird mit uns nicht funktionieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich kann Ihnen schon jetzt sagen: Die Menschen haben an diesem Untersuchungsgegenstand vielleicht ein Interesse. Aber in einem bin ich mir ganz sicher: Die Menschen haben ein viel größeres Interesse daran, das dahinterliegende Sachproblem zu lösen, nämlich den Umgang mit Kinderpornografie. Ich wünsche mir auch von den Fraktionen der Antragsteller, dass sie dann, wenn es darum geht, in diesem Haus taugliche Instrumente zu entwickeln, die gleiche Begeisterung und den gleichen Einsatz zeigen, den sie hier im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand erkennen lassen. Damit ist diesem Land möglicherweise noch mehr gedient als allein mit diesem Untersuchungsausschuss. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz schlechtes Ende!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Ich glaube, dass das ganze Haus Interesse an der Verfolgung von Kinderpornografie hat. Daran braucht man, glaube ich, keine Zweifel zu -hegen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/1475 an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen. Das wird eine lebendige Auseinandersetzung im Ausschuss. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 18 auf: Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a GO-BT Technikfolgenabschätzung (TA) Postdienste und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien Drucksache 18/582 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss Digitale Agenda Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sollen die Reden zu Protokoll gehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Schutz von Kindern vor Schadstoffen in Spielzeugen wirksam durchsetzen Drucksache 18/1367 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Federführung strittig Auch hier sollen nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Reden der Kolleginnen und Kollegen zu Protokoll gegeben werden. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/1367 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist allerdings strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen die Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Die Fraktion Die Linke wünscht die Federführung beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Die Linke, Federführung beim Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung von der Linken und vom Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion abgelehnt. Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Überweisungsvorschlag ist angenommen. CDU/CSU und die SPD haben dafür gestimmt, Bündnis 90/Die Grünen hat dagegen gestimmt. Die Linke hat sich enthalten. Damit ist der Ausschuss für Wirtschaft und Energie federführend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich teile Ihnen mit, dass sich die Fraktionen verständigt haben, den Tagesordnungspunkt 13 – es handelt sich hierbei um die Beratung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Mehr Anerkennung für Peacekeeper in internationalen Friedenseinsätzen“ – von der Tagesordnung abzusetzen. Sind Sie mit dieser Vereinbarung einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Einsetzung einer Unabhängigen Kommission zur sprachlichen Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen, insbesondere von Gesinnungsmerkmalen Drucksache 18/865 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Innenausschuss Ausschuss für Kultur und Medien Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort Halina Wawzyniak von der Linken. (Beifall bei der LINKEN) Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren den Antrag der Linken auf Einsetzung einer Unabhängigen Kommission zur sprachlichen Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen, insbesondere von Gesinnungsmerkmalen. Unseren Antrag verstehen wir als Ergänzung und – aufgepasst! – damit als Unterstützung des Vorhabens des Bundesministers für Justiz und Verbraucherschutz, eine Expertenrunde zur Vorbereitung der Strafrechtsreform der Paragrafen zu Mord und Totschlag einzurichten. Wir finden es ausgesprochen richtig und gut, dass der Bundesminister hier die Initiative der schleswig-holsteinischen Ministerin für Justiz, Kultur und Europa aufgegriffen hat. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der SPD: Das finden wir auch gut!) – Richtig, da kann auch die SPD klatschen. Aus der Antwort auf mehrere schriftliche Anfragen wissen wir, dass die Expertengruppe noch vor der Sommerpause ihre Arbeit aufnehmen soll und gesetzgeberische Schritte noch in dieser Legislaturperiode ergriffen werden sollen. (Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Ist doch schon eingesetzt!) Auch das finden wir richtig und auch begrüßenswert. (Beifall bei der LINKEN) Wir wissen auch, dass in der Expertenrunde Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Praxis der Fachdisziplinen ausgewählt wurden, die bei der komplexen Regelungsmaterie berücksichtigt werden sollen. Wir wissen ebenfalls, dass diese Expertinnen und Experten aus der Rechtswissenschaft und der Rechtsanwendung – und hier insbesondere aus der Kriminologie und Forensik – kommen sollen. Wir wissen aber nicht, ob Historikerinnen und Historiker mitarbeiten und ob die Mitarbeit der Länder gesichert ist. Wir sehen in unserem Antrag explizit vor, dass auch Historikerinnen und Historiker an der Kommission beteiligt werden sollen. Vielleicht können Sie sich auch noch für diese Idee erwärmen. Worin liegt eigentlich das Problem? Das Problem liegt darin, dass insbesondere die Mordmerkmale „niedrige Beweggründe“, aber auch „Heimtücke“ Gesinnungsmerkmale sind, die aus der NS-Zeit stammen und seitdem so im Strafgesetzbuch stehen. Die geltende Fassung des Mordparagrafen geht auf das Jahr 1941 zurück. Nicht nur Heimtücke und niedrige Beweggründe stellen das in Deutschland geltende Tatstrafrecht infrage. Es handelt sich mindestens bei ihnen um Tatbestandsformulierungen, die tätertypische Verhaltensweisen unter Strafe stellen und nicht die Tatbegehung an sich. Es handelt sich um mit Wertungen versehene Tatbestandsmerkmale. Das sorgt dafür, dass die sittlich-moralische Wertung von Richterinnen und Richtern zur Grundlage einer Verurteilung gemacht wird. Solche Gesinnungsmerkmale, wie wir sie nicht nur bei Mord finden, werfen auch prozessuale Probleme auf. Ich verweise auf das Recht zu schweigen nach § 136 StPO. Das alles ist in der juristischen Wissenschaft seit langem weitgehend unumstritten. Für eine Reformierung der Straftatbestände Mord und Totschlag ist es höchste Zeit. Wir glauben aber, dass, wenn schon eine solche Expertenrunde eingerichtet wird, nicht bei Mord und Totschlag stehen geblieben werden sollte. Auch in anderen Straftatbeständen finden sich Gesinnungsmerkmale. Ich weise auf die Verwerflichkeitsklausel bei der Nötigung hin: Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Auch hier entscheidet die sittlich-moralische Wertung von Richterinnen und Richtern über die Strafbarkeit. Gesinnungsmerkmale finden wir aber auch beim Straftatbestand der „Misshandlung Schutzbefohlener“ mit den Merkmalen „roh“ und „böswillig“ oder bei der schweren Körperverletzung mit dem Merkmal „hinterlistig“. Wir sind der Überzeugung: Wenn eine Expertenkommission eingerichtet wird, sollte sie sich auch dieser Straftatbestände annehmen. Ich weiß, der härteste Brocken ist die Frage von Mord und Totschlag, auch weil es Folgefragen gibt, wie zum Beispiel die Frage nach der lebenslangen Freiheitsstrafe. Wir wünschen der Expertengruppe viel Erfolg und bitten Sie dennoch, zu überlegen, ob man die Expertengruppe so, wie wir es vorgeschlagen haben, erweitern kann. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist Ansgar Heveling. (Beifall bei der CDU/CSU) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Uhrzeit, zu der wir heute den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Einsetzung einer Unabhängigen Kommission zur sprachlichen Bereinigung des Strafrechts von NS-Normen, insbesondere von Gesinnungsmerkmalen“ beraten, ist geradezu sinnfällig. Es ist gleichsam eine Mondscheindebatte. Zuallererst ist sie das, weil der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gerade in dieser Woche eine eigenständige Kommission eingesetzt hat, die sich für ihn mit der Frage der Notwendigkeit einer Überarbeitung der Tötungsdelikte im Strafrecht befassen soll. Bei der Einsetzung dieser Kommission hat Bundesminister Maas dezidiert darauf abgestellt, dass die Regelung von Mord und Totschlag zur Zeit des Nationalsozialismus Eingang in das Strafgesetzbuch gefunden hat. Diese Regelung soll besonders im Fokus der Arbeit der Kommission stehen. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!) Mithin haben wir eine Kommission, die, so hat es Bundesjustizminister Maas gegenüber der Presse artikuliert, die Aufgabe haben soll, eine fundierte Grundlage für die parlamentarische Diskussion zu schaffen. Einer weiteren Kommission bedarf es also nicht; einer Ergänzung ebenso wenig. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Doch! Genau das!) Das Ansinnen der Fraktion Die Linke ist damit in der Sache ziemlich überflüssig; (Beifall bei der CDU/CSU) es sei denn, es geht den Linken einzig und allein darum, die Unabhängigkeit der von Bundesminister Maas eingesetzten Kommission infrage stellen zu wollen. Wenn die Linke von Unabhängigkeit spricht, scheint immer Vorsicht geboten zu sein; denn meistens geht es dann geradezu um unverhohlene Lenkung an demokratisch legitimierten Institutionen vorbei. Aber vermutlich ist das jene Form von Dialektik, die ich niemals verstehen werde. Auch das lässt sich der Maas-Kommission nicht ernsthaft unterstellen. So sind beispielsweise Wissenschaftler und Vertreter der Richterschaft Mitglieder der Kommission. Es sind mithin Persönlichkeiten, deren Arbeit sogar grundgesetzlich als frei und unabhängig geschützt ist. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von was sind die eigentlich unabhängig?) In der Sache, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, macht der vorliegende Antrag damit auf ganzer Linie keinen Sinn, zumal es nur Camouflage ist, wenn darin von „sprachlicher Bereinigung“ gesprochen wird. Darum geht es – das zeigt schon der Rest des Antragstitels – überhaupt nicht. Denn es geht bei dem Antrag natürlich um die inhaltliche Veränderung von Strafrechtsnormen und nicht nur um semantische Bereinigungen. Darüber aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, müssen wir sehr viel breiter diskutieren, als wir das heute Abend nach 22 Uhr tun können. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Erkenntnisse der jetzt vom Bundesjustizminister eingesetzten Kommission können dafür sicherlich eine gute Grundlage sein. Wir müssen uns aber gleichzeitig auch die Frage stellen, ob eine Reform des Strafgesetzbuches und insbesondere des Bereichs der Tötungsdelikte wirklich so vordringlich ist. Zunächst einmal ist es sicherlich richtig, dass eine Reihe von Merkmalen des § 211 StGB ihre Grundlage in einer Strafrechtslehre haben, die nicht unserem heutigen Strafrechtsverständnis des Tatstrafrechts entspricht. Zutreffend ist auch, dass die heutige Fassung der §§ 211 und 212 im Wesentlichen auf einem Gesetz aus dem Jahr 1941 beruht, sodass es sich in zeitlicher Hinsicht tatsächlich um eine Vorschrift aus der Zeit des Nationalsozialismus handelt. Die zugrundeliegende Strafrechtslehre ist indessen viel älter und in Europa andernorts durchaus sogar bis heute verbreitet. Die Konzeption der Mordmerkmale beruht auf Überlegungen des Schweizer Rechtswissenschaftlers Carl Stooss, und die Merkmale stammen im Wesentlichen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Bis heute begegnen sie einem im Übrigen im französischen Code pénal. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie wissen, dass das widerlegt ist!) Das, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, zeigt jedenfalls, dass das Ziel einer Bereinigung von Formulierungen aus der NS-Zeit als Begründung für eine Reform allein wohl nicht ausreichen kann. Es stellt sich aber im Weiteren auch die Frage, ob eine Änderung der Strafvorschriften wirklich erforderlich ist. Denn bei aller rechtswissenschaftlichen Diskussion im Einzelnen müssen wir auch feststellen, dass die Rechtsprechung unter der Geltung des Grundgesetzes zu ausgewogenen Ergebnissen kommt und die Gerichte für sämtliche Rechtsprobleme akzeptable Lösungen erarbeitet haben. (Beifall bei der CDU/CSU) So ist beispielsweise bei Mordfällen, in denen das Täterverschulden so viel geringer ist, dass die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens missachten würde, anerkannt, dass von lebenslanger Freiheitsstrafe abgesehen und auf eine zeitige Freiheitsstrafe erkannt werden kann; das ist die sogenannte Rechtsfolgenlösung. Das heißt, der Einzelfallgerechtigkeit wird Genüge getan. Jede in Erwägung zu ziehende Reform wird sich also daran messen lassen müssen, ob sie bessere Ergebnisse liefern kann als die heutige Praxis der Rechtsprechung. (Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: So ist es!) Für uns als CDU/CSU ist bei jedweder Überlegung klar, dass ein Festhalten an der lebenslangen Freiheitsstrafe und der Unverjährbarkeit von Mord auf jeden Fall essenziell ist. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte ist Hans-Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gute Nacht, Frau Präsidentin! (Heiterkeit) Wir sind wirklich spät dran, und zwar in jeder Hinsicht; denn fast 70 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus ist es eigentlich an der Zeit, das Strafgesetzbuch daraufhin zu überprüfen, wo es noch Überbleibsel aus der NS-Zeit gibt und warum. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Dafür gibt es sicherlich viele Gründe. Dabei geht es nicht nur um den Mordparagrafen, (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Richtig!) sondern da gibt es noch ein paar andere. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Beim Straftatbestand der Nötigung hat sich die Rechtsprechung jahrzehntelang darum gekümmert, wie man es neu definieren, wie man den Begriff „verwerflich“ auslegen kann. Sie kam dabei eigentlich immer wieder zu sehr seltsamen Ergebnissen. Das hat vielleicht auch den Grund, dass § 240 Absatz 2 StGB ursprünglich bei den Nazis die Formulierung „das gesunde Volksempfinden“ enthielt; anstatt „verwerflich“ stand da „das gesunde Volksempfinden“. Wissen Sie, wann das geändert worden ist? 1953. Da gab es die Bundesrepublik Deutschland schon seit vier Jahren, und da hat man dazu gefunden, das zu ändern. Ich verhehle nicht, dass ich mich angesichts der Debatte, die wir nicht nur heute Abend führen und die vom neuen Justizminister in Gang gesetzt worden ist – damit beschäftigen sich jetzt schon der Strafverteidigertag und der Deutsche Anwaltverein auf seiner Tagung; all das ist gut und richtig –, schon frage: Warum hat das so lange gedauert? Ich sehe die Schuld auch bei mir. Seit über 45 Jahren bin ich mit diesem Strafgesetzbuch in der Hand als -Anwalt tätig und bin bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese Diskussion aufkam, nie auf die Idee gekommen – das muss ich gestehen –, wenn wir uns mit dem Mordparagrafen herumgeärgert haben, zu überlegen, woher beispielsweise der Begriff „Heimtücke“ kommt oder wann er eingeführt worden ist. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wir wollen Sie auch nicht überfordern!) Es wurde nie die Initiative ergriffen – leider auch nicht unter Rot-Grün –, das zu ändern. Ganze Generationen von Juristen sind damit groß geworden. Sie alle haben gewusst, woher das alles kommt, aber sie haben es nie geändert. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir die Änderung angehen. Wir unterstützen sowohl den Justizminister als auch die Initiative von den Linken, die fordert, nicht nur den Mordparagrafen zu ändern, sondern auch das ganze Strafgesetzbuch zu überprüfen und die entsprechenden Änderungen herbeizuführen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich finde, das ist nicht nur eine Sache für eine Expertenkommission. Das ist mir viel zu wenig. Letztlich ist es die Aufgabe dieses Deutschen Bundestages. Natürlich sollten wir uns beraten und gute Vorschläge vorlegen lassen. Vor allen Dingen müssen wir uns überlegen, welche Konsequenzen das nach sich zieht. Wir müssen uns fragen: Was hat es zur Folge, wenn wir dieses oder jenes ändern? Wer wird in Zukunft bestraft? Derjenige, der derzeit nicht bestraft wird? Und wer wird in Zukunft nicht bestraft? Derjenige, der derzeit vielleicht bestraft wird? Das alles muss man berücksichtigen. Wir brauchen viel Sachverstand. Wir brauchen Richter, auch Richter vom Bundesgerichtshof, die sich nicht nur mit § 240 – Nötigung –, sondern auch mit § 211 viele Jahrzehnte herumgeärgert haben und in einer sehr freien, fast verfassungswidrigen Auslegung ganz neue Tatbestände für den § 211 geschaffen haben. Wir müssen uns beraten lassen, damit vernünftige Änderungen auf den Weg gebracht werden können. Wir arbeiten gerne mit. Bei uns in der Fraktion hat die Diskussion angefangen. Wir haben auch schon erste eigene Vorschläge. Ich bin gespannt, wann die Vorschläge nicht nur vom Justizministerium, sondern auch von den anderen Fraktionen kommen. Lassen Sie uns die Änderungen dann im Konsens vollenden. So kommen wir zu einem vernünftigen Ergebnis. Der Maßstab jetzt sollte sein, die Tatbestandsmerkmale objektiv zu formulieren, also ohne die Gesinnung in den Tatbestand einfließen zu lassen. Natürlich ist die Gesinnung bei der Schuldzumessung für die Tat im -subjektiven Teil von erheblicher Bedeutung, aber in den objektiven Tatbestand gehört sie nicht hinein. Lassen Sie uns neue Ansätze finden; wir sind gerne dabei. Wir übernehmen auch den Vorschlag, dass sich die Bereinigung nicht nur auf § 211 – Mord – konzentrieren sollte. Es lohnt sich, über dieses Thema zu dieser späten Abendstunde zu diskutieren. Ein bisschen haben wir dazu beigetragen, dass das Thema angegangen wird. Wir arbeiten hoffentlich gemeinsam daran weiter und können vielleicht noch in diesem Jahr, zumindest in dieser -Legislaturperiode, die dringend notwendige Änderung beschließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Christian Ströbele. – Nächster Redner in der Debatte Dirk Wiese für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dirk Wiese (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufarbeitung der NS-Zeit in Justiz und Justiz-verwaltung ist der Bundesregierung und allen Parteien hier im Plenum ein großes Anliegen. Sie ist viel zu lange liegen geblieben, und es erfüllt uns heute mit Scham, dass NS-Juristen nach 1945 weiter richten, lehren oder gar Gesetzestexte verfassen durften. Zur Aufklärung und Aufarbeitung dieser Vergangenheit hat die Bundesregierung deshalb in der letzten Wahlperiode eine unabhängige wissenschaftliche Kommission beim Bundesministerium der Justiz eingesetzt, die unsere volle Unterstützung hat. Gegenstand der Untersuchung des Rosenburg-Projektes ist vor allem der Umgang des BMJ mit der NS-Vergangenheit in den 50er- und 60er-Jahren. Dem Namen „Rosenburg-Projekt“ liegt der damalige Amtssitz des Ministeriums auf der Bonner Rosenburg zugrunde. Als Vorbild dieser Aufarbeitung dienen die Untersuchungen der NS-Geschichte des Auswärtigen Amtes. Bundesminister Heiko Maas hat an diesem Dienstag eine weitere wichtige unabhängige Kommission eingesetzt, die das Ziel hat, die Tötungsdelikte im Strafgesetzbuch zu reformieren. Diese Reform ist aus meiner Sicht längst überfällig. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie wurde bereits seit vielen Jahren angemahnt. Wir brauchen aus meiner Sicht eine breite Diskussion darüber. Grund für den Reformbedarf sind historische wie auch praktische Gründe bei der Anwendung der -Tötungsdelikte, die ich kurz erläutern möchte. Mord und Totschlag entsprechen so, wie sie in den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuchs definiert sind, nicht der grund-legenden Systematik des StGB; denn diese Delikte sind täterbezogen und nicht tatbezogen. Konkret heißt das, dass der geltende Mordparagraf nicht beschreibt, wann eine Tat ein Mord ist, sondern er beschreibt durch die Formulierung einen Menschentypus, der aufgrund von moralisch aufgeladenen Gesinnungsmerkmalen wie dem der niedrigen Beweggründe oder dem der Heimtücke ein Mörder ist. Diese täterbezogene Systematik entspringt dem Gedankengut der Nationalsozialisten. So verwundert es auch nicht, dass einer der furchtbarsten NS-Juristen -jener Zeit, Roland Freisler, berüchtigt als Präsident des sogenannten Volksgerichtshofs, in seiner davorliegenden Zeit als Staatssekretär im Reichsjustizministerium an der Gesetzgebung maßgeblich beteiligt war. Seiner Feder entstammt die Struktur des § 211 StGB mit der einleitenden Formulierung: „Mörder ist …“, sowie das Tat-bestandsmerkmal der niedrigen Beweggründe. Nach Vorstellung der Nationalsozialisten hatte die Strafe – damals Tod durch Erhängen statt der heutigen lebenslangen Freiheitsstrafe – auch den Zweck – ich zitiere –, „durch Ausmerzung ungeeigneter Elemente die rassenmäßige Zusammensetzung des Volkes zu ändern“ – Zitate Ende. Nach der Auffassung von Freisler und der Nationalsozialisten war die Aufgabe des Richters im Verfahren, nur noch zu bestimmen, welcher Tätertyp „den Strang verdient“. Das verdeutlicht: Hier zeigt sich die Willkür, die den damaligen Gerichtsverfahren anhaftete, ja die damals geradezu gewollt war. Neben diesen rechtshistorischen und systematischen Gründen gibt es aber auch eine Vielzahl von Problemen in der Anwendung der Tötungsdelikte. Lassen Sie mich dies vielleicht an zwei Beispielen verdeutlichen, die in der Praxis aus meiner Sicht sehr viele Probleme bereiten: Erstens, das sogenannte Haustyrannendilemma. Ein Ehemann, der seine Frau regelmäßig verprügelt und eines Tages sogar totschlägt, kommt bisher womöglich mit Totschlag davon, also mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe, wenn er bei Begehung der Tat kein Mordmerkmal verwirklicht hat. Die Ehefrau, die jahrelang unter der ehelichen Gewalt gelitten hat und eines Tages die ständige Prügelei und die Demütigungen durch ihren Mann nicht mehr aushält und ihn im Schlaf umbringt, bekommt automatisch lebenslänglich, da die Tötung eines Schlafenden als heimtückisch gilt und damit immer als Mord geahndet werden muss. Dass die körperlich unterlegene Ehefrau gegen den viel stärkeren Ehemann vielleicht keine andere Chance hatte, als ihn im Schlaf zu töten, dass Heimtücke also die einzige Möglichkeit der schwächeren Person sein kann, bleibt in diesem Sinne juristisch völlig unberücksichtigt. Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, hat ein Landgericht – das war eine mutige Entscheidung – in genau einem solchen Fall die Strafe der Frau wegen außergewöhnlicher Umstände gemildert. Das entspricht zwar dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden, ist aber ein Milderungsgrund, der so nirgendwo im Gesetz zu finden ist und nur auf richterlicher Rechtsfortbildung basiert. Als zweites Beispiel für praktische Probleme in der Anwendung der Tötungsdelikte sei hier der Fall genannt, dass ein Mann seine Ehefrau tötet, weil sie ihn verlassen hat, und sich nun die rechtliche Frage stellt, ob das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in diesem Fall erfüllt ist oder vielleicht nicht. Die Rechtsprechung differenziert hier danach, ob aus Verzweiflung oder Wut getötet wurde, und hält die Wut im Gegensatz zur reinen Verzweiflung für einen niederen Beweggrund. Unabhängig davon, ob diese Differenzierung tauglich ist, bleibt festzustellen, dass auch diese Abgrenzung so nicht dem Gesetzestext zu entnehmen ist und ebenfalls auf richterlicher Rechtsfortbildung basiert. Aber gerade bei den höchsten Rechtsgütern, die hier betroffen sind, muss das Recht in den Gesetzestexten aus meiner Sicht präzise normiert sein. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kurzum: Es ist aus meiner Sicht die Aufgabe des Gesetzgebers, die Grenzen strafbaren Verhaltens scharf zu bestimmen, und die Aufgabe der Justiz, die Gesetze -einzelfallgerecht anzuwenden. Deshalb sind wir der Auffassung, dass hier der Gesetzgeber handeln sollte, um die Konstruktionsfehler endlich zu beseitigen und Rechtsklarheit zu schaffen, damit keine juristischen Verrenkungen an der Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung mehr nötig sind, um zu Ergebnissen zu kommen, die auch dem Gerechtigkeitsbedürfnis der Allgemeinheit entsprechen. Unser Ziel ist es deshalb, die Tötungsdelikte im Strafgesetzbuch noch in dieser Legislaturperiode zu reformieren. Der Bundesminister der Justiz hat deshalb eine -Expertenkommission eingesetzt, um eine fundierte Diskussionsgrundlage für die parlamentarische Diskussion zu schaffen. Die Gruppe hat diesen Dienstag ihre Arbeit aufgenommen und besteht aus Fachleuten des Ministeriums sowie aus Praktikern und Wissenschaftlern, aber auch aus Vertretern der Polizei. Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Hause bald einen gelungenen Entwurf -beraten werden, und ich freue mich auf die fraktionsübergreifende parlamentarische Diskussion hierzu. Was den Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der Linken angeht, kann ich nur eines sagen: Wir teilen das Ziel der Bereinigung des Strafgesetzbuchs im Hinblick auf Vorschriften aus der NS-Vergangenheit; keine Frage. Nur, in der konkreten Vorgehensweise wählen wir an dieser Stelle einen anderen Weg. Denn wir wollen jetzt erst einmal die zwei bereits eingesetzten Kommissionen ihre Arbeit machen lassen. Die Neugestaltung der Tötungsdelikte muss in Ruhe angegangen werden, sie muss gut durchdacht sein. Momentan sollten diese beiden Kommissionen erst einmal ihre Arbeit machen, dann kann man möglicherweise über Weiteres nachdenken. Aber jetzt sind wir erst einmal an dem Punkt, dass diese beiden Kommissionen ihre Arbeit erledigen müssen. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg. Das hat die Einsetzung am Dienstag gezeigt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Wiese. – Letzter Redner in der Debatte Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu vorgerückter Stunde drei Gesichtspunkte der heutigen Debatte nochmals zusammenfassen. Der erste ist schon angeklungen: Justizminister Maas hat bereits eine Expertenkommission eingesetzt, die sich mit dem Reformbedarf der -Tötungsdelikte beschäftigen soll. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Der Antrag ist von März!) – Ganz kurz, Frau Wawzyniak. – Sie setzt sich aus -Strafrechtsprofessoren, aus Experten der forensischen Psychiatrie und aus Praktikern aus Justiz, Polizei und der Anwaltschaft zusammen. In einem Jahr sollen erste Ergebnisse vorliegen. Am 20. Mai, also in dieser Woche, hat die Kommission zum ersten Mal getagt. Nun hat diese Kommission natürlich vornehmlich die Tötungsdelikte im Fokus. Insoweit geht der vorliegende Antrag über diese Zielsetzung hinaus, als er auf Gesinnungsmerkmale auch in anderen Straftatbeständen ausgeweitet ist. Dennoch erachte ich diese Vorgehensweise nicht als zielführend. Denn dringender Reformbedarf wird, wie wir wissen, von Experten in erster Linie bei den Tötungsdelikten angemahnt. Nur wenn es hier gelingt, zu einem praxisgerechten und neuen Ansatz zu kommen, können wir nach diesem ersten Schritt den zweiten machen. Warum ist diese Überlegung angezeigt? Damit möchte ich zu meinem zweiten Gesichtspunkt kommen. Wenn man sich mit der Idee der Reform der Tötungs-delikte beschäftigt, stößt man schnell darauf, dass Professor Albin Eser schon 1980 auf dem Deutschen Juristentag einen Vortrag dazu gehalten und dringenden Handlungsbedarf angemahnt hat. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt!) Die Argumente, die damals vorgebracht wurden, sind dieselben wie heute. Sie wurden heute bereits dargestellt und sind uns allesamt bekannt. Die Kernfrage ist doch: Wie könnte denn überhaupt eine praxisgerechte Neuregelung aussehen? Genau das ist der Grund, warum es bis heute zu keiner tragfähigen Reform gekommen ist. Ich darf deshalb an dieser Stelle vor einer Reform nur der Reform wegen warnen. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat im 45. Band seiner Entscheidungssammlung formuliert – ich zitiere wörtlich –: Eine allseits befriedigende Neuregelung zu finden, wird angesichts der Vielfalt der Probleme eine schwierige Aufgabe für den Gesetzgeber sein. Obwohl es bis heute weit über ein Dutzend Reformvorschläge gibt, konnte noch keiner überzeugen. Hier nur eine kleine Auswahl an Fragen, die wir, wenn wir uns auf den Weg zur Reform begeben, beantworten müssen, etwa: Wollen wir die absolute Strafandrohung „lebenslang“ für Fälle des Mordes tatsächlich zur Disposition stellen? Dieselbe Frage betrifft die Verjährung. Erzeugen wir nicht in jedem Fall einfach nur eine Scheinlösung? Ich will Ihnen sagen, warum das so ist. Zur Konkretisierung der Tat müsste man statt heute auf der Tatbestandsseite zukünftig ähnliche Kriterien auf der Rechtsfolgenseite bei der Strafzumessung formulieren. Die Schwierigkeiten, die die Rechtsprechung heute bei der Frage der Bestimmtheit, bei der Frage der Konkretisierung hat, wären genau dieselben. Die für mich wichtigste Frage bei so gewichtigen Rechtsgütern lautet: Sind wir tatsächlich bereit, die nach einer Reform zwangsläufig auftretende Unsicherheit in Kauf zu nehmen? Ich komme zum dritten und letzten Gesichtspunkt. Im vorliegenden Antrag klingt an einer Stelle durchaus die Kritik durch, dass sich gerade bezüglich der Gesinnungsmerkmale in den letzten Jahrzehnten Richterrecht entwickelt hat. Das kann ich und das möchte ich – auch im Interesse der deutschen Justiz – so heute nicht stehen lassen; denn die Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte vermochte durchaus die Ecken und Kanten des § 211 StGB auf vorbildliche Art und Weise auszuschleifen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Rechtsprechung hat – das belegen zahlreiche Grundsatzentscheidungen – Wege gefunden, dem Gerechtigkeitsbedürfnis des Einzelfalls gerecht zu werden; denken Sie nur – das ist heute schon zitiert worden – an den berühmten Haustyrannenmord. In ihrem Umgang mit früherem Nazistrafrecht steht die Rechtsprechung für mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, symbolisch für unseren Umgang mit der NS-Vergangenheit: Ohne dass wir es uns leicht gemacht haben, haben wir gelernt, damit umzugehen, haben gelernt, sensibel zu sein. Es ist uns vor allem gelungen, dem Rechtsstaat und der Demokratie damit zu voller Blüte zu verhelfen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Hoffmann. Als Nichtjuristin möchte ich mich wirklich von Herzen bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken. Das war eine sehr spannende Debatte. Es war mucksmäuschenstill. Ich habe sehr viel gelernt, und ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg bei diesem sehr wichtigen Anliegen. Vielen herzlichen Dank! Ich habe selten um diese Uhrzeit eine so spannende Diskussion erlebt. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/865 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 23. Mai 2014, ein. Ich möchte Sie explizit auf unsere Sitzung um 9 Uhr hinweisen – sie hat vielleicht auch etwas mit der Diskussion heute Abend im Mondschein zu tun –: Morgen um 9 Uhr findet hier im Plenarsaal, wie Sie wissen, die Sonderveranstaltung zu 65 Jahre Grundgesetz statt. Ich würde Sie einladen und bitten, dass Sie zu dieser Sonderveranstaltung kommen. Ich möchte Sie auch anregen, sich eine ganz besondere Ausstellung zum Thema „65 Jahre Grundgesetz“ anzuschauen: Im Forum vor dem Paul-Löbe-Haus ist heute Abend die Interpretation der Grundrechte von Markus Lüpertz eröffnet worden. Ich kann diese sehr spannende Ausstellung nur empfehlen. Die Plenarsitzung fängt morgen um 10.30 Uhr an. Ich wünsche Ihnen noch einen sehr schönen Abend. In Bayern würde man jetzt in den Biergarten gehen. Genießen Sie den schönen Abend. Aber bitte um 9 Uhr morgen wieder da sein! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 22.48 Uhr) Staatsministerin Aydan Özoguz Staatsministerin Aydan Özoguz Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 22.05.2014 Bär, Dorothee CDU/CSU 22.05.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 22.05.2014 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22.05.2014 Dagdelen, Sevim DIE LINKE 22.05.2014 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 22.05.2014 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 22.05.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 22.05.2014 Dr. Finckh-Krämer, Ute SPD 22.05.2014 Freese, Ulrich SPD 22.05.2014 Gabriel, Sigmar SPD 22.05.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 22.05.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 22.05.2014 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22.05.2014 Groß, Michael SPD 22.05.2014 Henke, Rudolf CDU/CSU 22.05.2014 Ilgen, Matthias SPD 22.05.2014 Kampeter, Steffen CDU/CSU 22.05.2014 Kudla, Bettina CDU/CSU 22.05.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 22.05.2014 Lischka, Burkhard SPD 22.05.2014 Nahles, Andrea SPD 22.05.2014 Schwabe, Frank SPD 22.05.2014 Schwarz, Andreas SPD 22.05.2014 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 22.05.2014 Thönnes, Franz SPD 22.05.2014 Ziegler, Dagmar SPD 22.05.2014 Zöllmer, Manfred SPD 22.05.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Corinna Rüffer, Peter Meiwald und Christian Kühn (Tübingen) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010 und dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 (Tagesordnungspunkt 6) Den Antrag der Bundesregierung lehnen wir ab. Wir stimmen wieder mit Nein wie bei den letzten sieben Abstimmungen zum Atalanta-Einsatz der Bundeswehr. Wir halten den Einsatz der Bundeswehr im Golf von Aden und im ganzen Indischen Ozean politisch für falsch und nicht notwendig zum Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms vor Piraterie. Vor allem war er von Anfang an nicht das letzte mögliche Mittel, die Ultima Ratio, um die Schiffe zu schützen und Piraterie wirksam zu bekämpfen. In der Begründung zum Mandat erklärt die Bundesregierung, dass die Erfolgsquote der Piraten im Jahr 2013 im Vergleich zu den vergangenen Jahren auf einem Tiefstand sei. Sie behauptet – wie im Vorjahr –, dies sei Folge der ständigen Präsenz der Kriegsschiffe im Golf von Aden. Wie im Vorjahr wird diese Behauptung nicht belegt. Es ist eine falsche Annahme. Andere, „zivile“ Maßnahmen haben die Piraterieangriffe verhindert: das Einhalten der sogenannten „Best Management Practices“ – das Fahren im Konvoi oder mit hoher Geschwindigkeit sowie die Absicherung von Reling und Außenbord, etwa durch Stacheldraht, und das Anbringen von Scheinwerfern. Die Bundesregierung hat bestätigt, dass kein einziges Schiff von Piraten aufgebracht wurde, das sich an diese Regeln gehalten hat. In der Mandatsbegründung sagt die Bundesregierung selbst, dass „die Weiterentwicklung und konsequentere Anwendung der Handlungsmöglichkeit für Handelsschiffe zum Schutz vor und bei Angriffen (Best Management Practices)“ erfolgreich war. Das gilt gerade auch für den Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms. In einem Gutachten des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg wird empfohlen, den Schutz dieser Transporte von Hilfsgütern und Nahrungsmitteln nach Somalia dadurch zu verbessern, dass das WFP mit besseren und schnelleren Schiffen ausgestattet wird. Zum achten Mal entscheidet sich der Bundestag nun schon für diesen Kriegseinsatz, der aber letztlich nur die Symptome von Piraterie bekämpft. Deren Ursachen hingegen, die man politisch angehen kann, werden immer noch weitgehend ignoriert. Dazu gehört die Überfischung der Gewässer vor Somalia. Modern ausgestattete Fangflotten aus der EU, Japan oder Taiwan rauben den lokalen Fischern die Existenzgrundlage. Zusätzlich kommt es durch illegale (Gift-)Müllentsorgung vor der Küste Somalias zu massivem Fischsterben, Menschen erkranken. Auch europäische Firmen sind in die Müllverseuchung verwickelt. Und an Land herrschen noch immer Armut, Hunger, Gewalt und politische Unsicherheit. Kriegsschiffe und Militäreinsätze sind nicht das richtige Mittel, um die Piraterie zu bekämpfen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkom-mens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010 und dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 (Tagesordnungspunkt 6) Den Antrag der Bundesregierung lehne ich ab. Ich stimme wieder mit Nein, wie bei den letzten sieben Abstimmungen zum Atalanta-Einsatz der Bundeswehr. Meine Gründe für dieses Nein sind dieselben wie in den vergangenen Jahren: Ich halte den Einsatz der Bundeswehr im Golf von Aden und im ganzen Indischen Ozean politisch für falsch und nicht notwendig zum Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms vor Piraterie. Vor allem war er von Anfang an nicht das letzte mögliche Mittel, die Ultima Ratio, um die Schiffe zu schützen und Piraterie wirksam zu bekämpfen. In der Begründung zum Mandat erklärt die Bundesregierung, dass die Erfolgsquote der Piraten im Jahr 2013 im Vergleich zu den vergangenen Jahren auf einem Tiefstand sei. Sie behauptet – wie im Vorjahr –, dies sei Folge der ständigen Präsenz der Kriegsschiffe im Golf von Aden. Wie im Vorjahr legt sie für diese Behauptung keinerlei Beweise vor. Es ist aber schlicht eine falsche Annahme. Tatsächlich hat der Rückgang der Kaperungen andere Gründe. Es gibt geeignete „zivile“ Maßnahmen, um das Risiko von Piraterieangriffen zu verringern: das Einhalten der sogenannten Best Management Practices – das Fahren im Konvoi oder mit hoher Geschwindigkeit sowie die Absicherung von Reling und Außenbord, etwa durch Stacheldraht, und das Anbringen von Scheinwerfern. Bereits 2012 hatten Abgeordnete meiner Fraktion die Bundesregierung dazu befragt, und sie bestätigte uns schon damals, dass kein einziges Schiff von Piraten aufgebracht werden konnte, das sich an diese Regeln gehalten hat. In der diesjährigen Mandatsbegründung nennt die Bundesregierung selbst – wenn auch nur als eine von mehreren Maßnahmen –, dass „die Weiterentwicklung und konsequentere Anwendung der Handlungsmöglichkeit für Handelsschiffe zum Schutz vor und bei Angriffen (Best Management Practices)“ erfolgreich war. Warum wir trotzdem Jahr um Jahr über einen Kriegseinsatz abstimmen müssen, für dessen Sinn und Notwendigkeit die Bundesregierung keine Belege vorlegt, verstehe ich nicht. Insbesondere wenn einer der primären Gründe des Einsatzes – der Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms, WFD, – auch anders erreicht werden kann. In einem Gutachten des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, das im Jahr 2012 im Auftrag der Grünen im Europaparlament erstellt wurde, wird empfohlen, den Schutz der Transporte des Welternährungsprogramms – WFP – von Hilfsgütern und Nahrungsmitteln nach Somalia dadurch zu verbessern, dass das WFP mit besseren und schnelleren Schiffen ausgestattet wird. Auch der Schutz von Handelsschiffen auf gefährlichen Routen durch zivile Sicherheitsdienste an Bord, die nicht schwer bewaffnet sein müssen, wird seit Jahren empfohlen. Nach Schätzungen sind inzwischen fast 80 Prozent der Schiffe in der gefährdeten Region mit zivilen Sicherheitsdiensten an Bord unterwegs. Im vorletzten Jahr wurde das Mandat der Operation Atalanta sogar erweitert: vom militärischen Kampfeinsatz vor der Küste Somalias auf einen Küstenstreifen an Land von zwei Kilometern Breite. Zwar beschränkt sich diese Erweiterung des Mandats auf Angriffe nur aus der Luft mittels Hubschraubern lediglich auf die Logistik von Piraten, Nothilfeeinsätze an Land, um abgeschossene Hubschrauberbesatzungen zu retten, bleiben aber erlaubt. Die Erweiterung bedeutet daher ein zusätzliches Eskalationsrisiko. Bisher gab es zwar nur einen solchen Einsatz an Land, umso unverständlicher ist es, dass diese Option weiterhin im Mandat aufrechterhalten werden soll. Zum achten Mal entscheidet sich der Bundestag nun schon für diesen Kriegseinsatz, der aber letztlich nur die Symptome von Piraterie bekämpft. Deren Ursachen hingegen, die man politisch angehen kann, werden immer noch weitgehend ignoriert. Dazu gehört die Überfischung der Gewässer vor Somalia. Modern ausgestattete Fangflotten aus der EU, Japan oder Taiwan rauben den lokalen Fischern die Existenzgrundlage. Zusätzlich kommt es durch illegale (Gift-)Müllentsorgung vor der Küste Somalias zu massivem Fischsterben, Menschen erkranken. Auch europäische Firmen sind in die Müllverseuchung verwickelt. Und an Land herrschen noch immer Armut, Hunger, Gewalt und politische Unsicherheit. Ich kann nur die bittere Einsicht wiederholen, die wir schon im letzten Jahr formuliert haben: Wen wundert, dass da die Aussicht, mit Schiffsentführungen harte Dollars zu verdienen, verlockend ist. Kriegsschiffe und Militäreinsätze sind nicht das richtige Mittel und nicht nötig, um die Piraterie wirksam zu bekämpfen. Der Einsatz der Bundesmarine ist umgehend zu beenden. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Brunner, Susann Rüthrich, Rainer Arnold, Ulrike Bahr, Dr. Katarina Barley, Dr. Matthias Bartke, Bärbel Bas, Lothar Binding (Heidelberg), Willi Brase, Edelgard Bulmahn, Dr. Lars Castellucci, Petra Crone, Dr. Karamba Diaby, Sabine Dittmar, Elvira Drobinski-Weiß, Siegmund Ehrmann, Michaela Engelmeier-Heite, Petra Ernstberger, Saskia Esken, Karin Evers-Meyer, Dr. Johannes Fechner, Dr. Fritz Felgentreu, Elke Ferner, Christian Flisek, Gabriele Fograscher, Dagmar Freitag, Martin Gerster, Ulrike Gottschalk, Bettina Hagedorn, Rita Hagl-Kehl, Metin Hakverdi, Ulrich Hampel, Michael Hartmann (Wackernheim), Sebastian Hartmann, Dirk Heidenblut, Hubertus Heil (Peine), Gabriela Heinrich, Marcus Held, Wolfgang Hellmich, Gabriele Hiller-Ohm, Petra Hinz (Essen), Christina Jantz, Frank Junge, Thomas Jurk, Oliver Kaczmarek, Christina Kampmann, Ralf Kapschack, Gabriele Katzmarek, Cansel Kiziltepe, Daniela Kolbe, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Hiltrud Lotze, Dr. Birgit Malecha-Nissen, Caren Marks, Hilde Mattheis, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Susanne Mittag, Michelle Müntefering, Ulli Nissen, Sabine Poschmann, Dr. Simone Raatz, Martin Rabanus, Mechthild Rawert, Stefan Rebmann, Dr. Carola Reimann, Dr. Daniela De Ridder, Andreas Rimkus, Sönke Rix, Dennis Rohde, Dr. Martin Rosemann, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Bernd Rützel, Johann Saathoff, Annette Sawade, Dr. Hans-Joachim Schabedoth, Dr. Nina Scheer, Marianne Schieder, Udo Schiefner, Dr. Dorothee Schlegel, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Matthias Schmidt (Berlin), Ursula Schulte, Ewald Schurer, Dr. Carsten Sieling, Svenja Stadler, Martina Stamm-Fibich, Peer Steinbrück, Kerstin Tack, Carsten Träger, Gabi Weber, Andrea Wicklein, Waltraud Wolff (Wolmir-stedt), Stefan Zierke (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) Die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften in allen Rechtsbereichen ist seit langem ein Kernanliegen unserer sozialdemokratischen Politik. Dazu gehört für uns selbstverständlich auch das volle Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare. Damit wird auch die soziale und rechtliche Situation von Kindern in Regenbogenfamilien gestärkt. Entscheidendes Kriterium für die Auswahl von geeigneten Adoptiveltern ist für uns das Kindeswohl und nicht das Geschlecht der Eltern. Für ein Kind ist nicht die sexuelle Identität der Eltern entscheidend, sondern eine stabile und liebevolle Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen. Diese Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge finden Kinder in unterschiedlichen Familienkonstellationen. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 5. Mai 2014 sprach sich die deutliche Mehrheit der geladenen Sachverständigen ebenfalls – wie auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 103/14) – für eine rechtliche Gleichstellung und Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartner im Adoptionsrecht aus. Wir bedauern, dass in der aktuellen Regierungskoalition derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist, ein einheitliches Adoptionsrecht für hetero- und homosexuelle Paare durchzusetzen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt. Daher werden wir dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Mit dem heute verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner konnten wir innerhalb der Koalition dieses wichtige Etappenziel auf dem Weg hin zur völligen Gleichstellung erreichen. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) Marco Bülow (SPD): Die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften in allen Rechtsbereichen ist seit langem ein Kernanliegen der SPD. Dazu gehört für mich selbstverständlich auch das volle Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare. Damit wird auch die soziale und rechtliche Situation von Kindern in sogenannten Regenbogenfamilien gestärkt. Seit der Einführung des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft durch die rot-grüne Bundesregierung hat sich die Wahrnehmung von lesbischen und schwulen Partnerschaften in der Gesellschaft grundsätzlich gewandelt. Zahlreiche Studien haben belegt, dass Kinder in Regenbogenfamilien genauso gut wie in heterosexuellen Ehen aufwachsen können. Nicht anders als Heterosexuelle streben auch Lesben und Schwule auf Dauer angelegte Partnerschaften an und sind bereit, gegenseitig füreinander Verantwortung zu übernehmen. -Einige waren bereits schon vor der Schaffung des Lebenspartnerschaftsgesetzes Vater oder Mutter. Sie kümmern sich genauso verantwortungsvoll und liebevoll um ihre Kinder wie andere auch. Dies wird von der gesellschaftlichen Mehrheit so akzeptiert und hat dazu geführt, dass im vergangenen Jahr mehrere Anträge gestellt wurden, die sich für eine Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule ausgesprochen haben. Für ein Kind ist nicht die sexuelle Identität der Eltern entscheidend, sondern eine stabile und liebevolle Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen. Diese Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge finden Kinder in unterschiedlichen Familienkonstellationen. Das Bundesverfassungsgericht hat diesem Wandel und den wissenschaftlichen Erkenntnissen in mehreren Urteilen bereits Rechnung getragen und eine Benachteiligung von Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe abgelehnt. So eben auch in seinem Urteil vom 19. Februar 2013 (1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09; vergleiche BGBl. I S. 428 und NJW 2013, S. 847 ff.). Es hat entschieden, dass das Verbot der Sukzessivadoption durch Lebenspartner, das heißt das Verbot der Annahme eines bereits adoptierten Kindes durch den Lebenspartner des zunächst Annehmenden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Zudem sprach sich bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 5. Mai 2014 die deutliche Mehrheit der geladenen Sachverständigen ebenfalls – wie auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 103/14) – für eine rechtliche Gleichstellung und Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartner im Adoptionsrecht aus. Ich begrüße daher auch den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze im Bereich des Adoptionsrechts. Bedauerlich ist, dass in der aktuellen Regierungs-koalition derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist, ein einheitliches Adoptionsrecht für hetero- und homosexuelle Paare durchzusetzen. Ich werde mich deshalb in der SPD und im Parlament weiter dafür einsetzen, dass man alle Vorschriften im Adoptionsrecht, die heterosexuelle Ehepaare betreffen, zum Wohle der Kinder auch auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften überträgt. Es kann nicht sein, dass der Bundestag trotz besseren Wissens die Partnerschaften von Lesben und Schwulen anders behandelt als die von Heterosexuellen. Denn im Mittelpunkt der Entscheidungen sollte das Kindeswohl stehen. Das Festhalten an zwei unterschiedlichen Adoptionsrechten zementiert Diskriminierung und schadet den betroffenen Kindern. Kirsten Lühmann (SPD): Die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften in allen Rechtsbereichen ist seit langem ein Kernanliegen unserer sozialdemokratischen Politik. Dazu gehört für mich selbstverständlich auch das volle Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare. Damit wird auch die soziale und rechtliche Situation von Kindern in Regenbogenfamilien gestärkt. Entscheidendes Kriterium für die Auswahl von geeigneten Adoptiveltern ist für mich das Kindeswohl und nicht das Geschlecht der Eltern. Für ein Kind ist nicht die sexuelle Identität der Eltern entscheidend, sondern eine stabile und liebevolle Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen. Diese Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge finden Kinder in unterschiedlichen Familienkonstellationen. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 5. Mai 2014 sprach sich die deutliche Mehrheit der geladenen Sachverständigen ebenfalls – wie auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 103/14) – für eine rechtliche Gleichstellung und Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartner im Adoptionsrecht aus. Ich bedaure, dass in der aktuellen Regierungskoalition derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist, ein einheitliches Adoptionsrecht für hetero- und homosexuelle Paare durchzusetzen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt. Daher werde ich dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung könnte weiter gehen, zumindest setzen wir damit aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner um. So können wir innerhalb der Koalition ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg hin zur völligen Gleichstellung erreichen. Michael Thews (SPD): Die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften in allen Rechtsbereichen ist seit langem ein Kernanliegen unserer sozialdemokratischen Politik. Dazu gehört für mich selbstverständlich auch das volle Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare. Entscheidendes Kriterium für die Auswahl von geeigneten Adoptiveltern ist für mich das Kindeswohl und nicht das Geschlecht der Eltern. Für ein Kind ist nicht die sexuelle Identität der Eltern entscheidend, sondern eine stabile und liebevolle Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen. Diese Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge finden Kinder in unterschiedlichen Familienkonstellationen. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 5. Mai 2014 sprach sich die deutliche Mehrheit der geladenen Sachverständigen ebenfalls – wie auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 103/14) – für eine rechtliche Gleichstellung und Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartner im Adoptionsrecht aus. Ich bedaure, dass in der aktuellen Regierungskoalition derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist, ein einheitliches Adoptionsrecht für hetero- und homosexuelle Paare durchzusetzen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt. Daher werde ich dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Mit dem heute verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner konnten wir innerhalb der Koalition dieses wichtige Etappenziel auf dem Weg hin zur völligen Gleichstellung erreichen. Ute Vogt (SPD): Die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften in allen Rechtsbereichen ist seit langem ein Kernanliegen sozialdemokratischer Politik. Dazu gehört selbstverständlich auch das volle Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartner. Das entscheidende Kriterium für die Auswahl von geeigneten Adoptiveltern ist das Kindeswohl und nicht das Geschlecht der Eltern. Die Qualität der innerfamiliären Beziehung hängt nicht vom Geschlecht der Eltern ab. Für das Kind ist nicht die sexuelle Identität der Eltern entscheidend, sondern eine stabile und liebevolle Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen. Mit der Ermöglichung der Sukzessivadoption setzen wir ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes um. Wir stärken dadurch die Rechtsstellung des Kindes, denn dadurch wird für das Kind die Verantwortung zweier Elternteile, mit denen es bereits zusammenlebt, auch rechtlich sichergestellt. Dies ist ein wichtiger Schritt, der gerade mit Blick auf das Kindeswohl erforderlich ist. Es ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, hin zur Durchsetzung der Gewährung der gemeinschaftlichen Adoption für alle Paare. Ich bedaure daher sehr, dass in der aktuellen Regierungskoalition derzeit keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist, ein einheitliches Adoptionsrecht für alle Paare durchzusetzen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt. Daher werde ich dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Eva Högl und Burkhard Lischka (beide SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) Die vollständige Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften in allen Rechtsbereichen ist seit langem ein Kernanliegen sozialdemokratischer Politik. Dazu gehört für uns selbstverständlich auch das volle Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare. Damit wird auch die soziale und rechtliche Situation von Kindern in Regenbogenfamilien gestärkt. Entscheidendes Kriterium für die Auswahl von geeigneten Adoptiveltern ist für uns das Kindeswohl und nicht das Geschlecht der Eltern. Für ein Kind ist nicht die sexuelle Identität der Eltern entscheidend, sondern eine stabile und liebevolle Bindung zu seinen engsten Bezugspersonen. Diese Geborgenheit, Solidarität und Fürsorge finden Kinder in unterschiedlichen Familienkonstellationen. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 5. Mai 2014 sprach sich die deutliche Mehrheit der geladenen Sachverständigen ebenfalls – wie auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 103/14) – für eine rechtliche Gleichstellung und Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartner im Adoptionsrecht aus. Wir bedauern, dass unter den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist, ein einheitliches Adoptionsrecht für hetero- und homosexuelle Paare durchzusetzen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt. Daher werden wir dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Mit dem heute verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner konnten wir innerhalb der Koalition dieses wichtige Etappenziel auf dem Weg hin zur völligen Gleichstellung erreichen. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Marian Wendt (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner (Tagesordnungspunkt 8 a) Dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner habe ich zugestimmt. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013 wurde dem Deutschen Bundestag eine Änderung der geltenden Rechtslage aufgetragen. Mein Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht als Verfassungsorgan setzt mein entsprechend abgegebenes Votum in dieser namentlichen Abstimmung voraus. Eine Zustimmung macht mir die besondere rechtliche Konstellation der Sukzessivadoption möglich. Im Unterschied zu einer lebenspartnerschaftlichen gemeinschaftlichen Adoption trägt die Sukzessivadoption einer bereits vorhandenen familiären Bindung zwischen Adoptivkind und Lebenspartner/in und somit dem Kindeswohl etwas mehr Rechnung. Nichtsdestotrotz möchte ich folgende klarstellenden Anmerkungen zum Ausdruck bringen: Es ist mir ein Anliegen, bei der Gelegenheit eingangs zu betonen, dass ich jegliche Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung entschieden und vorbehaltlos ablehne. Jede gesetzgeberische Initiative jedoch, die adoptionsrechtliche Regelungen zum Ziel hat, muss das Wohl des Adoptivkindes zur obersten Priorität haben. Das -Adoptionsrecht und somit das Kindeswohl als besonders hohes Gut darf in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um unterschiedliche Lebensentwürfe nicht zum Kampfmittel instrumentalisiert werden. Eine Novellierung des Adoptionsrechts ist keine automatische Fortsetzung etwa der steuer-, renten- oder versorgungsrechtlichen Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe. Die vorliegende Gesetzesänderung verdient gerade wegen des Kindeswohls eine besondere Gewichtung in der Abwägung unterschiedlicher Positionen. Es ist mir deshalb sehr wichtig, dass auch nach der Novellierung „jeder Adoption eine Einzelfallprüfung vorausgeht“ (BVerfG, 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09 vom 19. Februar 2013, Rn. 91). Ein weiterer Grund zur Besonnenheit entwächst der außerordentlichen Stellung der Ehe als schutzwürdigem Verfassungsgut. Die schriftliche Stellungnahme von Professor Dr. Frauke Brosius-Gersdorf zur öffentlichen -Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz weist im Detail auf das Verbot der Diskriminierung der Ehe gegenüber nichtehelichen Lebensformen hin. Die herausgehobene Bedeutung, die das Grundgesetz in Artikel 6 dem Institut der Ehe und Familie beimisst, rührt vor allem aus der Anerkennung ihrer Einzigartigkeit gerade im Hinblick auf Kindererziehung und somit auf das Kindeswohl her. Der besondere Stellenwert der Ehe, die aus einer Frau und einem Mann besteht, und als Keimzelle der Gesellschaft angesehen wird, prägt das christlich-jüdische Menschenbild und unsere abendländische Kultur. Als Abgeordneter einer christlich-demokratischen Partei ist dieses Menschenbild eine Richtschnur meines politischen Handelns. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hermann Färber, Dieter Stier und Carola Stauche (alle CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über: – Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem -Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen – KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern – Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesordnungspunkt 6) Den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnen wir ab. Denn dieser beschränkt sich nur auf Fragen der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen auf europäischer und nationaler Ebene. Von einer Forderung nach einer transparenten Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel demgegenüber kein Wort. Dies ist eine Absage an Transparenz, an den Grundsatz „Klarheit und Wahrheit“ und damit an den Verbraucherschutz, die für uns inakzeptabel ist. Demgegenüber geht der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in die richtige Richtung. Denn dort wird neben den Themen der Zulassung auf EU-Ebene, der Möglichkeit eines nationalen Ausstiegs aus dem GVO-Anbau, der Einführung weitergehender Koexistenzregelungen auch eine Ausweitung der EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit -gentechnikveränderten Pflanzen gefüttert wurden, angesprochen. Deshalb stimmen wir diesem Entschließungsantrag nach reiflicher Abwägung zu. Allerdings geht uns dieser nicht weit genug. Im Interesse unserer Verbraucherinnen und Verbraucher hätten wir uns gewünscht, dass der Deutsche Bundestag eine umfassende Kennzeichnung aller Lebensmittel – also nicht nur der tierischen – fordern würde. Im Sinne des Grundsatzes der Wahrheit und Klarheit müssen alle Lebensmittel einschließlich pflanzlicher und zusammengesetzter Produkte, in deren Herstellungsverfahren gentechnische Verfahren Anwendung finden, gekennzeichnet werden. Leider scheiterte diese Forderung aber an der SPD-Fraktion. Und wir hätten uns gewünscht, dass sich der Deutsche Bundestag für eine Nulltoleranz einsetzt. Bekanntlich ist derzeit nach der einschlägigen EU-Verordnung ein Futtermittel „frei von Gentechnik“, wenn es unter 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthält. Dieser Schwellenwert ist übrigens seinerzeit von der damaligen Bundesministerin Renate Künast, MdB, mitgetragen worden. Echte Gentechnikfreiheit kann es aber nur mit einem Schwellenwert von 0,0 Prozent geben. Begründung: Uns allen ist bewusst, dass der überwiegende Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher den Einsatz von Gentechnik ablehnt. Deshalb sind wir gefordert, Verbraucherinnen und Verbraucher echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Dafür müssen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, zu erkennen, welche Lebensmittel mit Gentechnik in Berührung gekommen sind. Was drin ist, muss draufstehen. Dies ist aber heute nicht der Fall. Zwar gilt der Mythos der Gentechnikfreiheit für Deutschland. Tatsächlich werden von den landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland keine GVO-Nutzpflanzen angebaut. Dennoch ist Gentechnik aber heute bereits Alltag in Deutschland und der EU. 80 Prozent unserer Lebensmittel kommen mit Gentechnik in Berührung. Allerdings wissen viele Verbraucherinnen und Verbraucher dies nicht. Und sie können es auch nicht wissen. Denn es findet bislang in der EU nur eine Minimalkennzeichnung statt. Und selbst diese ist irreführend. Denn so darf Futter auch dann noch gentechnikfrei genannt werden, wenn es bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verändertes Material wie Sojaschrot enthält. Dies sei eine Konzession an die Realität, heißt es von einigen NGOs. Aber dies hat mit dem Gebot der Wahrheit und Klarheit nichts mehr zu tun. Fakt ist: Unsere Supermarkt-Regale sind längst voller Gentechnik. Dazu zählen natürlich auch tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch oder Eier. Denn Schweine, Kühe oder Hühner werden heute mit Soja aus Ländern wie Brasilien, USA etc. gefüttert. Dabei handelt es sich in der Regel um GVO-Soja. Und selbst die Futtermittel, die als gentechnikfrei gelten, können und dürfen bis zu 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Allerdings ist eine einseitige Ausweitung der Kennzeichnungspflicht allein auf tierische Lebensmittel verfehlt. So wird der Eindruck erzeugt, als ob nur diese Bereiche der Lebensmittelherstellung betroffen wären. Dies führt nicht nur zu einer einseitigen Diskriminierung, sondern auch zu einer einseitigen, unvollständigen Information der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Marktrealitäten sehen anders aus. Gentechnikanwendungen finden nämlich in vielen anderen Bereichen statt. So werden passende Gene in Mikroorganismen dafür eingesetzt, Zusatzstoffe wie Vitamine, Süßstoffe, -Enzyme, Farbstoffe oder zum Beispiel Lab für die Käseherstellung zu gewinnen. Von dieser sogenannten Weißen Gentechnik ist aber in der Regel nicht die Rede. Dies alles wissen die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bzw. können es nicht wissen. Denn es fehlt die entsprechende Kennzeichnung. Leider war die Fraktion der SPD nicht bereit, eine weiter gehende Kennzeichnungspflicht in den Antrag aufzunehmen. Aber dürfen Verbraucherinnen und Verbraucher darüber im Dunkeln gelassen werden, wie stark Gentechnik ihren Alltag bereits verändert hat? Meine Antwort lautet: Nein. Es gibt keinen einzigen Grund, der gegen eine vollständige Kennzeichnung aller Lebensmittel, die mit GVO in Berührung gekommen sind, aber auch von Reinigungsmitteln und Medikamenten sprechen könnte. Dabei geht es nicht nur um das Endprodukt, sondern um alle Gentechnikanwendungen im gesamten Produktionsprozess. Eine Prozesskennzeichnung ist notwendig, um Transparenz herzustellen. Nur so wird echte Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht. Denn nur ein informierter Verbraucher kann eine informierte Entscheidung fällen. Es braucht Transparenz, Klarheit und Wahrheit. Dazu besteht keine Alternative. Wir brauchen deshalb eine vollständige Kennzeichnung mit dem Ziel der vollständigen Transparenz aller Gentechnik-Anwendungen. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über: – Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen – KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern – Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesordnungspunkt 6) Den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehne ich ab. Denn dieser beschränkt sich nur auf Fragen der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen auf europäischer und nationaler Ebene. Von einer Forderung nach einer transparenten Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel demgegenüber kein Wort. Dies ist eine Absage an Transparenz, an den Grundsatz „Klarheit und Wahrheit“ und damit an den Verbraucherschutz, die für mich inakzeptabel ist. Demgegenüber geht der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in die richtige Richtung. Denn dort wird neben den Themen der Zulassung auf EU-Ebene, der Möglichkeit eines nationalen Ausstiegs aus dem GVO-Anbau, der Einführung weiter gehender Koexistenzregelungen auch eine Ausweitung der EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit -gentechnikveränderten Pflanzen gefüttert wurden, angesprochen. Deshalb stimme ich diesem Entschließungs-antrag nach reiflicher Abwägung zu. Allerdings geht mir dieser nicht weit genug. Im Interesse unserer Verbraucherinnen und Verbraucher hätte ich mir gewünscht, dass der Deutsche Bundestag eine umfassende Kennzeichnung aller Lebensmittel – also nicht nur der tierischen – fordern würde. Im Sinne des Grundsatzes der Wahrheit und Klarheit müssen alle Lebensmittel einschließlich pflanzlicher und zusammengesetzter Produkte, in deren Herstellungsverfahren gentechnische Verfahren Anwendung finden, gekennzeichnet werden. Leider scheiterte diese Forderung aber an der SPD-Fraktion. Und ich hätte mir gewünscht, dass sich der Deutsche Bundestag für eine Nulltoleranz einsetzt. Bekanntlich ist derzeit nach der einschlägigen EU-Verordnung ein Futtermittel „frei von Gentechnik“, wenn es unter 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthält. Dieser Schwellenwert ist übrigens seinerzeit von der damaligen Bundesministerin Renate Künast, MdB, mitgetragen worden. Echte Gentechnikfreiheit kann es aber nur mit einem Schwellenwert von 0,0 Prozent geben. Begründung: Uns allen ist bewusst, dass der überwiegende Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher den Einsatz von Gentechnik ablehnt. Deshalb sind wir gefordert, Verbraucherinnen und Verbrauchern echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Dafür müssen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, zu erkennen, welche Lebensmittel mit Gentechnik in Berührung gekommen sind. Was drin ist, muss draufstehen. Dies ist aber heute nicht der Fall. Zwar gilt der Mythos der Gentechnikfreiheit für Deutschland. Tatsächlich werden von den landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland keine GVO-Nutzpflanzen angebaut. Dennoch ist Gentechnik aber heute bereits Alltag in Deutschland und der EU. 80 Prozent unserer Lebensmittel kommen mit Gentechnik in Berührung. Allerdings wissen viele Verbraucherinnen und Verbraucher dies nicht. Und sie können es auch nicht wissen. Denn es findet bislang in der EU nur eine Minimalkennzeichnung statt. Und selbst diese ist irreführend. Denn so darf Futter auch dann noch gentechnikfrei genannt werden, wenn es bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verändertes Material wie Sojaschrot enthält. Dies sei eine Konzession an die Realität, heißt es von einigen NGOs. Aber dies hat mit dem Gebot der Wahrheit und Klarheit nichts mehr zu tun. Fakt ist: Unsere Supermarktregale sind längst voller Gentechnik. Dazu zählen natürlich auch tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch oder Eier. Denn Schweine, Kühe oder Hühner werden heute mit Soja aus Ländern wie Brasilien, USA etc. gefüttert. Dabei handelt es sich in der Regel um GVO-Soja. Und selbst die Futtermittel, die als gentechnikfrei gelten, können und dürfen bis zu 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Allerdings ist eine einseitige Ausweitung der Kennzeichnungspflicht allein auf tierische Lebensmittel verfehlt. So wird der Eindruck erzeugt, als ob nur diese Bereiche der Lebensmittelherstellung betroffen wären. Dies führt nicht nur zu einer einseitigen Diskriminierung, sondern auch zu einer einseitigen, unvollständigen Information der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Marktrealitäten sehen anders aus. Gentechnik-anwendungen finden nämlich in vielen anderen Bereichen statt. So werden passende Gene in Mikroorganismen dafür eingesetzt, Zusatzstoffe wie Vitamine, Süßstoffe, Enzyme, Farbstoffe oder zum Beispiel Lab für die Käseherstellung zu gewinnen. Von dieser sogenannten Weißen Gentechnik ist aber in der Regel nicht die Rede. Dies alles wissen die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bzw. können es nicht wissen. Denn es fehlt die entsprechende Kennzeichnung. Leider war die Fraktion der SPD nicht bereit, eine weiter gehende Kennzeichnungspflicht in den Antrag aufzunehmen. Aber dürfen Verbraucherinnen und Verbraucher darüber im Dunkeln gelassen werden, wie stark Gentechnik ihren Alltag bereits verändert hat? Meine Antwort lautet: Nein. Es gibt keinen einzigen Grund, der gegen eine vollständige Kennzeichnung aller Lebensmittel, die mit GVO in Berührung gekommen sind, aber auch von Reinigungsmitteln und Medikamenten sprechen könnte. Dabei geht es nicht nur um das Endprodukt, sondern um alle Gentechnikanwendungen im gesamten Produktionsprozess. Eine Prozesskennzeichnung ist notwendig, um Transparenz herzustellen. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Alois Gerig (CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen über: – Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen – KOM(2010) 375 endg.; Ratsdok. 12371/10 Add. 1 – hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Agro-Gentechnik anerkennen – Gentechnikfreiheit im Pflanzenbau dauerhaft sichern – Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Grüne Gentechnik – Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nehmen, Selbstbestimmung stärken, Wahlfreiheit ermöglichen (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesordnungspunkt 6) Den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehne ich ab. Denn dieser beschränkt sich nur auf Fragen der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen auf europäischer und nationaler Ebene. Von einer Forderung nach einer transparenten Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel demgegenüber kein Wort. Dies ist eine Absage an Transparenz, an den Grundsatz „Klarheit und Wahrheit“ und damit an den Verbraucherschutz, die für mich inakzeptabel ist. Demgegenüber geht der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in die richtige Richtung. Denn dort wird neben den Themen der Zulassung auf EU-Ebene, der Möglichkeit eines nationalen Ausstiegs aus dem GVO-Anbau, der Einführung weiter gehender Koexistenzregelungen auch eine Ausweitung der EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit -gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, angesprochen. Deshalb stimme ich diesem Entschließungs-antrag nach reiflicher Abwägung zu. Allerdings geht mir dieser nicht weit genug. Im Interesse unserer Verbraucherinnen und Verbraucher hätte ich mir gewünscht, dass der Deutsche Bundestag eine umfassende Kennzeichnung aller Lebensmittel – also nicht nur der tierischen – fordern würde. Im Sinne des Grundsatzes der Wahrheit und Klarheit müssen alle Lebensmittel einschließlich pflanzlicher und zusammengesetzter Produkte, in deren Herstellungsverfahren gentechnische Verfahren Anwendung finden, gekennzeichnet werden. Leider scheiterte diese Forderung aber an der SPD-Fraktion. Und ich hätte mir gewünscht, dass sich der Deutsche Bundestag für eine Nulltoleranz einsetzt. Bekanntlich ist derzeit nach der einschlägigen EU-Verordnung ein Futtermittel „frei von Gentechnik“, wenn es unter 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthält. Dieser Schwellenwert ist übrigens seinerzeit von der damaligen Bundesministerin Renate Künast, MdB, mitgetragen worden. Echte Gentechnikfreiheit kann es aber nur mit einem Schwellenwert von 0,0 Prozent geben. Begründung: Uns allen ist bewusst, dass der überwiegende Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher den Einsatz von Gentechnik ablehnt. Deshalb sind wir gefordert, Verbraucherinnen und Verbrauchern echte Wahlfreiheit zu ermöglichen. Dafür müssen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt werden, zu erkennen, welche Lebensmittel mit Gentechnik in Berührung gekommen sind. Was drin ist, muss draufstehen. Dies ist aber heute nicht der Fall. Zwar gilt der Mythos der Gentechnikfreiheit für Deutschland. Tatsächlich werden von den landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland keine GVO-Nutzpflanzen angebaut. Dennoch ist Gentechnik aber heute bereits Alltag in Deutschland und der EU. 80 Prozent unserer Lebensmittel kommen mit Gentechnik in Berührung. Allerdings wissen viele Verbraucherinnen und Verbraucher dies nicht. Und sie können es auch nicht wissen. Denn es findet bislang in der EU nur eine Minimalkennzeichnung statt. Und selbst diese ist irreführend. Denn so darf Futter auch dann noch gentechnikfrei genannt werden, wenn es bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verändertes Material wie Sojaschrot enthält. Dies sei eine Konzession an die Realität, heißt es von einigen NGOs. Aber dies hat mit dem Gebot der Wahrheit und Klarheit nichts mehr zu tun. Fakt ist: Unsere Supermarktregale sind längst voller Gentechnik. Dazu zählen natürlich auch tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch oder Eier. Denn Schweine, Kühe oder Hühner werden heute mit Soja aus Ländern wie Brasilien, USA etc. gefüttert. Dabei handelt es sich in der Regel um GVO-Soja. Und selbst die Futtermittel, die als gentechnikfrei gelten, können und dürfen bis zu 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen enthalten. Allerdings ist eine einseitige Ausweitung der Kennzeichnungspflicht allein auf tierische Lebensmittel verfehlt. So wird der Eindruck erzeugt, als ob nur diese Bereiche der Lebensmittelherstellung betroffen wären. Dies führt nicht nur zu einer einseitigen Diskriminierung, sondern auch zu einer einseitigen, unvollständigen Information der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Marktrealitäten sehen anders aus. Gentechnikanwendungen finden nämlich in vielen anderen Bereichen statt. So werden passende Gene in Mikroorganismen dafür eingesetzt, Zusatzstoffe wie Vitamine, Süßstoffe, Enzyme, Farbstoffe oder zum Beispiel Lab für die Käseherstellung zu gewinnen. Von dieser sogenannten Weißen Gentechnik ist aber in der Regel nicht die Rede. Dies alles wissen die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bzw. können es nicht wissen. Denn es fehlt die entsprechende Kennzeichnung. Leider war die Fraktion der SPD nicht bereit, eine weiter gehende Kennzeichnungspflicht in den Antrag aufzunehmen. Aber dürfen Verbraucherinnen und Verbraucher darüber im Dunkeln gelassen werden, wie stark Gentechnik ihren Alltag bereits verändert hat? Meine Antwort lautet: Nein. Es gibt keinen einzigen Grund, der gegen eine vollständige Kennzeichnung aller Lebensmittel, die mit GVO in Berührung gekommen sind, aber auch von Reinigungsmitteln und Medikamenten sprechen könnte. Dabei geht es nicht nur um das Endprodukt, sondern um alle Gentechnikanwendungen im gesamten Produktionsprozess. Eine Prozesskennzeichnung ist notwendig, um Transparenz herzustellen. Nur so wird echte Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht. Denn nur ein informierter Verbraucher kann eine informierte Entscheidung fällen. Es braucht Transparenz, Klarheit und Wahrheit sowie eine sachliche Debatte. Dazu besteht keine Alternative. Wir brauchen deshalb eine vollständige Kennzeichnung mit dem Ziel der vollständigen Transparenz aller Gentechnikanwendungen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Schutz von Kindern vor Schadstoffen in Spielzeugen wirksam durchsetzen (Tagesordnungspunkt 15) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Im vergangenen Jahr haben wir schon sehr oft über die Vermeidung der Aufnahme von Schadstoffen durch Kinderspielzeug gesprochen. Ich glaube, dass es müßig ist, zu sagen, dass vonseiten des Gesetzgebers alles getan wurde und auch in Zukunft alles getan werden wird, um gesundheitlichen Schaden von Kindern abzuwenden. Es wurden entsprechende Grenzwerte für alle möglicherweise schädlichen Stoffe vereinbart. Der Antrag der Linken geht nun davon aus, dass die derzeit bestehenden Strukturen zur Kontrolle der Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte nicht geeignet seien, um die körperliche Unversehrtheit der Kinder bei der Verwendung von Spielzeugen ausreichend sicherstellen zu können, und möchte, dass die Strukturen verändert werden, gewissermaßen soll zukünftig die Verantwortung auf Bundesebene liegen. Offensichtlich entspringt der Antrag der Fraktion Die Linke aus einer doch recht großen Unwissenheit über die tatsächlichen Strukturen, deren Ausstattungen, Kompetenzen und Fachwissen. In Deutschland sind die Länder für die Ausübung der Kontrollen zuständig. Die Länder organisieren eigenständig den Vollzug der erforderlichen Maßnahmen durch ihre Marktüberwachungsorgane. 2013 einigten sich alle Bundesländer, die Koordinierung der Realisierung aller Verpflichtungen durch eine einheitliche Stelle – Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik ZLS – durchführen zu lassen. Die Aufgaben der ZLS wurden in einem Staatsvertrag festgeschrieben. Wenn man will, kann man das alles in diesem Vertrag nachlesen. Ich möchte nur einmal ein paar Anstriche aus dem Aufgabenbereich der ZLS erwähnen, die zeigen, dass umfänglich alle notwendigen Aufgaben durchgeführt werden können. Die ZLS nimmt für alle Bundesländer die Aufgaben wahr, zum Beispiel die koordinierende Funktion für die Marktüberwachungsbehörde bzw. den Zoll, und ist zentraler Ansprechpartner für andere Mitgliedstaaten der EU oder die Erledigung von Vollzugsaufgaben und Restriktionen bei Verstößen. Zur Feststellung der sicherheitsrelevanten Größen bei Spielzeug stehen entsprechende Prüflabore zur Verfügung. Dabei darf man „Sicherheit“ nicht nur auf mögliche chemische Oberflächenstoffe reduzieren, dazu gehören auch alle anderen Dinge wie Festigkeitsprüfung, Prüfung der Geometrie, um mechanische Verletzungen auszuschließen, Prüfung der Entflammbarkeitseigenschaften und vieles andere mehr. Um es noch einmal kurz und bündig zu sagen: Die derzeitigen Strukturen sind in der Lage, alle Aufgaben zu erfüllen, die im Zusammenhang mit der Sicherstellung der körperlichen Unversehrtheit beim Gebrauch von Kinderspielzeug, angefangen beim Plüschtier über die Kinderschaukel bis hin zum Fahrrad, stehen. Ich sehe keinen weiteren Handlungsbedarf dazu. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Allein der letzte Wochenbericht des EU-Schnellwarnsystems RAPEX enthält wieder sechs Fälle von Spielzeug, das mit Gift belastet ist. Davon stammen fünf Produkte aus China: zum Beispiel die Plastikschlange, das Doktor-Spielset oder die Wasserpistole, in denen der in Kinderspielzeug verbotene Weichmacher DEHP gefunden wurde, und die Holzeisenbahn mit starker Formaldehydbelastung. Aber auch ein deutsches Produkt ist vertreten, nämlich ein Kunstleder-Faschingskostüm inklusive Kadmium-Belastung. Im RAPEX sind Textilien und Spielzeug die Spitzenreiter bei den mangelhaften Produkten, sie machen zusammen die Hälfte aller Beanstandungen aus. Und den traurigen Rekord hält immer wieder Spielzeug aus China. Daran hat bisher leider auch die 2012 vom Wirtschaftsministerium eingerichtete deutsch-chinesische Arbeitsgruppe Produktsicherheit nichts zu ändern vermocht. Die Belastung von Kinderspielzeug mit giftigen Stoffen ist also nach wie vor ein Problem. Das muss uns besonders betroffen machen, da es hier um die Gesundheit von Kindern geht, deren Organismus wesentlich empfindlicher reagiert als der von Erwachsenen. Nun hat am 14. Mai 2014 das EU-Gericht entschieden, dass wir unsere nationalen Grenzwerte für Arsen, Antimon und Quecksilber in Spielzeug nicht beibehalten dürfen. Stattdessen muss Deutschland die von der EU vorgeschriebenen Werte übernehmen. In allen Spielzeugen aus festen Materialien sind damit höhere Schwermetallwerte erlaubt. Das ist unbegreiflich: Substanzen wie Arsen können bei Krebserkrankungen eine Rolle spielen, außerdem reichern sich Schwermetalle in inneren Organen an und bleiben langfristig im Körper. Im Interesse der Gesundheit der Kinder ist diese Entscheidung keinesfalls. Laut Stiftung Warentest war es bisher den Herstellern pro-blemlos möglich, die niedrigeren deutschen Grenzwerte einzuhalten. Deshalb nutze ich die heutige Debatte für einen Appell an die Spielzeughersteller: Bitte halten Sie im Interesse der Kindergesundheit auch freiwillig an den strengeren deutschen Grenzwerten fest! Strengere Grenzwerte sind gut – der komplette Verzicht auf problematische Stoffe wäre noch besser. Auch die Verbesserung der Kontrollen gehört dazu, diese werden wir im Ausschuss noch einmal ausführlich zu diskutieren haben, und der Antrag der Linken bietet uns Gelegenheit dazu. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass wir die Hersteller verpflichten müssen, die Sicherheit von Spielzeug durch unabhängige Dritte überprüfen zu lassen, bevor sie in den Handel gelangen. Wenn es um die Kindergesundheit geht, darf es keine Kompromisse geben. Ich freue mich auf die Diskussion. Karin Binder (DIE LINKE): Es wird Zeit, in den Kinderzimmern aufzuräumen. Dazu reichen wir heute unseren Antrag „Schutz von Kindern vor Schadstoffen in Spielzeugen wirksam durchsetzen“ ein. Viel zu oft gelangen schadstoffbelastete Spielzeuge in die Hände der lieben Kleinen. Stiftung Warentest findet in jedem zweiten Spielzeug schädliche Chemikalien. Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit stellte 2012 bei fast jedem vierten Spielzeug Grenzwertüberschreitungen fest. Im Europäischen Schnellwarn-system für gefährliche Produkte, RAPEX, ist die Zahl der gemeldeten Spielzeuge innerhalb eines Jahres um 33 Prozent gestiegen und nimmt jetzt unter den verschiedenen Warengruppen einen Spitzenplatz ein. Dieser Entwicklung dürfen wir nicht länger zusehen. Schauen wir uns in den Kinderzimmern um. Es gibt heute eine Vielzahl von Spielzeugen. In ihren ersten sechs Lebensjahren verbringen Kinder rund 15 000 Stunden mit Spielen und natürlich mit Spielzeug (Quelle: Öko-Test http://www.oekotest.de/cgi/index. cgi?artnr=99023&bernr=07). Die Summe der Chemikalien und die jahrelange Benutzung machen selbst kleine Schadstoffmengen zum Problem. Wir sagen deshalb: Blei, Arsen, Formaldehyd und Co. haben in Spielzeugen nichts verloren. Der Chemiecocktail aus Schwermetallen, Weichmachern und Lösungsmitteln ist schon in winzigen Mengen krebserregend, gefährdet die Fortpflanzungsfähigkeit, löst Allergien aus oder stört das Hormonsystem. Kinderzimmer dürfen keine Schadstofflager sein. Eine Marktüberwachung auf kommunaler Ebene mit jeweiligen Zuständigkeiten bei den 16 Bundesländern wird einem globalen Spielwarenmarkt nicht gerecht. Nicht einmal die Hälfte des Spielzeugs wird in Deutschland hergestellt. Und auch das Label „Made in Germany“ wird oft in Billiglohnländern produziert. Zunehmend werden Produkte im Internet, unabhängig vom örtlichen Einzelhandel, gekauft. Die Bundesregierung steht der Situation weitgehend tatenlos gegenüber. Sie hat zwar inzwischen 5 Millionen Euro für eine deutsch-chinesische Arbeitsgruppe für Produktsicherheit ausgegeben. Verbesserungen wurden jedoch noch nicht erzielt. Es ist lediglich „keine Steigerung der Beanstandungsquote eingetreten“, erklärt die Regierung in der Antwort zu unserer Kleinen Anfrage von Anfang dieses Jahres. Diese Haltung ist verantwortungslos. Meine Damen und Herren in der Bundesregierung, Ihre Bemühungen in Brüssel für strengere Schadstoffgrenzwerte in Ehren: Aber was nützt das Feilschen um Chemikalienwerte, wenn die Marktüberwachung und Kontrolle versagen? Trotz gesetzlicher Vorgaben stehen reihenweise giftige Spielzeuge in den Regalen des Handels. Das können wir nur mit wirksamen Kontrollen durch die Behörden ändern. Wir müssen die Marktüberwachung deshalb auf Bundesebene zusammenführen, vereinheitlichen und ausbauen, um die Gesundheit der Kinder zu gewährleisten. Nach dem Verursacherprinzip müssen Hersteller und auch Importeure an den Kosten der Kontrollen beteiligt werden. Schließlich sind sie es, die das Schadstoff-problem verursachen und nicht in den Griff bekommen. Auch die Zollbehörden müssen mehr Mittel für Personal und Fortbildung bekommen, nur so können Einfuhr-kontrollen wirksamer durchgeführt werden. Die Linke sagt: Beim Gesundheitsschutz unserer Kinder dürfen keine Kompromisse gemacht werden. Wir bitten Sie deshalb, unseren Antrag zu unterstützen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach wie vor ist es schlecht bestellt um die Spielzeugsicherheit in Deutschland. Die ohnehin teilweise viel zu laschen Grenzwerte und Sicherheitsvorschriften für Spielzeug werden häufig unterlaufen. Neben Textilien ist Spielzeug die im EU-Schnellwarnsystem RAPEX am häufigsten gemeldete Risiko-kategorie im Bereich gefährlicher Produkte. Auch die Stiftung Warentest meldet regelmäßig Grenzwertüberschreitungen – so zum Beispiel bei einem Test von Holzspielzeug letzten November, bei dem die Hälfte der getesteten Spielzeuge gefährliche Substanzen enthielt. Das aktuelle EuGH-Urteil, wonach Deutschland seine bisher geltenden Grenzwerte für Arsen, Antimon und Quecksilber nicht beibehalten darf, ist ein Rückschlag. Wir haben die Klage der Bundesregierung immer unterstützt. Aber sie kam viel zu spät! Bei den Verhandlungen zur Spielzeugrichtlinie konnten sich Aigner und Rösler in Brüssel damals nicht durchsetzen. Die Minister Schmidt und Gabriel müssen Spielzeugsicherheit zur Chefsache machen. Jetzt ist es wichtig, genau zu prüfen, ob weitere Rechtsschritte auf EU-Ebene eingelegt werden können, sodass Deutschland seine zum Teil strengeren Grenzwerte aufrechterhalten kann. Wenn das nicht möglich ist, brauchen wir eine Selbstverpflichtung der Industrie, die geltenden besseren Grenzwerte weiterhin einzuhalten. Bislang war die Bundesregierung gegen eine solche Selbstverpflichtung. Die wäre aber dann dringend notwendig. Unabhängig von der Debatte um die Grenzwerte darf die Bundesregierung aber nicht weiter die Hände in den Schoß legen, sondern muss weitere Anstrengungen unternehmen: Im Koalitionsvertrag kündigt die Bundesregierung an, sich auf EU-Ebene für eine unabhängige, verpflichtende Drittzertifizierung für Kinderspielzeug einzusetzen. Das muss sie mit Hochdruck voranbringen. Ganz wichtig ist, dass sie hier auch Lösungen präsentiert für Kleinstherstellerinnen und -hersteller, die von einer solchen Zertifizierung finanziell und organisatorisch überfordert sein könnten. Denn Spielzeugproduktion in Deutschland ist nicht nur Steiff und Lego, sondern bietet auch eine Vielfalt an kleineren Herstellerinnen und Herstellern sowie Handwerkenden, die auf Märkten oder bei DaWanda ihre Produkte anbieten. Denen dürfen keine weiteren Steine in den Weg gelegt werden. Verbessern muss die Bundesregierung auch die Möglichkeiten zur Kennzeichnung von Spielzeug – zum Beispiel durch eine Weiterentwicklung des Blauen Engels. Auf internationaler Ebene ist es die Verantwortung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die seit 2009 vor sich hin dümpelnden Verhandlungen der deutsch-chinesischen Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Spielzeugsicherheit endlich zum Erfolg zu führen. Jetzt erst hat sich die Arbeitsgruppe darangemacht, einen Arbeitsplan abzustimmen. Konkrete Zielvereinbarungen und verbindliche Maßnahmen oder gar Ergebnisse sind mir aber nach wie vor – und ich frage die Bundesregierung in steter Regelmäßigkeit danach – nicht bekannt. Last but not least muss auch die Überwachung dringend verbessert werden. Dafür sind mehr staatliche Kontrollen notwendig, sodass Verstöße schneller behoben, Verbraucherinnen und Verbraucher zügig informiert werden und giftiges Spielzeug vom Markt kommt. Hier ist auch die Industrie in der Pflicht, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ihre Eigenkontrollen zu verstärken. Die Minister Schmidt und Gabriel dürfen das Versagen der alten Wirtschafts- und Verbraucherminister Rösler und Aigner nicht fortsetzen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen gefahrlos einkaufen und sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder nicht mit Giftbomben spielen. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a GO-BT: Technikfolgenabschätzung (TA) Postdienste und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (Tagesordnungspunkt 18) Hansjörg Durz (CDU/CSU): Während wir zu später Stunde im Deutschen Bundestag den Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung zur Zukunft des Briefmarktes beraten, arbeiten in diesem Moment Zigtausende Mitarbeiter in den Verteilzentren der Post- und -Paketdienstleister auf Hochtouren, damit morgen 66 Millionen Briefe in ganz Deutschland – von Traunstein bis Westerland – schnellstmöglich bei ihren Empfängern ankommen. Beeindruckend! Aber ich habe manchmal den Eindruck, dass der Bereich der Postdienstleistungen in Deutschland zuweilen ein Schattendasein führt, von dem die Öffentlichkeit kaum Notiz zu nehmen scheint und der als Selbstverständlichkeit angesehen wird. Dabei ist die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Postdienstleistungen sowohl für die Daseinsvorsorge als auch die wirtschaftliche Betätigung in unserem Land von grundlegender Bedeutung. Zur Klarstellung der volkswirtschaftlichen Bedeutung: In Deutschland werden im lizenzpflichtigen Briefbereich pro Jahr zwischen 16 und 17 Milliarden Briefe versandt; das sind durchschnittlich rund 66 Millionen pro Tag. Der von der Deutschen Post AG und ihren Wettbewerbern erwirtschaftete Umsatz beläuft sich auf rund 9 Milliarden Euro, alleine im Briefbereich. Schätzungen zufolge zählt die Briefbranche insgesamt 172 000 Beschäftigte. Wenn man sich diese Daten vor Augen führt, wird deutlich, dass es von unseren Kollegen aus der letzten Wahlperiode nicht nur eine gute Idee, sondern vor allem vorausschauend war, über das Büro für Technikfolgenabschätzung eine Studie erarbeiten zu lassen, anhand der gegenwärtige Trends identifiziert und deren Auswirkungen auf den Postmarkt untersucht werden. Die zentralen Fragestellungen der uns vorliegenden Analyse wurden auch hier im Deutschen Bundestag in der Vergangenheit bereits häufig debattiert. Sie lauten: Wenn die Menschen immer mehr digital kommunizieren, welche Auswirkungen hat dies dann auf den Briefmarkt? Wie viele Briefe werden in Zukunft überhaupt noch verschickt? Und was bedeutet das für den staatlich garantierten Postuniversaldienst? Bekommt zukünftig noch jeder Haushalt in jedem Weiler den Brief zugestellt? Ausgangspunkt der Studie ist die Annahme, dass der Briefmarkt durch verstärkte elektronische Kommunikation zunehmend unter Druck geraten werde. Die Folge seien stagnierende bzw. sinkende Briefmengen infolge der sogenannten E-Substitution: Durch die Nutzung anderer Kommunikationskanäle wird der klassische Briefversand zunehmend ersetzt – und dies dauerhaft. Dieser Trend wird durch Breitbandausbau, steigende Verbreitung von Smartphones und Tablets, soziale Netzwerke – facebook, twitter – und Cloud-Computing weiter verstärkt. Die Studie bezieht sich auf eine Modellrechnung auf Basis von Zahlen und Rahmenbedingungen des Jahres 2009, der zufolge zukünftig gut ein Viertel der bislang versandten Briefmenge als substitutionsfähig angesehen wird. Vor allem Einladungen, Bestellungen und Rechnungen würden künftig via SMS, Webformulare oder E-Mail versandt werden. Bei optimistischen Annahmen würde sich die Briefmenge über alle Segmente – bezogen auf das Jahr 2010 – bis 2020 um 13,3 Prozent reduzieren, in der Maximalvariante um ein Drittel. Dies entspräche in absoluten Zahlen in Deutschland zwischen 2,3 und 5 Milliarden weniger Briefsendungen pro Jahr. Ergebnis des Berichts ist also eine erwartete Reduktion des Briefvolumens und dessen Substitution durch elektronische Kommunikationsmittel. Erstaunlich ist allerdings, dass sich dies – zumindest für Deutschland – in dieser Eindeutigkeit bislang nicht bestätigen lässt. Der Briefmarkt in Deutschland hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Entwicklung vollzogen: Seit dem Einbruch der Sendungsmengen im Zuge der Wirtschaftskrise 2009 – damals verringerte sich das Volumen von 17,4 auf 16,3 Milliarden – ist die Sendungsmenge in Deutschland konstant geblieben und ist in den letzten Jahren sogar wieder leicht angestiegen. Gerade für das Jahr 2013 wird aufgrund der SEPA-Umstellung sowie der Bundestagswahlen ein sehr gutes Ergebnis erreicht. Fest steht, dass die stabile Briefmengenentwicklung in Deutschland eine Ausnahme im Vergleich zu vielen anderen europäischen Staaten darstellt. So sind die Sendungsmengen in anderen westeuropäischen Ländern wie Dänemark oder Großbritannien teilweise um knapp 4 Prozent pro Jahr zurückgegangen, während – wie erwähnt – die Entwicklung des Briefvolumens in Deutschland keineswegs eine negative Tendenz aufweist. Die Zahlen der letzten Jahre legen den Schluss nahe, dass das Medium Brief in Deutschland trotz Verfügbarkeit und Nutzung alternativer Möglichkeiten zur Nachrichtenübermittlung eine gleichbleibende Akzeptanz zu genießen scheint. Woran liegt das? Ich denke, dass hierfür verschiedene Ursachen wie die konjunkturelle Entwicklung, aber auch vor allem zwei Gründe ausschlaggebend sind, die eng mit der Liberalisierung des Briefmarktes zusammenhängen, von der letztlich alle Beteiligten profitiert haben: erstens die wettbewerbsfähigen Preise und zweitens die angebotene Qualität der deutschen Postdienstleister. Zur Klarstellung: Der Standardbrief, dessen Porto jüngst zweimal auf nun 60 Cent erhöht wurde, spielt auf dem Markt nur eine Nebenrolle: Die Sendungsmenge von „Privat zu Privat“ macht insgesamt gerade einmal 4 Prozent aus. Die Post geht ab im Geschäftskundenbereich. Der lizenzpflichtige Briefmarkt wird durch Geschäfts- und Werbepost geprägt und hat einen Marktanteil von über 90 Prozent. Hier hat die vollständige Öffnung des Briefmarktes im Jahr 2008 einen Wettbewerb eröffnet, in dessen Folge signifikante Preissenkungen stattfanden. Durch die gefallenen Versandkosten wurde auch die Wirtschaft kostenmäßig entlastet. Dieser Preiswettbewerb führt aber auch immer wieder zu Auseinandersetzungen. So untersucht das Kartellamt gerade die Preisgestaltung der Deutschen Post AG im Geschäftskundenbereich. Dabei steht allerdings nicht der Wettbewerb an sich infrage, sondern vielmehr die Art und Weise. Eine weitere Folge der Liberalisierung und der Entwicklung eines effektiven Wettbewerbs auf dem Briefmarkt ist, dass sich aus Sicht der Verbraucher die angebotenen Dienstleistungen und der Service der Marktakteure wesentlich verbessert haben. Der Briefmarkt in Deutschland weist eine hohe Qualität auf und das auf allen relevanten Feldern: von der hohen Güte der Zustellung über die niedrige Quote an Beschädigungen bis hin zu äußerst geringen Laufzeiten der Sendungen; 95 Prozent der eingelieferten Briefe erreichen am nächsten Tag ihr Ziel. Wettbewerbsfähige Preise und das angebotene Serviceniveau dürften wesentliche Gründe dafür sein, dass sich die Stellung des Briefes in Deutschland bislang als robust darstellt. Die Liberalisierung des Briefmarktes war richtig und wichtig. Die Entwicklung anderer Postmärkte in Europa zeigt dies eindrücklich auf. Auch wenn die im TAB-Bericht zugrunde gelegte Entwicklung sinkender Briefmengen bislang in Deutschland nicht bestätigt wird, sollten wir nicht davon ausgehen, dass dieses Szenario bei uns auch für die Zukunft ausgeschlossen werden kann. Viel wird mit Sicherheit auch davon abhängen, wie weit die Menschen in Zukunft Vertrauen in die elektronische Kommunikation (zurück-)gewinnen. Gerade im Bereich der IT-Sicherheit haben wir in Deutschland eine ganze Reihe innovativer Unternehmen, deren Verschlüsselungstechnologien weltweit führend sind. Gerade -solche Systeme wären dazu geeignet, der sogenannten E-Substitution einen nennenswerten Schub zu verleihen. Auch die vom Wirtschaftsministerium geförderte Entwicklung der papierlosen Rechnung – der sogenannte „ZUGFeRD“-Standard – ist ein Beispiel dafür, dass zukünftig deutlich mehr Geschäftspost elektronisch abgewickelt werden könnte. Für ein solches Szenario bietet der TAB-Bericht eine ganze Reihe interessanter Strategien, wie Postdienstleister auf das Problem sinkender Briefmengen reagieren könnten. Letztlich wirft der TAB-Bericht für uns aber die Frage auf, wie vonseiten der Politik auf E-Substitution reagiert werden kann und ob die Vorgaben des Universaldienstes angesichts sinkender Briefmengen gelockert werden sollten. Dies wäre beispielsweise bei den Vorgaben für stationäre Einrichtungen – Poststellen, Briefkästen –, den Laufzeiten, den vorgegebenen Zustelltagen denkbar. Auch kann über die Anpassung von Porti nachgedacht werden. Aber im TAB-Bericht steht auch: „Da nicht mit kurzfristigen Briefmengeneinbrüchen, sondern eher mit mittelfristigen Mengenabsenkungen zu rechnen ist, bleibt Zeit, notwendige Anpassungen gründlich vorzubereiten und unter Einbezug von Wissenschaft und Öffentlichkeit mit den Beteiligten breit zu diskutieren.“ Dem möchte ich mich anschließen. Akuter Handlungsbedarf besteht nicht, aber wir müssen die Augen offen halten. Die zunehmende Informatisierung und breitbandige Vernetzung der Gesellschaft bilden den Kontext, in den sich der Wandel postalischer Dienstleistungen einfügt. Auch wegen kluger wirtschaftspolitscher und regulatorischer Entscheidungen in der Vergangenheit verfügen wir in Deutschland über einen funktionstüchtigen Briefmarkt. Wir werden dies morgen früh wieder erleben, wenn wir unsere prallgefüllte Postmappe vor uns liegen haben. Klaus Barthel (SPD): Wir begrüßen den vorliegenden Bericht. Wir hoffen sehr, dass er dazu beitragen kann, eine breite und fundierte Debatte darüber zu führen, welche Anforderungen an eine moderne und flächendeckende Infrastruktur an Postdienstleistungen und elektronischer Kommunikation zu stellen sind – und welche Aufgaben dabei dem Staat zukommen. Nicht zuletzt auf unsere Anregung hin wurden drei Kernfragen formuliert: Welche Bestandteile des Briefmarktes können bzw. werden elektronisch substituiert? Wie wirkt sich das auf das Briefaufkommen aus? Welche Folgen ergeben sich daraus für den staatlich garantierten Postuniversaldienst? Bis zur Privatisierung der Post waren Postdienstleistungen eine Aufgabe der staatlichen Leistungsverwaltung. Bis dahin war übrigens völlig klar, dass es einen engen sachlichen Zusammenhang gibt zwischen Briefen, Paketen und Telefon bzw. Telekommunikation – auch wenn man heute manchmal den Eindruck hat, erst durch die Hoffnungen und Träume zum florierenden Internet-, Online- und Versandhandel, neudeutsch E-Commerce oder „E-Tailing“, würde dieser Zusammenhang völlig neu entdeckt. Durch den Postuniversaldienst wird eine Grundversorgung auch nach der Privatisierung sichergestellt. Der Staat hat die flächendeckende Grundversorgung in einer bestimmten Qualität zu gewährleisten und sich dabei der am Markt aktiven Postunternehmen zu bedienen. Der Universaldienst ist im Grundgesetz durch Artikel 87 f GG verankert und im Postgesetz, PostG, sowie in der Post-Universaldienstleistungsverordnung, PUDLV, genauer gefasst. Der Bericht weist darauf hin, dass sich der Gesetzgeber über die sogenannte Anpassungsklausel in § 11 des Postgesetzes, PostG, selbst auferlegt hat, die Universaldienstleistungen „der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung nachfragegerecht anzupassen“ und dabei nur solche Leistungen in den Universaldienstkatalog aufzunehmen, „die allgemein als unabdingbar angesehen werden“. Danach können sowohl neue Dienstleistungen ergänzt als auch bisherige Dienstleistungen aus dem Universaldienst herausgenommen werden, wenn sich die unabdingbare Nachfrage entsprechend verändert hat. Es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen Postdienstleistungen und Telekommunikation. Deshalb gibt das Grundgesetz in Verbindung mit dem Telekommunikationsgesetz, TKG, auch für die Telekommunikation eine Gewährleistungspflicht des Bundes für flächendeckende und ausreichende Dienstleistungen vor. Als Ziel der Regulierung steht deshalb auch im TKG „die Sicherstellung einer flächendeckenden gleichartigen Grundversorgung in städtischen und ländlichen Räumen mit Telekommunikationsdiensten (Universaldienstleistungen) zu erschwinglichen Preisen“. Schon hier ist deshalb darauf hinzuweisen: Anpassungen beim Post-universaldienst haben unmittelbare Folgen für die Anforderungen an den Universaldienst im Bereich Telekommunikation. Anders und deutlicher ausgedrückt: Es kann zum Beispiel überhaupt nicht über eine Reduzierung der Zustelltage bei Briefen nachgedacht werden, ohne zugleich die völlig veralteten Vorgaben im TKG zu Festnetzanschluss, Telefaxanschluss, Münz- und Kartentelefonen sowie minimalen Bandbreiten („funktionaler Internetzugang“) nach oben anzupassen. Aus dem TAB-Bericht ergibt sich für die nationale Regulierung, zum Teil aber auch nur nach Abänderung der europäischen Vorgaben, unter anderem in folgenden Bereichen Gestaltungsspielraum, um den Postuniversaldienst und seine Finanzierung an deutlich reduzierte Briefmengen anzupassen: Vorgaben für stationäre Einrichtungen (Poststellen, Briefkästen); Laufzeiten, die in der Post-Universaldienstleistungsverordnung, PUDLV, vorgegeben werden; Reduzierung der Zustelltage von derzeit sechs auf fünf Tage; entfernungsabhängige Staffelung der Porti; Erweiterung des Postuniversaldienstes um den sicheren E-Brief; einheitlicher Universaldienst für Post und Telekommunikation. Bisher besteht weitgehend Konsens: Der weiterzuentwickelnde (Post-)Universaldienst muss weiterhin die Anforderungen an die Qualität, die Zuverlässigkeit, die Verfügbarkeit, die Flächendeckung, die Erschwinglichkeit, die Datensicherheit und den Datenschutz ähnlich den Anforderungen an den herkömmlichen Briefdienst festlegen. Das Brief- und Postgeheimnis wäre auf den E-Brief auszudehnen, und zumindest optional müsste der E-Brief das Schriftformerfordernis erfüllen können. Im Zuge der immer größeren Bedeutung von Express-, Kurier- und Paketdiensten ist zu prüfen, wie die Kundenrechte auf flächendeckende Angebote, sichere Zustellung und Bezahlbarkeit auch dann und dort gesichert werden können, wenn der Wettbewerb an Intensität verliert. Für die Politik gibt es auf nationaler Ebene im Rahmen oder unter Abänderung der europäischen Universaldienstvorgaben einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Notwendige Anpassungen sind gründlich vorzubereiten und unter Einbezug von Wissenschaft und Öffentlichkeit mit den Beteiligten breit zu diskutieren. Der Grundgedanke, dass eine flächendeckende, angemessene und erschwingliche Versorgung mit Post- wie Telekommunikationsdienstleistungen zur Daseinsvorsorge gehört, die staatlich gewährleistet sein muss, darf nicht aufgegeben werden. Für die weitere Diskussion muss uneingeschränkt der Grundsatz aus dem Koalitionsvertrag gelten: „Wir werden eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und bezahlbare Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Postdienstleistungen sicherstellen. Am Postuniversaldienst werden wir festhalten.“ Für die SPD kommt eine Reduzierung oder/und Verschlechterung des Universaldienstes, etwa eine Reduzierung der Zustelltage von sechs auf fünf, eine wie immer geartete Preisstaffelung, sei es nach Entfernungen oder Höchstlaufzeiten, eine Herausnahme einzelner Sendungsformen (zum Beispiel Zeitschriften und Zeitungen, Pakete usw.), nicht infrage. Es wäre nicht hinnehmbar, dass beispielsweise kleine Privatkunden am Ende schlechter behandelt werden als zahlungskräftige Großversender. Beim Thema E-Brief halten wir die Anregungen des TAB-Berichts für sinnvoll und berechtigt. Zudem ist der Bund gefordert, durch regulatorische Vorgaben die Finanzierung des Universaldienstes sicherzustellen. Der Vorschlag des TAB-Berichtes, den Universaldienst Telekommunikation und Post zusammenzufassen, halten wir für prüfenswert. Es kann nicht dabei bleiben, dass im Bereich Telekommunikation im Zuge der Debatten um Breitbandstrategie und Netzneutralität eine Definition von Universaldienst aus den 1990er-Jahren gilt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Der Postsektor steht wieder einmal vor einem tiefgreifenden Wandel, und zwar ganz anders, als viele bis vor kurzem geglaubt haben. Wer hätte vor 10, 15 oder 20 Jahren mit einer Wiederauferstehung des tot geglaubten Paketes gerechnet. Damals ein riesiges Verlustgeschäft. Damals war der Brief die Cashcow der Deutschen Post, also der Gewinnbringer, an dem sich alle Wettbewerber und Regulierer abgearbeitet haben. Behauptet wurde, dass sich nach einer Liberalisierung wie in den USA das Sendungsvolumen verdoppeln würde. Nichts dergleichen. Im Gegenteil: Bei stagnierendem Briefgeschäft und kriselndem Paket haben Sozialdemokraten damals gegen die seinerzeitigen Markttendenzen und gegen alle Widerstände aus der Branche den Universaldienst verpflichtend geregelt. Im Nachhinein ist klar: Wir haben die Branche zu ihrem Glück gezwungen. Heute sind das Filialnetz und die Zustellungsverpflichtungen ein riesengroßer Wettbewerbsvorteil und für Deutschland ein Standortvorteil. Das Briefgeschäft geht in Deutschland maßvoll zurück, um gut 1 Prozent pro Jahr. In den Niederlanden, Belgien, Großbritannien bis zu fünfmal so schnell, sodass dort die Leistungen in der Fläche schon massiv eingeschränkt werden. Dennoch besteht die Gefahr, so das TAB, dass schon in wenigen Jahren ein typisches Postunternehmen in massive Probleme kommt, wenn das Briefgeschäft kontinuierlich zurückgeht, da die Kosten nicht so schnell sinken können wie das Sendungs- und Umsatzvolumen. Ohne Schwarzmalerei müssen wir diese Entwicklung beobachten. Der Jubel über den E-Commerce darf den Blick über diesen Strukturwandel nicht verstellen. Die ganze Postbranche, Brief und Paket und die da-zugehörende Logistik, dürfen nicht wieder den Fehler machen, durch Dumpingwettbewerb und Leistungsverschlechterungen auf den Strukturwandel zu reagieren. Wir, Staat und Politik, können im Postsektor auf ein erfolgreiches Stück Industrie- und Dienstleistungspolitik zurückblicken. Hätten wir allein die Marktkräfte walten lassen, stünden wir heute viel schlechter da. Wir sind gut beraten, gerade mit Blick auf den dynamischen Wandel, den regulatorischen und politischen Rahmen bewusst zu gestalten. Herbert Behrens (DIE LINKE): Vor ein paar Monaten ging es hoch her bei mir in meinem Wahlkreis Osterholz-Verden. Stein des Anstoßes war die total aus dem Ruder geratene Postzustellung. Bis zu vier Tage warteten nicht nur Privatkunden auf die Zeitung per Post oder die Geburtstagskarte. Auch Geschäftskunden beklagten sich über verspätete Zustellungen. Das sogenannte Beschwerdemanagement der Post hatte alle Hände voll zu tun, mit Standardbriefen zu antworten. Krankheitsbedingt habe es Ausfälle gegeben, wurde mitgeteilt. Am Ende eines Arbeitstages der Zustellerinnen und Zusteller würden diese ihre Touren beenden und am nächsten Tag weitermachen, wo sie am Vortag aufgehört haben. Die neue Tour kam obendrauf. Ich habe mit Kolleginnen und Kollegen gesprochen. Sie erzählten mir, es seien nicht nur krankheitsbedingte Ausfälle gewesen, die eine ordentliche Arbeit unmöglich machten. Vielmehr seien die größer geschnittenen Zustellbezirke und die häufigen Personalwechsel in den Bezirken die wirklichen Gründe für die Verspätungen. Hier wird deutlich, dass eine privatisierte Post nicht dazu beigetragen hat, guten Service und gute Qualität zu vernünftigen Preisen zu bieten. Die Privatisierung der Post hat, wie auch die Privatisierung anderen öffentlichen Eigentums wie zum Beispiel der Bahn, globale Unternehmen hervorgebracht, die nur einem Ziel verpflichtet sind: nämlich höchsten Gewinn zu produzieren. Die Linke hat zusammen mit den Beschäftigten und Gewerkschaften der Post in den 1990er-Jahren gegen die Politik der damaligen Großen Koalition gekämpft. Und auch heute unterstützen wir die Kolleginnen und Kollegen bei ihrem Kampf für gute Arbeit auch bei der Post. Der hier heute vorgelegte Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung soll nun aufzeigen, auf welchen neuen Geschäftsfeldern sich die Post künftig tummeln könnte, ohne dabei den grundgesetzlichen Auftrag, eine flächendeckende und hochwertige Grundversorgung, zu vernachlässigen. Umfassend wird dargestellt, wie ein Postuniversaldienst der Zukunft aussehen könnte. Dabei wird deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht in jedem Fall einen besseren Service und eine bessere Qualität erhalten würden. Vielmehr ist die bessere Auslastung des Personals im Fokus, wenn in Zukunft weniger Briefe und Zeitungen zugestellt werden müssen. Im Bericht wird auf die Dienstleistung in Frankreich mit dem Namen „Bonjour Facteur“ hingewiesen. Dort prüfen Zustellerinnen und Zusteller an mehreren Tagen in der Woche während ihrer Zustelltour, ob es älteren Menschen gut geht oder ob sie Hilfe benötigen. Außerdem werde mit dem Angebot haushaltsnaher Dienstleistungen experimentiert, wo Zustellerinnen und Zusteller während ihrer Touren auch Gasflaschen austauschen oder Empfangsboxen für digitales Fernsehen installieren. Solche Überlegungen haben aber auch gar nichts mit dem Arbeitsalltag der Beschäftigten in Deutschland zu tun, die heute durch ihre Bezirke hecheln, um die Post an die Empfänger zu bringen. Eine andere Perspektive wäre, mit dem wenigen Personal mehr zu schaffen, indem der elektronische Brief einen Teil des heute Üblichen übernimmt. Doch an dieser Stelle muss der Bericht sehr unbestimmt bleiben. Es ist nicht klar, um wie viel die Briefmenge abnehmen wird, wie viele der heute verschickten Briefe durch elektronische vollständig ersetzt werden können und wie viel zusätzlich zu den heutigen Briefmengen hinzukommt. Das Thema De-Mail wird im Bericht noch ausführlich dargestellt, obwohl dieses Projekt gescheitert ist. Die Autoren des Berichts versuchen, einen Blick in die Zukunft der Briefdienstleistungen zu werfen. Das ist sinnvoll, damit wir hier im Bundestag, aber auch im Unternehmen Deutsche Post in der Lage sind, politische Weichenstellungen vorzunehmen. Und wenn wir uns mit den Erkenntnissen des Berichts auseinandersetzen werden, dann wird die Linksfraktion immer die Interessen der Kundinnen und Kunden und der Postbeschäftigten im Auge haben. Aber eine Richtung – das will ich hier schon mal klarstellen – wird es mit der Linksfraktion nicht geben: Einer Postreform III mit noch mehr Belastungen für die Postbeschäftigten werden wir entschiedenen Widerstand entgegensetzen. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Lieferung der Post an den Briefkasten vor unserer Haustür ist für uns alle selbstverständlicher Alltag – egal ob wir in der Stadt oder auf dem Land leben. Der Postuniversaldienst ist – und zwar festgeschrieben im Grundgesetz – Teil der öffentlichen Daseins-vorsorge wie Strom- und Wasserversorgung, Telefon oder öffentlicher Nahverkehr. Die gesetzliche Verpflichtung der Postdienstleister muss grundsätzlich auch erhalten bleiben, da herrscht sicher ein breiter politischer Konsens. Dennoch hat der TAB-Bericht deutlich gemacht, dass die Bedeutung von klassischen Briefen vor allem ihm Rahmen unserer privaten Kommunikation massiv an -Bedeutung verloren hat und im Wesentlichen durch E-Mails, SMS oder Kurznachrichtendienste ersetzt wurde. Nur noch 4 Prozent der gesamten Briefmenge werden von Privatpersonen an andere Privatpersonen verschickt. Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, schreiben wir also keine Briefe mehr. Nicht verwunderlich ist es daher, dass dies laut TAB-Bericht zur Folge hat, dass der Briefmarkt auf absehbare Zeit weiter schrumpfen wird. Hinzu kommen der demografische Wandel und der teilweise deutliche Bevölkerungsrückgang in einigen Regionen unseres Landes, der die Postdienste auch heute schon vor große Herausforderungen stellt. Diese Entwicklung bedeutet jedoch nicht, dass wir die Postuniversaldienste infrage stellen. Denn zum Auftrag der Daseinsvorsorge gehört, dass niemand davon abgehängt werden darf. Auch vor dem Hintergrund, dass ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland nach wie vor keinen Internetzugang hat bzw. das Internet nicht nutzt, sind die Postuniversaldienste in ihrer Versorgungsfunktion unverzichtbar. Solange ein bedeutender Teil der Menschen nicht online ist – aus welchen Gründen auch immer –, muss der klassische Briefdienst in der heutigen Qualität erhalten bleiben. Niemand darf hier ausgeschlossen werden. Laut dem TAB-Gutachten haben wir noch etwas Zeit, um die notwendigen Anpassungen gründlich zu diskutieren und vorzubereiten. Dabei geht es auch um die Frage, wie wir den Postuniversaldienst auch in Zukunft gewährleisten wollen, ohne dass Aufwand und Kosten unverhältnismäßig steigen. Technische Möglichkeiten wie der sichere E-Brief werden ein Teil der Antwort sein, sie sind bisher aber weder ausgereift noch von der Bevölkerung ausreichend akzeptiert. Hier müssen Politik und Wirtschaft gemeinsam mehr Anstrengungen unternehmen, um diesen -hohen Standards elektronischer Korrespondenz zu einer breiten Nutzung zu verhelfen. Der sichere E-Brief oder andere elektronische Alternativen zum Brief aus Papier müssen zudem hohe Anforderungen an Qualität, Datensicherheit, Zuverlässigkeit und Flächendeckung erfüllen, bevor wir den Postuniversaldienst in seiner jetzigen Form infrage stellen dürfen. Gerade in puncto Datensicherheit sind hier wichtige Fragen offen. Fast jeden Tag hören wir in den Medien von Hackerangriffen, der Datensammelwut von Google und neuen Enthüllungen über gigantische Ausspähprogramme ausländischer Geheimdienste. Erst gestern rief eBay seine Nutzer dazu auf, wegen eines Hackerangriffs dringend ihr Passwort zu ändern. Leider haben die Regierungen Merkel bisher nichts unternommen, um dem zunehmenden Vertrauensverlust in die Datensicherheit der elektronischen Kommunikation zu begegnen. Ganz im Gegenteil: Im vergangenen Jahr hat man noch versucht, den NSA-Abhörskandal frühzeitig für beendet zu erklären. Statt für die Verteidigung unserer Grundrechte einzutreten, die jeden Tag durch NSA und Co verletzt werden, gibt die Bundes-regierung beim No-Spy-Abkommen sang- und klanglos klein bei. Lieber macht sich die Bundesregierung Sorgen darüber, ob man die USA verärgert, wenn der NSA--Untersuchungsausschuss Edward Snowden in Deutschland verhört. Das alles zeigt, welchen erschreckend -geringen Stellenwert digitale Bürgerrechte für die Koalition haben. Klar ist: Die Bedeutung der elektronischen Kommunikation wird weiter wachsen. Wir Grüne begreifen den schnellen Internetzugang nicht nur als wichtigen Standortfaktor, sondern genauso als Teil einer modernen -Daseinsvorsorge. Es kann nicht sein, dass ganze Landstriche immer noch vom schnellen Internet abgehängt sind, weil sich der Breitbandausbau in ländlichen Regionen für die Anbieter oft nicht lohnt. Die Aufgabe, den ländlichen Raum mit einem angemessenen Netzzugang zu versorgen, darf also nicht dem freien Spiel der Marktkräfte allein überlassen bleiben. In Deutschland hinkt die Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen massiv hinterher. Im europäischen Vergleich liegen wir bei der Glasfaseranschlussquote an der letzten Stelle. In den großen Städten gibt es zwar meistens ein gutes Netz, aber schon an den Stadträndern beginnt nicht das von der Bundeskanzlerin hochgelobte Neuland, sondern eher das digitale Niemandsland. Für eine der größten Industrienationen ist das in meinen Augen eine erschreckende Bilanz. Und was hat die Bundesregierung hier bisher getan? Sie schafft das Amt eines Internetministers, der zwar viel vom Ausbau der digitalen Infrastruktur spricht, aber bislang keine Konzepte und Ideen verlauten lassen hat. Auch die Finanzierung bleibt ungewiss: Minister Dobrindt will die Erlöse aus der Versteigerung von -Mobilfunklizenzen dafür verwenden. Die letzte Versteigerung solcher Lizenzen hat 2010 aber gerade mal 4,4 Milliarden Euro eingebracht. Benötigt wird jedoch mindestens das Fünffache davon. Der ländliche Raum wird wegen fehlender Mittel noch länger auf das schnelle Netz warten müssen, auch weil die Große -Koalition es versäumt hat, Fördermittel für den Breitbandausbau und die steuerliche Forschungsförderung im Koalitionsvertrag zu verankern. Der Breitbandausbau ist vielleicht das wichtigste technische Infrastrukturprojekt der nächsten Jahre und elementar, um Lebensqualität und Wirtschaftskraft im ländlichen Raum zu stärken. Statt weiter viele Milliarden in fragwürdige Straßenneubauprojekte zu stecken, sollte Deutschland erst einmal ein flächendeckendes Datenautobahnnetz bekommen. Wir Grüne fordern auch bei dieser Frage die richtige Prioritätensetzung ein. Anlage 13 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes teilgenommen haben (Zusatztagesordnungspunkt 5) CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Andreas Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoguz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Dr. Valerie Wilms