Plenarprotokoll 18/41 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 41. Sitzung Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 I n h a l t : Wahl der Abgeordneten Kathrin Vogler als Schriftführerin 3565 A Tagesordnungspunkt I: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-setzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz – LVRG) Drucksache 18/1772 3565 B b) Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Matthias W. Birkwald, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebensversicherungen auf den Prüfstand stellen – Kein Schnellverfahren zu Lasten der Versicherten Drucksache 18/1815 3565 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 3565 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) 3566 D Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) 3567 D Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3569 B Anja Karliczek (CDU/CSU) 3570 C Tagesordnungspunkt II: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-setzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksachen 18/700, 18/702 3571 C b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksachen 17/14301, 18/1026 3571 C II.1 Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsi-dialamt Drucksachen 18/1023, 18/1024 3571 C II.2 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag Drucksachen 18/1002, 18/1023 3571 D II.3 Einzelplan 03 Bundesrat Drucksache 18/1024 3571 D II.4 a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen Drucksachen 18/1008, 18/1023 3572 A b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof Drucksache 18/1024 3572 A c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2014 Drucksachen 18/1050, 18/1223, 18/1762 3572 A d) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herstellung des Einver-nehmens von Bundestag und -Bundesregierung zum Begehren der Republik Litauen, der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beizutreten und den Euro als Umlaufwährung einzuführen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9a des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/1800 3572 B e) Beratung der Unterrichtung durch das Bundesministerium der Finanzen gemäß § 9a des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in  Angelegenheiten der Europäischen Union: Beitritt Litauens zum Euroraum Drucksache 18/1730 3572 B Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 3572 C Norbert Barthle (CDU/CSU) 3574 C Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3576 B Johannes Kahrs (SPD) 3578 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 3580 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) 3582 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) 3583 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3585 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) 3586 A Dr. Axel Troost (DIE LINKE) 3588 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) 3589 A Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3591 C Norbert Brackmann (CDU/CSU) 3592 C Christian Petry (SPD) 3593 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) 3594 C Uwe Feiler (CDU/CSU) 3596 B II.5 Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/1023, 18/1024 3598 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) 3598 C Steffen-Claudio Lemme (SPD) 3599 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3600 D Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 3601 C Christian Hirte (CDU/CSU) 3603 A Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB 3604 D Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3606 A Roland Claus (DIE LINKE) 3607 C Marie-Luise Dött (CDU/CSU) 3608 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3610 A Dr. André Berghegger (CDU/CSU) 3611 C Sören Bartol (SPD) 3613 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) 3613 B Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3613 D Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) 3615 B Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) 3617 A II.6 Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Drucksachen 18/1023, 18/1024 3618 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 3619 A Helmut Heiderich (CDU/CSU) 3620 B Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3621 D Petra Hinz (Essen) (SPD) 3623 D Hermann Gröhe, Bundesminister BMG 3626 A Harald Weinberg (DIE LINKE) 3628 A Burkhard Blienert (SPD) 3629 D Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3631 A Jens Spahn (CDU/CSU) 3631 D Dr. Edgar Franke (SPD) 3634 C Maria Michalk (CDU/CSU) 3636 C Reiner Meier (CDU/CSU) 3638 A II.7 Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksachen 18/1016, 18/1023 3639 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 3640 A Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ 3641 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3643 B Alois Rainer (CDU/CSU) 3644 C Ulrike Gottschalck (SPD) 3646 B Michael Leutert (DIE LINKE) 3647 D Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) 3648 D Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3650 D Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) 3651 D Stefan Schwartze (SPD) 3653 D Sylvia Pantel (CDU/CSU) 3654 D Michael Leutert (DIE LINKE) 3655 C Petra Crone (SPD) 3656 C Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) 3657 C II.8 Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 18/1010, 18/1023 3659 B Sabine Leidig (DIE LINKE) 3659 B Cajus Caesar (CDU/CSU) 3660 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3662 B Ulrich Freese (SPD) 3664 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 3665 A Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3666 C Karin Binder (DIE LINKE) 3667 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 3668 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3669 C Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) 3671 A Petra Crone (SPD) 3672 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3673 A Thomas Mahlberg (CDU/CSU) 3674 A Rainer Spiering (SPD) 3675 D Marlene Mortler (CDU/CSU) 3677 A Johann Saathoff (SPD) 3678 B Nächste Sitzung 3680 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 3681 A Inhaltsverzeichnis 41. Sitzung Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 Beginn: 10.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Plenarsitzung. Vor Eintritt in unsere Tagesordnung müssen wir noch eine Schriftführerwahl durchführen. Die Fraktion Die Linke schlägt vor, für die Kollegin Martina Renner die Kollegin Kathrin Vogler als Schriftführerin zu wählen. – Dazu stelle ich Einvernehmen fest. Damit ist die Kollegin Vogler als neue Schriftführerin gewählt. Ich rufe unsere Tagesordnungspunkte I a und I b auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz – LVRG) Drucksache 18/1772 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Matthias W. Birkwald, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Lebensversicherungen auf den Prüfstand stellen – Kein Schnellverfahren zu Lasten der Versicherten Drucksache 18/1815 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lebensversicherung ist eine der wichtigsten Spar- und Altersvorsorgeformen in Deutschland. Ende 2012 gab es 88 Millionen Lebensversicherungsverträge, oft mit Laufzeiten von 20 und mehr Jahren. Wir wollen und müssen dieses verbreitete und bewährte Instrument bewahren. Die Versicherungsnehmer müssen sich darauf verlassen können, dass sie die in ihren Verträgen zugesagten Leistungen auch in Zukunft erhalten. Dafür müssen wir die Vorschriften zur Beteiligung an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren anpassen. Solche Bewertungsreserven entstehen dadurch, dass der Marktwert von festverzinslichen Anleihen bei sinkenden Zinsen über dem ursprünglichen Kaufpreis liegt. Dabei ist es natürlich so, dass sich der Marktwert bei festverzinslichen Wertpapieren am Ende der Laufzeit immer zum Nominalbetrag hin entwickelt, sodass die Bewertungsreserven nur vorübergehend vorhanden sind. Diese Bewertungsreserven sind aufgrund der derzeit niedrigen Zinsen besonders hoch. Sie waren 2012 – das sind die letzten verfügbaren Zahlen – so hoch wie niemals zuvor. Deshalb müssen sie in einer fairen Weise zwischen den Versicherten aufgeteilt werden. Die derzeitige Regelung ist nicht optimal. Durch die Beteiligung an den Bewertungsreserven wird Versicherungskunden, deren Verträge heute enden, ein Teil der Zinszahlungen mitgegeben, die das Versicherungsunternehmen erst in Zukunft aus den festverzinslichen Anlagen vereinnahmt. Diese Zinszahlungen stehen also eigentlich den Versicherten zu, deren Verträge nicht heute, sondern erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten enden. Sie stehen ihnen dann aber nicht mehr zur Verfügung, wenn sie bereits ausgeschüttet wurden. Diese Beteiligungsregelungen gelten seit 2008, und sie begünstigen rund 7 Millionen Versicherte, deren Verträge in Kürze auslaufen. Aber die mehr als 80 Millionen Versicherten, deren Verträge noch eine längere Laufzeit haben, werden dadurch benachteiligt; langfristig würde die Erfüllung der Versicherungsansprüche aller anderen Versicherten dadurch gefährdet. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2005 klargestellt, dass der Gesetzgeber die Ausschüttung der Bewertungsreserven nicht ausschließlich am Interesse der heute ausscheidenden Versicherten ausrichten darf; das sei mit dem Gedanken der Risikogemeinschaft nicht vereinbar. So wollen wir also mit unserem Maßnahmenpaket diese Benachteiligung beenden und dafür sorgen, dass die Versicherten sich langfristig auf stabile Auszahlungen aus ihren Verträgen verlassen können. An erster Stelle stehen dabei die garantierten Leistungen. Bewertungsreserven, die für die Sicherung des Garantiezinses für alle Versicherten benötigt werden, müssen in der Versichertengemeinschaft verbleiben. Um es klar zu sagen: Von dieser Neuregelung sind nur die Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren betroffen. Die Regelungen zur Beteiligung ausscheidender Versicherter an Bewertungsreserven etwa aus Aktien oder Immobilien werden nicht verändert, weil Bewertungsreserven bei diesen Anlageformen, anders als bei den festverzinslichen Anlagen, nicht notwendigerweise nur einen vorübergehenden Charakter haben. Da ändert sich nichts. Übrigens ändert sich auch bei den garantierten Leistungen nichts: Die zugesagte Mindestverzinsung wird bei jedem Vertrag gesichert. Der Zweck ist gerade, die Versicherungsgesellschaften in die Lage zu versetzen, diese Garantien einzuhalten. Unser Maßnahmenpaket ist ausgewogen und gerecht. Im Mittelpunkt stehen die Ansprüche der Versichertengemeinschaften. Wir achten darauf, dass auch die Versicherungsunternehmen, die Anteilseigner und der Vertrieb einen fairen Beitrag leisten. Die Unternehmen müssen künftig ihre Kunden mit 90 Prozent statt bisher nur mit 75 Prozent an den Risikoüberschüssen beteiligen. Risikoüberschüsse sind solche, die die Versicherungen dadurch haben, dass sie mit den Sterbetafeln, mit der Lebenserwartung vorsichtig kalkulieren und man in der Regel, weil man vorsichtig kalkuliert, gewisse Reserven hat. Sie müssen in Zukunft in einem größeren Maße den Versicherten zugutekommen. Wir greifen damit eine seit langem von Verbraucherschützern erhobene Forderung auf. Außerdem müssen die Lebensversicherungen ihr Risikomanagement weiterentwickeln, damit in dem schwieriger werdenden Marktumfeld etwaige Risiken früher erkannt und auch abgestellt werden können. Wir stärken entsprechend die Handlungsmöglichkeiten der Aufsicht. Sie soll problematischen Entwicklungen früher und effektiver begegnen können, etwa indem sie mehrjährige Prognoserechnungen und Sanierungspläne von den Versicherern verlangen kann. Wir werden so die große Stabilität der Lebensversicherungen auch in Zukunft erhalten. Auch die Eigentümer, also die Aktionäre, müssen zur Leistungssicherung beitragen. Soweit Bewertungsreserven zur Sicherung des Garantiezinses nicht ausgeschüttet werden können, müssen eben auch die Dividenden entsprechend gekürzt werden. Das ist eine faire Lastenverteilung zwischen Eigentümern und Kunden. Wir verlangen vom Versicherungsvertrieb eine höhere Kostentransparenz, und wir setzen Anreize zur Senkung der Abschlusskosten, indem wir die Möglichkeiten der Versicherungsunternehmen, die Abschlusskosten aus dem Neugeschäft in ihren Bilanzen auf Folgejahre vorzutragen, begrenzen. Schließlich müssen wir entsprechend der Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung – das ist eine Vereinigung, die immer empfiehlt, wie hoch der Garantiezins sein sollte – den gesetzlichen Garantiezins für neu abzuschließende Verträge absenken, von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent. Diese Regelung gilt aber ausschließlich für Verträge, die ab 2015 neu abgeschlossen werden. Diese Absenkung des gesetzlichen Garantiezinses ist notwendig, weil der bisherige Garantiezins inzwischen die Verzinsung sicherer Anlageformen übersteigt. Zehnjährige Bundesanleihen weisen derzeit eine Verzinsung von nur rund 1,4 Prozent aus. Deswegen kann eine höhere Garantieverzinsung ab 2015 gesetzlich nicht vorgeschrieben werden. Mit diesem Maßnahmenpaket schaffen wir eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung, die für mehr Gerechtigkeit zwischen den heute ausscheidenden und den verbleibenden Versicherten sorgt. Mittelabflüsse, sei es durch übermäßige Dividendenzahlungen oder zu hohe Kosten im Unternehmen oder eine unverhältnismäßige Beteiligung der heute ausscheidenden Versicherten an den Bewertungsreserven, werden gleichmäßig begrenzt. Mit diesem Gesetzentwurf geben wir der Sicherung von Garantieleistungen für alle Versicherten den Vorrang vor hohen Renditen für die heute ausscheidenden Versicherten oder vor den Dividenden für Aktionäre. Wir wollen damit die Attraktivität der Lebensversicherung als ein zentrales Instrument zur Altersvorsorge der Menschen in unserem Land langfristig und nachhaltig wahren. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Kollegin Susanna Karawanskij hat nun das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Versicherungslobby hat es geschafft: Durch Druck auf die Bundesregierung schaffte sie es, ihre Interessen durchzusetzen. Im Schatten der Weltmeisterschaft, während die Bürgerinnen und Bürger an den Fernsehapparaten sitzen, (Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Billig, billig!) soll das Lebensversicherungsreformgesetz hier im Bundestag im Schweinsgalopp durchgepeitscht werden. (Beifall bei der LINKEN) Hier geht es nicht um eine Bagatelle. Hier geht es um rund 88 Millionen Lebensversicherungen, die mit dem Versprechen, dass man damit einen Teil seiner Altersvorsorge bestreiten würde, an die Menschen gebracht wurden. Das wurde nicht nur jahrelang angepriesen, sondern vor allen Dingen auch noch steuerlich gefördert. Die Versicherungsbranche jammert, und das abgegebene Versprechen soll nun gebrochen werden. Das ist eine Zumutung für die 62 Millionen Versicherungsnehmer, die es betreffen kann, und diese Zumutung ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben, das deutlich macht, welche Ungerechtigkeit durch diesen Gesetzentwurf droht. Ein freiberuflicher Versicherungsnehmer hat vor etwa 30 Jahren zur Altersvorsorge Kapitallebensversicherungen bei einem Versicherungsunternehmen abgeschlossen, die dieses und kommendes Jahr fällig werden. Er hat fleißig eingezahlt. Noch vor sechs Jahren wurde dem Versicherten eine Modellrechnung vorgelegt, in der eine Gesamtversicherungsleistung von rund 203 000 Euro ausgewiesen wurde. Infolge der Finanzkrise ist der Betrag bereits geschmolzen. Nun soll – wie im Gesetzentwurf vorgeschlagen – auch noch die Beteiligung an den Bewertungsreserven reduziert werden, sodass der Versicherte mit einer Einbuße von 20 000 Euro rechnen muss. Das ist wahrlich kein Pappenstiel; schließlich geht es um die Altersvorsorge. Man muss es so knallhart sagen: Mit diesem Gesetz sollen den Versicherungsnehmern ihre Anteile vorenthalten werden. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) Die den Kunden zustehenden Überschüsse werden nicht ausbezahlt, sondern von den Versicherungen für die Aufstockung ihres Eigenkapitals einbehalten und dort geparkt. (Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch Quatsch!) Zusätzlich – das ist der eigentliche Skandal – sollen die Beteiligungen an den Bewertungsreserven drastisch zusammengestrichen werden. So werden den Kunden die ihnen zugesicherten Anteile vorenthalten; (Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr!) denn bereits jetzt gilt die Regelung, dass nur die Hälfte der Bewertungsreserven an die ausscheidenden Versicherungsnehmer ausgezahlt wird, die andere Hälfte bleibt bei den Versicherern. Um es deutlich zu sagen: Hier soll mithilfe von Rechentricks umgeschichtet werden, damit die Branche immer weniger von den erwirtschafteten Gewinnen an ihre Kunden auszahlen muss. (Beifall bei der LINKEN) Wirklich schlimm an der Sache ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf durchgebracht werden soll, obwohl ihm keine ordentliche Datenbasis zugrunde liegt. Es fehlt das entsprechende Zahlenmaterial. Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur Situation der Lebensversicherer war wirklich dürftig. Auf die Frage, wie sich die Erträge und Gewinne der zehn größten Versicherungsunternehmen in den letzten zehn Jahren gestaltet haben, gab es keine Antwort. Es gibt auch in Bezug auf Einzelunternehmen keine Zahlen dazu, wie hoch die ausgeschütteten Bewertungsreserven in der Vergangenheit waren bzw. wie sich deren Situation entwickelt hat. Auch bei der Antwort auf eine Frage zu den Bilanzanalysen der Versicherungsunternehmen in Deutschland musste die Bundesregierung passen, weil keine konkreten Studien vorliegen. Alles in allem ist das ein skandalöses Spiel, das vor allen Dingen auf dem Rücken der Versicherten stattfinden soll. Sehr geehrte Damen und Herren, wir bitten Sie: Nehmen Sie sich gebührend Zeit für dieses wichtige Gesetz, das so viele Verbraucherinnen und Verbraucher betrifft. Peitschen Sie den Gesetzentwurf nicht vor der Sommerpause durch. Das Mindeste ist, dass Sie dieses Gesetz auf eine solide Datenbasis stellen und nicht im Nebel herumstochern, ohne belastbare Zahlen zu den Einzel-aspekten der Reformvorschläge vorzulegen. Stellen Sie sicher, dass die Versicherten Zeit haben, sich beraten zu lassen und die gesetzlichen Auswirkungen auf ihre Verträge zu überprüfen. Es muss Vertrauensschutz gelten. Hier darf es keine weiteren Verunsicherungen der Versicherten geben. Vor allen Dingen dürfen die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer nicht weiter geschröpft werden, nur weil die Lobby wirkungsvoll Druck ausübt. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun der Kollege Carsten Schneider für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Karawanskij, ich bin mir nicht sicher, ob Sie den Gesetzentwurf tatsächlich gelesen haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zumindest die Stellungnahmen der Lobby, deren Interessen wir hier angeblich vertreten, haben Sie offensichtlich nicht gelesen; denn die sind alles andere als glücklich über diesen Gesetzentwurf. Im Gegenteil: In den Stellungnahmen, die ich in letzter Zeit bekommen habe, steht, dass wir das auf keinen Fall so verabschieden sollen. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Ist das Ihr Argument, zu sagen, dass alles gerecht zugeht?) Was ist das Ziel dieses Gesetzes? Ziel ist, die Lebensversicherung, die für viele Menschen einen wichtigen Teil ihrer privaten Altersvorsorge ausmacht, dauerhaft zu sichern und dafür zu sorgen, dass der versprochene Garantiezins auch in den nächsten 10, 15 und 20 Jahren ausgezahlt und gesichert wird. Die Lebensversicherung war in den vergangenen Jahren ein sehr intransparentes Produkt. Es gibt – Herr Minister Schäuble hat darauf hingewiesen – über 90 Millionen Verträge. In diesem Jahr werden knapp 7 Millionen Verträge fällig. Aufgrund der derzeitigen Niedrigzinsphase und der Tatsache, dass ein Großteil der Lebensversicherungen in Staatsanleihen investiert hat, die derzeit noch hohe Kurswerte haben, weil sie einen Zinscoupon von 3, 4 oder 5 Prozent bieten, entstehen Buchgewinne. Diese Buchgewinne werden nicht zugunsten der Versicherungsunternehmen ausgeschüttet; im Gegenteil: Sie werden innerhalb der Versichertengemeinschaft, bei den Versicherten, belassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Innerhalb der Versichertengemeinschaft – zwischen den Versicherten, deren Vertrag in diesem Jahr fällig wird, und denen, deren Vertrag in 20 Jahren fällig wird – findet ein Interessenausgleich statt, den wir fairer und gerechter machen wollen. Ich finde es ja interessant, dass Sie von der Linken jetzt die Interessen des Kapitals hier vertreten. Ich finde das bemerkenswert. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Haben Sie nicht zugehört?) Nehmen wir als Beispiel für die Buchgewinne eine deutsche Staatsanleihe, die derzeit bei 110 Prozent rentiert. Diese Staatsanleihe würde jetzt zu 110 Prozent ausgezahlt, realisiert wird sie aber am Ende – der Minister hat darauf hingewiesen – nur mit 100 Prozent. Das heißt, heute wird ein Betrag ausgezahlt, der in fünf oder zehn Jahren gar nicht fällig würde. Wenn die Versicherten also in fünf oder zehn Jahren ihren Ertrag ausgezahlt bekommen wollen, dann kann der Ertrag nicht mehr erbracht werden. Das ist eine Bevorteilung derjenigen, deren Versicherungsverträge jetzt fällig werden. Sie geht zulasten der 85 Millionen Versicherungsnehmer, deren Versicherungsverträge später fällig werden. Deshalb regeln wir heute einen fairen Ausgleich. Dabei haben Sie unsere Unterstützung, Herr Minister. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das ist aber nicht der einzige Punkt. Es gab schon einmal einen Anlauf für diese gesetzliche Regelung. Von daher können Sie nicht sagen, dass der Gesetzentwurf im Schweinsgalopp durchgepeitscht wird. Die letzte Bundesregierung hat ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wenn Sie beide Gesetzentwürfe vergleichen, stellen Sie deutliche Unterschiede fest. Dabei geht es nicht nur um die Bewertungsreserven, sondern auch um die Frage, wie in das Geschäftsmodell der Lebensversicherungs-unternehmen eingegriffen wird, wie Aktionäre, also die Eigentümer der Versicherungsunternehmen, an der langfristigen Stabilisierung beteiligt werden. Ich weiß nicht, ob die CDU/CSU früher von der FDP geknebelt wurde und jetzt befreit ist, weil die SPD dabei ist; (Beifall bei der SPD – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das als „Befreiung“ zu bezeichnen, ist ambitioniert!) auf jeden Fall ist der Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, deutlich besser. Wir machen das Produkt Lebensversicherung transparenter. Wir gehen auch auf die vielen Anregungen der Verbraucherschutzverbände ein, die uns im Übrigen unterstützen. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nein!) Die Provisionen werden transparenter ausgewiesen. Die kalkulatorischen Abschlusskosten für Versicherungsnehmer werden gekürzt: von 4 Prozent auf 2,5 Prozent. Das heißt, dass die Verwaltungskosten geringer werden, was wiederum bedeutet, dass das Produkt für den Kunden letztendlich besser wird. Es wird dadurch transparenter. Man kauft dann keine Blackbox, sondern weiß, was die tatsächlichen Kosten sind und wie hoch der tatsächliche Ertrag ist. Der zweite Punkt betrifft das, was die Versicherungsunternehmen jetzt kritisieren, nämlich die Ausschüttungssperre. Was bedeutet das? Wenn ein Unternehmen in den nächsten Jahren von der Kürzung der Bewertungsreserven Gebrauch macht, gilt gleichzeitig – darauf lege ich großen Wert – eine Ausschüttungssperre. Es gibt keine Dividende bzw. Ausschüttung an den Eigentümer, sondern der Sicherungsbedarf muss zur Stärkung des Garantiezinses in den Unternehmen verbleiben. (Beifall bei der SPD) Das ist auch ein Vorgriff auf zukünftige Regelungen zu den Lebensversicherungen durch Solvency II. Wir machen die Unternehmen im Sinne und im Interesse der Versicherten stabiler. Wer glaubt, dass es da keine Probleme gibt, den verweise ich auf den Bundesbankbericht zur Stabilität der Lebensversicherungen. Dieser Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass, wenn nichts passiert, in den nächsten Jahren ein Drittel der Unternehmen in Schwierigkeiten kommen wird. Ich möchte nicht, dass wir, nachdem wir schon Banken gerettet haben, als Nächstes auch noch die Lebensversicherungen retten und private Kapitalanlagen mit Steuergeld subventionieren müssen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) In der Haushaltsdebatte, die anschließend auf der Tagesordnung steht, wird deutlich werden, dass wir das Geld für andere Dinge brauchen. Von daher ist es nur klug und richtig, dass der Vorschlag – ich freue mich darüber, dass er gemacht wurde – aufgegriffen wurde, eine Ausschüttungssperre einzuführen, damit nicht Ertrag aus dem Unternehmen hinaus an die Aktionäre fließt, sondern im Unternehmen bleibt. Das führt zu größerer Stabilität. Darauf legen wir als Sozialdemokraten großen Wert. Der dritte Punkt betrifft die Risikoüberschüsse. Auch die diesbezügliche Regelung geht künftig zulasten des Unternehmensgewinns. Wenn die Unternehmen die Sterbetafel zu negativ kalkuliert haben – das war in den -letzten Jahren wohl öfter der Fall –, dann gingen diese Überschüsse zu 75 Prozent an die Versicherten und zu 25 Prozent an die Aktionäre. Das ändern wir. Die Gewinne werden nur noch zu 10 Prozent an die Aktionäre gehen und zu 90 Prozent bei der Versichertengemeinschaft bleiben. Auch das ist ein klarer Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit innerhalb der Versicherungsunternehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich denke aber auch, dass wir in Bezug auf die Form der Kapitalanlagen – das soll in einer Verordnung geregelt werden – den Versicherungen mehr Möglichkeiten geben sollten, auch in langfristige Infrastrukturprojekte zu investieren. Da haben wir in Deutschland recht großen Bedarf. Mit der derzeitigen Verzinsung von 1,4 Prozent für eine zehnjährige Bundesanleihe können Lebensversicherungen jedenfalls dauerhaft keinen wirklich nennenswerten Beitrag zur Altersvorsorge leisten. Von daher brauchen sie ein bisschen mehr Freiheit, um auch in Infrastrukturmaßnahmen zu investieren. Ich würde mich freuen, wenn das Bundesfinanzministerium den Vorschlag aufgreifen würde, die BaFin bzw. die Versicherungsaufsicht dadurch zu stärken, dass sie – so ähnlich, wie wir das im Bankenbereich haben – Eingriffsrechte gegenüber den Versicherungsunternehmen erhält. Sie sollte auch die Kontrolle über das Geschäftsmodell haben. Damit soll die langfristige Stabilität der Unternehmen gestärkt werden. Die BaFin wird so ein schärferes Schwert in der Hand haben, um die Versicherten zu schützen. Deshalb, Herr Minister, haben Sie für den Entwurf unsere Unterstützung. Die Richtung stimmt. Es wird noch die Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages geben. Dann werden wir zügig entscheiden. Ich glaube, dieser Fortschritt für die Finanzstabilität ist absolut im Interesse derjenigen, die in den letzten Jahren Lebensversicherungsverträge unterschrieben haben und sich darauf verlassen wollen, den Garantiezins zu erhalten; sie können sich darauf verlassen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Gerhard Schick das Wort. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als vor einigen Jahren die Banken gerettet wurden, wurde das mit Steuergeld gemacht. Wenn es jetzt darum geht, die Lebensversicherungen in Deutschland zu stabilisieren, wird das mit dem Geld einiger Kunden gemacht. Ich finde, das muss man klar aussprechen. (Manfred Zöllmer [SPD]: Das stimmt doch nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Natürlich stimmt das!) – Doch! (Manfred Zöllmer [SPD]: Nein!) – Das stimmt! Wenn Sie das nicht erkennen, haben Sie leider Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht verstanden, Herr Zöllmer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen dem, was der Bundesfinanzminister vor eineinhalb Jahren vorgelegt hat, und dem, was er uns heute vorlegt. Vor eineinhalb Jahren war eine einseitige Verschiebung von Kundengeldern geplant. Heute wird das gemacht, was bei einer so wichtigen Rettungsaktion im Finanzbereich natürlich der Anspruch sein muss: Zumindest ein paar der Fehler, die in diese Situation geführt haben, werden korrigiert. Wir haben vor eineinhalb Jahren die Einführung einer Ausschüttungssperre vorgeschlagen, sodass auch die Eigentümer beteiligt werden. Sie haben das damals rundheraus abgelehnt. Jetzt ist dies in Ihrem Entwurf enthalten. Das ist ein klarer Erfolg für uns Grüne; denn es war unser Vorschlag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben damals vorgeschlagen, die Aufteilung der Erträge zwischen den Versicherten und den Unternehmen zu korrigieren, um auch diesen Fehler in der Versicherungsregulierung anzugehen. Sie haben es damals rundheraus abgelehnt, dies auch nur zu erwägen. Jetzt ist es in Ihrem Vorschlag enthalten. Auch das ist ein Erfolg von uns. Es war deswegen richtig, den Gesetzentwurf vor eineinhalb Jahren zu stoppen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD] – Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt allerdings!) Es war und ist auch richtig, dass wir gefordert haben, dass man, wenn man über Veränderungen bei den Lebensversicherungen redet, auch die schlechte Situation, die Missstände im Vertrieb systematisch angehen muss. Wir haben das damals vorgeschlagen, aber es wurde abgelehnt. Jetzt sind zumindest einige entsprechende Punkte im Entwurf enthalten. Das ist eine klare Verbesserung, die auf unsere Initiative zurückgeht. Trotzdem muss man sagen: Hier bleibt einiges zu tun. Wir müssen genau wie damals bei den Banken die Frage stellen: Wie kamen wir eigentlich in diese Situation? Eine Ursache ist natürlich auch bei den Vorständen von Lebensversicherungsunternehmen zu finden, die über viele Jahre Versprechungen gemacht haben, die sie nicht einhalten können. Diese Verantwortung muss am heutigen Tage klar benannt werden. Genau wie Bankvorstände tragen auch Versicherungsvorstände Verantwortung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]) Auch die Aufsichtsbehörde, für die Sie, Herr Finanzminister, zuständig sind, muss ihre Aufgaben wahrnehmen. Diese Finanzaufsicht hat im Bereich Versicherungsaufsicht alle Handlungsmöglichkeiten, die man sich vorstellen kann. Sie hat aber in den letzten Jahren zugesehen, wie an die Eigentümer ausgeschüttet wurde, anstatt die Unternehmen zu stabilisieren, und wie zu hohe Versprechungen gemacht worden sind. All die Missstände im Vertrieb – Debeka, ERGO, INFINUS – hat sie aus der Zeitung erfahren, anstatt selber zu kontrollieren, was in diesem Sektor passiert. Wir haben hier einen krassen Fall von Staatsversagen bei der Versicherungsaufsicht. Hier muss dringend etwas geschehen. Wir erwarten hier Aktivität von Ihnen als Bundesfinanzminister. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zu dem Gesetzesvorhaben hier muss man sagen – ich habe vorhin ein paar positive Veränderungen genannt, aber vieles muss verbessert werden –: Auf die entscheidende Frage, was da eigentlich gemacht wird, sind die Antworten sehr dünn. Ich habe gefragt: Wie groß ist denn der Sicherungsbedarf? Das ist sozusagen das Kernelement dieses Gesetzentwurfs bei den Bewertungsreserven. Über was für Größenordnungen reden wir da? Keine Antwort von Ihrem Staatssekretär. Wir haben gefragt, ob denn die Veränderung bei den Bewertungsreserven dazu führt, dass die von der Bundesbank diagnostizierte Problemlage wirklich aufgelöst wird, ob sich diese lindert. Darauf keine Antwort. Deswegen bleibt am heutigen Tag zu konstatieren – das muss sich in den nächsten Tagen bei der Beratung ändern –: Das ist Versicherungspolitik im Blindflug. Das sollten wir als Parlamentarier nicht mitmachen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Denn nachher heißt es dann, dass wir das hier beschlossen haben. Deswegen erwarten wir, dass Sie bei diesen Fragen noch etwas nachlegen. Denn wir müssen bei einer so relevanten Veränderung der Eigentumsverhältnisse, bei einer so relevanten Gesetzgebung, die in die Rechte von Versicherten eingreift, wissen, was wir tun. Deswegen werden wir – genau wie bei vielen anderen einzelnen Punkten im Gesetzgebungsverfahren – auch bei der grundlegenden Frage, was das für die Kunden und für den Sektor bedeutet, noch einmal nachhaken. Denn hier sind wir alle in der Verantwortung. Wir können nicht in ein paar Jahren sagen, dass wir das nicht genau gewusst haben. Vielmehr müssen wir die Regierung zwingen, uns die Zahlen vorzulegen. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das wird einfach durchgejagt während der Weltmeisterschaft!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Anja Karliczek hat nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Anja Karliczek (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Worte vorweg zu dem, was gesagt wurde. Liebe Frau Karawanskij, Sie stehen wieder einmal auf der Seite weniger und lassen mit Ihrer Argumentation die breite Masse der Bevölkerung im Stich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD] – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: 62 Millionen Leute sind wenig? Das verstehe ich nicht!) Herr Schick, zu Ihnen: Einzelne Zahlen und einzelne Unternehmen zu nennen, hilft uns in diesem Moment nicht weiter. Die Situation der verschiedenen Unternehmen ist so unterschiedlich, dass wir einen systemischen Ansatz gewählt haben, und das ist richtig. (Beifall bei der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sie haben doch gar keine Zahlen!) Die Welt der Zinsen steht auf dem Kopf. Banken müssen heute Strafen zahlen, wenn sie Geld nicht verleihen. Versicherungen bitten darum, vermehrt in langfristige und im doppelten Sinne des Wortes langweilige Strukturprojekte investieren zu dürfen. Der durchschnittlich garantierte Zins bei Lebensversicherungen ist höher als der Marktzins. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben. Herr Schick, das war auch 2008, als der Gesetzentwurf zur Verteilung der Bewertungsreserven verabschiedet wurde, überhaupt noch nicht erkennbar. Wir wissen nicht, wie lange diese Niedrigzinsphase noch anhalten wird. Aber wir wissen eines: Bleiben wir untätig, wird unser Finanzsystem langfristig destabilisiert, und es drohen uns japanische Verhältnisse. Vertrauen verliert sich schneller, als es erworben werden kann. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt mit dem Lebensversicherungsreformgesetz die Grundlage dafür schaffen, das Vertrauen in die Kapitallebensversicherung als das klassische Mittel zur Altersvorsorge zu erhalten. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Kapitallebensversicherung mit einem garantierten Zins ist nach wie vor ein von den Menschen hochgeschätztes Produkt, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Es ist ein Produkt, das langfristig trägt und den Menschen Sicherheit gibt. Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Punkte unseres Reformpaketes ansprechen. Erstens: die Finanzierung der garantierten Zinsen bei bestehenden Verträgen. Wir fordern die Menschen seit Jahren zur Eigenvorsorge auf. Viele Menschen sind unserer Aufforderung gefolgt. Mit 90 Millionen Kapitallebensversicherungen hat statistisch gesehen jeder Einwohner 1,1 Verträge, vom Baby bis zum 100-Jährigen. 90 Millionen Mal werden Geld und Vertrauen investiert, dass der garantierte Wert der Versicherung erhalten bleibt. Jetzt ist es an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, Verlässlichkeit zu schaffen und dafür zu sorgen, dass die von den Versicherern gegebenen Garantien auch eingelöst werden können. Es ist unsere Aufgabe, der Sorge vieler Menschen um die private Alterssicherung etwas entgegenzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein zweiter Punkt. Vertrauen setzt eine faire Leistung voraus, und Vertrauen braucht Transparenz. Die Kapitallebensversicherung ist ein hochkomplexes und stark reguliertes Finanzprodukt. Wir wollen sie mit der notwendigen Transparenz ausstatten. Die Menschen müssen erkennen können, welche Kosten in ihrer Prämie stecken und welcher Anteil in den Kapitalaufbau fließt. Nur dann entsteht Vergleichbarkeit für die Kunden und echter Wettbewerb zwischen den Versicherern. Auch das schafft Vertrauen. Ich möchte noch ein Wort an die Kritiker des Gesetzes richten. Vertrauen in die Lebensversicherung verspielt auch, wer stets erklärt, sie werde unattraktiv, und dann eine Zahl von 40 Milliarden Euro in die Welt setzt, mit denen die Versicherungsnehmer zusätzlich belastet würden. (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!) Woher stammt denn diese Zahl? Behauptet wird auch, allein 13,5 Milliarden Euro würden den Kunden durch die Zinszusatzreserve vorenthalten. Richtig ist: Die Zinszusatzreserve wird wieder vollständig an die Kunden ausgeschüttet. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Der Umfang der geringeren Beteiligung an den Bewertungsreserven wird mit 3,6 Milliarden Euro beziffert. Richtig ist: Ohne die nun angestrebte Neuregelung würde die Überschussbeteiligung der verbleibenden Kunden – das sind 95 Prozent der Versicherten – noch niedriger ausfallen. Dann gäbe es aufgrund der aktuell sehr hohen Auszahlungen bald nichts mehr zu verteilen. Jetzt haben wir die Aufgabe, im parlamentarischen Verfahren über die detaillierte Ausgestaltung einiger Punkte zu sprechen. Dazu lade ich Sie herzlich ein. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass dieses Gesetz alle Beteiligten angemessen in die Pflicht nimmt: Versicherte, Vermittler, Aktionäre und Unternehmen. Aus meiner Sicht ist das der einzige Weg, die notwendige Akzeptanz für diese dringenden Reformen herzustellen, und der einzige Weg, langfristig das Vertrauen in ein zentrales Produkt unserer Altersvorsorge zu erhalten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/1772 und 18/1815 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tageordnungspunkte II a und II b auf: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksachen 18/700, 18/702 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksachen 17/14301, 18/1026 Wir beginnen nun mit der Beratung der Einzelpläne, und zwar zunächst derjenigen Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.1 auf: Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksachen 18/1023, 18/1024 Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dr. Dietmar Bartsch und Ekin Deligöz. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Einzelplan 01 einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.2 auf: hier: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag Drucksachen 18/1002, 18/1023 Berichterstatter sind die Abgeordneten Johannes Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland Claus und Anja Hajduk. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 02 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist bei Enthaltung der Fraktion Die Linke auch dieser Einzelplan mit den Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.3 auf: Einzelplan 03 Bundesrat Drucksache 18/1024 Berichterstatter sind hier die Kollegen Ulrich Freese, Kerstin Radomski, Dietmar Bartsch und Tobias Lindner. Wir stimmen ab über den Einzelplan 03. Wer stimmt für diesen Einzelplan? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist auch der Einzelplan 03 einstimmig angenommen. Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten II.4 a und II.4 b: a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen Drucksachen 18/1008, 18/1023 b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof Drucksache 18/1024 Berichterstatter für den Einzelplan 08 sind die Abgeordneten Norbert Brackmann, Hans-Ulrich Krüger, Gesine Lötzsch und Tobias Lindner. Berichterstatter für den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof – sind die Abgeordneten Michael Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn und Tobias Lindner. Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte II.4 c bis II.4 e auf: c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2014 Drucksachen 18/1050, 18/1223 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Drucksache 18/1762 d) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herstellung des Einvernehmens von Bundestag und Bundesregierung zum Begehren der Republik Litauen, der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beizutreten und den Euro als Umlaufwährung einzuführen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9a des Gesetzes über die -Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/1800 e) Beratung der Unterrichtung durch das Bundesministerium der Finanzen gemäß § 9a des -Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Beitritt Litauens zum Euroraum Drucksache 18/1730 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Haushaltsausschuss Zum Haushaltsbegleitgesetz 2014 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir dann später befinden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache insgesamt 125 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch; also können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ende Juni. Wir beraten den Haushalt für dieses Jahr. Im Juli wird dann der Bundesrat beschließen. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wird wahrscheinlich Ende Juli stattfinden, sodass wir festhalten können, dass es sieben Monate vorläufige Haushaltsführung gab, ohne Investitionen demzufolge und mit vielen Dingen, die nicht gemacht werden konnten. Das ist für das Land mit Sicherheit nicht von Vorteil gewesen. (Beifall bei der LINKEN) Wir konnten hier hoffen: Was lange währt, wird endlich gut. – Das ist aber nicht der Fall; denn das ist ein Haushalt der sozialen Spaltung. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) Dieser Haushalt ist nicht zukunftsgewandt, sondern er verspielt Zukunft. Wir Mitglieder des Haushaltsausschusses hatten teilweise das Gefühl, in der David-Copperfield-Show zu sein. Der Regierungsentwurf von vor einigen Monaten beinhaltete eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro. Es gab dann monatelange Diskussionen zwischen den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern und zwischen den Haushältern, es gab diverse Anträge und auch Veränderungen – teilweise sogar zum Positiven –, und am Ende standen dort wieder 6,5 Milliarden Euro. Das ist schon eine Besonderheit. Aber das war Trickserei. Ich will diesen Trick erklären: Die Koalition hat die Zinslasten in einer Nachtsitzung einfach einmal um 1,2 Milliarden Euro reduziert, (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sauber durchgerechnet!) und nachdem klar war, dass die Einnahmen aus der Brennelementesteuer nicht wie geplant anfallen werden, hat die Koalition die Steuerschätzung neu interpretiert und gesagt: 1,4 Milliarden Euro neue Einnahmen. Außerdem wurden noch 500 Millionen Euro bei den Bildungsausgaben gestrichen, und in dem Haushalt von Frau von der Leyen wurde eine globale Minderausgabe von 400 Millionen Euro eingestellt. So ist da getrickst worden. Aber: Nicht alle Instrumentarien der Haushaltsplanung sind auch verantwortbar, und nicht jede Operation ist erlaubt. Lassen Sie mich etwas zum Thema „Schulden und schwarze Null“ sagen. Über die schwarze Null wird ganz viel geredet. Ich will kurz und knapp feststellen: Es gibt in dem Haushalt für das Haushaltsjahr 2014 keine schwarze Null, sondern 6,5 Milliarden Euro neue Schulden. Die Schuldenbilanz von Herrn Schäuble seit 2009 lautet 112 Milliarden Euro neue Schulden, und das Ende der Neuverschuldung ist nicht abzusehen. Warten wir jetzt erst einmal den September ab und schauen wir, wie an dieser schwarzen Null gebastelt wird. Die weltweite Zinsentwicklung ist dabei das größte Haushaltsrisiko, das wir haben. Mehr Schuld gegenüber künftigen Generationen hat bisher kaum ein Finanzminister auf sich geladen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Schäuble, Sie wollen offenbar um jeden Preis mit dem Prädikat „Erster Haushalt ohne Neuverschuldung seit 1969“ aus dem Amt scheiden. Das ist persönlich legitim, und im Übrigen teilen wir das Ziel, dass es keine Neuverschuldung geben soll. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was haben Sie dann dagegen einzuwenden?) Wenn das aber die einzige Richtschnur des politischen Handelns wird, dann ist das schlicht zu wenig. Ihr Weg der Ausgabenkürzungen zulasten der Arbeitenden, der Arbeitsuchenden, der Rentnerinnen und Rentner und der Kranken ist falsch. Das ist ein Haushalt der sozialen Spaltung. (Beifall bei der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh!) Ich will es hier wiederholen, damit es keine Missverständnisse gibt: Ja, wir als Linke sind dafür, dass die Schuldenquote heruntergeht und dass Schuldenabbau betrieben wird. Das ist doch völlig klar. Da, wo wir für Länderhaushalte Verantwortung tragen, kann man übrigens exemplarisch sehen, wie wir agieren. Gucken Sie nur nach Brandenburg: Vier Jahre ohne Neuverschuldung, und sogar die Rückzahlung der Schulden hat begonnen. Ich will den DIHK-Chef Eric Schweitzer zitieren, der Ihnen bei allem Respekt bescheinigt hat: Bei der Haushaltskonsolidierung kann ich allerdings keine besonderen Leistungen erkennen. Sie erfolgt ausschließlich auf Grundlage der guten Konjunktur … Wir sagen: Wir brauchen eine andere Einnahmepolitik, wenn wir die Haushalte wirklich konsolidieren wollen. (Beifall bei der LINKEN) Dafür haben wir entsprechende Vorschläge vorgelegt. Schauen Sie sie sich an! Ich will Ihnen noch ein Zitat vortragen: Die doppelte Aufgabe in Deutschland – die Schulden unseres Landes abzubauen und gleichzeitig vor allem in Bildung und Infrastruktur zu investieren – lässt sich nicht mit dem Wahlversprechen verbinden, gleichzeitig die Steuern zu senken. Sondern im Gegenteil: Wir werden Steuern sogar erhöhen müssen. Nicht alle Steuern für alle, aber einige Steuern für wenige. Das ist ein hervorragendes Zitat aus dem Wahlprogramm der SPD. Nichts davon ist übriggeblieben. Wo ist denn irgendeine Maßnahme, mit der Sie die Steuern der Vermögenden und Superreichen in diesem Land erhöhen? Null! Fehlanzeige! Und das ist falsch. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Schäuble und Herr Barthle werden sich jetzt gleich feiern und von der wunderbaren wirtschaftlichen Entwicklung, von der Rekordbeschäftigung und von steigenden Löhnen, Gehältern und Renten reden. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Zu Recht!) Es wird also ein großes Lob sein. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weltfremd!) Was sind aber die Fakten? Ja, der konjunkturelle Verlauf im ersten Quartal ist besser als in den anderen Jahren. Von Rekordbeschäftigung zu reden, ist angesichts der Arbeitsplatzvernichtung in den letzten Jahren aber nicht zu akzeptieren. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wo haben wir denn eine Arbeitsplatzvernichtung?) Von 2000 bis 2013 ist die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze um 1,7 Millionen gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze um 2,5 Millionen, die Zahl der -Minijobs um 500 000, die Zahl der 1-Euro-Jobs um 100 000 und auch die Zahl der Leiharbeitsplätze gestiegen. Das ist die reale Situation. Ihr Arbeitsplatzaufschwung findet im Bereich der prekären Beschäftigung statt. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie über steigende Löhne und Gehälter reden, dann will ich Ihnen auch dazu eine Zahl nennen: Die Steigerung der preisbereinigten Reallohnsumme seit 2000 liegt bei sage und schreibe 1,7 Prozent. Donnerwetter! In 13 Jahren ist das ja eine große Steigerung. Deutschland hat im internationalen Vergleich ein geringes Investitionsniveau. Das ist ein Zitat von Sigmar Gabriel im Geleitwort zum Jahreswirtschaftsbericht 2014. Der Mann hat recht. Die Investitionen sind in den letzten Jahren immer -weiter zurückgegangen: 27,6 Milliarden Euro 2012, 26,1 Milliarden Euro 2013 und 25 Milliarden Euro in diesem Jahr. Das DIW kritisiert, dass die Verkehrsinfrastruktur dabei ist, sich von einem Standortvorteil zu einem Standortproblem zu entwickeln. Nehmen Sie doch wenigstens das zur Kenntnis. Das ist das entscheidende Defizit dieses Haushaltes. Sie investieren zu wenig in die Zukunft. Im Koalitionsvertrag haben Sie 5 Milliarden Euro an zusätzlichen Verkehrsinvestitionen in dieser Legislatur vereinbart. Aber Experten schätzen den Bedarf in jedem Jahr auf über 7 Milliarden Euro. Sie fahren das Land auf Verschleiß. Schauen Sie sich die Brücken an! Schauen Sie sich die Netzstruktur an! Schauen Sie sich die Krankenhäuser an! Die Schlagworte „Haushaltskonsolidierung“ und „Schuldenabbau“ sind irreführend. Das sind in Wahrheit die Schulden für die nächste Generation. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit dem Haushalt 2014 werden wichtige gesellschaftliche Herausforderungen nicht angegangen, und selbst Ihre Wahlversprechen und Ihr Koalitionsvertrag werden gebrochen. Die Vermögensungleichheit im Euro-Raum ist nirgendwo größer als in Deutschland. Das ist eine skandalöse Entwicklung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Weder der ungeheure Reichtum bei wenigen noch die sich immer mehr öffnende Schere zwischen Arm und Reich ist irgendwie vom Himmel gefallen. Das ist Ergebnis Ihrer Politik. Die Bundesregierung verzichtet auf haushaltspolitische Weichenstellungen für mehr Steuergerechtigkeit und für Einkommens- und Vermögensgerechtigkeit in Deutschland. Absolute Fehlanzeige in diesem Haushalt! Die Vertreter der Koalitionsfraktionen haben verkündet, alle Menschen in Deutschland sollen ein gutes Leben führen können. Meinen Sie, dass die 3 Millionen Arbeitslosen in Deutschland ein gutes Leben führen können? Meinen Sie, dass die 900 000 Menschen mit Grundsicherung im Alter oder diejenigen, die diese wegen Erwerbsminderung bekommen, ein gutes Leben führen können? In Deutschland droht nicht Armut; in Deutschland gibt es Armut, und das in unserem reichen Land. Das ist ein Skandal. Da muss man doch als Regierung etwas tun, um das zu ändern. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt ist nicht gut für unser Land. Er leistet keinen Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zu gesellschaftlichem Zusammenhalt. Dieser Haushalt vernachlässigt sträflich Zukunftsinvestitionen für unser Land. Dieser Haushalt ist nicht solide. Die Linke wird diesen Haushalt deshalb ablehnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Norbert Barthle (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Bartsch, dass meine Einschätzung des Haushalts eine andere ist als Ihre, wird niemanden verwundern. Ich bitte auch um Verständnis dafür, dass ich nicht auf jeden schrägen Ton Ihrer sozialistisch-kommunistischen Drehorgelmelodie eingehen werde. (Widerspruch bei der LINKEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt auch etwas schräg!) Das werde ich den anderen Mitgliedern dieses Hohen Hauses ersparen. Wir haben es nach langen und intensiven Haushaltsberatungen geschafft, in dieser Woche dem Plenum einen Haushaltsentwurf zur Beratung vorzulegen, der uns mit großer Freude und auch mit einem gewissen Stolz erfüllt. Schon der Haushaltsentwurf des Finanzministers war ein guter Entwurf. Es ist uns gelungen, aus diesem guten Haushaltsentwurf einen noch besseren zu machen. Das war eine gemeinsame Leistung der Großen Koalition. Das Ergebnis tragen wir in dieser Woche gerne vor. Was sind die Kernaussagen dieses Haushaltsentwurfs 2014? Als Erstes haben wir uns das Ziel gesetzt, die Nettokreditaufnahmelinie von 6,5 Milliarden Euro tatsächlich einzuhalten. Nun sagt die Opposition, das sei ein leeres, inhaltsloses Ziel. Das Gegenteil ist der Fall. Wer einen ausgeglichenen Haushalt ernsthaft anstrebt und wer dieses Ziel ernsthaft und nachhaltig verfolgen will, der muss seinen Willen dadurch beweisen, dass er dieses Ziel in gleichmäßigen, realistischen und nachvollziehbaren Schritten ansteuert. Wir tun das, indem wir diese Nettokreditaufnahmelinie einhalten und damit das klare Signal aussenden: Noch nie waren wir einem ausgeglichenen Haushalt 2015 so nahe wie mit diesem Haushaltsentwurf 2014. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Die zweite große Kernaussage dieses Haushalts ist, dass wir die strukturelle Null halten wollten. Sie alle wissen, das strukturelle Defizit errechnet sich durch Abzug der Konjunkturkomponente und durch Abzug der finanziellen Transaktionen. Wir haben einen nicht nur strukturell ausgeglichenen Haushalt, wir haben sogar einen kleinen strukturellen Überschuss von 1,3 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das ist eine große Leistung der Großen Koalition, die wir mit Stolz vortragen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht zu viel Stolz!) Das erlaubt mir einen Blick auf die Schuldenbremse. Wir haben ja in unserem Grundgesetz die nationale Schuldenbremse verankert. Diese Schuldenbremse verpflichtet uns eigentlich erst 2016, gewisse Grenzen einzuhalten. Wir halten diese Grenzen bereits seit 2012 ein und unterschreiten sie mit dem Haushalt 2014 deutlich. Wir könnten aufgrund der Schuldenbremse 34 Milliarden Euro neue Schulden machen, machen aber nur Schulden in Höhe von 6 Milliarden Euro. Wenn man die Einzahlungen in den Europäischen Stabilitätsmechanismus abzieht, sind wir bei noch gut 2 Milliarden Euro neuen Schulden – bei Ausgaben von insgesamt 296,5 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen. Das ist der richtige Weg, der letzte große Schritt hin zum ausgeglichenen Haushalt. Das ist auch ein wichtiges Signal nicht nur an die Bundesländer, sondern vor allem auch an die Mitgliedsländer der Europäischen Union. Wie schaffen wir das? Durch absolute Ausgabendisziplin. Maßhalten bei den Ausgaben und steigende Einnahmen sind das Geheim-rezept unseres Erfolgs. Wenn Sie sich die Ausgaben in diesem Jahr anschauen, dann sehen Sie, dass sie 11 Milliarden Euro niedriger sind als der Istwert des Jahres 2013. Wenn Sie sich die Vergleichszahl für 2010 anschauen, dann erkennen Sie, dass wir im Jahr 2014 weniger Geld ausgeben als im Jahr 2010. Das empfehle ich allen Gebietskörperschaften als Vorbild – seien es Länder, seien es Kommunen, seien es Regionen. Das möge sich bitte jeder einmal anschauen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das schaffen wir trotz schwieriger Ausgangsbedingungen. Denn seien wir ehrlich: Anfangs der Haushaltsberatungen hatten wir nicht damit gerechnet, dass uns eine Lücke von knapp dreieinhalb Milliarden Euro ins Haus steht. Das kam überraschend während der Haushaltsberatungen und hat uns manche Pläne verhagelt. Wir hätten gern mehr für die Infrastruktur ausgegeben. Diese Mittel mussten wir streichen. Aber wir haben es geschafft, diese Lücke von dreieinhalb Milliarden Euro zu schließen, und zwar durch einen Mix verschiedener Maßnahmen. Einerseits haben wir wirklich gespart. Zum Beispiel geben wir 10 Prozent weniger aus für die Öffentlichkeitsarbeit, für Fachinformationen über alle Ressorts hinweg. Dies ist möglich, weil das Jahr fast schon zur Hälfte vorbei ist. Wir haben auch bei den ALG-II-Ausgaben gespart. Das war dort möglich wegen der guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Aufgrund möglicherweise nicht rechtzeitig zulaufender Beschaffungsvorhaben im Verteidigungsministerium konnten wir dort 400 Millionen Euro einsparen. Andererseits haben wir in diesem Haushaltsentwurf auch Minderausgaben und Mehreinnahmen finden können, die wir dann kenntlich gemacht haben. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In einer Nachtsitzung um halb eins!) Der größte Brocken dabei sind 1,2 Milliarden Euro weniger Zinsausgaben. Daran kann die Opposition nun he-rummäkeln, aber Tatsache ist, dass im Haushaltsausschuss die Grünen diesem Änderungsantrag zugestimmt und die Linken sich enthalten haben. Also hoffe ich doch sehr, dass es daran keine Kritik gibt. Die Maßnahmen habe ich bereits genannt. Wir haben dazu noch die Steuereinnahmen um 600 Millionen Euro höher angesetzt, als es die Steuerschätzer getan haben. Lieber Kollege Kindler, darauf werden Sie gleich sicherlich eingehen. Deshalb will ich an dieser Stelle Folgendes sagen: Erstens. Wer sich bei einem Gesamtetat von knapp 300 Milliarden Euro an 600 Millionen Euro aufhängt, der zeigt – seien wir einmal ehrlich – kleines Karo. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Lachen des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zweitens. Wenn ich mir die jüngsten Einschätzungen der Wirtschaftsforschungsinstitute – darunter RWI und IFW in Kiel – und der Deutschen Bundesbank anschaue, dann muss ich sagen, dass sie ihre Wachstumsprognosen für 2014 nach oben korrigiert haben, nicht nach unten. Deshalb sehen wir uns in dieser Annahme bestätigt. Wenn wir uns die Steuereinnahmen des Monats Mai anschauen, dann lagen die schon wieder deutlich höher als im ersten Quartal. Auch darin sehen wir eine Bestätigung dafür, dass wir mit ruhigem Gewissen diese 600 Millionen Euro Mehreinnahmen ansetzen konnten. Darüber hinaus sind verschiedene Sicherungsmaßnahmen vorgesehen worden, was den Haushaltsvollzug anbelangt, und es ist uns gelungen – das will ich auch betonen –, parlamentarische Schwerpunkte zu setzen, die aus den Reihen der Großen Koalition an uns Haushälter herangetragen wurden. Der Haushaltsentwurf 2014 enthält also auch einige neue Akzentuierungen und Schwerpunkte, die im parlamentarischen Verfahren entstanden sind. Diese sind aber gegenfinanziert – auch das sage ich als Haushälter ganz bewusst –, sodass sie nicht schuldenerhöhend wirken. Allein 90 Millionen Euro mehr – das ist ein Zuwachs von 7,5 Prozent – sind für die Kultur vorgesehen. Das ist ein deutliches Signal in den gesamten Kulturbereich hinein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir geben, anders als Sie es darstellen, Herr Kollege Bartsch, für Bildung und Forschung nicht weniger Geld aus, sondern 85 Millionen Euro mehr, als im Ansatz des Finanzministers vorgesehen war. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Was ist denn mit den 500 Millionen?) Das ist die Realität: 85 Millionen Euro mehr für Bildung und Forschung im Etat von Frau Wanka. Im Bereich des BMI gibt es deutliche Zuwächse für Notwendigkeiten, die wir kenntlich gemacht haben, zum Beispiel für Integrationskurse oder für Syrien-Flüchtlinge, aber auch für wünschenswerte Maßnahmen. Beispielsweise sind 10 Millionen Euro mehr für das THW vorgesehen, zum Beispiel für die Beschaffung von Fahrzeugen oder für Ausbildungskurse. Auch das sind deutliche Zeichen. Die Bundeszentrale für politische Bildung und die politischen Stiftungen statten wir in diesem Etat ebenfalls mit mehr Mitteln aus. Darüber hinaus – auch das will ich nicht unerwähnt lassen – haben wir im Verkehrsetat Verpflichtungsermächtigungen vorgesehen, die wir gerne noch höher angesetzt hätten, aber die Umstände standen, wie gesagt, dem entgegen. Dafür haben wir für das kommende Jahr Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 775 Millionen Euro ausgebracht. Damit ist eine gewisse Stetigkeit auch im Verkehrsetat gewährleistet. Des Weiteren haben wir für notwendige Zahlungen im Zusammenhang mit dem Green Climate Fund Vorsorge getroffen, und zwar ebenfalls in Form von Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 750 Millionen Euro. Lassen Sie mich zusammenfassen: Dieser Haushalt zeigt, dass wir solide wirtschaften und dass wir in unseren Maßnahmen, Planungen und in unserer Fiskalpolitik verlässlich sind. Mit dieser Verlässlichkeit erarbeiten wir uns das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerinnen und Unternehmer, Investoren und Finanzakteure nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Damit ist dieser Haushalt ein gutes Zeichen für Deutschland, aber auch für Europa. Das sage ich ganz bewusst in Anbetracht der derzeitigen internationalen Debatte, was eine mögliche Aufweichung der Stabilitätskriterien anbelangt. Wir schließen uns der Auffassung von Herrn Renzi oder von Herrn Hollande nicht an, dass wir mehr Flexibilität brauchen. Es gibt im Regelwerk genügend Flexibilität. Statt darüber nachzudenken, wie man Regeln umgehen kann, sollten wir vielmehr alle darüber nachdenken, wie man Regeln einhält. Wir tun das. Deswegen bitte ich um Zustimmung für diesen sehr guten Haushalt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile nun dem Kollegen Sven-Christian Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind jetzt auf der Zielgeraden der Haushaltsberatungen. Auch nach den vielen Beratungen bleibt es dabei: Es gibt keine strukturellen Änderungen der Koalition. Ihnen fehlen der Mut und der Wille zu strukturellen Reformen im Haushalt. Sie verlassen sich ganz allein auf die gute Konjunktur. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Dieser Haushalt der Großen Koalition ist unsolide, ungerecht und zukunftsvergessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Haushalt nicht! Der kann ja nichts dafür!) Ihr Haushalt ist unsolide, und er ist vor allen Dingen hart auf Kante genäht. Vor der Bereinigungssitzung hatten Sie ein 3-Milliarden-Euro-Loch. Wie haben Sie das gestopft? Sie haben keine strukturellen Änderungen vorgenommen. Sie haben weder bei Einnahmen und Ausgaben noch bei den Subventionen angesetzt oder Reformen vorgesehen. Was haben Sie stattdessen gemacht? Wir haben noch am Montag vor der Bereinigungssitzung alle gemeinsam – auch Sie, Herr Barthle und Herr Kahrs – die Einnahmen aufgrund der Steuerschätzung angepasst. Donnerstagnacht um 0.30 Uhr haben Sie eine eigene politische und willkürliche Steuerschätzung aufgestellt und die Einnahmen um 700 Millionen Euro nach oben angepasst. Sie haben sich damit kaltschnäuzig über die Mai-Steuerschätzung hinweggesetzt. Das nenne ich unverschämt und dreist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das zeigt auch das Grundverständnis Ihrer Haushaltspolitik. Sie verweigern die Arbeit und ändern im Haushalt nichts strukturell. Stattdessen hoffen Sie und zocken. Sie sind Zocker. Sie wetten auf die gute Konjunktur und auf eine gute Zukunft. Das ist Haushaltspolitik im Las-Vegas-Style. Am Roulettetisch setzen Sie alles auf Schwarz, und wenn die Kugel dann auf Rot landet, ist Ihr Portemonnaie leer, und Sie müssen zur Bank gehen. Aber diese Zockerei hat nichts mit solider Haushaltspolitik zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Den Gang zur Bank haben Sie übrigens schon eingeplant. Sie haben nachts um halb eins in der Bereinigungssitzung das Haushaltsgesetz geändert. Sie können nun dieses Jahr 3 Milliarden Euro mehr Schulden machen, indem Sie 2014 alte, nicht verbrauchte Kredit-ermächtigungen nutzen. Sie müssen darüber den Haushaltsausschuss nicht zeitnah informieren. Sie haben sich damit im Haushaltsgesetz eine Portokasse geschaffen, weil Sie Angst haben, dass Sie dieses Jahr mehr Schulden als die geplanten 6,5 Milliarden Euro machen müssen. Wenn Sie diese Schulden machen müssen, dann wollen Sie darüber weder das Parlament noch die Öffentlichkeit informieren. Das ist versuchte Täuschung mit Ansage. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn man es ansagt, ist es keine Täuschung!) Ihr Haushalt ist zudem ungerecht, Herr Schäuble. Sie und die Große Koalition loben sich schon jetzt für die schwarze Null im Jahr 2015. Aber wie finanzieren Sie das? Sie greifen mit vollen Händen in die Sozialkassen. Sie greifen in den Gesundheitsfonds und die Rentenkasse. Sie finanzieren das damit auf dem Rücken der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Das hat aber mit struktureller Haushaltskonsolidierung nichts zu tun. Die Zeche dafür zahlen später die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Das ist einfach ungerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grüne beantragen dagegen für mehr Gerechtigkeit die Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro. Bei der Rente wollen wir den Einstieg in eine steuerfinanzierte Garantierente für langjährig Versicherte. Damit würden wir vor allen Dingen Frauen und Geringverdienern helfen, die von Altersarmut besonders betroffen sind. Sie dagegen nehmen 160 Milliarden Euro in die Hand und machen nichts gegen Altersarmut. Das ist das große Gerechtigkeitsproblem bei der schwarz-roten Rentenpolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dieser Haushalt ist auch zukunftsvergessen. Wir alle wissen: Die Infrastruktur in diesem Land verrottet. Wir leben von der Substanz. Sie tun nichts dagegen. Im Gegenteil: Die Investitionsquote befindet sich bei der Großen Koalition im freien Fall. Sie wird 2018 bei nur noch 8 Prozent liegen. Wir als Grüne haben dagegen mit unseren Änderungsanträgen klargemacht, dass sich die Investitionsquote schon in diesem Haushalt auf 11 Prozent steigern lässt. Wir wollen einen 3-Milliarden-Euro-Energiesparfonds auflegen und die Mittel für die CO2-Gebäudesanierungsprogramme auf 2 Milliarden Euro aufstocken. Wir wollen 1 Milliarde Euro mehr für den Erhalt von Straßen und Brücken ausgeben, anstatt neue, überflüssige Autobahnen zu bauen. Das ist der fundamentale Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik: Sie wollen mehr schlecht als recht den Status quo verwalten. Wir Grüne wollen gestalten und für morgen in die Zukunft investieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Investitionen für morgen sind Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung sowie in Hochschulen und Forschung. Aber die für 2015 versprochenen 500 Millionen Euro haben Sie einfach verschoben. Die 1 Milliarde Euro, die für die Kommunen versprochen war, haben Sie einfach gestrichen, obwohl gerade in den Kommunen die meisten Investitionen getätigt werden. Das zeigt, was das Motto dieser Großen Koalition ist: Kaum versprochen, schon gebrochen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Da klatscht noch nicht einmal die Linke!) – Doch, die Linke klatscht; das siehst du doch. (Johannes Kahrs [SPD]: Aber erst nach Aufforderung!) – Du bist doch gleich dran, Johannes. Klar ist auch: Wir wollen die Investitionen konkret und solide gegenfinanzieren, ohne zusätzliche Schulden zu machen. Unsere Leitlinie als Grüne lautet: Investieren statt Subventionieren. Jedes Jahr gibt dieser Staat 50 Milliarden Euro für Investitionen aus, die klimaschädlich sind. Wir Grüne sagen: Davon können wir zu Beginn schnell 8 Milliarden Euro pro Jahr abbauen. Wir können Milliarden bei der Privilegierung des Flugverkehrs und von schweren Dienstwagen sowie bei den Subventionen für Erdöl, Kohle, Agrardiesel und Atomenergie abbauen. Diese klimaschädlichen Subventionen müssen endlich abgebaut werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die entscheidende Frage lautet: Was machen Sie als Große Koalition in diesem Haushalt? Sie schaffen neue klimaschädliche Subventionen. Sie führen eine Strompreiskompensation in Höhe von 350 Millionen Euro ein. Im Rahmen des EEG wollen Sie erneut Milliarden an Subventionen in die Großindustrie pumpen. Das zeigt wieder einmal: Sie sind eine große Subventionskoalition. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da Norbert Barthle die Debatte über die Europapolitik angesprochen hat, will ich ebenfalls darauf eingehen. Es ist richtig: Wir brauchen Haushaltskonsolidierung und Reformen in Europa. Wir Grüne halten auch nichts von Scheindebatten über den Stabilitäts- und Wachstums-pakt. Der hat genug Flexibilität. Wir Grüne stehen zum Stabilitätspakt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das große Problem ist aber die einseitige Fokussierung der Konservativen in Europa mit Frau Merkel an der Spitze auf eine rigide Sparpolitik. Das hat die Rezession verstärkt. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hat die Haushalte stabilisiert, die Arbeitslosigkeit gesenkt!) Das hat die Jugendarbeitslosigkeit in die Höhe getrieben, weil Mittel für wichtige Investitionen gekürzt wurden. Für uns Grüne ist klar: Diese einseitige, blinde Sparpolitik in Europa muss beendet werden. Wir brauchen auch eine Investitionsstrategie für Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die gibt es doch schon!) Eine kluge Investitionsstrategie in Europa setzt neben der Ausgabenseite auf die Einnahmeseite, sie setzt auf die Beteiligung von Vermögenden, sie geht massiv gegen den Steuerbetrug vor, um Investitionen zu finanzieren. Das heißt aber nicht Investitionen im Sinne von sozialdemokratischem Beton- und Kohlewachstum, (Manfred Zöllmer [SPD]: Oh!) sondern das heißt Investitionen in die Zukunft, in erneuerbare Energien, in den sozialökologischen Umbau und in Bildung. Liebe SPD, bisher ist von Ihnen in Sachen Investitionsstrategie sehr wenig gekommen. Da reichen keine warmen, vagen Worte vom Vizekanzler. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grüne streiten in dieser Haushaltsdebatte nicht nur für europäische Gerechtigkeit, wir streiten auch für globale Gerechtigkeit. Auch da hat die Koalition versagt. Sie haben mindestens 240 Millionen Euro für den internationalen Klimaschutz gestrichen. Wir Grüne dagegen wollen die Mittel um 500 Millionen Euro erhöhen. Wir wollen auch einen Aufholplan, um endlich das 0,7-Prozent-Ziel bei der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen. Wir wollen dafür in diesem Haushalt 1,3 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stellen. Wir wollen das gegenfinanzieren, indem bei Rüstungsprojekten der Bundeswehr 2 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge statt Milliarden für neue Rüstungsdesaster – so kann man ganz praktisch im Haushalt globale Gerechtigkeit umsetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch bei den Einnahmen stehen wir für mehr Gerechtigkeit. Die strukturelle Unterfinanzierung des Staates muss beendet werden. Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf. Das ist ungerecht. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Wir Grüne wollen unter anderem an die Abgeltungsteuer heran und die Kapitaleinkommen wie die Arbeitseinkommen wieder progressiv besteuern. Denn man kann niemandem mehr erklären, warum Gewinne aus Aktiengeschäften im Regelfall niedriger besteuert werden als Einkommen aus Lohnarbeit. Das ist extrem ungerecht, das muss dringend geändert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir Grüne haben in diesem Haushalt konkrete Alternativen vorgelegt, und zwar für Investitionen in die Zukunft. Wir wollen das durch Ausgabenkürzungen, Subventionsabbau und Einnahmeverbesserungen solide gegenfinanzieren. Ich fordere Sie auf: Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie unseren Alternativen zu! Denn sonst bleibt Ihr Haushalt leider unsolide, ungerecht und zukunftsvergessen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Sozialdemokraten erteile ich das Wort dem Kollegen Johannes Kahrs. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier eine Rede von Norbert Barthle für die CDU/CSU gehört, die ich nicht besser hätte halten können. Mein lieber Norbert, ganz herzlichen Dank! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das unterwürfig! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wenn ihr einen Fusionsbeauftragten braucht: Ich kenne mich aus!) Man sieht: Die Große Koalition arbeitet, die Große Koalition funktioniert, die Große Koalition legt einen soliden Haushalt vor, die Große Koalition weiß, dass das, was wir machen, gut für unser Land ist. Norbert Barthle hat das in vorzüglicher Weise vorgetragen. Du wärest auch ein guter Sozi, jedenfalls in dieser Frage. (Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hat sich das mit der SPD ja erledigt!) Wir haben auch zwei Reden von den Grünen und den Linken gehört, die nicht viel Neues zu bieten hatten. Etwas anderes war nach den Haushaltsberatungen auch nicht zu erwarten. Wir haben auch mitbekommen, dass die eine oder andere Kritik geäußert worden ist. Das, finde ich, ist vollkommen in Ordnung. In der Substanz würden aber auch sie nicht viel ändern; das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Ich möchte jedoch an einen Punkt, der hier eben angesprochen worden ist, gerne anknüpfen. Herr Kindler hat eben vom Subventionsabbau gesprochen, insbesondere beim EEG, und auf die Unternehmen, die im weltweiten Wettbewerb stehen, verwiesen. Erlauben Sie mir dazu eine Anmerkung, gerade als Sozialdemokrat. Ich halte es für einen strukturellen Fehler, dass wir in diesem Land in der Diskussion so tun, als würde unser wirtschaftlicher Erfolg, der sich auch in Steuereinnahmen niederschlägt, einfach von selber kommen. Es gibt Unternehmen in diesem Lande – ob aus den Bereichen Chemie, Kupfer, Stahl oder andere –, die im internationalen Wettbewerb stehen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um die geht es aber nicht!) Auch ihnen muss man die Möglichkeit geben, gegenüber der Konkurrenz zu bestehen. Mit Blick darauf, dass die Preisbildung nicht auf dem deutschen Markt stattfindet – weil es eben nicht so ist, dass Bäcker in unterschiedlichen Stadtteilen miteinander im Wettbewerb stehen; hier geht es vielmehr Industriezweige, die Produkte erzeugen, deren Preise auf dem Weltmarkt festgelegt werden –, muss man einfach feststellen, dass Deutschland auch Standortnachteile hat: Wir haben zum Beispiel höhere Löhne als andere; das ist gut so. Dafür haben wir auch eine höhere Produktivität. (Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Was das EEG angeht, Herr Kindler: Wenn man will, dass es in diesem Land Industriearbeitsplätze gibt, wenn man nicht will, dass wir uns so deindustriealisieren, wie es die USA oder England in den letzten Jahren gemacht haben, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Schauermärchen!) ist es sinnvoll, vernünftig und richtig, dass man für die deutsche Industrie etwas tut, dass man für gut bezahlte deutsche Industriearbeitsplätze etwas tut. Deswegen ist es notwendig, dass man hier ganz klar sagt: Es muss Ausnahmen vom EEG geben. Es muss möglich sein, dass man für Industriezweige, die im internationalen Wettbewerb stehen, etwas tut. Das sind keine Subventionen. Das hat etwas mit Wettbewerbsfähigkeit und Chancengleichheit zu tun. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Was Sie hier probieren, ist, dass Sie der deutschen Industrie einen Betonblock an den Fuß binden, damit sie nicht wettbewerbsfähig ist. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurd!) Ich kann die Grünen ja verstehen. Sie mögen es gut finden, wenn hier viele Unternehmen pleitegehen. Das kommt ihnen im Hinblick auf die Reduzierung des CO2-Ausstoßes und anderes entgegen. Im Kern stehen wir Sozialdemokraten, steht diese -Koalition für eine erfolgreiche Industrielandschaft, für Arbeitsplätze, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für vorgestern!) für starke Arbeitgeber und starke Arbeitnehmer in diesem Land. Da unterscheiden wir uns von den Grünen. Wir sind dafür, dass Unternehmen aus Hamburg, aus dem Ruhrgebiet und anderswoher auf dem Weltmarkt eine Chance haben. Dafür steht auch dieser Haushalt, und dafür steht auch diese Koalition. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auch die Unternehmen in Bayern, in Burghausen! – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das hätte ich auch nicht besser sagen können!) Am Ende stellt sich heraus, dass Grundkonsens in diesem Hause ist – von einigen Aufgeregten bei den Grünen einmal abgesehen –, dass wir der deutschen Industrie ermöglichen wollen, im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein; dazu stehen wir. In meinem Wahlkreis hat mit Aurubis der international größte Kupferhersteller seinen Sitz. Dieses Unternehmen muss sich im Wettbewerb bewähren. Dessen Wettbewerber kommen nicht aus Deutschland; sie sind international tätig. Alle Unternehmen dieser Branche sind demselben Preiskampf ausgesetzt. Wenn wir es Unternehmen wie Aurubis nicht möglich machen, wettbewerbsfähig zu sein, dann haben sie keine Chancen. Wenn wir hier im Rahmen der Haushaltsberatungen darüber reden, wie wir das Geld ausgeben, dann müssen wir bedenken, dass dieses Geld erst einmal eingenommen werden muss, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall der Abg. Anja Karliczek [CDU/CSU]) Das funktioniert nun einmal nur, wenn wir eine Industrie haben, die im weltweiten Wettbewerb Chancen hat. Insofern sage ich – mit Verlaub, Herr Kindler –: Die hohlen Phrasen, die ich gehört habe, halte ich für falsch. Ich halte sie in der Sache für falsch, und im Hinblick auf die deutschen Arbeitsplätze und die deutschen Arbeitnehmer sind sie allemal falsch. Es gilt eben nicht, das EEG ausnahmslos umzusetzen. Vielmehr sollte man nach vernünftigen Kriterien vorgehen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?) Man sollte immer die Folgen seines Tuns bedenken. Man muss weiter denken als von hier bis zum nächsten Birnbaum. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Sie können auch in die CDU kommen!) Wenn man sich den Haushaltsentwurf, den wir vorgelegt haben, anschaut, stellt man fest: Wir handeln vernünftig. Wir steuern die geringste Neuverschuldung seit 40 Jahren an. Das zeigt: Die Große Koalition funktioniert. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim EEG nicht!) Das zeigt: CDU, CSU und SPD befinden sich auf einem guten Kurs. Das zentrale Versprechen des Koalitionsvertrages, solide Staatsfinanzen für eine starke Zukunft zu schaffen, ist erfüllt; wir arbeiten daran, dass das so weitergeht. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt wirklich keiner!) Im nächsten Jahr wollen wir eine schwarze Null haben. Dass auch Rote für eine schwarze Null kämpfen, ist nichts Ungewöhnliches. Wir Sozialdemokraten haben schon in der letzten Großen Koalition dafür gekämpft, dass im Grundgesetz eine Schuldenbremse verankert wird. Der eingeschlagene Weg wird jetzt fortgeführt. Wenn wir im nächsten Jahr bei einer schwarzen Null landen, dann steht das im Einklang mit der mittelfristigen Finanzplanung. Die Schuldenbremse wird also eingehalten. Das ist ein großes Versprechen. Es einzuhalten, ist für diese Große Koalition auch eine große Aufgabe. Sie wird uns die nächsten Jahre beschäftigen. Der Finanzminister, der sich hierhingestellt und gesagt hat, er stehe zu dieser schwarzen Null und wolle durchziehen, was dafür notwendig sei, hat in den nächsten Jahren eine große Verantwortung; denn man muss dafür viele Bedingungen erfüllen. Jede Abweichung vom notwendigen Kurs wird für uns alle schwierig und problematisch. Wir stehen also nicht nur zum Ziel einer schwarzen Null, sondern haben mit dem Koalitionsvertrag und diesem Haushalt sehr viel dafür getan, dass dieses Ziel erreichbar ist. Das Ziel einer schwarzen Null hat viel mit Generationengerechtigkeit zu tun. Wir sagen: Wir machen keine neuen Schulden mehr in diesem Land. Dazu stehen Sozialdemokraten und CDU/CSU. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir stehen auch dafür, dass die Steuern nicht erhöht werden!) Ich glaube, dass das etwas ist, was man gar nicht laut genug sagen kann. Dieser Haushalt ist der erste Schritt auf diesem Weg. Ab dem nächsten Jahr wird das so kommen. Zur Kritik der Opposition. Die Opposition redet über 200 Millionen Euro hier, 600 Millionen Euro da. Wir reden dann über 0,6 Prozent von 300 Millionen Euro. (Zurufe: Milliarden!) – Genau, 300 Milliarden. – Ehrlich gesagt: Herr Kindler, man kann sich über vieles streiten, den ganzen Tag, aber es sollte schon einen Hauch von Substanz haben. Dass wir in so einem Haushalt Spielräume haben, das ist gut so. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bisschen mehr Substanz in Ihrer Rede!) Wir hatten Pech. Wir hatten Glück. Das eine zu betonen und das andere nicht, das ist ein bisschen grenzwertig. Ich verstehe, dass Sie Ihre neun Minuten Redezeit irgendwie füllen müssen, aber im Kern sollte man das schon ein bisschen substanzieller tun. Wir schätzen uns sehr – Sie haben auch zum Teil zugestimmt –, aber diese Kritik war nicht in Ordnung. Ansonsten möchte ich noch eine Anmerkung machen. Von den Grünen ist kritisiert worden, wie man mit dem Stabilitätspakt umgeht. Ich glaube, besser als der Regierungssprecher gestern hätte man es gar nicht sagen können. Herr Seibert hat das sehr vernünftig ausgeführt. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst Herr Barthle, dann Herr Seibert, nur der Herr Kahrs hat nichts zu sagen!) Er hat gesagt, dass beim Stabilitäts- und Wachstumspakt beide Worte gelten. Er hat gesagt, dass Fristverlängerungen möglich sind und dass es in der Vergangenheit auch schon dazu gekommen ist. Er hat gesagt: Negative wirtschaftliche Entwicklungen können beim Defizitverfahren berücksichtigt werden. Er hat gesagt: Die Investi-tionsklausel trägt größeren Strukturreformen Rechnung. Er hat gesagt, dass die Bundesregierung zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt steht und auch eine flexible Anwendung für möglich hält. – An diesem Pakt wird nichts geändert. Wir brauchen beide Teile. Der Regierungssprecher hat es gestern festgestellt. Ich gehe davon aus, dass zwischen Bundeskanzlerin, Vizekanzler und Finanzminister kein Blatt Papier passt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine niveaulose Rede!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Jetzt kommt die Versuchsanordnung mit dem Blatt Papier! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt wieder eine linke Rede!) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Koalition arbeitet geschlossen. Das haben wir auch gerade in den Reden unserer beiden Berichterstatter des Haushaltsausschusses überzeugend gehört. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD] – Heiterkeit bei der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die SPD nichts macht!) Eine kleine Anmerkung muss ich machen, Herr Kollege Kahrs – ich spreche in Übereinstimmung mit dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion –: Den Kollegen Barthle geben wir nicht her. Der bleibt schon bei uns. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Zunächst will ich mich nun bei den Kollegen im Haushaltsausschuss für die intensive Arbeit, für die große Unterstützung und die gute Zusammenarbeit bedanken. Der Erfolg dieser gemeinsamen Arbeit und der Anstrengungen kommt den Menschen in unserem Lande zugute; denen dienen wir alle gemeinsam. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt den Widerspruch zwischen Wirtschaftswachstum und Haushaltskonsolidierung nicht. Dieser Widerspruch ist einer der verbreiteten Irrtümer, die wir seit Jahren konsequent widerlegen. Wir sind in Europa nicht nur Stabilitätsanker, sondern auch Wachstumslokomotive, und zwar mit einer Politik, mit der wir durch eine konsequente, stetige Rückführung der als Folge der Finanzkrise zu hoch gewordenen Verschuldung dafür sorgen, dass Vertrauen in unserem Lande wächst und deswegen der private Konsum und auch die Investitionen hoch sind. Entscheidend sind dabei nicht die öffentlichen, sondern die privaten Investitionen. Dafür muss man durch eine langfristige, stetige Finanz- und Haushaltspolitik die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Abbau der Verschuldung und keine Diskussion über Steuererhöhungen, das sind die wichtigen Parameter. Deswegen haben wir eine wirtschaftliche Lage, die besser ist, als sie leider in vielen anderen europäischen Ländern derzeit ist. Das Institut für Weltwirtschaft hat in diesen Tagen prognostiziert, in diesem Jahr würden wir ein reales Wachstum von bis zu 2 Prozent und im kommenden Jahr von 2,5 Prozent haben. Die Lage hat sich gegenüber den amtlichen Schätzungen ein wenig verbessert. Daher haben wir im Vergleich zu den Steuerschätzungen auch einen gewissen Spielraum, um auf Entwicklungen, die uns durch vorläufige Entscheidungen von Finanzgerichten ereilt und zu Abweichungen von der Steuerschätzung geführt haben, reagieren zu können. 2,0 Prozent Wachstum in diesem Jahr und 2,5 Prozent Wachstum im kommenden Jahr, das ist eine ordentliche, am oberen Rand unseres Potenzialwachstums liegende wirtschaftliche Entwicklung. Das zeigt, dass wir wirtschaftlich auf einem erfolgreichen Kurs sind. Im Übrigen haben wir auch eine gute Lage am Arbeitsmarkt, was überhaupt nicht heißt, dass wir uns nicht weiter bemühen müssen, vorhandene und neu auftauchende Probleme schrittweise zu lösen. Aber mit diesem Haushalt haben wir Handlungsfähigkeit erzielt. Ich will eine Bemerkung hinzufügen: Von unserer wirtschaftlichen Lage profitieren nicht zuletzt unsere Partner in Europa. (Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!) Nach Untersuchungen von wirtschaftswissenschaftlichen Instituten haben wir eine Exportelastizität von 0,9. Das heißt, wenn unser Export 10 Milliarden Euro höher ist, dann bewirkt das Vorlieferungen in Höhe von 9 Milliarden Euro durch unsere Partner in Europa nach Deutschland. Die anderen Länder profitieren von unserer wirtschaftlichen Stärke. Deswegen wäre es im Interesse europäischer Solidarität das Dümmste, was wir machen könnten, wenn wir Deutschland schwächen würden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Um insgesamt stärker zu werden, müssen auch wir Deutsche unserer Verantwortung ein Stück weit gerecht werden. Herr Kollege Bartsch, mit allem Respekt, es geht schief, wenn Sie uns in einer Rede in zwei Sätzen hintereinander vorwerfen, wir würden viel zu viel sparen und viel zu viele Schulden machen. Das muss schiefgehen. Sie können nicht gleichzeitig rechts und links überholen, wenn Sie einen Crash vermeiden wollen. Ich würde Ihnen raten: Überlegen Sie das nächste Mal, welche Tricks Sie machen. Sie können nicht ausführen, wir würden die Verschuldung unsinnig zurückführen, und gleichzeitig sagen, wir hätten die höchsten Schulden aller Zeiten. Es ist schade um den Versuch, eine seriöse Debatte zu führen. Wir haben uns konsequent dafür entschieden – das entspricht übrigens europäischem Regelwerk; auch daran muss man erinnern –, dass wir die zu hohe Verschuldung schrittweise zurückführen, damit wir in einem Zeitraum von zehn Jahren – das werden wir wohl schaffen – auf eine gesamtstaatliche Verschuldung von 60 Prozent im Verhältnis zu unserer wirtschaftlichen Leistungskraft zurückkommen. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber wir können in dieser Legislaturperiode – wir sind auf einem guten Weg – die Verschuldung in der mittelfristigen Finanzplanung auf unter 70 Prozent senken. Das ist die entscheidende Voraussetzung. Dazu leistet dieser Haushalt einen wichtigen Beitrag, und zwar in diesem Jahr ohne strukturelle Neuverschuldung, mit einer Neuverschuldung von letztmalig 6,5 Milliarden Euro. Ich hoffe, dass wir es schaffen. Wenn uns nichts Unvorhersehbares dazwischenkommt, schaffen wir es auch, dass wir ab dem kommenden Jahr ohne Neuverschuldung auskommen. Das ist notwendig, weil wir damit die Wachstumskräfte stärken. Wir erfüllen das, was wir im Koalitionsvertrag versprochen haben: Im Rahmen des Haushalts stärken wir die öffentlichen Investitionen. Wir unterstützen die Länder und Gemeinden im Bereich von Bildung und Forschung zulasten des Bundeshaushaltes, damit sie ihre Handlungsfähigkeit in der Bildungs- und Forschungspolitik – vor allen Dingen geht es aber auch um eine Stärkung der kommunalen Investitionen – verbessern können. Wir bleiben dabei, dass wir die Forschungsausgaben – im internationalen Vergleich stehen wir mit an der Spitze – auf 3 Prozent unserer gesamtwirtschaftlichen Leistung festschreiben. Das haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt. Das setzen wir mit diesem Haushalt und im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung um. Meine Damen und Herren, angesichts der Debatte über Investitionen will ich noch einmal sagen: Das Allerwichtigste bei diesem wahnsinnig schnellen Wandel in der technologischen Entwicklung, in dieser globalisierten, weltweit vernetzten Wirtschaft ist, dass wir in Forschung und Entwicklung an der Spitze bleiben. Deswegen ist die Aufrechterhaltung einer hohen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in Deutschland ein Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und damit für unsere Fähigkeit, angesichts unserer demografischen Entwicklung auch in Zukunft soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit gewährleisten zu können. Genau darum geht es in unserer Finanzpolitik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Haushalt und diese Finanzpolitik schaffen auch Spielraum für private Investitionen. – Übrigens, Herr Bartsch, dass wir den Bundeshaushalt so spät verabschieden, hat damit zu tun, dass wir im letzten Jahr gewählt haben. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ich habe über die vorläufige Haushaltsführung geredet, die wir gehabt haben!) Das ist gar nicht anders möglich. Die Diskontinuität einer Legislaturperiode bedeutet, dass man den Haushalt erst einmal neu einbringen muss. Das Parlament braucht dann ein paar Wochen Zeit, um intensiv zu beraten. Es ist mit Hochdruck gearbeitet worden. Deswegen weiß ich nicht, was Sie daran kritisieren, es sei denn, Sie haben etwas gegen Wahlen. Das war ja früher einmal umstritten. Das sollten wir aber nicht wieder tun, um es ganz ruhig zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Fragen Sie die Kanzlerin! Die kennt sich aus!) Es tut mir furchtbar leid, aber es war ein so alberner Vorwurf, dass man ihn doch einmal zurückweisen muss. Wir gehen diesen Weg jedenfalls konsequent weiter. Es ist entscheidend, dass wir diese Linie auch so verfolgen, wie wir es gesagt haben. Ich will den Bemerkungen Folgendes hinzufügen: Indem wir Vertrauen in die Verlässlichkeit unserer finanzpolitischen Handlungsfähigkeit schaffen und zugleich das Vertrauen darin schaffen, dass wir in den kommenden Jahren nicht die Steuern erhöhen, sorgen wir für bessere Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine Verstärkung der privaten Investitionstätigkeit. Genau darauf werden wir uns konzentrieren müssen. Wir müssen weiter daran arbeiten, im Bereich der Mittelstandsfinanzierung die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir müssen vor allen Dingen daran arbeiten – ich will nicht alles wiederholen –, dass wir die Rahmenbedingungen für Existenzgründungen in unserem Lande verbessern. Wir müssen angesichts der Gewohnheit, viel weniger über den Kapitalmarkt zu finanzieren als in angelsächsischen Ländern, zumindest für die Start-up-Unternehmen eine bessere Wagniskapitalkultur schaffen. (Beifall des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU]) Wir werden in unserer Politik die entsprechenden Anreize dafür schaffen, auch in steuerlicher Hinsicht. Denn genau darin liegt der Schlüssel für eine Verstärkung der Investitionstätigkeit in unserem Land. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das muss im Übrigen auch der Weg für Europa sein. Wir brauchen in Europa genau denselben Weg: Zurückgewinnung von Vertrauen durch Festhalten am Stabilitäts- und Wachstumspakt und Stärkung der Investitionen durch eine effizientere Mittelverwendung in der Europäischen Union. Zu Beginn einer neuen Legislaturperiode im Europäischen Parlament und in der Europäischen Kommission besteht eine Menge Handlungsbedarf. Darauf sollte man sich konzentrieren, anstatt eine Diskussion zu führen, bei der der Verdacht entsteht, man würde die alten Fehler wiederholen. Wir haben einen schweren Fehler gemacht, indem wir uns nicht an die Regeln gehalten haben. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen. Wir sehen, dass der andere Weg der richtige ist. Diesen müssen wir konsequent weitergehen. Im Übrigen möchte ich bei dieser Gelegenheit Folgendes sagen: Man hat unsere europäische Währung in den letzten Jahren totgesagt. Ich finde es doch ganz bemerkenswert, dass es uns entgegen vielerlei Skepsis mit der richtigen Politik – sie besteht darin, Solidarität denjenigen gegenüber zu zeigen, die Solidarität brauchen, aber Hilfe immer in Form von Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten; das bedeutet auch Konditionalität – gelungen ist, den Euro zu stabilisieren und ihn damit aus der Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten herauszuführen. Die Folge ist, dass wir heute wieder über eine der angesehensten Reservewährungen verfügen. Ein Bericht der OECD beschäftigt sich mit den Ländern, die Strukturreformen durchführen. Es ist schon bemerkenswert, dass die Länder in Europa, die einem Stabilitätsprogramm unterlagen oder noch unterliegen, in der Durchführung von Strukturreformen am erfolgreichsten waren. Die wirtschaftlichen Erfolge sind in Irland, in Spanien, in Portugal, in Zypern und in Griechenland bei allen Schwierigkeiten nicht zu übersehen. Deswegen ist dieser Weg – solide Finanzen und Strukturreformen – der richtige, um die Länder aus den Schwierigkeiten herauszuholen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass sich der Euro einer großen Anziehungskraft -erfreut, zeigt die Tatsache, dass wir heute im Rahmen dieser Haushaltswoche zugleich über den Antrag der Republik Litauen, der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion beizutreten und den Euro als Umlaufwährung einzuführen, beraten. Ich bitte sehr darum, dass wir diesem Antrag zustimmen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!) Litauen hat große, erfolgreiche Anstrengungen unternommen, seine Wirtschaft zu reformieren. Wenn ich manche Klagen in Europa höre oder lese und dann schaue, welche Anstrengungen unsere baltischen Partner in Europa erfolgreich unternommen haben, dann muss ich sagen: Man kann ein ganzes Stück daraus lernen. – Insofern ist der Antrag Litauens und die Empfehlung der Europäischen Kommission, dass Litauen zum 1. Januar 2015 der Währungsunion beitreten soll, wiederum ein Beweis dafür, dass dieser Weg der richtige ist. Wir gratulieren Litauen zu den erreichten Erfolgen und freuen uns auf ein weiteres Mitglied in unserer gemeinsamen europäischen Währung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sind mit dem Haushalt 2014 auf einem guten Weg. Die Finanzpolitik kann nicht alles – die Politik kann sowieso nicht alles –, aber sie kann die Weichen im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit so stellen, dass die Menschen Arbeit und Beschäftigung haben und die soziale Sicherheit in diesem Lande besser gewährleistet ist als in den meisten anderen Ländern dieser Welt. Das ist die Aufgabe unserer Finanzpolitik. Deswegen wünsche ich mir für die Haushaltsberatungen in dieser Woche, dass wir uns in genau diesem Geist um die bestmöglichen Lösungen bemühen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Alexander Ulrich, die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Alexander Ulrich (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schäuble, Sie haben sich an mehreren Stellen mit der sehr guten Rede von Herrn Bartsch auseinandergesetzt. Das zeigt, dass unsere Kritik angekommen ist. Aber Sie haben dann versucht, einen Widerspruch aufzumachen. Wir wollen daher nochmals versuchen, es Ihnen zu erklären: Sie sparen auf Kosten der zukünftigen Generationen, Sie sparen auf Kosten der Sozialversicherungen, Sie sparen auf Kosten der Kommunen, und trotzdem sind Sie der Schuldenfinanzminister Deutschlands. Das ist der Widerspruch, den Sie nicht erkennen können. Die Lösung liegt darin, mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen. Wir müssen das Geld dort abholen, wo es vorhanden ist. (Beifall bei der LINKEN) So könnte man in die Zukunft investieren und einen soliden Haushalt aufstellen. Herr Kahrs, Sie prahlen hier damit, dass kein Blatt Papier mehr zwischen CDU/CSU und SPD passt. Ich möchte einmal daran erinnern: Es war der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück – manche erinnern sich noch an ihn –, der im Wahlkampf gesagt hat: Mehr soziale Gerechtigkeit in diesem Land wird es nur mit mehr Steuergerechtigkeit geben. – Dieser Haushalt leistet keinen Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit. Infolgedessen, Herr Steinbrück, ist dieser Haushalt unsozial; aber die SPD sagt, es passe kein Blatt Papier zwischen sie und die CDU/CSU. Auch Sie von der SPD stehen für einen unsozialen Haushalt 2014. (Beifall bei der LINKEN) Herr Schäuble, Sie haben den Beitritt Litauens zur Euro-Zone angesprochen; auch ich will über dieses Thema reden. Mit Litauen soll nun ein neues Mitglied in die Euro-Zone aufgenommen werden, obwohl die Probleme noch lange nicht gelöst sind. Eine Vergrößerung der Euro-Zone löst ihre strukturellen Probleme nicht. In den letzten Jahren ist ganz deutlich geworden, dass die Europäische Währungsunion eine Fehlkonstruktion ist. Von der Einführung des Euros bis zum Ausbruch der ersten großen Krise hat es keine zehn Jahre gedauert. Diese Krise hält nun schon seit sechs Jahren an, und ein Ende ist nicht in Sicht. Wenn wir einen krisenresistenten Euro wollen, dann müssen wir seine Konstruktionsfehler beheben. Das bedeutet zum Beispiel: ein Ende des Steuerdumpings, massive öffentliche Investitionen und eine strenge Regulierung der Finanzmärkte. Deutschland muss endlich seine riesigen Außenhandelsüberschüsse abbauen: durch höhere Löhne, Renten und Sozialleistungen. Solange diese grundlegenden Korrekturen nicht vorgenommen worden sind, ist es unverantwortlich, die Euro-Zone zu vergrößern. (Beifall bei der LINKEN) Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Litauen die Maastricht-Kriterien einhält und damit die Beitrittsvoraussetzungen formal erfüllt. Auch das wissen wir spätestens seit der Krise: Diese Kriterien sind keine vernünftige Grundlage für eine Beitrittsentscheidung. Gerade jene Faktoren, die bei der Krisenentstehung ganz entscheidend waren – Lohnniveau, Produktivität, Größe des Finanzsektors, private Verschuldung –, werden überhaupt nicht berücksichtigt. Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Wir stimmen auch deshalb nicht zu, weil es sich offensichtlich um eine Entscheidung gegen die litauische Bevölkerung handelt. Laut Eurobarometer sind 56 Prozent gegen den Euro-Beitritt. Die Regierung Litauens verweigert ein Referendum. Wir sind der Meinung, dass ein solch wichtiger, zukunftsweisender Schritt auf keinen Fall gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden darf. Das ist ein Grund, warum wir heute nicht zustimmen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Sozialdemokraten erteile ich dem Kollegen Dr. Hans-Ulrich Krüger das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der in dieser Woche zur Verabschiedung vorliegende Haushalt des Jahres 2014 ist Zeugnis der Leistungsfähigkeit, der Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch des Gestaltungswillens der Großen Koalition. Wir sind auf dem Weg – es klang schon mehrfach an –, im nächsten Haushaltsjahr ohne neue Verschuldung auszukommen. Insgesamt betragen die Ausgaben 296,5 Milliarden Euro, die Nettokreditaufnahme beträgt 6,5 Milliarden Euro. Das ist die niedrigste Neuverschuldung seit 40 Jahren; da waren einige von uns – ich gehöre bedauerlicherweise nicht dazu – noch gar nicht geboren. Natürlich ist es auch das Ergebnis des aktuellen entschlossenen Handelns. Es ist aber auch das Ergebnis mutiger Reformen in der Vergangenheit unter Gerhard Schröder – daran darf man am heutigen Tag erinnern –, die dazu geführt haben, dass wir andere Akzente gesetzt haben als unsere Nachbarländer. Die Früchte unserer Bemühungen dürfen wir heute ernten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir gestalten also auf der einen Seite einen strukturell ausgeglichenen Haushalt, auf der anderen Seite haben wir in den Koalitionsverhandlungen ein gutes, sozial gerechtes und vor allen Dingen auch finanzierbares Investitionsprogramm kreiert. Der Einzelplan 08, also der Finanzhaushalt, ist im Großen und Ganzen ein reiner Verwaltungshaushalt. Er ist unstreitig in die Haushaltsplanberatungen hinein- und nahezu unstreitig wieder herausgekommen, und das ist auch gut so. Er weist ein Ausgabensoll von knapp 5,2 Milliarden Euro aus. Das ist im Wesentlichen unverändert geblieben. Das Soll stieg gegenüber 2013 um 170 Millionen Euro. Der Löwenanteil, wie bei derartigen Haushalten üblich, entfiel durch Aufstockungen und Gehaltssteigerungen auf den Bereich Personal. In diesem Fall gibt es eine Besonderheit, die wir als Parlament nicht vergessen sollten. Zum 1. Juli 2014 übernimmt der Bund den Einzug der Kfz-Steuer. Bereits seit dem Jahre 2009 bekommen wir die Erträge aus dieser Steuer aufgrund einer diesbezüglichen Vereinbarung überwiesen, müssen den Ländern aber, die seitdem im Wege der Organleihe für uns tätig sind, 170 Millionen Euro pro Jahr zahlen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Aufstockung des Personaletats in einem anderen Licht, wenn man bedenkt, dass diese 170 Millionen Euro Verwaltungsaufkommen nunmehr wegfallen werden. (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Diese große Aufgabe ist – mein Dank gebührt insbesondere den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des -Finanzministers – bravourös gemeistert worden, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) indem qualifiziertes Personal aus Überhängen anderer Ressorts, zum Beispiel des Verteidigungsressorts, aber auch der Deutschen Bahn AG oder der Nachfolgeunternehmen der Post, zum Beispiel Vivento, übernommen wurde. Insgesamt wurden wir mit qualifizierten Damen und Herren versorgt, die bei uns, entsprechende Leistungsbereitschaft und -qualität vorausgesetzt, nunmehr einen sicheren Arbeitsplatz finden. Es ist gut, dass diese Aufgabe relativ reibungslos vollzogen wurde. In der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses ist es im Rahmen der berühmten Bereinigung zu weiteren wichtigen Verbesserungen gekommen, die ich an dieser Stelle kurz Revue passieren lassen möchte. (Johannes Kahrs [SPD]: Wegweisend!) Insbesondere ist für mich die Erhöhung der Städtebauförderungsmittel von 455 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro von Bedeutung. Das Programm „Soziale Stadt“ erhält 150 Millionen Euro. Darauf können wir aufbauen und sagen: Daraus entwickeln wir ein Leitprogramm der Städtebauförderung zugunsten von Stadtteilsanierungen in Kommunen, die es dringend nötig haben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU] – Johannes Kahrs [SPD]: Großartig!) Parallel dazu haben wir – hier werden wir uns in den kommenden Jahren verstärkt anstrengen müssen – Investitionszuschüsse für die Neuauflage des Programms „Altersgerechter Wohnraum“ beschlossen. Denn – und das ist völlig klar – wir werden nicht nur alle älter, wir wollen auch während des Älterwerdens vermehrt in unserem angestammten sozialen Umfeld bleiben, aber nur 1 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in der Bundesrepublik Deutschland ist altersgerecht. Von daher benötigen wir bis 2020 2,5 Millionen zusätzliche Wohnungen, welche mindestens das Kriterium „barrierearm“ erfüllen. Dieser Herausforderung müssen wir uns nicht irgendwann stellen, sondern wir müssen uns ihr jetzt stellen. Mit dem vorliegenden Haushalt schaffen wir einen vernünftigen Einstieg. Nun gilt es, diesen Bereich noch mehr in unseren Fokus zu rücken und weiter auszubauen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle haben dafür gekämpft, dass die Mittel für Integrationskurse nicht weiter gekürzt werden. (Beifall bei der SPD) 40 Millionen Euro sind hierfür veranschlagt. Diese 40 Millionen Euro gerettet zu haben, das ist eine Leistung. Jeder, der in seinem Wahlkreis Träger der Erwachsenenbildung hat, weiß, wie sehr sich diese um Migrantinnen und Migranten kümmern, die ihrerseits ihren Platz in unserer, hoffentlich dann in unserer gemeinsamen Gesellschaft finden wollen. Er weiß vor diesem Hintergrund, wie wichtig jeder einzelne Euro ist, der in diesem Bereich ausgegeben wird. Das ist gut so, und zwar sowohl aus moralisch-ethischen als auch aus volkswirtschaftlichen Gründen. (Beifall bei der SPD) Erwähnen möchte ich auch noch zwei Einzelpositionen: Durch die Erhöhung des Zuschusses für die Bundeszentrale für politische Bildung haben wir die Mög-lichkeit, einen Akzent zu setzen; denn im Rahmen der politischen Aufklärung wird für alle Menschen in Deutschland Gutes getan. Durch die Erhöhung der Mittel für das THW untermauern wir nun das, was wir in Sonntagsreden allzu oft betont, aber allzu selten untermauert haben. Wir sorgen dafür, dass die Menschen, die sich einem bestimmten Leitgedanken verpflichtet fühlen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, die in ihrer Freizeit aus Solidarität ihre Knochen hinhalten, um bei Katastropheneinsätzen etc. zu helfen, eine vernünftige Ausbildung und eine vernünftige Ausrüstung erhalten. Das ist das, was wir unter Respekt vor dem Ehrenamt, unter Respekt vor solidarischer Leistung verstehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Großartig! Sehr gut!) Parallel dazu haben wir in den letzten Wochen die -prioritären Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt: Die Anerkennung von Lebensleistung von Menschen im Rahmen unseres Rentenpakets, die Anerkennung von Kindererziehungszeiten, die Erhöhung der Erwerbsminderungsrente – das sind Dinge, die wir im Rahmen der Großen Koalition beschlossen und in die Tat umgesetzt haben. Wir haben auch den Haushaltsansatz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf rund 14 Milliarden Euro erhöht; auch diesen Beschluss haben wir umgesetzt. In den nächsten Wochen wird es darum gehen – das ist ein wesentlicher Baustein dieses Themenpakets –, die Einführung des Mindestlohns zu beschließen, damit jeder, der vollschichtig arbeitet, in bescheidenem Rahmen von seinem Lohn leben kann und nicht staatlicher Hilfe anheimfällt. Dieser Satz soll und muss gelten. Es darf kein Erfolgsmodell sein, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern sagen: Ich zahle dir wenig, hol dir doch den Rest vom Sozialamt. Mit dieser unwürdigen Situation muss endlich Schluss gemacht werden. Von daher möchte ich an dieser Stelle mit Blick auf die anstehenden Debatten an die Zweifler appellieren, an diejenigen, die Bedenken haben bzw. säen. Ich bitte Sie, Ihre Bedenken zugunsten einer vernünftigen Lösung zu überwinden und einen grundsätzlichen Mindestlohn ab dem 1. Januar 2015 einzuführen. Die Gewährung dieses Mindestlohns – das sage ich als Berichterstatter für den Einzelplan 08 – muss dann aber auch kontrolliert werden. Von daher kündige ich bereits jetzt an, dass wir uns in den Haushaltsberatungen der nächsten Jahre darüber zu unterhalten haben – je nach Ausgestaltung der Kriterien für die Kontrolle –, wie viele Damen und Herren zur Ausgestaltung eines effizienten Kontrollsystems eingesetzt bzw. übergeleitet werden können und sollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist aber kein Thema für heute, sondern für den schon mehrfach beschworenen September. Jetzt möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken. Als Neuling im Haushaltsausschuss habe ich festgestellt, dass das Klima von gegenseitigem Vertrauen, gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Anerkennung getragen ist. Das ist gut so und das sollte, denke ich, auch in den nächsten Jahren so bleiben. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir zeigt die heutige Debatte eines: Was die Zukunftsgestaltung des Haushalts angeht, kann die Große Koalition leider nur das ganz kleine Karo. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Kollege Krüger müsste sich hier nicht – Zitat – auf die letzten mutigen Reformen von Schröder in der rot-grünen Zeit berufen. Sie sind Teil der Großen Koalition, Sie sind in Verantwortung und könnten gestalten. Stattdessen verwalten Sie nur den Status quo. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schlimmer noch: Sie haben noch nicht einmal den Anspruch, für die Zukunft zu gestalten. Dabei könnten die Rahmenbedingungen gar nicht besser sein als jetzt: eine brummende Konjunktur, noch sind die sozialen Sicherungssysteme stabil, gute Steuereinnahmen und historisch niedrige Zinsen. Das sind die Bedingungen, die eigentlich dazu prädestinieren, die Dinge in die Hand zu nehmen und Reformen durchzuführen. Vor allem verpflichten sie, heute schon an morgen, an den demografischen Wandel und die Entwicklung dieses Landes zu denken. Stattdessen rechnen Sie sich in Nacht-und-Nebel-Aktionen im Haushaltsausschuss so lange alles so zurecht, bis es irgendwie passt, damit Sie keine strukturellen Veränderungen herbeiführen müssen. In einem irren Sie sich aber. Sie glauben, das alles sei auf immer und ewig festgeschrieben. Ist es aber nicht! Das alles ist sehr fragil. Sie bauen den Haushalt und auch Ihre Konsolidierung auf Sand. Sie brauchen die strukturellen Reformen. Sie müssen – wir Grünen machen Ihnen dafür Vorschläge – eine ehrliche Ausgabenkritik durchführen. Wir brauchen den systematischen Subventionsabbau, und wir brauchen auch die Investitionen in Infrastruktur. Leider gehen Sie all diese Sachen nicht an, weil Sie hier nicht zuletzt die Debatte in Ihren eigenen Reihen fürchten. Da müssen Sie ehrlich zu sich selbst sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Sind wir immer!) Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen. Schauen Sie sich den Bereich Bildung an. Sie haben groß herumgetönt – 6 plus 3 Milliarden Euro –, wie viel Geld in diesem Bereich investiert wird. (Johannes Kahrs [SPD]: So wird es kommen!) Es gibt keine Rede, in der nicht erwähnt wird, wie wichtig diese Investitionen sind. (Johannes Kahrs [SPD]: Das war auch gut so! Das kommt noch!) Aber was machen Sie? Sie verschieben es, Sie verschleiern, Sie reden sich das gegenseitig irgendwie glatt, und es passiert erst einmal nichts. (Johannes Kahrs [SPD]: Was für ein Unfug!) Jenseits dessen, dass wir noch einmal darüber reden müssen, ob das Geld überhaupt ausreichen wird, passiert nichts, vor allem nichts Verbindliches. (Johannes Kahrs [SPD]: Unfug!) Herr Schäuble, Sie reden davon, wie wichtig die FuEMittel, also die Mittel für Forschung und Entwicklung, in diesem Lande sind. Wir stimmen Ihnen da absolut zu. Da sind wir komplett bei Ihnen. Die Zukunft der Wissenschaftspakte in diesem Lande aber ist komplett offen. Die Universitäten warten insbesondere im Hinblick auf Planbarkeit geradezu darauf, dass sie irgendwelche Antworten bzw. Zusagen von Ihnen bekommen. Eine Antwort darauf von Ihnen gibt es jedoch noch nicht. Allein das zu beschwören, bringt dieses Land nicht weiter. Zur BAföG-Reform: Viele reden nicht darüber. Jetzt zieht die zweite Generation von Studierenden an uns vorbei, die immer noch darauf wartet, dass es irgendwelche Reformen und Strukturveränderungen in diesem Bereich gibt. Von Ihnen kommt da – außer Verschiebebahnhöfen – nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schlimmer noch! Der demografische Wandel ist für dieses Land wahrscheinlich die größte Herausforderung überhaupt. Auch darin haben Sie recht, auch darin stimmen wir zu. Was aber ist Ihre Antwort darauf? Sie greifen in die Sozialkassen und konsolidieren Ihren Haushalt auf Kosten der Beitragsmittel bzw. durch die Leistungen der Beitragszahler. Der Gesundheitsfonds und die Rentenkasse werden komplett leergemacht. Die Bundesagentur für Arbeit liegt schon an der kurzen Leine. Sie könnte inzwischen noch nicht einmal bei der kleinsten Krise reagieren, um den Arbeitsmarkt wieder zu stabilisieren. Sie machen das ohne Rücksicht auf alle Erkenntnisse, die wir über den demografischen Wandel und die Kosten haben, die noch auf uns zukommen werden. Eine nachhaltige Politik der Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaut anders aus. Mit diesem Haushalt können Sie das noch nicht darlegen. Aber der nächste Haushalt kommt bestimmt, und mir fehlt das Vertrauen in die Große Koalition, dass Sie das irgendwie hinkriegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Ralph Brinkhaus, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir am 8. April den Haushalt einbrachten, haben wir gesagt, dass wir die 6,5 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung halten werden. Wir haben sie gehalten, obwohl wir unterwegs noch einen ziemlich großen Rucksack – mit der Rückzahlung der Brennelementesteuer und einigen anderen Sachen – aufgesattelt bekommen haben. Wir hätten es uns auch einfach machen und sagen können: (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie doch! Sie haben es sich einfach gemacht!) Die strukturelle Verschuldung können wir noch ein bisschen höher ansetzen. Dann erreichen wir immer noch einen strukturell ausgeglichenen Haushalt. – Wir haben es uns aber ganz bewusst nicht einfach gemacht und gesagt, dass wir diese 6,5 Milliarden Euro halten. Diese 6,5 Milliarden Euro sind nämlich ein Zeichen dafür, dass wir nächstes Jahr die schwarze Null erreichen wollen. Ich glaube, wir hätten viel Vertrauen verloren, wenn wir nicht schon jetzt beim ersten Anlauf den wichtigen Zwischenschritt gemacht und gesagt hätten: Wir satteln nicht noch etwas drauf. Ich glaube auch, meine Damen und Herren, dass dieser Haushalt 2014 mit den 6,5 Milliarden Euro ein ziemlich wichtiger Zwischenschritt ist hin zu unserem großen Ziel der schwarzen Null. Um in der Fußballersprache zu bleiben: Das Halbfinale haben wir, glaube ich, gewonnen. Jetzt müssen wir 2015 noch das Finale gewinnen. Das ist etwas, über das wir uns so richtig freuen können. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie denken nicht weiter! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie scheiden schon in der Vorrunde aus!) Ich kann ja verstehen, dass diese Freude von der Opposition nicht geteilt wird. Ich kann auch verstehen, dass Sie, wenn der Haushalt Freitag verabschiedet worden ist, keinen Autokorso über den Ku’damm machen, weil Sie sich so freuen. (Heiterkeit des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]) Aber die Kritik, die Sie an diesem Haushalt geäußert -haben, Herr Bartsch, erinnerte ein bisschen an die 70erJahre. Herr Kindler, auch Ihre Kritik war ziemlich bemüht. Das, was Sie gesagt haben, war weder substanziell noch sonderlich überzeugend. Im Prinzip müssen Sie eines anerkennen: Es läuft ziemlich gut. Es läuft ziemlich gut, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotz der Großen Koalition!) weil die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land viele Steuern zahlen. Das heißt, sie arbeiten fleißig, sie haben Jobs. Die Wirtschaft brummt. Auch das ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis der guten Politik verschiedener Regierungen. Ich möchte – bei allem Respekt vor unserem jetzigen Koalitionspartner – an dieser Stelle eines ganz ausdrücklich sagen: Das ist auch das Ergebnis der christlich-liberalen Koalition. Ein Teil des Ruhms gehört auch der FDP, bei der ich mich ausdrücklich dafür bedanken möchte, (Widerspruch bei der SPD und der LINKEN) dass sie in der letzten Legislaturperiode an dieser Stelle so gut und so effizient vorgearbeitet hat, sodass das hier heute überhaupt möglich ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Manfred Zöllmer [SPD]: Die haben noch nicht einmal der Schuldenbremse zugestimmt! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt braucht die FDP schon Zuspruch von der Union!) Ich möchte mich auch gerne bei den Haushältern bedanken. Sie haben einen harten Job. Wir haben viele neue Abgeordnete in der Arbeitsgruppe Haushalt, die sich in dieses Thema eingearbeitet haben. Ich schaue die beiden haushaltspolitischen Sprecher an. Sie haben Ihre Arbeit richtig gut gemacht. Sie haben das richtig klasse gemacht. Das lässt darauf hoffen, dass es auch in Zukunft mit diesen Haushältern klasse laufen wird. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Tolle Opposition! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsicht mit Selbstlob! Brauchen Sie das? Tut ja sonst keiner!) Ich möchte mich auch ausdrücklich bei den Sozialdemokraten bedanken. Denn das Projekt eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue oder höhere Steuern gehört – einmal abgesehen vom Kollegen Kahrs – nicht zu den Lieblingsprojekten der Sozialdemokratie. (Johannes Kahrs [SPD]: Na, na, na!) Genauso gibt es auch einige Projekte in der Großen Koalition – ich blicke zur Arbeitsministerin –, die nicht zu unseren Lieblingsprojekten gehören. Aber eine Große Koalition muss immer ausbalanciert sein. Das hat mit Geben und Nehmen zu tun. Das hat an dieser Stelle sehr gut geklappt, und zwar auch deswegen, weil der Bundesfinanzminister und unsere Haushaltspolitiker an der einen oder anderen Stelle in Bezug auf die Wünsche, die die SPD gehabt hat, sehr flexibel gewesen sind. Ich würde mir wünschen, Frau Nahles, dass Sie bei den anstehenden Beratungen zum Mindestlohn auch diese Flexibilität an den Tag legen und uns einmal an der einen oder anderen Stelle entgegenkommen. (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Das wird nichts! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Wir reden heute neben dem Haushalt über noch ein weiteres ganz wichtiges Thema. Ich schaue in Richtung Tribüne. Wir reden heute über Litauen. Wir alle freuen uns darüber, dass Litauen der Euro-Zone beitreten wird. Das ist schon mehrfach gesagt worden. Das ist wirtschaftlich in Ordnung. Die Kriterien sind abgeprüft worden. Ich denke, auch von der Art und Weise, wie Litauen Sachverhalte angeht, wie Litauen die Reformen vorangetrieben hat, ist es eine Verstärkung im Euro-Raum. Darüber freuen wir uns. Im Übrigen ist es gerade in den heutigen Zeiten auch ein wichtiges politische Signal, die baltischen Staaten enger an die Europäische Union zu binden, als es in der Vergangenheit der Fall war. Aber Litauen ist in die Euro-Zone eingetreten unter der Prämisse, dass es einen Stabilitäts- und Wachstums-pakt gibt, der eingehalten wird. Auch wenn es vielleicht anders gemeint war, die Signale, die die europäischen Sozialistenführer in der letzten Woche abgegeben haben, waren nicht gut. Wenn Sie darüber reden, dass in einem Stabilitäts- und Wachstumspakt, der ohnehin schon sehr flexibel ist, eine Flexibilisierung vonnöten ist, dann ist das das falsche Signal. Ich würde sogar sagen: Es ist ein schlimmes Signal. Denn dadurch geht Vertrauen verloren. In der Finanzkrise war Vertrauen verloren gegangen. Dieses Vertrauen haben wir uns mühsam wieder erarbeitet, indem wir uns an die Regeln, die wir uns selbst gesetzt haben, gehalten haben. Das war neu und anders. Wenn dieses Vertrauen jetzt erschüttert wird, ist das nicht gut. Es lenkt darüber hinaus von einer Sache ab, nämlich davon, dass das Wichtigste für die europäische Konsolidierung Strukturreformen sind. Wir werden als Koalition weiterhin auf diese Strukturreformen achten müssen, auch wenn der eine oder andere meint, dass das in der heutigen Zeit nicht mehr notwendig ist. Diese sind der Schlüssel zum Erfolg. Die andere Seite von Strukturreformen – der Bundesfinanzminister hat es ausgeführt – sind konsolidierte Haushalte. Das eine wird ohne das andere nicht funktionieren. Deswegen ist es wichtig, dass die Bundesregierung hier in Deutschland diese Linie so, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart ist, mit allen Ministern geschlossen vertritt und überhaupt keine Zweifel daran lässt, dass das von uns auch in der Zukunft durchgezogen wird. Meine Damen und Herren, wenn wir uns dem Haushalt zuwenden, dann stellen wir erstens fest, dass gute Haushaltspolitik immer auch etwas damit zu tun hat, dass man den Menschen in diesem Lande etwas zumuten und unbequem sein muss. Das, was die Kollegin von den Grünen gerade gesagt hat, ist richtig: Natürlich ist es nicht selbstverständlich, dass alles so bleibt, wie es ist. Aber wir haben momentan gute Zeiten und müssen deswegen für schlechtere Zeiten vorsorgen; (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie aber nicht!) das ist auch die Linie unserer Haushaltspolitik. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Eben nicht!) Das bedeutet – das ist besonders die Linie der Union –, dass das Erwirtschaften immer noch wichtiger ist als das Verteilen. Wir müssen in jedem Einzelplan immer wieder deutlich machen, dass es darum geht, die richtigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen, um vernünftige Steuereinnahmen zu generieren. Das kommt in der einen oder anderen Diskussion in diesem Hause bei der Opposition leider viel zu kurz. Der zweite Punkt im Hinblick auf Haushalte ist, dass der Staat keine Supernanny ist. Ich glaube, wir müssen deutlich machen: Wir können uns nicht um alles kümmern. Wir können nicht hundertprozentige Gerechtigkeit schaffen. Wir können auch nicht jeden Wunsch, so nachvollziehbar er auch ist, erfüllen; das geht nicht. Dementsprechend muss man im Rahmen der Haushaltspolitik handeln. Der dritte Punkt, der für vernünftige Haushaltspolitik entscheidend ist, ist, dass man nicht nur die Gegenwart im Blick hat, sondern auch die Zukunft. Es kommt eben nicht nur darauf an, dass es den Menschen heute gut geht, sondern es kommt auch darauf an, dass es den Menschen in Zukunft gut geht. Ganz konkret heißt das – auch das ist angesprochen worden, und es ist richtig –: Wir müssen in unseren Haushalten mehr investieren. Wir müssen die Investitionsquote steigern. Die Kritik, die daran vonseiten der Opposition geübt wird, finde ich richtig klasse. Wer sind denn diejenigen, die einen Konsumvorschlag nach dem anderen in die Haushaltsberatungen einbringen? Das sind die Linken und die Grünen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!) Insofern: Lassen Sie sich an Ihren Taten und nicht an Ihren Worten messen. Wir werden darauf achten, dass die Investitionen auch in Zukunft gesteigert werden; das ist die erste wichtige Sache. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Die sinken ja!) Die zweite wichtige Sache, die Sie, Herr Bartsch, überhaupt nicht verstanden haben, ist: Vernünftige Haushalte bekommt man nicht hin, wenn man die Einnahme-seite optimiert, sondern das schafft man immer nur über die Ausgabenseite. Es ist richtig: Wir müssen die Ausgaben priorisieren. Wir müssen darauf achten, dass die Ausgaben effizienter werden. Darin liegt der Schlüssel für eine vernünftige Haushaltskonsolidierung. Der dritte Punkt ist – das habe ich schon mehrfach gesagt, weil man das immer wieder betonen muss –: Wir müssen auch die Zukunft im Blick haben und dürfen nicht nur die Gegenwart im Blick haben. Wir dürfen Dinge, die wir heute finanzieren müssen, nicht in die Zukunft verschieben; auch das ist ganz wichtig. Ich fasse zusammen: Erstens. Uns geht es gut. Zweitens. Wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen, weder in Europa noch in Deutschland. Drittens. Wir müssen die Zukunft im Blick haben. Wenn wir das tun, dann haben wir 2015 und auch nachhaltig einen vernünftigen Haushalt. Ich bin optimistisch, Herr Kahrs, dass wir das auch mit der SPD hinbekommen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Selbst mit der CDU/CSU!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Kollege Dr. Axel Troost ist der nächste Redner für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Budgetrecht ist ein großes Recht des Parlaments. Deswegen sind Haushaltsberatungen immer etwas Besonderes. Aber zum Haushalt gehören eben nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Einnahmen. (Beifall bei der LINKEN) Deswegen will ich als Finanzpolitiker etwas dazu sagen. In der Tat: Wir haben ein neues Parlament gewählt, und wir haben eine neue Koalition. Im Gegensatz zu all den Wahlkampfaussagen werden die Fragen, wer die Ausgaben eigentlich finanziert und wie es um die Steuergerechtigkeit in diesem Land steht, in dieser Koalition und in der SPD inzwischen überhaupt nicht mehr gestellt. Zwar haben wir im Finanzausschuss interessante Debatten über den Mehrwertsteuersatz für Hörbücher geführt; aber ansonsten herrscht absolute Stille. Man hört immer wieder das Argument: Wir haben die höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte der Bundesrepublik. – Das ist eine Aussage ohne großen Inhalt; denn in einer wachsenden Wirtschaft mit Inflation hat man immer steigende Steuereinnahmen. In nahezu jedem Jahr seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland lagen die Steuereinnahmen des laufenden Jahres über denen des Vorjahres. Man müsste sich große Sorgen machen, wenn es nicht so wäre; denn dann wären wir in einer Krise. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Richtig!) Es muss aber auch immer wieder gesagt werden: Verglichen mit der letzten Steuerschätzung vor der Finanzkrise, also im Jahr 2008, haben wir immer noch rund 40 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen, als damals in der Prognose für 2012/2013 geschätzt worden ist. Eine Aussage zu Steuerbelastungen kann man nur treffen, wenn man sie ins Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit setzt, wenn man sich also die sogenannte Steuerquote anschaut. In der Tat: Die Steuerquote war in den letzten 30 Jahren relativ konstant. Sie ist vergleichsweise niedrig. Von zu hohen Steuern in der Bundesrepublik kann also überhaupt keine Rede sein. Was die Steuerquote nicht aussagt, ist, wer die Steuern zahlt. Da muss man eine dramatische Verschiebung feststellen: weg von den Reichen und den Unternehmen hin zur Masse, die inzwischen diesen Staatshaushalt -finanziert. An dieser Stelle muss ein Einnahmen-, ein Steuerkonzept ansetzen. Da sind wir als Linke leider die Einzigen, die hier den Finger auf die Wunde legen. (Beifall bei der LINKEN) Eine weitere Baustelle, die mir ganz wichtig ist, ist der Steuervollzug. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dem Bund, aber auch den Ländern und Kommunen Jahr für Jahr hohe Milliardenbeträge verloren gehen, weil einige Bundesländer kein Interesse daran haben, ihre Unternehmen ordentlich zu prüfen. Wissenschaftliche Untersuchungen gehen davon aus, dass den Haushalten dadurch nach wie vor bis zu 10 Milliarden Euro pro Jahr verloren gehen. Im Zuge der letzten Föderalismusreform haben wir versucht, das zu ändern. Das ist gescheitert. Bundesfinanzminister Eichel hat immerhin beschlossen, dass innerhalb von zehn Jahren das Bundeszentralamt für Steuern personell deutlich aufgestockt wird: dass die Zahl der Bundesbetriebsprüfer um 500 Personen erhöht wird. Das ist eine Verfünffachung. Das hört sich toll an, ist es aber leider nicht, weil schon damals die Übernahme von über 7 000 erfahrenen Prüfern von den Ländern erforderlich gewesen wäre, verbunden mit einer alleinigen Zuständigkeit des Bundes für die Prüfung von Großbetrieben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes, der uns vorliegt, ist von den zusätzlichen 500 Planstellen bisher nur ein kleiner Teil besetzt. Aus den Ländern werden maximal 100 Menschen mit Prüferfahrung kommen; der Rest soll ohne Spezialwissen eingestellt werden. Der Bundesrechnungshof moniert – ich zitiere –: Statt den Bundestag über die geänderten Rahmenbedingungen zu informieren, konzentriert sich das Bundesfinanzministerium vorrangig auf die rein nominelle Zielerreichung von 500 zusätzlichen Betriebsprüfern bis zum Jahr 2016. – Zu Deutsch: Die Zahl soll irgendwie erreicht werden; um qualifiziertes Prüfen geht es überhaupt nicht. Dort wird auch noch einmal beschrieben, das diese Prüfer auch inhaltlich überhaupt nicht in die Lage versetzt werden, die Prüfungen entsprechend vorzunehmen, und man deswegen nach wie vor davon ausgehen muss, dass hohe Milliardenbeträge, die nach dem geltenden Steuerrecht zu zahlen wären, nicht erzielt werden, weil es sozusagen im Vollzug scheitert. Hier hat der Bund eine hohe Verantwortung. Das Bundesfinanzministerium sagt, man habe das nicht weiter verfolgt, weil man die Bund-Länder-Beziehungen nicht habe belasten wollen. Das reicht nicht aus. Wir brauchen dringend zusätzliche Einnahmen, nicht nur über neue Steuern, sondern auch durch eine Verbesserung des Steuervollzuges. Da ist das Bundesfinanzministerium dringend gefordert; denn man kann nur sagen – da würde ich dem Kollegen Brinkhaus völlig widersprechen –: Wer der nächsten Generation kaputte Infrastruktur und kaputte Umwelt übergibt, lebt auf Kosten der Kinder und Enkel. – Das muss man immer wieder so deutlich formulieren. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Lothar Binding, SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich kann mir doch nicht verkneifen, eine kleine Bemerkung zu Ralph Brinkhaus zu machen, der behauptet hat, wir verdankten auch Schwarz-Gelb diesen wirtschaftlichen Aufschwung. Ehrlich gesagt glaube ich, dass die notwendige Voraussetzung, dass wir überhaupt die Krise haben bewältigen können, die Agenda 2010 war. Sie war an Einzelpunkten schmerzhaft für uns; aber sie war notwendig, ganz wichtig. Andernfalls hätten wir weder das Konjunkturpaket I noch das Konjunkturpaket II noch die Abwrackprämie stemmen können. Die Agenda 2010, das waren gesellschaftliche Strukturreformen mit Zukunftsaspekt. (Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!) Dagegen war Wirtschaftsförderung durch Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelleistungen keine Strukturmaßnahme, die zukunftsweisend ist, sondern Klientelpolitik. (Beifall bei der SPD) Darin unterscheidet sich unser Ansatz von dem Ansatz der Vorgängerregierung. Jetzt regieren wir gleichwohl zusammen, und jetzt funktioniert eine ganze Menge. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Mehrwertsteuerermäßigung für Hotels? Wird die jetzt abgeschafft? Wann schafft ihr die ab, SPD?) Axel Troost hat gesagt: Es scheitert am Vollzug der Steuergesetze. – Den Steueranspruch des Staates durchzusetzen, ist natürlich wichtig. In diesem Zusammenhang will ich dem Zoll einmal gratulieren. Die Steuerfahnder aus NRW haben in zwei Containern brisantes Material aus einer Offshore-Bank auf den Cayman Islands gefunden und dieses beschlagnahmt. Inzwischen ist klar, dass es von einer ehemaligen Schweizer Privatbank stammt, nämlich der Coutts-Bank, deren Mutter interessanterweise die Royal Bank of Scotland ist. Hieran merkt man, wie gut es ist, dass man den Vollzug klug organisiert, sodass hier etwas gelingen kann. (Beifall bei der SPD) In dieser Woche tun wir noch viel mehr. Vor einigen Jahren – das muss man auch sagen – wäre das mit der CDU/CSU wahrscheinlich noch nicht ganz leicht möglich gewesen. Aber man merkt: Wir haben uns in der Großen Koalition aufeinander zubewegt. Ich nenne einmal ein Beispiel: Es ist schlecht, wenn zum Beispiel ein Herr Porsche mit 1 Milliarde Euro jongliert, zu dieser Milliarde noch stille Reserven hinzufügt und das alles – weitere Stichworte sind: Personengesellschaften, Körperschaften, Entstrickungsbesteuerung – durcheinanderwirbelt, sodass Herr Schäuble zum guten Schluss einen dreistelligen Millionenbetrag in seiner Kasse auf der Minusseite buchen muss. – Das wollen wir nicht. Deshalb werden wir die grenzüberschreitende Steuergestaltung bekämpfen. Hier arbeiten wir zusammen. Es geht um § 50 i Einkommensteuergesetz. Das haben wir sehr klug geregelt. Wir werden diese Steuerschlupflöcher systematisch schließen. Das heißt nicht, dass nicht immer wieder neue gefunden werden, aber wir werden sie immer wieder schließen. (Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Da müsst ihr von der CDU/CSU auch klatschen!) – Ja, genau. Daneben packen wir das Programm gegen Base -Erosion and Profit Shifting, also gegen die Gewinnverlagerung ins Ausland, gemeinsam mit der OECD an. Das ist ein Riesenprojekt. Ich glaube, das ist ein Schritt, von dem wir vor einigen Jahren nur haben träumen können. Ich will Herrn Schäuble für die Bemerkung danken, die er hinsichtlich der Abschaffung der Abgeltungsteuer gemacht hat, weil die Idee sehr klug ist, wieder zu einer synthetischen Besteuerung zurückzukommen. Das müssen wir erreichen. Das Gegenteil nennen wir ja, um einmal den Fachbegriff zu nutzen, Schedulenbesteuerung, also Schubladenbesteuerung. Schedulenbesteuerung bedeutet, dass es für Einkünfte aus unterschiedlichen Einkunftsquellen unterschiedliche Schubladen gibt. Wenn die Einkünfte also in eine ganz bestimmte Steuerschublade fließen, ist der zu zahlende Steuersatz ganz niedrig. Jetzt darf jeder genau einmal raten, in welche Steuerschublade alle Leute ihre Einkommen verschieben. Natürlich verschieben sie sie in die Steuerschublade, in der der Steuersatz am niedrigsten ist. Das Ziel ist also, weg von der Schedulenbesteuerung und hin zu einer synthetischen Besteuerung zu kommen. Das wäre sehr gut. Sehr gut ist auch die Verschärfung bei der strafbefreienden Selbstanzeige. (Beifall bei der SPD) Ich glaube, man darf sagen: Es ist historisch, dass wir die Neuverschuldung im nächsten Jahr auf null bringen können. Das ist seit Urzeiten erstmalig wieder der Fall. Natürlich haben wir auch ein bisschen Glück: Wir haben Glück, dass die Konjunkturlage gut ist. Wir haben Glück, dass die Zinslage gut ist. Das gilt jedenfalls für diejenigen, die Schulden haben, und da der Staat Schulden hat, ist die Zinslage gut; für die Sparer ist sie nicht ganz so gut. Außerdem haben wir Glück, dass wir im Moment das Staatsvermögen und die Infrastruktur unterfinanzieren. Das sind schon drei dicke Brocken, die uns helfen, diese Null zu erreichen. Wir müssen diese Null aber auch langfristig absichern, damit wir in zehn Jahren sagen können: „Das war eine historische Null“, und nicht sagen müssen, dass wir die Null nur in einem oder zwei Jahren erreicht haben. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer ist die historische Null? ) Hier muss mehr passieren. Ich glaube auch, dass wir noch einmal über die Steuerpolitik nachdenken müssen – (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr richtig! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum nur darüber nachdenken?) natürlich nicht in der Großen Koalition; das haben wir verabredet und ist völlig klar. Herr Schäuble sagt: Keine Diskussionen über Steuererhöhungen! Das wird sicherlich noch einmal zu diskutieren sein. (Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?) – Dietmar Bartsch applaudiert jetzt. Er verkleidet seine Kritik gerne in die Frage: Wo ist eigentlich Ihr Programm? (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wo ist das? ) Laut Ihrem Programm wollten Sie doch Steuererhöhungen. Ihr wolltet doch die Vermögensteuer und dass die Leute, die 40 000 Euro am Tag verdienen, stärker besteuert werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!) – Das stimmt. Ich will das jetzt nur kurz erklären: Wir haben in dieser Koalition einen Kompromiss gemacht, und genau das haben wir für diesen Kompromiss geopfert. Ich sage jetzt aber auch einmal, wo unser Programm eins zu eins funktioniert – und das ist auch gesellschaftliche und historische Zukunftspolitik für unser Volk, und zwar unabhängig vom Geld; man muss nämlich selbst als Finanzer und Haushälter gelegentlich auch einmal vom Geld wegkommen –: Der Mindestlohn ist eine historische Sache. (Beifall bei der SPD) Ich könnte begründen, warum er eigentlich schon 1872 hätte eingeführt werden müssen. Das Rentenpaket ist eine historische Sache. Die Energiewende ist eine historische Sache. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Energiewende fahrt ihr doch an die Wand!) Gleiches gilt für die Stärkung der Kommunen sowie die Verbesserungen im Mietrecht und im Wohnungsbau. Das sind kleine Dinge mit großer Wirkung. Ähnlich ist es bei Kultur und Integration. Auch das Technische Hilfswerk – es wurde vorhin als ein wichtiger Punkt dieser Haushaltspolitik erwähnt – stärken wir; das haben wir gemeinsam beschlossen. Auch in der Flüchtlingspolitik haben wir Verbesserungen erreicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Flüchtlingspolitik?) Das sind alles sehr gute Sachen. Damit gestalten wir, um ein Wort der Grünen aufzunehmen, weil es nämlich klug ist, in dieser Weise zu handeln. (Beifall bei der SPD – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihrer Klimapolitik brauchen wir das THW!) Finanzminister Schäuble hat, wie ich finde, einen guten Satz gesagt. Er lautet: Im Moment profitieren die Nachbarn von unserer guten Lage. – Diese Aussage unterschreibt jeder. Ich möchte hinzufügen: Wir profitieren aber auch von unseren Nachbarn. – Angesichts unseres Exportes ist klar, warum es klug ist, dafür zu sorgen, dass es den Nachbarn gutgeht, sodass auch wir wieder profitieren. Das gilt nicht nur im Sinne eines Profits; darauf komme ich gleich zurück. Hier sind wir an einer Stelle angekommen, die die eigentliche Reichweite dieses Haushalts beschreibt. Wenn wir uns nur auf unser Staatsgebiet beziehen, wenn wir uns nur auf die Zahlen unseres Haushaltes beschränken, dann denken wir nicht weit genug. Dieser Haushalt geht weit über unsere Grenzen hinaus. Das bedeutet, dass wir auch die Lage der anderen in den Blick nehmen müssen. Wenn wir beobachten, dass die Arbeitslosigkeit in anderen Ländern steigt, und zwar gravierend und in beängstigender Form, wenn wir sehen, dass die Jugendarbeitslosigkeit in anderen Ländern bis auf einen Wert von 50 Prozent steigt, wenn wir feststellen, dass die finanziellen Möglichkeiten dieser Länder zur Stärkung der Binnennachfrage und für den Aufbau der Infrastruktur nicht mehr ausreichen, dann frage ich mich: Wie lange kann das für Deutschland noch gutgehen? Wir haben schließlich nicht nur Handelsbeziehungen, sondern wir haben auch menschliche Beziehungen zu diesen Ländern. Wir müssen schauen: Was passiert in diesen Ländern, was sich auch auf unsere Situation auswirken könnte? Wer das Ganze nur ökonomisch sieht, der blickt nicht weit genug. Ruinierte Staaten, auch wenn der Ruin selbstverschuldet ist, sind schlechte Kunden, um es einmal darauf zu reduzieren. Wir sehen aber neben diesem Aspekt auch noch Folgendes: Welche Zukunft kann Europa haben, wenn sich die Entwicklung in diesen Regionen so fortsetzt? Was wird aus arbeitslosen Jugendlichen, deren Eltern schon arbeitslos waren? Was passiert da eigentlich? Da muss man auch politisch handeln. Die Frage ist nicht nur: Was passiert als Folge dieser Entwicklung in der Gesellschaft? Ich will das Ganze einmal auf eine Frage reduzieren – hier sind schließlich Politiker im Raum –: Wen werden diese Menschen in fünf oder zehn Jahren wählen, wenn es uns nicht gelingt, diese Entwicklung zu stoppen? Auch das ist eine Aufgabe der reichsten Nation in Europa. (Beifall bei der SPD) Deshalb müssen wir über den Stabilitäts- und Wachstumspakt nachdenken, insbesondere über das Wachstum. Am allerwichtigsten ist qualitatives Wachstum; denn wir haben gelernt: Austerität ist kein nachhaltiges Konzept. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben gerade gesagt: Die Nullverschuldung müssen wir für die Zukunft sichern. Zukunftssicherung heißt, nachhaltig zu denken. Weder in den anderen Ländern noch bei uns ist Austerität ein nachhaltiges Konzept. Austerität bis zum Ende gedacht, heißt immer, dass man verhungert. Dagegen muss man etwas tun, und zwar rechtzeitig. Deshalb müssen wir helfen, dass auch alle anderen Länder genug Zeit haben, die Zielvorgaben, die wir verabredet haben, zu erreichen. In diesem Sinne muss man über den Stabilitäts- und Wachstumspakt nachdenken, auch mit Blick auf unsere Haushaltspolitik, um auf europäischer Basis zukunftsfähig zu werden. (Beifall bei der SPD) Jetzt möchte ich als einen kleinen Nachklapp in meiner Rede einen anderen Punkt aufgreifen. Vorhin gab es einen ganz konkreten steuerpolitischen Vorschlag, der sich auf die Abgeltungsteuer bezog. Christian Kindler, du hast formuliert, dass Dividenden deutlich geringer besteuert würden als die Arbeitseinkommen. – Das ist falsch. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Regelfall!) – Auch nicht im Regelfall. Die Abgeltungsteuer besteht aus drei Kategorien. Die Abgeltungsteuer besteuert den Zins mit 25 Prozent. Da hättest du mit deiner Aussage recht gehabt. Die Abgeltungsteuer besteuert darüber hinaus den Verkauf von Wertpapieren. Auch da hättest du recht gehabt. Aber ausgerechnet dein Beispiel mit der Dividende ist falsch; denn die Dividende bringt für eine Körperschaft im Trennungssystem eine Vorbelastung von 30 Prozent mit sich, vom Gewinn werden 70 Prozent ausgeschüttet. 25 Prozent davon sind 17,5 Prozent. 17,5 plus 30 sind 47,5. Es gibt keinen Arbeitnehmer, der im Rahmen der Einkommensteuer 47,5 Prozent zahlt. Deshalb ist diese These falsch. Damit wollte ich hier unbedingt einmal aufräumen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich glaube, es ist ganz klug, wenn man hier Steuerpolitik differenzierter betrachtet. Eine gewisse Genauigkeit gehört auch dazu, wenn man Finanzpolitik betreibt. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Manuel Sarrazin, Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das ist jetzt peinlich für den Kollegen von den Grünen!) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lothar, ich muss jetzt das Rednerpult aus den hohen Höhen, in denen du gerade warst, ein bisschen herunterholen. – Ein wenig langweilig ist es ja schon mit der GroKo. So heißt es immer wieder: Wir haben uns da aufeinander zubewegt. Toll! Wir liegen uns in den Armen. – Es erinnert so ein bisschen an die Schland-Jünger draußen auf der Fanmeile. (Johannes Kahrs [SPD]: Es geht um den Haushalt! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich dachte, ich hätte es differenzierter dargestellt!) Geil, geil, geil seid ihr, wirklich. Jetzt tut es mir fast leid, dass ich hier zu einem Thema rede, bei dem wir mit der Großen Koalition übereinstimmen, nämlich zu Litauen. Ich möchte nur ausdrücklich darauf hinweisen: Wir machen das nicht, weil wir die Große Koalition geil finden, sondern weil Litauen es verdient hat und wir dem Land herzlich gratulieren, dass es so weit gekommen ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Vielleicht ist es ja ein Zeichen, dass Seine Exzellenz, der Herr Botschafter, extra einen grünen Schlips umgebunden hat. Ich zumindest möchte das so werten, dass hier noch ein bisschen Farbe ins Spiel kommt. Nicht schwarz-rot, sondern grün ist die Farbe der Hoffnung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein, nein!) Herzlichen Glückwunsch, Litauen! Ich möchte aber auch eines ganz deutlich sagen. Ich glaube, dass das, was die Linkspartei hier macht – Glas halb voll oder Glas halb leer –, ein bisschen blöd ist, weil Sie ja letztlich den Eindruck erwecken, (Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) als gäbe es sachliche Zweifel. Die sachlichen Zweifel, die Sie hier vorgetragen haben, sind vielleicht allgemeine Erwägungen über den Zustand der Euro-Zone. Aber sachliche Zweifel an dem vorliegenden Punkt, ob Litauen die Kriterien erfüllt, die in den Verträgen stehen und die man erfüllen muss, um den Euro als Umlaufwährung einzuführen, haben Sie nicht vorgetragen. Anstatt den Mut zu haben, hier zu sagen, dass die Kriterien erfüllt sind, versuchen Sie, sich ein bisschen billig herauszustehlen. Das finde ich schade für Litauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir halten fest, dass die Kriterien erfüllt sind: Preisstabilität, Inflationsrate, keine übermäßigen öffentlichen Defizite und auch dauerhaft stabile Zinssätze. Ich glaube sogar, dass Litauen heute besser in der Lage ist, den Euro einzuführen, als beim letzten knapp gescheiterten Versuch, weil Litauen im Rahmen der Krise vieles richtig gemacht hat: Der Finanzmarkt ist heute aufgeräumter als vorher, und in Litauen wurde klug investiert. Die -Litauer haben in der Krise kleine und mittelständische Unternehmen mit Krediten unterstützt, damit sie ihre Produktion erneuern können, um beim Export besser zu werden. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: 100 000 sind abgehauen!) Natürlich ist es so, dass viele Menschen aus Litauen ausgereist sind. Aber in den Verträgen steht, dass nur diese vier Kriterien abgeprüft werden müssen. Litauen hat sich über Jahre sehr angestrengt, diese Kriterien einzuhalten, nachdem es seit über zehn Jahren in der Wechselkursbindung ist. Wenn ein Land wie Litauen seine strategische Entscheidung trifft, so nahe wie möglich in die EU eingebunden zu sein, und in der jetzigen Krise der Euro-Zone beitreten will, (Zuruf von der LINKEN) dann ist es unsere Verantwortung, zu prüfen, ob die Kriterien eingehalten worden sind, und dann, wenn sie eingehalten worden sind, das auch zu bestätigen. Das gehört zur Fairness dazu. Litauen hat sich diesen Beitritt verdient. Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, den ich wichtig finde. Ich glaube, dass die großen Zukunftsherausforderungen für Litauen gewürdigt werden müssen. Das ist die soziale Lage, die in der Krise natürlich auch gelitten hat. Dass man in Litauen jetzt versucht, durch eine bessere Stufe in der Wertschöpfungskette in der Produktion bessere Löhne zu zahlen, ist uns bezüglich der sozialen Lage wichtig. Genauso wichtig ist es, dass Litauen durch bessere Ausbildung auch in der Wertschöpfungskette nach oben kommt und wirtschaftlich erfolgreicher sein kann. Investition in Bildung ist ebenso wichtig wie Stabilität im Bereich der Währung und im Bereich des -Finanzsektors. Deswegen möchte ich ganz herzlich sagen: Lietuva, herzlich willkommen im Euro! Unsere Fraktion ist auf dem Antrag mit dabei und unterstützt, dass Sie dazu-stoßen. Vielen Dank. (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Norbert Brackmann. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Aber jetzt, Norbert!) Norbert Brackmann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leihen ist einfach, aber der Zahltag wird hart. Deswegen ist dieser Bundeshaushalt, den wir in dieser Woche verabschieden wollen, auch ein Zeichen für die Stabilität, die wir erreichen wollen, ein wichtiger Schritt in eine stabile Zukunft. 6,5 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung und damit ein strukturell ausgeglichener Haushalt: Das kann sich nicht nur in Deutschland sehen lassen, sondern wir sind damit auch Vorbild in Europa. Weil Europa eine so wichtige Bedeutung für die Menschen auch in Deutschland hat, will ich das Thema ein bisschen vertiefen. Heute wurde Kritik daran geübt, dass die Löhne seit 2002 – ich wunderte mich schon, warum Sie so weit zurückgegangen sind, lieber Kollege Bartsch – eine geringe Reallohnsteigerung erfahren haben. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: 1,7 Prozent!) – 1,7 Prozent: Das ist die Zahl für die letzten zehn Jahre. Eine Reallohnsteigerung von 1,3 Prozent allein im ersten Quartal 2014 ist der Beleg dafür, dass eine Politik der Zurückhaltung über viele Jahre hinweg und eine Politik der Strukturreformen den Menschen letztlich guttut. Das sehen die Lohnarbeiter jetzt an ihren Lohntüten, und das ist, meine ich, ein deutliches und gutes Zeichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das bedeutet aber auch – der Kollege Binding hat bereits darauf hingewiesen –, dass eine Politik, die auf Strukturreformen und Zurückhaltung angelegt ist, am Ende auch von Erfolg gekrönt ist. Denn es ist eben kein Zufall – ich glaube auch nicht an Zufälle in der Politik –, dass wir in Deutschland fast Vollbeschäftigung haben und die Steuereinnahmen sprudeln und dass genau diese Strukturreformen auch in den Ländern in der südlichen Peripherie Europas, die heute ihre Probleme haben, nachhaltig wirken können. Wir müssen mit dieser Stabilitäts- und Wachstumspolitik in Europa konsequent bleiben, damit auch diesen Ländern wieder eine Chance erwächst, sich künftig selbst mit den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen und ihren Bürgerinnen und Bürgern wieder so viel Gutes tun zu können, wie zum Beispiel wir es in Deutschland in diesem Jahr machen können. Dieser Haushalt mit einem Haushaltsvolumen von 296,5 Milliarden Euro zeigt, dass er auch eine sehr starke soziale Komponente hat. Im Übrigen zeigt schon diese Zahl, dass wir bei den Ausgaben Zurückhaltung üben. Denn im letzten Jahr haben wir noch 307 Milliarden Euro ausgegeben. Der Haushalt ist also nicht nur deshalb so erfolgreich, weil er über eine gute Wirtschaft und gute Steuereinnahmen finanziert ist, sondern auch durch Ausgabenreduktion. Aber dieser Haushalt eröffnet auch Spielräume für die Menschen. Fast jeder dritte Euro – 90 Milliarden Euro der insgesamt 296 Milliarden Euro – gehen in die Rente, in die altersbedingte Erwerbslosigkeit oder in die altersbedingte Grundsicherung. 90 Milliarden Euro geben wir bereits für diesen Bereich aus. Das zeigt auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die soziale Komponente in diesem Haushalt eine große Rolle spielt. Wir haben an dem schon hervorragenden Werk unseres Finanzministers, der auch hier nicht nur Flagge gezeigt, sondern insbesondere Wort gehalten hat auf dem Weg in die schwarze Null, die für 2015 angestrebt ist, noch die eine oder andere Änderung vornehmen können. Lieber Kollege Bartsch, wenn Sie darauf hinweisen, dass 400 Millionen Euro beim Arbeitslosengeld II gekürzt worden sind, stellt sich die Frage, wessen Interessen Sie sich dabei zu eigen machen. 400 Millionen Euro weniger beim Arbeitslosengeld II bedeuten weniger Langzeitarbeitslose in Deutschland. Negativ betroffen sind allenfalls all diejenigen, die für diese Langzeitarbeitslosen die Betreuung übernommen haben. Aber wer dafür ist, dass Langzeitarbeitslose in Beschäftigung kommen, muss dies eigentlich positiv zur Kenntnis nehmen und sich darüber freuen, dass wir diesen Weg gegangen sind, und zwar erfolgreich. 49 Prozent des gesamten Haushalts gehen in den Bereich Soziales. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist bereits darauf hingewiesen worden: Die Achillesferse liegt ein Stück weit bei der Infrastruktur. Wir werden zwar auch in diesem Haushalt 500 Millionen Euro mehr ausgeben, als ursprünglich geplant war. Insofern hat der Koalitionsvertrag schon ein Zeichen gesetzt. Aber wir stellen fest, dass dies nur der Anfang sein kann. Viele Maßnahmen sind leider noch nicht so finanziert, wie man sich das wünscht. Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es bereits mit dem Haushalt 2014 keine Probleme gab, überall dort, wo Investitionen wegzubrechen drohten, Zusagen zu machen. In Schleswig-Holstein zum Beispiel hat der Bund finanzielle Zusagen für den Ersatz der Rader Hochbrücke gemacht. Des Weiteren ist es uns im Haushaltsausschuss gelungen, die Anfangsfinanzierung für eine wichtige Strecke im Nord-Ostsee-Kanal, die nicht nur für Norddeutschland, sondern auch für den internationalen Seeverkehr und damit für Gesamtdeutschland von herausragender Bedeutung ist, sicherzustellen und insgesamt 260 Millionen Euro zuzusagen, sodass diese wichtige Zukunftsinvestition getätigt werden konnte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dies ist ein großer Erfolg dieser Koalition. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht des Verkehrsministers!) Damit wollen wir nicht hinter dem Berg halten. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass es nur sehr begrenzt hilfreich ist, wenn die Länder, die sich eigentlich unserer Stabilitätspolitik anschließen müssen, mit ständig neuen, unbezahlbaren Forderungen gegenüber dem Bund nur davon ablenken, dass sie selbst noch wichtige Aufgaben vor sich haben; denn der Fiskalvertrag sieht für 2020 vor, dass Länder und Kommunen keine neuen Schulden machen dürfen. Aber die Finanzpolitik, die dort heutzutage betrieben wird, deutet auf etwas ganz anderes hin. Etwas mehr Verantwortung hätten wir den Ländern schon zugetraut. Gerade angesichts der großen Leistungen des Bundes bitten wir die Länder darum, mehr Verantwortung zu übernehmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Zu guter Letzt zeichnet diesen Bundeshaushalt noch etwas anderes aus. Derjenige Haushalt ist der beste, in dem man nichts Überflüssiges will und nichts Notwendiges entbehrt. Genau das ist uns in Beratungen im Haushaltsausschuss gelungen. Dies ist ein Haushalt, in dem das Notwendige sicher finanziert ist. Aber Überflüssiges können und werden wir uns nicht mehr leisten. Insofern handelt es sich um einen gerechten Haushalt, den wir als erfolgreiche Koalition am Ende der Woche hoffentlich mit großer Mehrheit verabschieden werden. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als nächstem Redner erteile ich für die Sozialdemokraten das Wort dem Kollegen Christian Petry. (Beifall bei der SPD) Christian Petry (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein fast ausgeglichener Haushalt ist die Voraussetzung – vieles haben wir heute darüber gehört – für eine soziale und gerechte Politik. Es ist eine große Verantwortung, auch in Europa eine solche Politik durchzusetzen. Dies sage ich im Hinblick auf die auch hier schon geführte Debatte über den Stabilitäts- und Wachstums-pakt. Dabei sind die Vorgaben flexibel. Die Spielräume der Volkswirtschaften müssen gegeben sein, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Man möge nur an die Krise 2009 denken. Was hat Deutschland denn getan? Es war doch gut, dass wir die Vorgaben flexibel gestaltet und verändert haben. Das hat uns durch die Krise gebracht und uns letztlich gestärkt. Davon profitieren wir heute. Vor diesem Hintergrund ist das richtig, was Sigmar Gabriel gesagt hat: Die Akzentuierung muss sein, auf Wachstum zu setzen. – Das kann man nur zweimal unterstreichen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Finanzwirtschaft darf einem solchen Prozess nicht entgegenstehen. Was in Paris vereinbart wurde, ist im Hinblick auf die Gesamtsituation in Europa zu sehen. Der französische Präsident Hollande muss letztlich ausbaden, was seine Vorgänger verursacht haben. Die Hauptursachen lassen sich in der Zeit der Regierung Chirac finden. Herr Hollande hat vielleicht seins dazugetan. Aber man darf die Ausgangssituation in Frankreich nicht vergessen. Deutschland sollte in der Lage sein, die neue Ausrichtung in Frankreich zu unterstützen. Ziel sind Impulse für die Wirtschaft, mehr Arbeitsplätze und Beschäftigung sowie für mehr soziale Gerechtigkeit in Europa. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Unter diesem Eindruck beraten wir heute auch über den Beitritt Litauens, über die Vergrößerung der Euro-Zone. Litauen möchte ab dem 1. Januar 2015 den Euro einführen. Wir als Bundestag sind zur Stellungnahme aufgefordert. Litauen erfüllt die notwendigen Aufnahmekriterien. Es hat eine hohe Preisstabilität mit einer Inflationsrate von 0,6 Prozent, ein Haushaltsdefizit von nur 2,1 Prozent, einen Staatsschuldenstand von 40 Prozent – das ist weit unter dem Referenzwert von 60 Prozent –, einen stabilen Wechselkurs gegenüber dem Euro, und die langfristigen Zinsen liegen bei 3,2 Prozent. Das alles sind hervorragende Eckdaten, sodass man sagen muss: Das hört sich zunächst einmal sehr gut an. (Beifall bei der SPD) Aber: Die Litauerinnen und Litauer haben dafür etwas bringen müssen. Das war sehr schmerzhaft. Das darf man nicht vergessen. Es gab Kürzungen bei der Altersrente um 8 Prozent, Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung, Kürzungen bei dem Gehalt der Beschäftigten im öffentlichen Dienst von über 12 Prozent. Das sind harte Einschnitte, die dort getragen wurden, damit heute die Voraussetzungen erfüllt sind, dass Litauen dem Euro-Raum beitreten kann. Ich glaube, man muss der Litauer Bevölkerung und der Litauer Politik ein großes Kompliment dafür machen, dass sie dies durchgestanden haben. Deshalb muss sich die Einführung des Euros in Litauen auch positiv auswirken. Sonst wird es mit der Akzeptanz vor Ort schwierig. Das sogenannte Scoreboard des makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens – ein Zungenbrecher, wenn man es vorlesen muss; das ist ganz schlimm – weist zwei Probleme in Litauen aus, auf die auch ich hinweisen möchte: einmal das Leistungsbilanzdefizit von 12,9 Prozent, zum anderen die hohe Arbeitslosigkeit von 12 Prozent. Deshalb wünschen wir uns, dass die Einführung des Euros einen ähnlichen Effekt hat wie in Estland 2011. Im ersten Jahr ist der Export Estlands in den Euro-Raum um 31 Prozent gestiegen. Wir wünschen uns, dass dies auch in Litauen passiert und die Menschen vor Ort sehen, dass sie etwas von dem Beitritt zum Euro-Raum haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Auch für die Zukunft muss es wichtig sein, dass die baltischen Staaten über den Stabilitäts- und Wachstumspakt gefördert werden, damit sie flexibel genug wirtschaften können für mehr Wachstum und Beschäftigung. Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, der mit dem Beitritt zusammenhängt. Künftig wird das bereits 2003 beschlossene Rotationsprinzip bei der Europäischen Zentralbank und beim Rat gelten. Deutschland verliert circa alle fünf Monate für vier Wochen sein Stimmrecht. Ich möchte hier klar sagen: Wenn man die Währungsunion als europäisches Projekt versteht und nicht als Ansammlung nationaler Interessen, dann ist dies auch absolut in Ordnung. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es wird für die Zukunft in dem Bereich der EU-Gremien eine Neuorientierung geben müssen. Bei einer derart großen Anzahl von Mitgliedern werden wir die Strukturen überdenken müssen. Es wird nicht mehr jeder überall vertreten sein können. So wird die Leitungsebene entsprechend angepasst werden müssen. Das ist eine Riesenaufgabe, das wird sehr lange dauern. Ob es gelingt, weiß ich nicht. Aber, wie gesagt, eine große Aufgabe steht in diesem Zusammenhang vor uns. Es ist ein guter Tag für Europa. Litauer, seid uns willkommen! Wir wollen ein sozial gerechtes Europa der Bürger. Liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie bitte diesem Punkt, der Euro-Einführung in Litauen zum 1. Januar 2015, zu. Vielen Dank und Glück auf! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist der erste Haushalt dieser neuen Großen Koalition. Es ist ein guter Haushalt. Es ist uns gelungen, gemeinsam den bereits in den letzten Jahren beschrittenen Weg der Haushaltskonsolidierung erfolgreich fortzusetzen – und das, obwohl wir mit großen Herausforderungen zu kämpfen hatten, wie etwa der Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer und weiteren Herausforderungen, die zu bewältigen waren, auf die ich nicht näher einzugehen brauche. Das vorgesehene Ziel der Nettokreditaufnahme von 6,5 Milliarden Euro konnte trotzdem eingehalten werden. Das war uns wichtig. Das ist ein ausgezeichneter Wert, wie wir ihn seit 40 Jahren, seit Franz Josef Strauß‘ Zeiten, nicht mehr gesehen haben. Kollege Binding, Sie haben eben von dem ausgeglichenen Haushalt gesprochen, den wir für 2015 anstreben. Ich bin sicher, wir werden dieses Ziel erreichen. Das wäre das erste Mal seit urdenklichen Zeiten. Ich komme aus der Nähe von Passau. Es gab einmal einen Bundesfinanzminister Fritz Schäffer, der in den 1950er-Jahren den sogenannten Juliusturm aufgebaut hat. Nur: Auch anderen fiel das Sparen nicht so leicht; darum ist er nicht so lange Finanzminister geblieben. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Der war schnell verbraucht!) Das wollte ich nur einfließen lassen. Die Opposition kritisiert naturgemäß den Haushaltsentwurf, wie wir ihn beschlossen haben. Aber diese Kritik ist unberechtigt. Die Entwicklung gibt uns recht. Die Bundesbank, die Wirtschaftsforschungsinstitute, alle bescheinigen uns, dass wir eine sehr gute Entwicklung zu verzeichnen haben. Sie korrigieren die Wachstumszahlen nach oben. Die wirtschaftliche Lage in unserem Land ist ausgezeichnet. Wir freuen uns, dass es uns die Gesamtsituation ermöglichen wird, im nächsten Jahr einen absolut ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Der Bundesfinanzminister wird schon in den nächsten Wochen den Haushaltsentwurf für das nächste Jahr vorlegen. Ich bin davon überzeugt, dass er uns einen ganz großartigen Entwurf vorstellen wird. Im Herbst werden wir darüber zu beraten haben. Wir müssen natürlich weiterhin Disziplin bei der Ausgabenpolitik üben; das ist vorhin schon gesagt worden. Wir müssen die Prioritäten einhalten, und wir müssen, was die Prioritäten betrifft, den Weg fortsetzen, den wir bereits in den zurückliegenden Legislaturperioden eingeschlagen haben: Ausgaben für Zukunftsinvestitionen, in Bildung und Forschung, Infrastruktur und Kinderbetreuung. Vielleicht darf auch gesagt werden – Kollege Brackmann hat es vorhin gesagt –: Wir haben vieles getan, um die Kommunen zu entlasten. Diesen Weg werden wir fortsetzen. Sobald Spielräume gegeben sind, werden wir uns darum bemühen, die Investitionsausgaben insgesamt zu steigern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können am Beispiel Deutschlands sehen, dass solide Finanzen die Grundlage für soziale Stärke und Wirtschaftswachstum sind. Die Einhaltung der Haushaltsregeln ist vernünftig für alle, die wir in der Europäischen Union und in der Währungsunion zusammengeschlossen sind. Das Einhalten dieser Regeln liegt allerdings in der nationalen Verantwortung. Es ist Grundvoraussetzung dafür, dass die Bürger genauso wie die Realwirtschaft und die Finanzinvestoren Vertrauen in den Staat, in unser politisches Handeln haben können. Europa braucht einen Stabilitätsanker. Wir müssen die Konsolidierungsanstrengungen weiter vorantreiben. Sie bedingen sich gegenseitig. Deutschland ist der Stabilitätsanker in Europa. Die Schuldenkrise, die wir zu einem beachtlichen Teil überwunden haben, hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Wir haben Solidarität geübt. Wir haben auch in den Krisenländern feststellen können, dass sich die Erfolge einstellen; der Finanzminister hat es vorhin dargestellt. Alle hatten große Anstrengungen zu unternehmen, harte Einschnitte hinzunehmen, eine schwierige Wegstrecke zurückzulegen. Aber die Erfolge sind doch sehr beachtlich, und sie geben zu großer Hoffnung Anlass. Das Wachstum in Europa zieht wieder an. Das Vertrauen in die Euro-Zone ist zurückgekehrt. Alle Beteiligten an den Finanzmärkten haben gesehen, dass es sich nicht lohnt, gegen den Euro zu spekulieren. Alles andere, was im Hinblick auf eine mögliche Aufweichung der Stabilitätskriterien unternommen würde, wäre kon-traproduktiv, wäre schädlich und würde uns wieder zurückwerfen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Länder, die noch nicht so weit sind – damit meine ich nicht nur diejenigen, die unter dem Rettungsschirm waren –, müssen ihre Hausaufgaben machen, müssen strukturelle Veränderungen vornehmen. Das gilt auch für unsere hochgeschätzten Freunde und Nachbarn im Westen. Aber es gilt auch bei uns: Wir dürfen keine strukturellen Fehler machen. Wenn ich an die jüngste Debatte, an die Forderungen des DGB zur Rente schon mit 60 denke, dann sage ich: Liebe Leute, lasst die Tassen im Schrank! – Wir haben, glaube ich, was die Rentenpolitik betrifft, sehr viel und genug gemacht. Wir müssen insgesamt in Europa am Stabilitätskurs festhalten. Wann, wenn nicht jetzt, sind die Länder in der Lage, zu konsolidieren – bei diesem Zinsumfeld, bei den Rahmenbedingungen, wie wir sie jetzt vorfinden? Es ist vorhin schon genannt worden, wie zurzeit die Renditen für langfristige Staatsanleihen sind. Es ist nicht nur so, dass wir uns sehr günstig refinanzieren können, sondern Gott sei Dank sind auch die Reformstaaten, die Krisenländer wieder in ein normales Fahrwasser gekommen. Wenn die spanischen und die italienischen Papiere mit 3 Prozent verzinst werden, dann ist das doch eine ganz vernünftige Situation. Selbst Zypern konnte vor kurzem Papiere zu unter 5 Prozent auf den Markt bringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Dieses niedrige Zinsniveau und die Politik der EZB dazu sind nicht ganz unumstritten – das müssen wir zugeben – und nicht ganz ohne Risiken. Wir haben bei der aktuellen Haushaltsplanung natürlich auch davon profitiert. Aber sollte diese Politik länger anhalten, dann birgt das auch Gefahren für uns alle. Wir können das da oder dort durchaus schon erkennen. An der einen oder anderen Stelle zeichnen sich spekulative Blasen im Aktienmarkt, im Immobilienmarkt usw. ab. Wir müssen darauf achten, dass hier nicht Gefahren und Risiken entstehen, die wir dann wieder mit viel Aufwand bekämpfen müssen. Betroffen von dieser Politik ist nicht nur der Versicherungssektor – den haben wir heute früh schon betrachtet –, sondern betroffen sind natürlich auch alle anderen Bereiche. Eine Politik des billigen Geldes – das haben wir in den USA gesehen – birgt auf die Dauer auch erhebliche Gefahren. Sie kann kein Ersatz für Strukturreformen sein; ich habe es bereits gesagt. Auch die schwächeren südeuropäischen Banken müssen natürlich schauen, dass sie ihre Probleme lösen und lösen können. Die EZB legt großen Wert darauf, dass sie auf der einen Seite eine großzügige Kreditvergabe an die Realwirtschaft machen können. Auf der anderen Seite wollen wir auch den Stresstest der Banken. Wir wollen stabile Banken, und wir wollen nicht wieder irgendwann feststellen müssen, dass Kredite vergeben worden sind, die uns dann im Bankensektor große Probleme bereiten, weil die notwendigen Bonitäten beispielsweise nicht gegeben gewesen sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie gesagt, wir müssen mit den Reformanstrengungen vorankommen. Das müssen wir schon angesichts der großen demografischen Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland und in Europa stehen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Investitionstätigkeit weiter voranschreitet. Dazu brauchen wir ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, wie wir es haben. Unsere Wirtschaft hat gute Rahmenbedingungen. Die Wirtschaft boomt. Wir haben die höchste Zahl von versicherungspflichtig Beschäftigten, und wir haben die höchste Zahl von Erwerbstätigen in Deutschland. Dieses Klima müssen wir weiter pflegen. Die Rahmenbedingungen sind, wie gesagt, sehr gut. Steuererhöhungen kommen und kamen für uns nicht infrage; das gilt insbesondere auch mit Blick auf den Mittelstand. Wir wollen auf keinen Fall irgendwelche steuerpolitischen Versprechungen machen, wenn wir sie im politischen Handeln nicht solide abbilden können. Das heißt, wir müssen alles das sichern, was wir jetzt haben. Ich halte es für ein bisschen zu kurz gesprungen, wenn immer nur von der Notwendigkeit der Abschaffung oder Korrektur der kalten Progression gesprochen wird. Im Hinblick auf unseren Mittelstand, auf unsere Facharbeiter werden wir, wenn wir Spielräume haben – aber auch erst dann; diese Spielräume sehe ich jetzt noch nicht –, darangehen müssen, unter strukturellen Gesichtspunkten unseren gesamten Einkommensteuertarif einmal unter die Lupe zu nehmen. Ich denke hier an den Steuersatz im mittleren Bereich, ich denke an den Höchststeuersatz, der schon sehr früh greift und unsere mittelständischen Facharbeitskräfte in besonderer Weise trifft. Hier werden wir uns anstrengen müssen, wenn wir dann das Notwendige tun wollen. Aber wir wollen keine falschen Versprechungen machen. Ich glaube, wir müssen Schritt für Schritt vorangehen, eins nach dem anderen machen. Im Moment ist es die Haushaltskonsolidierung. Dann müssen wir uns Spielräume erarbeiten, damit wir mehr für Investitionen tun können und damit wir im Bereich der Abgaben und Steuern die strukturellen Maßnahmen, die notwendig sind, ergreifen können. Ich sage aber auch: Das geht nicht von heute auf morgen. Dazu brauchen wir Geduld. Dazu brauchen wir die notwendigen Spielräume, und dazu brauchen wir auch Zeit. Ich danke ganz herzlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Uwe Feiler, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Uwe Feiler (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Januar 2015 beabsichtigt Litauen, der Euro-Zone beizutreten. Das gibt mir Anlass, dieses für Europa, aber auch für Deutschland wichtige Ereignis etwas ausführlicher zu behandeln. Ich freue mich, dass der Botschafter der Republik Litauen, Seine Exzellenz -Matulionis, heute hier anwesend war und ich die Gelegenheit hatte, mit ihm ein paar kurze Worte zu wechseln. Nach Estland und Lettland sehen wir auch in Litauen die positiven Folgen der EU-Osterweiterung. Nachdem Litauen vor zehn Jahren der Europäischen Union beigetreten ist, hat es eine beeindruckende Wirtschaftsentwicklung zu verzeichnen. Dazu beglückwünsche ich Litauen ausdrücklich und zolle den Litauern mein Lob. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Ernstberger [SPD]) Es wurden weitgehende Wirtschafts- und Rechts-reformen durchgeführt. Die Haushaltspolitik wird umsichtig geführt. Das trägt jetzt Früchte: Das Brutto-inlandsprodukt hat sich seit 2004 fast verdoppelt. Die Gesamtverschuldung mit circa 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt sogar unter dem Durchschnitt des Wertes für die Mitglieder der Währungsunion. Das Konvergenzkriterium der Geldstabilität ist ebenfalls erfüllt. Die Wirtschaftsleistung hat wieder das Niveau von vor der Finanzkrise erreicht. Für 2014 und 2015 wird weiterhin ein Wirtschaftswachstum von über 3 Prozent prognostiziert. Meine Damen und Herren, die Litauer wissen den Euro als eine gemeinsame europäische Währung zu schätzen. Sie wissen auch, dass es für sie unabdingbar war, der Euro-Zone so schnell wie möglich beizutreten. Schließlich wird das Baltikum als zusammenhängender Wirtschaftsraum von Investoren wahrgenommen. Estland sowie Lettland haben den Euro bereits eingeführt. Darüber hinaus wird der Euro in unruhigen Zeiten im Osten Europas längst als Stabilitätsfaktor und Stabilitätsanker wahrgenommen. Die EZB identifiziert mit ihrem Bericht auch wirtschaftspolitische Herausforderungen und Reformbedarf, zum Beispiel bei der Flexibilisierung des Kündigungsschutzrechts und der Besteuerung des Faktors Arbeit. Die Arbeitslosigkeit von knapp über 10 Prozent sowie steigender Fachkräftemangel in einigen Branchen aufgrund der großen Auswanderungsquoten sind ebenfalls gegenwärtige Herausforderungen. Heute problematischer denn je ist sicher die allgemein bekannte Abhängigkeit des Landes von ausländischen Energiequellen. Die nicht einfache Vergangenheit und die gleichzeitige Abhängigkeit von Russland im Energie- und Transportsektor spielen eine nicht unerhebliche Rolle in der wirtschaftlichen Situation des Landes. Das gesamte Baltikum leidet an einer schlechten Anbindung an das europäische Energienetz. Die Abhängigkeit von ausländischen Anbietern schlägt sich daher in höheren Preisen nieder. Um dies zu ändern, eröffnet Litauen Ende des Jahres einen Flüssigkeitsterminal und baut Stromleitungen nach Polen und Schweden. Somit erlangt es dann Zugang zum europäischen Energienetz. Das ist nur zu begrüßen; denn die Unabhängigkeit im Energiesektor ist seit der Ukraine-Krise insbesondere für die osteuropäischen Staaten wichtiger denn je. Auch wenn die Zusammenarbeit im Energiesektor einiges zu wünschen übrig lässt: Russland ist und bleibt ein wichtiger Handelspartner für Litauen. Russland ist der wichtigste ausländische Absatzmarkt für litauische Güter. Im Jahr 2013 hat sich der Warenexport dorthin auf 4,9 Milliarden Euro summiert, was 19,8 Prozent der Gesamtausfuhr ausmacht. Die Hälfte davon betrifft Waren, die in Litauen selbst erzeugt wurden. Die andere Hälfte macht der Transit von Waren aus anderen Ländern aus. Durch die Einführung des Euro bietet sich allerdings auch die Chance, mehr Waren in den Euro-Raum zu liefern. In Litauen leben im Gegensatz zu Estland und Lettland nur circa 5 Prozent Russen. Wie ich in dem persönlichen Gespräch mit dem litauischen Botschafter erfahren habe, ist die Mehrheit der russischen Minderheit in Litauen für die Euro-Einführung – und das auch zu Recht. Die Euro-Einführung ist in erster Linie die Erfüllung der Verpflichtung, die Litauen mit dem EU-Beitritt eingegangen ist. In zweiter Linie ist sie eine freie wirtschaftliche Entscheidung der Republik Litauen. Herr Ulrich, Verträge beruhen auf Gegenseitigkeit. Wir können nicht auf der einen Seite von Litauen fordern, den Euro einzuführen, und dann aber, wenn die Beitrittskriterien erfüllt sind, den Beitritt verweigern. Das ist scheinheilig und dient nicht der Sache. Wir ermutigen die Republik Litauen, den eingeschlagenen Weg zur dauerhaften Sicherung stabiler öffentlicher Finanzen und einer Politik der Stärkung sowie von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fortzusetzen und gleichzeitig die noch offenen Reformen, zum Beispiel in den Bereichen des Rentensystems und des Arbeitsmarktes, voranzutreiben. Der Beitritt Litauens hat jedoch einen besonderen Nebeneffekt – das haben wir eben schon gehört –: Das betrifft den EZB-Rat. Mit Litauen werden erstmals 19 Zentralbankpräsidenten vertreten sein. Somit tritt das Rotationsverfahren in Kraft. Alle fünf Monate wird dann auch der Präsident der Deutschen Bundesbank zwar nicht sein Teilnahme- und sein Rederecht, aber sein Stimmrecht für einen Monat verlieren. Entscheidungen zu finanziellen Angelegenheiten des Euro-Systems – zum Beispiel Einzahlung und Änderung des EZB-Kapitals, Anpassung von Kapitalschlüsseln, Verteilung der monetären Einkünfte sowie der Gewinne und Verluste – sind vom Rotationsprinzip jedoch ausgenommen. Fakt ist, dass Deutschland 27 Prozent des EZB-Kapitals eingezahlt hat und entsprechend haftet. Diese Tatsache spiegelt sich bereits jetzt nicht in den Abstimmungsverfahren – ein Mitglied, eine Stimme – wider. Es ist legitim, die Frage zu stellen, wie es sein kann, dass der größte Anteilseigner sein Stimmrecht nicht permanent ausüben kann. Es werden auch Befürchtungen laut, dass das Rotationsverfahren missbraucht werden könnte. Rein theoretisch ist dies denkbar. Es sollte natürlich kein Denkverbot dabei geben, nach anderen, gegebenenfalls besseren Verfahren zu suchen, die die Kapitalverhältnisse und Haftungsrisiken gerechter widerspiegeln. Man muss dabei jedoch sagen, dass der mögliche Missbrauch höchst unwahrscheinlich ist und einen gravierenden Eingriff in die Prinzipien der -Europäischen Union bedeuten würde. Wir sollten unseren Partnern in der EU nicht von vornherein unterstellen, sie warten nur auf den Zeitpunkt, an dem Deutschland vorübergehend über kein Stimmrecht in der EZB verfügt, um ihre nationalen Interessen durchzusetzen. Wir dürfen des Weiteren nicht vergessen, dass nicht nur Deutschland, sondern auch alle anderen Mitglieder ihr Stimmrecht vorübergehend verlieren. Zu Recht hat der Kollege Brinkhaus kürzlich darauf hingewiesen, dass es insbesondere wichtig sei, dass Deutschland mit Sabine Lautenschläger-Peiter im EZB-Direktorium vertreten ist. Die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums behalten auch nach Einführung des Rota-tionsverfahrens ihr ständiges Stimmrecht. Wir sollten uns also darauf konzentrieren, weiterhin in diesem Direktorium vertreten zu sein. Auch wenn es ein wichtiges Thema ist, sollte die Diskussion über das Rotationsverfahren nicht den eigentlichen Grund der heutigen Beratung überschatten: den Beitritt der Republik Litauen zur Euro-Zone. Wir begrüßen ausdrücklich die erfolgreichen Anstrengungen Litauens, die Bedingungen für die Euro-Einführung zu erfüllen, und unterstützen den Antrag Litauens auf den Beitritt zur Euro-Zone. Wir freuen uns auf die künftige Zusammenarbeit mit Litauen als einem vertrauenswürdigen und wirtschaftlich stabilen Partner. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank, Herr Kollege Feiler. – Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen jetzt zu einer Reihe von Abstimmungen, und zwar zunächst über den Einzelplan 08 – Bundesministerium der Finanzen – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Einzelplan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrechnungshof. Wer stimmt dafür? Ich bitte um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Einzelplan 20 mit allen Stimmen des Hohen Hauses angenommen. Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt II.4 c. Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2014. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1762, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/1050 und 18/1223 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1816 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? Ich bitte um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Zustimmung der Fraktion Die Linke, Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und Ablehnung durch die Große Koalition ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit Zustimmung von CDU/CSU und SPD bei Neinstimmen von der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Gesetzentwurf ist damit mit Zustimmung von CDU/CSU und SPD bei Ablehnung von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken angenommen. Tagesordnungspunkt II.4 d. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1800 mit dem Titel „Herstellung des Einvernehmens von Bundestag und Bundesregierung zum Begehren der Republik Litauen, der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beizutreten und den Euro als Umlaufwährung einzuführen“. Hierbei geht es um die Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 a des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union. Wer stimmt für diesen Antrag? Ich bitte um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ist damit dieser Antrag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen angenommen. Der Deutsche Bundestag gibt damit grünes Licht für den Beitritt Litauens zur Europäischen Währungsunion. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Tagesordnungspunkt II.4 e. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/1730 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind. – Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt II.5 auf: Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/1023, 18/1024 Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme, Christian Hirte, Dr. André Berghegger, Roland Claus und Sven-Christian Kindler. Zu diesem Einzelplan liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch und gehe deshalb davon aus, dass das so beschlossen ist. Ich eröffne die Aussprache und darf zuallererst dem Kollegen Ralph Lenkert, Die Linke, das Wort erteilen. (Beifall bei der LINKEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich den Einzelplan 16 beurteilen müsste, würde ich schreiben: Sie waren bemüht. – Sie waren bemüht, aber Sie ignorieren vollständig, was passiert: die Dürren in Afrika, die Überschwemmungen in Bangladesch. Sie ignorieren, dass Menschen umsiedeln müssen, sie ihre Heimat verlieren, weil ihre Lebensgrundlagen zerstört sind, sei es durch den Klimawandel, sei es durch die rücksichtslose Ausbeutung der Natur. Erinnern wir uns an unsere Jugendzeit. Wie oft gab es da starke Unwetter? Laut Wikipedia wurden in den 70er-Jahren vier Extremwetterereignisse in Europa registriert. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie sind nicht so alt wie ich!) In den 80er-Jahren waren es fünf, in den 90er-Jahren schon zwölf. Von 2000 bis 2010 waren es 17. Allein in den letzten vier Jahren gab es 14 Extremwetterereignisse. – Der Klimawandel lässt grüßen. Aber was machen Sie? Insgesamt 400 Millionen Euro für den vorbeugenden Klimaschutz werden in verschiedenen Einzelplänen gestrichen; Sie werden uns erklären, wo Sie was wie versteckt haben. Dieses Geld fehlt nun für den vorbeugenden Klimaschutz, sei es in der Bundesrepublik, sei es in anderen Ländern. Bezahlen werden dies die Menschen, die nicht ausweichen können; bezahlen werden es die Ärmsten der Armen. Aber auch Ihre Klientel, die Wirtschaft, wird dafür bezahlen müssen. Wir finden, das ist eine nicht vorausschauende, eine rücksichtslose Politik. Diese lehnen wir ab. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihr wichtigstes Klimaschutzelement war der CO2-Zertifikatehandel. Er funktioniert nicht; das wissen wir. Es sind auch keine Ansätze zu erkennen, weder im Haushalt noch in Ihrer Politik, dass sich das ändert. Aber dem Haushalt ist zu entnehmen, dass Sie den Industrieunternehmen jetzt die Kosten, die durch den Handel mit CO2-Zertifikaten entstehen, erstatten wollen. Das müssen Sie mir einmal erklären: Der Klimaschutz soll durch CO2-Zertifikate vorangetrieben werden. Die Wirtschaft soll motiviert werden, klimaschutzfreundlicher und ressourcensparender zu produzieren. Und jetzt entschädigen Sie die Wirtschaft, indem Sie die Kosten, die dadurch vielleicht entstehen könnten, in Höhe von 350 Millionen Euro übernehmen? Ich fordere Sie auf: Streichen Sie diese Förderung aus dem Energie- und Klimafonds, und setzen Sie dieses Geld für echten Klimaschutz ein! Dann könnten wir sagen: Sie haben sich nicht nur bemüht, sondern wenigstens einen kleinen Schritt getan. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Beim vorbeugenden Klimaschutz haben Sie versagt. Wie sieht es nun beim Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels aus? Bei der Jahrhundertflut 2002 gab es in der Bundesrepublik Schäden in Höhe von 18 Milliarden Euro. 8 Milliarden Euro haben wir für die erneute Jahrhundertflut 2013 als Sofortmaßnahme bereitgestellt. Ja, das ist eine gute Leistung, die wir gemeinsam vollbracht haben; aber man muss sich, von den materiellen Schäden einmal abgesehen, fragen: Wie fühlen sich die Menschen an Elbe, Elster, Oder, Saale und Rhein, die bei jedem Regenguss Angst haben, und wie fühlen sich die Menschen in NRW angesichts der Unwetter, die gerade zu Pfingsten tobten, wenn sie hören, dass die Koordinierung des Hochwasserschutzes zwischen den Ländern nicht besser wird, weil Sie nicht einmal lächerliche 3 Millionen Euro für eine Koordinierungsstelle bereitstellen wollen? Das müssen Sie den Menschen erklären, ich kann es nicht. (Beifall bei der LINKEN) Nicht nur beim Thema Hochwasser haben wir es mit mangelndem Schutz vor Wasser zu tun. Es betrifft auch ein ganz anderes Thema: In der Asse kommt das Wasser wahrscheinlich schneller, als Sie sich durchringen, etwas zu unternehmen. Zur sogenannten Lex Asse, nach der Sie 2033 eventuell so weit sein wollen, Müll herauszuholen, sage ich: Frau Hendricks, setzen Sie mehr Geld ein (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das tun wir!) für eine Parallelforschung hinsichtlich der Lagerfindung! Setzen Sie Geld ein, damit der Müll endlich aus der Asse kommt und wir vor allen Dingen einen sicheren Verwahrort in der Bundesrepublik finden! Dafür können Sie das Geld einsetzen, das Sie weiterhin in die Totgeburt Gorleben und in den Schacht Konrad stecken. Nutzen Sie dieses Geld, schließen Sie Gorleben, und machen Sie damit den Weg frei für eine vernünftige Forschung, für eine vernünftige Lösung! (Sören Bartol [SPD]: Das hat doch mit dem Geld nichts zu tun!) – Da Sie sich hier aufregen, Herr Kollege: Nutzen Sie das Geld auch, um die Altlasten zu beseitigen, die aus der Urangewinnung von vor 1960 in Ostdeutschland resultieren und nicht von der Wismut GmbH erfasst werden! (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Sie verweigern sich doch der Mitarbeit!) Dieses Geld könnten Sie gut dafür einsetzen. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte aber auch einen positiven Aspekt der in den Haushaltsberatungen vorgenommenen Änderungen erwähnen. Dass Sie der Region rund um die Asse jetzt mehr Geld zur Verfügung stellen, auch wenn es nicht viel ist, damit die Region die Nachteile ausgleichen kann, mit denen sie seit Jahrzehnten leben muss, ist wirklich ein guter Schritt. Das begrüßen wir. Das ist ein kleiner Lichtblick in diesem Haushaltsentwurf. Der Einbau von Rußpartikelfiltern sollte gefördert werden. Ich kann verstehen, dass Sie sagen: Alte Dieselfahrzeuge sollen weg. – Es gibt aber Menschen in diesem Land, die sich neue Fahrzeuge nicht leisten können. Diese Menschen können ihre Fahrzeuge aufgrund von immer mehr Umweltzonen nicht mehr in jeder Stadt nutzen. Sie sollen aber flexibel auf den Arbeitsmarkt reagieren und dorthin gehen, wo es Arbeit gibt. Diese Menschen sind auf das Fahrzeug angewiesen. Sie unterstützen die Umrüstung der Fahrzeuge nicht. Das ist sozialpolitisch eine Katastrophe. Mit dieser Nichtunterstützung erhöhen Sie lediglich den Zwang, Neufahrzeuge zu kaufen. Das ist auch ressourcentechnisch schändlich. Ich sage Ihnen: Führen Sie die Rußpartikelförderung fort! Wir brauchen diese Förderung nur noch wenige Jahre. Damit entlasten Sie die Umwelt und die kleinen Leute, die nicht viel Geld haben. Damit unterstützen Sie uns alle und sorgen dafür, dass wir eine Gesellschaft bekommen, in der nicht nur die Interessen der Großindustrie vertreten werden, sondern auch die der kleinen Menschen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt ansprechen, der mich geschockt hat. Am 19. Juni 2014 hat die Firma VW erklärt, das Kältemittel R1234yf doch einzusetzen. Es geht um eine Einsparung von 2 Gramm CO2 pro Kilometer; um so viel besser als andere soll dieses Kältemittel sein. Kommt es aber zu einem Fahrzeugbrand – das geschieht pro Jahr 30 000 Mal in Deutschland –, entsteht Flusssäure. Dadurch, dass Sie Daimler, VW und andere Firmen nicht in ihrem Vorhaben unterstützen, diese von der EU vorgegebene Umstellung nicht durchzuführen, riskieren Sie im Fall von Unfällen die Gesundheit von Tausenden von Menschen. Ich finde, das ist schändlich. Sie sollten all Ihre Kraft dafür einsetzen, bei der EU dafür zu kämpfen, dass dieses Mittel verboten wird. Ich wünsche mir – diese Ergänzung sei mir gestattet –, dass dieses Mittel verboten wird. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Lenkert, setzen Sie jetzt bitte einen Punkt. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Ja. – Ich wünsche mir, dass dieses Mittel vom Markt verschwindet. Ich wünsche mir, dass Sie beim Entwurf des nächsten Haushalts Ihre Hausaufgaben machen, damit wir einen Haushalt bekommen, der für die Menschen und für die Umwelt gut ist und nicht für die Unternehmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Steffen-Claudio Lemme das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Steffen-Claudio Lemme (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Lenkert, Sie zeichnen ein völlig falsches Bild, insbesondere des Haushalts für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Ich will versuchen, das in meiner Rede richtigzustellen, und zwar sehr sachlich und ohne viel Polemik – das überlassen wir Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vor circa zwei Monaten, bei der ersten Lesung des Bundeshaushalts, stand ich hier und verdeutlichte, dass im Regierungsentwurf des Umwelt- und Bauetats richtige Schwerpunkte bei Umwelt, Klima, Natur und Städtebau gesetzt wurden. Gleichzeitig kündigte ich an, dass wir als Berichterstatter der Koalition im parlamentarischen Verfahren versuchen würden, an der einen oder anderen Stelle Verbesserungen herbeizuführen. Ich freue mich, dass das, wie dieser Haushalt zeigt, gelungen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zur Haushaltskonsolidierung und zur Einhaltung der geplanten Neuverschuldung musste bei den einzelnen Häusern nochmals gespart werden. Im Zuge der Haushaltsberatungen haben wir in unserem Bereich allerdings einen Mittelaufwuchs ermöglicht. Dies verdeutlicht die – trotz seines verhältnismäßig geringen Gesamtvolumens – hohe Relevanz des Umwelt- und Bauressorts für diese Bundesregierung. Ich möchte erläutern, in welchen Bereichen wir während der Beratungen Änderungen vorgenommen haben: Erstens. In der ersten Lesung sprach ich an, dass ich mich persönlich für den altersgerechten Umbau starkmachen werde. Ich bin sehr froh darüber, dass wir zusätzlich 10 Millionen Euro verankern konnten und das neue Zuschussprogramm „Altersgerecht Umbauen“ somit schon in diesem Jahr starten können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir planen auch, bis zum Jahr 2018 sogar 54 Millionen Euro zu investieren. Das Programm, welches von Schwarz-Gelb eingestampft wurde, fördert alters- und behindertengerechte Bau- und Umbaumaßnahmen mit direkten Bundesmitteln. Diese Zukunftsinvestition ist dringend notwendig; denn durch den demografischen Wandel benötigen wir bis zum Jahr 2020 zusätzlich 2,5 Millionen barrierearme Wohnungen in unserem Land. Zweitens. In der Städtebauförderung sind die deutliche Mittelaufstockung und die Stärkung des Programms „Soziale Stadt“ ein großer sozialdemokratischer Erfolg. Neu ist nun, dass wir innerhalb der Städtebauförderung das neue Bundesprogramm „Nationale Projekte“ einfügen konnten, um künftig besonders bedeutsame innovative Projekte zu unterstützen. Hierunter fällt auch das UNESCO-Welterbe, das 2014/15 einen Schwerpunkt darstellen wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die dritte Veränderung, liebe Kolleginnen und Kollegen, betrifft das Nationale Naturerbe. Dieses soll um mindestens 30 000 Hektar erweitert werden. Bislang wurden dabei Flächen von der Privatisierung ausgenommen und kostenlos an interessierte Länder, Umweltverbände oder Stiftungen übertragen. Da sie bei der Bewirtschaftung jedoch zunehmend an ihre finanziellen Grenzen stoßen und die neuen Flächen nicht vollständig übernehmen können, haben wir zusätzliche 4 Millionen Euro für eine Bundeslösung bereitgestellt. Diese Bundeslösung mit Bewirtschaftung durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sichert die Flächen für den Naturschutz und entlastet gleichzeitig die Umweltverbände. Viertens – das steht dem diametral entgegen, was Sie, Herr Lenkert, hier gesagt haben – haben wir den Asse-Fonds um 500 000 Euro auf nunmehr 1 Million Euro erhöht. Ab 2015 sollen 3 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen. Damit gewähren wir den betroffenen Menschen in der Region um die Schachtanlage Asse II dauerhafte Unterstützung. (Beifall bei der SPD) Fünftens kommen wir zu guter Letzt zu dem vielleicht sogar wichtigsten Thema, dem Klimaschutz. Herr Kindler, in unserer letzten Debatte haben Sie den Vorwurf erhoben, wir würden den internationalen Klimaschutz mit unserem Haushalt beerdigen und damit ein verheerendes Signal in die Welt setzen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Hierzu möchte ich zunächst anmerken, dass wir nun im Haushalt des Entwicklungsministeriums die notwendigen Änderungen bezüglich des UN-Klimafonds – Green Climate Fund – vorgenommen haben. Wir können im Herbst Zusagen in Höhe von bis zu 750 Millionen Euro machen. Auch haben wir sichergestellt – das war uns besonders wichtig –, dass die vorgesehenen Gelder gemeinsam von BMZ und BMUB bewirtschaftet werden. Sie sehen somit: Wir senden kein verheerendes Signal in die Welt, sondern bekennen uns im Gegenteil mit der Unterstützung für den Klimaschutz in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu unserer internationalen Verantwortung. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie kürzen doch! Das ist das Problem!) Das ist gerade für die UN-Klimakonferenz in Paris im nächsten Jahr, auf der ein verbindliches Klimaabkommen beschlossen werden soll, ein wichtiges politisches Signal. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Lemme, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage des Kollegen Kindler? Steffen-Claudio Lemme (SPD): Sehr gerne. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Kollege Lemme, es ist richtig, dass die Bundesregierung in den Haushaltsberatungen gerade noch die Kurve gekriegt und eine Verpflichtungsermächtigung von 750 Millionen Euro eingestellt hat. Aus unserer Sicht ist auch das für eine bedarfsgerechte Ausstattung des Green Climate Fund noch zu wenig. Wenn wir aber über den Haushalt 2014 reden, müssen wir auch über die Barmittel reden. Es gibt eine Studie von Oxfam, die zeigt, dass dieses Jahr durch die Verschiebungen zwischen dem Energie- und Klimafonds, dem Haushalt des Umweltministeriums und dem Haushalt des Entwicklungsministeriums mindestens 240 Millionen Euro an Barmitteln gekürzt werden. Das halte ich, ehrlich gesagt, für ein verheerendes Signal an die Klimakonferenz in Paris. Wir kritisieren, dass Sie die Mittel in diesem Haushalt um 240 Millionen Euro kürzen. Wie stehen Sie dazu? Steffen-Claudio Lemme (SPD): Herr Kindler, diese Kritik von Oxfam haben wir zur Kenntnis genommen. Wir haben, gemeinsam mit dem BMUB, auch eine Erläuterung dazu bekommen. Wir arbeiten daran, dass genau hier keine Kürzungen vorgenommen werden und wir weiterhin strukturell eine Vorreiterrolle in diesem Bereich haben. Dafür sind wir recht gut aufgestellt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In einem Punkt möchte ich eine Bitte an Ministerin Hendricks richten: Das Niveau der deutschen Klima-finanzierung konnte gegenüber dem Vorjahr um 50 Millionen Euro gesteigert werden. Das ist gut. Gleichzeitig stehen wir aber vor der Herausforderung – 2009 in -Kopenhagen haben die Industrieländer dies zugesagt –, die Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern. Als Haushälter würde ich mir wünschen, dass wir frühzeitig und nachvollziehbar über die Überlegungen informiert werden, über welche bilateralen Instrumente und multilateralen Klimafonds und in welcher Höhe wir in den kommenden Jahren einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziel leisten. Wir sollten also auch der Frage nachgehen: Wie viel sollen die Privatwirtschaft und die alternativen Finanzierungsquellen in diesem Bereich beisteuern? In diesem Sinne hoffe ich auf eine transparente Darstellung eines sogenannten Aufwuchspfades. Umwelt- und Baupolitik wird wie kein anderer Bereich mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verbunden. Das Dreisäulenmodell definiert Nachhaltigkeit als ökonomische, ökologische und soziale Zukunftsverantwortung. Lassen Sie mich dies am Haushalt 2014 konkretisieren: Erstens. Die ökonomische Nachhaltigkeit ist Ziel unserer Anstrengungen bei der Rückführung der Neuverschuldung. Zweitens. Ökologische Verantwortung übernehmen wir, wie geschildert, als wirtschaftlich wohlhabendes Land durch unsere Vorreiterrolle bei der internationalen Klimafinanzierung. Drittens. Soziale Nachhaltigkeit müssen wir insbesondere im Umgang mit dem demografischen Wandel bedenken; im Wohnungsbereich setzen wir dabei mit den neuen Zuschüssen zum altersgerechten Umbau eine wichtige Wegmarke. Ja, wir stehen vor weiteren Herausforderungen. Dennoch meine ich – meine früheren Aussagen hierzu finde ich bekräftigt –: Der Haushaltsplan geht mit den durch den Haushaltsausschuss beschlossenen Änderungen, die uns jetzt vorliegen, in die richtige Richtung. Wir wollen ihn so verabschieden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Steffi Lemke. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lemme, ich gratuliere Ihnen als Hauptberichterstatter für die von Ihnen hier geschilderten Erfolge, die Sie im Verhandlungsprozess im Sinne von Umwelt und Naturschutz erreicht haben. Insbesondere – das hatten wir im Vorfeld deutlich gemacht – das Nationale Naturerbe liegt uns sehr am Herzen. Dass es dafür jetzt eine finanzielle Lösung im Sinne des Naturschutzes gibt, begrüßen wir ausdrücklich. Ich wünsche Ihnen, Frau Hendricks, bei der konkreten Umsetzung dieses Projektes den notwendigen langen Atem. Als ich vor elf Jahren aus dem Bundestag ausgeschieden bin, stand dieses Thema brandaktuell auf der Agenda. Wir diskutieren heute aber hauptsächlich über den Etat eines Umweltministeriums, das zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren ohne die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien agiert. Alle Erfolge, zu denen ich, wie gesagt, gerne gratuliere, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Entscheidung, die erneuerbaren Energien aus dem Zuständigkeitsbereich des Umwelt-ministeriums herauszuverlagern, dazu führt, dass das zentrale Projekt eines jeden Umweltministers jetzt den Interessen der Wirtschaft und den Interessen des Wirtschaftsministers untergeordnet worden ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Chaos, das Sie uns heute auch in organisatorischer Hinsicht mit der Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, die die inhaltliche Katastrophe dieses Gesetzes nur ein bisschen kaschiert, bescheren, hat seine Ursache darin, dass die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien aus dem Umweltministerium herausgelöst worden ist. Das, was wir Grüne vor zwölf Jahren in einem schweren Kampf gegen die SPD und den damaligen Wirtschaftsminister Clement durchgesetzt haben (Sören Bartol [SPD]: Na!) – inzwischen sind ja die meisten in der SPD froh, dass er sie verlassen hat –, haben Sie im vergangenen Jahr rückgängig gemacht. Das ist das zentrale Manko, das das Umweltministerium in den nächsten mindestens vier Jahren – ich weiß nicht, ob diese Entscheidung jemals zurückholbar sein wird – mit sich herumschleppen wird. Frau Hendricks, Sie haben in Ihrer Einbringungsrede zum Etat gesagt, dass die Bekämpfung der Klimakata-strophe die zentrale globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist und dass im Zentrum Ihrer Amtszeit als -Umweltministerium das Ziel stehen muss, die Klimakatstrophe zu bekämpfen. Ich werde mich jetzt nicht in den Streit zwischen den Haushältern einmischen, ob die vorgesehenen 240 Millionen Euro noch zur Verfügung gestellt werden, ob daran noch gearbeitet wird oder ob sie verloren gegangen sind. Denn gegenwärtig legen Sie uns eine Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz vor, die den Klimaschutz in Deutschland um Jahre zurückwirft und den Ausbau des einzigen umweltfreundlichen Energieträgers, den wir haben, bremst. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird in vielen Regionen vollständig zum Erliegen gebracht. Stattdessen fängt Ihr Wirtschaftsminister jetzt auch noch eine Debatte über Fracking als Alternative an. (Sören Bartol [SPD]: Ach, das ist doch einfach nicht richtig! – Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) – Das ist absurd; da gebe ich Ihnen vollkommen recht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Das ist einfach falsch!) Ich will jetzt gar nicht auf abstruse Vorwürfe gegen Frackinggegner im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise eingehen, aber ich muss Ihnen sagen: Sie haben in der für ein jedes Umweltministerium zentralen Frage zu Beginn dieser Legislaturperiode grandios versagt. Sie von der SPD haben zugestanden, dass diese Strukturfrage – Strukturfragen sind immer Machtfragen; das muss ich Ihnen nicht erläutern – zugunsten von Wirtschaftsinteressen und zulasten aller Umwelt- und Klimaschutzinteressen entschieden wurde. Sie haben die -Energiewende und damit die Bekämpfung der Klimakatastrophe komplett zurück in die Hände des Wirtschaftsministers gegeben. Ich weiß nicht, ob manchmal der Eindruck entsteht, dass Frau Merkel und Herr Gabriel, nur weil sie einmal Umweltminister gewesen sind, irgendetwas mit der Umwelt am Hut hätten. Sie haben den Klimaschutz und die Bekämpfung der Klimakatstrophe mit dieser Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz komplett zurück in die Hände der Wirtschaft gegeben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Welcher Partei gehört denn der zuständige Staatssekretär an? – Sören Bartol [SPD]: Ist Herr Baake etwa rausgeflogen?) – Sie müssen mir jetzt nicht mit so billigen Zwischenrufen zur Parteizugehörigkeit des Staatssekretärs in diesem Ressort kommen. Ich habe Ihnen vorhin schon einmal gesagt, dass wir schwerste Kämpfe mit Wirtschaftsminister Clement ausgefochten haben. Wir hatten damals SPD-Umweltpolitiker an unserer Seite – Hermann Scheer sei stellvertretend genannt –, die bereit waren, die damalige Entscheidung gemeinsam mit Umweltpolitikern anderer Parteien – es gab sie vereinzelt auch in der CSU und der CDU – und mit unseren Umweltpolitikern gegen Herrn Clement und die Betonlobby in der SPD durchzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Aber Herrn Clement gibt es nicht mehr!) – Ich glaube, Sie waren heute Morgen noch nicht im Plenum, als Ihr Kollege Herr Kahrs hier eine Beton-und-Stahl-Rede für die Industrieinteressen gehalten hat. (Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär: Unverschämt! – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das war eine gute Rede!) Lesen Sie sie vielleicht noch einmal nach. Ich fand diese Rede sehr beeindruckend. Sie wurde mit großer Leidenschaft vorgetragen. Ich glaube, sie hat deutlich gemacht, unter welchen Vorzeichen die Bekämpfung der Klimakatastrophe und die Umweltpolitik in dieser Legislaturperiode bei Ihnen stehen. Das ist meine Hauptkritik am Etat dieses Ministeriums. Bei allem Lob für die Details führt kein Weg daran vorbei, dass Sie eine folgenschwere strategische Fehlentscheidung getroffen haben. Ich hatte es bereits gesagt: Umweltpolitiker verschiedener Parteien und Fraktionen haben das Umweltministerium in den letzten zehn, zwölf Jahren zu einem Strategiezentrum aufgebaut, das sich in die Diskurse über den Umbau unserer Industriegesellschaft an den strategisch entscheidenden Stellen einmischen konnte. Wenn Sie sich die jetzige Schwerpunktsetzung anschauen, stellen Sie fest: Es geht um die Errichtung eines Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung, um die Asse-Problematik und, und, und; all das haben Sie, Frau Hendricks, in Ihrer Einbringungsrede aufgezählt. Bei aller Wertschätzung für die „Soziale Stadt“ – unsere Fraktion hat sich immer dafür eingesetzt – und für die Städtebauförderung muss man festhalten: An den zentralen Weichenstellungen nimmt das Umweltministerium gegenwärtig nicht teil. (Sören Bartol [SPD]: Das kann man jetzt nicht gegeneinander ausspielen! Das ist doch unterirdisch, billig! Das ist eben ein neuer Zuschnitt!) – Ich spiele überhaupt nichts gegeneinander aus. Ich sage Ihnen nur, dass Sie die Zuständigkeit für den entscheidenden Kernbereich abgegeben haben und sich das im Etat dieses Ministeriums widerspiegelt. Ich biete Ihnen im Namen unserer Fraktion erneut an, dass Umweltpolitiker Arm in Arm gegen diese Interessen kämpfen. Das, was Sie uns mit der Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgelegt haben, kann kein Umweltpolitiker – sei er SPD-Mitglied, sei er CDU-Mitglied, sei er CSU-Mitglied, sei er Linke-Mitglied – guten Gewissens unterstützen; denn es würgt die Energiewende und damit die Bekämpfung der Klimakatastrophe ab. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Christian Hirte das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Christian Hirte (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich gerade im Hinblick auf die Rede der Kollegin Lemke sagen, dass es vielleicht doch ganz gut ist, dass die Energiepolitik mittlerweile zentral im Bundeswirtschaftsministerium koordiniert wird, weil das erstens die Möglichkeit eröffnet, endlich einmal etwas in einem Konzept voranzubringen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein industriepolitisches Konzept! Das hat mit Energiewende nichts mehr zu tun!) Zweitens erhalten dadurch diejenigen, die sich mit der Politik und dem Etat des BMU – jetzt: BMUB – beschäftigen, die Möglichkeit, sich wieder auf das Thema zu konzentrieren, das Ihnen von den Grünen besonders am Herzen liegen sollte, nämlich den Natur- und Klimaschutz. (Beifall bei der CDU/CSU – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Energiewende funktioniert kein Klimaschutz!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bekommen, ganz grundsätzlich gesagt, endlich die schwarze Null. Generationen von Finanzministern haben sich an diesem Ziel abgearbeitet. Franz Josef Strauß hat als Letzter eine schwarze Null geschafft; das war Ende der 60er-Jahre. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Beifall bei der CSU!) Erst Wolfgang Schäuble und unserer Koalition ist es wieder gelungen, in diesem Jahr, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und für das nächste und die kommenden Jahre die Schuldenaufnahme ganz einzustellen. Um aktuell in der Fußballsprache zu sprechen, würde ich einmal sagen: Das ist ein klares 1 : 0 für Wolfgang Schäuble und unsere Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU) Die schwarze Null ist keine – wie von der Opposition behauptet wird – Trickserei des Finanzministers; schon gar nicht erkauft sich die Koalition die schwarze Null mit einem Griff in die Sozialkassen. Entgegen der Nörgelei ist der Haushaltsentwurf ein Ergebnis, mit dem die Große Koalition eindrucksvoll in diese Legislatur gestartet ist. Die Mütterrente kommt. Die nicht von allen geliebte Rente mit 63 wird Wirklichkeit. Ich gebe zu: Mit Letzterem habe auch ich ein bisschen Bauchschmerzen. Aber viel entscheidender ist für mich, dass wir endlich unser Schuldenproblem – Herr Binding hat es vorhin schon gesagt – nachhaltig in den Griff bekommen. Man kann nicht mit dem Finger auf Griechenland zeigen und Reformen fordern, aber gleichzeitig sich selbst einen schlanken Fuß machen und zu Hause untätig bleiben. Der ausgeglichene Haushalt Deutschlands ist nicht nur für die Zukunft Deutschlands wichtig. Er zeigt auch unseren bislang weniger erfolgreichen Nachbarn, dass wir selbst ernst nehmen, was wir von anderen fordern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gerade eine andere Debatte!) Wir werden damit nicht nur unserer nationalen Verantwortung, sondern auch unserer internationalen Vorbildrolle gerecht. Begehrlichkeiten gibt es freilich immer, und die Bedürfnisse sind grundsätzlich größer als die Möglichkeiten. So hätte ich mir etwa gewünscht, dass wir mit dem Einzelplan 16 die Förderung der Rußpartikelfilter auf den Weg bringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Erstens hätte ich das gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um Umweltzonen und Feinstaubbelastung für sinnvoll gehalten. Zweitens wäre das eine gute Förderung für den Mittelstand und für die Handwerker gewesen. Leider hat sich hierfür in der parlamentarischen Beratung am Ende keine Mehrheit gefunden; so ist es halt manchmal. Nun bin ich aber Realist genug, um zu wissen, dass die Ausgaben nicht dauerhaft über den Einnahmen liegen können. Diesen Realismus hätte ich mir trotz der guten Zusammenarbeit mit den Kollegen Kindler und Claus auch von der Opposition gewünscht. Bei der Auflage des 10-Millionen-Euro-Programms „Altersgerecht Umbauen“ sind wir noch einer Meinung, dass dies ein wichtiges und absolut gerechtfertigtes Zugeständnis an den demografischen Wandel darstellt. Allerdings haben die Grünen mit ihrer Forderung nach einem Klimawohngeld in Höhe von 100 Millionen Euro den eben angesprochenen Realismus wohl doch etwas vermissen lassen. Ich greife jetzt gerne noch einmal auf, was vorhin auch vom Kollegen Kindler in der Nachfrage angesprochen wurde, nämlich die behauptete Klage, dass wir erhebliche Kürzungen bei der Klimafinanzierung vornehmen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man nachweisen!) Dem ist nicht so. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) Richtig ist vielmehr, dass eine ganz exakte Aussage, wie viel Geld wir für die Klimafinanzierung in die Hand nehmen, erst ganz am Ende mit dem Jahresabschluss möglich sein wird. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja peinlich! Sie haben also keine Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit bei diesem Thema! Keine Ahnung, wie viel Geld Sie ausgeben!) Das liegt unter anderem daran, dass wir erst dann genau wissen, wie es mit den Zusagen an Partnerregierungen und mit den Beauftragungen sowie weiteren Bewilligungen aussieht. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist für einen Haushälter ein Offenbarungseid!) Entgegen der Aussage des von Ihnen angesprochenen Oxfam-Berichtes wird die Klimafinanzierung mit rund 1,8 Milliarden Euro auf hohem Niveau fortgesetzt. BMZ, BMUB und BMF haben sich dabei auf einen Modus verständigt, der seit der Klimakonferenz von Doha im Jahre 2012 als Messlatte zu verstehen ist. Dabei werden nämlich bei bilateralen Vorhaben die Zusagen und bei multilateralen Beiträgen die Auszahlungen gezählt. Eine Ausnahme bildet lediglich der EKF. Dort versucht man, die vorherigen Zusagen aus den Jahren 2011 bis 2013 angemessen ins Verhältnis zu setzen. Vor allem die Jahre 2011 und 2012 fallen, wenn es um den Klimaschutz geht, besonders ins Gewicht, weil wir mit den Mitteln aus den Einzelplänen 16 und 23 gut in die „Fast-Start-Periode“ gestartet sind und auch in der Nachfolge weitere zusätzliche Klimamittel zur Verfügung gestellt haben. Ich erinnere nur daran, dass allein in Doha ein Mittelaufwuchs von 1,4 Milliarden Euro in 2012 auf 1,8 Milliarden Euro in 2013 angekündigt wurde. Das zeigt, dass wir uns auf einem hohen Niveau befinden. Versprochen wurde bei internationalen Klimaverhandlungen schon viel, am Ende kommt es aber nicht darauf an, was man verspricht, sondern darauf, was man praktisch tut. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Darauf, was Sie im Haushalt eingestellt haben!) Entscheidend ist also, was am Ende tatsächlich geleistet und an Zahlungen auf den Weg gebracht wird, und, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen – auch von den Grünen –, ich glaube, in Bezug auf unseren engagierten Klimaschutz im weltweiten Maßstab müssen wir uns in Deutschland überhaupt nicht verstecken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich noch ganz wenige Anmerkungen zu wenigen Einzeltiteln machen: Es ist vorhin schon kurz erwähnt worden: Wir geben im Bereich des Naturschutzes deutlich mehr aus und steigern die Ausgaben um 8 Millionen Euro von 49 auf 57 Millionen Euro. Diese Mittel sollen vor allem der naturnahen Begleitforschung für die Energiewende zur Verfügung gestellt werden. Bei der Asse muss man, glaube ich, zugeben, dass man heute noch gar keine seriöse und gesicherte Bedarfsschätzung der Kosten für die Zukunft vornehmen kann. Hier sind für die Zukunft durchaus noch Finanzierungsrisiken zu erwarten. Die Diskussion um die Asse hat aber gerade dazu geführt, dass wir den Asse-Fonds für 2014 im Zuge der Haushaltsberatungen auf 1 Million Euro aufgestockt haben und auch für die kommenden Jahre noch einmal mehr Geld in die Hand nehmen werden. Ich will nicht verhehlen, dass wir bei der Verwendung der Mittel durchaus ein Auge auf diesen Fonds legen werden, weil wir den Eindruck vermeiden wollen, dass für den Wahlkreis von Sigmar Gabriel Wahlgeschenke verteilt worden wären. Schließlich haben wir mit der Sperrung der Hälfte aller neu aufzubauenden Stellen im neuen Bundesamt für kerntechnische Entsorgung nicht nur unter fiskalischen Gesichtspunkten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz einen wichtigen Schritt gemacht. Es soll eben gerade nicht der Eindruck entstehen, dass mit dem Bundesamt vorab Entscheidungen getroffen werden sollen und der Endlagersuchkommission beim Deutschen Bundestag lediglich eine Statistenrolle zugewiesen wird. In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich mich für die Zusammenarbeit bedanken. In der aktuellen Fußballsprache würde ich sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. In wenigen Wochen geht es weiter. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie einmal nach!) Vizepräsidentin Petra Pau: Nun hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Haushalt für das Jahr 2014 mit dem Anspruch aufgestellt, Deutschlands Zukunft zu gestalten. Das gilt selbstverständlich auch für den Einzelplan 16. Die Bereiche Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sind für die Zukunft unseres Landes relevant – sie sind sogar systemrelevant, wie man so sagt –, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Deutschland ist aber nicht allein in Europa und in der Welt. Deshalb werden wir insbesondere beim internationalen Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen und andere Staaten dabei mitnehmen. Die UN-Klimakonferenz in Paris in rund 18 Monaten wird eine Schicksalsstunde. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichenstellungen vorzunehmen, damit ein neues, weltweites, ambitioniertes und verbindliches Klimaabkommen zustande kommt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Bundesregierung setzt mit dem Haushaltsentwurf 2014 die richtigen Signale. Wir sind dabei, mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 die Weichen so zu stellen, dass Deutschland nicht nur seine Verpflichtungen erfüllt. Das tun wir ohnehin; denn wir haben unsere Einsparungen nach dem Kioto-Protokoll schon jetzt gut erreicht. Die Bundesregierung hat sich aber vorgenommen, mehr zu tun und damit zu zeigen, dass Klimaschutz eben nicht im Widerspruch zu einer guten wirtschaftlichen Entwicklung steht, sondern sie im Gegenteil sogar beflügelt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde alles dafür tun, dass die Konferenz in Paris ein Erfolg wird, und freue mich über jede Unterstützung aus den Reihen des Deutschen Bundestages. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dass Handlungsbedarf besteht, wird auch anderswo verstanden. Ich begrüße ausdrücklich die Ankündigung von Präsident Obama, den CO2-Ausstoß mit einer konkreten Zielvorgabe bis 2030 zu senken. Auch wenn wir in der EU, vor allem in Deutschland, noch wesentlich ambitioniertere Ziele haben, wird damit doch die bisherige Blockade in der amerikanischen Klimaschutzpolitik durchbrochen. Das ist ein wichtiges Signal zum richtigen Zeitpunkt. Das Beispiel von Präsident Obama muss auch in anderen Staaten Schule machen, die im Klimaschutz bislang noch zu zögerlich sind. Die Notwendigkeit und das Verlangen nach Lösungen sind größer als je zuvor. Die Menschheit erwartet von der UN-Klimakonferenz zu Recht, dass endlich geliefert wird. Schließlich hat der Schutz von Klima und Umwelt nicht nur ökologische und ökonomische, sondern immer auch soziale Folgen. Ich will den Zusammenhalt von Umweltgerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit stärker thematisieren. Ich glaube, dass sich eine verantwortungsbewusste Politik gerade in diesem Spannungsfeld nicht mit den herrschenden Zuständen oder mit dem bislang Erreichten zufriedengeben darf. Das ist auch ein politischer Gestaltungsanspruch, der sich im Einzelplan 16 widerspiegelt. Für Deutschland ist belegt, dass Menschen mit einem sogenannten niedrigeren Sozialstatus häufiger in erhöhtem Maß negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Sie wohnen öfter in Wohnungen, die verstärkt von Straßenverkehr, Lärm und verkehrsbedingten Luftschadstoffen betroffen sind. Außerdem leiden sie häufiger unter Feuchtschäden in der Wohnung und haben schlechteren Zugang zu Grünflächen. Bei Kindern mit niedrigerem Sozialstatus wurde durchschnittlich eine höhere Bleikonzentration im Blut festgestellt als bei Kindern mit mittlerem oder hohem Sozialstatus. Diese Menschen sind also sozial und ökologisch benachteiligt. Damit dürfen wir uns und werde ich mich nicht abfinden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich bin der Überzeugung, dass eine ökologische Wende, die zu Benachteiligungen bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen führt, keine Akzeptanz in der Mehrheit der Bevölkerung finden kann und wird. Auf der anderen Seite wird das Versprechen einer besseren Zukunft ohne eine intakte Umwelt ein leeres Versprechen bleiben. Gutes Leben ist eben nur auf dem Fundament einer guten Umwelt möglich. Deshalb gehören die soziale und die ökologische Dimension zusammen. Wir müssen die wirtschaftliche Entwicklung vom Naturverbrauch bei der Energiebereitstellung, beim Wasser- und Rohstoffverbrauch und bei der Nutzung von Natur und Landschaft entkoppeln. Was wir brauchen, ist eine Effizienzrevolution beim Energie- und beim Ressourcenverbrauch. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich bin davon überzeugt, wenn wir es schaffen, die ökologische Frage zu beantworten, dann schaffen wir auch sozialen Frieden, und wenn wir den sozialen Frieden stärken, dann schaffen wir damit die besten Voraussetzungen für eine bessere Umwelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt den schönen Satz, dass die Wirtschaft letztlich eine hundertprozentige Tochterfirma der Umwelt sei. Allein im Umweltschutz sind bei dieser Tochterfirma inzwischen rund 2 Millionen Menschen in Deutschland beschäftigt. Die deutsche Umweltschutzgeschichte ist damit eine wirklich große Erfolgsgeschichte. Unsere heimische Ingenieurskunst ist weltweit gefragt. Gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsminister werde ich deshalb in absehbarer Zeit eine Exportinitiative Umwelttechnologien starten. Ein weiterer Ansatzpunkt ist meines Erachtens, den Naturschutz mit der Stadtentwicklung zu verknüpfen. Der urbane Naturschutz soll ohnehin in meinem Verantwortungsbereich ein größeres Gewicht bekommen. Bis Ende des Jahres wird in meinem Haus ein sogenanntes Grünbuch zu diesem Thema erarbeitet werden. Ein Schwerpunkt ist, Naturschutz in vernachlässigten Nachbarschaften und Quartieren zu fördern und damit zur Lebensqualität der Menschen beizutragen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will mich außerdem dafür einsetzen, dass die Luftverschmutzung weiter abnimmt. Wir können sie zwar nicht mehr sehen und riechen wie früher, aber sie ist – denken Sie nur an Feinstaub oder an die anhaltende Stickoxidbelastung – weiter vorhanden und damit eine Gefahr für uns alle. Unter anderem deshalb war die Entscheidung richtig, die Bereiche Bauen und Stadtentwicklung in den Geschäftsbereich meines Ministeriums zu übertragen. Das hat viel Zuspruch und Zustimmung erfahren. Dafür bin ich dankbar. Die Schnittmengen mit den klassischen Themen meines Hauses sind groß. Jetzt nutzen wir die Synergien, indem die Bereiche Bauen und Stadtentwicklung mit den übrigen Abteilungen vernetzt und wirksam integriert werden. Die dafür notwendigen Organisationsentscheidungen sind getroffen und werden umgesetzt. Wie Sie wissen, haben wir uns im Bereich Bauen viel vorgenommen. Mit dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen wollen wir helfen, wieder mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu schaffen. (Beifall bei der SPD) Wir wollen, dass Menschen dort, wo sie wohnen wollen, bezahlbaren Wohnraum vorfinden. Wir wollen, dass sie auch später noch dort wohnen bleiben können, wenn der Wohnraum dem Lebensalter angepasst werden muss, weil man nicht mehr so leicht die Treppen heraufkommt. Deshalb sind Programme wie das altersgerechte Umbauen und die Unterstützung neuer Wohnformen genauso wichtig wie die vielen anderen Instrumente, die dazu beitragen, dass Menschen ein lebenswertes Wohnumfeld haben. Ich bin daher an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss und in den Fachausschüssen dankbar, die mitgewirkt haben, dass zum Beispiel die Mittel für die Städtebauförderung deutlich erhöht werden konnten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Mit dem Programm „Soziale Stadt“, mit dem Stadtumbau und dem städtebaulichen Denkmalschutz werden wir Städte und Gemeinden gleichermaßen unterstützen. Wir investieren in ein gutes Zusammenleben und gegen ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben es schon gesehen: Es gibt von der Kollegin Baerbock den Wunsch nach einer Frage oder Bemerkung. – Bitte schön. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich habe jetzt fast bis zum Ende Ihrer Rede gewartet, um noch einmal das Thema Klimafinanzierung anzusprechen. Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht eine Antwort auf die Frage geben, warum es hier zu den Kürzungen gekommen ist. Die Kürzungen sind ja insbesondere im Einzelplan 23 zu finden, der gemeinsam mit dem BMU verwaltet wird. Vielleicht können Sie noch einmal dazu etwas sagen, weshalb es da zu Kürzungen kommt. Um ein konkreteres Beispiel zu nennen – auch wenn das ein relativ kleiner Topf ist –: Der Waldklimafonds wurde halbiert. Warum ist es dort zu den Kürzungen gekommen, obwohl insbesondere der Waldschutz eines der prioritären Ziele des internationalen Klimaschutzes ist und Deutschland sich ja eigentlich mit dem REDD+Programm als Vorreiter in diesem Bereich hervortun wollte? Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Liebe Kollegin, Sie haben vollkommen recht: Mit dem REDD+-Programm ist und bleibt Deutschland ein Vorreiter. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass wir zusätzliche Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 750 Millionen Euro ab dem nächsten Jahr ausgebracht haben. Wir haben die Klimafinanzierung – das ist schon von meinen Vorrednern dargestellt worden – auf dem Niveau von 1,8 Milliarden Euro stabilisiert. Wir sind damit beispielhaft und warten darauf, dass andere Länder im Hinblick auf die Klimakonferenz hoffentlich schon auf dem Ban-Ki-moon-Gipfel im September dieses Jahres vergleichbare Zusagen machen werden. Die Kritik von Oxfam kann ich so nicht nachvollziehen. Wir haben bedauerlicherweise erst heute den Mitgliedern des Bundestages eine detaillierte Ausarbeitung der Kommunikation zu diesem Thema zukommen lassen. Wir hatten eine gemeinsame Zusammenkunft, bei der das auch von Ihnen, Herr Kindler, schon einmal angesprochen worden war. Oxfam musste naturgemäß davon ausgehen, dass Sie die Ergebnisse der Bereinigungssitzung noch nicht kannten. Das ist klar. Insofern wird das schon einmal widerlegt. Das ist zwar im Übrigen eine sehr technische Ausarbeitung, aber ich bitte Sie, sie zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen. Ich glaube nämlich, dass man gut nachweisen kann, dass Oxfam mit seiner Kritik nicht recht hat. 1,8 Milliarden Euro Bundesmittel pro Jahr müssen auch erst einmal sinnvoll eingesetzt werden, und dafür sorgen wir. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz sicher werde ich auch im Naturschutz weiter vorangehen, zum einen, weil ich die Natur liebe, wie wahrscheinlich die meisten Menschen. Zum anderen sind Natur und Landschaft aber auch ein wichtiger Ausgleich für von Arbeit, Stress und Lärm geprägte Menschen. Die Natur zu schützen, wird immer eines der wichtigsten Themen des BMUB sein. Wir werden unsere Förderprogramme für Naturschutzvorhaben von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung und das Bundesprogramm Biologische Vielfalt fortführen. Wir werden 30 000 Hektar an Flächen aus dem Eigentum des Bundes dauerhaft für den Naturschutz sichern, und wir werden uns gemeinsam mit den Ländern darum kümmern, dass die Natura-2000-Gebiete ordentlich geschützt werden. Im Übrigen verbrauchen wir immer noch jeden Tag 74 Hektar unbebaute Freiflächen. In der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurde als Ziel vereinbart, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Bedauerlicherweise sieht es derzeit nicht danach aus, dass wir dieses Ziel bis 2020 erreichen. Denn dazu hat es in den letzten zwei Jahrzehnten leider zu wenige Anstrengungen gegeben. Aber seien Sie gewiss, dass ich dieses Ziel nicht fallen lassen werde. Wir sollten es gemeinsam weiterverfolgen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wahrscheinlich größte gesellschaftspolitische Projekt in dieser Legislaturperiode ist die Energiewende, die Sie, liebe Kollegin Lemke, im Zusammenhang mit diesem Haushalt angesprochen haben, obwohl das Thema eigentlich beim Haushalt des Wirtschaftsministeriums anstehen würde. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja das Problem!) Dann haben Sie noch einmal die Chance, liebe Steffi. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja das Problem, dass es dort ansteht, liebe Barbara!) Ich muss nicht daran erinnern, welche Ereignisse dazu geführt haben, dass sich die Bundesregierung zu diesem weltweit beachteten Projekt entschieden hat. Wir stehen jetzt vor der Herausforderung, die Energiewende zum Erfolg zu führen, die Menschen dabei mitzunehmen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands dabei nicht zu schmälern. Diese Aufgabe liegt beim Wirtschafts- und Energieminister in guten Händen. Gleichwohl werden alle Kabinettskolleginnen und -kollegen daran mitwirken müssen, genauso wie am Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, welches in meiner Verantwortung auf den Weg gebracht worden ist. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit arbeitet an wichtigen Themen, die auf der energiepolitischen Tagesordnung stehen, zum Beispiel am Thema Atomendlagerung, welches heute schon angesprochen worden ist, oder am Thema Fracking. Das Wasserhaushaltsgesetz sei als Stichwort genannt. Darum kümmern wir uns. Im April haben, wie Sie alle wissen, Bundestag und Bundesrat die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ eingesetzt. Noch in diesem Jahr wird das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung in meinem Geschäftsbereich errichtet, wenn auch zunächst auf einer niedrigen Basis. Fracking im Schiefergas oder Kohlegestein werden wir sicher nicht verantworten können, solange uns diese Technik zwar Energie liefern würde, aber gleichzeitig unser Grundwasser gefährdet. Auch bei diesen Themen sollten wir es dringend unterlassen, soziale und ökologische Interessen gegeneinanderzustellen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir setzen auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Sie machen uns unabhängiger von immer teurer werdenden Importen, egal woher. Die Abkehr von der nuklear-fossilen Energieversorgung kann Deutschland deshalb zur erfolgsreichsten Volkswirtschaft der Welt machen. Ja, ich bin sicher: Sie wird Deutschland zur erfolgsreichsten Volkswirtschaft der Welt machen. Ich hatte bereits bei der Einbringung darauf hingewiesen, dass der Einzelplan 16 mit den Haushalten der Vorjahre nicht mehr vergleichbar ist. Hier spiegeln sich vor allen Dingen der neue Zuschnitt des Hauses und die neuen Zuständigkeiten wider. Das Gesamtvolumen hat sich im Vergleich zum Haushalt 2013 mehr als verdoppelt und liegt nun bei insgesamt über 3,6 Milliarden Euro. Ich möchte allen nochmals danken, die den Einzelplan 16 mitgestaltet haben. Damit haben wir die Voraussetzungen geschaffen, den ökologischen und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu sichern. Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Ministerin, Sie dürfen weiterreden. Aber von nun an geht es zulasten der Redezeit der Kollegen der SPD. (Sören Bartol [SPD]: Des Kollegen Bartol!) Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sie erlauben mir bitte noch den Abschluss. Ich bin ganz schnell. Bei der Fülle der Aufgaben, die vor uns liegen, fühle ich mich manchmal wie Tim Bendzko in der Liederzeile „Muss nur noch kurz die Welt retten“. Aber ich bin sicher: Eigentlich wollen wir das ja alle. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin Hendricks, Sie haben sich im Kabinett der schwierigen Aufgabe gestellt, die Umweltaktivistin und die Baulöwin in einer Person zu sein. Jetzt erfahre ich, dass Sie auch noch die Planstelle zum Weltretten innehaben wollen. Wir werden Sie sehr kritisch begleiten, und Sie sollten, glaube ich, dafür dankbar sein. (Beifall bei der LINKEN) Als wir im April den Etat, über den wir nun abschließend beraten, besprochen haben, wurden zu den Themen „sozialer Wohnungsbau“ und „Städtebauförderung“ insbesondere von den Kolleginnen und Kollegen der SPD, der Linken und der Grünen Veränderungen angemahnt und Vorschläge gemacht. Wir haben nun erreicht, dass immerhin 150 Millionen Euro für „Soziale Stadt“ und 10 Millionen Euro für den altersgerechten Umbau im Etat stehen. Das ist ein schöner, gemeinsamer Erfolg. Das ist etwas. Links wirkt. Links mehr könnte noch viel mehr wirken. (Beifall bei der LINKEN) Ich will Ihnen auch zusichern, Frau Bundesministerin: Immer dort, wo Sie, wie Sie es eben beschrieben haben, das Ökologische mit dem Sozialen in Einklang bringen, können Sie mit unserer Unterstützung rechnen. Aber wir müssen uns auch die Realitäten anschauen; denn die Vorgängerregierung hat die Städtebauförderung gründlich und nachhaltig kaputt gemacht. Sie selbst haben den Begriff der „Wiederbelebung“ eingeführt. Wenn man etwas wiederbeleben will, gibt man zu, dass es tot bzw. fast tot war. Die Mittel für den altersgerechten Umbau sind sicherlich wichtig. Wenn ich die Summe aber umrechne, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass sich damit beispielsweise gerade einmal 15 angebaute Fahrstühle in einer Plattenbausiedlung realisieren lassen. Wir müssen uns natürlich auch das Problem des Etats 2014 vor Augen führen. Wir haben für Investitionen nur einen Korridor von vier Monaten, von August bis November, zur Abfinanzierung des Haushalts zur Verfügung. Da kann ich den Bundesminister mit seiner Verliebtheit in die schwarze Null und seinem Ansinnen, auf die Haushaltsreste zu spekulieren, ein bisschen verstehen. Aber wir sind verdammt noch mal auch dafür zuständig, dass die Mittel, die wir für vernünftige Vorhaben einplanen und einsetzen, abfinanziert werden. (Beifall bei der LINKEN) Da hilft es nichts, dass der Bundesfinanzminister auf den Einwand von Dietmar Bartsch entgegnet: Herr Bartsch, haben Sie eigentlich nicht mitbekommen, dass wir Wahlen hatten? – Das haben wir sehr wohl mitbekommen. Aber dass Sie danach monatelang im Koalitionsbildungskoma verharrt haben, lassen wir Ihnen nicht durchgehen. (Beifall bei der LINKEN) Leider gibt es erneut keine Bewegung bei den Altschulden von Wohnungsunternehmen. Man muss inzwischen erklären, was das überhaupt ist. Altschulden gehen auf Außenhandelsdefizite der DDR zurück, die ohne sachlichen Bezug auf werthaltige Unternehmen der Wohnungswirtschaft und der Landwirtschaft im Jahre 1990 umgelegt wurden und seitdem den Banken riesige Profite ohne eigene Leistungen beschert haben. Nun habe ich das in der Volkskammer vor x Jahren kritisiert, aber dass das im 25. Jahr des Mauerfalls, dem wir entgegengehen, immer noch ein Thema ist, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich wollte schon sagen: Das ist ein Treppenwitz der Geschichte. Aber nein, ich muss sagen: Das ist eine Treppentragödie der Geschichte, für die auch Sie Verantwortung tragen. (Beifall bei der LINKEN) Das kann man sich in verschiedenen Städten anschauen. Ich nehme als Beispiel eine Wohnungsgenossenschaft in Röblingen am See. Das ist der Wohnort einer Landrätin, die vor einer Woche mit über 80 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Sie hat gegen den Amtsinhaber der CDU gewonnen. Sie gehört der Partei Die Linke an und muss sich jetzt mit dem Problem herumschlagen. (Beifall bei der LINKEN) Die Röblinger Genossenschaft hat 17 solcher Plattenbauten. Sie schafft es gerade einmal, eine pro Jahr zu sanieren, weil die Altschuldenproblematik sie bedrückt und ihr den Freiraum nimmt, den sie eigentlich brauchte. Insofern bleiben wir bei unserer Kritik. Es ist ein Haushalt der Ignoranz gegenüber dem Osten und auch ein Haushalt der sozialen Spaltung. Deshalb brauchen wir auch mit Blick auf künftige Aufgaben einfach viel mehr Mut, ein regionales Gemeinwesen zu denken. Wir werden Ihnen auch weiterhin kritisch vorrechnen, dass Sie mit dem Verkauf der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft bundeseigene Wohnungen an eine Heuschrecke verkauft haben. Alle Befürchtungen, die wir von dieser und anderen Stellen geäußert haben, sind in der Realität übertroffen worden. Das ist eine Negativbilanz, die auf Ihr Konto geht. (Beifall bei der LINKEN) Beim Hochwasserschutz – mein letzter Punkt – haben wir leider immer noch kein abgestimmtes nationales Konzept. Die Konzepte enden im Moment an den Landesgrenzen. Da macht aber bekanntlich das Hochwasser nicht halt. Als finanzielle Quelle haben Sie, Frau Bundesministerin, bislang lediglich die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Die ist aber im Agrarministerium angesiedelt. Das klingt so ein bisschen nach dem spanischen Sprichwort: Auf fremdem Arsch ist gut durchs Feuer reiten. Wir brauchen also in der Tat andere Vorschläge, die wir eingebracht haben. Im Übrigen ist Besserung nur in Sicht, wenn Sie auf die Linke hören. Frau Ministerin, wer heute sein Heil im Gestern sucht, ist an der Seite der CDU gut aufgehoben, wer Morgen will, der braucht links. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Die nächste Rednerin für die CDU/CSU ist die Kollegin Marie-Luise Dött. (Beifall bei der CDU/CSU) Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 2014 setzt im Umwelt- und Baubereich die richtigen Prioritäten. Die Mittel, die Deutschland für den internationalen Klimaschutz bereitstellt, steigen weiter an. Wir halten unsere Zusagen ein. Mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz werden wir die derzeit bestehende Lücke zur Erfüllung unserer nationalen Klimaziele schließen. Wichtig ist es, bei allen Maßnahmen soziale Ausgewogenheit zu sichern. Für die Unternehmen müssen wir die europäische und internationale Wettbewerbsfähigkeit auf allen Stufen der Wertschöpfung berücksichtigen. Das haben wir bei der Novelle des EEG hinbekommen, und das muss auch bei der Weiterentwicklung der Klimapolitik gelten. Wir haben mit den im Haushalt zusätzlich bereitgestellten 4 Millionen Euro die Grundlagen geschaffen, weitere 30 000 Hektar in das Nationale Naturerbe zu überführen. Mit der Erhöhung der Mittel für den Asse-Fonds auf 1 Million Euro 2014 und auf 3 Millionen Euro ab 2015 signalisieren wir den Menschen in der Region unsere Unterstützung bei der Bewältigung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Lagerung von Atommüll. Es ist richtig, dass die Kompetenz beim Hochwasserschutz – übrigens auch für die Finanzierung – bei den Bundesländern liegt. Die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre haben aber auch gezeigt, dass eine Koordinierung der Maßnahmen sinnvoll ist. Es war deshalb folgerichtig, im Koalitionsvertrag die Erarbeitung eines nationalen Hochwasserschutzprogramms sowie die Einrichtung eines Sonderrahmenplans „Präventiver Hochwasserschutz“ zu verankern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die Abstimmungen zwischen Bund und Ländern laufen. Meine Damen und Herren, wir reden heute über den Bundeshaushalt 2014, obwohl wir schon mitten im Jahr sind. Ich will mit Nachdruck darauf hinweisen, dass ab dem Bundeshaushalt 2015 dringend zusätzliche Mittel für den Hochwasserschutz veranschlagt werden müssen. Angesichts der enormen Schäden durch die Hochwasser ist das gut angelegtes Geld. Mit dem Haushalt 2014 treten wir auch im Bereich der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Stoffe in eine neue Phase der Arbeit ein. Erster zentraler Baustein ist die Einrichtung der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“, die ihre Arbeit bereits aufgenommen hat. Ich wünsche dieser Kommission für die kommenden Monate viel Erfolg. Den wird es allerdings nur dann geben, wenn alle Beteiligten gegenseitiges Vertrauen aufbauen, einander zuhören und vor allem aufeinander zugehen. Ich wünsche mir von allen Beteiligten, dass sie sich zu jedem Zeitpunkt der Arbeit ihrer Verantwortung bewusst sind. Wie immer bei den Haushaltsverhandlungen kann nicht alles finanziert werden, was sich die Umweltpolitiker wünschen. Besonders bedauere ich persönlich, dass es nicht gelungen ist, die Mittel für die Förderung der Nachrüstung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit Dieselrußpartikelfiltern bereitzustellen. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wir hätten zugestimmt!) Ich hätte mir hier etwas mehr Unterstützung vom Koalitionspartner gewünscht. Gleichwohl bildet der Haushalt 2014 auch im Umweltbereich eine solide finanzielle Basis für die Umsetzung der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. In der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik setzt die Koalition Schritt für Schritt ihre Vorhaben um. Die Ausstattung der Städtebauförderung eröffnet neue Gestaltungsspielräume. Mit 210 Millionen Euro ist dabei der Stadtumbau der absolute Schwerpunkt. Die Herausforderungen des demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels rechtfertigen diese klare Ausfertigung. Alle anderen Programme, auch die „Soziale Stadt“, ordnen sich dem unter. Hier hat die Bundesministerin die Weichen richtig gestellt. Dieser Bedarf wird sich auch bei der tatsächlichen Mittelverwendung durch die Länder abbilden. Die Rolle des Programms die „Soziale Stadt“ als Leitprogramm der sozialen Integration wird gestärkt, ist aber nicht allein Aufgabe der Städtebauförderung. Der Schlüssel zum Erfolg des Programms liegt im Zusammenwirken der zuständigen Ressorts und nicht im Portemonnaie der Bundesbauministerin. Nach 15 Programmjahren sollte das endlich einmal realisiert werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir haben uns in den Haushaltsgesprächen erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Bund national bedeutsame Vorhaben der Städtebauförderung eigenständig unterstützt. Damit leisten wir vor allem einen Beitrag dazu, dass wirklich wichtige Projekte zügig realisiert werden können. Ich bin gespannt auf die Projektauswahl. Wir setzen auf ein überdurchschnittliches Investitionsvolumen und ein hohes Innovationspotenzial. Dieses Programm soll etwas Besonderes sein und keine simple Alternative zu den bewährten Bund-Länder-Programmen. Ich bin auch begeistert von den Themen der ersten beiden Förderjahre: Welterbestätten, energetische Stadtsanierung und Stadtbegrünung. Seit Jahren setze ich mich dafür ein, mehr Parks und Grünanlagen in der Stadtentwicklung zu realisieren. Sie gehören zu einem ausgewogenen, entwickelten Stadtteil. In den Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus gibt es viele herausragend ausgebildete Planer. Sie können mit Mut und Ideenreichtum neue Gartenarchitektur in der Stadt erlebbar machen. Ebenso freue ich mich darüber, dass der Regierungsentwurf bei der Unterstützung des altersgerechten Umbaus von Wohnungen deutlich verbessert wurde. Wir wollen es älteren Menschen ermöglichen, solange es ihnen guttut, in ihren eigenen vier Wänden zu leben. Das vertraute Wohnumfeld und die familiäre Geborgenheit sind wichtige Anker im Alltag. Für die Wiederbelebung des Programms haben sich CDU und CSU seit Jahren engagiert – zunächst als Kreditvariante und nun wieder als Zuschussprogramm. Das ist ein schöner Erfolg. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sören Bartol [SPD]: Gut, dass ihr die Sozis wieder an eurer Seite habt!) Auch in der Wohnungspolitik sind die finanziellen Weichen richtig gestellt. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hatte die Fortführung der Mittelzuweisungen für die soziale Wohnraumförderung bis einschließlich 2019 beschlossen. Ebenso wurden erste Vorbereitungen für eine Wohngelderhöhung ab 2015 getroffen. Darauf baut die Bundesbauministerin auf. Sie wird zügig den erforderlichen Gesetzentwurf vorlegen. Das Wohngeld muss in seiner Leistungsfähigkeit verbessert werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Rentner und Arbeitslose sind die größten Empfängergruppen. Ihr Verbleib im Wohngeldsystem schützt die Kommunen vor zusätzlichen Lasten in anderen sozialen Sicherungssystemen. Mit dem geplanten Bündnis für Wohnen wird das Ziel verfolgt, den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln. Ob das damit gelingt, ist auch von seiner Konzeption abhängig. Hier sehe ich noch Beratungsbedarf in der Koalition. Ein weiterer Gesprächskreis mit allen und jedem birgt die Gefahr des Scheiterns in sich. Liebe Frau Bundesministerin, hier sehe ich wirklich noch Gesprächsbedarf in der Koalition. Für die Belebung des Wohnungsbaus ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Kosten des Wohnungsbaus erforderlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn die Kosten weiter steigen und die Mieteinnahmen nicht kostendeckend sind, wird der Mietwohnungsbau weiter hinter dem Bedarf zurückbleiben. Dieser Trend ist bereits erkennbar. Daher wollen wir eine Baukostensenkungskommission. So steht es im Koalitionsvertrag. Ich erwarte Impulse zur Entfrachtung und Entschlackung staatlicher Bauvorschriften auf allen Ebenen. Darauf kann die Bundesbauministerin aufbauen. Es geht um das Grundbedürfnis der Menschen nach angemessenem Wohnraum zu fairen Preisen. Das muss in den Mittelpunkt der Bauvorschriften gerückt werden – nicht die Vielzahl finanzieller, wirtschaftlicher und ideeller Interessen jener, die beim Bau von neuen Wohnungen mitreden und mitverdienen wollen. Hier hat sich eine Schieflage entwickelt. Den Preis dafür bezahlen Häuslebauer und Mieter gleichermaßen. Da hilft dann auch keine Mietpreisbremse. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Peter Meiwald, Bündnis 90/Die Grünen. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einmal an prominenter Stelle in der Tagesordnung über den Einzelplan 16: Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Es ist eine gute Nachricht, dass wir einmal nicht abends um neun oder um zehn über dieses wichtige Thema reden. Was dürfen die Menschen in unserem Land von dieser Debatte erwarten? Antworten zu den Aktivitäten der Regierung, Ihres Ministeriums, werte Frau Hendricks, zu den drängenden Herausforderungen, vor denen Deutschland im globalen Kontext in diesem Rumpfjahr 2014 in den Bereichen Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit noch steht! Was sind diese drängenden Herausforderungen? Der Klimaschutz ist schon verschiedentlich angesprochen worden. Ein Klimahaushalt sieht allerdings anders aus als das, was wir jetzt hier angeboten bekommen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) Unsere Fraktion hat einen entsprechenden Antrag eingebracht, in dem wir unter Einhaltung der nötigen Haushaltsdisziplin zeigen, wie ein Umsteuern zurück auf den Pfad des Klimaschutzes möglich ist. Doch diese Regierung will offensichtlich weder ein Klimaschutzgesetz noch einen Klimahaushalt. Dienstwagenprivileg – bleibt unangetastet. Kerosinbesteuerung im Inland – offenbar unerwünscht. CO2-Mindestpreis – nicht angedacht. Liebe Frau Dött, den von Ihnen postulierten Mittelanstieg im Klimaschutz hat nicht einmal die Ministerin in ihrer aktuellen Aufstellung, von der sie gerade sprach, in ihrem eigenen Haushalt gefunden. Das ist ein Optimismus, den wir nicht teilen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dazu kommt eine klare Niederlage – das ist heute schon angesprochen worden – des Umweltministeriums gegen die Spielgemeinschaft aus Wirtschaftsministerium, großen alten Stromkonzernen und der IG BCE bei dem in diesen Wochen hier durchgepeitschten EEG. Wir kennen die verschiedenen Änderungsanträge, die uns vielleicht heute noch erwarten, noch nicht. Aber nach dem, was wir bisher kennen, sieht es so aus, als ob es eine klare Niederlage des Umweltministeriums gegenüber den anderen Interessen gibt. Kohleausstieg: Deutschlands Klimagasausstoß steigt seit zwei Jahren wieder an, dank der dreckigen Kraftwerke, die mit Braun- und Steinkohle befeuert werden. Das schadet Klima und Gesundheit. Im Einzelplan 16 ist dies ein wichtiges Thema. Führen Sie doch wenigstens die Quecksilbergrenzwerte der USA ein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann müssten die Kohlekraftwerke schon jetzt abgeschaltet oder zumindest anders befeuert werden. Und was ist mit CO2-Jahreshöchstlasten, einem CO2-Mindestpreis und, und, und? Ein Wort zum Fracking, liebe Frau Ministerin, weil Sie es gerade angesprochen haben. Die Frackingmethode zur Erschließung von Erdgas ist nicht nur bei Schiefergaslagerstätten oder unter Kohleflözen unverantwortbar. Wassergefährdungen durch die Chemikaliencocktails im Frackfluid und in den Flowbacks sind auch bei der Stimulation von Gasaustritten aus anderen Lagerstätten gefährlich. Das Vorsorgeprinzip zugunsten der nachfolgenden Generationen muss unabhängig von der Lagerstätte gelten. Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Position innerhalb der Regierung durchsetzen könnten. Hier ist natürlich der Wirtschaftsminister gefragt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Welche Herausforderungen drohen uns noch? Ressourcenschutz ist ein wichtiges Thema. Konferenzen dazu finden allenthalben im In- und Ausland statt. Anreize für echten Ressourcenschutz in der Produktion, aber auch im Bergbau oder in der Weiterentwicklung einer echten Kreislauf- und Kaskadenwirtschaft fehlen weiterhin in diesem Haushalt. Wir brauchen ein Wertstoffgesetz mit dynamischen, ambitionierten Recyclingquoten. Wir brauchen endlich ein modernes Bergrecht, das den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ins Zentrum bergbaulicher Genehmigungen stellt. Und wir brauchen eine weiterentwickelte Ressourcenstrategie, die es für Produzenten endlich attraktiv macht, nicht mehr Wergwerfprodukte herzustellen, sondern ressourcensparend zu produzieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zu alledem findet sich in diesem Haushaltsentwurf nichts. Luftreinhaltung: Auch das ist ein wichtiges Thema; es ist eben schon angesprochen worden. Feinstaubemissionen durch Baumaschinen, Dieselloks und Schiffe – dazu sehe ich keinerlei Aktivitäten in dieser Regierung, die hier gegensteuern. Ammoniak aus der Agrarindustrie: Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsausschuss hatten wir im Umweltausschuss eine sehr gute Anhörung dazu. Aber gute Erkenntnisse im Umweltausschuss und im Ministerium -reichen nicht aus. Es braucht Konsequenzen. Diese Konsequenzen müssen gegen das Landwirtschaftsministerium und die Agrarlobby durchgesetzt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich gegen unsere Bauern?) – Ich habe nichts gegen Bauern – danke für den Hinweis –, ganz im Gegenteil. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Und was haben Sie gegen die Agrarindustrie?) – Es geht um die Großagrarindustrie und nicht um Bauern. Mit unseren diversen Anträgen haben wir deutlich gemacht, dass wir sehr wohl auf der Seite der bäuerlichen Familienbetriebe stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber es kann nicht sein, dass zulasten unserer Natur, der Trinkwasserversorgung, der Luftreinhaltung und ähnlicher Dinge eine Produktion ausgeweitet wird, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auch wenn Sie einen grünen Janker tragen, verstehen Sie trotzdem nichts von Landwirtschaft!) – Oh doch, ich kann einiges dazu beitragen, aber das gehört nicht in den Einzelplan. Das machen wir später. Ökologischer Hochwasserschutz: Auch der großen Ankündigung eines nationalen Hochwasserschutzprogramms fehlt leider bisher die materielle Hinterlegung im Haushalt. Das ist eben schon angeklungen. Ein Konzept, das über rein technischen Hochwasserschutz durch Deicherhöhungen hinausweisen könnte – Stichworte: Auenrenaturierung, großflächige Retentionsräume und Ähnliches –, ist für uns bisher noch nicht einmal im Ansatz erkennbar. Was ist mit dem ökologisch-sozialen Umbau im Wohnungsbestand? Frau Dött hat gerade viel Lob geäußert. Was wird aus dem Wohngeld, das Sie überarbeiten wollten? Mit welchen Haushaltsmitteln soll die aus Klimaschutzgründen notwendige Quote von 3 Prozent energetischer Sanierung im Gebäudebestand erreicht werden? Wo ist der Heizkostenzuschuss, den Ihre Fraktion, Frau Ministerin, noch in der letzten Legislatur vehement gefordert hat? Nicht einmal ein Miniförderprogramm für ökologische Baustoffe finden wir im hier vorgelegten Haushalt. Reaktorsicherheit: Auch das gehört zu diesem Ministerium; dann habe ich meinen Rundumschlag beendet. Was passiert in Ihrem Haus, um international den Atomausstieg voranzubringen? Sogar auslaufende Atomverträge mit Indien und Brasilien werden verlängert; zum Nutzen der Atomindustrie, nicht aber zum Schutz der Menschen vor den Gefahren der Atomindustrie. Ich komme zum Schluss. Gute Politik setzt insbesondere im Umweltbereich klare Prioritäten auf Klimaschutz, Energiewende, Ökologie und Gesundheitsschutz. Dafür braucht es deutlich mehr Grün. Wir würden uns freuen, wenn wir in den zukünftigen Beratungen der Haushalte dieser Regierung etwas mehr davon wiederfinden würden. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr. André Berghegger. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Angestrengt, zufrieden und den Blick fest auf das nächste Ziel gerichtet – das könnte die derzeitige Gemütsbeschreibung unserer Fußballer im fernen Brasilien sein. Hoffentlich dauert das noch eine Weile an. Wir werden es am Donnerstag sicherlich feststellen. Diese Beschreibung könnte aber auch auf die meisten Anwesenden hier im Saal zutreffen. Ich denke, wir werden am Freitag, nach langer vorläufiger Haushaltsführung, den Beschluss über den Haushalt 2014 fassen. Es war eine Kraftanstrengung, weil wir im Rahmen der Haushaltsplanberatungen die ein oder andere Entwicklung zu verkraften hatten, die die Finanzlage belastet hat; das Stichwort „Brennelementesteuer“ ist hier schon gefallen. Es ist aber geglückt, auf diese Situation zu reagieren. Wir werden einen strukturell ausgeglichenen Haushalt bei einer Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro haben. Deshalb sind wir hochzufrieden. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, auf welch hohem Niveau wir noch vor kürzester Zeit lagen. Noch 2010, zu Beginn der letzten Legislaturperiode, war in einem Jahr eine Neuverschuldung von 86 Milliarden Euro zu verzeichnen. Ein Abbau ist nach und nach erfolgt. 2015 werden wir den ersten Haushalt ohne Neuverschuldung seit über 40 Jahren anstreben. Dieser historischen Chance sind wir sehr nah. Deswegen haben wir dieses Ziel fest im Blick. So weit zur Analogie. (Beifall bei der CDU/CSU) Aus meiner Sicht zeigt dieser beeindruckende Weg in der Haushaltspolitik Folgendes: Sparen und Wachstum sind keine Gegensätze. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns, und zwar zu Recht. Denn diese Politik ist nachhaltig, sie erhöht die Wettbewerbsfähigkeit in unserem Land und ist zukunftsgerichtet. Sie sichert damit unseren Lebensstandard. Daran sollten wir festhalten. Wir beraten hier heute den Einzelplan 16, also den Etat des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Der Entwurf des Haushaltsplans 2014 war hierfür eine sehr gute Grundlage. Mein Dank gilt dem Finanzminister Schäuble für die sehr gute Vorarbeit, der Fachministerin Frau Hendricks für die konstruktiven Beratungen in ihrem Haus und vor allen Dingen den Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachausschuss und dem Haushaltsausschuss für die gute Zusammenarbeit und die enge Abstimmung der Änderungswünsche. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Zugegebenermaßen: Wertmäßig gab es keine allzu großen Veränderungen. Die empfohlenen Änderungen des Haushaltsausschusses wollen wir jedoch umsetzen. Dennoch können wir dabei Schwerpunkte, insbesondere im Baubereich, setzen: Der erste Schwerpunkt ist das altersgerechte Umbauen. Wir werden das bestehende KfW-Darlehensprogramm durch Investitionszuschüsse ergänzen. Wir haben gehört, dass dahin gehend großes Einvernehmen bei allen Fraktionen besteht. Aber, lieber Steffen Lemme, das Vorgängerprogramm ist – ich habe mir notiert, was du gesagt hast – von der alten Regierung nicht „eingestampft“ worden. Ich würde es eher so formulieren: Das Vorgängerprogramm ist zu Zeiten der Krise aufgelegt worden. Es sollte die Wirtschaft ankurbeln und ist einfach ausgelaufen. – Ich würde den Vorschlag machen, wir besinnen uns auf die Gemeinsamkeiten. Gemeinsam werden wir ein neues Programm auflegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich denke, dass wir mit dem Vorgängerprogramm Großes erreicht haben. Wir werden in diesem Jahr mit 10 Millionen Euro starten und bis 2018 über 50 Millionen Euro – diese Zahl wurde genannt – einsetzen. Der Grund ist einleuchtend: Die Zahl der älteren Menschen wird in Zukunft deutlich zunehmen. Es wird häufiger Mobilitätseinschränkungen geben. Wir müssen Wohnungen in großem Umfang an diese Situation anpassen. Barrierefreie und barrierearme Wohnungen sind bei weitem zu wenig vorhanden. Ein Kredit hilft eben nicht immer. Denn Menschen haben manchmal ein Alter erreicht, in dem sie keinen Kredit mehr aufnehmen wollen oder können. Deshalb ist dieser Investitionszuschuss sinnvoll angelegt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Durch das altersgerechte Umbauen erreichen wir einen individuellen Nutzen. Wir erhöhen – das hat die Ministerin vorhin sehr gut herausgestellt – die Lebensqualität; denn die Menschen können so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben. Aber wir werden auch einen gesellschaftlichen Nutzen erzielen; denn je länger man zu Hause leben und wohnen kann, desto später muss man in teure stationäre Pflegeeinrichtungen. Insofern ist es ein Vorteil für alle. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Claus, das altersgerechte Umbauen dient nicht nur dem Anbau von Fahrstühlen in großen Wohneinheiten. Es dient auch dazu; aber manchmal reicht schon der Umbau einer Dusche zu einer barrierefreien Dusche oder das Anfügen einer Rampe. Das sind kleine Investitionen. Wenn Sie entsprechende Zahlen zugrunde legen, dann erkennen Sie: Es gibt eine Vielzahl von Situationen, die man berücksichtigen kann. Damit erklärt sich der große Nutzen des Programms. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dieser Haushalt ist mitnichten ein – so haben Sie es genannt – „Haushalt der Ignoranz gegenüber dem Osten“. Wir haben gemeinsam den Anspruch: Es soll ein Haushalt für das gesamte Bundesgebiet sein, der die Lebenssituation aller Menschen verbessert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der zweite Schwerpunkt: Städtebauförderung. Zwar werden wir hier im Vergleich zum Regierungsentwurf keine zusätzlichen Mittel einsetzen, weil bereits mit dem Regierungsentwurf eine deutliche Aufstockung erfolgt ist, aber wir werden die Strukturen verändern. Angesprochen wurde die Einfügung des Bundesprogramms zur Förderung von national bedeutsamen Projekten. Das heißt, der Bund wird bestimmte Projekte direkt unterstützen, ohne die sonst übliche finanzielle Aufteilung, die Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Kommunen. Dadurch können Projekte von überregionaler, überragender und teilweise finanziell besonders großer Dimension unterstützt werden. Sonst wären die Kommunen vor Ort teilweise überfordert. Wir beginnen in diesem Jahr mit 2,5 Millionen Euro. Mit insgesamt 50 Millionen Euro in den nächsten Jahren werden wir hier sehr viel Gutes tun. Wir senden damit ein deutliches Signal an alle Kommunen: Wir unterstützen sie bei großen gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben, insbesondere beim demografischen, sozialen und ökonomischen Wandel und im Bereich des Klimaschutzes. Ich bin der festen Überzeugung, dass die unterschiedlichen Programme und Projekte zur Städtebauförderung in ganz Deutschland in unterschiedlichster Form wirken können. Ich kenne ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Melle, einem Mittelzentrum mit knapp 50 000 Einwohnern im Landkreis Osnabrück. Wir wären dort mit bestimmten Situationen überfordert; Industriebrachen im Innenstadtbereich würden von der Kommune oder von Investoren jahrelang nicht angepackt. Jetzt ergibt sich vielleicht die Möglichkeit, einen – so formuliert man es technisch – Rückbau und eine Nachverdichtung im Wohnbaubereich mitten in der Stadt vorzunehmen. Das ist, was wir wollen. Wir brauchen keine neue Fläche; wir nutzen die vorhandenen Flächen und tun insgesamt etwas Gutes. Insofern sind die Städtebauprogramme für unser gesamtes Land sehr gut. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir sind sowohl beim Einzelplan 16 als auch beim gesamten Haushalt auf gutem Wege. Konsolidieren und Gestalten ist kein Widerspruch; das zeigt dieser Haushalt sehr deutlich. Ich bitte Sie um Zustimmung zu den Änderungen durch den Haushaltsausschuss und um Zustimmung zu diesem Einzelplan. Lieber Christian Hirte, es gibt in dieser Zeit weitere Zitate aus der Fußballersprache. Ich möchte mit dem Satz schließen: Das nächste Spiel ist immer das schwerste. – Freuen wir uns auf die nächsten Haushaltsberatungen! (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Bettina Hagedorn [SPD]: Das war ja geradezu prophetisch!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Sozialdemokraten erteile ich dem Kollegen Sören Bartol das Wort. (Beifall bei der SPD) Sören Bartol (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Lenkert, ich finde es sehr unanständig, dass Sie hier als Redner der Linkspartei am Anfang mit den Ängsten der Menschen in der Asse-Region gespielt haben und versucht haben, uns deutlich zu machen, dass die Rückholung der Abfälle aus der Asse daran scheitern könnte, dass kein Geld bereitsteht. Das ist einfach nicht richtig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie wissen selber ganz genau: Es ist ein technisches Problem. Wir haben im Februar 2013 mit großer Mehrheit ein Asse-Gesetz beschlossen, wir erhöhen die Mittel im Asse-Fonds. Ich glaube, wir sollten alle gemeinsam den Menschen in dieser Region deutlich machen: Wir wollen, wenn es technisch irgendwie möglich ist, diese falsch gelagerten radioaktiven Abfälle zurückholen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Bartol, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenkert? Sören Bartol (SPD): Ja. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Kollege Bartol, zur Klarstellung: Den Asse-Fonds habe ich als „Lichtblick“ bezeichnet, weil er dafür sorgt, dass die Nachteile für die Region ausgeglichen werden. Wir haben ihn begrüßt. So viel zur Korrektur Ihrer Kritik. Der andere Punkt ist: Sie müssen mehr Engagement an den Tag legen, das heißt, Parallelinvestitionen tätigen, damit die Bergung der Fässer in der Asse schneller erfolgen kann. Das bedeutet, dass die entsprechenden Vorentwicklungen in Angriff genommen werden müssen, aber auch, dass die Gelder bereitgestellt werden für die Technik, die benötigt wird, um die Konditionierung unter Tage vorzunehmen. In Bezug auf alle diese technischen Aspekte könnten Sie viel mehr bewegen, Sie könnten viel schneller vorangehen. Das machen Sie aber nicht, und das werfen wir Ihnen vor. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sören Bartol (SPD): Herr Lenkert, das Positive ist: Sie argumentieren jetzt schon sehr viel differenzierter als in Ihrer Rede. Trotzdem ist ihr Vorwurf immer noch falsch; denn wir tun alles dafür – das haben wir hier im Deutschen Bundestag parteiübergreifend debattiert und auch umgesetzt –, dass es möglichst schnell gelingt, die Abfälle aus der Asse herauszuholen. Sie wissen doch, welche großen, auch technischen Probleme behoben werden müssen, um dies möglich zu machen. Die Kosten, die auf uns zukommen werden, werden astronomisch sein; auch das wissen wir. Der Deutsche Bundestag muss aber ganz klar und deutlich sagen: Jawohl, das ist es uns wert. Wenn es technisch möglich ist, scheuen wir keine Kosten, um die Vorgänge im Bereich Asse zu stoppen. – Hier nur zu versuchen, den Menschen zu suggerieren, diese Koalition würde nichts dafür tun, die radioaktiven Abfälle aus der Asse herauszuholen, das ist – um es einmal deutlich zu sagen – nicht wirklich anständig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Beschluss des Bundeshaushalts 2014 setzen wir eine zentrale sozialdemokratische Forderung um: Wir erhöhen die Bundesmittel für die Städtebauförderung auf 700 Millionen Euro. Liebe Kollegin Lemke, dass Sie jetzt für die Grünen anfangen, die 700 Millionen Euro für die Städtebauförderung gegen Umweltthemen auszuspielen, ist – das muss ich ganz ehrlich sagen – ein Armutszeugnis für grüne Bau- und Wohnungspolitik. Denn eigentlich war immer Konsens, auch für die Grünen, dass wir das gemeinsam wollen. Wir sollten uns nun freuen, dass sich in diesem Bereich etwas tut. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD ermöglicht einen Investitionsschub für die Zukunft unserer Städte und Gemeinden. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Bartol, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Anmerkung der Kollegin Lemke? Sören Bartol (SPD): Na gut. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Man muss ja keine Frage stellen; Sie können ja auch ein Statement abgeben. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Echt jetzt? – Ich kenne die Geschäftsordnung, danke. Aber Sie können sich trotzdem über mehr Redezeit freuen. Herr Bartol, ich will nur richtigstellen: Ich habe die Städtebauförderung überhaupt nicht kritisiert, ich habe sie für richtig befunden. Ich habe gesagt, dass das ein gutes Vorhaben ist. Ich habe Sie insgesamt zu Ihren Erfolgen bei diesen Haushaltsverhandlungen beglückwünscht. Das war also nicht mein Punkt. Ich habe kritisiert, dass Sie sich mit Ihren strategischen Entscheidungen aus zentralen Feldern wie Klimaschutz, Bekämpfung der Klimakatastrophe und der Energiewende zurückgezogen haben, dass Sie an diesen strategischen Schnittstellen das Ministerium massiv geschwächt haben, indem Sie den Bereich der erneuerbaren Energien in das Wirtschaftsministerium verlagert haben, und dass Sie damit auf dem zentralen Spielfeld von Umwelt, Naturschutz und Klimaschutz eine Schwächung des Hauses erreicht haben, das Umwelt-, Naturschutz- und Klimaschutzinteressen wahrnehmen muss. Das Städtebauprogramm „Soziale Stadt“ kann auch ein anderes Ressort übernehmen. Als Rot-Grün regiert hat, haben wir das schon einmal in einem anderen Ressort gut umgesetzt. Aber für Umwelt und Klimaschutz kann nur das Umweltministerium zuständig sein. Hier versagen Sie kläglich. Sören Bartol (SPD): Frau Lemke, in Ihrem Redebeitrag wird die Wertschätzung, die Sie der Städtebauförderung insgesamt entgegenbringen, sehr deutlich. Genau das meinte ich mit dem Ausspielen dieser beiden Fachgebiete. Barbara Hendricks hat die Erfolge dieser Koalition in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik deutlich gemacht. Ich glaube, dass das Thema erneuerbare Energien bei Sigmar Gabriel, der ja auch einen Umwelthintergrund hat – (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hatte!) das wissen Sie doch selber –, sehr gut aufgehoben ist und dass die verschiedenen Themen in dieser Koalition angemessen behandelt werden. Was Sie aber nicht gemacht haben, Frau Lemke – da hätte ich doch mehr erwartet –: Sie haben nicht die Chancen dargestellt, die sich ergeben, wenn die Bereiche Umwelt und Bauen in einem Ministerium verwoben werden. Die Ministerin hat anhand einiger Punkte bereits dargestellt, in welchen Bereichen sie etwas vorlegen möchte. Ich finde, das sind keine Nebensächlichkeiten der deutschen Politik. Vielmehr geht es um die zentrale Fragestellung: Wie geht es den Menschen in unseren Regionen, in unseren Städten und Gemeinden? Ich hätte da etwas mehr Wertschätzung erwartet. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass diese Koalition wieder an die gute Tradition der Bau- und Stadtentwicklungspolitik der vergangenen Jahrzehnte anknüpft. Wir haben die ideologischen Auseinandersetzungen beendet und arbeiten gemeinsam daran, die Städtebauförderung zu stärken und weiterzuentwickeln. Dafür gilt mein ausdrücklicher Dank den Haushältern, den Baupolitikerinnen und Baupolitikern. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, haben in den letzten Monaten kenntnisreich und mit großer Ausdauer mit uns über die Ausgestaltung der Programmstruktur bis ins kleinste Detail diskutiert. Dafür noch einmal mein Dank. Mein Dank gilt auch dem Bundesministerium für die fachliche Begleitung. Das Ergebnis ist ein starkes Signal an Städte und Gemeinden, an die vielen, die sich vor Ort, in ihrem Wohnumfeld für konkrete Verbesserungen engagieren. Auch wenn es bereits gesagt worden ist, möchte ich aufgrund meiner jahrelangen Verbundenheit mit diesem Thema Folgendes noch einmal hervorheben: Das Programm „Soziale Stadt“ – so haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart – wird mit dem Haushalt 2014 zum starken Leitprogramm der sozialen Integration in der Städtebauförderung. Nächste Woche wird hier in Berlin der „Preis Soziale Stadt“ zum achten Mal vergeben. Die dort prämierten Projekte haben jetzt endlich wieder eine verlässliche finanzielle Zukunftsperspektive. 2011 haben die Auslober des Preises – GdW, Mieterbund und Arbeiterwohlfahrt – mit anderen das „Bündnis für eine soziale Stadt“ gegründet, unterstützt von Quartiersmanagerinnen und Quartiersmanagern. Für ihr Engagement möchte ich allen am Bündnis Beteiligten herzlich danken. Sie haben bewiesen, was Stadtentwicklungsprozesse dringend brauchen: einen ganz langen Atem. Wir stärken die Städtebauförderung nicht nur finanziell, sondern wir wollen sie auch inhaltlich weiterentwickeln. Das geht nicht vom grünen Tisch aus, sondern nur mit den Beteiligten in Ländern und Kommunen, in Wirtschaft und Verbänden. Unser Ziel ist es, die Programm-umsetzung vor Ort zu vereinfachen und die Bündelung von Förderprogrammen zu erleichtern. Mein Anliegen ist es insbesondere, die Beteiligung in allen Programmen der Städtebauförderung zu verankern. Da können wir viel von dem Programm „Soziale Stadt“ lernen: Verfügungsfonds, Quartiersräte, echte Entscheidungsalterna-tiven, das Denken jenseits von Ressortgrenzen. Das ist ein Lernprogramm für die Verwaltung und für die Bürgerinnen und Bürger. In der eigenen Straße und im eigenen Stadtteil über die eigenen Lebensbedingungen bestimmen zu können, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Lebensqualität. Nur so funktioniert gute Stadtentwicklung. Die Stärkung der Städtebauförderung ist ein Baustein des wohnungsbau- und stadtentwicklungspolitischen Programms dieser Koalition. Unsere Ziele sind lebenswerte Städte und bezahlbares Wohnen. Die Mietpreisspirale in wachsenden Städten dreht sich weiter, und das hat Folgen für die soziale Mischung und das Miteinander in den Städten. Wir werden zuerst zügig die Reform des Wohngelds angehen. Erstmals seit 2009 werden wir das Wohngeld wieder an die Miet- und Einkommensentwicklung anpassen. Damit steigt auch die Zahl der Wohngeldberechtigten wieder. Weniger Menschen mit geringem Einkommen werden gezwungen sein, allein wegen hoher Wohn- und Nebenkosten Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung im Alter zu beantragen. Gleichzeitig entlastet das die kommunalen Haushalte bei den Kosten der Unterkunft. Außerdem werden wir die Mietpreisbremse einführen. Ich glaube, das war nicht nur für die SPD ein zentrales Wahlkampfthema, sondern auch für CDU und CSU. Wir brauchen die Mietpreisbremse als kurzfristig wirksames Instrument, um Mieterinnen und Mieter vor überzogenen Mietforderungen zu schützen. (Beifall bei der SPD) Damit es deutlich gesagt wird: Wir alle wissen, dass die Mietpreisbremse den Neubau nicht ersetzen kann; aber sie begrenzt Exzesse auf angespannten Wohnungsmärkten – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Mietpreisbremse wird den Neubau nicht abwürgen. Deswegen bleibt es Ziel dieser Koalition, ein möglichst frühes Inkrafttreten der Mietpreisbremse zu erreichen. (Beifall bei der SPD) Auf angespannten Wohnungsmärkten brauchen wir Neubau. Wir brauchen mehr Wohnraum, der familiengerecht, altersgerecht, energiesparsam und klimaschonend ist. Der Bund wird das nur gemeinsam mit den Ländern, der Bau- und Wohnungswirtschaft und dem Mieterbund erreichen können. Neben neuen Impulsen bei der sozialen Wohnraumförderung und bei der Förderung genossenschaftlichen Neubaus mangelt es vor allen Dingen an Bauland zu vertretbaren Preisen. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben dazu einen Beitrag leisten soll. Die verbilligte Abgabe von ehemals militärisch genutzten Grundstücken ist ein erster Schritt, der im Haushalt 2015 umgesetzt werden muss. Weitere Schritte müssen folgen; denn die Beschränkung auf Konver-sionsliegenschaften ist in meinen Augen zu eng. (Beifall bei der SPD) Der Bund kann und muss die Liegenschaftspolitik als Gestaltungsinstrument nutzen. Nicht der Höchstpreis, sondern Konzepte der Kommunen für bezahlbaren Wohnraum und eine lebendige Stadt müssen entscheidend sein. Gutes und bezahlbares Wohnen ist ein Gesamtpaket aus Neubau, Umbau des Bestandes und sozialer Flankierung. Deswegen ist es gut, dass Barbara Hendricks das „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ im Juli startet. Auch dafür vielen Dank. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr. Georg Nüßlein, dem ich das Wort erteile. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wenn wir von Verantwortung für die Schöpfung sprechen, meinen wir von der Union immer die Verantwortung für Mensch und Natur gemeinsam. Wir verstehen darunter einen sparsamen Umgang mit endlichen Ressourcen, eine klare Orientierung am Gebot der Wirtschaftlichkeit und ein starkes Vertrauen in die Kräfte von Innovation und Wettbewerb im Bereich der Marktwirtschaft. Das ist unser Leitbild einer modernen Umwelt- und Baupolitik, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Genau dieses Leitbild spiegelt aus meiner Sicht der Haushalt, den wir hier diskutieren, wider. Weil verschiedene Kollegen hier auf die Klimapolitik eingegangen sind, will ich Folgendes deutlich unterstreichen: In der Tat ist es so, dass die Energiewende in Deutschland Kern unserer Klimapolitik ist. Nachdem wir heute die Verhandlungen zum EEG endgültig abgeschlossen haben – das war angesichts der besonderen Situation, nämlich dass die EU gemeint hat, sich hier übermäßig einbringen zu müssen, sehr schwierig –, kann ich Ihnen versichern, dass wir diese Energiewende nicht abwürgen werden. Ganz im Gegenteil: Wir leisten mit dem neuen EEG einen Beitrag dazu, dass die Akzeptanz für dieses Gesetz erhalten bleibt, indem wir es kostenorientiert ausrichten. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie das denn? Genau das Kostenproblem habt ihr gar nicht gelöst!) Das halte ich für ganz entscheidend. Die Kollegin Lemke hat auf die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums hingewiesen. Diese Zuständigkeit haben wir von der Union uns schon lange Zeit gewünscht, weil wir wissen, dass es jetzt nach vielen Jahren reiner Förderung des Aufbaus von Kapazitäten der erneuerbaren Energien darum gehen muss, ein neues Energiemarktdesign zu erstellen. Es geht darum, die erneuerbaren Energien nicht mehr nach dem Motto „Koste es, was es wolle“ zu fördern, sondern sie in einen neuen Strommarkt zu integrieren. Ich darf Ihnen sagen: Mir gefällt nicht alles, was der Koalitionspartner in Gestalt des Wirtschaftsministers an der Stelle vorträgt. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns auch nicht!) Zum Beispiel bin ich dezidiert der Auffassung, dass es nicht darum geht, die Geschäftsmodelle der Versorger zu verschonen. Das wird uns nicht gelingen. Es geht vielmehr darum, die Kosten gleichmäßig so zu verteilen, dass sie bezahlbar bleiben und wir ein Industriestaat bleiben. Ich sage das ganz bewusst, weil es Gott sei Dank mittlerweile auch gelungen ist, bei den Verhandlungen klarzustellen, dass der allergrößte Teil des Parlaments der Auffassung ist, dass wir die energieintensive Industrie von zu viel Unbill in Form einer EEG-Umlage, die mittlerweile auf 6,24 Cent gestiegen ist, befreien müssen, damit sie im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Eines muss uns auch klar sein: Die Energiewende wird von anderen nur übernommen, wenn sich unser Wohlstand weiter erhöht. Uns wird niemand nacheifern, wenn Klimaschutz am Schluss nicht zu mehr Wirtschaftswachstum führt, sondern zu weniger. Das kann man, meine Damen und Herren, insbesondere nicht von den Schwellenländern erwarten, die, von einem niedrigen Niveau ausgehend, andere Erwartungen an die Zukunft mit Blick auf die Wohlstandsmehrung haben. Deshalb ist der Ansatz, den wir hier gemeinsam mit den Kollegen aus dem Wirtschaftsressort erarbeitet haben, vollständig richtig. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich meine, dass die Energiewende Deutschland in der Klimapolitik eine Stimme, Gewicht und Glaubwürdigkeit verleiht. Dieses Kapital werden wir auch bei den Verhandlungen zum neuen globalen Klimaschutzabkommen, das wir Ende nächsten Jahres in Paris abschließen wollen, in die Waagschale werfen. Deutschland ist allen Unkenrufen zum Trotz ein verlässlicher und glaubwürdiger Akteur in der Klimapolitik. Die Ministerin hat das unter Bezugnahme auf die Haushaltszahlen, auf die 1,8 Milliarden Euro, eindrucksvoll dargestellt. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass im Haushalt von Gerd Müller die Verpflichtungsermächtigung von 750 Millionen Euro eingestellt ist. Das ist eine Menge Geld; es macht uns in dem Zusammenhang handlungsfähig. Ich möchte, um hier Missverständnissen vorzubeugen, deutlich unterstreichen: Es kommt nicht allein auf den Betrag in Euro und Cent an, den man hineinsteckt; am Schluss – da zitiere ich Helmut Kohl – ist entscheidend, was hinten herauskommt. (Zuruf der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich glaube, dass wir manches effizienter und besser machen, als Sie denken. (Beifall bei der CDU/CSU) Natürlich gehört zur Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik auch, dass wir unsere Hausaufgaben zu Hause machen. Ich begrüße deshalb ausdrücklich den Vorschlag der Frau Bundesministerin, ein Aktionsprogramm „Klimaschutz“ zu erarbeiten. Dieses Programm soll dabei helfen, die gesteckten Klimaziele bis 2020 wirklich zu erreichen. Lassen Sie uns dabei gemeinsam schauen, wo wir aktuell stehen, was wir vielleicht noch verbessern können und wo es in den Sektoren sinnvolle weitere Einsparpotenziale bei den Treibhausgasemissionen gibt, und zwar in einem breit angelegten und transparenten Prozess. Lassen Sie uns aber auch strikt das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten. Zu Recht vereinbartes Ziel dieser Koalition ist es, mit engagiertem Klimaschutz Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und nicht zu senken. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier tragfähige Lösungen finden. Das gilt auch für die Reform des EU-Emissionshandels. Es ist gut, dass die Bundesregierung die Reformdiskussion in Brüssel konstruktiv begleitet und mitgestaltet. Gut ist aber auch, dass sie dabei insbesondere Vorkehrungen einfordert, wie eine Abwanderung der emissionsintensiven Produktion ins Ausland vermieden werden kann. Wir werden uns deshalb die Vorschläge zur Marktstabilitätsreserve gemeinsam ganz genau anschauen müssen. Denn Klimaschutz, aus dem wirtschaftliche Nachteile entstehen, wird bei den Menschen keine Unterstützung finden. Ich will aber, dass er Unterstützung findet. Für eine erfolgreiche Klimapolitik, für den Erfolg der Energiewende, für eine erfolgreiche Umweltpolitik insgesamt brauchen wir die Akzeptanz der Menschen. Das ist auch der Grund, warum wir in dieser Woche eine Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch beschließen werden, die es den Ländern ermöglicht, länderspezifische Regeln über die Mindestabstände zu Windkraftanlagen festzulegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem neuen Instrument einen besseren Ausgleich zwischen den Interessen der vom Windenergieausbau betroffenen Bürger und den Erfordernissen einer erfolgreichen Energiewende schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren von der Opposition, ich bin sehr verwundert, wie wenig Vertrauen Sie in bürgernahe Regelungen haben. Glauben Sie mir, die Länder werden verantwortungsbewusst mit diesem Instrument umgehen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen sie denn gerade beim EEG?) Wenn Sie es nicht glauben, schauen Sie sich den in Bayern bereits vorliegenden Gesetzentwurf an. Die Meinung der vom Windausbau betroffenen Bürgerinnen und Bürger ist eindeutig. Das hat auch die Anhörung zu diesem Thema gezeigt. Es zeugt von enormer Ignoranz, die vorhandenen Bedenken und auch Ängste der Bevölkerung einfach vom Tisch zu wischen. So schaffen Sie bestimmt keine Akzeptanz. Wer sich so verhält, gefährdet den Erfolg der Energiewende. (Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle Experten haben diese Abstandsregelung gegeißelt! Das ist doch absurd!) Wir brauchen noch mehr Akzeptanz, noch mehr Begeisterung. Deshalb ist es wichtig, dass wir das, wofür wir eintreten, nämlich für die Bewahrung der Schöpfung, für eine faszinierende, vielfältige und natürliche Umwelt, unmittelbar erfahrbar machen. Dass wir in den Haushaltsverhandlungen zusätzliches Geld für die Überführung von weiteren mindestens 30 000 Hektar Fläche in das Nationale Naturerbe zur Verfügung stellen konnten, ist aus meiner Sicht ein wichtiges Signal. Wir steigern damit nicht nur die Biodiversität, sondern gestalten auch ein attraktives Lebensumfeld für die Menschen. Genau das ist – es wurde schon angesprochen – ein zentrales Anliegen im Bereich der Städtebauförderung. Hier konnten wir in der Tat einen guten und soliden Sprung nach vorne machen und die Themen so ausrichten, dass wir gezielt fördern können. Das Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“ halte ich für zeitgerecht und wichtig. Die dafür bereitgestellten 10 Millionen Euro muss man im Zusammenhang mit dem sehen, was die KfW an der Stelle tut. Hier können wir durchaus zeigen, dass wir auf einem richtigen, guten Weg sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, auch mit der Mietpreisbremse sind wir auf einem richtigen, guten Weg, (Sören Bartol [SPD]: Ja, genau!) allerdings nur dann, Herr Kollege Bartol, wenn wir sie mit Maßnahmen kombinieren, die dabei helfen, die schwierige Situation auf den Wohnungsmärkten zu verbessern. Wir wären auf einem schlechten Weg, wenn wir meinen würden, allein dadurch, dass der Staat Preisgrenzen festsetzt, könne man dafür sorgen, dass die Mieten signifikant sinken. Das Gegenteil ist der Fall: Eine Preisgrenze führt zu Investitionsattentismus und dazu, dass wir letztlich weniger Wohnungen und damit teurere Mieten haben. Nur die Kombination macht also Sinn: auf der einen Seite die Mietpreisbremse und auf der anderen Seite Maßnahmen, die dazu beitragen, die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. Das werden wir, wie ich denke, nach der Sommerpause im Detail verhandeln. Ich bin davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass wir eine gute Lösung hinbekommen werden. In diesem Sinne: Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Letzter Redner zum Einzelplan 16 ist der Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Regierungsentwurf zu den Kapiteln 1601 bis 1607 des BMUB hat ein Volumen von 2,78 Milliarden Euro, davon 57,1 Millionen Euro für den Natur- und Artenschutz; das entspricht etwa 2 Prozent des vorgenannten Haushaltsansatzes des Ministeriums. Mehrere Redner haben schon darauf hingewiesen, dass in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses am 5. Juni dieses Jahres 4 Millionen Euro zusätzlich für das Nationale Naturerbe als Erstattung an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben aufgenommen wurden. Jemanden, der sich für den Naturschutz besonders engagiert, freut das natürlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) In meiner bisherigen beruflichen Praxis habe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen schon viele Haushaltsbereinigungssitzungen durchführen müssen. Es stand aber in der Regel zum Schluss weniger Geld zur Verfügung als vorher. Deshalb ist das eine sehr gute Entwicklung. Frau Ministerin, ich würde mich freuen, wenn man uns im Umweltausschuss nach der Sommerpause einen Maßnahmenkatalog vorlegen und erläutern würde, wie diese zusätzlichen 4 Millionen Euro eingesetzt werden. Die Erläuterungen, die wir bisher bekommen haben, waren sehr umfangreich und sehr gut. So kann man sich auch als neuer Abgeordneter schnell in die Materie einarbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Lieber Kollege Hirte, ich darf Sie ganz kurz korrigieren: Es sind nicht 57 Millionen Euro, die damit zur Verfügung stehen, sondern 61 Millionen Euro. Das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr bzw. 40 Prozent mehr als im Jahr 2012. Die Mehrausgaben sind für die Begleitforschung zum Ausbau der erneuerbaren Energien vorgesehen. Damit werden die Auswirkungen der Energiewende auf den Natur- und Landschaftshaushalt und Maßnahmen zu deren naturverträglicher Ausgestaltung untersucht. Es soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die Energiewende im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung zum Erhalt der biologischen Vielfalt umzusetzen. Aus diesen Mitteln wird außerdem die Finanzierung von Leistungen des im Koalitionsvertrag vereinbarten Kompetenzzen-trums „Naturschutz und Energiewende“, das zu einer Versachlichung der Debatte und zur Vermeidung von Konflikten vor Ort führen soll, in Höhe von circa 1 Million Euro gesichert. Dass die Naturschutzbegleitforschung dringend erforderlich ist, zeigen erste Erkenntnisse über die negativen Auswirkungen der Vermaisung der Landschaft auf die Biodiversität. Die Arbeit der Verbände spielt für den Naturschutz in unserem Land eine große Rolle. Daher unterstützt der Bund im Rahmen der Projektförderung zahlreiche Verbände und sonstige Vereinigungen auf den Gebieten des Umwelt- und Naturschutzes mit Zuschüssen in Höhe von jährlich 12 Millionen Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie beruhigen: Greenpeace, eine Organisation, die nicht nur durch spektakuläre Aktionen, sondern neuerdings auch durch erfolglose Spekulationen mit Spendengeldern auffällt, erhält nach meinem Kenntnisstand keine Zuschüsse vom Bund. (Beifall bei der CDU/CSU – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Gott sei Dank!) Die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ – sie wurde im November 2007 von der Bundesregierung beschlossen – soll in diesem Jahr mit 15 Millionen Euro unterstützt werden. Gefördert werden insgesamt 14 Vorhaben. Die bewilligten Vorhaben können nur einzelne Bundesländer betreffen wie zum Beispiel das Aller-Projekt in Niedersachsen, mehrere Bundesländer umfassen wie zum Beispiel die Vernetzung der Lebensräume für die Wildkatze, an der insgesamt neun Bundesländer beteiligt sind, oder von bundesweiter Relevanz sein wie die Unterstützung der Naturschutzjugend im NABU. Der Titel 882 01 beinhaltet Zuweisungen zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft von gesamtstaatlicher Bedeutung; er ist in gleicher Höhe wie im Vorjahr veranschlagt. Der Bund trägt höchstens 75 Prozent der einmaligen Projektausgaben. Grundsätzlich sind mindestens 10 Prozent der Kosten von den Projektträgern zu finanzieren. Der verbleibende Anteil ist vom jeweiligen Land aufzubringen. Bei der Auswahl der Projekte wird ein besonders strenger Maßstab hinsichtlich der Beurteilung der gesamtstaatlichen Bedeutung und des beabsichtigten Projektergebnisses angelegt. Für 2014 werden acht Vorhaben aus fünf verschiedenen Bundesländern neu aufgenommen. Nicht nur durch direkt aus dem Haushalt des BMUB finanzierte Maßnahmen werden Beiträge zum Natur- und Landschaftsschutz geleistet: Bei jeder Infrastrukturmaßnahme sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erforderlich. Die Kosten dafür belaufen sich mittlerweile auf bis zu 25 Prozent der Gesamtkosten. Ich denke, dass man in der Zukunft noch mehr als bisher auf die ökologische Wirksamkeit achten muss. Einzelne Baumgruppen, Hecken, vielleicht mit ein paar Sitzkrücken dekoriert, sind nachhaltig für das Honorar der Planer, für den Natur- und Artenschutz wohl eher nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Realisierung einiger weniger größerer Maßnahmen, die in ihrer Vielschichtigkeit vernetzt werden, ist unter gesamtökologischer Betrachtung wesentlich nachhaltiger als die Realisierung vieler kleiner Maßnahmen. Ich sage nur: Klotzen, nicht kleckern! – Das erfordert natürlich eine gründliche Vorbereitung. Da unsere Planungszeiträume mittlerweile sehr lang sind, ist dafür aus meiner Sicht auch ausreichend Zeit vorhanden. Auch das angestrebte Hochwasserschutzprogramm kann Beiträge zu einer nachhaltigen Natur- und Landschaftsentwicklung leisten, wenn es gelingt, die Veränderungen in den Auen der großen Flüsse und Ströme unter ökologischen Gesichtspunkten umzusetzen. Dazu ist es jedoch notwendig, die unterschiedlichen Nutzungsinteressen auszugleichen, damit Akzeptanz vor Ort erreicht wird. Eine frühzeitige Einbeziehung der Landnutzer in die Planungsprozesse ist dringend erforderlich. Ich habe Verständnis dafür, dass wir uns hier zunächst ein wenig Zeit lassen, um die Konflikte, die sich vor Ort ergeben können, vorweg auszuräumen. Man sollte hier wirklich nach dem Motto „Gründlichkeit vor Eile“ vorgehen. Deshalb kann ich zum Beispiel Ihre Bemerkung gegenüber der Ministerin nicht verstehen, Herr Meiwald. Ich glaube, wir sollten uns hier wirklich Zeit lassen, um die Sache gründlich vorzubereiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiewende stellt auch aus naturschutzfachlicher Sicht eine große Herausforderung dar. Das Bundesamt für Naturschutz wird eine Reihe von Fragestellungen fachlich bearbeiten und den naturschutzrechtlichen Vollzug in der ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nord- und Ostsee übernehmen. Die personellen Voraussetzungen dafür werden mit dem Stellenplan 2014 geschaffen: Es sind elf neue Stellen vorgesehen. Das BfN als zuständige Fachbehörde hat die Aufgabe, die einzelnen Formen der Gewinnung erneuerbarer Energien an Land sowie Projekte der Energieleitung und -speicherung aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes zu untersuchen und bundesweit tragfähige Lösungen zu entwickeln. Der Ausbau von Offshorewindparks soll wesentlich zum Erreichen der Energiewende beitragen. Als Vollzugsbehörde muss das Bundesamt eine Fläche von 34 000 Quadratkilometern – das entspricht etwa der Fläche Nordrhein-Westfalens – bearbeiten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 26. März 2014 wurde der Bericht „Die Lage der Natur in Deutschland“ veröffentlicht. Dieser Bericht konnte nur erstellt werden, weil viele ehrenamtliche Naturschützer zusammen mit den Behörden die Daten von über 12 000 Stichproben zusammengetragen haben. Wir haben damit in Deutschland einen einmaligen Datenschatz, der weiterzuverarbeiten ist. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den vielen ehrenamtlichen Naturschützern bedanken, die viel Zeit dafür aufgewendet haben, um diese Daten zusammenzutragen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bei vielen von ihnen wurde das Interesse für Natur- und Artenschutz bereits im Jugendalter geweckt – oft durch einen interessanten Biologieunterricht. Mir wird hier schon ein wenig bange, wenn ich höre, dass im Südwesten der Republik darüber nachgedacht wird, diesen Biologieunterricht abzuschaffen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Herr Kollege Schulze, das war Ihre Jungfernrede hier im Deutschen Bundestag. Herzlichen Glückwunsch dazu von meiner Seite und sicher auch im Namen des gesamten Hauses. (Beifall) Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 16 – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen: Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1817? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1818? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 16 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 16 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt II.6 auf: Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Drucksachen 18/1023, 18/1024 Berichterstatter sind die Abgeordneten Petra Hinz (Essen), Helmut Heiderich, Dr. Gesine Lötzsch und Ekin Deligöz. Zu diesem Einzelplan liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich über Geld rede, möchte ich eine grundsätzliche Bemerkung vorab machen: Vor einigen Tagen ging die Meldung durchs Land, dass jeder zehnte Fehltag von Beschäftigten auf Rückenleiden zurückzuführen ist. Rückenbeschwerden kommen vor allen Dingen bei Menschen vor, die schwere körperliche Arbeiten verrichten müssen, etwa auf dem Bau oder in der Pflege, bei Kraftfahrern – wegen der oft belastenden Körperhaltung – und bei Arbeitslosen – wegen des psychischen Drucks, dem sie ausgesetzt sind. Die Art und Weise, wie wir arbeiten und leben, macht immer mehr Menschen krank. Wer auf knallharte Konkurrenz, maximale Arbeitsverdichtung und 24StundenFlexibilität setzt, der überfordert jeden Menschen und jedes Gesundheitssystem. Darum sage ich: Wenn es uns gelingen würde, unsere Arbeits- und Lebenswelt solidarischer und gerechter zu gestalten, dann könnten wir auch die Krankheitskosten rapide senken, und ich denke, das ist das Gebot der Stunde. (Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: War das im Sozialismus so?) Allerdings gibt es – das wissen wir alle aus leidvoller Erfahrung – natürlich auch viele Unternehmen auf dem Gesundheitsmarkt, denen einen multimorbider Patient lieber ist als ein gesunder Versicherter. Die Gesundheit wird immer mehr zur Ware. Ich finde, das ist das Hauptproblem in unserem Gesundheitssystem. Dieses Problem wollen und müssen wir lösen. (Beifall bei der LINKEN) Dazu brauchen wir erstens eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlen müssen und dürfen, und zweitens eine viel strengere Regulierung des Gesundheitsmarktes. Damit bin ich auch schon beim Geld. Gerade an der Gesundheitspolitik der Bundesregierung lässt sich leider sehr gut zeigen, wie man mit kreativer Buchführung einen Bundeshaushalt scheinbar, aber eben nur scheinbar, sanieren kann. Der Finanzminister und viele Kollegen haben heute schon von der schwarzen Null gesprochen. Herr Schäuble hat sich vorgenommen, ab 2015 ohne neue Schulden auszukommen. Das wäre ein gutes Ziel, wenn man dieses Ziel ehrlich angehen würde. Aber leider wird getrickst, was das Zeug hält. Am Gesundheits-etat kann man das besonders gut zeigen. Wie passiert dieses Tricksen? Der Bundeshaushalt wird entlastet, indem zum Beispiel der Zuschuss für den Gesundheitsfonds für zwei Jahre um insgesamt 6 Milliarden Euro willkürlich gekürzt wird. Der Zuschuss soll dann ab 2017 wieder erhöht werden. Aber wer weiß schon, was im Jahr 2017 sein wird und welche Regierung dann im Amt sein wird. Die Probleme schön in die Zukunft zu verschieben, hat mit Nachhaltigkeit wenig zu tun. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das Institut für Weltwirtschaft aus Kiel hat prognostiziert, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen in diesem Jahr ein Defizit von 1,7 Milliarden Euro und im nächsten Jahr von 6,1 Milliarden Euro haben werden. Grund sind vor allen Dingen die immer schneller steigenden Kosten für das Krankengeld allein aufgrund der demografischen Entwicklung. Wir haben in der Debatte um den Einzelplan des Ministeriums von Frau Hendricks viel über das altersgerechte Wohnen gehört. Aber natürlich muss auch bei den Gesundheitskosten einkalkuliert werden, wie sich unsere immer älter werdende Gesellschaft entwickelt. Die Krankenkassen haben in dieser Situation leider nur eine Möglichkeit, die Kürzung des Bundeszuschusses und die steigenden Gesundheitskosten auszugleichen: Sie müssen sich das Geld bei den Versicherten holen. Das ist nicht in Ordnung, das ist sozial ungerecht, das lehnen wir ab. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das ist falsch, was Sie da sagen!) Auch wenn der Gesundheitsminister immer wieder bestreitet, dass die Krankenkassenbeiträge steigen werden: Es wird zwangsläufig dazu kommen. Dafür gibt es nämlich eine einfache Rechnung: Die Kosten für das Gesundheitssystem steigen schneller als die Löhne, die Gehälter und die Renten. In den vergangenen zehn Jahren sind die Einnahmen der Krankenkassen nur um 2 Prozent jährlich gestiegen, die Ausgaben aber um 3,7 Prozent. Deshalb stieg der Beitragssatz regelmäßig. Das wird in Zukunft auch nicht anders sein, wenn sich in diesem Land nicht grundsätzlich etwas ändert. Ich finde, gerade im Gesundheitssystem muss sich sehr viel grundsätzlich ändern. Die Arbeitgeber sind von CDU und CSU aus der solidarischen Finanzierung entlassen worden, die SPD hat damit offensichtlich keine Probleme. Nun sind wir in der Situation, dass die Kostensteigerungen zu 100 Prozent von den Versicherten getragen werden müssen. Das ist besonders ungerecht; denn der Sozialausgleich, der eine Deckelung vorsah, ist abgeschafft worden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich in diesem Haus die FDP einmal positiv erwähnen muss. Aber dieser Sozialausgleich mit Deckelung, also die Begrenzung der Zusatzbeiträge auf 2 Prozent des Einkommens, ist unter einem FDP-Gesundheitsminister eingeführt worden und unter einem christdemokratischen Minister wieder abgeschafft worden. Herr Gröhe, das war wirklich eine falsche Entscheidung von Ihnen. (Beifall bei der LINKEN – Heiko Schmelzle [CDU/CSU]: Dass die FDP das noch erleben darf!) Was hier vorliegt, hat mit einer gerechten Gesundheitspolitik nichts zu tun. Wir könnten, wenn wir wollten, die Gesundheitskosten insgesamt senken, wenn wir in Deutschland – ich habe das schon einmal betont, ich will es aber wiederholen – endlich eine solidarische Bürgerversicherung einführen würden. Viele sind dafür. Ich finde, man muss dies nicht nur ansprechen, sondern muss die Mehrheiten auch organisieren und dann hier im Haus entsprechend abstimmen. Die Kürzung des Bundeszuschusses wäre nicht erforderlich, wenn wir in diesem Land endlich eine gerechte Steuerpolitik durchsetzen würden. Ich sage Ihnen: Der Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält einen Grundfehler, nämlich den, auf eine gerechte Steuerpolitik zu verzichten. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das ist ein Thema, das Sie in Ihren Reihen, in Ihrer Partei noch einmal sehr gründlich diskutieren sollten. Denn es stand ja auch in Ihrem Wahlprogramm: Nur mit einer gerechten Steuerpolitik kann man dieses Land gerecht und sozial gestalten. Meine Damen und Herren, kreative Buchführung ist etwas, was man Systemen oder Leuten vorwirft, die gern tricksen. Ich möchte nicht einem Haushalt zustimmen, der vor allen Dingen von kreativer Buchführung lebt. Die Linke wird den Einzelplan 15 ablehnen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Helmut Heiderich, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Helmut Heiderich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörer! Während wir hier über Zahlen und Strukturen debattieren, sind in unserem Land im Gesundheitsbereich, im Pflegebereich, aber auch als pflegende Angehörige Millionen Menschen im Einsatz, die jeden Tag mehr leisten – jedenfalls viele von ihnen –, als es ihre Pflicht ist. Ich glaube, in einer solchen Debatte ist es auch einmal notwendig, darauf hinzuweisen, dass diese Menschen unsere Anerkennung verdienen. Denn hinter all den Projekten, über die wir hier debattieren, stehen immer wieder Menschen, die das Ganze in unserem System umsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn wir unser Gesundheitssystem insgesamt betrachten, können wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir uns damit weltweit sehen lassen können. Auch dort, wo solche Vergleiche durchgeführt werden – gerade aktuell wieder einer vom Commonwealth Fund –, stellt sich heraus, dass wir in vielen Punkten im Vorderfeld oder an der Spitze stehen. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo es darum geht, dass jeder Mensch Zugang zur Gesundheitsversorgung hat und keine Hürden im Wege stehen. Das liegt, glaube ich, ganz wesentlich daran, dass wir in Deutschland noch immer ein sehr gut funktionierendes Hausarztsystem haben. Auf diesen Punkt will ich zu Beginn näher eingehen. Wir haben ja gestern, sozusagen punktgenau, die Positionen des Sachverständigenrats vorgelegt bekommen, und gerade zum Hausarztsystem wird dort einiges vorgeschlagen. Ich halte die Forderung, dass wir einen Landärztezuschlag einführen sollten, für sehr sinnvoll, und ich glaube, unsere Fachpolitiker sind gut beraten, wenn sie diese Frage in den nächsten Wochen und Monaten einmal aufnehmen und darüber näher diskutieren. Die Hausärzte sind in einer Situation – dies wird besonders deutlich in den dünn besiedelten Gebieten –, die uns Veranlassung geben sollte, sehr nachhaltig darüber nachzudenken, ob wir das System so beibehalten können und wie wir es weiterentwickeln können. Ich will Ihnen einmal als Beispiel ein paar Zahlen nennen, die ich mir von meinem Landrat in meinem Wahlkreis habe geben lassen. In diesem Landkreis gibt es zurzeit 90 Hausärzte. Von diesen Hausärzten sind im kommenden Jahr 22 älter als 65 Jahre. Das heißt, sie suchen nach einem Nachfolger. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach einer Nachfolgerin!) Wenn wir noch fünf Jahre weitergehen, 2020, dann sind es bereits 41. Das heißt, knapp die Hälfte derer, die heute aktiv sind, brauchen dann einen Nachfolger. Ich glaube, dass wir, wenn wir jetzt darüber reden, junge Mediziner stärker in die Richtung der Allgemeinmedizin, der Hausarztversorgung zu bringen, einen zeitlichen Vorlauf von mehreren Jahren, von vier, fünf, sechs Jahren, einzukalkulieren haben. Wenn wir also heute damit beginnen, dann beziehen wir uns auf eine Situation in fünf Jahren und sind damit schon beim Jahr 2020. Deswegen muss an dieser Stelle an den positiven Beschlüssen, die wir in den letzten Jahren in diesem Bereich schon umgesetzt haben, möglichst weiter angeknüpft werden. Da haben wir schon eine ganze Menge getan. Aber es zeigt sich, das reicht noch nicht. Deshalb müssen wir da weiter vorangehen. Meine Damen und Herren, mit diesem Haushalt packen wir in dieser Koalition eine ganze Reihe von neuen strukturellen Veränderungen an. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir beispielsweise in der Qualitätssicherung einen deutlichen Schritt nach vorn machen. Wir -finanzieren ein neues Institut der Qualitätssicherung. Wir wollen damit die Versorgungsqualität in diesem Bereich deutlich verbessern. Ich glaube, mit dem Haushalt und den damit im Zusammenhang stehenden gesetzlichen Beschlüssen setzen wir ein deutliches positives Zeichen für die Zukunft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir setzen einen weiteren Schwerpunkt im Bereich der Pflege, und zwar auf verschiedene Weise. Wir haben das Amt des Pflegebeauftragten mit einer eigenständigen Organisation und einer eigenständigen Position neu geschaffen. Ich glaube, dass wir auf diese Weise die Situation der von Pflege Betroffenen, aber auch der Beschäftigten im Pflegebereich deutlich verbessert haben. Damit haben die Betroffenen eine neue, starke Stimme. Damit setzen wir in diesem Haushalt einen Schwerpunkt für die Zukunft, der sich insgesamt sehen lassen kann. Wir sorgen weiterhin dafür, dass mit neuen und zusätzlichen Mitteln im Haushalt die Unabhängige Patientenberatung weitergeführt und vor allen Dingen ausgeweitet werden kann. Auch diesen Bereich stärken wir mit den von uns zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln weiter und leisten damit auch insgesamt für die Zukunft Vorsorge. Wir haben des Weiteren im Rahmen des Berichterstattergespräches und in den Verhandlungen mit dem Hause möglich machen können, dass durch Umschichtungen von Finanzmitteln die HIV-Stiftung zusätzliche Haushaltsmittel bekommt. Es werden 10 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt eingestellt. Damit können wir die HIV-Stiftung für die nächsten Jahre absichern. (Beifall im ganzen Hause) Das heißt aber nicht, dass wir damit die Verursacher aus der Verantwortung entlassen. Auch diejenigen in der Industrie und in den Unternehmen, die damals mitverantwortlich waren, müssen weiter ihre Beiträge leisten, damit wir die HIV-Stiftung auch nach Ende dieser Legislaturperiode über 2017 hinaus sichern können. Wir haben mit diesem neuen Haushalt auch die Absicht und sind bereits in der Vorbereitung, ein Präven-tionsgesetz zu entwickeln und damit einen Bereich der Medizin zu verbessern, der bisher immer noch sehr wenig beachtet wird. Denn wir wissen alle, dass es Krankheitsentwicklungen gibt, die wir durch Prävention verhindern oder zumindest einschränken könnten. Dafür brauchen wir entsprechende Programme und Projekte. Wir haben kürzlich im Rahmen der Plattform für Bewegung und Ernährung, die seit einigen Jahren Projekte von verschiedenen Trägern anbietet, eine Konferenz durchgeführt. Wir kennen seit vielen Jahren Präventionsbewegungen, zum Beispiel den Trimm Trab, den es früher gab. Auf der Konferenz ist deutlich gemacht worden, dass wir den Bereich der Prävention weiter verstärken müssen, um den Kostenanstieg im Gesundheitswesen, den die Frau Kollegin eben angesprochen hat, auch von dieser Seite aus anzugehen. Wir alle wissen: Die wirtschaftliche Leistung gemessen am BIP erhöht sich je nachdem, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickelt, etwa um 2 Prozentpunkte pro Jahr. Die Gesundheitsausgaben – Sie haben es gesagt – sind stärker gestiegen. Deswegen müssen wir von zwei verschiedenen Seiten an diese Aufgabe herangehen. Wir müssen uns auf der einen Seite bemühen, die Kostensteigerung im Gesundheitswesen zu beschränken. Das kann auch durch eine stärkere Prävention geschehen. Wir müssen auf der anderen Seite die gesellschaftliche Debatte führen, dass wir mit dem Anstieg der Wirtschaftskraft in Deutschland in Zukunft mehr Geld für den Bereich Gesundheit und Pflege brauchen werden, weil sich die Gesellschaft verändert. Für beide Wege müssen wir, sowohl die Haushälter als auch die Fachpolitiker, miteinander streiten, damit wir die Zukunft des Gesundheitswesens und der Pflegeversicherung in Deutschland entsprechend sichern. Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem Vorwurf machen, die Finanzierung der Bundesregierung im Gesundheitswesen sei nicht sachgerecht, um es vorsichtig zu beschreiben. Ich bitte, zu bedenken, dass die momentanen Rücklagen in Höhe von rund 30 Milliarden Euro so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Kranken- und Pflegeversicherung sind. Auch das muss erwähnt werden, wenn es um die Finanzierung geht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will auch daran erinnern, dass die Bundesregierung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die fehlenden Mittel im Gesundheitsfonds aufgesattelt hat. Nun werden diese Mittel wieder abgebaut, da wir in einer wirtschaftlich prosperierenden Phase sind. Man kann der Bundesregierung nicht vorhalten, dass dies nicht ordnungsgemäß ist. Mit dem vorliegenden Haushalt zum Gesundheitswesen packen wir eine Reihe struktureller Veränderungen für die Zukunft an. Wir gehen einige Probleme an, die sich in den letzten Jahren gezeigt haben. Wir werden zu Lösungen kommen – da bin ich mir sicher –, die für die Bürger und die Beteiligten im Gesundheitswesen eine Verbesserung gegenüber dem heutigen Stand darstellen. Deswegen sollten Sie dem Haushalt zustimmen. Er stellt eine Verbesserung für die Zukunft dar. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Debatte über den Gesundheitsetat verfolgt, stellt man auf den ersten Blick fest, dass sehr viel Einigkeit herrscht. Niemand kann ernsthaft gegen Krebsforschung oder die Förderung der Kindergesundheit sein; das gilt auch für viele andere Projekte. Wenn ich aber genauer hinschaue, fallen mir vor allem zwei große Baustellen auf, auf die ich näher eingehen will, Herr Minister. Die erste Baustelle ist das, was Sie zum Schluss Ihrer Rede angesprochen haben, Herr Heiderich, nämlich der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds. Was ist das eigentliche Problem? Sie schaffen kein Vertrauen. Im Gegenteil: Es wurde bereits siebenmal in den Gesundheitsfonds eingegriffen. Mit jeder Kürzung provozieren Sie Beitragssatzsteigerungen. Diese Steigerungen werden alleine von den Arbeitnehmern getragen; das ist das Problem. Die Arbeitgeber sind dank Ihrer Gesetze fein raus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Sie in der Anhörung genau zugehört haben, dann wissen Sie, dass alle Experten, auch diejenigen, die Sie eingeladen hatten, darauf hingewiesen haben: Es sind zwei kommunizierende Röhren. Wenn Sie an der einen Stelle kürzen, dann wird an anderer Stelle Geld fehlen, und die Beiträge werden steigen. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht! Sie haben bis heute den Fonds nicht verstanden!) Die ersten Krankenkassen haben bereits darauf hingewiesen, dass sie knapp bei Kasse sind und rote Zahlen schreiben, und haben angekündigt, die Versicherungsnehmer stärker finanziell zu beteiligen. Das ist doch das Problem, über das wir reden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Sie tun so, als wäre der Zuschuss des Bundes zum Gesundheitsfonds eine große Gefälligkeitsleistung. Das ist er aber nicht. Der Bund sagt: Wir übernehmen Kosten und solidarisieren uns. – Es geht um Leistungen, die der Solidarität der gesamten Gesellschaft bedürfen, zum Beispiel bei der Kindererziehung, der Schwangerschaft, in der Elternzeit und während der Mutterschaft. Der Bundeszuschuss wird gewährt, weil es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt, und nicht, weil Sie so großzügig, lieb und nett sind. Dieser Zuschuss erfüllt eine bestimmte Funktion. Würden Sie sich zu dieser Funktion bekennen, könnten Sie nicht willkürlich in die Kasse greifen. Aber genau das tun Sie. Sie nehmen das Geld der Versicherungsnehmer und konsolidieren damit Ihren Haushalt. Sie stopfen damit die Löcher. Eigentlich müsste man sagen: Schämen Sie sich dafür, dass Sie das überhaupt machen und diese Gelder so falsch verwenden! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Wenn Sie wirklich den Willen hätten, den Haushalt zu konsolidieren, hätten Sie sich unsere Vorschläge zu eigen gemacht. Warum bauen Sie nicht die ökologisch schädlichen Subventionen ab? Dann würden Sie auch etwas für die Gesundheit in diesem Land tun. Oder: Warum sind Sie nicht mutiger bei der Abgeltungsteuer? Warum wird Einkommen aus Erwerbstätigkeit eigentlich anders besteuert als Einnahmen aus Kapital? Entsprechende Änderungen hier würden mit der Aufwertung der menschlichen Arbeit einhergehen. Ideen also, wie sich der Haushalt konsolidieren ließe, gibt es in ausreichendem Maße. Sie müssen nicht in den Haushalt des Gesundheitsministeriums eingreifen, dessen Mittel ohnehin sehr knapp bemessen sind. Ich bin auf der Seite des Ministers, (Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist schon mal gut!) der seinen Etat verteidigt und verhindern will, dass seine Mittel so missbraucht werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch wir Grünen sind für eine Bürgerversicherung, gerade weil wir an die Gesamtsolidarität glauben. Jeder sollte einzahlen. Die Versicherten sollten nicht eine bestimmte Gruppe sein und quasi unter sich bleiben, während sich andere herauskaufen können. Eine Bürgerversicherung würde die Finanzierungsbasis erweitern und vor allem für mehr Nachhaltigkeit in einer sich demografisch verändernden Gesellschaft sorgen. Das wird doch die größte Herausforderung sein, vor der wir in diesem System stehen werden. Jetzt komme ich zur zweiten Baustelle: zum Pflegebegriff. Sie machen einige Schritte in die richtige Richtung. Teile dieses Leistungsgesetzes werden wir wahrscheinlich unterstützen. Sie gehen aber nicht an den Pflegebegriff heran. Die Verlierer werden die Demenzkranken sein. Die Verlierer werden genau die Menschen sein, um die wir uns sorgen wollen. (Widerspruch bei der CDU/CSU) Sie können sich darüber aufregen, so viel Sie wollen. Der erste Sozialverband hat bereits eine Klage angekündigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, wir sollten uns an dieser Stelle nicht vom Bundesverfassungsgericht treiben lassen, sondern von der Vernunft und einer guten Politik. Da reicht es eben nicht, wenn Sie hier stöhnen. Tun Sie etwas dagegen, nehmen Sie das in die Hand! Machen Sie eine Strukturreform! Wagen Sie einmal etwas! Sie aber wollen einen Pflegefonds schaffen. Was passiert denn mit einem Pflegefonds? Kurzfristig senken Sie die Beiträge, langfristig haben Sie ein Budget, in das Sie wieder willkürlich hineingreifen werden, um Versichertenmittel zu missbrauchen. Unter dem Strich ändern Sie aber nichts an der Qualität der Pflege; genau das ist doch der Schwachpunkt. Wir müssen die Qualität der Pflege verbessern, und wir dürfen nicht einfach passiv sein und Schattenhaushalte schaffen. Gehen Sie an den Pflegebegriff heran, aber richtig, und machen Sie eine Pflegereform, die diesen Namen verdient, Herr Minister. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben im Rahmen des Berichterstattergesprächs das wichtige Thema Hebammen besprochen. Auch da reicht es nicht, passiv zu bleiben. Wir haben inzwischen im Zusammenhang mit den Haftpflichtprämien, die die Hebammen zahlen müssen, genug Argumente für eine Regressbeschränkung oder einen Haftungsfonds. Wir haben geprüft, Sie haben geprüft, es liegen einige Vorschläge auf dem Tisch. Es ist jetzt an der Zeit, zu handeln. Sie, Herr Gröhe, als Minister und ich als Haushälterin, aber auch als Mutter zweier Kinder, wir waren uns einig: Jede schwangere Frau hat einen Anspruch auf eine Hebammenbetreuung. Die ersten schwangeren Frauen bekommen aber jetzt zu hören: Hol dir bloß keine Hebamme; die gibt es bald nicht mehr. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Wie weit sind wir denn gekommen? (Zuruf von der CDU/CSU: Eine Unterstellung!) Wie weit sind wir gekommen, dass Sie schwangere Frauen im Stich lassen und diese sich nicht mehr darauf verlassen können, wirklich eine Hebamme zu bekommen? (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt wird es wirklich peinlich!) – Nein, es wird nicht peinlich. Mich wundert nicht, dass aus diesen Reihen genau diese Reaktion kommt. Etwas anderes hätte ich nicht verstanden. Wo waren Sie denn, als die Hebammen im Petitionsausschuss waren? Wo sind Sie denn, wenn sie auf die Straße gehen? Beschäftigen Sie sich einmal mit diesem Thema, und grölen Sie hier nicht herum! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) So viel Ignoranz auf einem Haufen versammelt habe ich, ehrlich gesagt, selten im Parlament erlebt. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist doch falsch, was Sie sagen!) Mich wundert es übrigens auch nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD jetzt in der Großen Koalition ganz still sind; denn es gibt auch so etwas wie Fremdschämen in diesem Haus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es gibt noch einen Punkt, den ich erwähnen will, Herr Minister. Wir haben vorgeschlagen, 35 Millionen Euro mehr für die Weltgesundheitsorganisation einzustellen. Das ist nicht viel Geld, aber es ist Geld für eine wichtige Sache. Da geht es nicht nur um die ODA-Quote, sondern die WHO leidet unter der schlechten Planbarkeit und mangelnder Finanzierung. Es geht um den Kampf gegen Polio und Tuberkulose. Ich fände es sehr gut, wenn sich Ihr Haus an diesem großen Projekt, bei dem es um eine gemeinsame Verantwortung geht, mit einem freiwilligen Beitrag Deutschlands an die WHO beteiligen würde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt einige Dinge, die wir ausdrücklich unterstützen; auch das will ich erwähnen. Dazu gehört die HIV-Stiftung. Wir Grüne sind dabei, weil wir der Meinung sind, dass das richtig angelegte Mittel sind. Es ist gut, dass wir dafür eine Lösung gefunden haben. Wir sind übrigens auch dabei, wenn es um die Kürzung des Pflege-Bahrs geht. Ich wünschte mir ganz ehrlich – das habe ich Ihnen auch schon gesagt – etwas mehr. Das funktioniert nicht, das läuft schief, das wird nicht in Anspruch genommen. Sie wollen damit das Pflegerisiko privatisieren. Das ist ein falscher Ansatz, und das, was nicht funktioniert, kann man genauso gut streichen. Das Geld kann man an anderer Stelle viel sinnvoller ausgeben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es auch sehr gut, dass Sie im Bereich der Kindergesundheit Mittel eingestellt haben, weil auch die aktuelle KiGGS-Studie zeigt, dass wir in diesem Bereich sehr sensibel sein müssen und dass auch hier Kinderarmut eine Rolle spielt. Das ist zwar eine erschreckende Erkenntnis, aber eine wahre Erkenntnis. Wir müssen in diesem Bereich aktiver werden. Herr Minister, ich wünsche Ihnen viel Mut, die notwendigen Grundsatzdebatten anzugehen und sich von Ihren Kollegen nicht entmutigen zu lassen. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Notfalls kann er ja die grüne Mehrheit in Anspruch nehmen!) Ich wünsche mir, dass ich die gleiche Rede demnächst nicht wieder halten muss. Herr Minister, unsere Unterstützung hätten Sie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt das Wort Petra Hinz. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Petra Hinz (Essen) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Fremdschämen sage ich jetzt einmal nichts; denn jeder muss für sich selbst bewerten, wer sich für wen zu schämen hat. Ich möchte denen, die uns jetzt zuhören, schon sehr deutlich machen: Wir befinden uns gerade in der abschließenden Beratung des Einzelplans des Bundesministeriums für Gesundheit. Es geht hier nicht darum, wer populistisch möglichst viele Themen abarbeiten und dadurch möglicherweise sogar noch Verwirrung stiften kann. Wenn es uns gemeinsam wirklich um die Menschen geht, die pflegebedürftig sind, um die Kinder und um all die Punkte, die gerade angesprochen worden sind, dann sollten gerade wir Haushälter mit Fakten argumentieren; alles andere machen unsere Fachkolleginnen und Fachkollegen in den Ausschüssen. Ich habe meine Rede zur Einbringung dieses Einzelplans mit einem Zitat beendet. Dieses Zitat möchte ich gerne aufgreifen: Wir sollten alles für die Gesundheit tun. Wir haben ja sonst nichts zu tun. Seit dem 10. April haben wir, die Haushälterinnen und Haushälter, in der Tat gemeinsam mit den Fachkolleginnen und Fachkollegen über unterschiedliche Themen beraten, etwa über den Pflegebereich. Was die Personalsituation im Ministerium angeht, haben wir erfahren – das haben wir gerade schon gehört –, dass es einen neuen Staatssekretär gibt. Wir haben über Querschnittsaufgaben, über internationale Zusammenarbeit, über die HIV-Stiftung, über Hebammen und auch über Kindergesundheit gesprochen. Gerade als Haushälterin möchte ich erst einmal ein paar Eckdaten des Haushaltes nennen. Dieser Einzelplan umfasst insgesamt 11 Milliarden Euro. Es ist ein sehr großer Haushalt; er hat am Gesamthaushalt einen Anteil von rund 3,7 Prozent. Die Zahl, auf die es ankommt, ist die, über deren Verwendung wir entscheiden: 78,6 Millionen Euro, großzügig betrachtet 80 Millionen Euro. Über diese Summe reden wir jetzt gerade. Wir diskutieren über Prioritäten und überlegen, wie wir dieses Geld vernünftig ausgeben können. Wie in allen anderen Etats auch gibt es in diesem Einzelplan Absenkungen. Zum Beispiel werden die Mittel für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit um 10 Prozent gesenkt. Ich denke, die noch zur Verfügung stehenden Mittel reichen absolut aus; denn dieses Haushaltsjahr umfasst nur noch ein halbes Jahr. Auch das muss deutlich gesagt werden: Es geht nicht um die Mittel für ein ganzes Haushaltsjahr. Insofern wird diese Absenkung unserem Minister kein bisschen wehtun. Darüber hinaus haben wir für das Ministerium weitere fünf Stellen beschlossen, zwei zur Unterstützung der Reformprozesse in Griechenland. Dabei geht es um die Umsetzung unserer Erfahrungen mit unserem Gesundheitssystem. Man überlegt sich, inwieweit man das Beste von unserem Gesundheitssystem übernehmen will. Darüber hinaus ist eine Stelle beschlossen, um den WHO-Reformprozess nachhaltig und konstruktiv zu unterstützen. Außerdem ist eine Stelle zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in strukturschwachen Gebieten und im ländlichen Raum beschlossen. Das Ganze klingt zwar ein bisschen technokratisch, aber es gehört zur Haushaltsberatung dazu. Jetzt möchte ich auf den Punkt Absenkung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds zu sprechen kommen. Ich habe der gesamten Debatte über den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, sehr aufmerksam zugehört. Gegenstand der Diskussion war immer wieder die Frage, ob wir Steuern erhöhen oder Steuern senken sollen. Wir reden nicht über einzelne Wahlprogramme – dieses Thema ist seit dem 22. September 2013 durch –, sondern wir reden über einen gemeinsam beschlossenen Koalitionsvertrag. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Darin sind Eckpunkte unserer Politik beschrieben. Was nach dem September 2017 gemacht wird, ist eine andere Sache. Wir haben gemeinsame Ziele, und die setzen wir auch um. Im Hinblick auf den Gesundheitsfonds wird immer wieder behauptet – auch hier heute Morgen –, wir plünderten die Rentenkassen und wir plünderten den Gesundheitsfonds. Bei der Einbringung dieses Haushalts hat mein Kollege Lauterbach den Gesundheitsfonds noch einmal erklärt. Wenn auch ich es jetzt machen würde, würden Sie von der Opposition seine Berechtigung sicherlich ebenfalls wieder abstreiten. Daher verweise ich einfach einmal auf die öffentliche Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz 2014. Der Vertreter des Bundesrechnungshofs, Dr. Elles, hat gesagt – ich zitiere –: Dass der Bund zulasten der Versicherten konsolidiere, ist nicht unsere Auffassung. Auch unser Bericht lässt nicht einmal ansatzweise eine solche Aussage durchscheinen; denn das entspricht nicht unserer Analyse des Gesetzesvorhabens. Das war vom Bundesrechnungshof. Dazu könnte man eventuell noch sagen: „Geschenkt!“, aber das trifft so nicht zu. Professor Dr. Klaus-Dirk Henke von der Technischen Universität Berlin hat ausgeführt: In den 30 Jahren, in denen ich das System beobachte, hat es angesichts der vorhandenen Überschüsse bei den 130 GKVen und im Gesundheitsfonds noch nie eine so opulente Finanzlage gegeben wie derzeit. Er hat auch über das Thema der versicherungsfremden Leistungen gesprochen. Aber das müssen dann die Fachkolleginnen und Fachkollegen diskutieren. Es gibt andere Länder, die dazu eine klarere Festlegung haben als wir. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Ich maße mir nicht an, das zu bewerten. Ich bin Haushälterin. Das machen dann unsere Fachkolleginnen und Fachkollegen. Ich kann noch jemanden zitieren, und zwar den Professor Dr. Ulrich von der Universität Bayreuth: Die Funktionalität des Fonds ist nicht beeinträchtigt. Das kann schon deshalb nicht sein, weil der Gesundheitsfonds dann nicht einen Euro weniger hat. Da ist nämlich die Frage: Wie setzt sich der Gesundheitsfonds insgesamt zusammen? Wir halten fest: Wegen der Absenkung des Bundeszuschusses in diesem Haushaltsjahr wird weder ein Beitrag erhöht noch ein Beitrag gesenkt. Wir haben eine klare Zielrichtung. Wir haben gesagt – darauf vertraue ich einfach einmal –, dass danach wieder mehr Mittel für den Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds bereitgestellt werden. Über Pflege und Pflegebedürftigkeit haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen gesprochen. Da haben wir Wort gehalten. Für das, was in den ersten Schritten auf den Weg gebracht werden muss, stellen wir auch die entsprechenden Mittel bereit. Es ist gerade schon angesprochen worden, dass wir nun statt eines Beauftragten einen Staatssekretär mit entsprechendem Personal haben. Inhalte. Es wird dringend Zeit, dass der Staatssekretär sich mit den Haushältern einmal zusammensetzt, um seine Vorschläge vorzustellen. Ich denke, das war bei den Haushaltsberatungen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit einfach nicht möglich. Fazit. Im Haushalt spiegelt sich unsere Prioritätensetzung auf den Bereich Pflege deutlich wider. Wir werden die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Für die Verbesserung der Pflege stehen allein in unserem Haushalt – ich komme gleich noch darauf, warum ich sage „in unserem Haushalt“ – 5,4 Millionen Euro zur Verfügung. Für die neue Pflegekampagne sind 3 Millionen Euro vorgesehen. Das Thema Demenz ist sehr qualifiziert mit den Fachkolleginnen und Fachkollegen der Fraktionen besprochen worden. Es wird einiges auf den Weg gebracht. Ich teile auch in diesem Fall nicht Ihre Auffassung. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die SPD bisher aber immer getan!) Jetzt komme ich zu dem Punkt Querschnittsaufgaben, Maßnahmen, Finanzen. Da ist meine Erfahrung: Das ist ein spannendes Ministerium. Es gibt herausragende Themen. Davon sind alle Generationen betroffen. Große Herausforderungen, große Themen und große Aufgaben stehen vor uns. Dazu gebe ich den Kolleginnen und Kollegen den Hinweis: Querschnittsaufgaben im Bereich Pflege und Gesundheit werden auch bei der Kollegin Schwesig im Familienministerium wahrgenommen. Zu nennen sind hier weiter die Fachkräfteoffensive im Pflege- und Sozialbereich, die Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege – auch das ist ein ganz wichtiges Thema, wenn wir die Stärkung der Kommunen wollen –, die medizinische Rehabilitation, Entgeltersatzleistungen für Arbeitsuchende und insbesondere für befristet beschäftigte Schwangere, Leistungsverbesserungen für demenziell Erkrankte, Schnittstellen zum Bereich Bildung und Forschung. Das sind die Themen, die wir im Rahmen der Haushaltsberatungen benannt und analysiert haben. Sie müssen jetzt natürlich noch im Fachausschuss inhaltlich beraten werden. Eines möchte ich noch hervorheben, und zwar den Bereich der Kindergesundheit. In diesem Haushalt wird diese Leerstelle wieder mit Geld gefüllt, mit 500 000 Euro. In vielen Bereichen – das ist schon angesprochen worden – geht es um den Gesundheitszustand insgesamt. Hier sollten wir in der Tat bei den Jüngsten anfangen. Im Haushalt 2014 stehen also 500 000 Euro für unterschiedliche Projekte zur Verfügung. Gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung. Da gibt es zwölf weitere Maßnahmen. Für Aufklärung zur Organspende stellen wir 7,5 Millionen Euro ein, für die Aufklärungskampagne zur Steigerung der Durchimpfung 3 Millionen Euro und für die Kampagne zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen 2,1 Millionen Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt komme ich noch einmal zum Thema Organspende. Die Aufstockung der Mittel für die Aufklärung zur Organspende geschieht vor dem Hintergrund, dass in dem Bereich unverantwortlich gehandelt wurde. Es sind nicht alle Ärzte und schon gar nicht alle Krankenhäuser betroffen, aber schon die einzelnen Fälle, die Verhaltensweisen einzelner Verwaltungschefs haben möglicherweise dazu geführt, dass die Menschen den Organspendeausweis zwar ausfüllen, aber das Kreuz nicht an der richtigen Stelle machen. Insofern haben wir wie folgt entschieden: Um gerade diesem Missstand, diesem Missbrauch und diesen Fehlentscheidungen, die da getroffen worden sind – es ist ein Skandal; ich nenne es auch so –, zu begegnen, wollen wir die Mittel für die Kampagne aufstocken und in der Bevölkerung noch einmal dafür werben, dass wieder in stärkerem Maße Organspendebereitschaft erklärt wird. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Frage der Kontrolle und Transparenz!) Jetzt spreche ich die Haftung an; unabgestimmt, aber in anderen Bereichen reden wir auch über Haftungsfragen. Wenn der einzelne Arzt oder einzelne Krankenhausleitungen so unverantwortlich handeln, muss man -darüber nachdenken, ob in diesem Fall die gesamtgesellschaftliche Haftung greift. Es kann nicht sein, dass wir noch einmal so viel Geld investieren, um solche Dinge auszumerzen. Über die Bekämpfung von Aids haben wir schon gesprochen. Frau Professor Pott von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat uns in den Gesprächen noch einmal sehr deutlich gemacht, wie wichtig im Bereich Aids die Aufklärung ist. Die Infektionszahlen gehen zwar zurück, aber trotzdem muss in diesem Bereich eine ganze Menge investiert werden. Bei den Drogen ist es ähnlich. Es entstehen immer wieder neue Drogen, gerade in Grenzregionen. Wir werden auf das Thema eingehen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“. Wenn wir Haushälter nicht so darauf gedrungen hätten, dass bereits im Haushalt 2014 wieder Gelder bereitgestellt werden, dann wäre dieser Titel nicht mehr aufgetaucht. Es kann einfach nicht sein, von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr Mittel einzustellen, sondern es muss eine gesellschaftspolitische Verpflichtung sein, ein ganz klares Ja zu sagen. Die 400 Betroffenen, die zurzeit noch leben, müssen sich auf unsere Aussage verlassen können. Wir haben 10 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Aber die fortfolgenden Jahre nach 2017 müssen angegangen werden. Daran müssen wir arbeiten. Zum Thema Hebammen. Für mich ist wichtig, dass die Frauen, die werdenden Mütter, die Familien, die Väter, die Eltern entscheiden können, welche Hebamme sie wollen. Ich möchte als Politikerin kein Bindeglied zwischen Arzt, Krankenkassen, Versicherungen und der Hebamme sein. Ich möchte politisch entscheiden. Das heißt, ich möchte den betroffenen Frauen die Möglichkeit geben, sich für eine Hebamme entscheiden zu können. Ich bedanke mich bei allen ganz herzlich, den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern, bei allen, die dazu beigetragen haben, dass wir für 2014 einen guten und runden Haushalt eingebracht haben. Insbesondere bedanke ich mich bei meinem Kollegen Herrn Blienert und meiner Kollegin Hilde Mattheis. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin normalerweise sehr großzügig, aber ich werde im weiteren Verlauf der Debatte stark auf die Einhaltung der Zeit achten müssen; denn wir haben Sondersitzungen der Fraktionen vereinbart. Sonst verschiebt sich alles nach hinten. Nächster Redner in der Debatte ist für die Bundesregierung der Minister Hermann Gröhe. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst darf auch ich mich herzlich bedanken bei der Kollegin Hauptberichterstatterin, bei den Mitberichterstattern für den engagierten Einsatz rund um den Etat des Einzelplans 15, beim Haushaltsausschuss insgesamt für die konstruktive Zusammenarbeit in den letzten Wochen. Ich glaube, es ist uns gemeinsam gelungen, einen Haushaltsplan aufzustellen, der seinen Beitrag dazu leistet, dass wir auch für die Zukunft eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für die Menschen in unserem Land sichern. Es freut einen natürlich besonders, wenn sogar die Opposition sagt: Wir wollen den Minister unterstützen. Ich danke dafür, bitte aber auch, sich in öffentlicher Debatte von Haushaltsklarheit und wahrheit leiten zu lassen. Ich werde mir erlauben, zu den Bereichen Bundeszuschuss und Kassenbeiträge, Pflege und Hebammen das eine oder andere anzumerken, damit der von der -Opposition betriebenen Legendenbildung rechtzeitig widersprochen wird. Meine Damen, meine Herren, ich beginne mit dem Thema Beitragssatz, Beitragsentwicklung, Lage in der gesetzlichen Krankenversicherung, Bundeszuschuss. Ja, es ist so: Die gesetzliche Krankenversicherung ist gut finanziert. Sie hat im vergangenen Jahr deutliche Überschüsse erzielt. Sie verfügt über hohe Rücklagen: 13,6 Milliarden Euro in der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und in den Kassen insgesamt noch einmal über 17 Milliarden Euro. Wann hat es dies zuletzt gegeben? Kollegin Hinz hat entsprechende Stellungnahmen zitiert. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir leisten aus der Liquiditätsreserve einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung; das ist wahr. Aber es bleibt unverändert bei 14 Milliarden Euro, die aus Steuermitteln bzw. aus dem Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen bereitgestellt werden. Es ist falsch, dass deswegen Krankenbehandlungen nicht finanziert werden könnten oder deswegen irgendein Beitragssatz erhöht würde; das entspricht nicht der Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen genauer hinsehen!) Wahr ist, dass wir die prall gefüllte Liquiditätsreserve nutzen, um durch eine wachstumsorientierte Haushaltskonsolidierung unsererseits einen Beitrag zu sicheren Arbeitsplätzen zu leisten, die notwendige Grundlage eines solidarischen Gesundheitswesens sind. Wir haben sehr deutlich gesagt: Wir wissen, dass die Alterung der Gesellschaft und der medizinische bzw. medizinisch-technische Fortschritt zu eher steigenden Gesundheitsausgaben führen werden. Deshalb haben wir bereits im Haushaltsbegleitgesetz festgelegt, dass der Bundeszuschuss wieder auf 14 Milliarden Euro bzw. auf dann 14,5 Milliarden Euro erhöht werden muss. Es ist falsch, jetzt in irgendeiner Weise Panik zu machen; das sage ich auch angesichts mancher Kassandrarufe aus der letzte Woche rund um das Thema Beiträge. Tatsache ist, dass der in Zeiten rot-grüner Bundesregierung eingeführte gesetzliche Zusatzbeitrag von 0,9 Beitragssatzpunkten zukünftig entfällt. Stattdessen entscheiden die einzelnen Kassen selber, in welcher Höhe sie einen einkommensabhängigen Beitrag erheben. Bereits im April haben sieben Krankenversicherungen mit mehr als 9 Millionen Versicherten angekündigt, dass sie mit einem individuellen Beitrag von weniger als 0,9 Prozent auskommen werden. Der Wettbewerb wirkt also; darauf habe ich bereits vor wenigen Wochen hier an dieser Stelle hingewiesen. Ungeachtet der Beitragsdebatte der letzten Woche hat just am Samstag die AOK PLUS, der Marktführer in Sachsen und Thüringen mit 2 Millionen Versicherten, erklärt, dass sie den Beitrag senken will. Es zeigt sich: Der Wettbewerb greift. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie weisen in den Debatten zum Teil auf die Finanzzahlen des ersten Quartals hin. Das erste Quartal fällt in Bezug auf die Beitragseinnahmen gewöhnlich etwas schwächer aus als das vierte Quartal. Außerdem weist es negative Zahlen in Höhe von 270 Millionen Euro auf. Die Wahrheit ist aber eben auch, dass davon allein 240 Millionen Euro auf Prämienausschüttungen und über 50 Millionen Euro auf freiwillige Leistungsverbesserungen entfallen. Die Krankenkassen handeln im Sinne der Versicherten, wenn sie zu hohe Beiträge über Prämien rückerstatten. Sie sind keine Sparkasse. Dieses Verhalten liegt also im Interesse der Versicherten in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Natürlich sind wir verpflichtet, erstens für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen – das tun wir, beispielsweise beim Risikostrukturausgleich – und zweitens den Ausgabenanstieg im Blick zu behalten. Eine der ersten Aktivitäten dieser Bundesregierung im Bereich der Gesundheitspolitik war es, durch das 14. SGB-V-Änderungsgesetz den Preisstopp für Arzneimittel zu verlängern und den Herstellerrabatt auf 7 Prozent festzuschreiben. Das erspart der gesetzlichen Krankenversicherung 650 Millionen Euro im Jahr. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, dass die schwarz-gelbe Politik schlecht war!) Das heißt, unsere Politik setzt auf Wettbewerb, auf Qualität – das neue Qualitätsinstitut ist genannt worden – und auf Wirtschaftlichkeit. Genau das ist der Dreiklang, mit dem wir gute Strukturen für die Versicherten in diesem Land erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwarz-Gelb hat versagt!) Uns ist es wichtig, dass es dabei bleibt: Die Menschen können sich, wo auch immer sie leben und wie prall ihr Geldbeutel gefüllt ist oder eben auch nicht, darauf verlassen, dass sie eine gute Versorgung bekommen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie lange noch?) Deswegen ist die ausreichende Versorgung mit Hausärzten so ein wichtiger Punkt auf der Agenda der Bundesregierung. Wir haben die Hausarztverträge bereits gestärkt und werden im Sommer an Maßnahmen aus der letzten Legislaturperiode anknüpfen und weitere Anreize für die Niederlassung im ländlichen Raum schaffen. Deswegen werden wir natürlich die Vorschläge des Sachverständigenrats, der am 30. September 2014 im Rahmen einer fachöffentlichen Veranstaltung hier in Berlin tagt, intensiv diskutieren. Uns ist wichtig, dass auch weiterhin gilt, dass es gerade in einer älter werdenden Gesellschaft, in der immer häufiger Mehrfacherkrankungen vorkommen, eine gute, auch die Sektoren überschreitende, integrierte Versorgung gibt. Wir haben da mit Einführung der spezialfachärztlichen Versorgung, die Ambulantes und Stationäres zusammenführt, bereits Wichtiges getan. Der Innovationsfonds wird künftig mit 300 Millionen Euro im Jahr ausgestattet. Genau solche innovativen sektorübergreifenden Versorgungsformen sollen besonders gefördert werden, damit wir der veränderten Lage bei den Erkrankungen in unserem Land in angemessener Weise Rechnung tragen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren schon einmal viel weiter!) Dazu gehört für mich auch – hier sehe ich gesetzgeberischen Handlungsbedarf – eine verstärkte Nutzung der Möglichkeiten der Telemedizin. Hier eröffnen sich viele Möglichkeiten. Ich habe vor kurzem mit einem Schlaganfallpatienten gesprochen, dessen Herzschrittmacher die entsprechenden Daten permanent an die überwachende Arztpraxis überträgt, die dann die Möglichkeit hat, Vorhofflimmern im Anbeginn, noch bevor Schwierigkeiten überhaupt spürbar sind, zu entdecken und die Medikation darauf einzustellen. Wir müssen bei der Nutzung dieser Formen moderner Medizin vorankommen. Da gab es zu lange Streit. Wir werden da jetzt wirklich Gas geben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dann möchte ich etwas zum Thema Pflege sagen. Mit welch leichter Hand hier so getan wird, als ob da nichts geschähe! Das entspricht nun wirklich nicht der Wahrheit. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geschieht das Falsche!) Wir werden das Leistungsvolumen der parititätisch finanzierten Pflegeversicherung in dieser Legislaturperiode um am Ende insgesamt 5 Milliarden Euro pro Jahr, also um mehr als 20 Prozent erhöhen, und wir beginnen damit zum 1. Januar nächsten Jahres. Frau Deligöz, ausgerechnet die Dementen, von denen Sie gerade behauptet haben, wir ließen sie im Stich, profitieren wesentlich von den Leistungsverbesserungen. Denn beispielsweise machen wir ab dem 1. Januar 2015 Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege und all die Dinge, die bisher überhaupt erst ab Zuerkennung der Pflegestufe 1 zur Verfügung standen, allen Angehörigen von Pflegebedürftigen der Pflegestufe 0 zugänglich, die in der Familie häufig sehr stark gefordert sind. Es hätte sich gehört, diese Leistungsverbesserungen für Demente und ihre Angehörigen hier zu erwähnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Natürlich handeln wir in Bezug auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff – gar keine Frage. Auch da wird Tempo gemacht: Zeitgleich mit dem Kabinettsbeschluss zum ersten Pflegestärkungsgesetz, zu den Leistungsverbesserungen zum 1. Januar nächsten Jahres, haben wir einen flächendeckenden Versuch zur Bewertung des neuen Begutachtungsverfahrens gestartet. Der Expertenbeirat zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs hat eine solche Erprobungsphase ausdrücklich verlangt. Wir führen sie durch. Wir haben gesagt: Das muss zügig geschehen. In diesem Sommer finden 4 000 Begutachtungen parallel nach altem und neuem Begutachtungsverfahren statt. Wir werden die Ergebnisse im vierten Quartal auswerten und zu Beginn des neuen Jahres zum Gegenstand der Erarbeitung des zweiten Pflegestärkungsgesetzes machen. Also wird auch bei der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs Tempo gemacht. Dann haben Sie die Hebammensituation angesprochen. Das war ein bisschen viel Demo und ein bisschen wenig Sachkenntnis. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich kann nur eines sagen: Ich habe diesem Haus am 29. April den Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ zugeleitet und die Vorstellung am 30. April mit konkreten Vorschlägen zur Qualitätssicherung, zum Sicherstellungszuschlag und zur Datenlage verbunden. Der Bundestag hat in der ersten Juniwoche entsprechende Beschlüsse gefasst. Wenige Wochen nachdem ich die Vorschläge unterbreitet habe – drei Sitzungswochen später –, sind sie in diesem Haus per Gesetz beschlossen worden. Das ist zügiges Handeln. Es bleibt Weiteres zu tun. Da geben wir Gas; da brauchen wir keine Ermahnungen. Wir sind da auf einem guten Weg. Die Menschen in unserem Land, vor allem die Hebammen, können sich auf unsere Unterstützung verlassen. Meine Damen, meine Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und für die Mitarbeit am Haushalt. Ich bitte Sie um Zustimmung. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Harald Weinberg. (Beifall bei der LINKEN) Harald Weinberg (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich will ich zu unseren Änderungsanträgen reden. Dennoch will ich kurz auf Dinge eingehen, die Herr Heiderich, Frau Hinz und Herr Minister Gröhe gesagt haben. Herr Heiderich, in dem Augenblick, in dem Sie ausgesprochen haben, dass es im Gesundheitsfonds und bei den Kassen eine Rücklage von 30 Milliarden Euro gebe, ist diese Rücklage wieder um einige Millionen abgeschmolzen; das muss man sehen. Im Jahr werden insgesamt 195 Milliarden Euro an Versicherungsbeiträgen sozusagen verteilt; das sind pro Tag gut 0,5 Milliarden Euro. Wir haben die Situation, dass inzwischen etliche Krankenkassen im operativen Geschäft, also im Jahresvergleich, rote Zahlen schreiben, das heißt, dass sie auf ihre Rücklagen zurückgreifen müssen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) Frau Hinz, zu den Rücklagen im Gesundheitsfonds. Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme etwas anderes gesagt. Er hat unter anderem ausgeführt, dass 2015 die Situation eintreten kann, dass die im Gesundheitsfonds enthaltene Mindestreserve, die etwa bei 9 Milliarden Euro liegt, unterschritten wird und dass man dann logischerweise entweder die Beiträge erhöhen muss – was man nicht tun wird – oder aber die Zuweisungen an die Krankenkassen vermindern muss. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist völliger Quatsch! Sie haben das Problem nicht verstanden!) Das bedeutet, dass die Krankenkassen wiederum ihre Rücklagen aufbrauchen, was dazu führt, dass die Zusatzbeiträge relativ schnell eingeführt werden könnten. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein Seminar zum Gesundheitsfonds!) Jetzt möchte ich auf unsere Änderungsanträge eingehen. Zum ersten Änderungsantrag zum Thema Krankenhausinvestitionen. Bei der Krankenhausfinanzierung ist es derzeit alleinige Aufgabe der Länder, für Gebäude, Großgeräte und Instandhaltung zu sorgen. Die Länder kommen dieser Aufgabe aber nur noch schlecht nach. 1991 zahlten sie dafür 3,6 Milliarden, jetzt etwa 2,6 Milliarden Euro. Das entspricht, wenn man die Inflationsrate berücksichtigt, gegenüber 1991 einer Halbierung. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Brandenburg ist bestimmt vorn!) Es ist bereits abzusehen, dass die Situation eher noch schlechter als besser werden wird; denn bis Ende dieses Jahrzehnts treten auch noch die Schuldenbremsen der Länder in Kraft. Das Ganze erhöht im Übrigen auch noch den Privatisierungsdruck, vor allen Dingen bei kleineren öffentlich-rechtlichen und frei-gemeinnützigen Krankenhäusern in der Fläche, weil es denen kaum möglich ist, Investitionen über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Insofern geht es uns mit dem vorliegenden Änderungsantrag auch darum, der absehbaren nächsten Übernahmewelle durch große Klinikkonzerne entgegenzutreten. Die Sicherstellung der stationären Versorgung muss aus unserer Sicht eine öffentliche Aufgabe bleiben. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb wollen wir, dass der Bund 2,5 Milliarden Euro für Krankenhausinvestitionen dazugibt. Für jeden Euro, den die Bundesländer zusätzlich investieren, soll der Bund 1 Euro drauflegen. Anders ist aus unserer Sicht der Investitionsstau, der inzwischen auf 50 Milliarden Euro geschätzt wird, nicht zu stemmen. Weder können veraltete bzw. fehlende Geräte, unzeitgemäße, unpraktische und unhygienische Bauten die Zukunftsvision vieler Krankenhäuser sein, noch darf der Verkauf an Klinikkonzerne der letzte Ausweg für die Krankenhausträger sein. Wir fordern das ja inzwischen seit mehreren Wahlperioden. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, heißt das Sprichwort. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Union hat vor kurzem über die Beteiligung des Bundes an den Krankenhausinvestitionen gesprochen. Die Koalitionsdisziplin wird Union und SPD heute sicherlich wieder dazu bewegen, unseren Änderungsantrag mit ihrer Mehrheit wegzustimmen, aber ich bin zuversichtlich, dass unsere Idee bald umgesetzt werden wird. Anders geht es nämlich nicht mehr. Auch die Länder sollten das einsehen, weil sonst die staatliche Krankenhausplanung insgesamt auf der Kippe steht und von einer Finanzierung durch die Krankenkassen abgelöst werden wird. Wer wie wir will, dass die Krankenhausplanung eine öffentliche und politische Aufgabe bleibt, kann das nicht wollen. (Beifall bei der LINKEN) Zum zweiten Änderungsantrag, in dem es um nichtkommerzielle Pharmaforschung geht. Bei der Erforschung neuer Arzneimittel gibt es ein Problem, und zwar ein grundsätzliches, das wir dringend lösen müssen, weil die kommerzielle Pharmaindustrie es nicht lösen kann. Ein Pharmaunternehmen erforscht neue Wirkstoffe nicht in erster Linie, weil es Kranken damit helfen kann – sicher auch –, sondern es hat, wie jedes Unternehmen, ein Interesse: Profitabilität. Wenn aber klar ist, dass mit einem an sich sinnvollen Medikament kein Gewinn zu machen ist, dann wird auch nicht weiter geforscht. Das ist so bei Medikamenten, die gegen seltene Erkrankungen helfen, die also nur eine kleine Absatzgruppe, einen kleinen Markt, haben. Das ist auch der Fall bei armutsassoziierten Krankheiten wie Malaria, Wurmkrankheiten oder Denguefieber. Zigmillionenfach treten diese Krankheiten auf, Millionen Menschen sterben jedes Jahr daran, aber geforscht wird wenig. Deshalb fordern wir jährlich eine halbe Milliarde Euro für die nichtkommerzielle Erforschung der Medikamente gegen diese Krankheiten. Die kleinen Ansätze, die es bisher gibt, etwa die Fördermaßnahmen des Forschungsministeriums mit gut 5 Millionen Euro, reichen bei weitem nicht aus. Ich möchte darauf hinweisen – sonst könnte man jetzt sagen, das ist wieder eine sozialistische Marotte von uns –: Die USA haben bereits 2009 1,5 Milliarden Dollar öffentliche Gelder in die Erforschung vernachlässigter Krankheiten gesteckt. Das ist das 200-Fache von dem, was die Bundesregierung derzeit plant. Mit unserer Forderung könnten wir uns also auf Augenhöhe mit den USA bewegen. (Beifall bei der LINKEN) Thema Drogenforschung. Die Bundesregierung will die Mittel für Modellmaßnahmen und Forschungsvorhaben zum Drogenmissbrauch um 500 000 Euro auf 2,9 Millionen Euro senken. Das halten wir für falsch. Wir fordern, diese Kürzung rückgängig zu machen. Es gibt großen Forschungsbedarf, vor allem was die Wirksamkeit der bestehenden Illegalisierung des Drogenkonsums angeht. Viele namhafte Experten gehen davon aus, dass das heutige Drogenstrafrecht mehr schadet als nutzt. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie uns diese ideologieverblendete Diskussion endlich auf eine sachliche Grundlage stellen und wissenschaftlich erforschen, ob eine Legalisierung und Regulierung von Drogen und ihres Konsums hilfreicher sein könnten als eine moralisch verbrämte Verbotspolitik. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Änderungsantrag zum Drug-Checking betrifft ebenfalls das Thema Drogen. Wir fordern 400 000 Euro für die Erforschung von Drug-Checking. Worum geht es dabei? Das ist vergleichbar mit dem bayerischen Reinheitsgebot bei der Droge Nummer eins, dem Bier. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Jetzt reicht es aber! Kulturgut, Herr Kollege!) Drug-Checking bedeutet, dorthin zu gehen, wo viele Menschen Drogen konsumieren, und ihnen vor Ort einen Test anzubieten, um festzustellen, wie rein bzw. wie verunreinigt die entsprechenden Drogen sind. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Weinberg, denken Sie bitte an die Zeit. Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich komme gleich zum Schluss. – Das hat mehrere Vorteile: So können Schädigungen durch Verunreinigungen verhindert werden, man kann Daten über die Qualität der jeweiligen Drogen erheben, und man hat die Gelegenheit, die Konsumentinnen und Konsumenten über die Substanzen zu informieren. In Österreich, den Niederlanden und der Schweiz hat man damit gute Erfahrungen gesammelt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Weinberg! Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich denke, all diese Themen sind wichtig und müssen auch von Ihnen behandelt werden. Ich befürchte, Sie werden unsere Änderungsanträge nicht mit beschließen. Die Themen können Sie aber nicht vom Tisch wischen. Sie werden uns erhalten bleiben und weiter beschäftigen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Burkhard Blienert, SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Burkhard Blienert (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan, den wir jetzt beraten, ist gemessen am Gesamthaushalt mit rund 11 Milliarden Euro eher ein kleinerer Einzelplan. Bekanntermaßen sind von diesen 11 Milliarden Euro – das wurde heute schon mehrfach gesagt – 10,5 Milliarden Euro durch den Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds festgelegt. Den restlichen Haushaltsmitteln von 500 Millionen Euro stehen die Milliarden gegenüber, die im gesamten Gesundheitssystem bewegt werden und den Gesamteindruck prägen. Laut GKV summierten sich die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung 2012 auf 173 Milliarden Euro. Das ist natürlich noch nicht alles. Das bestimmt meistens die öffentliche Debatte über die Gesundheitsversorgung in Deutschland, so auch heute in unserer Haushaltsdebatte. Auch wenn der Anteil des Einzelplans 15 – abgesehen vom Zuschuss – eher gering ist, sind die Wirkungen insgesamt nicht kleinzureden, da wichtige Projekte dadurch an- und durchfinanziert werden können. Mit dem Haushalt 2014, der aufgrund des fortgeschrittenen Jahres jedoch nur noch begrenzte Wirkung entfalten wird, stellen wir die Weichen für die kommenden Jahre. Davon abgesehen besteht natürlich noch viel Reformbedarf im Bereich des Gesundheitswesens. Diesen Herausforderungen haben wir uns als Koalition gestellt – ich möchte Beispiele nennen –: Wir waren es, die das Preismoratorium für Arzneimittel noch im Dezember 2013 bis 2017 verlängert haben. (Beifall der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD] – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was wir schon im Juni gefordert haben!) Wir waren es, die das Instrument der unsozialen Kopfpauschalen abgeschafft haben. Das ist Politik nach dem Motto: „Gesagt. Getan. Gerecht.“ Das ist Ausdruck einer verlässlichen und gerechten Gesundheitspolitik. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr hättet es ja gerne schnell gemacht, mit schweren Fehlern! Das hat die Opposition noch gerettet!) Nun zu den anstehenden Herausforderungen. Die Koalition arbeitet ihre gesundheitspolitische Agenda Punkt für Punkt weiter ab, ohne dabei die Zahlen insgesamt aus den Augen zu verlieren. Wir beschließen daher Maßnahmen, die solide gerechnet und finanziert sind. Wir schieben die Reformen an, die den Bürgerinnen und Bürgern ein Leben mit einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung und -vorsorge ermöglichen. Damit bin ich bei den beiden Punkten, die in den nächsten Monaten anstehen: Pflege und Prävention. An dieser Stelle kommt der Bundeshaushalt des BMG ins Spiel. Im Pflegebereich stehen uns große gesellschaftliche Herausforderungen bevor. Wir setzen uns mit einem Teil dieser Probleme auseinander und stellen in dieser Legislaturperiode in zwei Stufen insgesamt 6 Milliarden Euro für die Pflegekassen zusätzlich zur Verfügung. Bis 2030 gehen Experten zusätzlich von 1 Million Hilfebedürftiger aus. Der Anteil der demenziell Erkrankten wird dementsprechend ansteigen, und der steigende Anteil der professionellen Pflege wird mit einem sich erhöhenden Personalbedarf einhergehen. Es gibt noch viele weitere Herausforderungen, die jeder anschaulich beobachten kann, der vor Ort in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen unterwegs ist. Im Bereich der Pflege haben wir jetzt 3 Millionen Euro für eine Pflegekampagne eingestellt. Ich glaube, das ist auch dringend notwendig, um weiter Aufklärung und Information zu betreiben. (Beifall bei der SPD) Mit diesem Geld können Programmmaßnahmen finanziert werden, und es kann die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs realisiert werden. Zudem können Fachkampagnen durchgeführt werden, um für die Pflegeberufe zu werben und deren Attraktivität zu steigern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch im Bereich der Prävention gilt es, ähnlich dicke Bretter zu bohren. Prävention muss als Querschnittsaufgabe begriffen werden. Arbeitsschutz und geschlechtsspezifische Krankheitssymptome müssen verstärkt in den Fokus der Gesundheitspolitik gerückt werden. Das Präventionsgesetz, welches wir uns für die Legislaturperiode vorgenommen haben, wird hierzu Antworten finden und Regelungen vorsehen. Prävention braucht aber auch Mittelerhöhungen für Gesundheitsförderung bzw. für die Arbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Daher werden auch hier über 43 Millionen Euro für den Bereich Prävention und Aufklärungsarbeit aufgebracht. Allein für den Bereich Drogen- und Suchtmittelmissbrauch stehen über 12 Millionen Euro zur Verfügung. Im Bereich HIV/Aids stehen über 13 Millionen Euro zur Verfügung. Auch hier gibt es ein deutliches Plus. Aus meiner Sicht ist es besonders erfreulich, dass die BZgA insgesamt 4 Millionen Euro mehr als 2013 bekommt und somit ihre wichtige Aufklärungsarbeit fortführen kann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben es geschafft, einen weiteren wichtigen Akzent zu setzen. Den möchte ich nochmals in Erinnerung rufen: 10 Millionen Euro mehr zur Sicherung der HIV-Aids-Stiftung sind im Haushalt aufgrund der parlamentarischen Beratungen in den Ausschüssen verankert worden. Das ist ein großer Fortschritt. Es ist kein großes Geheimnis, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an manchen Stellen weitergehende Reformvorstellungen im Gesundheitsbereich haben. Wir werden diese auch nicht aufgeben. Es ist aber nun einmal unsere Aufgabe, das Realisierbare anzugehen und umzusetzen. Wir Sozialdemokraten haben an unterschiedlichen Stellen Kürzungen des schwarz-gelben Haushaltsentwurfs rückgängig gemacht. Schwerpunkte haben wir auf die Bereiche „Prävention“ und „Pflege“ gelegt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Haushalt 2014 sichert den Fortbestand von Maßnahmen und Projekten zur Suchtaufklärung und Drogenberatung. Er sichert die Aufklärungsarbeit der BZgA. Mit dem neuen Titel zur Pflegekampagne geben wir eine Antwort auf den demografischen Wandel und stärken den gesamten Pflegebereich. Auch die Beschlüsse über den Zuschuss für den Gesundheitsfonds sind verantwortbar, auch wenn in den Jahren 2014 und 2015 der befristete Bundeszuschuss sinkt und erst wieder ab 2016 sein Ausgangsniveau erreichen wird. Im Jahr 2017 wird er auf jährlich 14,5 Milliarden Euro steigen. Er ist also schwankend. Angesichts der Rücklagen ist dieses aber vertretbar. So ergeben sich nicht zwingend Auswirkungen auf die Beitragshöhe der Beitragszahlerinnen und -zahler. Die Aussagen der Experten bei der öffentlichen Anhörung hierzu haben dies deutlich klargestellt. Natürlich bleiben immer Fragen offen – wie eben die Bewertung der versicherungsfremden Leistungen. Das ist ein Problem, das wir an dieser Stelle aber nicht lösen können, sondern das müssen wir als Aufgabe mitnehmen und im Ausschuss beraten. Die Koalition handelt, ihre Maßnahmen wirken. Die Opposition täte gut daran, die richtigen Weichenstellungen an der Stelle mitzutragen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kordula Schulz-Asche von Bündnis 90/Die Grünen ist die nächste Rednerin. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ohne Hellseherin zu sein, ist mir völlig klar, dass mit dieser schwarz-roten Regierung die wachsenden Probleme im deutschen Gesundheitswesen nicht annähernd gelöst werden. Die Große Koalition bietet keine Vision, wie die Gesundheitsversorgung in Zukunft aussehen soll und wie diese solidarisch finanziert werden kann. Demografischer Wandel und Fachkräftemangel seien hier beispielhaft erwähnt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stattdessen doktert Schwarz-Rot an einzelnen Stellschrauben eines zunehmend maroden Systems herum. Zwar werden mit Minimalkompromissen einzelne Punkte aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet, jedoch bleibt es die nächsten Jahre bei der ungerechten und unsinnigen Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Es bleibt dabei, dass die gesetzlich Versicherten die absehbaren Kostensteigerungen alleine tragen müssen. Es bleibt dabei, dass die Über- und Unterversorgung sowie die Fehlanreize weiter existieren. Es bleibt dabei, dass wichtige Vorhaben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, wie die Einführung des neuen Pflegebegriffs, eine Krankenhausreform oder das Präventionsgesetz. Diese Koalition verschleppt alle Reformen, die den Patienten und ihren Angehörigen, den Versicherten und den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen würden. Es bleibt bei notdürftigen Reparaturen in der Krankenversorgung. Von einer modernen Gesundheitspolitik ist diese Regierung meilenweit entfernt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. Schwarz-Rot hat sich ins Stammbuch, also in den Koalitionsvertrag, folgenden Satz geschrieben: Wir werden noch 2014 ein Präventionsgesetz verabschieden, das insbesondere die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kita, Schule, Betrieb und Pflegeheim und die betriebliche Gesundheitsförderung stärkt und alle Sozialversicherungsträger einbezieht. Im März versprach Staatssekretärin Fischbach, dass im Frühsommer 2014 – das ist ungefähr jetzt – Eckpunkte für ein Präventionsgesetz vorgelegt würden. Letzte Woche haben wir erfahren, Herr Minister Gröhe, dass der Starttermin für das Präventionsgesetz auf Januar 2015 verschoben wurde. Herr Heiderich hat hier so getan, als wäre das Präventionsgesetz schon da. Sie, Herr Minister Gröhe, haben in Ihrer Rede erstaunlicherweise überhaupt keinen Ton dazu gesagt. Was ist denn da jetzt die Fortsetzung? (Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Legislatur-periode hat vier Jahre! Man kann nicht alles in sechs Monaten machen!) Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir geben Gas. – Aber das, was Sie beim Präventionsgesetz machen, erinnert mich eher an einen Eierlauf mit Hindernissen. Nach wie vor streiten sich Union und SPD über die wesentlichen Inhalte dieses Gesetzes. Inwieweit sollen die Länder und Kommunen für Prävention zuständig sein? Welcher Stellenwert soll auf Lebenswelten bezogenen Aktivitäten eingeräumt werden? Wie kann eine vernünftige und nachhaltige Finanzierung aussehen? Warum, so fragt man sich, übernimmt man nicht entsprechende Gesetzentwürfe aus der rot-grünen Regierungszeit, Entschließungen des Bundesrates oder Anträge der Opposition, darunter übrigens auch einige der SPD, aus der letzten Wahlperiode? (Jens Spahn [CDU/CSU]: Die haben es offensichtlich nicht bis zum Abschluss geschafft!) Was ist eigentlich das Problem? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Für uns Grüne steht nach wie vor fest: Wir brauchen ein Präventionsgesetz, das an den Problemen der Menschen und ihren Lebenswelten ansetzt, das die Kompetenzen der Menschen und ihre Beteiligung an der Gestaltung ihrer Umwelt stärkt sowie endlich einen Beitrag zum Abbau sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen leistet. Deshalb erneuern wir Grüne heute unseren Appell: Die Zukunft der Prävention und der Gesundheitsförderung kann nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Kommunen gestaltet werden. Dafür braucht es aber Mut für einen Paradigmenwechsel. Dieser ist bei Ihnen, bei dieser Großen Koalition, bisher leider nicht zu erkennen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Jens Spahn, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Jens Spahn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Irgendwie schaffen Sie es ja immer, den Gesundheitsdebatten vorzusitzen. Ich weiß nicht, ob das in Reminiszenz an alte Zeiten ist, (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie weiß wenigstens, worum es geht!) aber wir freuen uns sehr darüber. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Alles Zufall oder irgendwelche dunklen Mächte. Jens Spahn (CDU/CSU): Ich glaube, jede Gesundheitsdebatte dieser Legislaturperiode war bisher von Ihnen präsidiert. Es freut uns natürlich sehr, dass Sie uns dabei begleiten. Frau Kollegin, Sie haben gerade gesagt, Ihnen ginge das alles zu langsam. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich fragte, ob überhaupt was geht!) Ich glaube, Sie sollten einmal einen Strich unter die ersten sechs Monate ziehen und sich ansehen, was wir in der Gesundheitspolitik – übrigens in einer seltenen Einigkeit im Vergleich zu den letzten Legislaturperioden – geschafft haben, umzusetzen. Das reicht von der Pharmaspargesetzgebung, die schon erwähnt wurde, über eine neue Systematik in der GKV-Finanzierung, die einerseits den Wettbewerb sicherstellt, gleichzeitig aber auch eine jahrelange alte Auseinandersetzung, die es hier im Haus gegeben hat, befriedet, bis hin zu dem, was wir gerade zur Pflege vorliegen haben, und zu den Planungen zum Versorgungsgesetz und zum Präventionsgesetz in der zweiten Jahreshälfte. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder ein neues Datum: zweite Jahreshälfte!) Wenn man sich dies ansieht, kann man, glaube ich, mit Fug und Recht sagen: Gesundheitspolitik ist zu Beginn einer Legislaturperiode noch nie so inhaltstief, so kon-struktiv und mit so vielen guten Ergebnissen in wenigen Monaten gemacht worden, wie es in den letzten Monaten gelungen ist. Es mag Ihnen schwerfallen, das anzuerkennen. Aber ich glaube, unter dem Strich kann man das so sagen. Wir sind auch ein Stück weit stolz darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wenn man sich die Situation der gesetzlichen Krankenversicherung anschaut, muss man sagen: Sie steht allen Unkenrufen zum Trotz gut da. Das hat in finanzieller Hinsicht natürlich mit der guten wirtschaftlichen Entwicklung zu tun; das gilt auch für die anderen sozialen Sicherungssysteme und für den Bundeshaushalt. Es hat aber auch damit zu tun – das vergisst der eine oder andere –, dass wir in den Jahren 2010 und 2011 einen harten Sparkurs gefahren haben, der den Beschäftigten im Gesundheitswesen eine Menge abverlangt hat. Aber dadurch ist es – im Verbund mit der guten wirtschaftlichen Entwicklung – gelungen, von einem drohenden großen Defizit im Jahr 2010 in eine Situation zu kommen, die wir in den sozialen Sicherungssystemen über Jahrzehnte nicht hatten: dass wir Überschüsse und Rücklagen zu verzeichnen haben. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind alles Gelder der Versicherten!) Rücklagen sind die beste Vorsorge für eine gute Versorgung in der Zukunft. Deswegen freue ich mich erst einmal darüber, dass wir Rücklagen haben und dass die gesetzliche Krankenversicherung gut dasteht. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das denn bezahlt?) Da hilft das Schlechtreden, das Sie gerade an den Tag gelegt haben, nicht. Ich glaube, die Menschen spüren, dass es der gesetzlichen Krankenversicherung gerade gut geht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Gelder der Versicherten!) Das eröffnet im Übrigen die Möglichkeit, den Bundeszuschuss in diesem Jahr zu kürzen. Es macht doch auch wenig Sinn, in der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds weitere Rücklagen aufzubauen, die wir kaum sinnvoll anlegen können, während gleichzeitig der Bundesminister der Finanzen Schulden machen müsste, um den Bundeszuschuss zu finanzieren. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das eine zahlt der Versicherte, das andere zahlt der Steuerzahler!) Es macht doch mehr Sinn, die Liquiditätsreserve in dieser Situation ein Stück weit zu reduzieren, um in späteren Jahren – das ist ja gelungen und im Bundeshaushalt schon festgeschrieben – einen höheren Bundeszuschuss zu haben. Das ist vernünftig; das wissen Sie. Sonst bitte ich Sie – das gilt auch für Sie, Herr Weinberg –, sich noch einmal intensiv mit den Mechanismen des Gesundheitsfonds auseinanderzusetzen. Die Höhe der Liquiditätsreserve hat mit der Entwicklung der Beitragssätze nichts zu tun. Es können in Anhörungen noch so viele Sachverständige erzählen, was sie wollen; es wird dadurch nicht richtiger. Die Liquiditätsreserve hat nichts damit zu tun. Maßgeblich für die Höhe des Beitragssatzes ist ausschließlich die jährliche Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben. Bitte lernen Sie endlich, diese Unterscheidung vorzunehmen! Denn das führt sonst zu einer unnötigen Verwirrung in der öffentlichen Debatte, oder es wird populistisch genutzt. Das macht es aber auch nicht besser. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das wollen die doch! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal den § 221! Da steht drin, wofür das Geld da ist! Das ist keine Konjunkturspritze! Das gehört den Versicherten!) Wir nutzen die gute finanzielle Situation, um den Versorgungsaspekt stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Natürlich interessieren sich viele Menschen für die Frage: Wie wird die gesetzliche Krankenversicherung -finanziert? Aber mindestens genauso sehr beschäftigt die allermeisten die Fragen: Habe ich eigentlich noch einen Hausarzt vor Ort? Wie lange muss ich auf einen Facharzttermin warten? Wie ist es um die Hygiene im Krankenhaus bestellt? Was ist, wenn ich an einem Freitagnachmittag aus dem Krankenhaus entlassen werde, sich aber niemand so recht darum gekümmert hat, wie es mit der Medikation weitergeht oder ob eine häusliche Krankenhilfe benötigt wird? (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und was machen Sie in dem Bereich? – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War eigentlich die CDU die letzten vier Jahre nicht auch an der Regierung?) Wir haben mit dem Versorgungsgesetz schon in der letzten Legislatur wichtige Akzente gesetzt. Wir haben auch im Koalitionsvertrag vereinbart – diese Debatte wird nach der Verabschiedung des Finanzgesetzes pünktlich nach der Sommerpause beginnen –: Wir wollen die Versorgungsthemen in den Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Debatte rücken. Dabei geht es um die Fragen: Wie erleben Patienten den Versorgungsalltag? Wie können wir diesen ganz konkret verbessern? Ich lade Sie herzlich ein, dabei konstruktiv mitzumachen. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie fackeln das jetzt gerade ab! Darum geht es doch!) Ich glaube, auch das spüren die Menschen; nicht umsonst will jeder, der im Ausland erkrankt, so schnell wie möglich zurück nach Deutschland. Aber auch im besten Gesundheitssystem der Welt gibt es noch Verbesserungsbedarf. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem dann, wenn man an die Zukunft denkt! Aber daran denken Sie ja nicht!) Wir nutzen die gute finanzielle Lage, um das anzugehen und den Patientenalltag konkret zu verbessern. Sie sind herzlich eingeladen, dabei mitzumachen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, nämlich zu der Frage: Wie geht die finanzielle Entwicklung weiter? Das eine Thema sind die Versorgungsthemen; dabei geht es um die Patientensicht. Bei dem anderen Thema geht es darum, dass wir absehen können – auch das gehört zur Wahrheit dazu, ohne Zweifel –, dass die Ausgaben stetig stärker steigen als die Einnahmen; das ist schon seit einigen Jahren so, wird durch die gute wirtschaftliche Entwicklung aber etwas überlagert. Deshalb werden wir ab 2015/2016 natürlich wieder über steigende Beitragssätze und im Zweifel auch über zu deckende Defizite reden müssen. Da sollten wir uns nichts vormachen; damit müssen wir umgehen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Und wer zahlt es?) Kluge Politik nutzt die guten Zeiten, um über Strukturen zu reden, damit man nicht wieder die klassischen Spargesetze alter Art auf den Weg bringen muss. Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz haben wir schon in der letzten Legislatur wichtige strukturelle Veränderungen bei der Arzneimittelpreisfindung vorgenommen. Für Arzneimittel werden in Deutschland keine Mondpreise mehr gezahlt; höhere Preise werden nur noch für tatsächlich bessere Arzneimittel erstattet. Das ist eine wichtige Strukturveränderung. Jetzt muss es gelingen – es ist uns natürlich bewusst, dass das unendlich viel schwerer ist, weil das noch einmal ganz anders in die Versorgung eingreift –, dass Bund und Länder über die Krankenhausstruktur in Deutschland reden und die Fragen klären: Was ist für eine flächendeckende Versorgung nötig? Was muss erreichbar sein in der Fläche? Wie stellen wir das sicher? Und: Wie ist die Abstufung – bis hin zur Universitätsmedizin – in den gemeinsamen Verbünden: Wer muss was machen, und was muss wie vorgehalten werden zusammen mit den Ländern? Wir wissen, dass das eine große, eine schwierige Debatte wird. Wir werden in den nächsten Monaten sehen, wie weit es gelingen kann, sie grundsätzlich zu gestalten. Eines ist jedenfalls sicher: Wer nicht irgendwann Spargesetze klassischer Art machen will, muss jetzt bereit sein, grundsätzlich über die Strukturen der Gesundheitsversorgung zu reden, stationär wie ambulant sowie im Zusammenspiel der beiden Systeme. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen wir schon seit zehn Jahren! Hinter Ihnen sitzt der beste Beweis: Die Frau Vizepräsidentin hat doch auch schon davon gesprochen!) Wir als Koalition sind jedenfalls bereit dazu. Wir laden die Ländern herzlich ein, mit uns darüber zu reden. Wir laden Sie ebenfalls dazu ein. Auch da arbeiten wir ganz konkret: In der nächsten Woche wird die Runde mit den Ländern zum zweiten Mal tagen. Auch da wäre es gut, wenn weniger genörgelt würde und mehr konstruktiv mitgemacht würde; das wäre, glaube ich, ein guter Ansatz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drehen Sie sich mal um! Seit wie vielen Jahren wird das diskutiert!) Das bringt mich abschließend noch einmal konkret zum Bundeshaushalt. Ich möchte zum Ersten ganz herzlich dafür danken, auch als Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“, dass es – darauf ist schon hingewiesen worden – in den Haushaltsberatungen gelungen ist, die 10 Millionen Euro, die wir brauchen, um die Stiftung erst einmal bis 2017 zu finanzieren, tatsächlich sicherzustellen. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Glück!) Gott sei Dank leben HIV-infizierte Menschen mittlerweile länger, als man damals angenommen hat. Um die Leistungen sicherzustellen, braucht es eine entsprechende Finanzierung. Jetzt sind wir alle gemeinsam gefordert, für die Zeit nach 2017 gemeinsam mit den Pharmaunternehmen und den Blutspendediensten und den Ländern eine Anschlusslösung zu finden, damit wir diese Stiftung dauerhaft finanzieren können. Auch da möchte ich Sie alle herzlich einladen, mitzuwirken. Die Debatte wird noch schwer genug. Aber ich bin sehr froh und dankbar, dass es gelungen ist, erst einmal bis 2017 Sicherheit für die Betroffenen, die auf diese Renten angewiesen sind, herzustellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir alle einig!) Das bringt mich abschließend noch einmal zu den Linken. Es ist wie immer bei Ihnen: Im Himmel ist Jahrmarkt. Sie legen hier Anträge vor, die mal eben 3 Milliarden Euro Mehrausgaben mit sich brächten. Keinen einzigen Satz, nicht einmal einen Nebensatz, verschwenden Sie darauf, wie das finanziert werden soll. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!) – Ich sehe in den beiden Anträgen, die Sie hier zur Abstimmung vorgelegt haben, keinen einzigen Nebensatz zur Finanzierung. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wider besseres Wissen reden Sie! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie sagen nicht die Wahrheit! – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das sagen Sie jedes Mal! Jedes Mal stimmt es nicht!) Sie fordern mal wieder, dass der Bund für die Länder einspringt. Es ist ja auch bemerkenswert, dass Ihrer Meinung nach der Bund ständig, immer wieder aufs Neue, Landesaufgaben einfach übernehmen soll. (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Das ist natürlich die einfachste Lösung. Sie versprechen mit wohlfeilen Worten zusätzliche Gelder – da nickt erst mal jeder –, aber sagen am Ende nicht, wer das bezahlen soll. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist kreative Buchführung!) Das ist Haushaltspolitik, die in die Irre führt. Was nützt es, vorzugaukeln, was man alles Schönes machen könnte? Wir machen solide Finanzpolitik in der gesetzlichen Krankenversicherung, in der gesetzlichen Pflegeversicherung und im Bundeshaushalt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir versprechen nicht mehr, als wir halten können; aber das, was wir machen, machen wir dann auch gut. Das unterscheidet uns deutlich von Ihnen. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum wir hier regieren und Sie hier in der Opposition sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Edgar Franke, SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Dr. Edgar Franke (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Lesung zum Einzelplan 15 – Gesundheit – ist nicht nur ein Zeitpunkt, zurückzuschauen, sondern auch, sich mit der Gesundheitspolitik in dieser Legislaturperiode zu befassen, gerade wenn man am Ende der Debatte redet. Ich kann Herrn Spahn nur zustimmen: Ich freue mich auch, dass eine so sachkundige Präsidentin bei dieser Debatte zugegen ist. In dieser Wahlperiode sind zwei wichtige, zwei gute Gesetze beschlossen worden: das 14. SGB-V-Änderungsgesetz zum einen und zum anderen das GKV-FQWG, das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich kann die auch heute in der Debatte geäußerte Kritik an diesen beiden Gesetzen jedenfalls im Kern – das muss ich ausdrücklich sagen – nicht teilen. Das 14. SGB-V-Änderungsgesetz ist alles andere als wirkungslos geblieben. Ganz im Gegenteil: Es hat den Preisstopp von 2009 verlängert. Der Herr Minister hat ausdrücklich gesagt, dass das Gesetz die Zeitspanne, in der der Preisstopp für die patentgeschützten Medikamente gilt, im Interesse der Versicherten verlängert hat. Das hat immerhin über 600 Millionen Euro gebracht. Hier davon zu sprechen, dass es keine Wirkung hat, geht an der Realität vorbei. Mit dem Zwangsrabatt sind wir vielmehr an die Grenzen der verfassungsrechtlichen Legitimität von politischen Entscheidungen gegangen; denn auch die Eigentumsrechte der Unternehmen nach Artikel 14 Grundgesetz – die Rücklagen betragen insgesamt 30 Milliarden Euro – sind natürlich immer zu berücksichtigen. Die Bundesregierung hat also gehandelt und die notwendigen Maßnahmen für bezahlbare Medikamente ergriffen, und dafür ist sie zu loben. Das GKV-FQWG, das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung, (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür müsst ihr euch schämen!) ist ein richtungsweisendes und gutes Gesetz, (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube es ja wohl nicht!) obwohl es sprachlich sicherlich ein Wortungetüm ist. Auch hier ist die Argumentation der Opposition nicht stimmig. Die Absenkung des Bundeszuschusses auf 10,5 Milliarden Euro führt nämlich nicht zu einer zwangsläufigen Erhöhung der Krankenkassenbeiträge – die Kollegin Hinz und der Kollege Spahn haben zu recht darauf hingewiesen –; (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht unmittelbar, aber natürlich werden die Grundlagen der Versicherten eingeschränkt!) denn, Frau Klein-Schmeink, die Mindereinnahmen sind durch eine Entnahme aus der Liquiditätsreserve in diesem Jahr locker auszugleichen, und der Gesundheitsfonds ist nun wahrlich prall gefüllt. Frau Klein-Schmeink, 2014 werden wir also keine Probleme bekommen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2016 schon!) Allerdings ist in Zukunft zu klären – das glaube ich schon –, was versicherungsfremde Leistungen im Einzelnen ausmacht; denn da der Bundeszuschuss aus politischen Opportunitätsgründen von Jahr zu Jahr variiert, besteht natürlich immer die Gefahr, dass man Gesundheitspolitik nach Kassenlage macht. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, das trifft es sehr gut: „Gesundheitspolitik nach Kassenlage“!) Ich glaube, hierauf muss man in Zukunft schon schauen. Die endgültige Abschaffung der Kopfpauschale ist ein wirklicher Sieg der politischen Vernunft, Frau Klein-Schmeink. Das Prinzip, dass der Chef denselben Beitrag wie seine Sekretärin bezahlt, ist in der gesetzlichen Krankenversicherung endgültig gestorben. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Sekretärin zahlt in zwei Jahren mehr als vorher!) Das ist ein politischer Sieg der Gerechtigkeit im System und ein Erfolg der SPD. Das kann man hier in dieser Debatte auch einmal ausdrücklich sagen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ferner stärkt das Gesetz die Finanzstruktur der Kassen. Das ist zwar erst der erste Schritt hin zur vollständigen Beitragssatzautonomie, aber es gibt keinen Einheitsbeitrag mehr. Auch das muss man sagen. Damit schafft man grundsätzlich Wettbewerb, und der Wettbewerb ist auch fair, weil wir einen vollständigen Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen über den Gesundheitsfonds vereinbart haben. Ich glaube, die Zahlen zeigen, dass die finanziellen Spielräume der Kassen viel größer sind, als der GKV-Spitzenverband vielfach behauptet. Auch das kann man in dieser Debatte einmal ausdrücklich sagen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Krankenkassen gucken in den nächsten Jahren nur auf das Geld und nicht auf die Leistung!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen nicht nur einen Preiswettbewerb, sondern wir wollen vor allen Dingen einen Qualitätswettbewerb. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommt ihr gar nicht hin!) Deshalb haben wir in der Koalitionsvereinbarung auch beschlossen, dass wir ein Qualitätsinstitut im Gesundheitswesen einrichten. Dadurch werden wir mehr Transparenz bekommen. Die Daten sollen und werden verständlich und vor allen Dingen verbraucherfreundlich aufbereitet werden. Das korrespondiert auch mit unserem Willen, eine Qualitätsoffensive im Gesundheitswesen zu ergreifen. Das wird das Gesundheitswesen qualitativ und absolut besser machen. Meine Damen und Herren, einer der Schwerpunkte in der Gesundheitspolitik in diesem Jahr wird sicherlich die Prävention sein. Ich glaube, das ist inzwischen schon der vierte Anlauf. Seit zehn Jahren diskutieren wir das Thema Prävention. Es wurde heute auch schon gesagt, dass die Techniker Krankenkasse vermeldet hat, dass der höchste Krankenstand ihrer Versicherten seit 14 Jahren zu verzeichnen war. Im Durchschnitt, so die TK, fehlte 2013 jeder Beschäftigte 15 Tage. Ich glaube, ein Präventionsgesetz ist wichtiger denn je, zumal 10 Prozent der Fehlzeiten mit Rückenschmerzen begründet wurden. Auch die Zahlen zeigen, dass wir eine erneuerte Präventionsstrategie brauchen. Frau Schulz-Asche, darüber, dass diese Präventionsstrategie natürlich an den Lebenswelten der Menschen anknüpfen muss, brauchen wir uns, glaube ich, nicht zu streiten. Sie hilft nicht nur, Krankheitszeiten zu verhindern und damit Kosten zu sparen, sondern – das ist das Entscheidende – sie hilft, dass Menschen gesund sind und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst einmal muss man Geld in die Hand nehmen! Danach spart man!) Ich bin sicher, dass wir dazu in diesem Jahr einen Kabinettsbeschluss fassen und spätestens im nächsten Jahr ein Gesetz vorlegen werden, das diese Anforderungen erfüllt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das entscheidende gesundheitspolitische Thema aber ist und bleibt die Pflege. Sie ist eine sozialdemokratische Herzensangelegenheit. Ich sehe gerade Frau Mattheis, die in der letzten Legislaturperiode für verbesserte Leistungen für Pflegebedürftige und für einen erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff gekämpft hat. Das Gesundheitssystem in Deutschland – das wissen wir alle – steht vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft vor enormen Herausforderungen. Jetzt wird – das werden wir nächste Woche beraten – vieles von dem, was Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen – um es politisch korrekt auszudrücken, Frau Klein-Schmeink –, politische Realität werden. In zwei Schritten gibt es im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes insgesamt 5 Milliarden Euro mehr für die Pflege. Das ist eine erhebliche Summe. Eine Verbesserung der Leistungen aus der Pflegeversicherung um rund 20 Prozent zum 1. Januar 2015 kann sich beileibe auch politisch sehen lassen. Dass die Pflege auch am Bett der Patienten ankommt, ist mit diesem Gesetz gewährleistet. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, damit ist nicht das Ende der Fahnenstange erreicht!) In einem zweiten Schritt werden wir, Frau Klein-Schmeink, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen, und zwar noch in dieser Legislaturperiode. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffen wir!) Auch das sollte nicht geringgeschätzt werden. Lassen Sie mich noch einen Satz zum Thema Krankenhaus sagen. Das Krankenhaus, das gute Pflege anbietet – das ist mir persönlich ein Herzensanliegen –, muss dafür finanziell belohnt werden. Gute Pflege muss in Zukunft in Fallpauschalen abgebildet werden. Letztlich kann man dann die Pflege auch besser bezahlen. Diesen Punkt darf man in der politischen Diskussion nicht vergessen. Schließlich und endlich muss Pflege stärker lokal eingebunden werden. Wir brauchen – das sage ich als ehemaliger Bürgermeister ausdrücklich – eine Rekommunalisierung der Pflegeinfrastruktur. Wir brauchen quartiersbezogene Sozialpolitik. Auch das ist ein Thema, das uns fraktionsübergreifend alle interessieren sollte. (Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das heißt, vor Ort müssen kommunale Wohnungsbaugesellschaften, mobile Krankenpflegestationen, kirchliche und freie Träger zusammenarbeiten, damit durch niedrigschwellige Angebote gewährleistet ist, dass ältere Menschen in ihrem sozialen Umfeld verbleiben können. Wir werden auch ein zweites Versorgungsstrukturgesetz auf den Weg bringen. Mit diesem Gesetz werden viele Forderungen aufgenommen werden, die wir diskutiert haben, viele sogenannte sozialdemokratische Herzensangelegenheiten, Frau Klein-Schmeink, wie ich sie eben schon bezeichnet habe: Servicestellen zur Vereinbarung eines Arzttermins innerhalb von vier Wochen, eine weitere Stärkung der hausärztlichen Versorgung, eine weitergehende Öffnung von Krankenhäusern für unterversorgte Gebiete, Desease-Management-Programme für Menschen mit Rückenerkrankungen und Depressionen, erleichterte Zulassung von MVZ. Sie sehen, in der Gesundheitspolitik ist das sozialdemokratische Profil deutlich zu erkennen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege. Dr. Edgar Franke (SPD): Wir werden viele unserer Herzensangelegenheiten umsetzen – im Interesse der Patientinnen und Patienten in Deutschland. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Maria Michalk, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Maria Michalk (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die heutige Haushaltsdebatte auch zu diesem Haushaltsplan zeigt ganz deutlich, vor welchen Veränderungen und Herausforderungen wir in unserer Gesellschaft stehen. Einerseits hat niemand bestritten, wie wichtig es ist, einen insgesamt ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Auch wenn die Opposition Kritik geübt hat, hat man doch den Neid darüber, dass wir das jetzt schaffen, ganz deutlich herausgehört. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Sie haben aber spitze Ohren! Erstaunlich!) Das ist gut so. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dass dies jetzt möglich ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei unserer kurzen Redezeit haben wir gar keine Zeit für Neid! Wir haben leider immer so wenig Zeit! ) – Ich komme gleich darauf, liebe Frau Kollegin Schulz-Asche. – Andererseits wissen wir natürlich auch – das haben meine Vorredner alle bestätigt –, dass wir vor immer neuen Herausforderungen stehen. Ich möchte in die fiskalische und finanzpolitische Debatte eine andere Facette hineinbringen, nämlich die demografische Entwicklung; sie wurde schon genannt. Immer mehr Menschen in unserem Land werden immer älter. Der Wunsch nach Lebensverlängerung reicht weit in die Antike zurück. Medizinische Ratgeber hat es gegeben, und auch künstlerisch wurde dieses Phänomen gestaltet. An den Werken erfreuen wir uns übrigens heute noch. Jetzt ist dieser Wunsch Wirklichkeit, es ist kein Traum mehr. Die Langlebigkeit ist erreicht. Welch ein Glück für uns und vor allen Dingen für die Mädchen, die heute geboren werden, die in der Lebenserwartung ein Alter von 100 Jahren erreichen können. Darauf müssen wir reagieren; denn diese Veränderungen sind nicht nur quantitativ – wir nennen das demografischer Wandel –, sondern erfordern auch qualitative Veränderungen und Umstrukturierungen. Was heißt das? Die Berufseinstiege werden immer flexibler, immer später werden Familien gegründet, wir haben eine zunehmende Singularisierung – insofern ist die familiäre Hilfe eine andere geworden –, der Lebensstil hat sich verändert, vor allem der Blick auf die gesundheitliche Vorsorge, auf die Ernährung, auf die Bewegung hat sich verändert. Wir diskutieren heute also nicht mehr, wie alt wir werden, sondern, wie wir alt werden. Das ist dieser qualitative Sprung, auf den wir auch in der Gesundheitspolitik immer wieder eine neue Antwort finden müssen. Ich sage es auch an dieser Stelle: Auch wenn wir von den älter werdenden Menschen in unserer Gesellschaft sprechen und darauf reagieren, dürfen wir niemals vergessen, dass wir genauso unsere Kinder und ihre Bedürfnisse im Blickpunkt der gesundheitlichen Versorgung behalten müssen. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft Kinderärzte, Kinderstationen und vieles andere mehr. Ich möchte noch einen anderen Aspekt hinzufügen: Wir sollten uns auch daran erinnern und die Erkenntnis pflegen, wie sehr der Mensch die natürlichen Reize – auch das hat etwas mit Gesundheitspolitik zu tun – von Licht und Luft, von Kälte und Wärme, von Ruhe und Bewegung und ein ausgewogenes Gesundheitsverhalten braucht, um gesund zu bleiben. Es geht also darum, gesund zu bleiben. Das ist unsere erste Aufgabe. Erst als zweiten Punkt diskutieren wir die Kardinalfrage, um die sich auch der Haushalt rankt: Was müssen wir in Zukunft tun und worauf müssen wir in Zukunft stärker achten, um Menschen, die erkrankt sind, rasch, kompetent, solidarisch, wirtschaftlich, wenn möglich wohnortnah zu helfen, wieder gesund zu werden, oder ihren Gesundheitszustand so zu beeinflussen und sie so zu versorgen, dass sie in Würde leben können und dann, wenn es zu Ende geht, auch in Würde sterben können? Darum geht es. Das nennen wir: eine bedarfsgerechte Versorgung auch für die Zukunft sichern. Deshalb möchte ich an ein paar Punkten zu dem, was schon gesagt worden ist, noch einmal ausführen, worum wir uns schon in der Vergangenheit gekümmert haben und was das heute für uns bedeutet. Erstens. Wir haben Anreizmöglichkeiten für Praxisniederlassungen oder Praxisübernahmen im ländlichen Raum geschaffen. Junge Mediziner entscheiden sich trotzdem nicht immer dafür, aufs Land zu gehen, weil andere Rahmenbedingungen wie zum Beispiel der Wohnort oder das Vorhandensein von Kindergarten oder Schule oder Kulturangebote nicht stimmen. Das können wir Gesundheitspolitiker nicht allein lösen. Zweitens. Wir diskutieren seit Jahren modifizierte Zulassungsbedingungen für Medizinstudenten. Trotzdem wissen wir, dass die Universitäten da ihre eigene Philosophie fahren – mit der Folge, dass der Arztmangel nicht nur droht, sondern dass wir in bestimmten Fachgebieten echten Fachkräftemangel haben. Drittens. Wir haben Anschubfinanzierungen für Verträge der integrierten Versorgung eingeführt und ausgereicht. Jetzt, wo das Prinzip von den Leistungserbringern verstanden worden ist und außerhalb der Anschubfinanzierung vermehrt neue IV-Verträge eingereicht werden, stellen wir fest, dass viele – aus welchen Gründen auch immer – nicht genehmigt werden. Warum, ist die Frage. Damit müssen wir uns in Zukunft beschäftigen. Wir haben – viertens – Medizinische Versorgungszentren eingerichtet und immer wieder modifiziert, diskutieren aber aktuell trotzdem, dass wir auch facharztgleiche MVZ zulassen wollen. Fünftens. Auch Praxiskliniken sind eine wichtige Säule im Versorgungsalltag. Trotzdem kämpfen sie nach wie vor mit der Schwierigkeit, dass sie nicht wie im Krankenhaus eine Fallpauschale abrechnen können, obwohl der EBM für ihre Kostenstruktur nicht ausreicht. Das heißt, wir haben auch hier etwas Gutes getan, sind aber noch nicht am Ende der Diskussion angekommen und beschäftigen uns weiter damit. In den Krankenhäusern wachsen ebenfalls die Aufgaben. Immerhin fließt jeder dritte Euro der Beitragszahler in den Krankenhausbereich. Da muss doch eigentlich eine gute Versorgung möglich sein. Trotzdem setzen wir – Herr Spahn hat darauf hingewiesen – eine Bund-Länder-Kommission ein, die an Konzepten arbeitet. Ich will siebtens aufführen: Vor 25 Jahren wurde der Medizinische Dienst der Krankenversicherung als fachlich unabhängiger Begutachtungs- und Beratungsdienst für alle Leistungsbereiche eingerichtet. Er macht die Pflegeeinstufung, und zwar hochkompetent und sehr schnell innerhalb der vorgeschriebenen vier Wochen. Davon konnte ich mich letzte Woche bei einer Vor-Ort-Aktion einen ganzen Tag überzeugen. Trotzdem ist er aktuell nicht nur von den Patientenvertretern mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht so recht unabhängig zu sein. Auch darauf müssen wir eine Antwort suchen. Ich möchte noch einen Punkt aufführen. Das von uns beschlossene Qualitätsinstitut wird mit Sicherheit eine wichtige Aufgabe erfüllen. Aber ich warne jetzt schon davor, dass wir alles überfrachten und mit der gesamten Datenlage starten wollen. Dann werden wir nie starten. Wir müssen auch hierbei den Mut haben, bestimmte Indikationen herauszusuchen und damit erst einmal anzufangen. Was will ich damit sagen? Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Michalk. Maria Michalk (CDU/CSU): Wir haben ganz viele Dinge in den Versorgungsalltag eingeführt und darauf geachtet und auch dazu beigetragen, dass sie wirken. Trotzdem bleibt die Aufgabe, den Versorgungsalltag weiter zu beobachten und die entsprechenden Antworten zu geben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kommen Sie bitte zum Schluss. Maria Michalk (CDU/CSU): Deshalb ist dieser Haushalt die richtige Antwort auf diese vielen Fragen. Ich bitte Sie herzlich, ihm zuzustimmen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Reiner Meier, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Reiner Meier (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende der heutigen Debatte komme ich nicht um eine Feststellung herum: Es ist erstaunlich, welche Verrenkungen gemacht werden, um ein Haar in der Suppe unseres hervorragenden Menüs zu finden. (Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie meinen jetzt die letzten 33 Minuten, die die Große Koalition geredet hat?) Ich darf zusammenfassend noch einmal die Fakten geraderücken. Fakt ist, dass die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung seit Jahren hervorragend ist. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sicher nicht gewollt, dass Sie 33 Minuten reden! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Jetzt kommt die Abteilung „Witz“!) Die Kassen konnten in den letzten Jahren sogar Reserven in Milliardenhöhe anhäufen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wer hat es bezahlt? Die Versicherten!) An dieser guten Lage ändert auch der vielbeschworene Verlust von 270 Millionen Euro im ersten Quartal dieses Jahres nichts. Man muss sich nämlich auch die Arbeit machen, nachzulesen – bitte, schauen Sie sich das an –, woher dieser „Verlust“ kommt: Allein 55 Millionen Euro machen sogenannte Satzungsleistungen der Versicherungen aus. Das sind Leistungen, die nicht gesetzlich zwingend sind, aber von den Versicherungen freiwillig gewährt werden. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie könnten jetzt mal über die Verursacher reden! Schwarz-Gelb!) Der Löwenanteil von rund 236 Millionen Euro geht auf Prämien zurück, die die Kassen an die Versicherten ausbezahlt haben, um sie an ihrer guten wirtschaftlichen Situation teilhaben zu lassen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur wenige! Was ist denn mit den chronisch Kranken und anderen?) Wenn ich mir noch die Finanzreserven von rund 27,7 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds und den Krankenkassen vor Augen halte, ist eines offensichtlich: Verglichen mit einem Schuldenstand von 8,4 Milliarden Euro vor zehn Jahren ist die Finanzlage heute wahrlich nicht schlecht, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist und bleibt deshalb die richtige Entscheidung, dass wir den Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds für die Jahre 2014 und 2015 vorübergehend abgesenkt haben, um zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes beizutragen. Klar ist nämlich eines: Kürzungen bei den Zuweisungen an die Krankenkassen wird es nicht geben. Den Krankenkassen werden in diesem und auch im nächsten Jahr die vollen 14 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Es ergibt aber keinen Sinn, diese Summe nur über Neuverschuldung zu finanzieren und dafür auch noch Zinsen zu bezahlen, wenn auf der anderen Seite die -gesetzlichen Krankenversicherungen gleichzeitig fast 30 Milliarden Euro auf der hohen Kante haben. Schulden zu machen, um an anderer Stelle Milliardenreserven zu halten, kann doch nicht Sinn der Sache sein. Das kann unmöglich Sinn dieser Sache sein! (Beifall bei der CDU/CSU) Auch wenn es schon oft gesagt wurde, muss ich an dieser Stelle nochmals daran erinnern, dass wir im Rahmen des Konjunkturpakets II den Bundeszuschuss für die Jahre 2009 und 2010 erhöht haben, um die krisenbedingten Einnahmeausfälle der gesetzlichen Krankenversicherung abzulindern. Und: Wir reden doch nicht über Peanuts. Der Bund hat aus Steuermitteln insgesamt 9,5 Milliarden Euro mehr eingezahlt als vorgesehen. Im Übrigen ist es nicht so, dass wir dieses Geld aus dem Fonds abziehen würden. Das Geld, das wir nun zur Entlastung des Bundeshaushalts aus der Liquiditätsreserve zur Verfügung stellen, wird ab 2017 in voller Höhe sukzessive in den Gesundheitsfonds zurückfließen. Die gesundheitspolitischen Diskussionen in den vergangenen 20 Jahren haben gezeigt: Wir könnten innerhalb der Krankenversicherung gar nicht so viel reformieren, wie wir auf der anderen Seite an Einnahmen verlieren würden, wenn die Konjunktur einbrechen würde. Ohne eine Politik für mehr Wachstum und Beschäftigung bleiben alle Reformen im sozialen Bereich Stückwerk. (Beifall bei der CDU/CSU) Um es auf den Punkt zu bringen: Sozial ist, was Arbeit schafft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Stimmt aber nicht! Was gute Arbeit schafft!) Aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen kommen wir erstmals seit vielen Jahren ohne Sparmaßnahmen und Leistungskürzungen im Bereich der Krankenversicherung aus. Wir können stattdessen für alle den allgemeinen GKV-Beitrag erst einmal senken. Die damit verbundene Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags hilft, Arbeitsplätze zu sichern. Denn Arbeitsplätze sind die Quelle, aus der sich letztendlich die Sozialkassen speisen, und dies nicht zu knapp. Kommen wir zu den Zusatzbeiträgen. Mit den einkommensabhängigen Zusatzbeiträgen haben wir die Beitragsautonomie und den Wettbewerb der Krankenkassen gestärkt. Der Versicherte kann sich für die Kasse entscheiden, die seinen Bedürfnissen am besten entgegenkommt. Die Kassen haben gleichzeitig ein ureigenes Interesse an stabilen Beiträgen; denn die Transparenz für den Verbraucher haben wir entschieden gestärkt. Wenn eine Krankenkasse künftig einen Zusatzbeitrag erheben oder erhöhen will, muss sie ihre Versicherten in einem gesonderten Schreiben darauf aufmerksam machen und den durchschnittlichen Zusatzbeitrag aller Kassen nennen. Neben einer Belehrung über ein Sonderkündigungsrecht müssen die Krankenkassen ihre Versicherten auf die Internetseite des GKV-Spitzenverbandes verweisen, auf der alle Kassen mit ihren Zusatzbeiträgen aufgelistet sind. So kann jeder auf einen Blick sehen, ob die Leistungen seiner Kasse zur Höhe des Zusatzbeitrags passen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eigentlich geht es darum, dass Sie den Zusatzbeitrag erhöhen!) Qualität ist ein weiteres Stichwort. Ein zentrales Anliegen ist für uns, die Qualität der stationären Versorgung zu verbessern. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb haben wir das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen auf den Weg gebracht. Künftig soll sich die Vergütung der Krankenhausleistungen stärker an der Qualität orientieren. Die Qualitätsindikatoren werden dann erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser haben. Deshalb ist es wichtig, dass Qualitätsprüfungen risikoadjustiert erfolgen. Das gilt insbesondere für die Ergebnisqualität in den Krankenhäusern. Zum Beispiel ist die Mortalitätsrate bei Universitätskliniken und bei der Maximalversorgung oft höher, weil diese Häuser die komplizierten und besonders riskanten Fälle behandeln. Das muss berücksichtigt werden; denn nur so können zwischen Krankenhäusern faire Leistungsvergleiche zustande kommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) Damit möchte ich schließen. Die Koalition hat in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie in der Lage und gewillt ist, den anstehenden Herausforderungen im Gesundheitswesen zeitnah und effektiv zu begegnen. Herr Minister, Ihnen gilt mein besonderer Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Bereich der Arzneimittelpreise und der GKV-Finanzierung haben wir schon viel erreicht. In Kürze werden wir den Grundstein für eine große, umfassende Pflegereform legen, die spürbare Verbesserungen für Millionen unserer Bürger bringen wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1819? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1820? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1821? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1822? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 15 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion der CDU/CSU hat gebeten, jetzt die Sitzung für etwa eine Stunde zu unterbrechen. Der Wiederbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 16.47 Uhr bis 18.37 Uhr) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.7 auf: Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksachen 18/1016, 18/1023 Die Berichterstattung für diesen Haushalt haben die Abgeordneten Michael Leutert, Alois Rainer, Ulrike Gottschalck und Ekin Deligöz. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Jörn Wunderlich. (Beifall bei der LINKEN) Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Haushaltspolitik: Sie wird auch die Königsdisziplin der Politik genannt. Im Haushalt werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Die Frage bleibt: Wie werden die Weichen gestellt, und wohin soll die Fahrt gehen? Für die Jugendverbände gibt es in diesem Haushalt einen Aufwuchs von 1 Million Euro. Das ist schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Aber woher kommt das Geld? Und wo bleibt bei den Haushaltsüberlegungen und -beschlüssen die Aufgabe der Bekämpfung der Kinderarmut? Das vermisse ich durch die Bank weg. Die Kinderstudie von World Vision hat 2013 festgestellt, dass sich ein Fünftel der Kinder abgehängt fühlt und dass sich Kinder am meisten wünschen, dass die Eltern ordentliche Arbeit haben. Frau Schwesig, Sie haben gestern Abend beim ASB noch betont, wie wichtig Familieneinkommen ist und dass Kinderarmut damit zusammenhängt. Dass Kinder die Spirale der Elternarmut fortsetzen, wissen wir schon lange. Seit 2005 – seit ich im Bundestag bin – höre ich die entsprechenden Debatten. Seit 2005 hoffen die Menschen im Lande auf eine veränderte Politik, die aus der Spirale der Armut herausführt. Sie hoffen auf eine Politik, die Wege aufzeigt, davon wegzukommen, dass die Aufgaben im Gemeinwesen, ob Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit, Kultur oder was auch immer, stets auf den Kostenfaktor reduziert werden. Seit 2005 hat sich nichts wesentlich geändert. Weder seinerzeit die Große Koalition noch Schwarz-Gelb haben etwas zum Besseren verändert. (Sönke Rix [SPD]: Na, na, na! – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie reden wirr!) – Gut, das Elterngeld und den Kitaausbau. Aber die Kinderarmut ist gewachsen. (Sönke Rix [SPD]: Wir führen den Mindestlohn ein, damit die Familien mehr Geld im Portemonnaie haben! – Weiterer Zuruf: Betreuungsgeld!) – Zum Betreuungsgeld wollte ich heute eigentlich nichts sagen. Noch immer kann sich Deutschland nicht als das familienfreundliche Land in Europa präsentieren. Kinder sind nach wie vor ein Armutsrisiko. An der Bekämpfung der Kinderarmut wird nur marginal herumgewerkelt. Nicht umsonst wünschen sich die achtjährigen Kinder nach der Studie von World Vision am meisten, dass die Eltern eine existenzsichernde Arbeit haben. Die Entwicklung der Geburtenrate in Deutschland ist nach wie vor Antwort der Menschen auf Ehrlichkeit und Verlässlichkeit in der Familienpolitik. Schon Frau von der Leyen hat damals immer wieder Wert darauf gelegt und betont, den Kindern, die nicht auf der Sonnenseite, sondern auf der Schattenseite des Lebens geboren werden, eine besondere Hilfe zukommen lassen zu wollen. Leider vermisse ich seit 2005 bis heute irgendwelche Aussagen dazu, was die Regierung konkret bereit ist zu unternehmen, um die gesellschaftlichen Ursachen der Probleme zu beseitigen. Kinderarmut ist eines der wesentlichen Probleme in unserer Gesellschaft. Die Ursachen müssen angegangen werden. (Beifall bei der LINKEN) Immer mehr Kinder sind armutsgefährdet. Ich frage Sie: Was wollen Sie dagegen unternehmen? Immer mehr Senioren stehen inzwischen bei den Tafeln an. Was wollen Sie dagegen unternehmen? Immer mehr Alleinerziehende sind von Armut bedroht oder betroffen. Was wollen Sie dagegen unternehmen? Eine Antwort darauf gibt jedenfalls der Haushalt nicht her. Ich nenne als Beispiel den Kinderzuschlag als ein wirksames Mittel der Armutsbekämpfung. Im Entwurf für 2014 wurden noch etwa 379 Millionen Euro veranschlagt. Das waren schon circa 8 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor. Ich wäre froh gewesen, wenn es bei diesen 8 Millionen Euro geblieben wäre. Aber im Haushaltsausschuss wurde er am 7. Mai auf Antrag der Koalition um weitere 11 Millionen Euro gekürzt. In der Bereinigungssitzung wurde er auf Antrag der Koalitionäre erneut um 14,6 Millionen Euro gekürzt. (Sönke Rix [SPD]: Aber nicht bei den gesetz-lichen Leistungen!) 33,7 Millionen Euro weniger! Dieses Geld würde für die Armutsbekämpfung dringend gebraucht. Eigentlich hätte der Kinderzuschlag ausgebaut werden müssen, damit er mehr Familien erreicht. (Beifall der Abg. Karin Binder [DIE LINKE] – Sönke Rix [SPD]: Seien Sie doch froh, dass weniger Menschen Kinderzuschlag benötigen!) Der Ausbau des Kinderzuschlags ist und bleibt eine Forderung der Linken; denn Kinderarmut kann sich Deutschland nicht leisten. Immerhin wissen wir, woher die Mittel für die Jugendverbände und den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ kommen. Dass die Mittel für den Fonds „Heimerziehung in der DDR“ aufgestockt werden, findet unsere volle Unterstützung. Aber dass die Finanzierung im Einzelplan 17 auf Kosten des Kindergeldes/Kinderzuschlags erfolgt, ist unerhört. Der Fonds gehört in den Einzelplan 60 – Allgemeine Finanzverwaltung –, da es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt. Solange nur im eigenen Haushaltsplan umgeschichtet wird oder Mittel bei den Betroffenen im ALG-II-Bezug nicht ankommen wie Unterhaltsvorschuss, Elterngeld oder Betreuungsgeld – das alles wird angerechnet –, kann man sich den Aufwuchs schönreden, wenn im Haushalt des Arbeitsministeriums entsprechende Einsparungen entstehen. Bis heute haben wir von der Regierung keine Antwort bekommen, wie hoch die Einsparungen bei Arbeit und Sozialem sind. Die Betroffenen jedenfalls haben davon nichts. Konkret vermisse ich echten Gestaltungswillen zur Verhinderung von Armut. Keiner darf gezwungen sein, sein Einkommen oder seine Rente durch das Sammeln von Leergut aus Mülltonnen aufzubessern, wie wir es tagtäglich immer häufiger an den S-Bahn-Stationen erleben können. Aber dafür muss man erst einmal S-Bahn-Stationen aufsuchen und darf die Augen nicht vor der Realität verschließen. Um auf die Alleinerziehenden zurückzukommen: Es verwundert sehr, dass Alleinerziehende mit gemeinsamem Sorgerecht von den Bonusmonaten des ElterngeldPlus ausgeschlossen werden sollen. Dies läuft dem im letzten Jahr hier in diesem Haus verabschiedeten Leitbild der gemeinsamen elterlichen Sorge völlig zuwider. Auch die sogenannte Klarstellung bei den Mehrlingsgeburten bedarf einer Richtigstellung. Es sollte doch so sein, dass pro Kind ein Elterngeldanspruch besteht und nicht pro Geburt. Die jetzige Klarstellung soll unter Ausschluss von Elterngeldansprüchen 100 Millionen Euro sparen. Sparpolitik ist aber verfehlte Familienpolitik. Und warum immer bei der Familie? Ich kenne da ganz andere Politikfelder. Aber der Verteidigungsetat steht heute nicht auf der Tagesordnung. Gewalt gegen Frauen ist ein weiterer wesentlicher Punkt. Nach wie vor ist ungeklärt, wie die bundeseinheitliche Finanzierung von Frauenhäusern aussehen soll. Die Linke fordert nach wie vor einen Rechtsanspruch auf Schutz und eine bundeseinheitliche Finanzierung. Ich will nur drei Beispiele nennen, um die Dramatik zu verdeutlichen. 2005 gab es in Bayern jährlich noch knapp 13 000 Fälle häuslicher Gewalt. 2013 waren es schon 20 000, 80 Prozent davon weibliche Opfer. In 34 Prozent der Fälle mussten Kinder Gewalt miterleben oder waren Zeugen der Gewalt. In Köln gibt es gerade einmal zwei Frauenhäuser mit 46 Betten. Jährlich werden 1 000 Frauen mit ihren Kindern wegen Überfüllung abgewiesen. In Heilbronn dürfen Frauenhäuser von Gewalt betroffene Frauen nicht mehr aufnehmen, wenn sie aus Nachbargemeinden kommen, und zwar aus Kostengründen. Das muss beendet werden. Hier muss Abhilfe her. (Beifall bei der LINKEN) Frau Ministerin Schwesig, Sie haben angekündigt, dass Sie sich stark bei den Ländern einbringen werden, um zu einer Lösung zu kommen. Da wir schon einmal bei den Ländern sind: Der Aufbau der Strukturen in den Ländern hinsichtlich Beratungsangeboten der Anti-diskriminierungsstelle müsste dringend fortgeführt werden. Dafür braucht Frau Lüders mehr Geld. Ich frage Sie: Warum wird ihr das nicht zur Verfügung gestellt? Zum Rechtsextremismus wird mein Kollege gleich bestimmt noch Ausführungen machen. Ich weiß nur: Die 1,5 Millionen Euro Aufwuchs reichen jetzt nicht aus. 50 Millionen Euro wären eigentlich notwendig gewesen. Ich denke, wir alle wissen, an welcher der Regierungsparteien dieser Ansatz gescheitert ist. Manchmal hat man eben Pech mit Partnern. Aber: Am Ende wird alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. – Oscar Wilde. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Manuela Schwesig. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ohne Moos nix los. – In meiner Einbringungsrede habe ich zitiert, wie Jugendliche ihren Finanzbedarf in knapper Form formulieren. Wenn es ihnen dann gelungen ist, den Eltern ein paar Euro Taschengeld zusätzlich abzuhandeln, schreiben sie vielleicht eine kurze SMS: THX. Thanks. Danke. So kurz will ich es mit Ihnen nicht machen. Ich möchte mich hier ganz herzlich bedanken. Danke an die Haushälterinnen und Haushälter und auch an die Fachpolitiker für die konstruktive Diskussion, die konstruktiven Verhandlungen und die Unterstützung für den Haushalt meines Ressorts. Uns ist ein Haushalt 2014 gelungen, der dafür sorgt, dass wir Gerechtigkeit für die Generationen in Deutschland bieten können. Unmittelbar vor der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss war ich beim Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag. Dort wurden Statements von Jugendlichen vorgestellt, die mich sehr darin bestätigt haben, was ich in diesem Haus als Zielsetzung meines Einzelplans vorgestellt habe: Generationengerechtigkeit. Die Jugendlichen wünschen sich ein gutes Ausbildungssystem, ein gutes Bildungssystem, sie fordern mehr Fördermittel für Chancengleichheit. Sie wollen vor allem gehört werden, und sie wollen mitgestalten. Deshalb freue ich mich sehr, dass der Haushaltsausschuss eine Mittelaufstockung in Höhe von 1 Million Euro zur Stärkung der Jugendverbandsarbeit beschlossen hat. Dieses Geld geht in gute Hände, in die Hände der jungen Generation. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Jugendverbände sind Sprachrohr der Jugend in der Öffentlichkeit. Jugendverbände tragen die Jugendarbeit vor Ort, und das in einer unglaublichen Vielfalt: von der Trachtenjugend bis zur Sportjugend, von den Pfadfindern bis zur Jugendfeuerwehr. Bei meinem Treffen mit den Vertretern der Jugendverbände war ich beeindruckt, dass wenige junge Leute für so viele junge Menschen in unserem Land da sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit zusätzlichen Mitteln diese Verbandsarbeit unterstützen können. Mein Ziel für die Verhandlungen zum Haushalt 2015 ist, dass das keine einmalige Sache war, sondern dass es uns gelingt, diesen Zusatzbetrag zu verstetigen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Denn die Jugendverbände sind ein wichtiger Partner für mich und sicherlich auch für Sie in der Eigenständigen Jugendpolitik. Der Haushalt 2014 ist auch eine gute Basis, ein guter Ausgangspunkt für Kinderpolitik. Alle Kinder haben ein Recht auf Schutz, Beteiligung und individuelle Förderung. Wir stärken den Schutz mit der Bundesinitiative „Frühe Hilfen“. Wir stärken die Bildung, indem wir mehr Geld für die Sprachförderung in Kitas einsetzen. Ein Schlüssel für gute Bildung ist frühkindliche Bildung. Was in der Kita, der Kindertagespflege an Bildung vermittelt und erlebt wird, ist Grundlage für Chancengleichheit und gute individuelle Förderung von Anfang an. Mit Sprachförderung fängt es an. In den nächsten Jahren investiert der Bund, wie versprochen, 6 Milliarden Euro in die Bildungskette Kita – Schule – Hochschule. Das ist wichtig. Das Geld, das wir im Kitabereich investieren werden, will ich im Dialog mit den Länderministern einsetzen. Deshalb haben wir uns zu einer Konferenz zum Thema „Qualität in der Kindertagesbetreuung“ für diesen Herbst verabredet. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam vorangehen, wenn es darum geht, weitere Kitaplätze zu bauen und mit guter individueller Förderung für Bildung von Anfang an zu sorgen. Herr Wunderlich, das ist die Antwort auf das Problem der Kinderarmut. Das Hauptproblem bei der Kinderarmut ist doch, dass die Bildungschancen von Kindern heute immer noch vom Geldbeutel der Eltern abhängen, und damit muss Schluss sein. Da können wir mit guter Bildungsinfrastruktur für eine Veränderung sorgen. Dieser Haushalt sorgt dafür, dass wir mehr Geld für Sprachförderung ausgeben. Wir werden zukünftig Kitas ausbauen, damit auch die alleinerziehende Verkäuferin für ihr Kind einen Kitaplatz hat und so ihrem Job nachgehen kann, um endlich aus der Armutsfalle herauszukommen. Das ist gezielte Kinderarmutsbekämpfung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, Chancengleichheit für Kinder macht auch Familien stark. Starke Familien sind wichtig für Kinder. Im Zentrum moderner Familienpolitik steht Partnerschaftlichkeit – Partnerschaftlichkeit in der Familie, Partnerschaftlichkeit von Frauen und Männern und Partnerschaftlichkeit bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Heute gehen immer mehr Mütter einem Beruf nach, und immer mehr Väter wollen sich am Familienleben beteiligen. Das Elterngeld ist für die Familien eine hochwirksame Leistung. Deshalb freue ich mich, dass wir mit diesem Haushalt 470 Millionen Euro mehr Elterngeld zur Verfügung stellen. Das ist eine gute Botschaft für die Familien in Deutschland. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Und wir machen weiter mit dem ElterngeldPlus. 14 Prozent aller Paare mit kleinen Kindern teilen sich partnerschaftlich Beruf und Familie, 60 Prozent wollen es aber. Wir wollen diese Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit schließen. Ein wichtiger Schritt dahin ist das ElterngeldPlus. Wir haben es schon verabredet, und wir werden an dieser Stelle weitermachen. Der Gesetzentwurf ist beschlossen. Ich bin sicher, dass wir im Bundesrat und im Bundestag gute Beratungen haben werden. Auch die Alleinerziehenden werden vom ElterngeldPlus profitieren. Vereinbarkeit ist aber auch ein Thema für Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen. Deshalb arbeiten wir derzeit an einem Gesetzentwurf für eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Wir werden die zehntägige Pflegeauszeit bezahlen und mit der Pflegereform das Geld bereitstellen. Meine Damen und Herren, Partnerschaftlichkeit ist für mich auch ein Gleichstellungsthema. Gleichstellung heißt, gleiche Rechte für Männer und Frauen endlich in der Lebenswirklichkeit durchsetzen. Das, was im Grundgesetz steht, muss auch in der Lebenswirklichkeit der Frauen ankommen. Insofern freue ich mich, dass wir in der Ressortabstimmung zum Entwurf eines Gesetzes für mehr Teilhabe von Frauen in Führungspositionen sind. Wir werden mit dem ElterngeldPlus für mehr Partnerschaftlichkeit und damit für mehr Gleichstellung von Frauen und Männern sorgen und gleichzeitig mit dem Gesetz für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen für mehr Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungsetagen sorgen. Die Quote wird kommen, und die Quote wird wirken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin damit schon etwas weiter in der Zukunft, etwas weiter in der Legislaturperiode. Wir reden aufgrund der Wahlen und des Neuanfangs der parlamentarischen Arbeit relativ spät über den Haushalt 2014; das wissen wir. Es ist sehr wichtig, dass wir diesen Haushalt beschließen; denn die Träger unserer Programme, unsere Partner und Zuwendungsnehmer, warten dringend darauf, auch die Träger von wichtigen Programmen für Demokratie und Vielfalt, mit denen ich im Gespräch darüber bin, wie wir das neue Bundesprogramm ab 2015 auf die Beine stellen. Vor dem Wunsch nach mehr Geld besteht hier vor allem der Wunsch nach Verstetigung. Wir sind in guten Gesprächen. Es warten aber auch diejenigen auf dieses Geld, auf diesen Haushalt, deren Rechte als Kinder mit Füßen getreten worden sind. Das sind die Menschen, die in Heimen der ehemaligen DDR aufgewachsen sind. Das Unrecht, das diesen Menschen in der Vergangenheit angetan wurde, kann man mit Geld nicht rückgängig machen. Aber Behandlung oder psychologische Beratung können den Betroffenen helfen, heute ein besseres Leben zu führen. Daran dürfen wir nicht sparen. Mir als Vertreterin einer jüngeren Generation, die in Ostdeutschland aufgewachsen ist und dann die Freiheit im neuen Gesamtdeutschland nutzen konnte, ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass andere, die in der DDR gelitten haben, mindestens Unterstützung bekommen. Deshalb ist es gut, dass wir den Fonds für die Heimkinder aus der DDR schon für dieses Jahr um 14,6 Millionen Euro aufgestockt haben und dies in den nächsten Jahren fortsetzen werden. Das ist eine Frage der Verantwortung, eine Frage der Haltung, insbesondere im Jahr 25 nach dem Mauerfall. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich sage dafür ausdrücklich Danke. Ich finde es unredlich, Herr Wunderlich, dass Sie den Kinderzuschlag gegen dieses Thema ausspielen. Sie wissen ganz genau, dass wir beim Kinderzuschlag nicht kürzen. Es handelt sich um Mittel, die nicht abfließen würden. Dass wir diese Mittel nicht in den Haushalt schicken, sondern denjenigen geben, die als Kinder massives Unrecht erlebt haben, das ist Gerechtigkeit. Die Kinder von heute gegen die Kinder von damals auszuspielen, ist unredlich. Dagegen wehre ich mich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sehr geehrte Damen und Herren, wir arbeiten schon am nächsten Haushalt. Mein Anliegen ist es dabei, in so wichtigen Feldern wie der Engagementpolitik, der Arbeit für Demokratie und Vielfalt Programme zu bündeln und nachhaltige Strukturen zu stärken. Auf jeden Fall werde ich Ihnen einen Einzelplan 2015 vorlegen, der erneut das Thema Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt, so wie wir es im Haushalt 2014 tun. Gerechtigkeit für alle Generationen, Gleichstellung von Männern und Frauen, Chancengleichheit für die Kinder in diesem Land – das ist meine Haltung, das ist meine Politik, und dafür ist der Haushalt 2014 eine gute Grundlage. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat Katja Dörner jetzt das Wort. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Ministerin hat ihre Rede begonnen mit: „Ohne Moos nix los.“ Ich muss leider sagen: Das ist eine sehr passende Überschrift für den Etat des Familienministeriums. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der SPD) Ende Mai ist eine wichtige Entscheidung gefallen, und zwar eine Entscheidung, die weit über den Haushalt 2014 hinausreicht. Es hat endlich eine Einigung über die Verteilung der 6 Milliarden Euro in dem sogenannten Bildungspaket gegeben. Jetzt könnte man denken: 6 Milliarden Euro, das ist gar nicht so wenig Geld. (Zuruf von der SPD: Das stimmt!) Wenn man aber sieht: über vier Jahre gestreckt, für alle Bundesländer, von der Kita über die Schule bis zu den Hochschulen, dann erkennt man: Es sind faktisch Peanuts. (Dr. Fritz Felgentreu [SPD]: Na, na, na!) Wenn man das mit den 10 Milliarden Euro vergleicht, die die Rentenreform, die dieses Haus unlängst beschlossen hat, jedes Jahr kosten wird, (Sönke Rix [SPD]: Nicht Generationen gegeneinander ausspielen!) dann sieht man: Dieses Verhältnis stimmt überhaupt nicht. Die Bundesregierung hat sich davon verabschiedet, tatsächlich in die Zukunft zu investieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die 6 Milliarden Euro sind verteilt. Ich muss leider sagen: Ministerin Schwesig ging als Verliererin vom Feld. Gerade einmal 1 Milliarde Euro soll es für die Kitas zusätzlich geben, und diese Zusätzlichkeit ist tatsächlich noch nicht einmal gegeben; darauf komme ich noch zu sprechen. Für jede und jeden hier, die und der es wirklich ernst meint mit der Verbesserung frühkindlicher Bildung, mit mehr Chancengleichheit für alle Kinder von Anfang an, ist diese Summe ein reiner Witz. Ministerin Schwesig selber wollte 2 Milliarden Euro vom Kuchen haben. Was hat sie bekommen? Nicht einmal die Hälfte! Ich finde, das ist eine blamable Leistung. Es ist noch nicht einmal 1 Milliarde Euro. Wie kommt das? Die Einigung hinsichtlich der Verteilung der Mittel besagt, dass das Sondervermögen auf bis zu 1 Milliarde Euro aufgestockt werden soll. Laut Bundesregierung befinden sich in diesem Sondervermögen noch rund 450 Millionen Euro. Das würde heißen: Es gibt eine Aufstockung um 550 Millionen Euro. Aber über die 450 Millionen Euro im Sondervermögen ist zu sagen: Das Geld ist zwar noch nicht ausgegeben, aber es ist bereits zu fast 100 Prozent bewilligt. Das heißt, dieses Geld ist faktisch schon weg. Diese Rechnung „450 Millionen Euro plus 550 Millionen Euro im Sondervermögen, das macht 1 Milliarde Euro“ ist eine reine Milchmädchenrechnung, weil die 450 Millionen Euro für zukünftige Investitionen gar nicht mehr zur Verfügung stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 100 Millionen Euro soll es zusätzlich für die Qualitätsverbesserung in den Kitas geben, aber auch das erst in 2017. Ergebnis: Für den Kitabereich gibt es mitnichten 1 Milliarde Euro zusätzlich; es sind gerade einmal 650 Millionen Euro. Ich finde es wirklich ungeheuerlich, wie mit dieser angeblichen 1 Milliarde Euro für die Kitas Augenwischerei betrieben wird. Ich finde, das kann man so nicht stehen lassen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Was sagt denn die nordrhein-westfälische Landesregierung dazu?) Die Vereinbarung für den Kitabereich ist eine Katastrophe, weil wir angesichts dieser mickrigen Summen genau das nicht machen können, was wir eigentlich tun müssten, nämlich tatsächlich in die Kitaqualität investieren. Ich nenne einmal das Stichwort „Bundesqualitätsgesetz“. Das wird in dieser Legislatur wohl nicht mehr kommen. Stattdessen bleibt uns das völlig unsinnige Betreuungsgeld erhalten, das uns schon jetzt jährlich eine halbe Milliarde Euro kostet. Wir haben jetzt die ersten Studien zu der Frage der Wirksamkeit dieser Maßnahme bekommen, auch aus dem Familienministerium. Sie besagen ganz klar: Das Betreuungsgeld verschärft die Bildungsungleichheit in unserem Land. Deshalb ist für uns Grüne ganz klar: Wir Grüne wollen das Betreuungsgeld abschaffen und stattdessen in Kitas und frühkindliche Bildung investieren. Wir wollen tatsächlich Ernst machen mit guter Bildung für alle Kinder von Anfang an. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich möchte noch auf zwei Vorhaben eingehen, die uns in Form von Gesetzgebung ins Haus stehen. Seit Freitag letzter Woche – die Ministerin hat es angesprochen – ist der Referentenentwurf eines Gesetzes in der Welt für eine Frauenquote in Aufsichtsräten. Ich finde es natürlich gut, dass es endlich zu einer gesetzlichen Regelung kommt. Wir alle wissen, dass die freiwilligen Vereinbarungen nichts gebracht haben. Aber eine 30-Prozent-Quote und die nur für börsennotierte Unternehmen, das heißt für insgesamt 101 Unternehmen, ist wirklich kein großer Wurf. Wir Grüne haben gestern in der Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf beschlossen, der eine 40-Prozent-Quote, und zwar auch für mitbestimmungspflichtige Unternehmen, vorsieht. Wenn wir Grüne von Gleichstellung von Frauen sprechen, dann bleiben wir nicht auf halber Strecke stecken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweiter Punkt: das ElterngeldPlus. Auch hier ist es gut und überfällig, dass die Ungerechtigkeit beseitigt wird, dass Eltern, die zeitnah nach der Geburt des Kindes Teilzeit arbeiten, weniger vom Elterngeld profitieren als Eltern, die eher die klassische Rollenaufteilung wählen. Aber an einer entscheidenden Stelle wird eine andere Gerechtigkeitslücke gerade nicht geschlossen, und zwar bei der Anrechnung des Elterngeldes auf das ALG II. Auch Eltern im ALG-II-Bezug haben ein Anrecht auf eine Schonzeit nach der Geburt ihrer Kinder. Die Anrechnung des Elterngeldes muss wieder zurückgenommen werden. Auch das muss im Zusammenhang mit dem ElterngeldPlus thematisiert und diskutiert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend: Ich bin wirklich froh, dass das unsägliche Anti-Linksextremismus-Programm vom Tisch ist. Wir kennen alle den Evaluierungsbericht des Deutschen Jugendinstituts aus 2013, wonach die daraus geförderten Projekte als einseitig, methodisch schwach und stark gesteuert bezeichnet worden sind. Es ist aus unserer Sicht absolut richtig, wieder den Fokus darauf zu richten, wo der Schuh tatsächlich drückt. Letzte Woche haben wir den Verfassungsschutzbericht bekommen. Dieser Bericht zeigt die erschreckende Tatsache auf, dass die rechtsextreme Gewalt gegenüber 2012 um 20 Prozent gestiegen ist. An diesem Punkt müssen wir beherzt handeln. Ich erwarte, dass die Ministerin das umsetzt, was sie angekündigt hat, nämlich die Mittel gegen Rechtsextremismus relevant aufzustocken und zu verstetigen. Auch hier, Frau Ministerin, haben wir uns über Ihre Ankündigungen gefreut. Aber auch hier gilt: An Ihren Taten werden wir Sie messen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Alois Rainer (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir blicken auf sehr konstruktive Gespräche und Beratungen für den Bundeshaushalt 2014 zurück. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei unseren Koalitionären für die gute Zusammenarbeit in den Beratungen ganz besonders bedanken. (Sönke Rix [SPD]: Gerne!) – Bitte. Wir haben seit langem – um es genau zu sagen, seit 1969; damals noch unter dem CSU-Finanzminister Franz Josef Strauß – erstmals wieder die Möglichkeit, für die kommenden Jahre ab 2015 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen und sogar Überschüsse zu erzielen. Dies ist gerade für die junge Generation in unserem Land von sehr großer Bedeutung. Dass man gute Politik trotz Haushaltskonsolidierung machen kann, zeigt der vorliegende Entwurf zum Haushalt 2014. Auf der einen Seite sparen wir, und auf der anderen Seite investieren wir in diejenigen, die uns am wichtigsten sind, nämlich in die Menschen und die Familien in Deutschland. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Familienpolitik ist auch Politik der Verantwortung. Dass wir Verantwortung übernehmen, machen wir sehr deutlich mit den Ansätzen im Einzelplan 17, im Einzelplan des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Im vorliegenden Haushaltsentwurf ist eine Politik zu erkennen, die das Miteinander aller Generationen in unserem Land fördert. Daher sprechen wir auch in diesem Jahr von Ausgaben in Höhe von circa 7,9 Milliarden Euro. Dies macht deutlich, wie wichtig uns die Menschen und insbesondere die Familien in unserem Land sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) So haben wir den größten Posten im Einzelplan 17, nämlich das Elterngeld, nochmals erhöht, und zwar um 470 Millionen Euro auf 5,37 Milliarden Euro. Damit bleibt das Elterngeld nach wie vor ein sehr wichtiges Instrument im Rahmen unserer Verantwortung gegenüber den Familien in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Darüber hinaus ist es eine wesentliche Unterstützung für Familien nach der Geburt eines Kindes. So fängt das Elterngeld einen Einkommenswegfall auf, wenn Eltern nach der Geburt für ihr Kind da sein wollen und ihre berufliche Arbeit unterbrechen oder einschränken. Dass es gut ist, das Elterngeld nochmals zu erhöhen, zeigt die positive Entwicklung bei den Geburtenzahlen in Deutschland. Auch freut es mich sehr, dass immer mehr Väter die Möglichkeit nutzen, ihre Kinder in den ersten Lebensmonaten intensiv zu begleiten. Dieser gesellschaftliche Wandel ist gut; er zeigt zugleich, dass das Angebot von den Familien angenommen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Eltern und junge Familien die Möglichkeit haben, selbst über die Betreuungs- und Erziehungsaufgaben in der Familie oder im privaten Umfeld zu entscheiden. So war es auch richtig, dass wir das Betreuungsgeld im Familienetat umgesetzt haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mit der SPD zusammen!) – Nein, das haben wir schon davor gemacht. – Gerade diese Wahlfreiheit ist es, die den Menschen in unserem Land das Selbstvertrauen schenkt, mehr Verantwortung zu übernehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, mir ist bekannt, dass Sie gute Nachrichten für die Regierungsfraktionen gerne übersehen oder auch überhören. Daher nehme ich mir gerne Zeit, Sie nicht über die neuesten analytischen Auswertungen des Statistischen Bundesamts vom Juni 2014 im Unklaren zu lassen. Es gab bekannt, dass das Betreuungsgeld bereits im ersten Quartal 2014 für knapp 146 000 Kinder abgerufen wurde. Allein diese Zahl belegt ausdrücklich den Erfolg des Betreuungsgeldes. (Beifall bei der CDU/CSU) Weil das so ist, haben wir den entsprechenden Ansatz um 460 Millionen Euro auf jetzt 515 Millionen Euro angehoben. Es freut mich, dass die zusätzlichen Zuweisungen an die Conterganstiftung in Höhe von 120 Millionen Euro verstetigt worden sind. Damit wird sichergestellt, dass die Leistungen für Contergangeschädigte in Form der Conterganrenten und medizinischen Hilfen weiter erbracht werden können. Ein Punkt, der mir besonders am Herzen liegt, ist der Bundesfreiwilligendienst. Hier engagieren sich Frauen und Männer für das Allgemeinwohl in unserer Gesellschaft. Es war wichtig, dass es uns gelungen ist, dafür zu sorgen, dass die wertvolle Arbeit, die Freiwillige in Deutschland leisten, fortgesetzt werden kann. Damit senden wir ein wichtiges Signal an alle Freiwilligen, und wir machen deutlich, dass ihr Dienst geschätzt wird und es nicht nur um bloße Zahlen geht. Ich bin froh, dass wir dieses Ziel erreicht haben und wir auch künftig jedem, der einen Freiwilligendienst antreten möchte, dies ermöglichen können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Stefan Schwartze [SPD]) Auch freue ich mich sehr – die Ministerin hat es schon angesprochen –, dass wir in der Bereinigungssitzung zusammen mit unserem Koalitionspartner 1 Million Euro mehr für die Jugendverbandsarbeit in Deutschland durchsetzen konnten. Oft sind es die Jugendverbände vor Ort, die ehrenamtliches Engagement zeigen, sich selbst organisieren und einen unverzichtbaren Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung leisten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Schluss möchte ich ein Thema ansprechen, das mich derzeit besonders bewegt, nämlich die künftige finanzielle Ausstattung der Mehrgenerationenhäuser. Dazu wurde im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir ein Konzept entwickeln, um die Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser nach dem Wegfall der ESF-Mittel im Haushalt zu verstetigen. Mit den Mehrgenerationenhäusern, die die Potenziale aller Generationen im Querschnitt der Gesellschaft fördern, haben wir eine innovative Antwort auf die demografischen Herausforderungen geschaffen. In diesen Mehrgenerationenhäusern werden das Wissen und die Kompetenzen aller Generationen unter einem Dach zusammengeführt. Junge Menschen lernen hier von älteren gegenseitige Rücksichtnahme, aber auch Toleranz und Verantwortung. Für Seniorinnen und Senioren bietet sich durch die Begegnungen und den Austausch mit Jüngeren die Gelegenheit, Neues zu entdecken und sich aktiv einzubringen. Mit dieser Vielzahl und Vielfalt an generationenübergreifenden Angeboten und Aktivitäten prägen gerade diese Häuser, diese Einrichtungen ein positives Altersbild in der Gesellschaft und leisten ihren Beitrag zu einem zukunftsorientierten Umgang mit den gesellschaftlichen Herausforderungen des demografischen Wandels. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Von daher ist es aus meiner Sicht dringend notwendig, dass wir die Ende 2014 wegfallenden europäischen Fördermittel ab dem Jahr 2015 im Haushalt verstetigen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir können und wir dürfen die Kommunen und die Betreiber der Mehrgenerationenhäuser nicht im Regen stehen lassen. Insgesamt kann man festhalten, dass die Mittel im Einzelplan 17 gut investiert sind. Natürlich gibt es auf der einen oder auf der anderen Seite immer noch Wünsche – das ist normal –, aber das große Ziel für die Zukunft – wie schon eingangs gesagt –, einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen, ist gerade für unsere nachfolgende Generation wichtig, und daran wollen und werden wir auch in Zukunft festhalten. Herr Wunderlich, die Frau Ministerin hat Ihnen schon gesagt, dass der Kinderzuschlag nicht gekürzt worden ist. Er wurde einfach nicht in der entsprechenden Höhe abgerufen. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber warum? Gehen Sie doch mal an die Ursachen, warum er nicht abgerufen wurde!) Diese Mittel waren frei und wären an den Bundeshaushalt zurückgeflossen. Hätten wir den Bundesfreiwilligendienst einfach so unberücksichtigt oder die Heimkinder Ost entsprechend unversorgt lassen sollen? Es war schlichtweg einfach nicht richtig, was Sie gesagt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dies wollte ich zum Abschluss noch sagen. Ich liege noch gut in meiner Zeit. Ich hoffe, diese Zeit wird mir irgendwann einmal gutgeschrieben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sönke Rix [SPD]: Wird in Millionen gutgeschrieben, im Haushalt!) Vizepräsidentin Petra Pau: Zumindest für Haushaltsdebatten haben wir dafür klare Regeln, dass das in den Fraktionen entsprechend ausgeglichen wird. Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Ulrike Gottschalck das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ulrike Gottschalck (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Familienministerium ist das Gesellschaftsministerium. Für unseren Etat sind knapp 8 Milliarden Euro vorgesehen. Von diesen 8 Milliarden Euro werden 88 Prozent für wichtige gesetzliche Leistungen wie Elterngeld, Unterhaltsvorschuss oder auch Zuweisungen für die Conterganstiftung ausgegeben. Sehr viele Menschen in unserem Land profitieren von diesem Etat. Von Gleichstellung und Chancen für unsere Kinder über mehr Partnerschaftlichkeit in der Familie bis hin zu einer Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements oder eines aktiven und selbstbestimmten Alterns: Am Etat des Ministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend hängen wichtige Gestaltungsaufgaben von unschätzbarem Wert und von hoher Bedeutung für unser Land und unsere Gesellschaft. Mit dem Haushalt 2014 haben wir erste große Schritte unternommen, um unseren gesellschaftlichen Auftrag, den wir auch im Koalitionsvertrag verankert haben, umzusetzen. Die Haushälter haben den Entwurf in den letzten Wochen noch ein wenig optimiert. Ich denke, wir können heute feststellen: Diesem Haushalt können wir ruhigen Gewissens und sehr zufrieden zustimmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte kurz auf einige Punkte eingehen, weil die Kritik geäußert wurde, wir würden viel zu wenig machen. Ich will an dieser Stelle betonen, Frau Dörner: 6 Milliarden Euro als Peanuts zu bezeichnen – ich finde, das ist schon ziemlich peinlich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir alle haben leider keine Gelddruckmaschine. Außerdem waren die Anträge der Grünen nicht wirklich gegenfinanziert. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erinnern Sie sich an Ihr Wahlprogramm? 10 Milliarden haben Sie im Wahlprogramm versprochen! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Es gibt einen Spruch: Wer schreit, hat unrecht. Es gibt wichtige Punkte. Zum Beispiel wird der Mittelansatz für die Qualifizierungsoffensive erhöht. Außerdem investieren wir in die frühkindliche Bildung. In diesem Bereich werden wir in Zukunft noch viel mehr Mittel einsetzen; die Ministerin hat das eben ausgeführt. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das eingehen, was Herr Wunderlich zum Kinderzuschlag gesagt hat: Das ist keine Leistungskürzung. Das sagte auch schon der Kollege Alois Rainer. Im Topf war einfach noch Geld, weil es weniger Fälle gab. Es ist nicht so, dass es weniger Alleinerziehende gibt, aber es gab weniger Fälle, und deswegen war in dem Topf „Kinderzuschlag“ noch Geld vorhanden. Dieses Geld haben wir gesichert, um es für den BFD und für den Fonds „Heimkinder Ost“ einzusetzen. Ich gebe der Ministerin ausdrücklich recht: Man darf die Kinder von heute nicht gegen diejenigen ausspielen, die in der DDR Heimkinder waren. Das ist einfach unsäglich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Diana Golze [DIE LINKE]) Ich habe offensichtlich ein vollkommen anderes Weltbild als die Linke. Wenn man Ihnen zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass in ganz Deutschland nur arme, dramatisch finanzschwache Familien wohnen. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Jedes fünfte Kind!) Es gibt viele Menschen, die unter wirklich schwierigen Umständen leben, und es gibt zu viel Kinderarmut. In Deutschland gibt es aber auch ganz viele Familien, in denen beide Elternteile arbeiten und ganz gut verdienen. Trotzdem müssen sie zusehen, dass sie ihr Familienleben organisiert bekommen. Auch für diese Familien sind wir und das Ministerium zuständig. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das bestreitet keiner!) Wir müssen diese Leute motivieren, nach Möglichkeit noch mehr Kinder zu bekommen. Das ist wichtig für die Sozialkassen, damit auch in Zukunft Menschen gefördert werden können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da habe ich nichts gegen gesagt!) Vielen Menschen helfen wir im Übrigen auch mit dem Mindestlohn. Ich denke, das ist der beste Weg, um zukünftig Kinderarmut zu verhindern. (Beifall bei der SPD) Wir haben an dem Gesetzentwurf gefeilt und dabei viel erreicht. Meinem geschätzten Kollegen Alois Rainer und mir war die Jugendverbandsarbeit besonders wichtig. Wir konnten 1 Million Euro mobilisieren. Außerdem konnten wir erreichen, dass der Bundesfreiwilligendienst seine wichtige Aufgabe weiter ausüben kann. In diesem Bereich gab es aufgrund eines Fehlers der Vorgängerregierung leider eine Finanzierungslücke. Wir haben das im Haushaltsausschuss zurechtgerückt. Daher kann der beliebte Bufdi auf bewährtem Niveau fortgeführt werden. In wunderbarer Zusammenarbeit mit dem Familienministerium und dem Finanzministerium haben wir den Fonds für die Heimkinder Ost aufgefüllt, weil das ein wirklich wichtiges Thema ist. Das haben wir im Koalitionsvertrag versprochen, und wir haben Wort gehalten. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Botschaft. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Während wir in dieser Woche den Haushalt 2014 verabschieden, beginnen bereits die Arbeiten am Bundeshaushalt 2015. Erlauben Sie mir daher einen kleinen Ausblick: In diesem Haushalt wird es Veränderungen geben. Ich nenne das ElterngeldPlus, das die partnerschaftliche Erziehung von Kindern zukünftig noch stärker fördern wird. Ich will aber auch mit den Problemen nicht hinterm Berg halten – diesbezüglich schließe ich mich ausdrücklich den Ausführungen meines Kollegen Alois Rainer, der das eben verdeutlicht hat, an –: Wir brauchen Geld für die Mehrgenerationenhäuser, weil sie für uns in Deutschland sehr wichtig sind. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) An die Adresse von Steffen Kampeter richte ich die Bitte, diese Forderung in den Beratungen aufzunehmen; denn bisher verliefen die Verhandlungen nicht ganz so erfreulich, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir erwarten schon, dass es zu der Verstetigung, die im Koalitionsvertrag steht, kommt. Im Einzelplan 17 sind auch die Mittel für das BAFzA, das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, zu finden. Hier müssen wir im Haushalt 2015 einen Blick auf die Evaluierung im Zusammenhang mit den übertragenen Aufgaben werfen. Das BAFzA hat sehr viele Stellen mit kw-Vermerken, inzwischen aber 25 wichtige Aufgaben übertragen bekommen, zum Beispiel das Hilfetelefon für Frauen in Not. Immerhin rufen da, obwohl es ein neues Angebot ist, täglich schon 130 Frauen, die professionell beraten werden, in höchster Not an. Ich denke, dass wir darauf einmal genau schauen müssen. Über die Stellen wurde damals im Haushaltsausschuss ausführlich beraten. Man kam dann zu dem Schluss, dass da gekürzt werden muss. Inzwischen ist es aber so, dass das BAFzA wichtige Aufgaben übernommen hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns allen ist bewusst, dass in einem Haushalt mit 88 Prozent Pflichtleistungen nur noch wenig zu schaffen ist. Trotzdem möchte ich mich ausdrücklich bei der Ministerin und ihrem Team bedanken; denn sie haben es hinbekommen, trotz aller Finanzzwänge auch in diesem Haushalt ihre Duftmarken zu setzen, ein beeindruckendes Tempo vorzulegen und viel Tatkraft zu beweisen. Ich denke, das war richtig gut. Auch für die gute und gedeihliche Zusammenarbeit möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion hier recht herzlich bedanken. (Beifall bei der SPD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Redezeit ist um. Deswegen will ich nur noch sagen: Der Haushalt 2014 ist eine solide Grundlage für eine zukunftsweisende Gesellschaftspolitik. Daher bitte ich um die Zustimmung aller hier im Hause. Vielleicht kann die Opposition über ihren Schatten springen. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Nun hat der Kollege Michael Leutert für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich glaube, ich muss etwas Wasser in den Wein gießen. Das wird Sie aber nicht überraschen. Im Vorwort Ihres Haushaltes steht geschrieben, Deutschland sei ein familienfreundliches Land. Ich sage Ihnen: Nein, das stimmt nicht, Deutschland ist kein familienfreundliches Land. Mit dieser Aussage stehe ich auch nicht allein da, sondern die Mehrheit der Bevölkerung teilt diese Meinung. In der letzten Studie der Stiftung für Zukunftsfragen bejahten nur 15 Prozent der Befragten die Aussage, Deutschland sei kinderfreundlich. Damit rangiert Deutschland im europäischen Vergleich auf dem allerletzten Platz. Das hat die Presse genüsslich ausgeschlachtet; denn in Dänemark – das Land ist Spitzenreiter – stimmten 90 Prozent der Befragten der Aussage zu, ihr Land sei kinderfreundlich. In der Presse wurde – das ist das eigentlich Interessante – allerdings nicht reflektiert, dass es zwei Jahre zuvor eine ähnliche Umfrage gab. Damals waren in Deutschland – das ist immer noch ein katastrophaler Wert – immerhin 21 Prozent – also 6 Prozentpunkte mehr – der Auffassung, Deutschland sei kinderfreundlich. Somit haben wir einen rückläufigen Trend. Eigentlich sollte dieser Trend durch die Politik umgedreht werden. Zumindest war das der politische Wille. So wurde 2007 zum Beispiel – auch damals von einer Großen Koalition – per Gesetz das Elterngeld eingeführt und das Erziehungsgeld abgeschafft. Auch in diesem Haushalt stehen wieder über 5 Milliarden Euro dafür zur Verfügung. Ziel dieses Gesetzes war aber explizit, die Geburtenrate anzuheben. Dieser Effekt ist eben nicht eingetreten. Es gibt heute genauso viele Geburten in Deutschland wie im Jahr 2007. Herr Kollege Rainer, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen nehmen. Ich kann nämlich den von Ihnen genannten Trend aus der Statistik nicht herauslesen. Kinderfreundlicher ist das Land in den Augen der Bevölkerung auch nicht geworden. Genauso verhält es sich mit dem Kitaausbau. Er ist eine Notwendigkeit, reicht aber bei weitem nicht aus, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Genauso notwendig ist eine gute Betreuung in den Kitas. Weiter ist es notwendig, dass die Kitas Öffnungszeiten haben, die mit den Arbeitszeiten der Eltern übereinstimmen. Die Qualität ist eben genauso wichtig. Statt an diesen Dingen bzw. an den realen Problemen zu arbeiten, haben Sie auf Betreiben der CSU das Betreuungsgeld – die „Herdprämie“ – eingeführt und finanzieren es mit über 500 Millionen Euro pro Jahr. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine Frechheit!) Dagegen läuft eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, eingereicht vom SPD-geführten Hamburger Senat. Im Bundestag gibt es eine breite Mehrheit – sie umfasst Linke, Grüne und SPD sowie wahrscheinlich auch Teile der CDU – gegen diese Familienförderung aus dem letzten Jahrhundert. (Zuruf von der LINKEN: Aus dem vorletzten!) – Vorletzten Jahrhundert! (Beifall bei der LINKEN) Ich bin der Meinung, dass es an der Zeit ist, die Frage zu stellen, was in Deutschland trotz der Sozialleistungen, die zur Verfügung gestellt werden, schiefläuft, und warum sich an der Einstellung Kindern gegenüber nicht viel geändert hat. Ich bin davon überzeugt, dass sich auch in den kleinen und ganz banalen Dingen im Alltag etwas ändern muss. Ich glaube, alle, die Kinder haben, wissen, wovon ich spreche. Wer zum Beispiel einmal mit einem Kinderwagen in einen ICE eingestiegen ist, weiß, was ich meine. Man muss schon sehr sportlich sein, um in den Zug hineinzukommen, und wenn man es geschafft hat, ist man sozusagen geparkt, weil man mit dem Kinderwagen nicht weiterkommt; denn er passt nicht durch die Gänge. Diese Liste von Beispielen könnte ich beliebig lange fortsetzen. Wie gesagt, Sie alle kennen das. In Deutschland wird meines Erachtens Gesellschaft viel zu wenig aus dem Blickwinkel von Kindern, Familien oder Schwangeren betrachtet. Wenn über Kinder gesprochen wird, ist immer die Rede von Problemen und davon, dass Kinder zu viel kosten, dass die persönliche Freiheit eingeschränkt ist, dass die Karriere durch Kinder behindert wird oder dass Kinder zu laut sind. Solche Einstellungen können sich auch ganz schnell zu echten Mauern auftürmen, wie zum Beispiel in Berlin, wo ein Investor tatsächlich eine 5 Meter hohe Mauer errichten ließ, um den Lärm des angrenzenden Kinder- und Jugendzentrums von seinen neu errichteten Eigentumsvillen fernzuhalten. Ich nenne hier dieses Beispiel, weil es für mich ein Paradebeispiel dafür ist, wie sich Kinderunfreundlichkeit im Alltag manifestiert. Frau Ministerin, ich vermisse in Ihrem Haushalt die innovativen Elemente. Sie schreiben tatsächlich nur den alten Haushalt von Kristina Schröder fort. Sie haben aber selbst formuliert, dass Sie eine moderne Familienpolitik und eine gute Kinderpolitik machen wollen. Dazu benötigen wir in Deutschland aber zuallererst ein kinderfreundliches Klima. Die 500 Millionen Euro, welche jetzt für das Betreuungsgeld ausgegeben werden müssen, wären meines Erachtens besser für Maßnahmen geeignet, mit denen positive Anreize für Kinderfreundlichkeit geschaffen werden. Man könnte das Geld aber auch dafür verwenden, Kinderarmut zu bekämpfen – das ist hier schon mehrfach angesprochen worden, Frau Kollegin Gottschalck –, aber dieses Wort kommt ja leider im Koalitionsvertrag nicht vor. Kinderarmut existiert aber real. 2,5 Millionen Kinder in Deutschland sind von Kinderarmut bedroht oder leben in Kinderarmut. Wir Linke haben konkret dazu einen Antrag vorgelegt. Seine Umsetzung würde 500 Millionen Euro kosten; das wären genau die 500 Millionen Euro für das Betreuungsgeld. Wir schlagen vor, den Unterhaltsvorschuss auszuweiten, die Grenze von 72 Monaten Bezugsdauer und die Altersgrenze von zwölf Jahren aufzuheben. Das wäre ein ganz konkreter Vorschlag, um Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der Koalition, Frau Ministerin, dieser Haushalt ist zukunftsunfähig. Er tut nichts gegen die Kinderunfreundlichkeit in Deutschland, auch nichts gegen die Kinderarmut. Aus diesen Gründen können wir diesem Etat in der Form nicht zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Nadine Schön das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesen Tagen kommen wir wegen der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien auch in unserem Land nicht so ganz um das Thema Fußball herum, gerade in der Woche, in der Deutschland noch ein wichtiges Vorrundenspiel hat. Ich bin hier im Parlament bestimmt nicht die Erste, die einen Fußballvergleich heranzieht. Die aktuellen Haushaltsdebatten sind gerade dazu prädestiniert, sie mit dem bekannten Spruch von Sepp Herberger zu vergleichen (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!) – genau, Herr Wunderlich hat es schon gesagt –: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Entscheidend ist auf dem Platz!) Während wir Mitte des Jahres 2014 den Haushalt für 2014 verabschieden, finden parallel bereits die Vorberatungen für den Haushalt 2015 statt. Deshalb will ich in meiner Rede nicht nur über den Haushalt 2014 reden, sondern schon einen kleinen Ausblick auf das geben, was wir im nächsten Jahr in der Großen Koalition an familienpolitischen Maßnahmen planen, was die zukünftigen Schwerpunkte der Familienpolitik sein werden. Wir haben in der Großen Koalition drei Ziele. Wir wollen erstens mit unserer Politik den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Wir wollen zweitens, dass Familie in Deutschland gelebt werden kann. Wir wollen drittens, dass dort Hilfe geleistet wird, wo Hilfe gebraucht wird, dass wir die Menschen, die in Not sind, an der richtigen Stelle unterstützen. Der Haushalt 2014 spiegelt genau diese Bemühungen wider. Beginnen wir mit dem Thema Zusammenhalt der Gesellschaft. Es ist natürlich sehr schwer, dies in Haushaltszahlen abzulesen. Einen Zusammenhalt in Haushaltszahlen auszudrücken, ist ein Widerspruch in sich. Aber es gibt auch in diesem Haushalt ein paar Punkte, die belegen, dass das Miteinander der Menschen in unserem Land auch für uns in Berlin ein wichtiges Anliegen ist. Nehmen wir das Thema Bundesfreiwilligendienst; Frau Pahlmann wird darauf nachher noch näher eingehen. Dass sich in den letzten drei Jahren 128 000 Menschen in Deutschland freiwillig in den Dienst der Sache gestellt und sich ein halbes Jahr oder ein Jahr lang für andere Menschen eingesetzt haben, ist wirklich eine hervorragende Leistung. Das gilt vor allem dann, wenn man sich vor Augen führt, mit welchen Kommentaren die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes vor drei Jahren begleitet wurde. Damals haben viele gesagt: Das wird nichts. Kein Mensch macht den Bundesfreiwilligendienst. Das wird ein Flop. – Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Riesenerfolgsmodell; wir können stolz darauf sein. Ich bin froh, dass wir auch in diesem Jahr die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung stellen, damit die freiwillig Dienstleistenden ihre Arbeit aufnehmen können. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein weiterer Punkt ist das Thema Jugendarbeit; heute Abend sitzen ja viele junge Menschen auf der Zuschauertribüne. Die Jugendarbeit werden wir noch stärker unterstützen, als es bisher der Fall war. Es fließt schon sehr viel Geld in die Förderung ehrenamtlicher Strukturen, die durch eine gewisse hauptamtliche Basis unterstützt werden. Deshalb haben wir den Ansatz für die Jugendverbandsarbeit um 1 Million Euro aufgestockt. Aber Geld ist eben nicht alles, sondern zu Geld gehört auch Anerkennung. Deshalb will ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um auf den Deutschen Engagementpreis hinzuweisen. Ende des Monats läuft die Bewerbungsphase aus. Auf der Homepage zum Deutschen Engagementpreis findet man viele nützliche Informationen zum ehrenamtlichen Engagement. Mit diesem Preis wird das Ehrenamt nicht nur finanziell unterstützt – das ist ganz gut und ganz nett –, sondern vor allem auch ideell. Unsere Politik gilt den Ehrenamtlichen. Das gilt sowohl für den Haushalt als auch im täglichen Leben. Der zweite wichtige Punkt neben dem Zusammenhalt der Gesellschaft ist, dass Familie gelebt werden kann; dazu haben die Kollegen schon viel gesagt. Familie ist ein Wert, der auch von jungen Menschen wieder als wichtig erachtet wird; das besagen die Ergebnisse aller aktuellen Studien und Umfragen. Ich finde, es ist eine schöne Entwicklung, dass Familie wieder wichtiger wird. Kollege Leutert, ich war ganz überrascht über Ihre Ansätze im Bereich der Familienpolitik und darüber, dass Sie das wichtige Thema Familienfreundlichkeit in den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt haben. Sonst heißt es vonseiten der Linken ja immer: Wir brauchen mehr Geld! – Dabei geben wir in Deutschland für die Familienpolitik mehr Geld aus als alle anderen europäischen Länder. Allerdings haben wir das Problem, dass Deutschland als nicht familienfreundlich genug wahrgenommen wird. Wir dürfen nicht nur auf das Geld schauen, sondern müssen uns auch fragen: Was können wir darüber hinaus tun, um familienfreundlicher zu werden? Das ist ein guter Ansatz, über den wir schon öfter diskutiert haben. Ich bin froh, dass wir jetzt auch die Linken auf unserer Seite haben. Über diesen Punkt können wir sehr gerne weiter diskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir unterstützen Familien mit kleinen Kindern durch das Elterngeld und das Betreuungsgeld. Mittlerweile fließen 5,8 Milliarden Euro in diese Projekte. Zum -ElterngeldPlus führen wir gerade Beratungen durch. Wir werden das Elterngeld noch flexibler und partnerschaftlicher gestalten. Es ist unser großes Anliegen, das Erfolgsmodell Elterngeld für junge Familien noch attraktiver zu machen, damit es den Bedürfnissen junger Familien genau entspricht. Wir werden auch weiterhin die Kinderbetreuung stärken. Dabei geht es etwa um das Thema Sprachförderung und um die Qualifizierungsoffensive. Dafür haben wir in diesem Haushalt 126 Millionen Euro veranschlagt. Zu sagen, der Bund halte sich bei diesem Thema heraus, ist wirklich unwahr. Wir unterstützen die Kommunen und die Länder bei der Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe. Das werden wir auch weiterhin tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden auch unser Programm zu familienbewussten Arbeitszeiten fortführen. Herr Leutert, Sie haben recht: Familienfreundlichkeit muss sich in allen Bereichen der Gesellschaft zeigen, auch im Arbeitsleben. Deshalb ist es richtig, dass die guten Projekte der letzten Legislaturperiode mit Mitteln dieses Haushalts weitergeführt werden. Die Arbeitswelt ist im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiger Punkt. Aber ich sage auch ganz klar an die Adresse der Unternehmen: Es reicht nicht, nur flexible Arbeitszeiten anzubieten. Auch die Strukturen in den Unternehmen müssen sich ändern, und die Karrierewege müssen angepasst werden. Erst dann haben wir eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und echte Familienfreundlichkeit erreicht. Unser Gesetz zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ wird die eine oder andere Diskussion in den Unternehmen sicherlich noch einmal anregen und beschleunigen, und das ist gut so. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Immer brisanter in den Familien wird das Thema Pflege. Nicht jeder hat Kinder, aber jeder hat Eltern; deshalb ist Pflege in jeder Familie früher oder später ein Thema. Minister Gröhe ist mit großem Engagement bei der Sache; aber auch wir Familienpolitiker haben hier eine Verantwortung. Wir müssen das Konzept der Familienpflegezeit weiterentwickeln. Dafür steht derzeit schon 1 Million Euro im Haushalt. Es ist uns ein Anliegen, dass Familien Beruf und Pflege besser miteinander vereinbaren können. Das ist ein wichtiges Thema; denn viele Familien fragen sich: Wie schaffe ich es, meine Berufstätigkeit mit der Pflege meiner Angehörigen zu verbinden? – Wir müssen die Menschen, die diese wichtige Aufgabe übernehmen, besser unterstützen. Wir müssen mehr hinhören: Was sind eure Bedürfnisse? Was muss getan werden? – Die Familienpflegezeit ist ein wichtiger Ansatz; damit sind wir aber ganz sicher noch nicht am Ende der Diskussion. Der dritte Punkt unserer Familienpolitik ist: Hilfe leisten, wo Hilfe gebraucht wird. Wir haben in diesem Frühjahr ein Gesetz zur vertraulichen Geburt auf den Weg gebracht. Wir haben die vertrauliche Geburt implementiert. Mit diesem neuen Modell helfen wir Frauen, die schwanger sind, aber damit hadern und noch nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Deshalb gibt es hier spezifische Beratung und die Möglichkeit, das Kind anonym unter guten und hygienischen Bedingungen zur Welt zu bringen und die eigenen Daten – das ist aus rechtlichen Gründen erforderlich – anonym zu sichern. Wir stellen für dieses wichtige Projekt und für die Unterstützung von ungewollt Kinderlosen 12 Millionen Euro in den Haushalt ein. Damit stärken wir Menschen, die sich in diesen schwierigen Lebenssituationen befinden. Wir stärken außerdem das Programm „Frühe Hilfen“. Wir haben gerade wieder erschreckende Zahlen zur Gewalt gegen Kinder und zur Gewalt in Familien gehört. Hier bringt unser Programm „Frühe Hilfen“ die richtigen Ansatzpunkte. Es ist ein kluges Modell, zusammen mit den Ländern und den Kommunen zu schauen, wie man die Netzwerke auf der einen Seite und die Eltern auf der anderen Seite stärken kann. Ein ganz wichtiger Punkt ist: Wie kann man die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärken? An diesem Punkt müssen wir ansetzen; denn die Erziehungskompetenz der Eltern ist der Schlüssel zu weniger Gewalt gegen Kinder und damit der Schlüssel zu glücklichen Familien und gesunden Kindern – was wir in unserem Land erreichen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Dreiklang „Zusammenhalt der Gesellschaft“, „Familie leben“ und „Hilfe bieten“ wird auch in Zukunft die Richtschnur unserer Familienpolitik sein. Wir wollen aber genauso, dass auch künftige Generationen noch Möglichkeiten haben, das Land zu gestalten. Deshalb ist uns als Unionsfraktion auch die Schuldenbremse wichtig. Wir wollen der nächsten Generation keine Schuldenberge hinterlassen. Deshalb wird auch die Aufstellung des nächsten Haushaltes nicht leicht. Die Schuldenbremse gilt, wir müssen den Haushalt konsolidieren. Gleichzeitig wollen wir die Familien unterstützen, die Hilfe brauchen. Deshalb werden die anstehenden Beratungen ganz sicher nicht leicht. Ich darf zum Schluss noch einmal Sepp Herberger zitieren mit einer weiteren Fußballweisheit, die da heißt: Das nächste Spiel ist immer das schwerste. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und: Das Runde muss in das Eckige!) Vizepräsidentin Petra Pau: Zur Information an die Unionsfraktion: Der Kredit, den der Kollege Rainer hinterlassen hat, (Alois Rainer [CDU/CSU]: Gerne gemacht!) ist hiermit aufgebraucht; aber Sie haben ja noch drei Reden auf der Redeliste. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Beim Elfmeterschießen machen wir dann aber auch mit!) Aber zuallererst hat die Kollegin Franziska Brantner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie heute bei uns sind! In einem Spiegel-Interview vom Dezember hat Frau Schwesig noch erklärt, dass es von Bundesseite aus „eine ordentliche Summe Geld“ für die Kitas geben wird. Davon ist jetzt nicht mehr viel übrig: Es sollten erst 2 Milliarden Euro sein. Dann hieß es: 1 Milliarde Euro. Jetzt sind es noch 550 Millionen Euro. Jetzt seien Sie einmal ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Ist eine halbe Milliarde Euro für vier Jahre ein gutes Ergebnis für die Kitas, oder war Herr Schäuble nicht einfach sehr pfiffig? Das könnte man ja auch einmal sagen: Er hat doch ganz klug und lustig-pfiffig verhandelt. – Für die Kinder in diesem Land ist das aber kein gutes Ergebnis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Fragen Sie auch einmal Ihre Landesregierung!) Herr Rainer, es hat mich schon überrascht, dass Sie vorhin einfach gesagt haben – der Kollege ist gar nicht mehr da –, das Betreuungsgeld sei wunderbar. Ich finde es wirklich beeindruckend, dass jemand von der Regierungsseite die eigene Analyse aus dem Hause der Ministerin einfach ignorieren kann, die eindeutig sagt: Das Betreuungsgeld trägt zu größerer sozialer Ungerechtigkeit bei. Ich finde es ganz schön mutig, das zu ignorieren und zu sagen, das sei trotzdem ein Erfolg, also einfach gegen die Fakten anzureden und zu sagen: Die Realität ist uns doch egal. Hauptsache, es passt in unsere Ideologie! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Da wir jetzt über die Investitionen für die Kitas reden, können wir uns ja vielleicht auch einmal fragen – gerade kam der Zuruf zu den Ländern –, wie wir es schaffen, dass das Geld wirklich zielgerichtet bei den Kitas ankommt. Dafür brauchen wir ein Qualitätsgesetz, über das wir sicherstellen können, dass die Gelder vor Ort ankommen. Das ist doch unsere Aufgabe. (Sönke Rix [SPD]: Wenn die Länder das mitmachen!) Ich finde, wir sollten daran arbeiten. Ich weiß, dass Sie das wollen, Frau Schwesig, und ich finde das absolut richtig. Unsere Unterstützung haben Sie, weil diejenigen, die sich in den Verhandlungen für die kleinen Kinder einsetzen, immer den Kürzeren ziehen werden, wenn wir es nicht schaffen, dieses Gesetz voranzubringen. Hier können Sie auf unsere Unterstützung zählen. Wir kämpfen mit an Ihrer Seite für die Qualität in den Kitas und für unsere kleinen Kinder in Deutschland. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Nordrhein-Westfalen geht voran!) – Die einzelnen Bundesländer will ich jetzt nicht erwähnen. Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, der im Haushalt leider nicht stark genug berücksichtigt wird. Wir alle finden es beschämend, dass rund 2,5 Millionen Kinder in Deutschland in Armut leben. 15 Prozent der Kinder in Deutschland leben in Haushalten mit Hartz-IV-Bezug. Wo tauchen diese Kinder und ihre Familien im Haushalt auf? Selbst die Erhöhung des Kinderzuschlags – und auch sie wäre nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – ist in weiter Ferne. Wir müssen endlich die Konsequenzen aus der Evaluation der Ehe- und Familienförderung ziehen und uns an die Umgestaltung der Leistungen machen. Frau Schön, Sie haben es ja richtig gesagt: Wir geben in Deutschland in diesem Bereich sehr viel Geld aus. – Die Frage ist nur: Geben wir es richtig aus, sodass wir die Ziele, die Sie genannt haben – davon können wir alle wahrscheinlich relativ viele unterschreiben –, damit auch erreichen? Unserer Meinung nach tun Sie das nicht. Die Evaluierung hat auch gezeigt: Sie erreichen die selbstgesetzten Ziele mit diesen Geldern nicht. Gehen Sie dieses schwierige Thema deshalb endlich einmal an – Sie sind eine Große Koalition und haben eine große Mehrheit –, und zeigen Sie Mut, diese Gelder in Deutschland endlich wirklich im Sinne der Kinder zu vergeben, und zwar unabhängig vom Trauschein der Eltern, sodass es Gerechtigkeit gibt und Kinderarmut in Deutschland effektiv bekämpft wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Beim ElterngeldPlus geht es voran. Große Teile davon finden wir richtig. Die Kollegin hat es aber schon erwähnt: Wir finden es schwierig, dass es bei jenen, die Hartz IV beziehen, angerechnet wird. Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang noch einen Punkt zu erwähnen: Es geht um Flexibilisierung. Wir wünschen uns, dass das Ganze noch wesentlich flexibler gestaltet wird. In anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Belgien und Schweden, kann die Elternzeit vierteltägig genommen und entsprechend verlängert werden. Das kostet de facto nicht mehr, verschafft den Eltern aber die Flexibilität, die sie wollen, sodass sie das ganz individuell gestalten können. Wenn wir schon Flexibilität in dieses System hineinbringen: Warum erhöhen Sie sie nicht ganz stark, indem die Elternzeit vierteltägig genommen und somit das Elterngeld über einen entsprechend längeren Zeitraum bezogen werden kann? Frau Schwesig, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, mit dem Haushalt 2014 können Sie uns vielleicht noch vertrösten, weil Sie neu im Amt sind, aber für 2015 erwarten wir Taten, vor allem zur Bekämpfung von Kinderarmut. Wir zählen auf Sie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Herr Kollege Marcus Weinberg hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Guter Mann!) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Wunderlich telefoniert. Lieber geschätzter Kollege Wunderlich, ich komme noch einmal zu der Sache mit dem Kinderzuschlag zurück, auch wenn ich gefühlt der 27. Redner bin, der das korrigiert. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dann muss es ja gesessen haben!) Ganz im Sinne von Oscar Wilde, den Sie so gerne zitieren, sage ich: „Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.“ Da das Thema vom Tisch ist und die Angelegenheit bereinigt ist, bitte ich Sie: Wir sollten nicht verschiedene Dinge miteinander vermischen, die nichts miteinander zu tun haben. Ich will in meiner Rede darauf hinweisen, dass der Anfang der Haushaltsberatungen immer eine gute Gelegenheit bietet, sehr konkret zu definieren: Worin investiert man, und wo setzt man politische Schwerpunkte? Es ist auch immer so, dass eine Haushaltsberatung insgesamt dazu dient, zu überlegen: Was ist eigentlich die Philosophie, möglicherweise sogar der gute Geist einer Koalition, wenn es um die Frage geht, wie Familienpolitik aussehen sollte? Nadine Schön hat schon viel dazu gesagt, was uns bei der Entwicklung von familienpolitischen Maßnahmen in den nächsten Jahren prägt. Ich möchte ihre Ausführungen gerne noch um drei Punkte ergänzen. Der erste Punkt ist das Thema Wahlfreiheit. Wir sehen, dass Familien und Betroffene für sich in einer verstärkten Form von Wahlfreiheit entscheiden müssen, was die richtigen Mittel oder Möglichkeiten sind. Der zweite Punkt betrifft die Chancengerechtigkeit auf mehreren Ebenen. Es geht um die Frage des Einkommens, um die Rolle von Mann und Frau sowie inzwischen auch um die Frage von Jung und Alt und darum, hier einen Ausgleich zu schaffen. Der dritte Punkt ist die immer häufiger in unserer Gesellschaft geführte Diskussion, im Zusammenhang mit Familienbildern die Lebensqualität zu stärken. Diese Lebensqualität hängt von folgendem Dreieck der Familienpolitik ab: finanzielle Leistung auf der einen Seite, Infrastrukturmaßnahmen auf der anderen Seite und Zeitmanagement auf der dritten Ebene. Ich möchte die Grünen, weil sie mehrfach die finanziellen Leistungen dieser Bundesregierung kritisiert haben, daran erinnern – ich erwähne es mittlerweile ungern –: Wir haben den Etat im Bereich der Familienpolitik im Vergleich zum letzten rot-grünen Etat, an dem Sie beteiligt waren, um über 76 Prozent gesteigert. Es ist ein deutliches Signal der letzten Jahre gewesen, dass in Familien investiert wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD]) Es gilt, bei den Grundlagen zu sehen, dass sich Familienbilder und Leitbilder natürlich verändern. Es wird unsere Aufgabe sein, in der Zukunft diese veränderten Familienbilder verstärkt anzuerkennen. Ich meine damit, die Vielfalt bedarfsgerecht zu unterstützen und dabei Vertrauen zu haben, dass die Familien, wenn sie die Wahl haben, am besten wissen, was sie zu tun haben und welche Leistungen sie in Anspruch nehmen können, und dabei den Eltern nichts vorzuschreiben, also diesen Bereich zu entideologisieren. Jahrzehntelang haben wir genau das gemacht, nämlich ideologisiert. Diese Zeit muss vorbei sein. Vielmehr muss die Anerkennung der Freiheit ganz oben auf unserer Agenda stehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das heißt dann auch, dass Familienleistungen zu überprüfen sind. Da Familienleistungen in bestimmten Jahrzehnten unter gewissen gesellschaftlichen Bedingungen entwickelt wurden, wird man immer wieder überprüfen müssen: Sind sie noch aktuell? Helfen sie noch da, wo sie helfen sollen? Das werden wir tun. All das müssen wir aber auch unter dem Gesichtspunkt der Haushaltskonsolidierung sehen, das ein Grundziel ist. Nadine Schön hat es deutlich gemacht: Unter dem Strich ist das Wichtigste für die nachfolgende Generation, für unsere Kinder, dass wir ihnen so wenig Schulden wie möglich hinterlassen; denn sie sind diejenigen, die diese Schulden begleichen müssen. Diese Last sollten wir ihnen nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn man sich die familienpolitischen Maßnahmen von heute und der nächsten Jahre anschaut, dann ist es wichtig, nicht nur zu überlegen, was wir in der Politik wollen, sondern die Frage ist: Was sind die Wünsche und Erfordernisse, die von Familien definiert werden? Wenn man sich die TOP 4 der Erwartungen von Eltern an die Familienpolitik ansieht, dann stellt man fest, dass sich in den letzten Jahren nicht viel verändert hat, obwohl bereits viel passiert ist. Es sind die Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Ausbau von Krippenplätzen, Stärkung junger Familien und Schaffung besserer Bildungschancen, gerade für Kinder bedürftiger Familien. Das ist auch unser Ansatz, unsere rote Linie, die sich seit vielen Jahren durch unsere Familienpolitik zieht. Eines ist hinzugekommen und wird sich im Laufe der nächsten Jahre noch verstärken – das bildet dieser Haushalt ab; es wird in den nächsten Jahren noch stärker abgebildet werden –: Das ist der Wunsch vieler Mütter und Väter, gemeinsam und partnerschaftlich Erwerbstätigkeit und Familienarbeit zusammenzubringen. Das ist auch unser Ansinnen in der Politik. Wir sehen, dass mehr junge Väter mehr Zeit mit Kindern verbringen wollen, dass aber auch mehr junge Mütter wieder verstärkt arbeiten wollen. Danach hat sich die Politik auszurichten. Das machen wir. (Beifall bei der CDU/CSU) Der erste Schritt war, zu sagen: Das Elterngeld ist die richtige Maßnahme. Jetzt kommt der zweite Schritt, indem wir sagen: Diese Maßnahme muss mit dem ElterngeldPlus noch verstärkt werden. Insbesondere der Wunsch nach mehr Partnerschaftlichkeit wird sich in den Maßnahmen der Politik abbilden. Wenn ich von dem Dreieck Infrastruktur, Geld und Zeitmanagement spreche, dann kann man mit Blick auf den Haushalt erstens feststellen, dass beim Krippenausbau Enormes geleistet worden ist. Es wurden 5,4 Milliarden Euro für mittlerweile über 800 000 Betreuungsplätze bereitgestellt. Das betraf den Rechtsanspruch ab 1. August 2013. Jahrelang von der Opposition belächelt, hat es geklappt. Jetzt wird man schauen, wie der weitere Bedarf ist, und dann wird man Lösungen finden – das ist eine klare Zusage –, wie dieser weitere Bedarf abgebildet wird. Dazu bekommen die Länder bis jetzt noch einmal 845 Millionen Euro für die Betriebskosten, und ab 2017 kommen noch einmal 100 Millionen Euro hinzu. Damit ist auch verbunden, dass die Länder gerade bei dem Gesichtspunkt der Qualitätssteigerung in der Verantwortung stehen. Denn es ist so, dass, wenn wir ab 2017 diese Mittel in Höhe von jährlich fast 1 Milliarde Euro bereitstellen, damit die Erwartung verbunden ist, dass uns die Länder dann auch deutlich signalisieren, dass Qualitätssteigerungen angestrebt werden. Der zweite Punkt ist die Einführung des Elterngeldes; dafür wurden mittlerweile im Etat 2014 deutlich über 5 Milliarden Euro veranschlagt. Es ist also ein Erfolgsmodell, das angenommen wurde und deshalb auch entsprechend ausgebaut wird. Drittens will ich noch einmal die Schwerpunktkitas Sprache ansprechen. Hierfür sind im Jahr 2014 126 Millionen Euro eingestellt worden. Gerade auch im Hinblick auf das Thema Bildungschancen – das ist ja immer Ihr Thema – haben viele Maßnahmen der Vergangenheit gut gewirkt – übrigens nicht nur im Bereich der Familie, sondern auch im Bereich der Bildung. Ich habe hierzu noch das „Haus der kleinen Forscher“ und Ähnliches im Kopf. Wer das erlebt hat, weiß, dass Bildungsimplikationen mehr und mehr an Bedeutung gewonnen haben und auch ausgeweitet wurden. Der Bundesfreiwilligendienst und die Mehrgenerationenhäuser sind bereits angesprochen worden und werden noch einmal angesprochen werden. Dies sind wichtige Themen genauso wie das Thema Familienpflegezeit, wofür 1,1 Millionen Euro bereitgestellt wurden. Auch hier werden wir uns darauf einstellen müssen, dass wir in fünf oder in zehn Jahren über ganz andere Summen und Maßnahmen sprechen werden, um dies abzufedern und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Fazit für den Haushalt 2014: Sicherung, Bewahrung und Verstetigung von guten Maßnahmen der letzten Jahre. Diese werden fortgeführt, verstetigt und an der einen und an der anderen Stelle neu justiert. Noch ein Ausblick auf 2015. Das Thema Flexibilisierung der Elternzeit ist angesprochen worden. Ich freue mich, dass die Grünen da mit an unserer Seite stehen, wenn es darum geht, dass dies ein wichtiges Thema ist. Nun kann man lange darüber reden, das noch flexibler zu gestalten. Ich meine aber, familienpolitische Maßnahmen müssen auch im Einvernehmen mit der Wirtschaft, insbesondere mit dem Mittelstand, entwickelt werden. Wir haben nichts davon, wenn wir versuchen, Themen nur über gesetzliche Grundlagen durchzusetzen, sondern es muss ein Einvernehmen geben. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn mittelständische Betriebe das so akzeptieren, ist es übrigens auch in deren Sinne; denn diese haben ja ein Interesse an Fachkräften und auch ein Interesse daran, dass zum Beispiel aus Teilzeit wieder Vollzeit wird. Insoweit gibt es da eine sogenannte Win-win-Situation für beide Seiten. Das ElterngeldPlus verbessert die Kombination von Teilzeit und Elterngeld. Über diese Flexibilisierung wollen wir dazu kommen, dass die Familien wirklich sehr individuell abbilden können, was sie sich wünschen – auch mit dem Partnerschaftsbonus. Als entscheidendes Kriterium bzw. als Überbau muss für uns gelten: Wir wollen eine familiengerechte Arbeitswelt statt einer arbeitsgerechten Familie. Das heißt, der Ansatz muss immer sein, dass Familie das ist, was uns prägt, auch wenn sich die traditionellen Familienbilder verändert haben. Auch wenn es dort neue Justierungen und neue Veränderungen gibt, ist es so, dass sich die Arbeitswelt auch nach der Familie ausrichten muss. Deswegen wird man genau überlegen, welche Rechtsansprüche es gibt. Ich nenne beispielsweise die Rückkehr in Vollzeit nach Teilzeit. Wir müssen sehen, welche familienpolitischen Maßnahmen wir überprüfen müssen. Ich glaube, es wird notwendig, die familienpolitischen Leistungen noch stärker zu bündeln und strategisch noch besser aufzustellen, auch unter Effizienzgesichtspunkten, also unter dem Kriterium, welcher Euro eigentlich für die Familien, für die Gesellschaft – auch unter dem Gesichtspunkt von Bildungsimplikationen – welchen Mehrwert hat. Das wird in den nächsten Jahren eine Aufgabe sein. Das Zweite wird sein, noch stärker die Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe zu akzeptieren und durch konkrete Maßnahmen zu unterstützen. Die Situation von Alleinerziehenden ist noch nicht gelöst. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung dazu geäußert; das wird noch ein Thema sein, das auf der Agenda steht. Insoweit, glaube ich, haben wir mit dem Haushalt 2014 in konsequenter Art und Weise das fortentwickelt und weiter ausgebaut, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Jetzt möchte ich ein zweites Mal Oscar Wilde – Sie zitieren ihn ja immer so gern – zitieren: Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Danke!) In diesem Sinne einen schönen Restabend. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das wird aber ein schöner Abend!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Stefan Schwartze das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Stefan Schwartze (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir mit diesem Haushalt besonders die eigenständige Jugendpolitik in den Fokus nehmen. Zurzeit reden alle über Rente und Pflege. Das ist richtig und wichtig. Vor der Sommerpause beschließen wir noch den Mindestlohn. Damit bekämpfen wir Erwerbsarmut und Kinderarmut. (Beifall bei der SPD) Unsere Zukunft sind unsere Jugendlichen von heute. Sie werden den demografischen Wandel auf ihren Schultern tragen müssen, und diese Generation hat jedes Recht, sich jetzt einzubringen. Leider wurde in der Vergangenheit der Fokus auf die Fehler gerichtet, die Jugendliche gemacht haben. Eine solche einseitige Definition von Jugendlichen ist in einer so vielfältigen Gesellschaft wie der unseren fatal. Heute sind wir glücklicherweise weiter. Unsere Gesellschaft kann Jugendlichen zugestehen, sich auszuprobieren. Wir verstehen Jugendliche als Heranwachsende, die ihr Leben selbst gestalten. Deswegen ist es wichtig, dass sie Raum zum Ausprobieren, für die Entwicklung der Persönlichkeit und auch für Fehler bekommen, dass sie eine zweite Chance oder auch weitere Chancen bekommen. Nur, die Möglichkeit, ein Leben zu gestalten, Chancen zu erfahren und Perspektiven aufzubauen, hängt immer noch viel zu stark vom Elternhaus ab. Deshalb gilt, dass wir alle Jugendlichen bei den Entscheidungen und Maßnahmen, die sie betreffen, mitnehmen und mitmachen lassen müssen. Deshalb gilt, dass eine eigenständige Jugendpolitik in unserer Zeit integrierend und zuhörend sein muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb gilt, dass wir die Organisationen und Institutionen stärken und fördern müssen, die dies ermöglichen. Im Mittelpunkt unserer Politik stehen deshalb die Jugendverbände. Es ist ein großer Erfolg, dass es uns gelungen ist, mit diesem Haushalt die Jugendverbandsarbeit deutlich zu stärken und 1 Million Euro mehr für die Jugendverbände bereitzustellen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Dieses Dorf sind bei uns die Schulen, Vereine und Jugendverbände. Deswegen muss auch im Rahmen der Ganztagsschulen, aber auch ganz besonders in Zeiten eines erhöhten Leistungsdrucks für viele Jugendliche die Zusammenarbeit von Jugendverbänden und Schulen gestärkt werden. (Beifall bei der SPD) Dabei sind eine bessere Kommunikation und mehr Flexibilität notwendig. Hier muss die eigenständige Jugendpolitik jetzt ansetzen und Vorschläge gründlich diskutieren und ausarbeiten. Ich habe eben gesagt, dass wir unseren Jugendlichen mehr zuhören müssen. Zuhören heißt aber auch, die Kommunikationsform der Jugendlichen aufzunehmen und anzunehmen. Um Jugendlichen zuhören zu können, müssen die Erwachsenen, die sie umgeben – Eltern, Lehrer, Betreuer –, auch ihre Kommunikationsformen beherrschen. Konkret heißt dies, dass wir Jugendliche dabei begleiten müssen, verantwortungsvoll mit den neuen Medien umzugehen. Nicht die neuen Medien sind das Problem, sondern dass wir die Jugend damit alleine lassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Fest steht: Starke Jugendliche kommen aus starken Familien. Es ist die Aufgabe dieses Hauses, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Eltern zu schaffen. So ist die deutliche Steigerung der Mittel beim Elterngeld ein großer Erfolg, besonders deshalb, weil auch immer mehr Väter das Elterngeld und die Elternzeit in Anspruch nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mit dem ElterngeldPlus werden wir noch stärkere Akzente hinsichtlich der partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzen können. Der Gesetzentwurf dazu greift die Wünsche einer Vielzahl von Eltern auf. 60 Prozent von ihnen wollen Erwerbsarbeit und Familie partnerschaftlich teilen. Bisher gelingt das nur 14 Prozent. Das ElterngeldPlus wird helfen, dieses favorisierte Lebensmodell wirklich zu leben, (Beifall bei der SPD) ein Modell, bei dem die Partner in gleichem Umfang erwerbstätig sind und sich gleichermaßen um Haushalt und Familie kümmern, ein Modell, das es ihnen ermöglicht, aktive Vorbilder zu sein und am Leben ihrer Kinder tatsächlich teilzuhaben. Lasst uns das jetzt anpacken! Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Nächste Rednerin ist die Kollegin Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sylvia Pantel (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Haushalt für das laufende Jahr ist unter Dach und Fach. Er setzt gerade im Bereich des Familienministeriums die richtigen Akzente. Woran können die Bürgerinnen und Bürger erkennen, ob eine Regierung gute Politik macht? Man könnte sich fragen: Geht es mir persönlich, unserer Gemeinschaft und unserem Land besser oder schlechter durch die politischen Entscheidungen? Ich möchte einige Aspekte aufzeigen, die Antworten auf diese Fragen geben. Wir sorgen dafür, dass der Zusammenhalt zwischen den Generationen in unserer Gesellschaft gefestigt wird und Familien ausreichend Unterstützung erhalten. Wir haben als Union lange für die Mütterrente gekämpft. Es ist mehr als gerecht, dass die rund 9 Millionen betroffenen Väter und Mütter durch die Erhöhung der Mütterrente nun mehr Geld zur Verfügung haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Ältere Väter und Mütter haben nicht die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten, wie es sie heute gibt. Deshalb ist es eine Frage der Gerechtigkeit, deren Erziehungsleistungen besser als bisher anzuerkennen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen, dass Familien selbst entscheiden, wie sie leben möchten. Familie hat für uns einen hohen Wert. So stellt diese Koalition alleine für das Betreuungs- und das Elterngeld fast 6 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Betreuungsgeld erhöhen wir ab August von 100 auf 150 Euro. Im ersten Quartal dieses Jahres wurde das Betreuungsgeld für 146 000 Kinder ausgezahlt. Das übertrifft alle Erwartungen und zeigt, dass die Familien dieses Angebot annehmen. Abgesehen davon, dass es das Recht und die Pflicht der Eltern ist, ihre Kinder zu erziehen, hat mir bisher keiner überzeugend darlegen können, dass nur die staatliche Betreuung richtig ist. Das Betreuungsgeld zu streichen, wie es die Grünen fordern, und ausschließlich die staatliche Betreuung von Kindern auszubauen, ist ein Irrweg und hat nichts mit Wahlfreiheit zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: So ein Quatsch! So eine verzerrte Wahrnehmung!) Das Betreuungsgeld ist zusammen mit dem Elterngeld und zukünftig mit dem ElterngeldPlus ein Baustein für die Anerkennung verschiedener Lebensentwürfe. Der Staat soll den Familien nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, sondern er soll sie dabei unterstützen, dass sie so leben können, wie sie selber es wollen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fangen Sie einmal an!) Der Erfolg des Betreuungsgeldes zeigt: Viele Eltern wollen sich selbst um ihre Kinder kümmern. Eine starke und stabile Bindung zwischen Eltern und Kindern ist die beste Investition in eine generationenübergreifende Gemeinschaft und eine sichere Zukunft. Dafür braucht man Zeit für Kinder. (Karin Binder [DIE LINKE]: Genau! 30-Stunden-Woche!) – Es gibt ein paar, die vielleicht ein bisschen mehr brauchen und wollen. Unser Ansatz ist, dass wir die Familien entscheiden lassen, was sie wollen, und dass die Politik nicht zu wissen glaubt, was besser für die Familien ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Opposition ignoriert diese Tatsache, wenn sie das Betreuungsgeld kürzen oder abschaffen möchte. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Pantel, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Leutert? Sylvia Pantel (CDU/CSU): Ja, klar. Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte. Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Kollegin, Sie sprechen von der Wahlfreiheit. Die Eltern sollen entscheiden, ob sie Betreuungsgeld in Anspruch nehmen oder ob sie ihre Kinder in der Kita betreuen lassen. Ist Ihnen bewusst, dass die Wahlfreiheit nur auf bestimmte Gruppen zutrifft, dass aber ALG-II-Bezieherinnen gezwungen sind, Betreuungsgeld zu beantragen? Sie haben überhaupt keine Chance, zu wählen. Beim Jobcenter hört die Wahlfreiheit auf, weil es mit Hartz IV verrechnet wird. Sylvia Pantel (CDU/CSU): Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir können das gerne später vertiefen. Nur so viel: Wenn ich einen Job und einen Kitaplatz habe, dann verdiene ich natürlich mehr Geld als dann, wenn ich Betreuungsgeld bekomme. Natürlich verbessert das Betreuungsgeld die finanzielle Situation, wenn ich zu Hause bleibe. Sie tun so, als ob ich sofort einen Kitaplatz und auch einen Arbeitsplatz hätte, wenn ich das Betreuungsgeld nicht hätte. Das eine bedingt das andere nicht unbedingt. Es gibt mehrere Studien – die wurden hier eben andeutungsweise zitiert –, die besagen, dass die Tatsache, dass jemand wenig Geld oder einen Migrationshintergrund hat, ein Indiz dafür sei, dass die Betreuung zu Hause eine schlechtere sei. Dem kann ich mich nicht anschließen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch niemand gesagt!) Weder das Geld noch der Migrationshintergrund sagen etwas über die Qualität der Betreuung zu Hause aus. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wenn ich die Möglichkeit einer Kita nicht habe, dann kann ich nicht wählen!) – Man muss den Einzelfall betrachten. Das können wir gerne machen. Der Bund engagiert sich auch weiterhin beim Ausbau der Kinderbetreuung. Ab 2015 wird der Betrieb von neu geschaffenen Kitaplätzen mit jährlich 845 Millionen Euro finanziert. In einem speziellen Sondervermögen stehen rund 2,7 Milliarden Euro für den Bau und die Einrichtung neuer Betreuungsplätze zur Verfügung, auf die die Länder anteilig zugreifen können. Die Mittel für Bau- und Sanierungsmaßnahmen sind dadurch sichergestellt. Der demografische Wandel betrifft junge genauso wie ältere Menschen. Wir nutzen diese Chance und richten unsere Gemeinschaft an den neuen Bedürfnissen aus. Mehrgenerationenhäuser nehmen das Bild von der früher existierenden Großfamilie auf. Sie fördern den Zusammenhalt über Generationen hinweg. Sie bieten für alle die Möglichkeit, sich mit unterschiedlichen Kompetenzen an der passenden Stelle einzubringen. Hier haben alle Generationen einen Raum, den sie ganz unterschiedlich miteinander und füreinander gestalten können. Der Bund sichert für die bestehenden Mehrgenerationenhäuser auch zukünftig die finanziellen Rahmenbedingungen, auch wenn die Förderung über den Europäischen Sozialfonds wegfällt. Jetzt haben wir das erst einmal gesichert. Ich hoffe, dass wir das auch danach weiterhin sichern können. Die Mehrgenerationenhäuser sind ein unverzichtbares Angebot geworden. Hier zeigen sich auch die vielfältigen Möglichkeiten von bürgerschaftlichem Engagement. Wir alle wissen, dass der Staat nicht alle Aufgaben lösen kann, selbst wenn er es wollte. Unsere Gemeinschaft ist stark, wenn auch das freiwillige Engagement stark ist. Beim Bundesfreiwilligendienst werden wir alle Zusagen einhalten. Das Interesse und die Nachfrage sind sehr groß, und im Verlauf des Haushaltsverfahrens haben unsere Haushälter die zusätzlich notwendigen 20 Millionen Euro bereitgestellt. Dafür noch einmal herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Bürgerinnen und Bürger im Bundesfreiwilligendienst engagieren sich zum Beispiel im Zivil- und Katastrophenschutz. Wir in Düsseldorf haben gerade jetzt bei dem großen Sturm erlebt, wie wichtig dieser Einsatz ist. Es ist gut, dass das THW mit diesem Haushalt 10 Millionen Euro zusätzlich erhält. Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Musterbeispiel für Gemeinsinn. Er ist ein unverzichtbares Kulturgut geworden. Wir werden weiterhin alle Anstrengungen unternehmen, um Barrieren abzubauen. Jeder, der sich engagieren will, soll sich engagieren können. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir hier über den Haushalt sprechen, dann sollten wir uns auch die Alternativen ansehen, die die Opposition in den vergangenen Wochen geboten hat: Da gab es Ausgabenwünsche ohne Ende. Unsere Koalition stellt dem Familienministerium fast 8 Milliarden Euro zur Verfügung und schafft es gleichzeitig, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Trickserei bei der Steuerschätzung!) Davon profitieren die kommenden Generationen, die dadurch ihre Zukunft selbst gestalten können. (Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD]) Ich bedanke mich an dieser Stelle für die gute Arbeit unserer Haushälterinnen und Haushälter, die das persönliche Wohl der Bürgerinnen und Bürger genauso im Blick hatten wie das große Ganze. Dieser Haushalt stärkt unsere Familien, unterstützt unsere Seniorinnen und -Senioren, gibt Männern und Frauen die notwendigen Wahlmöglichkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und stärkt die Chancen von Kindern und Jugendlichen. Der Haushalt des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wächst im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 1 Milliarde Euro. Wir setzen die richtigen Akzente und halten Maß. Daran erkennt man eben eine gute Regierung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Petra Crone das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Petra Crone (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! Der Haushalt, der heute hier zur Abstimmung steht, kann für den Rest des Jahres wichtige Akzente setzen. Herzlichen Dank, Frau Ministerin! Ich freue mich sehr darüber. Auch wenn aus Sicht der Opposition der Teufel im Detail stecken mag, sind in ihm doch einige von der SPD lang ersehnte Akzente enthalten. (Beifall bei der SPD) Dieser Haushalt mahnt auch dringende Arbeit für die kommenden Jahre an. Darum beschäftigt mich am meisten der Blick nach vorn. Auch auf die Gefahr hin, dass ich wiederhole, was einige schon gesagt haben: Mir als Seniorenpolitikerin ist die Verlängerung des Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser II ein ganz wichtiges Anliegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Mit diesem Haushalt stellt sich das Problem zwar nicht direkt, doch er weist auf den Wegfall der ESF-Mittel und auch auf das Auslaufen des Programms hin. Aber glücklicherweise ist sich die Große Koalition einig, dass eine Verlängerung über 2014 hinaus gewünscht wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, gehen noch einen Schritt weiter: Wir setzen uns für eine Verstetigung der Mehrgenerationenhäuser ein, und diese möglichst flächendeckend überall im Land. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Denn wir können nicht gebetsmühlenartig den Zusammenhalt von Alt und Jung in unserer älter werdenden Gesellschaft anmahnen; aber dann bei der Verlängerung der nicht nur von Alois Rainer, von mir und eigentlich von allen gewünschten Förderung der Mehrgenerationenhäuser prinzipiell werden. Daher habe ich eine ganz dringende Bitte: Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam dafür sorgen, dass in den Eckpunkten des Haushaltes 2015 der Titel für die Mehrgenerationenhäuser steht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich wende mich damit an den in diesem Hause heute am meisten angesprochenen Mann: Herr Kampeter, ich hoffe, Sie sorgen ebenfalls dafür. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Kollegen und Kolleginnen, ein weiteres Thema brennt seit Jahren nicht nur auf meinen Nägeln: die Altenpflegeausbildung bzw. die geplante Reform der Pflegeausbildung. Die bereitgestellten Mittel beim Gesundheitsministerium für gezielte Fachkampagnen, die die Attraktivität und insbesondere die Wertschätzung der Pflegeberufe steigern sollen, sind sicherlich begrüßenswert. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich erinnere aber selbstkritisch daran, dass öffentlichkeitswirksame Fachkampagnen nicht neu sind. Bereits 2003 gab es unter Rot-Grün den Runden Tisch Pflege. Dann hat eine Familienministerin von der Leyen der Altenpflege medienwirksam den roten Teppich ausgerollt und ein Festival der Altenpflege inszeniert. Aber die Ergebnisse waren insgesamt ziemlich übersichtlich. Fachkampagnen sind sicher gut und wichtig. Ich freue mich aber, dass im Koalitionsvertrag nun eine weitreichende Reform der Pflegeberufe verabredet worden ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Altenpflegerinnen und Altenpfleger der Zukunft haben es wirklich verdient, dass wir uns endlich um eine bessere und attraktivere Ausbildung kümmern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der kontinuierliche Aufwuchs beim Etat für das Deutsche Zentrum für Altersfragen ist angesichts unserer älter werdenden Gesellschaft im Grunde erfreulich. Das DZA ist unter den vier geförderten Institutionen mit über 2,7 Millionen Euro das mit dem größten Finanzvolumen. Natürlich kommt dann auch die Frage auf, welche öffentlichen Aufgaben es eigentlich neben den Surveys und den Altenberichten der Bundesregierung übernimmt. Ich fände es ziemlich gut, wenn das DZA auch im Rahmen der Demografiestrategie des Bundes einen unabhängigen Beitrag leisten könnte. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich freue mich im Übrigen sehr, dass der Kürzungswahn bei der Antidiskriminierungsstelle beendet ist. (Beifall bei der SPD) Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt den Anstieg bei der ADS und damit das erste deutliche Signal der Wertschätzung ihrer Arbeit. Insgesamt konnten in diesem Haushalt 2014 wichtige Akzente gesetzt werden. Aber wir müssen uns in den kommenden Jahren gerade in einer Großen Koalition den großen Herausforderungen des demografischen Wandels stellen, und zwar ohne, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Opposition, Jung gegen Alt auszuspielen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun die Kollegin Ingrid Pahlmann. (Beifall bei der CDU/CSU) Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Facetten des Haushalts wurden von meinen Vorrednern bereits beleuchtet. Liebe Kollegin Petra Crone, auch wir als CDU/CSU freuen uns, dass viele unserer Ziele sich in diesem Haushalt wiederfinden und berücksichtigt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD]) Ich möchte heute bei der Budgetdebatte den Blick besonders auf die Freiwilligendienste lenken. Sie sind durch die Haushaltsberatungen auf sichere Füße gestellt worden. Vielleicht können wir alle uns nachher – ich bin die letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt – hinter diesem Punkt versammeln; vielleicht macht die Opposition da auch mit. Heute in einer Woche, nämlich genau am 1. Juli, jährt sich die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes zum dritten Mal. Allen Bedenken und Unkenrufen zum Trotz – Frau Schön hat es schon erwähnt – hat der Bundesfreiwilligendienst nach dem Ende des Zivildienstes alle Erwartungen übertroffen und sich zu einem Modell mit überragendem Erfolg entwickelt. (Beifall bei der CDU/CSU) Über alle Generationen hinweg erfreut er sich seit seiner Einführung vor drei Jahren eines gewaltigen Zuspruchs und zeigt, wie viele in unserer Gesellschaft bereit sind, sich einzusetzen, für andere da zu sein, Erfahrungen weiterzugeben und ein Miteinander zu leben. Rund 100 000 Freiwillige beiderlei Geschlechts und aller Altersgruppen engagierten sich seit Juli 2011. Auch in diesem Jahr gibt es wieder rund 35 000 Bufdis in unserem Land. Sie leisten ihren Dienst in den unterschiedlichsten Bereichen: im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, auf dem Gebiet des Sports, bei der Integration oder im Zivil- und Katastrophenschutz. Sie bringen den Einrichtungen oftmals einen frischen und manchmal erfrischenden Blick von außen. Auch sind sie unverzichtbarer Bestandteil in den bundesweit über 450 Mehrgenerationenhäusern, deren Finanzierung – es wurde bereits gesagt – wir ebenfalls für dieses Jahr sichern konnten. Ich bin sehr froh, dass innerhalb der Koalition Einigkeit darüber herrscht, die bestehenden Mehrgenerationenhäuser zu erhalten und die in Zukunft wegbrechenden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds gemeinsam aufzufangen. Bufdis finden sich in allen Altersgruppen. Ein besonderer Erfolg des Konzepts ist, dass sich in seinem Rahmen auch Menschen mittleren Alters sowie Senioren und Seniorinnen freiwillig engagieren können. Gerade die zuletzt Genannten sind eine sehr heterogene Gruppe: zum Teil Menschen ohne Bildungsabschluss, die von Arbeitslosengeld II leben, sich sanft wieder in die Arbeitswelt eingliedern wollen und eine neue berufliche Chance erhoffen; Ältere, oftmals auch Frauen, die lange ehrenamtlich tätig waren und ihr Engagement über den Freiwilligendienst intensiver gestalten wollen; Menschen im Ruhestand, die sich engagieren möchten und nach dem Arbeitsleben nach sinnvoller Betätigung suchen. Mittlerweile sind rund 40 Prozent der Bufdis älter als 27 Jahre. Für sie bietet sich auch die Möglichkeit, sich in Teilzeit zu engagieren. Dadurch erhöht sich die Attraktivität des Freiwilligendienstes für ältere Menschen. Sie alle bringen ihre umfangreichen Erfahrungen ein, geben sie weiter. So profitieren einerseits die Bundesfreiwilligendienstler, andererseits die Einsatzstellen und nicht zuletzt die Menschen, die durch ihr Handeln unterstützt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) In einer Gesellschaft des längeren Lebens ist das Engagement älterer Menschen gleichermaßen sinnstiftend und gesundheitsfördernd für die Engagierten; es ist gleichzeitig aber auch unverzichtbare Expertise für die Gestaltung unserer Gesellschaft. Freiwilligendienste bilden Empathie, soziales Empfinden und Gewissen. Dies ist eine gesellschaftliche Aufgabe und nach dem Wegfall des verpflichtenden Zivildienstes besonders wichtig. Die bewährten Jugendfreiwilligendienste, die seit 50 bzw. 30 Jahren bestehen – hier gab es ja an der einen oder anderen Stelle gewisse Sorgen –, haben unter dieser Entwicklung nicht gelitten; im Gegenteil: Durch die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes haben wir das freiwillige Engagement in seiner Vielfalt gestärkt. Rund 100 000 Menschen jährlich leisten inzwischen einen Freiwilligendienst: ob Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst. Erst vor wenigen Wochen konnten wir in diesem Bereich ein anderes Jubiläum feiern. Viele von Ihnen waren dort. Wir haben 50 Jahre Freiwilliges Soziales Jahr gefeiert. Seit einem halben Jahrhundert bietet das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres den rechtlichen Rahmen, in dem sich junge Menschen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres ein Jahr lang im sozialen Bereich engagieren. Mit der Erweiterung um das Freiwillige Ökologische Jahr rund 30 Jahre später wurde der Freiwilligendienst über den sozialen Bereich hinaus auch auf den Umweltbereich ausgedehnt. Mit der Öffnung des Freiwilligendienstes für alle Altersgruppen durch die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes vor drei Jahren sind diese Dienste insgesamt aus ihrer Nische herausgerückt und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Erste Ergebnisse einer laufenden Evaluation belegen die hohe Qualität der Dienste: 85 Prozent der Befragten waren mit ihrer Tätigkeit sehr oder überwiegend zufrieden, 88 Prozent der Befragten würden den Freiwilligendienst weiterempfehlen. Sehr geehrte Damen und Herren der Linken, auch Sie müssen zur Kenntnis nehmen: Der Bundesfreiwilligendienst ist eine Erfolgsgeschichte. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit Ihrer Forderung nach dessen Abschaffung, wie Sie es zuletzt in den Beratungen des Familienausschusses über den Haushalt erneut auf das Tapet brachten, beweisen Sie wieder einmal Ihre Realitätsferne und Ihre Ignoranz der zivilgesellschaftlichen Gestaltungskraft. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Haushaltsausschuss hat den Freiwilligen und den Einsatzstellen des Bundesfreiwilligendienstes zum dreijährigen Geburtstag indes ein besonderes Geschenk gemacht. Ich möchte den Haushältern von Union und SPD danken, dass es gelungen ist, in langwierigen und sicherlich durchaus schwierigen Beratungen die fehlenden 20 Millionen Euro für den Bundesfreiwilligendienst bereitzustellen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Denn es wäre sowohl den Einsatzstellen wie auch den Bufdis nicht zu vermitteln gewesen, dass durch einen Berechnungsfehler im System ihre Arbeit gelitten hätte. Durch das Handeln der Haushälter, die dieses erkannt haben, konnte ein Einstellungsstopp beim Bundesfreiwilligendienst verhindert werden. So werden in diesem Jahr rund 187 Millionen Euro in diesen Dienst investiert. Es ist nicht nur, aber auch für die Kommunen eine gute Nachricht, die von der noch vor wenigen Monaten drohenden Einfrierung der Haushaltsmittel für die kommunalen Einsatzstellen besonders stark betroffen gewesen wären. Abschließend möchte ich an dieser Stelle allen danken, die sich aus freien Stücken für die Allgemeinheit engagieren und damit das gute Miteinander in unserer Gesellschaft stärken, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) die, wie es ein 18-jähriger Bufdi formuliert hat, von anderen Menschen lernen, neue Bereiche kennenlernen, sich weiterentwickeln und etwas für die Gesellschaft tun möchten. Vor diesem Engagement können wir alle nur den Hut ziehen und versuchen, sie mit all unseren Möglichkeiten zu unterstützen, wo immer es nur geht; denn ihr Handeln ist von unschätzbarem Wert für den Zusammenhalt in unserem Land. Sie alle machen die Gesellschaft aus, die uns so wichtig ist und in der wir leben wollen. Deshalb werden wir auch in Zukunft daran arbeiten, jedem, der einen Freiwilligendienst leisten möchte, dies auch zu ermöglichen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Dabei ist die finanzielle Ausstattung durch Bund und Länder die eine Seite der Medaille. Anerkennung, Würdigung jenseits monetärer Zuwendung ist die andere Seite. Daran müssen wir im Interesse aller Freiwilligen und im Interesse der Zivilgesellschaft verstärkt arbeiten; denn ihr Einsatz ist unbezahlbar und wichtig für uns als Gesellschaft. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Pahlmann, das war Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich wünsche Ihnen sicherlich im Namen des gesamten Hauses viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. (Beifall) Der Präsidentin sei erlaubt, anzumerken: Wenn Rednerinnen und Redner schon bei der ersten Rede bemerken, dass sie die Redezeit überzogen haben, dann gibt es Hoffnung für die Zukunft. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 17? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 17 ist mit den Stimmen der Unionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.8 auf: Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 18/1010, 18/1023 Die Berichterstattung haben die Kollegen Cajus Caesar, Ulrich Freese, Roland Claus und Sven-Christian Kindler inne. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte, die offensichtlich notwendigen Umgruppierungen in den Reihen der Fraktionen, aber auch auf der Regierungsbank jetzt zügig vorzunehmen und die entsprechende Aufmerksamkeit herzustellen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Sabine Leidig für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Leidig (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht beschäftigen wir uns, wenn wir über Landwirtschaft und Ernährung sprechen, nicht mit dem größten Haushalt; aber wir reden über ein lebensnotwendiges Thema. Auf unserem Planeten leiden fast 900 Millionen Menschen an Hunger, während zugleich 1,4 Milliarden Menschen krankhaft übergewichtig sind. Im vergangenen Jahr ist weltweit so viel Getreide geerntet worden wie noch nie zuvor: 2,5 Milliarden Tonnen. Aber nur 45 Prozent dieser Ernte – nicht einmal die Hälfte – diente als Lebensmittel. Der Rest wurde zu Tierfutter, zu Sprit und zu Industrierohstoffen verarbeitet. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Tierfutter ist auch Lebensmittel!) Die vorherrschende Agrarpolitik ist eine wichtige Ursache für Klimawandel, Artensterben, Umweltvergiftung, Wasserknappheit, Krankheiten, Kinderarmut und Ungerechtigkeit. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Immer diese Vorurteile und pauschalen Aussagen!) Es ist ein krankes System, das dringend verändert werden muss. Die Linke will eine Landwirtschaft, die die Menschen versorgt und nicht die globalen Märkte. (Beifall der Abg. Karin Binder [DIE LINKE]) Wir wollen soziale und ökologische Weichen stellen, und dafür kann auch in einem Bundeshaushalt etwas getan werden. (Beifall der Abg. Karin Binder [DIE LINKE]) Wir haben über 20 Vorschläge gemacht, wie der Einzelplan 10 in diese Richtung verändert und verbessert werden könnte. Ich will drei Beispiele herauspicken und hier kurz vorstellen: Erstens. Wir wollen, dass Deutschland den Weltagrarbericht unterstützt und international verantwortlich handelt. Was es bedeutet, international verantwortlich zu handeln, wird in ebendiesem Weltagrarbericht skizziert. Über 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben darin im Jahr 2008 den Stand des Wissens über die globale Landwirtschaft, ihre Geschichte und ihre Zukunft zusammengetragen. Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Denkschulen -waren daran beteiligt. Diese Arbeit ist mit dem Weltklimabericht vergleichbar, der inzwischen für die Politik auf dieser Welt prägend ist. Der Bericht ist unbequem und alarmierend. Er warnt davor, einfach so weiterzumachen wie bisher. Im Weltagrarbericht wird gefordert, den Hunger in den Ländern des Südens nicht mit Exportpolitik oder mit Nahrungsmittellieferungen zu bekämpfen, (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sondern mehr Spekulation vor Ort!) sondern die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern vor Ort zu verbessern. Denn sie sind das Rückgrat der Welternährung und nicht die großen Betriebe und Agrarkonzerne der Industrieländer, die viel zu viel Öl, Wasser, Boden und Dünger verbrauchen. Es geht nicht allein um die Erträge, die in der Landwirtschaft erzielt werden, sondern gleichrangig darum, dass die Bäuerinnen und Bauern von ihrer Arbeit leben können. Auch dafür setzt sich die Linke ein. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie den Bericht mit ihrer Unterschrift anerkennt und die Agrar- und Entwicklungspolitik daran ausrichtet. Wir haben beantragt, dass 500 000 Euro zur Verfügung gestellt werden, damit der Weltagrarbericht fortgeschrieben werden kann. Der zweite Punkt, der uns wichtig ist, betrifft den ökologischen Landbau. Das ist die umwelt- und klimaschonendste Form der Agrarwirtschaft. Wir Linke wollen, dass mehr Bauernhöfe auf Bio umstellen und dass mehr Menschen genug Geld im Portemonnaie haben für gute Ökolebensmittel. Die sind zwar nicht unbedingt gesünder, aber sie sind mit weniger Chemie belastet, und vor allem sind sie besser für die Umwelt. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Biobauern verschmutzen Erde und Wasser weniger mit Pflanzenschutzmitteln und Dünger und sorgen für mehr Artenvielfalt. Weil die meisten ökologisch wirtschaftenden Agrarbetriebe sehr arbeitsintensiv sind, leistet der Ökolandbau außerdem einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung in den ländlichen Räumen. Hierfür braucht es nicht nur die Unterstützung beim täglichen Einkauf. Eine politische Aufgabe kann nicht privatisiert werden. Es braucht den Beitrag der Politik, und ein solcher Beitrag kann und muss das Bundesprogramm Ökologischer Landbau leisten. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bisher werden nur 6,3 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Bundesrepublik ökologisch bewirtschaftet. Wir sagen: Da geht wesentlich mehr. Es hat verschiedene Gründe, dass Agrarbetriebe nicht auf Bio umstellen. Nach wie vor sind Saatgut, Zuchtlinien, Pflanzenschutz usw. nicht genügend erforscht, es herrscht auch ein ruinöser Wettbewerb auf dem Biomarkt, und es fehlt an Beratung und Wissenstransfer. Mit dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau soll nach unserer Meinung vor allem die Forschungskapazitäten ausgebaut und dafür gesorgt werden, dass einheimische ökologische Erzeugnisse besser bekannt gemacht und vermarktet werden. Wir haben beantragt, dass das Bundesprogramm dafür um 8 Millionen Euro aufgestockt wird und dass es gänzlich dem Ökolandbau zugutekommt und nicht – wie es im Namenszusatz dieses Programmes beschrieben ist – auch andere nachhaltige Formen der Landwirtschaft gefördert werden, weil damit dem Ökolandbau etwas entgeht. Diese anderen Formen müssen durch andere Programme finanziert werden. Sie haben unseren Antrag leider abgelehnt, aber immerhin ist ein Vorschlag der Linksfraktion aufgenommen worden, nämlich einen eigenen Titel für Eiweißfutterpflanzenprojekte einzustellen. 3 Millionen Euro stellen Sie dafür zur Verfügung. Ich sage Ihnen, warum wir das wollen. Das Problem ist, dass Tierhaltungsbetriebe eiweißhaltiges Futtermittel importieren. Zu großen Teilen wird es aus Südamerika importiert, und dort werden Nutzflächen in Konkurrenz zu den Kleinbauern vor allem von großen Agrarkonzernen bewirtschaftet. Wir brauchen eine eigene Eiweißfuttermittelproduktion. Dafür braucht es Forschung und Unterstützung. Wir müssen perspektivisch aufhören, Lebensmittel zu importieren. Wir müssen die Ernährungssouveränität überall respektieren. (Beifall bei der LINKEN) Schließlich möchte ich noch einen letzten Punkt ansprechen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Leidig, das können Sie gerne tun, tun das aber jetzt auf Kosten Ihrer Kollegin. Sabine Leidig (DIE LINKE): Gut, dann erwähne ich nur, dass wir die Subventionen für den Agrardiesel schrittweise streichen wollen, dass wir damit jährlich 43 Millionen Euro einsparen könnten (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Ja, Gott sei Dank sind Sie in der Opposition! – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Immer zulasten der Bauern!) und dass mit diesem Geld sehr viel sinnvolle sozial-ökologische Projekte gefördert werden könnten anstatt Sprit zu verbrennen. Besten Dank. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Cajus Caesar das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Cajus Caesar (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst geht mein Dank an den Minister Christian Schmidt und natürlich auch an die anwesenden Staatssekretäre. Der Minister steht für einen starken ländlichen Raum, er steht für eine multifunktionale Landwirtschaft, und er steht für bäuerliche Betriebe, die sich entwickeln können. Dafür darf ich ihm an dieser Stelle, auch im Namen meiner Fraktion, herzlichen Dank sagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD]) Ich darf mich auch beim Team des Ministeriums für die gute Zuarbeit bedanken. Wir haben alle Informationen erhalten. Ich darf mich besonders bei den Mitberichterstattern bedanken: bei Ulrich Freese, bei Sven-Christian Kindler und bei Roland Claus, der im Moment nicht hier ist. Herzlichen Dank für die faire Zusammenarbeit. Die Union steht für eine Landwirtschaft des unternehmerischen Mittelstandes. Wir stehen aber auch für gesunde Ernährung, und wir stehen für eine Entwicklung des ländlichen Raums. Wir, die Große Koalition, messen dem ländlichen Raum, der 90 Prozent der Fläche Deutschlands ausmacht, große Bedeutung für die Entwicklung unseres Landes bei. Wir sehen darin große Chancen für die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft, für all diejenigen, die mit ihren Familien im ländlichen Raum ihre Heimat gefunden haben. Deshalb danke ich all denen, die sich im und für den ländlichen Raum engagieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ländlicher Raum bedeutet Arbeit und Einkommen. Wir, die Union, setzen in diesem Bereich Schwerpunkte. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Der Mensch im Mittelpunkt – das bedeutet auch, Verantwortung für Tier und Umwelt zu übernehmen. Dementsprechend setzt unsere Facharbeitsgruppe mit Franz-Josef Holzenkamp, mit Alois Gerig, mit Marlene Mortler und unserem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Franz Josef Jung Akzente. Deshalb haben wir mit unseren Partnern von der SPD in der Großen Koalition einen Haushalt gestaltet, der sich sehen lassen kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!) Wir setzen in diesem Haushalt zusätzliche Mittel für die sogenannte Eiweißstrategie ein. Wir sehen darin die große Chance, dass auf Dauer weniger Importe notwendig sind. Wir sehen darin die Chance für Innovationen für unsere Landwirtschaft insgesamt. Wir halten die Tierwohlinitiative mit den entsprechenden Modell- und Demonstrationsvorhaben für die richtige Vorgehensweise. Wir haben dafür 3 Millionen Euro im Haushalt verankert. Diese 3 Millionen Euro sind uns, auch wenn das kein riesiger Betrag ist, sehr wichtig. An dieser Stelle darf ich denjenigen aus dem bäuerlichen Metier danken, die diesbezüglich zusammen mit der mittelständischen Wirtschaft etwas voranbringen. Wir sind damit auf dem richtigen Weg. Das ist die Vorgehensweise der Union: Mit den Menschen vor Ort und mit den Beschäftigten wollen wir Akzente setzen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir setzen auf Forschung und Innovation. Deshalb sind uns unsere Forschungsinstitute sehr wichtig. Wir haben sie personell und finanziell gut ausgestattet; denn Forschung und Innovation bedeuten Zukunft für unsere Landwirtschaft, für unsere Forstwirtschaft, für unsere -Fischerei, für all diejenigen, die in diesem Bereich Aktivitäten entfalten. Wir haben mit diesem Haushalt Akzente gesetzt, insbesondere im Bereich der Forst- und Waldwirtschaft. Nun kann man denken, dass das ein kleiner Randbereich ist. Man sollte aber genau hinschauen: In der Forst- und Holzindustrie gibt es mehr Arbeitsplätze als in der Automobilindustrie. Das sollte man nicht vergessen. Mit einem Umsatz von 170 Milliarden Euro ist das ein riesiger Bereich. Dieser Aufgabe stellen wir uns. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD]) Wir haben in dieser Koalition gemeinsam festgelegt, dass uns dieser Bereich wichtig ist. Daher setzen wir 5 Millionen Euro für die internationale nachhaltige Waldbewirtschaftung ein. 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes werden durch Waldvernichtung erzeugt. Jährlich werden 13 Millionen Hektar Wald vernichtet. Deshalb ist es richtig, dass wir das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz auf den Weg gebracht haben; aber es muss auch mit Leben erfüllt werden. Deshalb müssen die -finanziellen und personellen Rahmenbedingungen richtig ausgestaltet werden. Das ist der richtige Weg. Im Bereich der nationalen Waldwirtschaft haben wir ebenfalls entsprechende Mittel verankert. Ich glaube, auch diesbezüglich sind wir auf dem richtigen Weg. Wir wollen diesen Weg weitergehen; denn ein umweltfreundlich erzeugter Rohstoff bedeutet Arbeitsplätze, Wertschöpfung und letztendlich auch eine stoffliche Verwertung sowie durch die Kaskadennutzung auch eine energetische Nutzung. Dies ist ein wichtiger Bereich für uns. Deshalb haben wir ihn in diesem Haushalt entsprechend abgebildet. Wir sind dankbar dafür, dass maßgebliche Verbände unsere Politik unterstützen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allen Dingen der Bauernverband!) – Wir waren sehr froh, Sven-Christian Kindler, dass wir in diesem Bereich sehr positive Resonanz der Verbände – des WWF, des NABU, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und des Bundes Deutscher Forstleute –, erhalten haben, um die entsprechenden Antworten geben zu können. Die Menschen vor Ort sind uns also wichtig. Auch die Verbände, welche die Menschen vertreten, sind uns wichtig. Wir als Union sind an der Seite dieser Menschen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben auch sehr intensiv über den Bereich der nachwachsenden Rohstoffe diskutiert. Dieser Bereich, der insgesamt mit 60 Millionen Euro ausgestattet ist – Alois Gerig lächelt gerade, weil er dort Verantwortung trägt –, ist uns wichtig, weil er auch Zukunftsprojekte auf den Weg bringt. Ich nenne nur die Erforschung neuer Biogaspflanzen und Energiepflanzenfruchtfolgen. Er beinhaltet aber auch Projekte, die dazu führen sollen, dass beispielsweise durch Mikroalgenanbau Kraftstoff erzeugt werden kann. Das sind aktuelle Projekte, die finanziell von uns ausgestattet worden sind, weil sie zukunftsfähig sind. Mit ihnen werden die nachwachsenden Rohstoffe gut erforscht. In vielen Bereichen reden wir über Vermaisung. Deshalb ist es richtig, dass wir alle Alternativen betrachten. Ganz davon abgesehen gibt es gar keine Vermaisung; denn viele Bereiche haben unter 10 Prozent oder nur 15 Prozent Maisanteil. Das sollte an dieser Stelle fairerweise auch einmal zum Ausdruck gebracht werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Hinblick auf den Stellenplan haben wir sehr wohl in Betracht gezogen, wie die Bürger uns sehen. Die Bürger wollen sehen, was sie kaufen. Sie wollen aber auch sehen, wie es produziert wird. Deshalb setzen wir durch die entsprechenden Forschungsmittel in der Lebensmittelsicherheit auf Rahmenbedingungen für gesunde Ernährung. Wir sind, glaube ich, auch beim Tierwohl auf dem richtigen Weg. Dort wollen wir entsprechende Maßnahmen sowohl im Forschungsbereich als auch im praktischen Bereich auf den Höfen selbst durchführen. Das soll im Miteinander von bäuerlichen Familienbetrieben bzw. bäuerlichem Mittelstand und dem Bürger geschehen, der die Produkte – so denke ich – ganz gerne als Nahrung zu sich nimmt, um diese Verbindung herzustellen bzw. diesen Kreis zu schließen. Dieses Miteinander soll stattfinden, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Es soll nicht gegeneinander gearbeitet werden. Das ist uns wichtig. Nach dem Hochwasser haben wir – das kann sich sehen lassen – 8 Milliarden Euro für die Flutopferhilfe bereitgestellt. Das haben wir unbürokratisch getan; deshalb sind auch so viele Mittel abgeflossen. Wir wollen aber – deshalb haben wir diesen Akzent gesetzt – nicht nur reparieren, sondern zukünftig in besonderem Maße in diesem Bereich präventiv tätig werden. Darum haben wir als Haushaltsausschuss einen Maßgabebeschluss initiiert. Wir wollen, wenn in wenigen Wochen die Ergebnisse in Bezug auf den Hochwasserrahmenplan vorliegen, diese präventiven Maßnahmen in den dann folgenden Monaten mit Leben erfüllen. Deshalb haben wir mit dem Maßgabebeschluss die Bundesregierung aufgefordert, aktiv zu werden, sobald die Ergebnisse vorliegen und wir die entsprechenden länderübergreifenden Maßnahmen auf den Weg bringen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der CDU/CSU) – Das ist ein wichtiger Bereich. Sehr richtig! – Die Große Koalition setzt mit diesem Haushalt Akzente. Sie handelt im Sinne der Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums sowie einer hochwertigen und gesunden Ernährung. Natürlich handelt sie im Rahmen von Klima- und Umweltschutz, aber auch, um Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu sichern und weitere hinzuzugewinnen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Sven-Christian Kindler spricht nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Landwirtschaft in Deutschland heute mit sehr vielfältigen Problemen zu kämpfen. Dabei geht es unter anderem um industrielle Massentierhaltung, Monokulturen, gentechnisch verändertes Saatgut, (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ganz schlimm! Böse! Böse!) die Dominanz von Agrarkonzernen gegenüber bäuer-lichen Betrieben und das Höfesterben, das wir in Deutschland erleben. Die Frage ist: Was macht die Bundesregierung, was machen eigentlich Sie als Landwirtschaftsminister, Herr Schmidt? Sie machen weiter wie bisher. Das ist „business as usual“. Keine neuen Ideen, keine Antworten auf die großen Probleme in der Landwirtschaft. Ich sage Ihnen: So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen in Deutschland endlich eine Agrarwende. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU – Manfred Grund [CDU/CSU]: Großartig wie die Energiewende!) – Da brauchen Sie bei der Union gar nicht zu lachen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir lachen gar nicht!) Die großen Probleme zeigen sich auch in diesem -Agrarhaushalt, zum Beispiel war die Aufhebung der Zweckbindung der Mittel für das Bundesprogramm Ökologischer Landbau ein riesiger Fehler. Dies hat den Ökolandbau auf Bundesebene enorm geschwächt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]) Dabei entstehen gerade im Ökolandbau viele nachhaltige Arbeitsplätze. Dort sorgt man für Naturschutz, für Umweltschutz, und es entstehen leckere Produkte. Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie auf, das Bundesprogramm Ökologischer Landbau zu kastrieren. Es muss endlich gestärkt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Dann lesen Sie doch einmal den Haushalt!) – Ich bin im Gegensatz zu Ihnen im Haushaltsausschuss und habe den Haushalt auch gelesen. (Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Offensichtlich nicht!) Ich würde Ihnen einen Blick in den Haushalt empfehlen. Gleichzeitig haben wir immer größere Probleme in der agroindustriellen Landwirtschaft. Diese werden immer offensichtlicher. Das jüngste Beispiel sind die antibiotikaresistenten Krankheitserreger in Wurst und Schinken. Ihren Ursprung haben diese Bakterien auch im massiven, häufig unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Die Mastställe sind quasi ein Fitnessstudio für Bakterien. Eine wirksame Reaktion der Bundesregierung bleibt bisher aus. Das ist unverantwortlich gegenüber den Menschen und auch gegenüber den Tieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das ist jetzt Kindergarten!) Für diese immer wiederkehrenden Lebensmittelskandale sind nicht nur einzelne schwarze Schafe verantwortlich. Das sind keine Einzelfälle. Vielmehr handelt es sich um strukturelle Probleme der Agrarpolitik, einer Agrarpolitik, die ihren Fokus eben nicht auf Verbraucherschutz legt, ihren Fokus nicht auf Tierschutz und nicht auf Klimaschutz legt, sondern auf industrielle Massentierhaltung und Großbetriebe. Die Lebensmittelskandale sind nicht ein Fehler im System, sondern das System ist der Fehler. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Jetzt reicht es! Siehe Neuland! – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Siehe Neuland!) Die Bundesregierung schützt dieses System auf Teufel komm raus. Der Bundesregierung geht es in der -Agrarpolitik leider nicht um gesunde Ernährung, um gesunde Böden und um gesunde Tiere. Ihnen geht es doch primär um die Interessen der Agrarlobby. Bestes Beispiel dafür ist die Gentechnik. Minister Schmidt, Sie haben angekündigt, dass Sie angeblich ein nationales Anbauverbot in Deutschland erreichen wollen. Als das europaweite Verbot von Genmais in Brüssel anstand, hat die Bundeskanzlerin allerdings mit der Enthaltung in Brüssel dafür gesorgt, dass dem Genmais der Weg geebnet wird. Frau Merkel hat damit gegen den Willen der breiten Bevölkerung verstoßen und der Gentechniklobby in Europa Tür und Tor geöffnet. Hier in Deutschland mit dem Verbot Scharade spielen und in Brüssel für die Konzerne den Genmais durchkämpfen – das ist die Methode Merkel. Diese Doppelmoral, diese Doppelzüngigkeit bei der Gentechnik finde ich wirklich unerträglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Merkel, Herr Schmidt, Sie sind damit Erfüllungsgehilfen der Gentechniklobby. Sie alle kennen das Papier der Gentechniklobby in Brüssel, die einen konkreten Plan vorgelegt hat, wie man die Gentechnik in Europa gegen den Willen der breiten Bevölkerung wieder hoffähig macht. Nach diesem Plan agiert jetzt die Bundesregierung. Das nationale Anbauverbot war ja eine Idee der Konzerne. Die Konzerne müssen der Opt-out-Lösung zustimmen, damit das Ganze rechtssicher ist. Ich frage mich, wo wir eigentlich sind. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das frage ich mich auch bei dieser Rede!) Herr Schmidt, Sie haben gesagt, Sie seien Koch und nicht Kellner. Dann verhalten Sie sich bitte auch so, und lassen Sie sich von der Lobby nicht Ihre Politik diktieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für die großen Agrarkonzerne setzt sich die Bundesregierung leider auch bei den anstehenden Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA, TTIP, und mit Kanada, CETA, ein. Es zeigt sich leider, dass als Erstes der Konzernprofit kommt. Das dahinter ist nachrangig. Diese Abkommen sind ein großer Angriff auf Verbraucherschutzstandards, auf Tierschutzstandards und auf Lebensmittelstandards. Diese Abkommen sind auch ein Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Schauen wir uns einmal die rechtsstaatliche Seite an: Sonderprivilegien bei Gerichten für bestimmte Gruppen, in diesem Fall Konzerne, und eine Justiz, die im Geheimen tagt, die nicht öffentlich tagt. Das ist tiefstes Mittelalter, das ist ideengeschichtlich vor der Aufklärung. Wir sagen ganz klar: Diese Konzernjustiz geht gar nicht. Herr Schmidt, ich fordere Sie auf: Erteilen Sie dieser Konzernjustiz eine klare Absage! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Was er da sagt, glaubt er ja wohl selber nicht!) Dabei geht es auch anders. Die Agrarpolitik muss sich nicht vor den Karren der Agrarlobby spannen lassen. Das hat Renate Künast bewiesen. (Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Oh ja, gerade die!) – Ja, so ist es; Sie wissen das doch genau. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Bei Frau Künast hatten wir Gentechnik! Das ist richtig!) Renate Künast hat auf Bundesebene den Ökolandbau und die Agrarwende eingeleitet. Schwarz-Gelb und die Große Koalition machten die Rolle rückwärts. Viele grüne Agrarminister zeigen in den Ländern, wie es geht. Ich komme aus Niedersachsen, dem Landwirtschaftsland Nummer eins. Ich kann Ihnen sagen: Wenn man durch das Land fährt, ist spürbar, wie die sanfte Agrarwende der rot-grünen Landesregierung wirkt. Herr Schmidt, ich lade Sie ein: Kommen Sie nach Niedersachsen und schauen Sie sich an, wie man die Abkehr von der Massentierhaltung und der Agroindustrie schaffen kann! Ich bin mir sicher, der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer erklärt Ihnen gerne, wie man die Agrarwende auch auf Bundesebene einleiten kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben Ihnen auch im Hinblick auf den Haushalt gezeigt, wie man die Agrarwende auf Bundesebene vorantreiben kann. Klimaschutzprogramm, Subventionsabbau beim Agrardiesel, Investitionshilfen für bäuerliche Betriebe, Ökolandbauforschung, all das haben wir im Ausschuss beantragt. Sie haben es abgelehnt; das ist klar. Umwelt- und Naturschutz, Tierschutz und Verbraucherschutz spielen für die Große Koalition keine Rolle. Eine echte Agrarwende gibt es eben nur mit den Grünen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Genau hingucken, Herr Kollege!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Ulrich Freese das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ulrich Freese (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kindler, in Niedersachsen sind Sie ja erst seit anderthalb Jahren mit uns gemeinsam an der Regierung. Das Land Niedersachsen am heutigen Tage in dieser Art und Weise für seine Agrarpolitik zu loben, obwohl ein nicht unerheblicher Anteil der Erträge der Flächen nicht für den Teller, sondern für den Tank ist, halte ich für unangemessen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So schnell kann auch Rot-Grün nicht alles revolutionieren!) Es gibt kein anderes Bundesland, in dem ein so großer Anteil in der Energiewirtschaft eingesetzt wird. Die zweite Bemerkung. Wenn unsere Exporte aus dem Bereich der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft ein Volumen von 66 Milliarden Euro haben und davon 80 Prozent in die Europäische Union fließen, wo ja hohe Lebensmittelstandards gefordert sind, dann können die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft in Deutschland nicht schlecht sein. Dann müssen sie beispielhaft sein; denn unsere Produkte werden in allen Ländern nachgefragt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine spannende Aussage!) Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es um den Haushalt 2014 und perspektivisch natürlich auch um den Haushalt 2015. Das, was wir zu entscheiden haben – ich habe das schon in meiner Einbringungsrede gesagt –, stammt aus Zeiten einer CDU/CSU-FDP-Regierung bzw. von einem von der Union geführten Ministerium. Durch konstruktive und gute sachliche und fachliche Arbeit unter Einbeziehung der Fachpolitiker – meiner Ansicht nach ist sie allerdings noch ausbaufähig – ist es gelungen, sozialdemokratische Vorstellungen zum Teil schon in den Haushalt 2014 einzubeziehen. Cajus Caesar hat auf die Eiweißstrategie hingewiesen. Es ist dem sozialdemokratischen Engagement zu verdanken, dass hierfür perspektivisch ein eigener Haushaltstitel im Ministerium hinterlegt ist. Es wurde klar definiert, dass es um einen Betrag von 3 Millionen Euro geht; auch aus anderen Bereichen des Haushalts sind bestimmte Punkte übernommen worden. Für die Zukunft sind also 3 Millionen Euro, verbunden mit Ausbauzielen, hinterlegt. Die Eiweißpflanzenstrategie ist nämlich strategisch bedeutsam – das haben einige Rednerinnen und Redner hier klar und deutlich zum Ausdruck gebracht –, um die Futtermittelwirtschaft auf eigene und gesunde Beine zu stellen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ein weiterer Punkt ist nicht unwichtig. Als ich auf dem Verbandstag des Landesbauernverbandes Brandenburg war, hat mich ein Begriff in dem, was wir tun, sehr bestärkt, und zwar der Begriff „nasse Enteignung“. Dass wir uns nun auf den Weg machen und durch den Maßgabebeschluss einen nationalen Hochwasserschutzplan für die Bundesrepublik Deutschland in den Haushalt 2015 hineinbringen, ist ein deutliches Signal an alle, die von Hochwasser geschädigt sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich will sagen, dass mich die Aussage der Ministerin Hendricks in der Bereinigungssitzung sehr erfreut hat, dass das Ministerium Schmidt und das Ministerium Hendricks gemeinsam beim Bundesfinanzminister – für das Haushaltsjahr 2014 beim BMEL angesiedelt – 40 Millionen Euro als ersten Schritt für den nationalen Hochwasserschutzplan angemeldet haben. Wir werden sie dabei unterstützen, dass dies auch 2015 tatsächlich realisiert wird. Als weiterer Punkt ist für uns Sozialdemokraten von großer Bedeutung, dass wir mit der sozialen Ungerechtigkeit im Bereich der Altersversorgung der Landwirte aufräumen und damit beginnen, vernünftige Regelungen herbeizuführen. Die Hofabgabeklausel muss für das Haushaltsjahr 2015 endlich modifiziert werden. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weg muss die!) Die Gutachten sind eindeutig und zeigen uns den Weg auf. Wir haben bei der Einbringung des Haushaltes gesagt: 10 Prozent Abschlag, wenn der Hof weitergeführt wird; das wird auch vom Thünen-Institut vorgeschlagen. Das halte ich für eine vernünftige sachliche Regelung, die wir gemeinschaftlich anstreben sollten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]) Herr Minister, die sportliche Aufgabe wird nun darin bestehen, bei der Aufstellung und Beratung des Haushalts für 2015 hierfür auch die notwendigen finanziellen Untersetzungen zu bedenken und klarzustellen, dass wir dieses gemeinsame Ziel in dieser Wahlperiode, am besten zu Beginn des Jahres 2015, endlich angehen werden. – Ich sehe, die rote Lampe leuchtet. Meine Kolleginnen und Kollegen, die aus fachpolitischen Gründen noch sprechen werden, werden an der einen oder anderen Stelle noch vertiefend darauf eingehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorneweg: Herzlichen Dank dem Fachausschuss und dem Haushaltsausschuss, den Berichterstattern, für die auch bei unterschiedlichen Positionen im Ergebnis doch sehr konsensuale Aufstellung des Einzelplans 10: mit 5,3 Milliarden Euro sogar noch etwas on top drauf, zwar nicht sehr viel, aber immerhin, auch in einem Bereich, Kollege Freese, der das Thema Wald und andere Themen betrifft. Herzlichen Dank dafür! Wir haben damit für 2014 Verlässlichkeit für Bauernfamilien und Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen. Der Haushalt steht für die bäuerlich-nachhaltige Landwirtschaft, für die Sicherung gesunder Lebensmittel, für den Schutz des Waldes durch Nutzung und für attraktive ländliche Räume. Wir setzen – ich darf den Hinweis gerne aufnehmen – auch in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik wichtige Akzente. Die Sozialpolitik ist in der finanziellen Struktur des Etats meines Hauses das Schwergewicht. Dort federn wir durch eine Mittelaufstockung die Folgen des geringeren Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds ab. Das sind allein in diesem Jahr 37 Millionen Euro, mit denen wir unsere Landwirte vor einer einseitigen Belastung schützen, die wir aber – um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen – nicht allein dem Finanzminister anlasten. Wir haben die Mittel auch aus eigenen Reserven mit Zustimmung des BMF aktiviert. Die soziale Sicherung der Bauernfamilien und eine geregelte Hofnachfolge sind wesentliche Säulen für eine zukunftsfeste Landwirtschaft in Deutschland. Wir haben in der Koalitionsvereinbarung die Neugestaltung der Hof-abgabeklausel zugesagt, und wir werden uns auch daran halten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dabei werden wir sowohl die Interessen der ausscheidenden Generation als auch die Interessen der kommenden Junglandwirte im Auge behalten. Kollege Freese, gestatten Sie mir, auf einen Punkt hinzuweisen, der mir aufgefallen ist: Bei allem Respekt vor denen, die sich um das Thema kümmern – wir kennen die Arbeitsgruppen –: Das sind keine Organisationen oder Gruppen, die vor extremer Jugendlichkeit sprühen. Das heißt nicht, dass deren Hinweise nicht in Ordnung sind, aber ich finde schon, dass wir auch mit der jungen Generation sprechen müssen, wenn wir über Sozialpolitik reden, und das will ich tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will zugleich noch auf einen anderen Punkt hinweisen, der sich auf die Substanz der Höfe und der Vermögen bezieht: In den nächsten Wochen findet in Karlsruhe eine mündliche Verhandlung statt, in der es um die Erbschaftsteuer geht, also ein anderes Thema. Mittelbar kann diese Verhandlung aber durchaus auch Bezüge zur Generationenfolge im landwirtschaftlichen Betrieb haben. Deswegen werden wir die Erfahrungen und Erkenntnisse, die sich daraus ergeben, in unsere Beratungen mit aufnehmen. Das lässt sich auch zeitlich gut parallelisieren; denn ich gehe davon aus – das hört man –, dass hierzu möglicherweise noch in diesem Jahr etwas gesagt werden muss. Wir haben aber Argumente dafür, dass die Betriebsvermögen nicht mit weiteren Substanzsteuern belastet werden sollten. Das muss der Ausgangspunkt sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein Thema beim morgen beginnenden Deutschen Bauerntag wird sein, dass wir unseren Landwirten mit dem durch die Energiewende bedingten Flächenverbrauch – wir werden in dieser Woche ja noch über den Kompromiss beraten, der zum EEG gefunden worden ist – (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der interessiert uns sehr!) und mit den Vorschriften zum Dünge- und Pflanzenschutz nicht den Boden unter den Füßen wegziehen. Der Boden ist Geschäftsgrundlage unserer Bauern, und das muss er auch bleiben. Einer bäuerlich nachhaltigen Landwirtschaft den Rücken zu stärken, ist auch ein wichtiges Anliegen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie vertrauen auf die Leistungsträger in der Fläche, stellen jedoch zugleich hohe Ansprüche an die Erzeuger von Nahrungsmitteln und Energie, an die Pflege der Kulturlandschaften und vor allem an die Produkte. Das tun sie zu Recht. Die Gemeinsame Agrarpolitik gibt Antworten auf diese hohen Ansprüche. Sie wurde jahrelang hart verhandelt. Jetzt steht sie sowohl auf europäischer Ebene als auch in Deutschland vor der Umsetzung. Ich bedanke mich auch hier noch einmal dafür, dass das eine oder andere abschließend angepasst worden ist – natürlich im Wege der Kompromissfindung –, sodass wir die Zahlungen zum 1. August 2014 mit einer, wie ich finde, guten Perspektive auf eine neue Basis stellen können, indem 4,5 Prozent der Mittel aus der ersten Säule – den Direktzahlungen – in die zweite Säule umverteilt werden. Ich meine, dass wir die zweite Säule auch für das eine oder andere im Blick behalten müssen, was wir in der nächsten Zeit und in den nächsten Jahren gestalterisch noch tun können. Die Verbraucher, die Bürgerinnen und Bürger und auch die Landwirte wünschen sich eine Bewirtschaftung der Flächen, die im Einklang mit der Umwelt steht. Dazu gibt es nicht nur das Schlagwort des Greening, sondern auch die Umsetzung des Greening, das den Wechsel der Fruchtfolgen, den wirksamen Schutz von Dauergrünland und ökologische Vorrangflächen vorschreibt – all das, ohne pauschal wertvolle Flächen stillzulegen. Ich denke, wir haben hier einen guten Weg gefunden. Im Bereich des Tierwohls werden wir – das ist heute angesprochen worden – in absehbarer Zeit von verschiedenen Seiten Unterstützung erhalten. Ich denke, dass sich daran auch der Deutsche Bauernverband mit seiner Initiative und der Handel beteiligen werden. Daneben werden wir auch weitere wichtige Verantwortliche in diese Tierwohlinitiative mit einbeziehen. Von meiner Seite aus werde ich dem Koalitionsvertrag natürlich auch Folge leisten, und wir werden seitens meines Hauses weitergehende Initiativen zu diesem Thema ergreifen. Es geht um Forschungsprojekte. Wie können wir verhindern, dass jedes Jahr 45 Millionen männliche Küken sterben müssen oder dass, wie wir neulich gelernt haben, trächtige Rinder geschlachtet werden? Es geht um Innovation. Wie modernisiert man, und zwar ökonomisch tragbar, einen Stall so, dass das Schwänzebeißen in der Rindermast verhindert wird? Es geht um Demonstrationsvorhaben. Wer taugt als Vorbild, vielleicht für eine ganze Branche? Es geht um Best Practice, also darum, sich vom anderen, egal ob inländisch oder ausländisch, das Gute abzuschauen. Das ist für mich ein ganz wichtiger Weg. In den nächsten drei Jahren geben wir 30 Millionen Euro für Innovationen im Rahmen einer nachhaltigen Nutztierhaltung aus, 12 Millionen Euro für die Minimierung von Antibiotika in der Lebensmittelkette und 21 Millionen Euro für Modell- und Demonstrationsvorhaben. Noch einmal herzlichen Dank an die Haushälter für die Unterstützung dieser Initiative. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden die Forschung noch weiter ausbauen. Ich habe nicht zum Haushalt 2015 zu reden, aber ich darf meinen Grundoptimismus anmelden, dass gezielte Forschung auch in dieser Zeit einen Platz in unserem Etat finden wird. Ich bekenne mich zur Tierhaltung in Deutschland, keine Frage. Sie muss wissensbasiert das Wohl des einzelnen Tieres im Blick behalten. Es muss aber auch darüber informiert werden, was die Grundlagen und Notwendigkeiten der Nahrungsmittelversorgung sind, die sich daraus ergibt. Ich will zum Thema TTIP – Herr Kollege Kindler, Sie haben das angesprochen – einen Satz sagen. Ja, ich bin sehr dafür, dass wir nicht nur über Transparenz diskutieren, sondern auch Transparenz haben. Mein tüchtiger Parlamentarischer Staatssekretär Peter Bleser hat mir heute einen guten Vorschlag unterbreitet. Er hat gesagt: Lasst doch einmal Vertreter der amerikanischen FDA, also der Food and Drug Administration, amerikanische und europäische Wissenschaftler – wir werden sie nicht zusammen einsperren – miteinander diskutieren. Wir stellen Fragen, und wir lassen uns auch über unterschiedliche Positionen informieren. Es wird sicherlich viele Punkte geben, wo wir einen völlig anderen Ansatz haben, dem die andere Seite nicht folgen kann. Mir wäre es schon recht, wenn wir die Diskussion ein klein wenig, lieber Kollege Kindler, über das Plakatieren von Chlorhühnchen hinaus führen würden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Schon auf Plakaten kann man nicht unterscheiden, wo sich das Chlor wirklich befindet. Wir sollten uns schon die Mühe machen, dass wir diese Themen intensiv diskutieren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, würden Sie, kurz bevor die Ihnen von der Fraktion zugedachte Redezeit zu Ende ist, eine Frage des Kollegen Kindler zulassen? Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Aber sehr gerne. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort „Chlorhühnchen“ habe ich in meiner Rede nicht erwähnt. Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Das ist richtig. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut. – Mir ging es neben der Gefahr für Verbraucher und Lebensmittelstandards vor allen Dingen um die Frage von Rechtsstaatlichkeit. Ich kann nicht verstehen, warum es, wie gesagt, notwendig ist, bestimmten Gruppen Sonderprivilegien vor Geheimgerichten einzuräumen, gerade zwischen funktionierenden Rechtsstaaten wie der Europäischen Union und den USA. Meine Frage in meiner Rede auch an Sie war, ob Sie sich klar gegen „investor to state arbitration“ und Konzernjustiz aussprechen und deutlich sagen: Ein Abkommen mit solchen Regelungen kann es nicht geben. Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Lieber Kollege, Sie hatten das Ganze in die vordemokratische Zeit verlegt. Meine Antwort ist daher Ja und Nein. Investitionsschutzabkommen waren das klassische Instrument, um beim Handel mit Ländern, die dazu neigten, alle zwei Jahre die Produktionsmittel zu verstaatlichen, sicherzustellen, dass derjenige, der investiert hat, seine Mittel behält. So war das, und so ist es. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ich glaube, das ist unbestritten. – Lassen Sie uns den Gedanken weiterentwickeln. Ich weiß, ich bin zu leise und zu zurückhaltend, aber ich denke, und dann muss man manchmal auch zuhören. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Jeder so, wie er es gelernt hat und wie er es kann. In dieser Sache kenne ich mich ziemlich gut aus. Ich bin sehr mit Ihnen einer Meinung, lieber Kollege Kindler, dass es nicht sein kann, dass im Rahmen von Abkommen zwischen demokratischen Staaten demokratische Entscheidungen infrage gestellt werden, wenn sie nach internationalen Regeln getroffen wurden. Ich darf darauf hinweisen: Die WTO gibt uns internationale Regeln, und in diesem Rahmen müssen wir uns bewegen. Wenn wir im Rahmen dieser Regeln beispielsweise ein nationales Anbauverbot für gentechnisch veränderte Organismen aussprechen, kann es nicht sein, dass durch Schiedsverfahren, die von amerikanischen oder brasilianischen Anwaltskanzleien oder von wem auch immer angestrengt werden, Entscheidungen gefällt werden, die das aushebeln. Das kann nicht sein. Das wäre in der Tat vordemokratisch. (Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!) Deswegen empfehle ich schon jetzt – das als Hinweis – die sehr gute Ausarbeitung und Positionierung zur Lektüre, die die Europäische Kommission im letzten Jahr zu dieser Frage gemacht hat. Das kann nicht sein, und das darf nicht sein. Was allerdings schon sein muss, ist, dass in einem Schiedsverfahren Streitigkeiten zwischen Beteiligten gelöst werden können. Denn ein solches Abkommen wird es auf der Welt nicht geben, bei dem es keine unterschiedlichen Auslegungen gibt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, ich habe den Eindruck, dass der Kollege Kindler einsieht, dass er fast Ihrer Meinung ist. (Heiterkeit) Wenn Sie jetzt noch einen schönen Schlusssatz formulieren, könnten wir in der weiteren Debatte fortfahren. (Heiterkeit) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Herr Präsident! Ihrer Anregung folgend und auf das Angebot verweisend, dass wir dieses Thema dann nicht nur bei der Bleser’schen Veranstaltung vertiefen, möchte ich betonen, dass wir uns sauber Grundlagen legen, bevor wir allgemein über diese Dinge diskutieren. Denn der Schutz des Waldes durch Nutzung, die Stimme der ländlichen Räume und das Hochwasserthema, das angesprochen worden ist, sind Fragen, mit denen wir uns auch in diesem Haushalt – jedenfalls ansatzweise, was das Hochwasser betrifft – beschäftigen werden. Ich bedanke mich sehr, dass wir auch im Rumpfhaushaltsjahr 2014 in der Lage sein werden, Akzente zu setzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Karin Binder für die Fraktion Die Linke. (Beifall der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE] – Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Einzelbeifall!) Karin Binder (DIE LINKE): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Diese Woche, noch kurz vor der Sommerpause, wird uns die abschließende Beratung des Bundeshaushalts 2014 aufgetischt. Wir beraten einen Speiseplan, dessen Zutaten schon zur Hälfte aufgegessen sind. Da bleibt natürlich auch im Haushalt des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung einiges auf der Strecke, vor allem die gesunde Ernährung, der gesundheitliche Verbraucherschutz und letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie selbst, Herr Minister, haben am 8. April in dieses Mikrofon gesprochen – ich zitiere –: Der gesundheitliche Verbraucherschutz wird im Zuge der weiteren Globalisierung eine immer größere und wichtigere Rolle spielen. Aber welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Ich habe jetzt in Ihrer Rede wirklich nur die Themen Landwirtschaft und TTIP gehört. Ihre Feststellungen vom 8. April schlagen sich leider nicht in den Zahlen und in den Projekten des Haushaltsplans 2014 nieder. Herr Minister, wo bleibt Ihr Gestaltungswille? Ich frage Sie: Was machen Sie gegen die Schadstoffflut in importierten Kinderspielzeugen? Welche Folgen hat es für die Gesundheit vieler Menschen, wenn die Zutaten für unsere Lebensmittel weltweit zu Dumpinglöhnen angebaut werden, um dann von den Handelskonzernen zu Dumpingpreisen an- und verkauft zu werden? An welcher Stelle im Haushalt haben Sie Mittel für die Überwachung der globalisierten Lebensmittelindustrie eingestellt? Welche Mittel setzen Sie ein, um das sogenannte Freihandelsabkommen zwischen USA und EU und auch das CETA daraufhin zu untersuchen, welche Auswirkungen sie auf unsere Lebensmittel, die Verbraucherrechte und unsere Verbraucherinnen und Verbraucher haben? Das alles fehlt mir in diesem Haushalt. Diese Bundesregierung setzt sich bislang mit wichtigen Projekten und anstehenden Herausforderungen nicht genügend ausei-nander – zumindest noch nicht. Deshalb nutze ich jetzt die Gelegenheit, schon einmal einen Blick auf das Haushaltsjahr 2015 zu werfen. Wir werden nämlich bereits im September, also in wenigen Wochen, mit den Haushaltsberatungen beginnen. Im Bereich „Ernährung und gesundheitlicher Verbraucherschutz“ haben wir uns mit wirklich wichtigen Projekten und Fragen zu beschäftigen. Ich nenne an erster Stelle gefährliches Kinderspielzeug. Damit die Gesundheit von Kindern nicht weiter durch Spielzeuge, die Krebs erzeugen, Allergien hervorrufen oder Erbgut schädigen können, gefährdet werden kann, muss die Kontrolle der Spielwarenhersteller und der Importeure verbessert werden. Das ist nur dann möglich, wenn Sie die Zuständigkeit dafür auf die Bundesebene verlagern und die amtliche Überwachung auf das BVL übertragen. Denn ich behaupte, dass die internationalen Konzerne nicht von kommunalen Behörden überprüft werden können. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Forschung. Wie wirken sich künstliche Nanostoffe im Essen, in den Lebensmitteln aus, oder was hinterlässt der Einsatz von Nanotechnologie in der Herstellung? Welche Folgen hat eine globalisierte Lebensmittelherstellung für die Lebensmittelsicherheit in der gesamten Produktionskette? Zur Beantwortung dieser Fragen brauchen wir die Forschung, zum Beispiel beim Max-Rubner-Institut. Sie muss ausgebaut werden. Auch das Thema Lebensmittelsicherheit ist ein sehr wichtiges Thema. Die amtliche Lebensmittelüberwachung muss auf unzulässige Bestandteile, Schadstoffe, korrekte Kennzeichnung und gefährliche Keime kontrollieren. Das alles ist bei einer globalisierten Lebensmittelindustrie heute nicht mehr über kommunale Behörden möglich. Deshalb ist eine Koordinierung auf Bundesebene nötig. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sagen Sie das den Bundesländern!) Dafür brauchen wir entsprechende Mittel, und wir brauchen viel mehr Kontrolleure, um diesen wichtigen Bereich, der für die Gesundheit vieler Menschen notwendig ist, so auszubauen, dass er funktioniert. Wir haben ein weiteres Thema: die Ernährungssituation von Kindern in Deutschland. Wir brauchen eine flächendeckende Untersuchung zu diesem Thema. Wir wissen, dass viele Kinder fehlernährt sind. Es gibt nicht nur das Problem zu dicker Kinder, sondern auch der Fehl-ernährung. Wie sieht die Ernährungssituation von Jugendlichen und Kindern in Deutschland inzwischen aus? Wir brauchen die Mittel, um dies zu erfassen, zu untersuchen und Schlüsse daraus zu ziehen. Ich denke nämlich, ein weiterer wichtiger Punkt wäre das Thema Kita- und Schulverpflegung. Ein erster Schritt, mit dem die Situation vieler Kinder verbessert werden könnte, wäre die Kofinanzierung des EU-Schulobstprogramms durch den Bund. So kämen endlich alle Kinder und Jugendlichen in den Genuss einer täglichen Portion Obst und Gemüse. Ich habe gelesen, dass Baden-Württemberg jetzt 1 Million Euro mehr in den Haushalt einstellen wird. Wenn man das durch 250 000 Kinder teilt, dann sind das 4 Euro pro Kind. Entschuldigung! Wie kann man mit 4 Euro ein Kind ein Jahr lang mit Obst und Gemüse verpflegen? Das reicht nicht. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Die Länder! Die Länder können doch auch einen Beitrag leisten!) – Die Länder haben nicht die Mittel dafür. Sonst wären sie doch schon längst dabei. Das ist ein Problem. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Vielleicht in Baden-Württemberg!) Weitere Probleme mit der Schulverpflegung haben wir durch die unsinnige Mehrwertsteuer. Wir müssen endlich die Mehrwertsteuer abschaffen, wenn es um Schul- und Kitaverpflegung geht. Wir brauchen natürlich auch fachliche Beratung und Unterstützung der Schulen und der Kitas unter anderem durch die Vernetzungsstellen „Schulverpflegung“. Ein Projekt wie dieses, das sich bewährt hat, muss man langfristig sichern. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das machen die Länder!) Es reicht nicht, das Projekt an die Länder zu übergeben, wenn man weiß, dass es dann wieder stirbt. Dann stirbt nämlich die Schulverpflegung insgesamt. Herr Minister, wir hätten noch viele Vorschläge zu machen. Wir setzen auf eine vernünftige Beratung mit Ihnen. Davon, dass Sie Vorschläge anhören und annehmen, bin ich überzeugt. Aber wir würden uns sehr freuen, wenn wir das gemeinsam anpacken könnten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, und – ja – einen schönen Abend! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ein noch schönerer Abend als dieser lässt sich schwerlich vorstellen. – Nun hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Budget für den Bereich „gesundheitlicher Verbraucherschutz und Ernährung“ ist in diesem Jahr kleiner geworden. Das liegt vor allem daran, dass ein Teil der Mittel für Verbraucherschutz und Verbraucherinformation in das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gewandert ist. Es bleiben aber nach wie vor 16,8 Millionen Euro. Was steckt da drin? Darin stecken unter anderem Fördermittel für Projekte, die Kinder für das Kochen begeistern sollen, für die Vernetzungsstellen „Schulverpflegung“, für Ernährungsbildungsprojekte, für die Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung und für das Portal „Lebensmittelklarheit“. Für dieses Jahr ist die Finanzierung all dieser Projekte sichergestellt. Wichtig ist aber, dass wir diese Unterstützung in den nächsten Jahren konsequent fortsetzen. Das gilt nicht nur für die Ernährungsbildung, sondern auch – das ist mir besonders wichtig – für das Portal „Lebensmittelklarheit“. Für all diejenigen, die nicht wissen, was das ist: Das ist ein Projekt der Verbraucherzentrale. Verbraucherinnen und Verbraucher können dort Projekte melden, von denen sie sich getäuscht fühlen. Das Ganze wird gesammelt und ausgewertet und wurde bereits durch eine fundierte Verbraucherforschung begleitet. Diese müssen wir fortführen, keine Frage. (Beifall bei der SPD) Wir müssen aber auch endlich Konsequenzen aus den Erkenntnissen und Ergebnissen dieses Portals und seiner Begleitforschung ziehen. Diese lauten nämlich: Viele Definitionen, Verkehrsbezeichnungen und Leitsätze für Lebensmittel werden von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht verstanden und als irreführend empfunden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, das zu ändern. Das sollten wir alsbald angehen. Wir müssen nicht nur „Lebensmittelklarheit“ weiterfinanzieren. Auch die Arbeit der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission muss sich künftig stärker an den Bedürfnissen der Konsumenten nach Klarheit und Wahrheit orientieren. Auch hier für all diejenigen, die diese Kommission nicht kennen: Die Lebensmittelbuch-Kommission ist das Gremium, das erarbeitet, woraus zum Beispiel Früchtetee, Geflügelwürstchen oder Alaska-Seelachs bestehen sollten. Wer sitzt in diesem Gremium? Zu gleichen Teilen Wissenschaftler, Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung sowie Verbraucherverbände und die Lebensmittelwirtschaft. Wenn Letztere nicht will, dass ein Leitsatz oder eine Definition neu gefasst wird, dann blockiert sie eben. Wir wollen, dass die Verbrauchererwartung künftig das stärkste Gewicht bekommt. Das ist bisher nicht der Fall. Im Moment darf in Geflügelwürstchen Schweinespeck stecken, und die Alaska-Seelachs-Schnitzel sind zwar rosa gefärbt, haben aber mit Lachs nicht das Geringste zu tun. Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, ich weiß, dass Sie die Arbeit der Lebensmittelbuch-Kommission gerade evaluieren lassen. Deshalb möchte ich unterstreichen, wie wichtig es aus Sicht der SPD ist, dass die Lebensmittelkennzeichnung künftig verbrauchergerechter und die Erarbeitung der Leitsätze für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbarer und transparenter wird. Ich sage Ihnen auch, warum das so wichtig ist. Laut einer Studie ärgern sich 80 Prozent der Konsumenten beim Einkauf über unverständliche Angaben auf dem Etikett. 81 Prozent sagen, dass sie anhand der vorhandenen Informationen nicht einschätzen können, ob ein Produkt gut oder schlecht ist, welche Qualität es also hat. Genau das müssen wir ändern, und zwar nicht nur im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch im Interesse aller guten, seriösen und ehrlichen Anbieter. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Qualitäten verlässlich erkennen und unterscheiden können, sind sie auch bereit, für ein gutes Produkt einen angemessenen und fairen Preis zu zahlen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Selbstverständlich ist es deshalb wichtig, in die Verbraucher- und Ernährungsbildung, in Aufklärungsangebote zu investieren. Gute Verbraucherpolitik darf sich aber gerade nicht nur in Informationskampagnen für die Verbraucher erschöpfen. Sie muss auch die Anbieter in die Verantwortung nehmen. Lebensmittel müssen so gekennzeichnet sein, dass jeder auch ohne Lupe, ohne Lexikon und ohne Hochschulabschluss verstehen kann, was er oder sie kauft. Daran gemeinsam zu arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Minister Schmidt, darauf freue ich mich. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nicole Maisch ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, bei einem Ihrer ersten Besuche bei uns im Ausschuss haben Sie gesagt, Ernährung sei Ihr Kernthema. Davon ist leider nicht viel zu merken, nicht in der Rede, die Sie gehalten haben, nicht in diesem Haushalt und auch nicht anhand sonstiger Initiativen. Für Ihr angebliches Schwerpunktthema Ernährung haben Sie keinen Arbeitsplan, und für 1,5 Millionen Euro im Ernährungsbereich haben Sie jetzt, im Juni, wo das Haushaltsjahr schon zur Hälfte herum ist, immer noch keine Verwendung. Der Vorwurf des unsichtbaren Ministers, wenn es um gesunde Ernährung geht, trifft leider voll ins Schwarze. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie verwalten still und leise, wie Sie es hier vorgetragen haben, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vor sich hin. Aber man kann auf Ihrer Homepage nachlesen, was Sie so tun. Immerhin führen Sie die Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung Ihrer Vorgängerin Frau Aigner fort. Auch Sie beteuern auf Podiumsdiskussionen, wie wichtig Ihnen die Wertschätzung von Lebensmitteln ist. Natürlich lassen Sie auch Informa-tionsbroschüren drucken. Aber das reicht nicht aus. Broschüren alleine lösen keine gesellschaftlichen Probleme. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie Konzepte vorlegen, wie wir von den 11 Millionen Tonnen genießbarer Lebensmittel, die jährlich in Deutschland im Müll landen, herunterkommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir fragen Sie: Wo sind die verbindlichen branchenspezifischen Zielvereinbarungen mit der Wirtschaft? Wo ist der Innovationswettbewerb zur Müllvermeidung, und wo sind die Forschungsprojekte, die wir gemeinsam in der letzten Legislatur in diesem Bereich fraktionsübergreifend beschlossen haben? Herr Minister Schmidt, Ihr Haus ist in den Koalitionsverhandlungen arg gerupft worden. Sie als Ernährungsminister müssen jetzt beweisen, dass Ihr Haus noch mehr ist als ein weiterer Versorgungsposten für die CSU. Gelegenheit dazu gäbe es genug. Nehmen Sie die neue Studie der Bertelsmann Stiftung zur miserablen Qualität der Kita- und Kindergartenverpflegung in Deutschland. Nur jede dritte Betreuungseinrichtung bietet kleinen Kindern ein gesundes Mittagessen an. 1,2 Millionen Kinder in diesem Land bekommen nach der Bewertung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung mieses Essen: zu wenig Obst, zu wenig Gemüse, zu viel Fleisch, zu wenig frische Lebensmittel. An den Schulen in diesem Land sieht es nicht besser aus. Das sollte bei Ihnen als Ernährungsminister Kreativitätsschübe auslösen und „leise und langsam“ durch „laut und wütend“ ersetzen. Das sollte Sie zum Nachdenken über Ihr unsinniges Kooperationsverbot bringen, das dem Bund verbietet, den Schulen beim Thema Verpflegung unter die Arme zu greifen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber was machen Sie? Sie lassen sogar die Finanzierung für die Schulvernetzungsstellen nach 2017 im Ungewissen. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Jeder fand es wichtig, jeder fand es gut, was die Schulvernetzungsstellen machen, aber Geld geben möchte der Bund nicht. Wir halten das für unverantwortlich. Das ist Sparen am falschen Ende. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da wir gerade beim Sparen am falschen Ende sind: Genauso unverantwortlich ist die fehlende Finanzierung des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund. Dieses Institut, europaweit einzigartig und seit Jahrzehnten anerkannt, hat vor der Kinderkommission des Deutschen Bundestages einen Hilferuf abgesetzt. Dieses Institut, das für Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa einzigartige Basisarbeit betreibt, steht vor dem Aus; denn es gibt keine gesicherte Finanzierung für dieses Forschungsinstitut mehr. Die Geschäftsführung, die wissenschaftliche Leitung, wird seit einiger Zeit ehrenamtlich betrieben. Ich finde, das kann nicht sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die Langzeitforschung und die Forschungsergebnisse müssen wir retten. Ich fordere Sie auf: Nutzen Sie das Geld, das im Haushalt noch nicht verplant ist! Retten Sie das FKE! Geben Sie 500 000 Euro aus, stellen Sie eine richtige Geschäftsführung und ein Sekretariat ein, damit diese wichtigen Forschungsergebnisse für die Gesundheit unserer Kinder nicht verloren gehen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ein weiteres unrühmliches Beispiel dafür, dass unter dieser Großen Koalition beim Thema Kindergesundheit einiges im Argen liegt, ist der Umgang mit der Nationalen Stillkommission. Sie ist bei einer zum Geschäfts-bereich Ihres Ministeriums gehörenden Behörde, beim Bundesinstitut für Risikobewertung, angesiedelt. Diese Kommission ist derzeit faktisch nicht arbeitsfähig, weil die zuständige Stelle am BfR finanziell heruntergestuft und mit weiteren Aufgaben überfrachtet wurde und sich keiner mehr findet, der diesen Job machen will. Wir finden, das ist ein untragbarer Zustand. Die Förderung des Stillens ist einer der wichtigsten Bausteine zur Übergewichtsprävention bei Kindern. Das ist wissenschaftlich unumstritten; das ist ganz eindeutig. Ich finde, es ist für Deutschland peinlich, wenn wir nicht in der Lage sind, die Nationale Stillkommission arbeitsfähig zu halten und angemessen auszustatten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt und Ihre Politik der letzten sechs Monate lassen noch viel Luft nach oben. Das gilt besonders für den Tierschutz. Die Vorgängerregierung hat mit der missglückten Tierschutznovelle in einigen Bereichen für mehr Schaden als Nutzen gesorgt. Wir erwarten von dieser Koalition, dass hier nachgebessert wird. Wir werden ganz genau hinschauen, ob Sie wirklich mehr Tierschutz erreichen oder nur mehr Chancen zum Export von deutschem Fleisch in die ganze Welt realisieren. Wenn Sie den Schutz der Tiere, der im Grundgesetz verankert ist, wirklich ernst nehmen, dann müssen Sie Schluss machen mit dem System der tierquälerischen industriellen Massentierhaltung. Das ist eine Systemfrage in der Landwirtschaft. Wir werden genau hinschauen, wie vor allem die SPD diese Systemfrage beantwortet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das bedeutet für die Union – wenn sie den Tierschutz so ernst nimmt –, dass man auch einmal den einen oder anderen Konflikt aushalten muss, etwa mit den Bauernverbandsfunktionären außerhalb, aber auch innerhalb der Fraktion. Wir werden genau schauen, ob ein schwarzer Agrarminister so etwas austragen kann. Wir Grüne wollen, dass der Tierschutz in Deutschland mächtiger wird. Wir fordern einen Tierschutzbeauftragten mit angemessener Amtsausstattung und das Verbandsklagerecht für Tierschutzorganistionen. Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Tierversuchen sagen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber ganz schnell, bitte. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das schaffe ich ganz schnell. – Wir finden, dass das Thema „Ersatzmethoden für Tierversuche“ finanziell wesentlich mehr unterstützt werden muss. Sie -haben zwar die Finanzmittel für die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch aufgestockt, aber nicht etwa, um Alternativen zu Tierversuchen zu erforschen, sondern lediglich um ein Internetportal zu pflegen. Wir finden, das kann es nicht sein. Da hätten Sie nachlegen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist leider die agrar- und ernährungspolitische Fortsetzung von Schwarz-Gelb unter anderer Flagge. Das ist peinlich für die SPD, und es ist schlecht für die Menschen und Tiere in diesem Land. Wer daran gezweifelt hat, ob es nötig ist, zur nächsten „Wir haben es satt“-Demo zu fahren, dem sage ich: Leute, ihr müsst fahren. Das ist leider auch unter Schwarz-Rot unbedingt notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Franz-Josef Holzenkamp für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Maisch, ich fand Sie im Ausschuss viel netter. Eines aber kann ich Ihnen versichern: Konfliktscheu sind wir Schwarzen garantiert nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber an den Konflikten werden wir gemeinsam Spaß haben. Zunächst möchte ich allen Beteiligten, die diesen Haushalt aufgestellt haben, Danke sagen: Herrn Minister mit seinem ganzen Team, sämtlichen Ministerien, den Haushältern, allen Fachgruppen. Ich finde, wir haben einen guten Haushalt aufgestellt. Er trägt der Konsolidierungsnotwendigkeit Rechnung – wir wissen, dass wir nur das ausgeben können, was wir im Portemonnaie haben –, aber setzt gleichzeitig die richtigen Signale. Meine Damen und Herren, die jüngste Verbraucherbefragung im Auftrag des BMEL hat festgestellt, dass 80 Prozent aller Verbraucher mit der Qualität der Lebensmittel der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft sehr zufrieden sind. Sie erfreuen sich an der Vielfalt und an der Hochwertigkeit deutscher Lebensmittel. Das ist eine gute Botschaft. Da dürfen wir uns auch einmal freuen; da dürfen wir auch einmal lächeln. Frau Binder, ein sehr deutlicher Hinweis auf die Qualität unserer Ernährung ist die Tatsache, dass die Menschen in unserem Land immer älter werden. Es gab noch nie so viele Alte wie heute, und die durchschnittliche Lebenserwartung steigt weiter. Das ist das beste und deutlichste Zeichen dafür, wie gesund unsere Ernährung ist; das ist ganz einfach feststellbar. (Beifall bei der CDU/CSU) In einem pflichte ich allen Beteiligten bei – Frau Drobinski-Weiß hat ein paar Punkte angesprochen –: Es bleibt einiges zu tun. Ich kann die gute Stimmung aber nachvollziehen; denn Landwirtschaft in Deutschland steht für Verantwortung, für Vielfalt und auch für Erfolg. Darauf können wir stolz sein; damit können wir auch selbstbewusst umgehen. Wir als Land- und Ernährungswirtschaft in Deutschland sind wer. In der gesamten Kette sind es etwa 5 Millionen Arbeitskräfte; das ist die zentrale Wirtschaftssäule des ländlichen Raums. Wir investieren im ländlichen Raum, in sichere Arbeitsplätze dort, allein im ersten Halbjahr 2014  6 Milliarden Euro. Das bedeutet Investitionen in moderne Technik, mehr Umweltschutz, mehr Tierschutz und mehr Effizienz. Das ist der richtige Weg. Wir machen es so, anstatt Verbote zu fordern, was zu Produktionsverlagerungen führt, womit wir dem Tier- oder Umweltschutz einen Bärendienst erweisen. Das ist Ihr Weg, und der ist falsch. (Beifall bei der CDU/CSU) Zum Thema Forschung. Das ist mir ein besonderes Anliegen, weil Forschung letztendlich – da sind wir uns alle einig, denke ich – Zukunft bedeutet. Die Landwirtschaft in Deutschland ist gut aufgestellt. Aber auch wir sehen in verschiedenen Bereichen die Notwendigkeit von Weiterentwicklungen. Ich will einige Beispiele ansprechen: Wie können wir das Tierwohl in Deutschlands Ställen verbessern? Deshalb machen wir Praxis- und Demonstrationsversuche. Wir wollen nicht verbieten, sondern Lösungen erarbeiten. – Wie können wir negative Effekte auf die Umwelt verringern? Deshalb gibt es bei uns den Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Deshalb sind wir dabei, in der Düngeverordnung bessere Bedingungen für unsere Umwelt zu erreichen. – Wie können wir die Produktivität im Ökolandbau verbessern, damit auch dort die Nachhaltigkeit gesteigert wird? Deshalb – das ist, glaube ich, vorhin nicht richtig verstanden worden – sehen wir in diesem Haushalt mehr Forschungsförderung für den Ökolandbau vor. Meine Damen und Herren, zu welcher Produktionsform sich ein Landwirt auch immer entschließt: Entscheidend ist stets die enge Verzahnung zwischen Ökologie, Ökonomie und letztendlich auch sozialen Aspekten. Dieses Zieldreieck müssen wir immer im Blick haben, weil wir anders keine intelligente Lösung für die Landwirtschaft von morgen finden, die alle Punkte berücksichtigt. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb unterstützen wir in unserem Haushalt die Forschung in der Gesamtsumme mit immerhin etwa 500 Millionen Euro. Das sind Mittel für Forschung, für Nachhaltigkeit und für mehr Innovation. Zudem haben wir die Eiweißstrategie verankert. Dafür gibt es einen eigenen Titel – das wurde schon mehrfach angesprochen –, und das ist auch richtig. Wilhelm Priesmeier, du hast mich sehr frühzeitig angesprochen: Können wir das nicht machen? Das ist uns wichtig. – Wir waren uns sofort einig und haben das gemeinsam auf den Weg gebracht. So arbeiten Koalitionen vernünftig zusammen. So gehört sich das. Gleichzeitig hat das den Nebeneffekt, dass mehr Forschungsmittel für den Ökolandbau in dem entsprechenden Bundesprogramm zur Verfügung stehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD]) – Da dürfte selbst die Opposition klatschen. Das müsste doch eigentlich in Ihrem Sinne sein. Gucken Sie doch nicht so griesgrämig drein! Ich will an dieser Stelle, weil es um Eiweiß geht, auch das Thema Greening noch einmal ansprechen. Wir hatten lange Diskussionen über die Anwendung von Pflanzenschutz. Meine Damen und Herren, wenn wir den -Eiweißanbau fördern wollen, dann ist es richtig, auf ökologischen Vorrangflächen Eiweißpflanzen so anzubauen, dass wir sie auch ernten können. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht mit Pestiziden, Herr Kollege! Das ist doch nicht ökologisch!) Deshalb gehört letztendlich der Pflanzenschutz mit dazu. Deshalb war das eine richtige Entscheidung. Wenn man einfordert, mehr für die Eiweißstrategie zu tun, wie es die Grünen machen, (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nicht, auf ökologischen Vorrangflächen Gift auszubringen! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts verstanden!) dann dürfte man sich in dieser Frage eigentlich nicht verwehren. Ich will noch etwas zum Thema „Internationales und Agrarexporte“ sagen, weil das eine zunehmende Bedeutung hat. Ich bedaure, dass Grüne und Linke die Absatzunterstützung des Ministeriums zusammenstreichen wollen. Meine Damen und Herren, es geht um KMU-Förderung, um die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen. Das, was in allen Wirtschaftsbranchen gewollt wird und gewollt ist, kann doch in der Landwirtschaft nicht falsch sein. Wenn Sie diese Position nicht verlassen, dann arbeiten Sie gegen die deutschen Bauern; das muss man so deutlich sagen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch nichts für die Bauern!) Man kann hier als Beispiel den Milchpreis anführen. Dieser Milchpreis, über den sich deutsche Milchbauern freuen, würde nicht einmal annähernd erreicht, wenn wir nicht die Exportmöglichkeiten hätten. Sie lehnen den Export ab. Dann müssen Sie aber auch die Frage beantworten: Wie wollen Sie mit Importen umgehen? Wollen Sie uns abschotten? Wollen Sie den deutschen Bürgerinnen und Bürgern ausländische Lebensmittel vorenthalten? Wie wollen Sie es letztendlich handhaben? Export ist nichts Unanständiges und Verwerfliches. Export ist notwendig für ein ausreichendes und vernünftiges Familieneinkommen deutscher Bauern. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte – das ist mir ein Anliegen – noch einige Sätze zu den Schwellen- und Entwicklungsländern sagen. Auch im Zusammenhang mit dem Export wird uns immer wieder vorgehalten, wir würden gegen diese Länder arbeiten. Meine Damen und Herren, damit es klar bleibt oder dem einen oder anderen klar wird: Wir wollen keine Exportsubventionen. Wir lehnen sie ab. Sie dürfen nicht wiederkommen. Wir wollen aber für wichtige Länder als Türöffner fungieren. Hier macht das BMEL, mit Minister Schmidt vorneweg, einen sehr guten Job, wofür wir dankbar sind. Wir stocken, wie in diesem Haushalt ersichtlich ist, beispielsweise die Mittel für die bilaterale technische Zusammenarbeit um fast 2,5 Millionen Euro auf. Ich finde, das ist ein lohnendes Projekt, und bin verwundert, dass die Grünen diesen Titel streichen wollen. Wir setzen diese Mittel in Projekte für die Ausbildung von Landwirten in Entwicklungsländern und in Schwellenländern ein, damit sie produktiver werden. Sie sind dagegen, weil Sie Kommunikationskampagnen, beispielsweise gegen Grüne Gentechnik, machen wollen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie die Bedienung der Angstindustrie! Das bringt Ihnen nichts ein. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sind auch im gesundheitlichen Verbraucherschutz gut unterwegs. Lieber Christian Schmidt, es ist ein großer Erfolg, dass der gesundheitliche Verbraucherschutz in unserem Ministerium verbleibt. Hier ist die Fachkompetenz. Ich kann mir nicht vorstellen, verehrte Kollegin Drobinski-Weiß, – Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege! Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): – ja, ich komme zum letzten Satz –, dass eine Veterinärabteilung in einem Querschnittsressort wie dem BMJ Sinn macht. Deshalb ist es an dieser Stelle richtig aufgehoben. Meine Damen und Herren, in den kommenden Jahren haben wir die große Aufgabe, uns in einer kritischen Diskussion mit der Landwirtschaft und der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Ich lade Sie alle ein, dieses miteinander sachlich und realistisch zu tun, in die Zukunft gerichtet und so, wie es die 300 000 Bauernfamilien in Deutschland verdienen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Petra Crone für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Petra Crone (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! Der Prozess, eine europäische Waldkonvention ins Leben zu rufen, ist am 21. Mai in Wien gescheitert. Es war der fünfte Versuch, und zum fünften Mal lief der Anlauf ins Leere. Nach vielen Verhandlungstagen blieben bis zum Schluss zehn wesentliche Punkte offen. So gab es beispielsweise keine Einigung unter den Staaten, wie Wald überhaupt zu definieren sei; nur um eine elementar strittige Position zu benennen. Darum, liebe Kollegen und Kolleginnen, sollten wir das Ende der Verhandlungen zur europäischen Waldkonvention akzeptieren. Das weitere Vorgehen wird auf der nächsten regulären Ministerkonferenz Forest Europe Mitte des nächsten Jahres zu besprechen sein. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, gemeinsam für Schutz, Erhalt sowie Wiederaufbau von Wäldern und Waldstrukturen und für eine damit verbundene Waldfinanzierung einzutreten. Jetzt ergibt sich für Deutschland in diesem Sinne die einmalige Chance, eine Vorreiterrolle in einem Prozess einzunehmen, der die vielen internationalen Übereinkünfte zum Wald zum einen koordiniert und zum anderen unter einem multilateralen Dach in kooperativer Art und Weise bündelt. Die Übereinkünfte zum Wald – der Prozess Wald – sind stark fragmentiert: FLEGT, REDD+, CBD oder das Waldforum der Vereinten Nationen, um nur einige zu nennen. In der internationalen Waldpolitik Deutschlands engagieren sich neben dem BMEL weitere Bundesministerien: das BMUB und das BMZ. Gemeinsam sollten wir einen Prozess anstoßen, der die vorhandenen internationalen Übereinkünfte so belässt, aber durch eine koordinierende Dachorganisation besser miteinander verzahnt, bündelt und dadurch vorantreibt. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Crone, darf der Kollege Kindler eine Zwischenfrage stellen? Petra Crone (SPD): Bitte sehr. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wir befinden uns in einer Haushaltswoche und in einer Haushaltsdebatte. Sie haben gerade die internationalen Initiativen zum Wald angesprochen, die auch ich für sinnvoll und unterstützenswert halte. Dazu passt allerdings nicht, dass die Bundesregierung in ihrem Haushaltsentwurf die Mittel aus dem Energie- und Klimafonds für den Waldklimafonds von 28 Millionen auf 14 Millionen Euro gesenkt hat; das ist eine Halbierung. Wie erklären Sie sich das? Das ist ja eine dramatische Kürzung, die international ein verheerendes Signal aussendet. Petra Crone (SPD): Herr Kollege, Sie rennen da bei mir offene Türen ein. Ich bin auch nicht ganz einverstanden damit, dass es dazu gekommen ist. Aber wir haben andere Positionen aus dem Bereich der nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Haushalt. Ich komme gleich noch zu diesem Punkt. Insofern hören Sie mir bitte gut zu. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mache ich! Danke!) Der neu geschaffene Haushaltstitel im Einzelplan 10 „Internationale nachhaltige Waldbewirtschaftung“ soll beispielsweise bilaterale Forstprojekte in Uganda, Russland, Kenia oder Uruguay fördern. Bislang sind viele Details der künftigen Zusammenarbeit mit den Partnerländern im Abstimmungsprozess. Gemeinsam mit dem BMEL werden wir die Schwerpunkte setzen und den Prozess der Mittelvergabe an Partner und Organisationen transparent gestalten. Immerhin handelt es sich um 5 Millionen Euro. Eine solche Transparenz und gute Kommunikation hätte ich mir auch für die Planung dieses Haushalts gewünscht, lieber Kollege. (Beifall bei der SPD) Sehr geehrter Herr Minister, ich habe mich gefreut, dass Sie sich Anfang des Jahres – Sie haben es eben erwähnt – ausdrücklich und mehrmals zum Ziel bekannt haben, 5 Prozent der deutschen Waldflächen nutzungsfrei zu halten, trotz der anhaltenden Widerstände. Ich möchte Sie ausdrücklich bei der Umsetzung des 5-Prozent-Ziels unterstützen. Die SPD-Fraktion ist an Ihrer Seite. (Beifall bei der SPD) Der öffentliche Wald hat bei der Erfüllung des 5-Prozent-Ziels eine Vorbildfunktion; das ist klar. In Wittgenstein, in Südwestfalen, (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD]) hat erstmals ein privater Waldbesitzer 350 Hektar seines Waldes nutzungsfrei gestellt. Wir sollten überlegen, welche freiwilligen Anreize, welche privatrechtlichen Vereinbarungen wir Privatwaldbesitzern anbieten können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]) Mit Spannung erwarte ich in diesem Zusammenhang die Daten aus der Bundeswaldinventur 2012. Sehr geehrte Damen und Herren, die nationale Waldpolitik wird mit zusätzlichen 5 Millionen Euro im Einzelplan 10 gefördert. – Jetzt komme ich zu Ihrer Frage, Herr Kollege Kindler. – Ich will nicht verhehlen, dass ich mir lieber eine finanzielle Stärkung des Waldklimafonds gewünscht hätte. Er startete ja erst im vergangenen Jahr als „Meilenstein“ – O-Ton BMELV – und ist untrennbar mit der nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Wälder verbunden. Mir ist noch nicht ganz klar, wie genau die Mittelstärkung im bestehenden Programm aussehen soll. Wir müssen bei der Ausgestaltung der Projekte aus diesem Titel daher auf zweierlei achten: erstens, dass wir keine Doppelstrukturen und neuen Bürokratien mit Steuermitteln schaffen, die ausschließlich privatwirtschaftliche Interessen subventionieren, und zweitens, dass wir sicherstellen, dass die Projektmittel tatsächlich in den Wald fließen und nicht allein in Broschüren verschwinden. Ein letzter Punkt: Die Überdüngung mit Stickstoff, unter anderem aus der Landwirtschaft, ist nach wie vor ein Problem in unseren Wäldern. Bitte lassen Sie uns vorrangig nicht die Symptome, sondern die hohen Stickstoffemissionen als Ursachen bekämpfen. Ich freue mich auf eine transparente Debatte, wenn wir über die Programme für die internationale und nationale Waldbewirtschaftung reden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. – Der Präsident jagt mich davon. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jeder Blick auf die Uhr zeigt doch, dass die Geduld des Präsidenten beinahe unerschöpflich ist. (Heiterkeit) Jetzt ist der Kollege Thomas Mahlberg an der Reihe, der für die CDU/CSU-Fraktion spricht. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Mahlberg (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es liegt in der Natur der Sache, dass in Bezug auf den Haushalt jeder eine etwas andere Wahrnehmung hat. Ich für meinen Teil kann sagen – und ich hatte das Gefühl, dass Christian Schmidt dies sehr deutlich gemacht hat –, dass gerade der Haushalt für das BMEL eine sehr solide Basis für unsere Arbeit darstellt. Aber nicht nur das: Ich finde, er ist auch eine sehr gute Antwort auf die großen Herausforderungen, mit denen wir im Landwirtschaftsbereich und in der Lebensmittelbranche konfrontiert sind, wie – ich will nur einige Punkte nennen – Welternährung, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Lebensmittelsicherheit und Akzeptanz der Tierhaltung. Das sind keine neuen Punkte. Sie sind schon von meinen Vorrednern angesprochen worden. Es ist immer etwas schwierig, wenn man nicht als Erster zu einem Thema spricht. Ein Menschenrecht auf Nahrung klingt wie selbstverständlich, gerade in dem Land, in dem wir leben. Aber leider ist dieses grundlegende Menschenrecht nicht überall auf dieser Welt gewährleistet. Rund 840 Millionen Menschen leiden Hunger, fast ein Drittel der Weltbevölkerung ist unterernährt. Das sind keine Zahlen aus dem Mittelalter, sondern Fakten aus dem 21. Jahrhundert, über die ich hier spreche. Die Sicherung der Welternährung ist eine riesige Herausforderung, die im Laufe der Zeit nicht kleiner, sondern noch größer werden wird; denn wir erwarten, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahre 2050 auf 9 Milliarden Menschen steigen wird. Gleichzeitig werden Ressourcen wie Boden und Wasser knapper. Auch die Auswirkungen von Klimawandel und Naturkatastrophen verschärfen die Situation. Vor diesem düsteren Hintergrund ist es, wie ich finde, sehr erfreulich, dass der Kampf gegen den Hunger auch für die Bundesregierung höchste Priorität hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Das zeigt sich gerade im Einzelplan 10, in dem ein zusätzlicher Titel zur Welternährung geschaffen wurde, um einen weiteren Beitrag zur Ernährungssicherung in der Welt zu leisten. Die Nachhaltigkeit und die Eindämmung des Klimawandels sind weitere wichtige Baustellen für die Landwirtschaft. Schon heute ist die Basisressource Boden Teil eines weiten Konfliktfeldes; denn jeden Tag werden über 70 Hektar Fläche neu in Anspruch genommen. Die Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsherstellung, Bebauung und Energiegewinnung ist nur noch mit einem klugen nachhaltigen Konzept zu lösen. Dieses Konzept muss auf der einen Seite die Folgen des Klimawandels bedenken und auf der anderen Seite dem Klimawandel selbst entgegensteuern. Nur wenn wir unsere landwirtschaftliche Produktion klima- und ressourcenschonend gestalten, werden wir auch in Zukunft das Land effizient bewirtschaften und andere natürliche Ressourcen nutzen können. Deshalb freue ich mich sehr, dass das Bundesministerium insgesamt 510 Millionen Euro für Forschung und Nachhaltigkeit vorgesehen hat. Von unserer Nahrung erwarten wir alle gemeinsam nicht nur, dass sie unter nachhaltigen Gesichtspunkten hergestellt wurde. Wir wollen in allererster Linie sichere und gesunde Lebensmittel haben, die wir ohne Bedenken und mit Genuss verzehren können. Das Prinzip der Lebensmittelsicherheit bildet einen weiteren Schwerpunkt im Haushaltsplan des BMEL. Das ist, wie ich meine, wichtig und richtig; denn die Gewährleistung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes entlang der gesamten Lebensmittelkette ist eine komplexe Aufgabe, die wir zu lösen haben. Diese Komplexität, die mit der fortschreitenden Globalisierung der Warenströme – das war gerade auch Thema bei einem meiner Vorredner, und das kann ich nur zu gut aufgrund meiner früheren beruflichen Tätigkeit beurteilen – und auch der Entwicklung neuer Produkte, die es auf dem Markt gibt, einhergeht, nimmt deutlich zu. Für gesunde Lebensmittel tierischer Herkunft brauchen wir sichere und rückstandsfreie Futtermittel; denn nur ausgewogen ernährte Tiere liefern uns gesunde und qualitativ hochwertige Erzeugnisse – die Produkte kennen Sie: Fleisch, Eier und Milch zum Beispiel –, die für uns von besonderer Bedeutung sind. Futtermittelsicherheit ist also eine Voraussetzung für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit. Zur Gewährleistung der Futtermittelsicherheit haben wir in Deutschland ein sehr engmaschiges Kontrollnetz, das insbesondere durch Qualitätssicherungssysteme – viele dürften Ihnen bekannt sein – wie GMP oder QS der Unternehmen ergänzt werden. Meiner Ansicht nach ist es die originäre Aufgabe des Staates, für effiziente Kontrollen der Lebensmittelkette zu sorgen und diese zu finanzieren. Ich finde es wenig hilfreich, wenn einzelne Bundesländer – das Bundesland Niedersachsen ist hier schon angesprochen worden – sich aus dieser Aufgabe herausstehlen und die Finanzierung den zu kontrollierenden Unternehmen aufbürden. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch marktwirtschaftlich!) – Sehr geehrter Herr Kollege Kindler, Sie haben eben sehr lobend über Ihren Umweltminister in Niedersachsen gesprochen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Landwirtschaftsminister ist er!) Das ist das, was bei mir hängen geblieben ist. Wenn ich durch Niedersachsen reise, höre ich keine Lobreden auf diesen Umweltminister. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht müssen Sie mal aus den CDU-Kreisverbänden herausgehen! Das wäre mein Tipp!) – Ich glaube, ich bewege mich in Niedersachsen nicht nur innerhalb meiner Partei. Ich höre in Niedersachsen keine Lobreden, (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ich auch nicht!) sondern eher Skepsis. Ich finde es mehr als merkwürdig, wenn, während sich die Bundesländer über ein solches Thema austauschen, ein Bundesland vorprescht und die Unternehmen als erstes und einziges Bundesland belastet, anstatt eine mit den Ministern der anderen Länder abgesprochene vernünftige und konzeptionelle Lösung zu finden. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorreiterrolle!) Ich habe mir einmal die Frage gestellt, wie es wohl wäre, wenn Ihr Minister Verkehrsminister geworden wäre. Dann wäre mir auf einer Fahrt nach Hannover wahrscheinlich Folgendes passiert: Ich wäre in eine Polizeikontrolle gekommen, hätte meine Papiere vorgezeigt, und der Polizeibeamte hätte gesagt: Alles in Ordnung; aber bevor Sie weiterfahren, müssen Sie 25 Euro zahlen. Das ist die Pauschale, die Sie jetzt bezahlen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein völlig unsinniger Vergleich!) Das ist genau das, was Ihr Minister mit den Betrieben in Niedersachsen veranstaltet. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es schmerzt natürlich, dass man den Landwirtschaftsminister dort nicht mehr stellt! Das kann ich verstehen!) Diese Maßnahmen kommen, glaube ich, von dem Herrn, von dem Sie eben gesprochen haben. Verantwortung ist ein wichtiges Stichwort, wenn es um die Nutztierhaltung geht. Das Staatsziel Tierschutz verpflichtet uns, mit unseren Mitgeschöpfen verantwortungsvoll umzugehen. Ich finde, gerade unsere Landwirte in Deutschland tun das in besonderem Maße. (Beifall bei der CDU/CSU) Das liegt sicherlich auch daran, dass Tierschutz das ureigene Interesse der Landwirte in unserem Land ist. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wollen von uns wissen, wie ihre Lebensmittel hergestellt wurden und unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Es ist unsere Aufgabe, für eine umfassende und sachliche Information der Gesellschaft über die moderne Nutztierhaltung zu sorgen. Viele Menschen in diesem Land haben, glaube ich, noch ein sehr romantisches Bild von der Landwirtschaft. Sie denken oft an die Bauernhofidylle, die uns in Büchern geschildert wird. Tatsächlich ist die Landwirtschaft heute aber durch den technologischen Fortschritt geprägt, bei dem Innovationen eine große Rolle spielen. Ich glaube, nur mit Transparenz und einer sachlichen Diskussion können wir mehr Akzeptanz und Verständnis für die unternehmerische und effiziente Nutztierhaltung gewinnen. Herr Kollege Kindler, ich spreche Sie in diesem Zusammenhang noch einmal direkt an: Ich glaube, Kampagnen, mit denen man den Leuten Angst vor Lebensmitteln macht, sind nicht hilfreich. Das ist der falsche Weg. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Vogel-Strauß-Methode: einfach ignorieren, dass es Skandale gibt! Herzlichen Glückwunsch! Sie machen eben die Augen zu! Vogel-Strauß-Methode: nichts sehen, nichts hören, nichts machen!) Wir haben sichere Lebensmittel. Wir haben gute Lebensmittel. Die Leute können diese Lebensmittel mit Genuss verzehren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei Ihnen ist das ein politisches Programm; das verstehe ich. Sie suchen Themen, und das ist ein prima Thema. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe nur noch ein paar Sekunden Redezeit. Daher will ich die Schulverpflegung, die hier Thema war, nur kurz ansprechen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das wird in zwei Sekunden aber schwierig. Thomas Mahlberg (CDU/CSU): Zwei Sekunden? – Ich will nur Folgendes sagen: Das Ministerium hat sich klar dazu bekannt, das Programm IN FORM weiterzuführen. Ich finde, das ist ein sehr wichtiges Programm. Es ist wichtig für die Vernetzungsarbeit, die in den Ländern geleistet wird, damit Kitaverpflegung und Schulverpflegung gut organisiert werden. Das ist keine Einbahnstraße. Hier sind auch die Länder gefragt. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Bund leistet hierzu seinen Teil. Er hat Mittel bereitgestellt. Natürlich reden wir auch über die Anschlussfinanzierung nach 2017. Ich finde, in diesem Bereich ist der Bund beispielgebend, indem er diese Mittel für die Vernetzungsarbeit bereitgestellt hat. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Spiering für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Rainer Spiering (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor allen Dingen liebe Schülerinnen und Schüler! Toll, dass Sie zu dieser Zeit hier noch aufpassen und mit dabei sind. Das finde ich ganz toll für dieses Hohe Haus. (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, Sie haben in Ihrer Rede eben davon gesprochen, Forschung bzw. gezielte Forschung hat einen Platz im Haushalt 2014/2015. In der Tat wird im landwirtschaftlichen Bereich eine halbe Milliarde Euro für Forschung freigesetzt. Ich möchte ein Thema ansprechen, mit dem ich mich, seitdem ich hier im Bundestag bin, beschäftige. Jetzt habe ich auch immer eine schöne, kleine Fibel über Bio-ökonomie dabei. Das ist ein Thema, welches mich sehr fasziniert. Ich möchte meine Rede als Appell verstanden wissen, Forschung gemeinsam über viele Häuser hinweg zu betreiben. Deutschland macht sich auf den Weg. Mit der Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie wollen wir optimale wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen für eine biobasierte Wirtschaft schaffen. Wir wollen eine Wirtschaft, die sektorübergreifend mit möglichst wenig fossilen Brennstoffen auskommt und naturbelassene Stoffe nutzt, dabei aber gleichzeitig neue, nachhaltig erzeugte Produkte und Dienstleistungen hervorruft und unsere weltweite Spitzenposition bei Innovation und Technologie sicherstellt. Dabei sollen ökonomisches Wachstum und ökologische Verträglichkeit Hand in Hand gehen. (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU) Für die Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie stehen bisher in den Haushalten des Bildungs- und Forschungsministeriums sowie des Landwirtschaftsministeriums respektable Summen zur Verfügung. Doch wir reden hier von einer nationalen Wirtschaftsstrategie, liebe Kolleginnen und Kollegen. So wurde aus meiner Sicht bei der Halbzeitkonferenz Bioökonomie in Berlin vor wenigen Wochen zu Recht festgestellt, dass dies eigentlich das ganze Kabinett angeht. Ich freue mich, dass sich besonders Bundesforschungsministerin Wanka und Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt diesem Thema persönlich gewidmet haben. Wer bei der Ausstellung und bei der Konferenz war, hat gesehen, welches unglaubliche Spektrum sich dort in Bezug auf naturbelassene Rohstoffe gezeigt hat und auch welche unglaubliche Produktionskette sich einstellen kann. Die Dimension ist für uns in vielen Bereichen überhaupt noch nicht absehbar. Hierbei geht es nicht um den nachhaltig produzierten Dübel, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern um eine Veränderung der Ressourcenentwicklung und Materialströme. Wir wollen den Quantensprung einer deutlichen Verminderung des Einsatzes von Kohlenwasserstoffprodukten wie Öl und Gas hin zu nachhaltigen Materialien erreichen. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) – Danke! – Ich rede deshalb von Quantensprung, da wir beim Einsatz von nachhaltigen Ressourcen die gleiche Effizienz, den gleichen oder sogar einen besseren Wirkungsgrad als beim Einsatz fossiler Brennstoffe erreichen wollen. Sie alle wissen, glaube ich, dass wir, wenn wir über fossile Brennstoffe reden, mit maximalen Wirkungsgraden zwischen 40 und 45 Prozent – teilweise sind es 50 Prozent – rechnen. Wir haben aber immer mit 50 Prozent Verlusten zu rechnen. Das muss man, finde ich, wenn man nachhaltige Wirtschaft betreibt, immer deutlich sehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wo liegen die Einsatzgebiete? Sie liegen zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie. Diese bildet in Deutschland den viertgrößten Wirtschaftszweig und besteht vorwiegend aus kleinen und mittelständischen Unternehmen. Wie Sie alle wissen, sind mittelständische und kleine Betriebe Basis und Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Insbesondere in den westlichen Industriestaaten zeichnet sich ein starker Trend hin zu biobasierten und nachhaltig produzierten Lebensmitteln ab. Dieser Entwicklung liegt eine extrem leistungsfähige Industrie zugrunde. Die weltweit wichtigste Wertschöpfungskette reicht von der Energie- und Rohstoffgewinnung über die Verarbeitung bis hin zu den physiologischen und sozialen Konsequenzen unseres Konsumverhaltens. Allein in den USA werden innerhalb dieser Wertschöpfungskette jährlich mehr als 4 Billiarden Wattstunden eingesetzt. Man kann das auch umformulieren und von 4 mal 106 Gigawattstunden sprechen. Das ist die Einheit, mit der wir üblicherweise rechnen. Es handelt sich also um eine unglaubliche Energiemenge. Ich kann das auch anders formulieren: 15 Prozent des weltweiten Energievolumens werden in der Agrarwirtschaft verbucht. Das scheint eine sehr stichhaltige und konstante Zahl zu sein. Ich glaube, daran werden wir etwas ändern müssen. Wir werden effizienter werden müssen, und wir werden andere Mittel und Wege finden müssen, um diesen Energieverbrauch zu reduzieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Für die Kultivierung von Getreide, für die Viehzucht und für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse werden Energie, Wasser und Nutzflächen benötigt. Eine Zahl: Für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch wird etwa das Zehnfache der Energie eingesetzt, die für die Produktion der gleichen Menge Brotweizen erforderlich ist. Daraus ergibt sich für uns, glaube ich, eine Konsequenz. – Da die Redezeituhr abläuft, werde ich es jetzt kurz machen. Damit sich die Bioökonomie durchsetzen kann, muss die Performance stimmen. Es geht also um die Energiefrage im Ganzen, um die energetische Nutzung von Biomasse und damit auch um das diese Woche so heiß diskutierte EEG. Alles hängt mit allem zusammen. Deswegen glaube ich: Die Bioökonomie braucht starke Partner. Biobasierte Wirtschaft ist eine Querschnittsaufgabe. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir als Haus die Bereiche Wirtschaft und Umwelt mit einbeziehen würden und in der Kombination von vier starken Häusern genügend Energie freisetzen, um sich mit der Frage der Bioökonomie auseinanderzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir Mut zur Zukunft, Mut zur Forschung und Mut zur Bioökonomie! Mit der Unterstützung der vier genannten Häuser und mit dem Einsatz, den Sie, Herr Schmidt, jetzt schon zeigen, bin ich mir sicher, wir können das leisten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Marlene Mortler erhält nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Marlene Mortler (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über den zehntgrößten Haushalt innerhalb der Ressorts der Bundesregierung. Ich meine, 5,3 Milliarden Euro sind ein stolzer Betrag, ein Betrag, der gut angelegt ist. Er ist für mich aber noch mehr. Das sage ich nicht nur, weil ich vom Bauernhof komme, nicht nur, weil ich seit vielen Jahren in diesem Hause Agrarpolitik mache, sondern auch, weil für mich das Landwirtschaftsressort eines der absoluten Schlüsselressorts bei der Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was erwartet uns in Zukunft? Ich freue mich, dass sich heute einige Kollegen mehr mit der Zukunft als mit der Vergangenheit beschäftigt haben. Uns erwartet eine wachsende Weltbevölkerung. 10 Milliarden Menschen, das ist die Zahl, die wir auf uns zukommen sehen. Uns erwartet eine noch viel schneller auf uns zukommende Nachfrage nach Lebensmitteln. Essgewohnheiten ändern sich. Immer mehr Menschen auf der Welt verfügen trotz aller Rückschritte und Wirren auf diesem Planeten über ein Mindestmaß an Wohlstand. Wir alle wollen, dass sich dieser Trend fortsetzt, auch auf dem Teller. Aber das sind nur zwei der entscheidenden Trends. Der dritte heißt Klimawandel. Ich habe noch kein vernünftiges Klimaschutzszenario gesehen, das ohne einen substanziellen Beitrag der Landwirtschaft auskommt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Wir brauchen die Biomasse schon heute als erneuerbaren Energieträger. Wir werden sie in Zukunft noch mehr brauchen – Klammer auf, Klammer zu –, trotz EEG. Ohnehin werden wir die Endlichkeit fossiler Ressourcen mehr und mehr zu spüren bekommen. Wir werden immer mehr auf die Güter der Natur angewiesen sein, ob als Baustoff, ob als Grundstoff in der chemischen Industrie oder als Blaupause unserer technischen Entwicklungen. Die Landwirtschaft kann hier eine Schlüsselfunktion übernehmen, wenn man sie lässt. Der Bedarf steigt kontinuierlich, doch die Rahmenbedingungen werden nicht einfacher. Wir müssen davon ausgehen, dass für die landwirtschaftliche Produktion weltweit künftig nicht mehr, sondern weniger Flächen zur Verfügung stehen als heute. Natürlich will niemand, dass für die Äcker die letzten Regenwälder weichen und Steppenlandschaften gerodet werden. Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle zwei Dinge sagen. Erstens. Ob Mensch und Natur in Frieden miteinander leben, ob Nachhaltigkeit funktioniert oder nur ein Modewort bleibt, ob Klimaschutz einmal wirklich zur Realität wird, das alles wird sich ganz wesentlich in ländlichen Räumen entscheiden, im Stall und auf dem Acker. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht die Bundesregierung dazu? Die Bundesregierung macht nichts dazu!) Zweitens. Nachhaltigkeit wird es nicht ohne Fortschritt und Effizienz geben. Das kann vor dem Hintergrund der globalen Lage nicht funktionieren. Fruchtbare Ackerflächen sind eine der knappsten Ressourcen, die wir haben. Deutschland hat das Glück, ein Gunststandort zu sein, gesegnet mit gutem Klima und guten Böden. (Peter Bleser [CDU/CSU]: Und Wasser!) – Und Wasser, Kollege Bleser. – Deshalb bitte ich alle, denen wirklich daran gelegen ist, die globalen Herausforderungen im Hinblick auf Ernährungssicherheit, Klimaschutz und auch Waldschutz zu bewältigen: Verharren Sie in der Agrarpolitik nicht in Naivität und rückwärtsgewandter Romantik! (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben eine Verantwortung, der wir uns stellen müssen. Das sind wir auch unseren Kindern schuldig. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber Sie machen doch gar nichts!) Es geht um die Entwicklung neuer Produkte. Es geht um sinnvolles, umweltverträgliches Düngen. Es geht um fortschrittliche Bearbeitungsmethoden. Jüngst konnte ich die Feldtage in Sachsen-Anhalt besuchen. Wer diese Feldtage erlebt hat – ich wünsche mir, dass ganz viele junge Menschen sie besuchen, weil sie dort einen ganz anderen Einblick in die Zusammenhänge bekommen und viel über die Zukunft lernen –, der setzt in Zukunft darauf, dass Deutschland ein weltweit führender Technologiestandort sein, bleiben bzw. werden muss. Dann, meine Damen und Herren, werden wir einen substanziellen Beitrag zur Lösung der weltweiten Ernährungsprobleme leisten und den Klimaschutz weiter voranbringen. An genau dieser Stelle liegen die Ansichten in diesem Haus aber weit auseinander. Genau hier erkennen wir, wer sich wirklich für eine globale Bewältigung der Zukunftsherausforderungen einsetzt. Lieber Minister Christian Schmidt, ein herzliches Dankeschön, dass Sie in der Lage sind, über den sprichwörtlichen Tellerrand blicken! Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, zeigt auch der vorliegende Haushalt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich finde es richtig, dass 70 Prozent des Agrarhaushaltes in die Agrarsozialpolitik fließen, weil es diese 70 Prozent sind, denen wir die starke und stabile Bauernschaft im Land verdanken; ich bin Berichterstatterin für dieses Feld und weiß genau um die Bedeutung jeder dieser Maßnahmen. Wir können diese 70 Prozent aber nur verantworten, weil wir weit über eine halbe Milliarde Euro für Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation bereitstellen – ich wiederhole das gerne –, und das allein im -Agrarhaushalt. Wie Sie wissen, werden auch über den Forschungsetat Maßnahmen finanziert, die für die Zukunftsfähigkeit unserer Landwirtschaft von großer Bedeutung sind. Meine Damen, meine Herren, ich bitte Sie um Unterstützung einer Agrarpolitik, die erkennt, welche Schlüsselfunktion die Landwirtschaft in diesem Jahrhundert hat, die bereit ist, diese Verantwortung wahrzunehmen, und für die eben deshalb Fortschritt, Effizienz und Ertragssteigerung keine Schimpfworte sind und keine Feindbilder darstellen. Genau darum geht es. Aus diesem Grund bitte ich um Ihre Zustimmung zum Agrarhaushalt des Jahres 2014. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihre Rede passt nicht zum Haushalt! Das ist das Problem!) Bevor ich das Rednerpult verlasse, möchte ich noch einen herzlichen Glückwunsch sagen – ich hoffe, man hat es mir gerade richtig zugeflüstert; ich habe auch noch etwas Redezeit, Herr Präsident –, und zwar dem Kollegen Johann Saathoff zum heutigen Namenstag. Ist er noch da? (Heiterkeit und Beifall – Zurufe von der SPD: Na klar! – Er redet gleich sogar noch!) – Genau, als letzter Redner der Debatte. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Saathoff erhält nun zum Abschluss und als Höhepunkt der heutigen Haushaltsdebatte das Wort. – Bitte schön. (Heiterkeit – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Es ist im wahrsten Sinne des Wortes Johannisnacht!) Johann Saathoff (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Frau Mortler, Sie haben für eine Premiere in meinem Leben gesorgt. Es ist allererste Mal in meinem Leben, dass mir jemand zum Namenstag gratuliert. Ganz herzlichen Dank dafür! (Beifall) Ich gebe offen und frei zu: Ich habe gar nicht gewusst, dass er heute ist. (Heiterkeit – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Da geben wir dir gerne Nachhilfeunterricht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das macht Frau Mortler ab jetzt jedes Jahr; dann werden Sie sich daran gewöhnen. Johann Saathoff (SPD): Danke, Herr Präsident. Es gibt in der Landwirtschaftspolitik viel zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. An erster Stelle steht als zentrale Zukunftsaufgabe aus meiner Sicht ganz klar die Entwicklung der ländlichen Räume. Die SPD-Bundestagsfraktion beschäftigt sich schon seit einigen Jahren intensiv mit der Entwicklung der ländlichen Räume. Unter der Federführung meines Kollegen Willi Brase (Beifall bei der SPD) haben wir Sozialdemokraten vor kurzem hier im Deutschen Bundestag eine Konferenz zu diesem Thema durchgeführt. Wir sind uns alle einig, dass die Wichtigkeit der ländlichen Entwicklung deutlich stärker als bisher betont werden muss. Aus meiner Sicht ist es bei der Entwicklung der ländlichen Räume auch notwendig, das parlamentarische Bewusstsein für diese Problematik zu stärken. Die Mehrheit der Parlamentarier lebt nämlich im Gegensatz zur Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht im ländlichen Raum und erlebt somit dessen Entwicklung und dessen Probleme nicht am eigenen Leibe. (Beifall bei der SPD) Schulen, Arztpraxen, Dorfläden sterben. Die ländlichen Regionen verlieren zunehmend Einwohner, die sie eigentlich tragen sollen. Ich war vor meiner Wahl in den Deutschen Bundestag über zehn Jahre hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Krummhörn. Das ist ländlicher Raum, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie er im Buche steht. Von den 19 Ortschaften der Gemeinde sind mittlerweile 11 ohne jegliches Gewerbe. Jedes Jahr verloren wir deutlich Einwohner, und die Geburtenzahlen haben sich in diesen zehn Jahren fast halbiert. Die immensen Investitionen in die Dorferneuerung schienen ohne Dorfbewohner ihren Sinn zu verlieren. Es war deutlich zu erkennen, dass die Menschen ihrem Arbeitsplatz hinterherziehen – eine Folge der drastisch gestiegenen Mobilitätskosten. Außerdem suchen sie die Nähe zu Geschäften, Schulen, Kindertagesstätten und Freizeiteinrichtungen. Aus dieser Erfahrung heraus halte ich es für unabdingbar, dass es uns mit einem Maßnahmenplan zur Reattraktivierung des ländlichen Raums gelingt, dort auch wieder Wertschöpfung stattfinden zu lassen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Wir müssen uns verabschieden von der reinen Produktion landwirtschaftlicher Produkte; stattdessen muss zur Produktion die Veredelung der Produkte kommen. Hierbei geht es vor allem um regionale Produkte, die wieder zu identifizieren, herzustellen und zu vermarkten sind. Regionalität als Marke ist – insbesondere im Tourismus – noch nicht ausreichend erkannt. Vor allem ist Regionalität nicht beliebig kopierbar. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wenn über regionale Wertschöpfung wieder Arbeitsplätze im ländlichen Raum entstehen, wird das dazu führen, dass wieder vermehrt Menschen auf dem Land wohnen wollen. Als zweites Element werden wir die Dorferneuerung als reines Programm für den Tiefbau umwandeln müssen in eine Art soziale Dorferneuerung, (Beifall bei der SPD) die zum Ziel hat, Initiativen und Projekte des sozialen Miteinanders und des sozialen Zusammenhaltes zu fördern. Ich denke da nicht nur an Dorfgemeinschafts-häuser, sondern auch an Dorfläden und soziale Hilfseinrichtungen wie Dorf- oder Gemeindekümmerer. Den Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss geholfen werden, wenn sie erkennen, dass die Lebensbedingungen im ländlichen Raum durch Solidarisierung gehalten und verbessert werden können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Um das zu schaffen, möchte die Koalition die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ perspektivisch zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ weiterentwickeln. Für meine Heimat Ostfriesland ist das – wie für viele andere Regionen in Deutschland auch – ein wichtiges Thema. Zum einen halte ich es nicht nur, aber auch als Deichrichter der Deichacht Krummhörn für unbedingt erforderlich, dass die Mittel für den Küstenschutz trotz der Erweiterung um den Hochwasserschutz für Flüsse und trotz der Erweiterung um die Entwicklung ländlicher Räume in unverminderter Höhe erhalten bleiben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Küstenschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat nicht ohne Grund Verfassungsrang. Ich kann mir vorstellen, dass sich der ein oder andere alpin sozialisierte Abgeordnete (Heiterkeit bei der SPD) manchmal fragt, ob die Mittel für den Küstenschutz in dieser Höhe und in dieser Kontinuität erforderlich sind. (Rainer Spiering [SPD]: Sind sie!) „Beter düür, as neet to kopen“ ist hier die ostfriesische Devise. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ach?) Denn die Vernachlässigung des Küstenschutzes – das lehrt uns die Geschichte und das zeigen uns Beispiele aus anderen Ländern – ist nicht billiger, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vernachlässigung ist unbezahlbar. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) Ende vergangenen Jahres fegte Orkan „Xaver“ über die Nordsee. Die Flutlinie war genauso hoch wie 1962. Den stetigen Küstenschutzmaßnahmen ist es zu verdanken, dass ein solcher Orkan heute keine Katastrophe mehr zur Folge hat. Künftig werden wir auch den präventiven Hochwasserschutz mit einem Sonderrahmenplan absichern; dieser soll bereits im Haushalt 2015 berücksichtigt werden. Die zuständige Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird im Herbst tagen; dann können Entscheidungen zu Maßnahmen und Mitteln getroffen werden. Hier sollen in den nächsten Jahrzehnten Flussauen renaturiert, Polder angelegt und weitere Schritte zur Erreichung der Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie getan werden, die auch Prävention beim Hochwasserschutz bedeuten. Eines ist auch hier klar: Vorsorgemaßnahmen kommen uns volkswirtschaftlich wesentlich günstiger als Hochwasserschäden ohne präventive Maßnahmen. Im Herbst werden wir dann weitere Schritte zur Umsetzung der GAP in Deutschland gehen. Außerdem werden wir uns mit der Hofabgabeklausel beschäftigen, wie wir heute schon mehrfach gehört haben. Wir müssen dabei die agrarstrukturelle Wirkung der Verpflichtung zur Hofabgabe genau betrachten. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Verpflichtung zur Hofabgabe zur Erlangung der verdienten Rente heute noch zeitgemäß ist. Sie sehen also: Die Koalition hat noch einiges vor. Das gilt auch für den Bereich der Eiweißpflanzen. Wir bekommen mit der Eiweißpflanzenstrategie 3 Millionen Euro zusätzlich für den ökologischen Landbau. Das ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung und darf an dieser Stelle ruhig einmal erwähnt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sojabohnen, Lupinen und Erbsen bereichern die Fruchtfolge, fördern die Bodenfruchtbarkeit und tragen insgesamt zur biologischen Vielfalt bei. Aus SPD-Sicht möchte ich auch noch ergänzen, dass es sich dabei nicht um gentechnisch veränderte Pflanzen handelt, sondern im -Gegenteil: Das ist ein erster Schritt zu mehr Unabhängigkeit von Futtermittelimporten und gentechnisch veränderten Pflanzen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU]) Wir werden die Forschung in den Bereichen Bodenstruktur, Pflanzengesundheit und Nährstoffversorgung sowie andere landwirtschaftliche Fachfragen weiter voranbringen. Damit unterstützen wir eine Strategie, die mit der Entkopplung der Direktzahlungen begonnen hat und langfristig den Erhalt öffentlicher Gelder vollständig an die Erbringung öffentlicher Leistungen koppelt. (Beifall bei der SPD) Im Rahmen des Direktzahlungs-Durchführungsgesetzes haben wir ja gerade eine Mittelumschichtung in die zweite Säule, die Ausweisung ökologischer Vorrangflächen, den Erhalt von Dauergrünland und die Besserstellung kleinerer Betriebe beschlossen. Jetzt wollen wir mit der Eiweißpflanzenstrategie einen weiteren wichtigen Schritt machen. Wie ich schon sagte: Es gibt viel zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. Packen wir es an! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 10, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Mit der Mehrheit der Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition ist der Einzelplan 10 damit angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 25. Juni 2014, 9 Uhr, ein. Wenn Sie mögen, können Sie gleich hier bleiben. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wenn Sie nicht mögen, wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Ausklang des Abends. Das gilt insbesondere auch für unsere Gäste auf den Besuchertribünen, denen ich für ihr Interesse danke. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 22.22 Uhr) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 24.06.2014 Barchmann, Heinz-Joachim SPD 24.06.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 24.06.2014 Beermann, Maik CDU/CSU/CSU 24.06.2014 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 24.06.2014 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.06.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 24.06.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 24.06.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 24.06.2014 Groth, Annette DIE LINKE 24.06.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 24.06.2014 Hübinger, Anette CDU/CSU 24.06.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 24.06.2014 Kolbe, Daniela SPD 24.06.2014 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.06.2014 Lange (Backnang), Christian SPD 24.06.2014 Maag, Karin CDU/CSU 24.06.2014 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.06.2014 Rawert, Mechthild SPD 24.06.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.06.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 24.06.2014 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.06.2014 Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 24.06.2014 Dr. Steinmeier, Frank-Walter SPD 24.06.2014 Strässer, Christoph SPD 24.06.2014 Thönnes, Franz SPD 24.06.2014 Vogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 24.06.2014 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.06.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.06.2014 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 24.06.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 24.06.2014 Zdebel, Hubertus DIE LINKE 24.06.2014 3632 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 3633 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 3692 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 3691