Plenarprotokoll 18/43 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 43. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Vizepräsidentin Ulla Schmidt sowie der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und Christoph Strässer 3831 A Wahl des Abgeordneten Sven-Christian Kindler als stellvertretendes Mitglied für das Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ 3831 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 3831 B Nachträgliche Ausschussüberweisung 3831 D Tagesordnungspunkt II: (Fortsetzung) II.14 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Drucksachen 18/1009, 18/1023 3832 A Roland Claus (DIE LINKE) 3832 B Thomas Jurk (SPD) 3833 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3835 B Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) 3836 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 3839 B Michael Schlecht (DIE LINKE) 3840 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3840 D Michael Schlecht (DIE LINKE) 3843 D Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) 3845 C Klaus Ernst (DIE LINKE) 3847 C Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3848 B Wolfgang Tiefensee (SPD) 3849 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 3850 C Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) 3851 D Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3853 C Marcus Held (SPD) 3854 C Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) 3855 D Klaus Ernst (DIE LINKE) 3857 B Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 3858 A Daniela Ludwig (CDU/CSU) 3859 A II.15 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/1020, 18/1023 3860 B Roland Claus (DIE LINKE) 3860 C Anette Hübinger (CDU/CSU) 3861 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3863 C Dr. Karamba Diaby (SPD) 3865 A Hubertus Heil (Peine) (SPD) 3866 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3867 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 3869 D Nicole Gohlke (DIE LINKE) 3872 A René Röspel (SPD) 3873 C Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3875 C Michael Kretschmer (CDU/CSU) 3876 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) 3878 B Katrin Albsteiger (CDU/CSU) 3879 C Martin Rabanus (SPD) 3881 A Tankred Schipanski (CDU/CSU) 3882 B Tagesordnungspunkt VIII: a) Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes Drucksache 18/1780 3884 A b) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Bad Bank für Atom – Rückstellungen der Atomwirtschaft in öffentlich-rechtlichem Fonds sicherstellen Drucksache 18/1465 3884 B c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung nach Artikel 5 des Gesetzes zur Regelung von De-Mail-Diensten und zur Änderung weiterer Vorschriften Drucksache 17/10720 3884 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes: Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2013: – Einzel-plan 20 – Drucksache 18/1560 3884 C Tagesordnungspunkt IX: a)–g) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 60, 61, 62, 63, 64, 65 und 66 zu Petitionen Drucksachen 18/1632, 18/1633, 18/1634, 18/1635, 18/1636, 18/1637, 18/1638 3884 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses: zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 Drucksache 18/1710 3885 B Tagesordnungspunkt II: (Fortsetzung) II.16 a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Drucksachen 18/1007, 18/1023 3885 C b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/1017 3885 C Halina Wawzyniak (DIE LINKE) 3885 C Dennis Rohde (SPD) 3886 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3888 B Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) 3889 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV 3891 B Roland Claus (DIE LINKE) 3892 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) 3893 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3895 B Burkhard Lischka (SPD) 3896 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3896 C Dr. Eva Högl (SPD) 3897 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3898 B Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) 3899 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 3901 A Mechthild Heil (CDU/CSU) 3902 A Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 3903 B II.17 Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Drucksachen 18/1006, 18/1023 3904 C Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 3904 D Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 3906 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3908 B Martin Gerster (SPD) 3909 C Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI 3912 C Dr. André Hahn (DIE LINKE) 3914 C Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) 3915 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3917 D Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) 3919 A Michaela Engelmeier-Heite (SPD) 3920 C Dr. André Berghegger (CDU/CSU) 3921 C Oswin Veith (CDU/CSU) 3922 D Nächste Sitzung 3924 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3925 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Katarina Barley (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/1847) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 – (Haushaltsgesetz 2014) – hier: Einzelplan 23 – Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (42. Sitzung, Tagesordnungspunkt II.12) 3925 D 43. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Bitte nehmen Sie Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, haben wir einige bedeutsame Geburtstage zu würdigen, die in den letzten Tagen stattgefunden haben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt hat ihren 65. Geburtstag gefeiert, (Beifall) der Kollege Hans-Christian Ströbele seinen 75. Geburtstag (Beifall) und der Kollege Christoph Strässer ebenfalls seinen 65. Geburtstag. Ihnen allen die geballten guten Wünsche des ganzen Hauses für die nächsten Jahre. (Beifall) Vor Eintritt in die Tagesordnung müssen wir auch noch eine Wahl durchführen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt vor, für das Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ den Kollegen Sven-Christian Kindler als stellvertretendes Mitglied für den ausgeschieden Kollegen Jerzy Montag zu wählen. Sind Sie mit diesem Vorschlag einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Damit ist der Kollege Kindler als stellvertretendes Mitglied des Kurato-riums gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren Ergänzung zu TOP VIII Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2013 – Einzelplan 20 – Drucksache 18/1560 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ZP 2 Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Ergänzung zu TOP IX Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 Drucksache 18/1710 Dabei soll von der Frist für den Beginn der Beratungen – soweit erforderlich – abgewichen werden. Darüber hinaus mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der am 5. Juni 2014 (39. Sitzung) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Sportausschuss (5. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) Drucksache 18/1558 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Innenausschuss Sportausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann können wir so verfahren. Wir setzen nun die Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt II – fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksachen 18/700, 18/702 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksachen 17/14301, 18/1026 Dazu rufe ich Tagesordnungspunkt II.14 auf: Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Drucksachen 18/1009, 18/1023 Berichterstatter sind die Abgeordneten Thomas Jurk, Andreas Mattfeldt, Roland Claus und Anja Hajduk. Zu diesem Einzelplan liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Aussprache 125 Minuten dauern. – Auch dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Roland Claus. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst die Bundeskanzlerin als Kronzeugin bemühen. Sie hat in der gestrigen Aussprache gesagt: Haushaltspolitik ist nur dann gute Haushaltspolitik, wenn sie auch vorausschauende Haushaltspolitik ist. – Sie hat das ein bisschen bürokratischer gesagt; aber im Kern trifft das zu. Das führt mich zu einer ausdrücklichen Aufforderung an Bundesminister Gabriel, in diesem Fall als Bundesenergieminister, und an die Koalitionsfraktionen. Diese lautet: Stoppen Sie die antiparlamentarische Attacke beim Erneuerbare-Energien-Gesetz! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieses Gesetz soll morgen abschließend beraten werden. Am Dienstag haben Sie durch die Vorlage eines 200-seitigen Änderungsantrages gewissermaßen die Geschäftsgrundlage, die wir bisher hatten, verlassen. So kann man mit dem Parlament nicht umgehen. Lassen Sie sich das gesagt sein. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Bundesminister Gabriel, wir sind uns bei einer ganzen Reihe von parlamentarischen Treffen begegnet, bei denen Sie vor Vertretern der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gesprochen haben. Dabei haben Sie immer und immer wieder betont, das alles sei mit der EU-Kommission abgestimmt. Sie waren über alle Zweifel erhaben und haben das, wie ich fand, auch ziemlich glaubwürdig vorgetragen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was ist „ziemlich“?) Und nun 200 Seiten Änderungsantrag. Ich sage Ihnen eines, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition: (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das hat er sich noch nicht einmal angeguckt! Haben Sie sich das überhaupt angeguckt?) Sie können die Opposition natürlich überstimmen. Wenn Sie das hier betreiben, ist das die Entmündigung Ihrer selbst. Sie entmündigen sich selbst am meisten durch diesen Vorgang. Das müssen Sie sich sagen lassen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Bundesminister, Sie müssen ja erwidern. Ich bitte Sie ausdrücklich: Kommen Sie uns nicht mit der Ausrede, das Gesetz sei ja jetzt in der Hand des Bundestages und Sie hätten damit quasi nichts mehr zu tun. Es ist ja nun völlig unbestritten, dass diese 200 Seiten eben nicht aus der Mitte des Parlaments, sondern aus Ihrem Hause kommen. Deshalb müssen Sie sie auch verantworten. Wir sagen Ihnen: Leiten Sie ein ordnungsgemäßes, geregeltes parlamentarisches Verfahren ein und nicht so einen Überfall, wie Sie ihn hier vorhaben. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben ja selbst die Bedenken, die von Ihrem eigenen Haus und von der Bundesnetzagentur vorgetragen wurden, ignoriert. Darüber kann man nicht so einfach hinweggehen. Ich sage das deshalb, weil dieses Gesetz natürlich auch enorme Auswirkungen auf die ostdeutsche Wirtschaft hat, die ja einen besonders hohen Anteil an erneuerbaren Energien vorzuweisen und mit diesen Auswirkungen umzugehen hat. Ich komme nun zum zentralen Problem des Bundeshaushaltes für das Jahr 2014. Das zentrale Problem des Wirtschaftsetats heißt: Es ist ein Viermonatshaushalt. Wir haben nur eine Frist von August bis November, um die in diesen Haushalt eingestellten investiven Vorhaben tatsächlich zu realisieren und zu finanzieren. Das ist für alle Etats ein Problem, aber für den Wirtschaftsetat natürlich ein besonderes. Nun pflegen Sie ja mit Ihrem Haushalt insbesondere staatsnahe Monopolisten, also Großunternehmen, die durch gute Verbindungen zu den Ministerien sehr wohl in der Lage sein werden, diese Mittel rechtzeitig abzurufen. Um die Luft- und Raumfahrtindustrie muss ich mir da keine Sorgen machen, aber gerade der Mittelstand in Gestalt vieler Kleinunternehmen wird große Probleme haben, in diesen vier Monaten an die bereitgestellten Mittel zu kommen. Deshalb frage ich Sie an dieser Stelle auch: Welche Vorsorge haben Sie getroffen, damit die im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand eingestellten Mittel dann auch wirklich abgerufen werden können? (Thomas Jurk [SPD]: Dafür gibt es VEs!) Ich will das noch einmal an einem Beispiel verdeutlichen. Für die Subventionierung von Luft- und Raumfahrt haben Sie etwa 1,5 Milliarden Euro in den Etat eingestellt, für die Mittelstandsunterstützung nur etwa ein Drittel davon, also 500 Millionen Euro. Das ist natürlich viel zu wenig. Deshalb ist es wichtig, dass das, was eingestellt ist, auch tatsächlich abgerufen und ausgegeben wird. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Bundesminister Gabriel hat am 10. April 2014 bei der Einbringung seines Etats hier gesagt: „Wir sind ein Land, das nicht über Reindustrialisierung reden muss.“ Im Vergleich zu Großbritannien hat er damit ja nicht unrecht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Da hat er recht!) Aber nun wurde vor zwei Tagen im Bundeswirtschaftsministerium der sogenannte Atlas der Industrialisierung der Neuen Bundesländer vorgestellt. Wenn man diesen Atlas auf eine Deutschlandkarte überträgt, dann bildet sich bei allen wesentlichen wirtschaftlichen Fakten nach wie vor die DDR-Karte ab. Es gibt keine einzige Konzernzentrale im Osten. Wir haben einen hohen Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Wenn Sie sich insbesondere die kunststoffverarbeitende Industrie in Sachsen und Thüringen anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir einen hohen Anteil von Zeit- und Leiharbeit haben, der doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt ist. Wir haben unzureichendes Potenzial in Forschung und Entwicklung. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Immer die gleiche Leier!) – Na ja, wenn die Probleme die gleichen bleiben, muss die Kritik die gleiche bleiben, Herr Kollege. So ist das nun mal. Was denken Sie denn? (Beifall bei der LINKEN) Wir werden doch deshalb nicht verstummen. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die Probleme werden kleiner!) Das hat die Staatssekretärin Iris Gleicke zu der Schlussfolgerung geführt: „Wir brauchen eine auf Ostdeutschland ausgerichtete Industriepolitik.“ Das ist ja durchaus richtig. Aber genau das findet sich in diesem Haushalt nicht wieder. Darauf bezieht sich unsere Kritik. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe in der ersten Lesung die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ angesprochen. Ich habe gesagt: Das ist ein richtiges Instrument. Hierfür müssen wir mehr tun. – Da hat mir der Kollege Hubertus Heil mit einem Zwischenruf Hoffnung gemacht. Er hat nämlich gerufen: Diese Aufgabe verstärken wir. – Das habe ich mir gemerkt. Ich habe mir das Ganze noch einmal angeschaut und herausgefunden, wie diese Verstärkung konkret aussah: Statt 593 Millionen Euro wurden 596 Millionen Euro bereit gestellt. Das ist eine Steigerung um 0,5 Prozent, mein Kollege Hubertus Heil. Eine tolle Verstärkung, kann man dazu nur sagen. Das ist doch keine vernünftige Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, auch dieser Etat beweist: Wir haben es zu tun mit einem Haushalt der sozialen Spaltung, mit einem Haushalt der Zukunftsunfähigkeit und mit einem Haushalt, durch den der Osten weiter abgehängt wird. Deshalb können Sie mit der Zustimmung der Linken zu diesem Etat nicht rechnen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Erstaunlich! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Erschütternd!) Machen Sie sich auf den Weg! Bessern Sie sich, und bringen Sie endlich Ihre Hausaufgaben zu Ende! (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Jurk für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Thomas Jurk (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte eingangs eigentlich nochmal zum Mittelvolumen des Einzelplans 09 sprechen, aber Kollege Claus, Sie haben etwas gesagt, was ich -unbedingt widerlegen muss. Sie sind auf die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes eingegangen, da muss ich Sie schon mal fragen: Welchen Popanz bauen Sie hier eigentlich auf? Wenn wir über 204 Seiten sprechen, dann sprechen wir über eine Synopse zum EEG. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Er hat es nicht gelesen!) Und Änderungen machen einen Bruchteil dieses Gesetzes aus, und sie sind in diesen Vorlagen deutlich hervorgehoben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wollen Sie sich eingestehen, dass Sie mit diesen Änderungen nicht umgehen können? Es ist doch so wichtig, dass die Menschen in diesem Land, Unternehmen und Privatpersonen, Klarheit über die Änderungen bekommen. Dringend notwendig ist auch, dass beispielsweise die Besondere Ausgleichsregelung durchgesetzt werden kann und dass die entsprechenden Bescheide verschickt werden können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht als Tischvorlage!) Diejenigen, die sich heute hier beschweren, sollten vielleicht einmal mit ihren Abgeordneten im Europäischen Parlament reden und sie fragen, was sich die EU-Kommission dort geleistet hat. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!) Ich will mich auf diese Debatte gar nicht tiefer einlassen. Für mich ist jedoch unerklärlich, dass binnen kurzer Zeit ständig neue Verhandlungspositionen aufgemacht werden, die uns und insbesondere der Bundesregierung das Agieren erschweren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Sie können gern eine Zwischenfrage stellen. Zum Einzelplan 09. Ich stelle zunächst einmal fest: Dieser Einzelplan wächst auf, und zwar um rund 1,3 Milliarden Euro auf nunmehr 7,4 Milliarden Euro. Das resultiert insbesondere aus Zuständigkeitsverlagerungen und neuen Aufgaben, verbunden mit mehr Geld für Personal. Trotz allem, was mein Vorredner gerade gesagt hat, sehe ich in diesem Haushalt drei Schwerpunkte realisiert, Stichpunkte: Innovation, Investition und Mittelstand. Dabei setzen wir durchaus Bewährtes fort. Kollege Claus, es ist doch so, dass insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe GRW und das Förderprogramm ZIM durch Verpflichtungsermächtigungen, die wir im Haushaltsausschuss gemeinsam beschlossen haben, fortgeführt werden können. Ich glaube, das ist gut und wichtig, um das Förderverfahren zügig fortführen zu können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Nachdem ich als Neuling in diesem Haus die Debatte der letzten Tage verfolgt habe, will ich eines einmal feststellen: Politik und insbesondere Wirtschaftsförderung erschöpfen sich nicht im Geldausgeben. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Richtig!) Es kommt immer darauf an, wie sinnvoll man Geld einsetzt. Insbesondere bei der Wirtschaftsförderung ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir mit öffent-lichem Kapital private Investitionen anstoßen wollen. Hier geht es mir insbesondere um die Hebelwirkung. Wir alle müssen uns doch um die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land Gedanken machen; denn wir wissen, dass sie die Basis für künftige Steuereinnahmen ist und dafür, dass wir ab dem Jahr 2015 einen Haushalt mit einer schwarzen Null abschließen können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb ist es so wichtig, dass wir in diesem Land die richtigen Rahmenbedingungen setzten, auf die sich Industrie, Gewerbe und Handwerk verlassen können. Für mich ist auch wichtig, dass eine gerechte Wettbewerbsordnung herrscht. Da haben wir im nachgeordneten Bereich des Bundeswirtschaftsministeriums eine Behörde – das Bundeskartellamt –, und diese sorgt aktuell beispielsweise für Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. Diese Behörde ist erfolgreich Kartellabsprachen nachgegangen. Rechtskräftig ist bereits ein Bescheid gegen die Zuckerindustrie über 280 Millionen Euro. Auch die Bierbrauer sind zur Kasse gebeten worden – das ist noch nicht rechtskräftig – mit einem Bescheid über 231 Millionen Euro. Ich finde es gut, dass es in unserem Land Behörden gibt, die für eine gerechte und faire Wettbewerbsordnung eintreten. Ich glaube, das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig. Während der Haushaltsberatungen kam immer wieder der Ruf nach mehr Personal. Dazu will ich ausdrücklich sagen, dass insbesondere die Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Kronzeugenregelung dazu beigetragen hat, dass das Bundeskartellamt ein schärferes Schwert in die Hand bekommen hat. Nachdem ich während der ersten Lesung hier Kritik an der Mittelausstattung der Beauftragten für die neuen Bundesländer geäußert habe, haben wir es gemeinsam – da schließe ich die Opposition gern ein – im Haushaltsausschuss geschafft, dass wir mehr Geld bereitstellen können. Insbesondere haben wir 5 Millionen Euro für die „Germany Trade & Invest“ – Aktivitäten Ost – sicherstellen können, und 1 Million Euro werden wir für Projekte der Investorenwerbung über die Wirtschaftsfördergesellschaften der Länder bereitstellen können. Bei allen positiven Entwicklungen – Kollege Claus, da sind wir nicht so weit auseinander – stellen wir nach der Vorlage des Industrieatlas durch Frau Gleicke fest, dass der Industriebesatz im Osten noch ein ganzes Stück geringer ist als im Westen – trotz aller positiven Entwicklungen. Wir haben momentan einen Industrieanteil von 16 Prozent. Der gesamtdeutsche Durchschnitt beträgt 23 Prozent. Die EU stellt sich übrigens eine Größenordnung von 20 Prozent vor. Das heißt, hier haben wir nach wie vor Handlungsbedarf. Deshalb ist es wichtig, dass es gezielte Investitionsförderung für den Osten gibt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Für die Umsetzung der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes treffen wir die nötige Vorsorge. Es gibt mehr Stellen beim Bundeswirtschaftsministerium, bei der BAFA und bei der Bundesnetzagentur. Das ist notwendig. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 60 zusätzliche Stellen für die Ausnahmen!) – Herr Kollege, auch Sie können eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie etwas sagen wollen. Das Stellenplus ist notwendig, um die Aufgabenerfüllung insbesondere bei der Besonderen Ausgleichsregelung sicherzustellen. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hier so, dass man dazwischenrufen darf! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schlecht geschlafen, oder was?) – Sie müssen sich wirklich einmal darüber klar werden, was Sie wollen. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie scheinen das ja nicht zu wissen!) Bundesminister Gabriel hat bereits die Überprüfung aller Förderprogramme in seinem Haus angekündigt. Das haben wir ausdrücklich begrüßt. Ich will deutlich sagen, dass es für die Arbeit des Haushaltsausschusses, aber natürlich auch für die des gesamten Parlaments wichtig wäre, dass wir auch schon zu den Haushaltsberatungen 2015, also im kommenden Herbst, erste valide Ergebnisse dieser Überprüfung, insbesondere für den Energiebereich, vorgelegt bekommen. Hier möchte ich das Stichwort „Energieeffizienz“ noch einmal in den Raum stellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns liegt sehr daran, dass der Kraftakt Energiewende gelingt. Dazu müssen wir in verschiedenen Bereichen durch gezielte Förderung partiell Unterstützung leisten. Wir haben noch zwei Baustellen, die deutlich machen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Ich nenne da den EKF, den Energie- und Klimafonds, und seine Zukunft, und ich nenne die globale Minderausgabe, die das Ministerium durchaus in erheblicher Weise bedrückt. Wir haben jetzt noch ein halbes Jahr Zeit zum Geldausgeben. Ich glaube, es sind gute Ausgaben, die wir heute beschließen können. Dann können wir uns ab dem Herbst dem Haushalt 2015 widmen. Ich sehe sehr gute Gründe dafür, heute diesem Haushaltsplan entschlossen zuzustimmen, und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Die Grünen freuen sich innerlich!) Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist im Moment durch eine positive Reallohnentwicklung gekennzeichnet. Es gibt einen insgesamt durchaus positiven Trend beim Geschäftsklimaindex. Wir haben gute Steuereinnahmen. Wir haben ein sehr hohes Beschäftigungsniveau. Angesichts dessen darf man sich schon die Frage stellen: Was machen wir eigentlich bei dieser ausgesprochen guten Basis, bei diesem Potenzial, um uns auf die Herausforderungen, die vor uns liegen, die insbesondere vor Deutschland liegen, vorzubereiten? Auf die Frage „Was machen Sie?“ muss ich eingangs feststellen: Auf die unmittelbar vor uns liegende demografische Veränderung, die sich leider schon im Fachkräftemangel ausdrückt, reagieren Sie mit einer kontraproduktiven Rente ab 63. Es gibt noch eine durchaus große Herausforderung. In den letzten 40 Jahren haben wir nicht nur eine Menge Schulden gemacht, die wir eingrenzen müssen, sondern wir haben auch unsere Infrastruktur auf Verschleiß gefahren. Darauf antworten Sie mit einer sinkenden Investitionsquote. Das sind zwei ganz grobe Gründe dafür, dass man sagen kann: Auf die wirtschaftlichen, aber auch auf die gesellschaftlichen Herausforderungen reagiert diese Große Koalition nur mit langweiligen Kompromissen, aber sie nutzt nicht die Möglichkeiten, die die Potenziale dieser Gesellschaft bieten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Gabriel, das hätte Sie eigentlich antreiben müssen, diese Tendenzen anders zu beeinflussen. Aber schauen wir einmal genauer auf den Wirtschaftsetat im engeren Sinne. Das Wirtschaftsministerium – Kollege Jurk hat darauf hingewiesen – ist ein Ministerium, das fördert. Es soll durch Förderinstrumente Innovationen unterstützen. Aber wenn wir schon Steuermittel in die Hand nehmen, dann muss das auch zielgenau sein, dann müssen wir sicher sein, dass Mitnahmeeffekte verhindert werden. Deswegen sind wir davon überzeugt, Herr Gabriel, dass es wichtig ist – das fordern wir auch –, dass Sie in Ihrem Ministerium endlich eine einheitliche Mittelstandsdefinition umsetzen. Es geht bei Ihnen nämlich lustig durcheinander. Wir wollen, dass Sie die Definition der EU-Kommission nutzen – 249 Beschäftigte und 50 Millionen Euro Jahresumsatz – und sie nicht beliebig ausweiten. Ich erwähne das, weil Herr Jurk von der Hebelwirkung von Wirtschaftsförderinstrumenten gesprochen hat. Schauen wir uns einmal an, was wir fördern. Wir fördern kleine und mittlere Unternehmen im Bereich zivile Luft- und Raumfahrt mit gerade einmal 4 Prozent. Wir fördern kleine und mittlere Unternehmen im Bereich neue Verkehrstechnologien mit gerade einmal 12 Prozent. Herr Minister, wo ist eigentlich Ihr Einfluss? Was haben Sie in den letzten Monaten getan, um zu erreichen, dass wir eine zielgenauere und bessere Wirtschaftsförderung durchführen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Innovationen freisetzt und verhindert, dass große Unternehmen Mitnahmeeffekte einstecken? Subventionierung von Tiefseebergbau und anderen Dingen können wir uns auch schenken. Wir Grünen sehen das nicht einseitig. Wir beantragen, die Fördermittel für das Programm ZIM zu erhöhen. Aber Sie lehnen sich zurück und ruhen sich aus auf einer schlechten und ungenauen Wirtschaftsförderung Ihres Vorgängers. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kommen wir zum Bereich Energie. Ich sagte es schon in der ersten Lesung: Der schlafende Riese Energieeffizienz bleibt in Ihrem Haushalt ein Zwerg, Herr Minister, und – das muss ich auch den Fraktionen sagen – leider auch nach den Haushaltsberatungen. Dabei sind wir uns doch einig: Eine Steigerung der Energieeffizienz verringert die Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern. Sie senkt auch Energiekosten, über die wir hier so viel reden. Der Minister scheint diese Einschätzung auch zu teilen. So schreibt er zusammen mit Frau Hendricks an die EU, dass Deutschland sich verpflichtet fühlt, die Einhaltung des Einsparziels von minus 20 Prozent bei der Energieeffizienz durchsetzen zu wollen. Aber diese Erkenntnis findet sich in keiner Weise in Ihrem Haushalt wieder. Im Gegenteil: Sie kürzen die entsprechenden Programme. Sie schreiben Briefe. Aber Ihren geschriebenen Worten folgen keine Taten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland riskiert sogar ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Energieeffizienz. Das ist eine Blamage für Sie, Herr Minister. Unsere grüne Antwort darauf ist ein 3 Milliarden starker Energieeinsparfonds. Es ist wichtig, dass wir Energiestandards für Geräte und Gebäude haben. Das ist alles nicht neu. Es muss finanzielle Anreize, marktwirtschaftliche Instrumente geben. Auch für qualifizierte Beratung und Information von Unternehmen und Verbrauchern muss gesorgt sein. Wir schlagen einen solchen Fonds vor, selbstverständlich gegenfinanziert. Der wäre auch ökonomisch für unsere Wirtschaft mit einer nachhaltigen Perspektive die richtige und sinnvolle Antwort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, ich möchte nicht vorwegnehmen, was wir morgen zum Thema erneuerbare Energien und den entsprechenden neuen Regelungen diskutieren. Es war sicherlich keine Glanzleistung, in welche Wirren Sie dieses Parlament angesichts des Verfahrens gestürzt haben. Aber ich möchte noch einmal auf zwei Punkte eingehen. Erster Punkt: Industrieausnahmen. Seien Sie gewiss und nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Grünen das Thema differenziert angehen. Wir wissen um den Wert der Arbeitsplätze in Deutschland. Wir kennen auch die Problematik, dass die Energiewende ein negatives Image bekommt, wenn Arbeitsplätze nicht ausreichend geschützt werden. (Marcus Held [SPD]: Das ist schon einmal eine gute Voraussetzung!) In den Haushaltsberatungen habe ich Sie eingehend gefragt. Wir haben leider keine Antwort darauf bekommen, ob es durch die Ausnahmeregelungen eine Doppelförderung geben wird. Diese würde dadurch zustande kommen, dass wir nicht nur umfangreiche EEG-Ausnahmen haben, sondern Sie zusätzlich einen neuen Strompreiskompensationsfonds von 350 Millionen Euro – das sind 22 Prozent des Energie- und Klimafonds – vorsehen. Ihr Staatssekretär konnte nicht plausibel machen, wie ausgeschlossen werden soll, dass Unternehmen doppelt entlastet werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein zweiter Punkt: Herr Minister, ich muss noch einmal darauf kommen. Sie haben sich hier vor einiger Zeit sehr über meinen Kollegen Oliver Krischer empört, als er Sie damit konfrontiert hat, dass Waffenhersteller in der Liste der stromkosten- oder handelsintensiven Branchen stehen, die unter die Besondere Ausgleichsregelung fallen. Sie haben sich empört, hier werde die Unwahrheit gesagt, weil Sie ja schließlich sagen könnten: Wenn eine Branche erwähnt sei, heiße das nicht, dass die Unternehmen von dieser Ausnahme Gebrauch machen können. – Die Antwort Ihres eigenen Staatssekretärs auf meine Frage im Haushaltsausschuss war: Die Handelsintensität – ein Kriterium – ist schon per se abgeprüft, wenn die Branche in der Liste steht, und wenn ein Unternehmen das Kriterium der Stromkostenintensität erfüllt, hat man keine Chance, etwa einen Waffenhersteller von dieser Ausnahmeregelung auszunehmen. – Angesichts des Vorwurfs, den Sie meinem Kollegen Krischer gemacht haben, müssten Sie hier eine Garantieerklärung abgeben, dass Sie die Waffenhersteller doch von der Regelung ausnehmen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Rechtlich können Sie es nicht. Insofern gilt: Die Ausnahmen – so schwer sie auch zu verhandeln sind – sind im Hinblick auf Zielgenauigkeit und damit auch Angemessenheit leider nicht überzeugend. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Claus, wir wollen heute den vorausschauenden Etat des Bundeswirtschaftsministeriums mit einem Gesamtvolumen von 7,4 Milliarden Euro beschließen. Dabei blicken wir – auch wenn eben ein anderer Eindruck erweckt worden ist – auf recht ruhige parlamentarische Beratungen zurück. Sie waren nicht nur von einer verlässlichen Zusammenarbeit mit dem Ministerium geprägt; auch der Minister selbst und sein Staatssekretär, Herr Dr. Sontowski, haben dazu beigetragen. Ganz besonders möchte ich mich an dieser Stelle bei den Mitarbeitern des Haushaltsreferates bedanken, die mit enormem Arbeitseinsatz zum Erfolg der Haushaltsberatungen beigetragen haben. Erwähnen möchte ich auch die gute sachliche und vor allem menschlich angenehme Zusammenarbeit mit den Kollegen aller Fraktionen. Meine Damen und Herren, wir von der Koalition haben uns erlaubt, ein paar Verbesserungen am Entwurf des Haushalts von Herrn Minister Gabriel vorzunehmen. So haben wir beispielsweise den Finanzierungsbeitrag für Projekte des Forschungsverbunds „Maritime Sicherheit“ dauerhaft fixiert. Damit sorgen wir dafür, dass zumindest das Bundeswirtschaftsministerium weiterhin die seinerzeit zugesagten 3 Millionen Euro dafür zur Verfügung stellt. Diese Projekte sind für die Sicherheit in Nord- und Ostsee, ganz besonders aber in ausgewählten internationalen Gewässern von enormer Bedeutung. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sehr gut!) Ich habe eingangs von einer guten Zusammenarbeit mit dem Ministerium und mit Ihnen, Herr Gabriel, gesprochen. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass Sie, Herr Gabriel, und ich gerade in unserer niedersächsischen Zeit nicht immer auf der gleichen Seite des Tisches gesessen haben. Heute hingegen sind wir uns dankenswerterweise, nicht nur was den Etat angeht, einig; ich freue mich – sehr viele wissen, dass ich für dieses Thema besonders sensibilisiert bin –, dass wir uns hinsichtlich einer sicheren Erdgasförderung und Geothermie, die zu einem großen Teil in Ihr Ressort fallen, zumindest erheblich angenähert haben. Herr Minister, es ist kein Geheimnis, dass ich Ihr Entgegenkommen beim Bergschadensrecht sehr begrüße. Mittlerweile ist wohl bewiesen, dass Erdgasförderung Erdbeben auslöst. Ihre Ankündigung, meine Forderungen nach einer Beweislastumkehr zugunsten der Erdbebengeschädigten umzusetzen und die Bergschadensvermutung explizit auch auf die Erdgasförderung und Geothermie zu beziehen, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das? Wo wird das behandelt?) hat mich – ich darf das sagen – sehr positiv überrascht. Ich hoffe, dass wir uns auch bei der Aufbereitung des giftigen Lagerstättenwassers einig werden. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo haben Sie das denn her?) – Herr Krischer, Sie können eine Frage stellen. Wir erklären das nachher. Hören Sie vielleicht einmal zu. Änderungen zugunsten einer sicheren Erdgasförderung und Geothermie müssen selbstverständlich mit Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz einhergehen, für das die Kollegin Hendricks zuständig ist. Es darf eben nicht nur, wie im Koalitionsvertrag festgehalten, das sogenannte Fracking im Schiefergas betreffen – nur darüber diskutieren Sie von den Grünen. Nein, ich sage hier deutlich: Auch die konventionelle Erdgasförderung ist hier mit einzubeziehen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie mal was vor!) Sie findet bereits seit mehreren Jahrzehnten auch unter Einsatz der Frackingtechnologie statt. Auch hier brauchen wir Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich weiß, Herr Minister, dass Ihr Parteifreund in Niedersachsen, Wirtschaftsminister Lies, und vor allen Dingen – das geht an die Adresse der Grünen – der grüne Umweltminister Wenzel das natürlich ganz anders sehen. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Als Betroffener sage ich Ihnen, dass es auch im Bereich der konventionellen Erdgasförderung – Herr Krischer, das möchten Sie nicht hören – in Niedersachsen in der jüngeren Vergangenheit zu großen Verschmutzungen gekommen ist. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn in Niedersachsen regiert?) Erst kürzlich wieder, in der vergangenen Woche, gab es eine erhebliche Quecksilberverseuchung des Erdbodens mit einer zigfachen Grenzwertüberschreitung. Die Landwirte dort sind sensibilisiert. (Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich sage auch in aller Deutlichkeit, dass diese mittlerweile immer wieder auftretenden Fälle nicht mehr passieren dürfen. Deshalb fordere ich, viel konkreter, als Sie das in Ihrer grünen Partei machen, mit sehr vielen Unionskollegen ein Verbot des Verpressens des giftigen Lagerstättenwassers. Wir fordern ungiftige Frackfluide, wir fordern eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung, inklusive Vetorecht für die zuständigen Wasser-behörden, und wir fordern eine Beweislastumkehr im Bergschadensrecht. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Oettinger und Herr Fuchs wollen nichts davon hören! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das schon einmal in Ihrer Fraktion diskutiert?) All diese Fragen gilt es durch das Ressort des Wirtschaftsministeriums und durch die heute zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel in klugen Gesetzes- bzw. Verordnungsentwürfen zur Regelung für eine sichere Erdgasförderung abzuarbeiten, damit die Menschen wieder Vertrauen in die heimische Erdgasförderung, die ja bekanntlich eine große wirtschaftliche Bedeutung für unser Land hat, bekommen. Mich jedenfalls, Herr Minister Gabriel, als Ihren Haushälter finden Sie an Ihrer Seite. Sehr begrüßt habe ich auch die Tatsache, dass Ihr Haus nun, entgegen den ersten Antworten aus Ihrem Ministerium, die ich hier im Plenum in einer der vergangenen Fragestunden erhalten habe, doch noch eine außenwirtschaftliche Prüfung des Verkaufes der RWE/Dea an einen russischen Oligarchen eingeleitet hat. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plötzlich!) Ich halte den Verkauf vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Versorgungssicherheit für nicht vereinbar mit deutschen Interessen. Ich sage deutlich: Wir können nicht auf der einen Seite darüber diskutieren, wie wir russisches Gas ersetzen können, und auf der anderen Seite tatenlos zusehen, dass in diesen mit Russland schwierigen Zeiten die Geschicke eines deutschen Unternehmens, das bei uns in Deutschland Erdgas fördert, sich weltweit Vorkommen gesichert hat und darüber hinaus zahlreiche Gasspeicher betreibt, in russische Hände gelegt werden. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir Ihnen schon vor Monaten gesagt!) Meine Damen und Herren, auch wenn viele im Zuge der Ukraine-Krise schon ein Einbrechen unserer Wirtschaft befürchteten, so ist es zurzeit so, dass sich die deutsche Wirtschaft weiter im Aufschwung befindet. Verglichen mit dem Wachstum der Weltwirtschaft – insofern, Frau Hajduk, haben wir nicht alles falsch gemacht – (Lachen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Nicht alles falsch gemacht“ ist jetzt schon das Qualitätsmerkmal!) ist die Entwicklung der deutschen Wirtschaft erheblich positiver. Auch die Erholung im Euro-Raum ist weiter fragil. Sie kommt zwar voran, aber von einer Entwarnung oder von einem Ende der Verschuldungskrise und deren Ursachen im Euro-Raum möchte zumindest ich noch nicht sprechen. Als Halbfranzose bin ich natürlich oft in Frankreich und verfolge die Lage dort selbstverständlich sehr aufmerksam. Dort ist die Wirtschaftskrise noch sehr deutlich für die Menschen, auch in meiner Familie, und vor allem in den Unternehmen spürbar. Erst im April dieses Jahres ist die Arbeitslosigkeit in Frankreich auf ein Rekordhoch gestiegen. Das zeigt mir ganz persönlich, dass rein sozialistische Ideen zur Bewältigung einer Wirtschaftskrise für die Menschen nur Nachteile bringen. Deshalb ist und war der deutsche Weg, der die Handschrift unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel trägt, der richtige, um derartige Krisen dauerhaft zu bewältigen. Ich warne eindringlich vor einem Aufweichen der Stabilitätskriterien. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unser deutscher wirtschaftlicher Erfolg basiert nicht zuletzt auf einem sehr gut aufgestellten Mittelstand, das ist richtig. Der Mittelstand ist stark und wird in den nächsten Jahren hoffentlich noch weiter gestärkt. Hierfür gilt es auch mit diesem Haushalt die Rahmenbedingungen zu schaffen. Eben ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, kurz ZIM, genannt worden. Dieses Programm hat einen kontinuierlichen Mittelanstieg zu verzeichnen, so auch in diesem Jahr: Rund 513 Millionen Euro sind es 2014, und das sind 3 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Dieses Programm unterstützt mit einem sehr unbürokratischen Angebot – das sage ich auch als Mittelständler – die forschenden Mittelstandsunternehmen. Gerade der Mittelstand spielt in unserer heutigen Forschungslandschaft eine enorm wichtige Rolle. In unserem rohstoffarmen Land ist die Forschung ein wichtiges Standbein unserer Wirtschaft. Nicht zuletzt deshalb hat diese Große Koalition in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag zusätzlich 3 Milliarden Euro für Forschung vorgesehen. Nach meinem Dafürhalten ist es sehr wichtig, dass von diesen Geldern auch der Etat des Bundeswirtschaftsministeriums profitiert. Hier denke ich an die Forschung im Luft- und Raumfahrtbereich, auch wenn Sie das kritisieren. Ganz besonders denke ich aber an Forschungsvorhaben der mittelständischen Industrie in den verschiedensten Bereichen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dabei ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass das Geld, mit dem wir vom Bund Projekte fördern, zu einem Zuwachs bzw. zu einer Sicherung von Arbeitsplätzen in den unterstützten Unternehmen führt. Deshalb begrüße ich es sehr, dass das Wirtschaftsministerium über eine fortlaufende Kontrolle die Erfolge dieses Programms misst. Wir stehen kurz vor dem Beginn der Beratungen für den kommenden Bundeshaushalt. Frau Hajduk, ich sage Ihnen zu, dass wir Koalitionshaushälter im Zuge dieser Beratungen sorgfältig prüfen werden – das habe ich im Ausschuss schon gesagt –, ob der Mittelansatz für das ZIM angepasst werden muss. Dieses Programm muss möglicherweise mit mehr Geldern als bisher ausgestattet werden. Wenn Unternehmen forschen, dann dient das uns allen. Wir müssen aber darauf achten, dass die Produkte bis zur Marktreife entwickelt und dann auch vertrieben werden können. Das heißt, wir müssen den Unternehmen auch dann zur Seite stehen, wenn es zum Beispiel um Patentanmeldungen geht. Deshalb freue ich mich, dass der Bundeswirtschaftsminister 17,1 Millionen Euro für die Patentinitiative SIGNO bereitgestellt hat. Deutschland muss offen bleiben für Investitionen und neue Technologien. Es muss auch offen bleiben für Großprojekte und große Unternehmen; denn auch diese Unternehmen sind – auch das mögen Sie nicht gerne hören – Standbeine der Versorgung und Grund dafür, dass Deutschland besser dasteht als manch andere europäische Nationen. In diesem Zusammenhang denke ich auch an die Luft- und Raumfahrtindustrie. Natürlich erhält sie mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro eine erhebliche Summe. Ich sage hier: Die deutsche Luft- und Raumfahrtindus-trie spielt aufgrund ihrer internationalen Technologieführerschaft eine führende Rolle; sie hat weltweit Erfolg. Somit ist sie ein erheblicher Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft. 105 000 Menschen waren 2013 in diesem Bereich beschäftigt. Das entspricht im Vergleich zu 2005 einem Anstieg um 24 000 Arbeitsplätze. Ich verrate doch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass uns, der Unionsfraktion, die Luft- und Raumfahrtindustrie sehr am Herzen liegt. Sie liegt uns nicht zu Unrecht am Herzen. Das wird deutlich, wenn man auf die Beschäftigungszuwachszahlen und die Erfolge blickt. Gerade deshalb ist es von strategischer Bedeutung, Herr Gabriel, wie sich Deutschland auf der anberaumten Ministerratskonferenz Ende dieses Jahres hierzu aufstellt. Ganz konkret müssen wir uns die Frage stellen: Will Europa weiterhin einen Zugang zum All, oder bedienen wir uns Trägerraketen Dritter? Für mich ist die Antwort klar: Ich bekenne mich ganz klar zum europäischen Raumfahrtprogramm. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Noch ein Wort zum Stellenplan – ich muss das sagen –: Wir haben im Haushaltsausschuss der Schaffung von zahlreichen neuen Stellen im Wirtschaftsministerium zugestimmt. Knapp 100 neue Stellen werden dort entstehen, um die Umsetzung des reformierten EEG durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass in Verbindung mit der von uns morgen zu beschließenden EEG-Novelle die Energiewende zu einem Erfolg geführt wird. Herr Minister, ich sage aber auch: Angesichts dieser Großzügigkeit beim Stellenaufwuchs ist der Erfolgsdruck natürlich enorm. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wissen alle, dass wir mit einem enormen Kraftakt die Umsetzung der Energiewende stemmen müssen. Neue Stromleitungen müssen gebaut und bei der Förderung des Bereichs der erneuerbaren Energien müssen neue Wege gegangen werden. Wir als Koalitionshaushälter von CDU/CSU und SPD stellen uns dieser Herausforderung. Wir werden die Energiewende in den kommenden Jahren erfolgreich umsetzen. Dies wird ein zentrales, wahrscheinlich das zentrale Projekt dieser Legislaturperiode sein. Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken. Ich werbe dafür, dass wir alle mit breiter Mehrheit diesem Haushalt zustimmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zuerst ein paar Bemerkungen zu den Fragen bzw. zu der Kritik des Kollegen von der Linken und der Kollegin von den Grünen sagen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Lohnt eigentlich nicht!) – Doch, so viel Fairness muss sein. – Sie haben zuerst kritisiert, dass wir ein umfangreiches Änderungspaket zum EEG eingebracht hätten. Ich finde, ehrlich gesagt, das Lesen von fünf Seiten, auf denen präzise steht, worum es bei den Änderungen geht, ist keine intellektuelle Überforderung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 204 Seiten! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht hat die SPD die Kurzfassung bekommen! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 204 Seiten!) – Ist doch gut! Ihr habt doch morgen noch eine Gelegenheit, zu schimpfen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach überheblich! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Arrogant!) Aber das Ergebnis ist: Es geht um fünf Seiten, die erklären, was gesetzestechnisch in einer Synopse umgesetzt wurde, wo ganz häufig „Der Text bleibt unverändert“ steht. Daraus machen Sie einen Riesenpopanz. Viel wichtiger wäre, dass Sie sich beide mit der Frage auseinandersetzen, ob wir eigentlich diese Querintervention der Europäischen Union nicht im Gesetz hätten beantworten sollen. Sie setzen sich gar nicht mit dem Inhalt auseinander. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Sorge!) Ich kenne die Position der Linkspartei dazu nicht, aber eigentlich müssten die Grünen der Bundesregierung sagen: Es ist richtig, dass Sie sich weigern, Stromimporte nach Deutschland von der EEG-Umlage zu befreien. Sie wissen doch, dass Teile der Kommission seit Jahren das Ziel haben, nationale Fördersysteme wie das EEG zu zerstören. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihr Kommissar Oettinger!) Dies ist – das wissen Sie doch – ein weiterer Angriff in dieser Richtung. Das hat die Kommission am 17. Juni und am 22. Juni gemacht, nachdem wir sechs Monate von der Kommission – – (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihr Kommissar Oettinger!) – Herr Krischer, ich weiß ja, dass es mit dem Zuhören bei Ihnen schwierig ist. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Trotzdem bin ich aber wirklich ganz ruhig. Ich will nur versuchen, zu erklären, dass ich glaube, dass Sie darüber froh sein müssen, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass die anderen schuld sind! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, die anderen sind schuld!) dass wir diesen Angriff zur Zerstörung des EEG nicht mitmachen, Herr Krischer. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, der Kollege Schlecht würde Ihnen dazu gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Selbstverständlich, gerne. Michael Schlecht (DIE LINKE): Herr Minister, in der Stuttgarter Zeitung steht heute die Meldung, dass EU-Kommissar Günther Oettinger verlautbart hat, dass der Streit zwischen Brüssel und Berlin in dieser Woche nicht mehr beigelegt werden kann. Wenn das so stimmt, wie wollen Sie dann guten Gewissens morgen eine entsprechende Gesetzesvereinbarung hier durch das Parlament bringen? Das ist doch abenteuerlich – ganz abgesehen von dem Schweinsgalopp, der hier kritisiert worden ist. Aber rein sachlich: Sie wollen morgen etwas beschließen, obwohl im Grunde die Inhalte noch gar nicht ausverhandelt sind. Das ist doch wirklich abenteuerlich. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kollege, es gibt bei der Frage, ob der Deutsche Bundestag oder die Koalitionsfraktionen einen Angriff der EU zur Zerstörung des EEG zulassen sollen, keine Verhandlungsmöglichkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir sagen hier im Deutschen Bundestag und gegenüber der Kommission, dass wir die Position der Kommission für rechtswidrig halten und dass wir deshalb bei der Position bleiben, die wir jetzt im Gesetzentwurf sozusagen noch einmal hervorgehoben haben. Das ist im Wesentlichen die Änderung. Es gibt bezüglich der Frage der Möglichkeit der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland nichts zu verhandeln. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Herr Kollege, ich verstehe es deswegen nicht, dass Sie angeblich Zeit zur Beratung dieser Frage brauchen. Wenn Sie dafür Zeit brauchen, halten Sie die Zerstörung des EEG für denkbar und möglicherweise sinnvoll. Das unterscheidet uns ganz erheblich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Bezüglich des zweiten Punktes gehe ich eigentlich davon aus, dass uns die Grünen – auch da kenne ich die Position der Linkspartei nicht – unterstützen und dem Änderungsantrag zustimmen. Frau Hajduk, die Kommission hat am 17. und 22. Juni erstmals mitgeteilt, dass sie Bestandsanlagen mit 100 Prozent Eigenstrom belegen will. Insofern müssen Sie sich entscheiden, ob Sie diese Position richtig oder falsch finden. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie die Industriestrukturen in Deutschland nicht infrage stellen wollen. Dann können Sie das kurzfristige Einbringen eines Änderungsantrages, mit dem wir abwehren können, was da kommt, doch nicht als Schweinsgalopp und Überforderung des Parlaments verurteilen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Ihre Worte!) Frau Hajduk, damit stellen Sie Ihr Licht derart unter den Scheffel, dass jeder weiß, dass es dabei nur um Klamauk geht und nicht um Beurteilung der Sache selbst. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Darf der Herr Krischer jetzt noch einmal eine Zwischenfrage stellen? (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir haben morgen das Thema auch noch einmal!) Aber dann würde ich es auch wirklich gerne dabei belassen; denn wir müssen uns entweder darauf verständigen, dass wir die Redezeiten, die wir beschlossen haben, einhalten oder dass wir – was natürlich auch eine denkbare Alternative ist – den jeweiligen Minister zu einer Fragestunde nötigen; dann muss aber eine Reihe der Wortmeldungen zurückgenommen werden, die in dem Rahmen, den wir beschlossen haben, zeitlich nicht zu bewerkstelligen wären – das wäre die Konsequenz. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Darf ich nur anmerken, Herr Präsident: Ich würde mich gar nicht genötigt fühlen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das leuchtet mir sofort ein. – Also, darf der Kollege Krischer jetzt die Zwischenfrage stellen? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ja, sicher. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Herr Krischer. (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Wir wollen doch ein lebendiges Parlament haben!) – Sie wissen, dass Sie mich da sofort an Ihrer Seite haben, aber das gilt im Rahmen der Beschlüsse, die dieses Parlament selber trifft, und wir haben gerade einen getroffen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt Pause, es folgt Herr Krischer! – Heiterkeit – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Krischer, Ihnen wurde gerade das Wort erteilt!) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kauder, Sie sollten still sein! Herr Gabriel, ich habe das so wahrgenommen, dass diese Koalition sich mindestens seit drei Wochen um das Thema EEG-Umlage auf Eigenstrom – man kann auch sagen: Sonnensteuer – streitet, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Quatschkopf!) dass Sie keine einheitliche Linie gefunden haben, dass wir wöchentlich, täglich andere Positionen gehört haben. Jetzt schieben Sie diesen Streit auf die EU-Kommission, bauen darum einen Popanz auf und erzählen uns urplötzlich, die EU-Kommission mache das Thema EEG-Umlage auf Eigenstrom zum Problem, deshalb müsse eine Änderung vorgelegt werden – eine Änderung, die Sie beantragt haben und die so aussieht, dass zwar jeder 40 Prozent EEG-Umlage auf Eigenstrom zahlen soll, aber über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz der Satz für die Industrie – und nur für die Industrie! – wieder auf 15 Prozent reduziert werden soll. Also, wenn das die Politik der EU-Kommission sein sollte, dann verkaufen Sie die EU-Kommission für dumm. Ich glaube eher, dass das ein billiger großkoalitionärer Kompromiss ist, um den Streit um die EEG-Umlage auf Eigenstrom, die Sonnensteuer, zu lösen; darum geht es. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Krischer, Sie erhalten nachher einen Ausdruck meiner Antwort auf den Kollegen und meiner Ansprache an Frau Hajduk; lesen Sie das im Protokoll noch einmal nach. Ich habe nämlich gesagt, dass vor wenigen Tagen der Angriff der Kommission auf die Bestandsanlagen erfolgt ist, dass wir sie mit 100 Prozent EEG-Umlage belegen sollen. Worüber Sie eben geredet haben, betrifft die Neuanlagen. Darüber habe ich gar nicht im Zusammenhang mit der Kommission gesprochen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum dann der Änderungsantrag?) – Herr Krischer, ich antworte jetzt auf Ihre Frage. Ich weiß, dass das ganz doll wehtut. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber wenn Sie mich fragen, kann ich nichts anderes tun, als Ihnen den Sachverhalt zu erläutern. Ich habe hier gegenüber Frau Hajduk – nachzulesen im Wortprotokoll meiner Rede von vor drei, vier Minuten – erklärt: Die Kommission hat am 17. und am 22. Juni zum ersten Mal die Forderung aufgestellt, Bestandsanlagen mit 100 Prozent EEG-Umlage zu belegen. – Das kann eigentlich, wenn ich Frau Hajduk ernst nehme in ihrem Bemühen, Industriestrukturen in Deutschland zu erhalten, nicht akzeptiert werden. Sie haben eine Frage zu einem ganz anderen Sachverhalt gestellt. Da geht es um die Frage: Wie gehen wir mit dem Eigenstrom um, der durch Neuanlagen erzeugt wird? – Niemand bestreitet, dass darüber eine Debatte in der Koalition geführt wurde. Niemand bestreitet, dass die Koalition – nicht völlig unabhängig von den Hinweisen der Brüsseler, dass man, das wissen wir übrigens schon länger, nicht akzeptieren könne, dass zwei unterschiedliche Fördersätze gewählt werden – sich erst, wenn ich mich daran richtig erinnere, Montagabend verständigt hat. Das hat niemand bestritten. Das ist übrigens auch kein ungewöhnlicher Vorgang. Warten Sie einmal ab, wenn Sie morgen hier einen Geschäftsordnungsantrag oder Ähnliches stellen zur Frage der Einmaligkeit dieses Vorgangs, was es da alles für Vorgängerverhalten gibt! (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht besser!) – Nein, das nicht; aber es macht ein bisschen das Theater deutlich, das hier aufgeführt wird. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bloß weil die Vorgänger Fehler gemacht haben, muss man sie nicht wiederholen! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese ganzen Gesetze haben so geendet, dass man sie nachbessern musste!) Herr Krischer, ich bitte Sie nur um eines: Machen Sie das, was ich mit Ihnen mache: Ich höre immer genau zu, was Sie sagen. Das wäre auch umgekehrt ein ganz gutes Verfahren und ersparte uns die Beantwortung solcher Zwischenfragen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Frau Hajduk, ich werde Ihnen morgen auch nochmals erläutern – notfalls auch schriftlich –, warum wir natürlich nicht die Absicht haben, Waffenexporte von der EEG-Umlage zu befreien. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht haben Sie nur die Instrumente nicht mehr!) – Auch das werden wir Ihnen mitteilen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sagen Sie jetzt nichts dazu?) Nun zu den Fragen, die vorhin zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen und zur Luft- und Raumfahrt gestellt worden sind. Denjenigen, die sich über die Luft- und Raumfahrtförderung beschweren, möchte ich sagen: Herr Mattfeldt hat, wie ich finde, mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und Europas bei diesen Technologien die richtige Antwort gegeben. Was glauben Sie eigentlich, wie viele mittelständische Zulieferer davon abhängig sind, dass Airbus ein erfolgreiches Unternehmen ist und im Bereich der Luft- und Raumfahrt vorankommt? Dieses Unternehmen hat doch nicht nur ein großes Werk in Toulouse und ein paar kleine Werke im übrigen Europa, sondern es geht auch um Tausende von Zulieferern, die von dem, was wir in der Luft- und Raumfahrtforschung tun, profitieren. Sie haben natürlich recht, dass der Industriebesatz in Ostdeutschland absolut nicht zufriedenstellend ist. Das ist eine Entwicklung, der wir entgegenzusteuern versuchen – das sollten Sie sagen –, indem wir die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ anheben. Wir haben mit den Koalitionsfraktionen übrigens verabredet, dass sie weiter steigen werden. Bis zu 80 Prozent dieser Mittel – ich habe Frau Gleicke danach gefragt – fließen in den Osten. Ich finde, Sie sollten sagen, dass dies eine der Maßnahmen ist, die wir ergreifen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich glaube, auch mindestens 40 Prozent der Mittel des ZIM fließen nach Ostdeutschland. (Beifall des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/CSU] – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: 60!) – Oder sogar 60 Prozent. – Wir stellen also einen erheblichen Anteil der Mittel für Ostdeutschland zur Verfügung. Frau Hajduk, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist Ihre Definition von Mittelstand. Sie sagen, wir sollen die europäische Definition heranziehen: bis zu 249 Beschäftigte. Was unsere Volkswirtschaft so stark macht, ist aber, dass es in diesem Land im Unterschied zu Resteuropa einen außerordentlich starken und international aufgestellten Mittelstand gibt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wollen Sie ernsthaft, dass man ein Unternehmen mit 300, 400 oder 500 Beschäftigten nicht mehr fördern darf, weil die Schwelle bei 249 Beschäftigten liegt? Das ist doch nicht sinnvoll. Wir müssen uns fragen: Was zeichnet unsere Volkswirtschaft in besonderem Maße aus? Anders als der Mittelstand in Frankreich ist unser Mittelstand eben nicht klein und nicht national, sondern relativ stark, relativ groß und international aufgestellt. Dabei muss es auch bleiben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Insofern: Es gibt hinreichend viele Themen, über die wir noch miteinander zu reden haben; keine Frage. Lassen Sie mich wenigstens ein paar Minuten auf die Herausforderungen eingehen, die trotz der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung, die Frau Hajduk beschrieben hat, aus meiner Sicht auf uns zukommen. Ich glaube, der Grund für die gute Entwicklung liegt vor allen Dingen darin, dass wir unfassbar innovative und flexible Unternehmen und hochqualifizierte Beschäftigte haben, die den Aufschwung erarbeiten. Es ist ja nicht die Politik, die das tut, sondern es sind die Menschen, die Unternehmen, die Kreativen, die Forscher und die Entwickler, die den Aufschwung in diesem Land ermöglicht haben. Aber man darf sich, glaube ich, nicht täuschen: Es gibt natürlich auch eine ganze Reihe von Herausforderungen, und es stellt sich die Frage, ob wir diesen derzeit guten Zustand erhalten können. Dazu zählen innenpolitische Herausforderungen – da hat Frau Hajduk völlig recht – wie die Investitionen; ich glaube, Sie haben dieses Thema auch angesprochen. Die Nettoinvestitionen unserer Wirtschaft in unserem Land sind zu niedrig, sowohl die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur als auch die privaten Ausrüstungsinvestitionen. Aber, Frau Hajduk, wenn Sie fragen: „Wie gehen wir mit der guten Situation um?“, dann dürfen Sie nicht verschweigen: 9 Milliarden Euro investiert diese Koalition in Bildung, Forschung und Entwicklung (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) und 5 Milliarden Euro zusätzlich in die Infrastruktur. Was tun wir angesichts der guten Entwicklung noch? Wir sorgen für ausgeglichene Haushalte. Was kann man für dieses Land eigentlich Besseres tun, als dafür zu sorgen, dass wir solide Finanzen haben, sodass auch bei steigenden Zinsen nicht immer mehr Steuergelder für Schulden ausgegeben werden müssen? Das ist Zukunftsvorsorge. Da kann man doch nicht sagen, das sei nichts. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Eine weitere Herausforderung ist die Gewinnung von Fachkräftenachwuchs. Immer noch schließen mehr als 50 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund keine duale Berufsausbildung und kein Hochschulstudium ab. Hier haben wir ein Riesenpotenzial, das wir heben müssen. Wir dürfen nicht nur über die Frage diskutieren: Wen holen wir aus dem Ausland? Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir die jungen Leute im eigenen Land vernünftig qualifizieren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Deswegen ist es richtig, dass der Bund die Länder entlastet. Aber wir wollen, dass die Länder diese Entlastung nutzen, um in Bildung zu investieren; das ist dabei das Entscheidende. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Eine weitere Herausforderung ist die Infrastruktur. Zwei Drittel der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen tätigen die Kommunen. (Michael Schlecht [DIE LINKE]: 50 Prozent!) – Na klar, gucken Sie mal nach: Zwei Drittel der öffentlichen Investitionen sind kommunale Investitionen und keine Investitionen der Länder oder des Bundes. (Michael Schlecht [DIE LINKE]: 50 Prozent, weil Sie die Kommunen schon so heruntergeprügelt haben!) Was haben wir beim letzten Mal, noch in der alten Koalition, gemacht? Durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter haben wir im Vermittlungsausschuss für eine Entlastung von 4,5 Milliarden Euro gesorgt. Die jetzige Koalition hat verabredet, im Sommer mit dem Bundesteilhabegesetz noch einmal eine Entlastung von 5 Milliarden Euro pro Jahr zu schaffen, und im Vorgriff darauf entlasten wir die Kommunen in den Haushalten 2015 und 2016 nochmals jeweils um 1 Milliarde Euro. Das ist die reale Förderung von öffentlicher Infrastruktur und Investitionen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und nicht nur eine Förderung in Reden. Ich glaube, dass das nicht reicht; das ist keine Frage. Die Debatte wird aber weniger darüber geführt werden, welche öffentlichen Investitionen wir noch tätigen, sondern darüber, wie wir privates Kapital für Investitionen und die öffentliche Infrastruktur mobilisieren können. Es gibt Geld genug, aber es fließt nicht in die Realwirtschaft und auch nicht in die Infrastruktur. Darüber haben wir zu reden. Daneben haben wir natürlich auch über das Thema Energie zu sprechen, und zwar nicht nur in Bezug auf das EEG, aber das werden wir morgen ja noch ausführlich tun. Meine Damen und Herren, die größte Sorge ist nach wie vor die weitere europäische Entwicklung. Ich glaube, dass wir uns alle miteinander einig sind, dass Europa neben vielen anderen Ländern der Welt für Deutschland natürlich von großer Bedeutung ist; denn wir werden es nur schaffen, unsere ökonomische Stärke aufrechtzuerhalten, wenn es anderen in Europa auch gut geht. Es ist ja nicht so, dass Deutschland der Lastesel der Europäischen Union ist, sondern wir sind die großen Profiteure der Europäischen Union; denn man wird nicht Exporteuropameister und Exportweltmeister, ohne dass andere Menschen die Produkte kaufen. Deswegen geht es auch darum, dafür zu sorgen, dass es diesen Menschen so gut geht, dass sie sich unsere Produkte leisten können. Wir haben gesehen, dass die Europawahl fatale Ergebnisse gebracht hat. Es kann uns nicht gleichgültig sein, was in Ländern wie Frankreich passiert. Es kann uns nicht gleichgültig sein, dass in Frankreich eine populistische Partei wie die Front National immer stärker wird und eine Antieuropäerin, Frau Le Pen, die Chance hat, nächste französische Präsidentin zu werden. Wir müssen uns hier darüber im Klaren sein: Damit diese Länder aus der Strukturkrise herauskommen, sind Strukturreformen notwendig. Wer sich diesen dauerhaft verweigert, der wird am Ende keinen Erfolg haben. Ich glaube, dass Deutschland das beste Beispiel dafür ist. Was immer man von der Agenda 2010 halten mag, eines ist, glaube ich, unbestritten: Sie hat in weiten Teilen einen großen Einfluss auf die gute wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes gehabt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wahr ist aber auch, dass Deutschland zum gleichen Zeitpunkt, 2003, die Defizitkriterien der Europäischen Union gebrochen hat, was vielfach kritisiert wurde. Hätte Deutschland damals aber neben den harten Reformen aufgrund der Agenda 2010 auch noch 20 Milliarden Euro einsparen müssen, dann wäre das Ergebnis doch nicht gewesen, dass sich die Agenda durchgesetzt hätte, sondern ich bin mir sicher, dass sie dann überhaupt nicht zustande gekommen wäre. Eines geht nämlich nicht: Wenn man Reformen macht, kann man nicht zeitgleich auf Investitionen verzichten. Das funktioniert nicht. Reformen und Investitionen gehören zusammen. Deswegen heißt der Pakt übrigens nicht Stabilitätspakt, sondern Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ich glaube, dass man an diesem Beispiel schön sehen kann, wo der Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich ist. Frankreich hat die Defizitkriterien zum gleichen Zeitpunkt auch gebrochen, aber es hat sich kein Reformprogramm auferlegt, sondern einfach so weitergemacht wie bisher. Das ist der große Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich. Im Umkehrschluss bedeutet das – das hat die Bundeskanzlerin in der Generaldebatte gestern zu Recht noch einmal gesagt –: Niemand, auch nicht in der SPD, will den Stabilitäts- und Wachstumspakt angreifen. Wir wollen ihn auch nicht kreativ umdefinieren oder die Defizitkriterien aufweichen. Darum geht es nicht. Der Pakt steht, und ich bin froh, dass das in Europa inzwischen alle – jedenfalls in meiner Parteifamilie – akzeptiert haben. Innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gibt es aber eben eine Vielzahl von Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass Reformen mit Investitionen Hand in Hand gehen können. Wenn der italienische Staat 15 Milliarden Euro aus Fonds der EU nicht abrufen kann, weil er nicht kofinanzieren kann, da er sonst die Defizitkriterien nicht erfüllen würde, dann frage ich: Warum ist es nicht möglich, die 15 Milliarden Euro aus den Fonds auszuzahlen und auf die Kofinanzierung durch den italienischen Staat zu verzichten? Warum schaffen wir nicht solche Flexibilitäten? Das erwarte ich von der nächsten Kommission. Wer Reformen macht, muss Luft zum Atmen für Investitionen und Wachstum haben. Ich erwarte aber nicht eine -irgendwie ideologisch geprägte Debatte um den Sta-bilitäts- und Wachstumspakt. Ohne nachhaltige Strukturreformen gibt es kein Wachstum, aber ohne Wachstumsimpulse wirken nachhaltige Strukturreformen eben auch nicht. Das ist die Diskussion, die wir in Europa führen müssen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich bin sicher, dass man das deutsche Beispiel von 2003 offensiv verkaufen kann. Aber die eigentlich schwierige Debatte ist: Was eigentlich sind die notwendigen Strukturreformen? Das ist die entscheidende Debatte. Da darf niemand der Härte der Diskussion ausweichen; das müssen alle wissen. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass wir noch eine Menge Arbeit vor uns haben. Aber auch Deutschland wird seine gute wirtschaftliche Entwicklung nicht beibehalten, wenn es uns nicht gelingt, Europa zu stabilisieren: ökonomisch, aber auch politisch und kulturell. Es ist – da hat die Kanzlerin recht – das größte Projekt, das wir geerbt haben. Es gibt eine Menge zu tun, damit wir in den nächsten Jahren dieses Erbe in Europa nicht verspielen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun der Kollege Michael Schlecht für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Michael Schlecht (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, da Sie eine Erfolgsbilanz der deutschen Wirtschaftspolitik aufgemacht haben, ist das Erste, worauf man Sie in dieser Debatte hinweisen müsste, dass wir bei den Löhnen nach wie vor eine vollkommen desaströse Entwicklung haben, (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Kennen Sie die Zahlen nicht?) dass heute die Löhne trotz einer leichten Verbesserung in den letzten Jahren nach wie vor um 3,6 Prozent niedriger sind als im Jahr 2000. Das heißt, ein Durchschnittsverdiener verdient heute preisbereinigt deutlich weniger als im Jahr 2000; (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie hoch sind die deutschen Löhne eigentlich im europäischen Vergleich?) denn mit der gesamten Politik der Agenda 2010 sind die Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften massiv unterminiert worden. Es ist erfreulich, dass Sie nächste Woche den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie vorlegen werden. Wir werden dann allerdings sehen, ob die darin enthaltenen Regelungen nicht nur in extrem homöopathischer Weise wirken werden. Ich möchte gerne noch auf einen anderen Punkt – ich habe ja nicht so viel Redezeit – eingehen. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gott sei Dank!) Die Situation heute ist Folgende: Die Infrastruktur in Deutschland verrottet. Die Hälfte der Brücken in Deutschland ist marode. Die Zahl der Schlaglöcher auf den Straßen steigt. Bereits heute sprechen Gerichte Autofahrern Schadensersatz zu, wenn durch das Holpern durch die Schlaglöcher Schäden entstanden sind. An den Hochschulen fällt der Putz von der Decke usw. usw. Sie lassen die Infrastruktur Deutschlands faktisch vergammeln. Dafür sind die Regierungen der letzten zehn bis zwölf Jahre verantwortlich. Was hier geschehen ist, ist wirklich skandalös. (Beifall bei der LINKEN) Es wurde in den letzten zehn Jahren auf Teufel komm raus gekürzt, um so gleichzeitig Reichen und Vermögenden 500 Milliarden Euro zu schenken. Hätten wir noch heute die Steuergesetzgebung von Helmut Kohl, dann hätte es eine ganz andere Entwicklung gegeben. Seit 2003 sind die öffentlichen Investitionen viel zu niedrig, um den Verschleiß der Infrastruktur auszugleichen. Das gibt es in keinem anderen europäischen Land, nur in Deutschland, vollkommen desaströs. Das Land wird faktisch abgebaut und nicht aufgebaut. (Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Neben dem Thema Infrastruktur gibt es einen weiteren Skandal, und zwar im Dienstleistungsbereich: Der Ausbau von Krippen und Kindertagesstätten reicht bei weitem nicht aus. In der Bildung wird verstärkt gekürzt, statt mehr Geld einzusetzen. Es gibt einen guten Grund, warum in diesen Tagen wieder zu Bildungsstreiks aufgerufen wird und die jungen Leute sich wehren. Dafür kann man ihnen nur viel Mut und Erfolg wünschen. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) In den Krankenhäusern gibt es zu wenig Pflegepersonal. Die Länder alleine können den Unterhalt überhaupt nicht stemmen. Ältere Menschen in Heimen werden zu oft schlecht betreut. Es reicht häufig nur noch für die Satt-und-sauber-Pflege. Auch das ist in so einem reichen Land wie diesem schlichtweg menschenunwürdig und ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN) Die jetzige Regierung ändert an dieser Politik nichts. Haushaltskonsolidierung über alles – das ist zurzeit große Mode und die Devise in Deutschland. Das ist falsch. Dabei ginge es auch anders, auch ohne neue Schulden zu machen: Man müsste sich nur einmal dazu entschließen, Reiche und Superreiche wieder stärker zu besteuern, zumindest die Steuern auf das Niveau der Regierungszeit Helmut Kohls anzuheben. Insoweit bin ich fast ein Fan des Altbundeskanzlers. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Er war ein sehr guter Kanzler!) Aber wir sind der Auffassung: Man müsste mehr machen. Die Linke hat ein steuerpolitisches Konzept, mit dem die staatlichen Einnahmen um 180 Milliarden Euro pro Jahr erhöht werden könnten. Der wichtigste Baustein ist die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, mit der wirklich Reiche mit ihrem Vermögen deutlich zur Besteuerung herangezogen werden. Wir wollen die Millionärssteuer. Das heißt, alle Menschen, die weniger als 1 Million Euro besitzen, werden davon nicht betroffen sein. Man könnte einmal eine Umfrage machen, wer in diesem Hohen Hause davon betroffen wäre. Die Linke will das Vermögen besteuern. Die Millionärssteuer würde vor allen Dingen für die Länder eine deutliche Verbesserung bedeuten. Denn die Vermögensteuer ist eine Steuer, die vor allem den Ländern zufließt. Die Länder hätten die Möglichkeit, in dem Bereich Bildung und dem Bereich Soziales vieles voranzubringen. Sie hätten vor allen Dingen auch die Möglichkeit, die Zuweisungen an die Kommunen wieder deutlich auszuweiten. Denn die Kommunen sind in der Tat das große Problem. Herr Gabriel, ich will auf einen Punkt hinweisen: Die Kommunen tragen als öffentliche Auftraggeber nicht mehr zwei Drittel der Investitionen, sondern nur noch 50 Prozent, (Sigmar Gabriel, Bundesminister: Stimmt!) gerade deshalb, weil in den letzten zehn Jahren die Situation durch Kürzungen bei den Kommunen und verschiedene andere Ursachen, die ich jetzt nicht ausführen kann, so desaströs geworden ist. Die Kommunen, in denen lebensnah entschieden werden kann, was für die Bürgerinnen und Bürger sinnvoll ist, müssen durch Zuweisungen insbesondere aus den Ländern und andere Maßnahmen wieder deutlich mehr Geld bekommen, damit dort wieder die Investitionsquoten steigen und 60 bis 70 Prozent der Investitionen in den Kommunen entschieden werden können. (Beifall bei der LINKEN) Um all diese Missstände bei der Infrastruktur, aber auch gerade im sozialen Bereich auf Bund-, Länder- und Gemeindeebene anzugehen, plädieren wir dafür, ein umfassendes nationales Zukunftsprogramm aufzulegen. Wir wollen ein Zukunftsprogramm in einer Größenordnung von 100 Milliarden Euro jährlich für Bund, Länder und Kommunen. Das muss man abstimmen. Wir sind für dieses sozial-ökologische Zukunftsprogramm, um die öffentlichen Investitionen in Bildung, Bauten, Verkehr und vor allem auch in die Energiewende zu erhöhen. Es müssen mehr staatliche Gelder in die Energiewende fließen. Alleine dafür sollte ungefähr die Hälfte der Mittel, also 50 Milliarden Euro, aufgewendet werden. Die übrigen 50 Milliarden Euro müssten in Bildung, Erziehung und die Pflege älterer Menschen fließen. Wenn man das machen würde, dann hätte man die Chance – Sie halten sich ja immer die Erfolge am Arbeitsmarkt zugute; diese „Erfolge“ bestehen im Regelfall nur in der Ausweitung der Prekarisierung –, mit einem solchen Zukunftsprogramm 2 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen, und zwar anständige Arbeitsplätze: tariflich abgesicherte Vollzeitarbeitsplätze, von denen man leben kann, statt Arbeitsplätze in Hunger- und Niedriglohnbereichen, die in den letzten Jahren so schrecklich grassieren. Wenn man von staatlicher Seite den Hungerkurs der letzten zehn Jahre zurücknimmt – auf das daneben bestehende Lohnproblem kann ich jetzt nicht weiter eingehen – und ein Zukunftsprogramm auflegt, dann wäre das ein wichtiger Schritt, um den verhängnisvollen Außenhandelsüberschuss Deutschlands abzubauen. Wir würden die Binnennachfrage stärken und die Möglichkeit schaffen, dass andere Länder, die heute unter der Übermacht Deutschlands leiden, verstärkt nach Deutschland exportieren. Wir hätten auch die Möglichkeit, dass Arbeitsleistung, die heute dem Exportsektor zugutekommt, für die Binnenwirtschaft eingesetzt wird. Insoweit wäre das auch ein Beitrag, um die Euro-Krise an den Wurzeln zu packen, indem der Außenhandelsüberschuss verringert und am besten auf null gebracht wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Michael Schlecht (DIE LINKE): Ich bin fertig. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Michael Fuchs das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will als Allererstes betonen, dass es uns richtig gut geht. Nach dem, was Herr Kollege Schlecht eben von sich gegeben hat, kann es einem ja schlecht werden. So schlecht geht es diesem Land Gott sei Dank nicht. (Widerspruch bei der LINKEN) Es geht Deutschland so gut wie nie. Wir haben – nebenbei – die allerhöchsten Steuereinnahmen, die dieses Land jemals gehabt hat. Die Länder haben die höchsten Einnahmen, die sie jemals gehabt haben. Das sollten wir nicht einfach wegdiskutieren. Das ist schließlich ein Erfolg. (Beifall bei der CDU/CSU) 42 Millionen Menschen in Deutschland haben Beschäftigung. Eine solch hohe Beschäftigtenzahl hat es noch nie gegeben. Es gibt fast 30 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Auch das hatten wir noch nie. Die Zahl der arbeitslosen Menschen nähert sich 2,5 Millionen. So niedrig war die Arbeitslosigkeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands noch nie. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen. In vielen Regionen Deutschlands gibt es kaum noch Jugendliche, die in Ausbildungsverhältnisse gebracht werden können. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Auch das hat es noch nicht gegeben. Vergleichen Sie das einmal mit der Jugendarbeitslosigkeit in allen anderen europäischen Ländern! Vergleichen Sie bitte einmal das Lohnniveau Deutschlands mit dem in allen anderen -europäischen Ländern! Dann sehen Sie, wie gut es Deutschland geht. Nur, Sie können und wollen das nicht zur Kenntnis nehmen, weil es nicht in Ihre kommunistische Ideologie hineinpasst. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir stehen vor großen, heftigen Aufgaben. Diese gehen wir gemeinsam an. Wir wollen den Bundeshaushalt zum ersten Mal nach langer Zeit wieder ausgleichen. Seit 46 Jahren war der Bundeshaushalt nie ausgeglichen. Der Letzte, der das geschafft hat, war Franz Josef Strauß 1969. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mit Karl Schiller!) Ältere Menschen wie ich können sich noch daran erinnern. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Keine -Beleidigungen!) Aber die meisten, die hier sitzen, können das nicht mehr. Unser Ziel muss wieder sein, ausgeglichene Haushalte aufzustellen. Wir müssen endlich wieder in der Lage sein, Zukunft zu gestalten, und dürfen die Last der Zinsen und Zinseszinsen, die unsere Kinder und Kindeskinder zu zahlen haben, nicht weiter erhöhen. Das ist Aufgabe dieser Regierung. Das haben wir uns gemeinsam vorgenommen. Wir wollen das alles ohne Steuererhöhungen erreichen. Das kann man einfach machen, wie Sie es wollen, und die Steuern erhöhen. Aber das bringt gar nichts. Sie sehen es ja: Dort, wo die Steuern zu hoch sind, sind die Unternehmen weg. Das können Sie in vielen Ländern beobachten. Wir wollen des Weiteren unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken; das ist unsere Aufgabe. Das ist nicht einfach. Die gesamte Europäische Union muss wettbewerbsfähiger werden. Dabei müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu viel ausgeben und dass zusätzliche Sozialleistungen zuallererst gegenfinanziert sein müssen. In dieser Hinsicht sind wir in dieser Legislatur-periode noch ein klein bisschen auf dem falschen Weg. Aber ich gehe davon aus, dass sich das jetzt ändert. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es gibt nichts, was nicht noch besser gemacht werden kann!) Wir haben es geschafft, Europa zu stabilisieren. Herr Minister, ich bin Ihnen dankbar für das, was Sie eben gesagt haben, nämlich dass es kein Rütteln an diesem Stabilitätspakt geben darf. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Stabilitäts- und Wachstumspakt!) Der Euro ist stabil. Er liegt im Verhältnis zum Dollar momentan bei 1,36. Mittlerweile hören wir von unseren exportstarken Firmen, die in den Dollarbereich exportieren, hin und wieder die Bemerkung, der Euro-Kurs könnte ein bisschen niedriger sein, weil es dann einfacher ist. Nein, der Euro ist stabil, weil wir einen Stabilitätspakt und eine Europäische Zentralbank haben, die dafür sorgt, dass die Stabilitätskriterien eingehalten werden. Man kann über den berühmten Satz von Herrn -Draghi „Whatever it takes“ nachdenken und sich fragen, ob das der richtige Weg ist, nämlich bei der Übernahme von Schulden quasi alles möglich zu machen. Das muss vielleicht noch ein Stück weit korrigiert werden. Aber wir sind jetzt auf einem stabilen Weg in Europa, und auch die meisten Länder haben es kapiert. Die Programmlösungen, die wir für die einzelnen Länder gefunden haben, nämlich Leistungen nur dann zu gewähren, wenn die Länder entsprechende Vorleistungen erbracht haben, sind richtig. Das sieht man schon daran, dass die meisten Länder mittlerweile aus den Hilfsprogrammen heraus sind; Irland ist heraus, Spanien ist heraus. Ob eine Steuersenkung zu diesem Zeitpunkt richtig ist, wird sich zeigen. Auf jeden Fall darf eine Steuersenkung nicht zu einer höheren Neuverschuldung führen; das muss jeder beachten. Auch Griechenland ist schon ein gutes Stück weitergekommen. Aber es hat noch einen langen Weg zu gehen; denn eine schwarze Null, die sich ohne Berücksichtigung des Zinsbereichs ergibt, reicht sicherlich à la longue nicht aus. Eines steht fest: Könnte man mit Staatsausgaben auf Pump Wachstum kaufen, wäre Griechenland sicherlich die wachstumsstärkste Nation Europas. Ginge die Gleichung „Mehr Schulden gleich mehr Wachstum“ auf, dann wäre Italien die Lokomotive und nicht das Schlusslicht der Währungsunion. Dann wären wir das Schlusslicht. Wir sind es aber nicht. Wir sind tatsächlich die Nation in -Europa, die das größte Wachstum zu verzeichnen hat. Unser Wachstum wird am Ende des Jahres wahrscheinlich bei 2,5 Prozent liegen. Für eine reife Volkswirtschaft eine Erfolgsstory! (Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da hätte auch unser Koalitionspartner klatschen können!) Deswegen dürfen wir auch nicht in alte Denkmuster verfallen und glauben, dass wir das in irgendeiner Weise verändern könnten. Nein, wir müssen dafür sorgen, dass dieses Wachstum stabil bleibt und dass die Haushalte in allen europäischen Staaten ausgeglichen werden. Ich bin der Bundeskanzlerin ausgesprochen dankbar dafür, dass sie diese Politik so weiterführt. Eines muss uns in Deutschland besonders bewusst sein: Deutschland ist das Land, das am stärksten vom Euro profitiert. Kein anderes Land hat so viele Vorteile durch den Euro gehabt wie wir, und zwar deswegen, weil wir über viele Jahre eine stabile Währung mit einer extrem niedrigen Inflationsrate haben. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig! Euro-Bashing schadet der Wirtschaft!) Das heißt für uns, dass auch das Geld unserer Bürgerinnen und Bürger sicher ist. Das sollte eigentlich jeder wissen. Stellen Sie sich bitte einfach einmal vor, wir hätten besonders zu den Zeiten, als die Finanzkrise 2008 und 2009 tobte, den Euro nicht gehabt, sondern wir hätten die D-Mark gehabt. Wir hätten es mit Aufwertungstendenzen zu tun bekommen, wie sie die Schweiz schmerzvoll gespürt hat. Dann wäre es mit Deutschland als Exportweltmeister ganz schnell zu Ende. Deswegen sind wir froh, dass wir den Euro haben. Wenn irgendwelche kruden Parteien propagieren, den Euro wieder abzuschaffen, dann haben die anscheinend nicht verstanden, wovon Deutschland profitiert hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein Schlaufuchs, der Fuchs!) Wir müssen das Wachstum in Europa stärken, aber wir müssen auch das Wachstum in der Welt stärken. Ich bin froh, dass die Wirtschaft hierzulande so wächst, wie sie es tut, aber wir müssen uns darum kümmern, dass das auch so bleibt. Deswegen, Herr Minister, sehe ich schon die Notwendigkeit, dass wir uns sehr stark dafür engagieren, dass die Doha-Runde weitergeführt wird und dass die Welthandelsrunden weitergeführt werden. Am liebsten sind mir natürlich multilaterale Vereinbarungen, nicht bilaterale; denn multilaterale Vereinbarungen sind gerade für unsere mittelständische Wirtschaft, die Sie eben angesprochen haben, wesentlich besser, weil die mittelständische Wirtschaft sich nicht riesige Anwaltsstäbe leisten kann, die sich mit den Regeln und Normen in jedem einzelnen Land beschäftigen. Ich würde Sie bitten, dass wir uns in den nächsten Wochen und Monaten – wir haben, wenn das EEG morgen verabschiedet ist, wieder ein bisschen mehr Zeit, auch einmal etwas anderes zu tun – etwas mehr mit den multilateralen Handelssystemen beschäftigen. Bali war ein guter Ansatz. Der muss weitergeführt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass wir unsere Hausaufgaben gut erledigen. Wir müssen uns aber auch dafür einsetzen, dass das TTIP, das transatlantische Partnership-Agreement, umgesetzt wird, dass es vorankommt. Wenn wir es schaffen, hier ein Abkommen auszuhandeln, dann werden die Normen, die zwischen den USA und Europa gelten, Weltgeltung haben. Wir alle wissen, dass die Amerikaner zurzeit auch über ein transpazifisches Abkommen verhandeln. Wer als Erster fertig ist, der setzt die Normen. Wenn die Amerikaner zuerst mit den pazifischen Ländern die Normen gesetzt haben, werden sie sie mit uns nicht noch einmal ändern, sondern sagen: Dann nehmt doch bitte die Normen, die wir mit den pazifischen Ländern vereinbart haben. – Das darf nicht der Fall sein. Ich bin dafür, dass wir schnell machen und dafür sorgen, möglichst zügig dieses transatlantische Partnership-Agreement umzusetzen. Daran müssen wir alle arbeiten. Es darf nicht sein, dass mit einem wenig verständlichen Antiamerikanismus gearbeitet wird. Das stört mich ganz gewaltig; denn das ist nicht richtig und nicht in Ordnung. Jeder von uns kann sich darüber ärgern, dass es die NSA gibt. Aber glaubt denn irgendjemand von uns, dass die Russen nicht mindestens das Gleiche tun? Oder glaubt denn irgendjemand von uns, dass die Chinesen nicht mindestens das Gleiche tun? Und kein Mensch redet darüber. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es nicht besser!) – Dass Sie, Herr Hofreiter, das nicht verstehen, kann ich verstehen, (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine völlige Unverschämtheit! Ich habe gesagt: Das macht es nicht besser!) weil das Ihrem Weltbild nicht entspricht. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was fällt Ihnen ein, solche Unterstellungen zu machen!) Ich sage Ihnen eines: Dieser Antiamerikanismus muss zurückgewiesen werden. Das TTIP ist eine Chance für uns alle, engere Wirtschaftsbeziehungen mit Amerika zu bekommen und dadurch größere Chancen zu erhalten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen? Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Die muss ich nicht ernst nehmen, aber mache ich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Na ja. – Es empfiehlt sich eigentlich, nur dann eine Zwischenfrage zuzulassen, wenn man auch beabsichtigt, sie ernst zu nehmen, Herr Kollege. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Wir schauen einmal. Klaus Ernst (DIE LINKE): Herr Präsident, ich danke Ihnen für diesen Hinweis. – Sie haben sich gerade dahin gehend geäußert, dass es sich bei denjenigen, die Kritik am transatlantischen Handelsabkommen üben, um Antiamerikanismus handeln würde. Wie stellen Sie sich denn zu der Aussage unseres Wirtschaftsministers, der insbesondere den Investorenschutz, der die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und übrigens auch Rechtsordnungen anderer Staaten in Europa mehr oder weniger außer Kraft setzen würde, durchaus kritisch sieht? (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Diese Frage muss man wirklich nicht ernst nehmen!) Er hat auf einer Veranstaltung, bei der ich selber war, gesagt, dass zwischen Partnern, Deutschland, Europa und Amerika, bei denen es funktionierende Rechtssysteme gibt, kein besonderer Investorenschutz mit einer besonderen Gerichtsbarkeit notwendig ist. Sehen Sie das ähnlich? Wenn Sie das ähnlich sehen würden, würde das ja eher eine Kritik an diesem Handelsabkommen und nicht einen Antiamerikanismus bedeuten. Oder wollen Sie unserem Wirtschaftsminister Antiamerikanismus unterstellen? Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Erstens. Das werde ich nicht tun. Zweitens. Dieses Abkommen ist, wie Sie wissen, noch nicht endverhandelt. Dass man beim Thema Investorenschutz durchaus anderer Meinung sein kann, halte ich für völlig in Ordnung. Wir werden ja noch weiter verhandeln. Ich habe nur gesagt, dass wir dieses Abkommen möglichst zügig zu Ende verhandeln sollten. Daran werden wir alle arbeiten und in der nächsten Zeit hoffentlich weiterkommen. Es kann nicht sein, dass wir uns ausschließlich über Chlorhühnchen oder Ähnliches unterhalten. Dazu hat es vor kurzem diverse Untersuchungen gegeben, die besagen, dass das sowieso eine Fehlinformation gewesen ist. (Widerspruch bei der LINKEN) Ich will nur herausgreifen, dass wir darüber diskutieren, ob Blinklichter rot oder gelb sind. Allein solche Handelshemmnisse führen dazu, dass die Automobilindustrie in großem Stil zusätzliches Geld investieren muss, wenn sie Autos nach Amerika exportieren will. Das muss geändert werden. Dafür ist ein solches Abkommen da. Wir müssen gemeinsam mit den Amerikanern die richtigen Normen setzen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Meine Damen und Herren, über die Energiepolitik werden wir morgen diskutieren. Deswegen werde ich nicht näher darauf eingehen. Eines steht für mich fest: Ich habe Verständnis dafür, das die Opposition Schwierigkeiten damit hat, dass diverse Punkte nun schnell erledigt werden müssen. Der Minister hat aber eben völlig zu Recht erklärt, dass es keine Alternative dazu gab. Wir alle müssen wissen: Steht das Gesetz nicht am 1. August im Gesetzblatt, dann hat die deutsche Wirtschaft ein riesengroßes Problem, weil das BAFA keine Bescheinigungen mehr ausstellen darf. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das darf nicht passieren. Ich möchte die deutsche Wirtschaft schonen. Es muss die deutsche Wirtschaft auch im nächsten Jahr Anträge zur EEG-Befreiung stellen können. Dafür ist es dringend notwendig, dass das Gesetz morgen durch den Deutschen Bundestag kommt. Wir werden das hinbekommen. Ich bin allen, die daran beteiligt waren, sehr dankbar. Wir wissen, dass es ein erster Schritt ist, es ist ein erstes EEG-Reformgesetz. Aber nach der Reform ist vor der Reform. Wir müssen das Strommarktdesign angehen, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr wahr!) wir müssen die Ausschreibung bei erneuerbaren Energien organisieren, wir brauchen einen Energieeffizienz-Aktionsplan. Ich bin mir mit Frau Hajduk darin einig, dass wir noch einiges zu tun haben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was? – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Das ist eine große Aufgabe, die vor uns liegt. Ich gehe davon aus, dass wir sie gemeinsam angehen werden, und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Michael, mit Frau Hajduk?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Dieter Janecek das Wort. Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dr. Fuchs, ich freue mich, dass es Ihnen so gut geht. Der Energiewende geht es nicht so gut. Das hat auch damit zu tun, Minister Gabriel, was Sie in den letzten Wochen und Monaten gemacht haben. Man kann es natürlich auch mit Humor nehmen, dass Sie sich hier als Fels in der Brandung hinstellen, während wir im Bundestag in der parlamentarischen Beratung das größte Chaos erleben, das wir in den letzten Jahren erlebt haben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na! Wie lange sind Sie denn dabei? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind noch nicht so lange dabei!) – Da kann noch mehr kommen, sagen Sie? Da bin ich aber gespannt. Als Wirtschaftsminister ist man auch dafür da, Investitionen anzuregen. Die Wahrheit ist aber doch: Was Sie in den letzten Monaten gemacht haben, ist, Investitionen in Milliardenhöhe auf Halde zu legen. Allein in meiner Heimatregion Niederbayern sind in diesem Jahr in Windkraft 100 Millionen Euro nicht investiert worden. Das ist doch die Wahrheit, was die Energiewende angeht: Das ist Abbruchstimmung, nicht Aufbruchstimmung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit Verlässlichkeit hat das gar nichts zu tun. Wir reden hier auch über Gründungsdynamik. Sie selber haben jetzt einen Gründungsmonitor für die Erneuerbaren herausgegeben. Die Zahl der Gründungen hat sich verdreifacht. Ob das bei dieser Politik so weitergeht, darauf bin ich ja sehr gespannt. Wenn man dann den Haushalt anschaut, stellt man fest, dass 20 Prozent Ihres Etats für die Steinkohleförderung vorgesehen sind. Sie streichen bei der Effizienz. Sie tun nichts beim Breitbandausbau. Da wäre 1 Milliarde Euro nicht schlecht gewesen, liebe SPD. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie tun nichts bei der steuerlichen Forschungsförderung. Da fehlt es doch. Da fehlt es doch wirklich, was das Thema Innovation angeht. Jetzt kommen wir einmal zu der Frage nach Zukunfts-trends im Haushalt. Wir müssen ja über den Tellerrand hinausschauen. Schauen wir einmal, was die Welt so macht: Google baut das selbstfahrende Auto, Tesla macht das elektrische Fahren attraktiv, und wir in Deutschland kriegen die Nationale Plattform Elektromobilität nicht auf die Reihe. Es kann doch nicht sein, dass wir bei so einem zentralen Zukunftsthema nicht vorankommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In Bezug auf das Thema Digitalwirtschaft, Minister Gabriel, habe ich registriert, dass Sie nach vorne gehen wollen und dass Sie erkannt haben, dass die Venture-Capital-Bedingungen verbessert werden müssen. Wir waren ja mit einigen Mitgliedern des Ausschusses Digitale Agenda und des Wirtschaftsausschusses im Silicon Valley. Dort hat jedes Unternehmen 32-mal so viel Kapital zur Verfügung wie in Deutschland. Das müssen wir jetzt nicht ausgleichen, aber es wäre nicht schlecht, ein bisschen näher an diesen Wert heranzukommen. Wir müssen eines verstehen: Die Wertschöpfungsketten verschieben sich: von der Hardware zur Software. Industrie 4.0 wird ein großes Leitthema. Das ist nicht nur ein Thema für Fachpolitiker, sondern das muss auch ein Thema für den Wirtschaftsausschuss werden. Deswegen noch einmal: Breitband ist ja ein wichtiges Thema – die Milliarde wäre ganz gut; die könnten wir gebrauchen –, aber es geht eben nicht nur um technologische Innovation, sondern es geht auch um soziale Innovation. Die Crowdfunding-Szene hier in Berlin ist sehr stark geworden. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Auch die Sharing-Plattformen – ich war jetzt in San Francisco und Seoul, den beiden führenden Städten der Welt, die die Ökonomie des Teilens vorantreiben – sind ein Thema, bei dem nichts getan wird und bei dem wir wirklich einmal in die Offensive gehen müssten, um auch die digitalen Potenziale auszuschöpfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In diesem Sinne glaube ich wirklich: Es geht darum, dass wir nicht die Vergangenheit verteidigen. Ich habe übrigens Ihren Beitrag in der FAZ, den Sie zur digitalen Ökonomie geschrieben haben, sehr stark so gelesen, dass Sie die Deutschland AG gegen die Internetfirmen aus den USA verteidigen wollen. Aber so wird der Weg nicht gehen. (Sigmar Gabriel, Bundesminister: Aber nicht richtig gelesen!) – Ich habe den so gelesen, und viele andere haben den so gelesen. – So wird das nicht gehen. Am Ende müssen Sie gestalten. Wir arbeiten ja zusammen. Ich meine, das Industriewerk in Michigan machen Siemens und Google ja zusammen, Ford 4.0 sozusagen. Es geht wirklich auch um Kooperation und darum, nach vorne zu denken. Das Ganze funktioniert doch nur, wenn Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Ressourcenschonung im Vordergrund stehen. Das tun sie nicht. Dazu fehlen die Ansätze im Haushalt. Da müssen wir hinkommen. Ich bitte Sie herzlich, dass wir in diesem Bereich an die Spitze kommen; denn da liegt unsere Marktführerschaft auf der Welt. Da müssen wir etwas tun. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: An der Amerika-Begeisterung sollten sich die Linken mal ein Beispiel nehmen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wolfgang Tiefensee ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wolfgang Tiefensee (SPD): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Will man die Wirtschaftskraft eines Landes messen, will man sich über Wirtschaft streiten und über das, was die Politik beizutragen hat, um die Wirtschaft voranzubringen, dann kann man die Zahlen der Wirtschaftsinstitute zurate ziehen oder zu den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Arbeitnehmern, den Gewerkschaften gehen und fragen: Wie sieht es aus? Wir haben jetzt von der Opposition gehört, namentlich von Ihnen, Herr Claus, dass alles ziemlich düster aussieht. Herr Schlecht hat die wirtschaftliche Lage und die Situation auf dem Arbeitsmarkt als negativ und schlecht dargestellt. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nomen est omen!) Ich möchte am Anfang ganz gerne einmal ein paar Zahlen ins Gedächtnis rufen, die das widerlegen. Schauen wir auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Wir verzeichnen in diesem Jahr wahrscheinlich ein BIP-Wachstum von 2 Prozent, für das nächste Jahr sind 2,2 Prozent prognostiziert. Herr Claus, wenn wir immer wieder nur Ost und West vergleichen und damit letztlich die positive Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte schlechtmachen, dann nehmen wir gerade den Menschen aus Ostdeutschland Motivation und Schub. (Roland Claus [DIE LINKE]: Aber der Atlas kam aus dem Wirtschaftsministerium und nicht aus unserer Fraktion!) Es geht darum, dass wir nicht nur Ost und West miteinander vergleichen, sondern uns mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt einmal die einzelnen Bundesländer ansehen. Herr Claus, da wird Ihnen auffallen, dass zwischen den westdeutschen und den ostdeutschen Bundesländern eben nicht mehr die Lücke von vor zehn Jahren besteht, sondern dass Sachsen und Thüringen mittlerweile zu Schleswig-Holstein aufgeschlossen haben. Schauen wir uns einmal die Arbeitslosenquote an. Wie oft haben wir früher davon gesprochen, dass sie im Osten deutlich höher ist als in Westdeutschland, nämlich doppelt so hoch? Was können wir jetzt für Mai 2014 feststellen? In ganz Deutschland beträgt die Arbeitslosenquote 6,6 Prozent, in Westdeutschland etwa 5,8 Prozent, in Ostdeutschland 9,7 Prozent. Herr Claus, in den letzen zehn Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit – nicht nur in meiner Heimatstadt – halbiert. Man muss einmal deutlich sagen: Das ist nicht zuletzt das Ergebnis des Aufbaus Ost – Ärmelaufkrempeln im Osten, Solidarität durch den Westen – und eben auch einer beherzten Politik, nicht zuletzt hier im Bundestag. Wer das verschweigt, der sagt eben nur die Hälfte der Wahrheit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die vorliegenden Zahlen sagen auch etwas über die Schwierigkeiten und Defizite, die wir noch zu beseitigen haben. Dabei ist einmal die Frage der Investitionsquote zu betrachten. Sie ist in den letzten 15 Jahren – 1999 lag sie bei etwa 20 Prozent – leider auf 17 Prozent gefallen. Aber es zeichnet sich ab, dass die Politik der letzten Jahre greift. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, RWI, prognostiziert für das laufende Jahr ungefähr 4,9 Prozent mehr Anlageinvestitionen und für das nächste Jahr ungefähr 4,5 Prozent mehr Anlageinvestitionen. Noch viel wichtiger ist: Die Ausrüstungsinvestitionen, also die Investitionen in Maschinen, werden in diesem Jahr um etwa 6 Prozent und im nächsten Jahr um etwa 8 Prozent steigen. Das heißt, in dem Bereich, in dem es für uns dringend nötig ist, findet ein Aufwuchs statt, nämlich bei den Investitionen in Anlagen und Ausrüstung. Das ist ein Ergebnis kluger Politik der Unternehmen, aber eben auch der politischen Rahmenbedingungen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das eine ist, die Statistiken zu bemühen; das andere ist, zu den Unternehmerinnen und Unternehmern zu gehen. Traut man einer Umfrage, die der Bundesverband mittelständische Wirtschaft gerade durchgeführt hat, so gibt es einige schwerwiegende Probleme in den Unternehmen, die wir im Blick behalten müssen. Der Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt ist bereits mehrfach angesprochen worden. Was Frau Ministerin Nahles macht, was der Wirtschaftsminister tut, was die Familienministerin in Angriff genommen hat, das alles sind Bausteine zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir möchten, dass Schulabbrechern eine zweite Chance gegeben wird, dass Arbeitslose wieder berufstätig werden, dass mehr Ältere in den Arbeitsmarkt integriert sind. Schließlich müssen wir darüber nachdenken, wie wir ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Europa, aber auch anderswo leben, nach Deutschland holen. Das ist eine unserer wesentlichen Herausforderungen. Diese Bundesregierung und namentlich der Wirtschaftsminister verschreiben sich ihrer Bewältigung. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) Außerdem geht es darum, in die Infrastruktur zu investieren. Wenn die Mittel für die Kommunen einen Aufwuchs von 6 Milliarden Euro erfahren, wenn wir 9 Milliarden Euro in Bildung investieren, wenn wir mehr Mittel für die Wirtschaftsförderprogramme zur Verfügung stellen – für ZIM 513 Millionen Euro, ein deutlicher Posten im Etat, und für GRW reichliche 580 Millionen Euro; also ebenfalls ein namhafter Posten im Etat –, dann leisten wir einen Beitrag dazu, dass in Deutschland insgesamt mehr investiert wird, dass geforscht wird und dass Innovationen stattfinden. Darauf ist der Mittelstand – und nicht nur er – in den nächsten Jahren angewiesen. Die Bundesregierung stellt die Weichen richtig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Neben der Verbesserung der Infrastruktur und der Förderung von Innovationen ist das Thema Energie ein drittes wichtiges Thema. Wir werden morgen ausführlich darüber debattieren. Das, was hier seitens der Opposition gemacht wird, nämlich die Energiewende schlechtzureden, führt gerade nicht dazu, dass in den kommenden Jahren mehr Investitionen getätigt werden. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht die Energiewende ist schlecht, sondern Ihre Politik ist falsch!) Ein Investitionsprogramm ist auch, Herr Hofreiter, dass Deutschland als führende Nation auf diesem Gebiet neue Produkte, neue Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien nicht nur ausprobiert, sondern auch marktfähig macht. Das ist ein Investitionsprogramm par excellence. Wir werden morgen die Weichen dafür stellen, dass das Ganze auch gelingt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Etwas anderes, was im Bereich der Energiewende wichtig ist, sind natürlich die Energiekosten, die nicht zuletzt den Mittelstand belasten. Mit dem „Erneuerbare-Energien-Gesetz 2.0“ stellen wir morgen die Weichen dafür, dass der Anstieg der EEG-Umlage gedämpft wird, dass Planungssicherheit besteht, dass sich die Unternehmen auch in der Zukunft auf unsere Entscheidungen verlassen können. Das ist eine richtige Weichenstellung. Aus diesem Grund sage ich an die Opposition gerichtet: Mäßigen Sie sich in Ihrer Kritik! Schauen Sie auf die Fakten! Hören Sie auf das, was Unternehmerinnen und Unternehmer sagen! Sie werden feststellen, auch im europäischen Kontext: Deutschland geht es gut. Dazu trägt die Politik nicht unbeträchtlich bei. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Deutschlands Zukunft gestalten“, das ist der Titel des Koalitionsvertrags der Regierungsparteien. Dann nehmen wir die Bundesregierung einmal beim Wort! In den Bereichen erneuerbare Energien, Energieforschung und Steigerung der Energieeffizienz soll der Umstieg auf eine saubere und bezahlbare Energieversorgung in die Wege geleitet werden. Nun hat sich Rot-Schwarz gerade beim Thema Energieeffizienz einiges vorgenommen. Die Versprechungen der Großen Koalition lesen sich gar nicht so schlecht. Da steht auf Seite 37 der Koalitionsvereinbarung: Die Senkung des Energieverbrauchs durch mehr Energieeffizienz muss als zentraler Bestandteil der Energiewende mehr Gewicht erhalten. Da sagen wir: Bravo! Richtig! Das wollen wir auch. – Sogar von der Effizienz als zweite Säule der Energiewende ist die Rede. Unter einer Säule versteht man meines Erachtens etwas wirklich Großes. Wenn ich dann aber sehe, was die Bundesregierung im Einzelplan 09, Kapitel „Energie und Nachhaltigkeit“, vorhat – es gibt so gut wie keine neuen Mittel und weiter das alte Programm –, dann erkenne ich da keine tragende Säule, sondern eher lahme Gäule. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen: Kommen Sie endlich einmal auf Trab! Wenn nur darauf gewartet wird, dass Häuslebauer und Wirtschaft von ganz alleine in eine ressourcensparende Zukunft investieren, dann können wir die Energiewende vergessen; das ist einfach so. Jetzt kann man natürlich argumentieren wie Sie: Die Haushaltsmittel reichen aus. – Das Beispiel „energetische Gebäudesanierung“ zeigt aber perfekt, wie die Energiewende nicht angegangen werden darf. Wie bei der Ökostrom-Novelle, die Sie durchs Parlament peitschen – ich muss sagen: das ist ein wirklich unwürdiges Schauspiel – und mit der Sie das EEG in der alten Form beerdigen, so setzen Sie auch bei der Energieeffizienz blindlings auf den Markt. Bis 2050 80 Prozent des Primärenergieeinsatzes im Gebäudebereich einzusparen, ist mit einem Weiter-so leider nicht machbar. Wir haben es bei der Gebäudeeffizienz ganz klar mit einem Versagen des Marktes zu tun. Das ist kein offenes Geheimnis; das ist Erkenntnis, und zwar nicht nur bei der Opposition, meine Damen und Herren. Sogar die eigenen Leute treten der Bundeskanzlerin und ihren Ministern auf die Füße, wie zum Beispiel Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur, die immerhin zur Hälfte staatlich finanziert ist. Er hat einen Brandbrief an Frau Merkel geschrieben, und ich unterstütze das. Das Handelsblatt zitiert, für ihn sei es „kaum verständlich“, dass die Quote bei der energetischen Modernisierung seit Jahren bei mickrigen 1 Prozent stagniert und dass die Regierung die Hände weiter in den Schoß legt. Auch wir fragen uns natürlich: Warum passiert da überhaupt nichts? Ich kann nur sagen: Meiner Meinung nach fehlt hier der politische Wille zur Gestaltung. Der Markt richtet es eben nicht; das wissen wir. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie so weitermachen, dann verschenken Sie die Zukunft auf Kosten von Klima und Infrastruktur. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nun wollen wir es nicht dramatisieren!) Ich sage Ihnen: Gerade im Bereich Klima halte ich das für absolut unverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Dabei ist Energieeffizienz der ungehobene Schatz der Energiewende. Für ein Gelingen der Energiewende ist der Gebäudebereich der zentrale Faktor; das erzählen Sie uns auch immer wieder. Über ein Drittel des Energiebedarfs in Deutschland wird für Heizen und Warmwasser verwendet. Da wäre ein Rieseneinsparpotenzial. 2 bis 4 Prozent aller Häuser und Wohnungen in Deutschland müssten im Jahr modernisiert werden. Wir brauchen also eine Verdoppelung der dafür vorgesehenen Mittel. Das Marktpotenzial für Wohngebäude und Nichtwohngebäude wird auf jährlich 66 Milliarden Euro geschätzt; das ist ein riesiger Jobmotor. Mit den 1,8 Milliarden Euro im Haushalt schafft man das selbstgesteckte Ziel von 2 Prozent jedenfalls nicht; das sagen alle Experten. Die Energiewende im Gebäudebereich haben Sie fahrlässig verpennt, meine Damen und Herren. Wir fordern Sie auf, jetzt etwas zu tun. (Beifall bei der LINKEN) Wir fordern die Auflösung des Energie- und Klimafonds. Das empfiehlt auch der Bundesrechnungshof, nachdem der Emissionshandel als marktbasiertes Element zur CO2-Reduzierung grandios gescheitert ist. Die vorhandenen 1,1 Milliarden Euro für Gebäudesanierung wollen wir aus diesem Fonds in den Haushalt überführen und die Mittel auf insgesamt 5 Milliarden Euro aufstocken. Nur so kann es gehen. Das wäre ein klares Signal. So fördert man Investitionen, und so schafft man auch Akzeptanz für die Energiewende. Die Menschen müssen sehen, wofür die Mittel verwendet werden. An diesem Anspruch – so habe ich das Gefühl – scheint die Bundesregierung zunehmend zu scheitern, auch beim EEG. Wir haben dazu schon viel gesagt. Wir werden morgen weiter darüber diskutieren. Ich glaube in Bezug auf die Verhandlungen mit der EU-Kommission, Herr Gabriel: Sie wollen hier katholischer sein als der Papst. (Sigmar Gabriel, Bundesminister: Ich bin evangelisch! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der ist doch evangelisch! Das ist ja das Drama!) Sie wollen die Marktliberalisierung auf Teufel komm raus. – Das ist mein Gefühl. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ihr Gefühl täuscht Sie sehr!) „Deutschlands Zukunft verwalten“ – und das auch noch schlecht – wäre eindeutig der bessere Titel für Ihre Koalitionsvereinbarung. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mach es uns nicht so schwer, zu klatschen! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Lass ihn doch erst mal anfangen! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre schon mal ein Ansatz!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten in dieser Woche den neunten Bundeshaushalt, der von einer unionsgeführten Bundesregierung seit 2005 aufgestellt wird. Man kann in der Tat sagen, dass das eine Erfolgsgeschichte ist. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Sie können ruhig lachen. Seit Sie nicht mehr dabei sind, ist es eine Erfolgsgeschichte. – Die Aussichten sind sonnig. Deutschland wird in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von – es wurde gerade nach oben korrigiert; ein halbes Jahr ist ja bereits um – wahrscheinlich über 2 Prozent erreichen; 2015 wird es voraussichtlich bei 2,2 Prozent liegen. Der Arbeitsmarkt – auch das ist heute bereits angeklungen – bleibt dynamisch. Bei den Beschäftigtenzahlen jagen wir von einem Allzeithoch zum nächsten: Wir haben fast 43 Millionen Erwerbstätige, und zwar entgegen anderslautenden Unkenrufen von den Linken – es war ja klar; die kommen immer – sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das sind mehr als 3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr als 2005, als die Union die Regierung übernommen hat. Dass dies so ist, hat vor allem damit zu tun, dass wir solide gewirtschaftet haben, dass der Bundeshaushalt heute so solide aufgestellt ist wie schon lange nicht mehr. Die Wirtschaft gedeiht eben am besten, wenn sie verlässliche Rahmenbedingungen und genug Freiheit zur kreativen Entfaltung hat. Deshalb möchte ich zu Beginn meiner Ausführungen das Thema Staatsquote, das früher häufig diskutiert wurde, ansprechen. Sie ist nämlich ein Maß dafür, wie es um diese Freiheit steht. Bei der Staatsquote gilt, anders als bei Wachstum und Beschäftigung: weniger ist mehr. Je niedriger die Ausgaben der öffentlichen Haushalte sind, umso positiver ist es; denn umso weniger mischt sich der Staat in die Wirtschaftsprozesse ein. Weniger staatliche Steuerung bedeutet mehr Freiraum für Wachstum, Innovation und Beschäftigung. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Staatsquote sinkt; Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit steigen. Wir haben heute in Deutschland eine Staatsquote von unter 45 Prozent, mit weiter sinkender Tendenz. Ende der 90er-Jahre lag sie bei über 50 Prozent. In der Krise ist sie temporär wieder etwas nach oben gegangen und auf über 48 Prozent angestiegen, und zwar durch die Konjunkturpakete und den Einbruch im privaten Bereich, den wir 2008, 2009 und Anfang 2010 erlebt haben. Aber jetzt stimmt die Richtung wieder. Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt signifikant, dass die Lage in den Ländern, in denen die Staatsquote hoch ist, nämlich in Frankreich mit 57 Prozent, in Italien mit über 51 Prozent und in Griechenland mit immer noch über 50 Prozent – dort waren es ja einmal fast 60 Prozent –, weitaus schlechter ist als bei uns. Das heißt, der Weg, den wir in Deutschland eingeschlagen haben, ist auch der richtige Weg – das ist keine Besserwisserei oder Arroganz; das ist unsere eigene Erfahrung – für Europa. Das ist verschiedentlich angeklungen; auch der Wirtschaftsminister hat das vorhin angesprochen. An Konsolidieren und Wachsen werden wir auch in Europa nicht vorbeikommen. Insofern ist schon die Diskussion über die Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstums-paktes gefährlich; denn das sendet falsche Signale aus. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist flexibel genug. Frankreich und Italien haben jetzt mehr Zeit für die Umsetzung bekommen. Diese Flexibilität gilt es zu nutzen. Aber es muss natürlich schon mit Strukturreformen begonnen werden. Frankreich ist leider immer noch sehr zögerlich. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist aber höflich ausgedrückt!) Wenn man weniger schnell in die falsche Richtung geht, dann geht man immer noch in die falsche Richtung. Man muss in die richtige Richtung gehen. Es sind entsprechende Strukturreformen an den Märkten vorzunehmen, am Arbeitsmarkt und auch an den Gütermärkten, damit es in die richtige Richtung geht und mittelständische Unternehmen eine Chance bekommen und Innovationen gefördert werden. Wir dürfen insofern nicht den Zeigefinger erheben, sondern müssen mit Überzeugungsarbeit in Europa dafür werben und demonstrieren, dass der bei uns eingeschlagene Weg auch für den Rest Europas der richtige ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber auch wir sollten uns keinesfalls auf unseren Lorbeeren ausruhen; denn es gilt ganz klar: Wer nicht immer besser wird, hört auf, gut zu sein. – Deshalb müssen auch wir weitere Schritte unternehmen. Da wir über den Haushalt sprechen, will ich hier festhalten: Den eingeschlagenen Weg – Konsolidieren und Wachsen – gilt es auch bei uns weiterzugehen, insbesondere was die Maastricht-Kriterien angeht. Wir haben es in den vergangenen vier, fünf Jahren geschafft, den Haushalt mehr oder weniger stabil zu halten; das Volumen ist dieses Jahr sogar geringer als im letzten Jahr. Das heißt, wir müssen keine schmerzhaften Einschnitte vornehmen, können es uns aber – bei anhaltendem Wachstum im privaten Sektor und einem starken Binnenkonsum, der mittlerweile eine mindestens genauso wichtige Säule des Wachstums ist wie der Export – gleichzeitig erlauben, das Staatsdefizit zu drücken. Die Verschuldung liegt bei uns bereits deutlich unter 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und wir werden in dieser Legislaturperiode eine Verschuldung unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Ziel ist, in der nächsten Legislatur eine Verschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen. Das ist der richtige Weg für Deutschland; das ist auch der richtige Weg für Europa. (Beifall des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) Wir investieren in Bildung und Forschung. 2014 stehen 14 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung. Das ist fast doppelt so viel wie 2005, als wir die Regierung übernommen haben; damals waren es 7,5 Milliarden Euro. Von den im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen 9 Milliarden Euro für Bildung und Forschung – der Wirtschaftsminister hat es vorhin angesprochen – fließen 5 Milliarden Euro in Schulen und Hochschulen, 1 Milliarde Euro in den Kitaausbau und 3 Milliarden Euro in den Bereich „Forschung und Entwicklung“. Das Ziel, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aufzuwenden, wird damit dauerhaft gesichert. Mit neuen Impulsen wird das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, das hervorragend läuft und das wir auch mit diesem Haushalt weiter stabilisiert haben, damit möglichst alle sinnvollen Projekte gefördert werden können, auf höchstem Niveau mit 500 Millionen Euro fortgeführt. Ich will wiederholen, was der Kollege Mattfeldt vorhin gesagt hat –: Aus Sicht der Union ist das ZIM das zentrale Förderinstrument für den Mittelstand, für Innovationen, für Anwendungsorientierung. Sollte sich erweisen, dass wir die Mittel noch erhöhen müssen, dann werden wir dies im Haushalt 2015 und darüber hinaus berücksichtigen; denn die Mittel sind dort gut angelegt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Marcus Held [SPD]) Wir investieren auch in den Ausbau der Infrastruktur, nicht nur im Bereich der Verkehrswege – dafür stellt der Bundeshaushalt 5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung –, sondern auch im Bereich der Breitbandinfrastruktur, und zwar intelligent, nämlich nicht nur durch Steuer- und Haushaltsmittel, sondern auch durch die Digitale Dividende II. Hier müssen auch die Länder mitmachen. Ich denke, wir sind da auf einem guten Weg. Wir nutzen nicht mehr benötigte Frequenzen für den Breitbandausbau, damit über Funk neben Kabel und anderen Breitbandinfrastrukturen neue Wege ermöglicht werden. Mit dem eingenommenen Geld beschleunigen wir den Breitbandausbau, der dringend notwendig ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Fakt ist – auch das ist vorhin angeklungen –: Wir haben einen Investitionsstau, den wir nicht nur mit öffentlichen Mitteln, weder auf Bundes- noch auf Länder- oder kommunaler Ebene, beheben können. Vielmehr müssen wir uns ganz genau anschauen, warum nicht nur bei den energieintensiven Unternehmen die Abschreibungen höher sind als die Investitionen, warum also – auf gut Deutsch – eine Deindustrialisierung stattfindet, warum wir von der Substanz leben, auch im Verkehrsinfrastrukturbereich. Die ganze Welt will im Moment in Deutschland investieren, aus Sicherheitsgründen und auch weil die Rahmenbedingungen attraktiv und verlässlich sind. Wir müssen deshalb das Modell der Public-private-Partnership so organisieren, dass das Geld, das nach Deutschland will, auch nach Deutschland fließen kann. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege! Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Wir müssen uns im steuerlichen Bereich – Stichwort „kalte Progression“ oder in Bezug auf die Abschreibungsbedingungen – entsprechend ausrichten. Herr Präsident, es gäbe in der Tat noch viele Punkte zu nennen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das habe ich mir gedacht, jawohl. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Diese werden wir in der morgigen Debatte über den Energiebereich diskutieren bzw. bleiben anderen Wirtschaftsdebatten, zum Beispiel über Fachkräfte, Wachstum, Gründungsfinanzierung oder Freihandel, vorbehalten. Ich komme zum Schluss. Mit dem vorliegenden Haushalt, den wir heute diskutieren und morgen verabschieden, schaffen wir mehr Wirtschaftswachstum, fördern Innovationen und erfolgreiches Unternehmertum und stärken die Fachkräftegewinnung. Damit werden wir unserer Verantwortung für Deutschland und für -Europa gerecht. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Julia Verlinden für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders wichtig ist mir, dass wir unsere Finanzen der nächsten Generation geordnet übergeben, dass wir die Energiewende zum Erfolg führen … Das sagte Frau Bundeskanzlerin Merkel in ihrer diesjährigen Neujahrsansprache. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das machen wir auch! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gerade das machen wir!) Das ist, wie ich finde, ein frommer Wunsch; denn Ihre Regierungsrealität sieht ganz anders aus. (Zuruf von der CDU/CSU: Was? Das stimmt doch gar nicht!) Sie fahren die Energiewende an die Wand, Frau Merkel, und Ihre Haushaltspolitik ist unsolide und zukunftsvergessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Held [SPD]: Hört! Hört!) Schauen wir doch einmal ganz genau hin. Fließt das Geld eigentlich für oder gegen die Energiewende? Wohin fließt das Geld, und wo fehlt Geld für die Energiewende? Herr Gabriel behauptet ja, die Energieeffizienz sei die zweite Säule der Energiewende. Ich sage Ihnen, wie diese Säule bei Ihnen aussieht: Sie ist schmal, brüchig und innen hohl. Bei der Energieeffizienz kündigen Sie an, versprechen etwas und halten Sonntagsreden. Aber wenn wir einmal etwas Konkretes über Ihre Pläne erfahren, dann stellen wir fest: Sie schreiben ein paar alte Programme neu zusammen und rechnen sich die Ergebnisse schön. Die andere Säule der Energiewende, die erneuerbaren Energien, sägen Sie mit der EEG-Novelle gerade ab. Ich sage es einmal so: Ein Haus, auch ein Ministerium, kann nicht auf zwei kaputten Säulen stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie reden von Energiewende. Herr Tiefensee hat behauptet, wir redeten sie schlecht. Im Gegenteil: Wir wollen die Energiewende, aber wir wollen sie auch wirklich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich erlebe bei der Regierung keinen politischen Mut für zukunftsfähige Entscheidungen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Geld wollen Sie auch nicht dafür ausgeben. Sie haben stattdessen umso mehr Geld für die Kohle. Für die Steinkohleförderung und -stilllegung wollen Sie dieses Jahr immer noch 1,3 Milliarden Euro ausgeben. (Zuruf von der SPD: Das sind doch alte -Verträge!) Sie fördern fleißig die Energie von gestern. So ist es. Hinzu kommen die indirekten staatlichen Förderungen in Form von Steuererleichterungen und Ausnahmeregelungen im Energiesektor. Das Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass im Jahr 2010 allein im Bereich der Energiebereitstellung und -nutzung mehr als 21 Milliarden Euro umweltschädliche Subventionen flossen. Die besondere Ausgleichsregelung für die Industrie beim EEG macht nur einen Teil aus. Hinzu kommen Begünstigungen für die Braunkohlewirtschaft, Energiesteuervergünstigungen für Kohle, kostenfreie Zuteilung von CO2-Zertifikaten und, und, und. Das ist ein unhaltbarer Zustand. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das sind 21 Milliarden Euro für ökologisch schädliche Subventionen allein im Energiesektor. Hinzu kommen noch hohe Subventionen im Verkehrssektor wie zum Beispiel die Privilegierung von schweren Dienstwagen oder die milliardenschwere Bevorzugung des Flugverkehrs gegenüber der Bahn. Mit diesen Anreizen gelingt die Energiewende im Verkehrsbereich wohl kaum. Das Umweltbundesamt berechnet für das Jahr 2010 insgesamt 51,5 Milliarden Euro ökologisch schädlicher Subventionen – allein im Bundeshaushalt; das muss man hinzufügen. Diese Ausgaben sind für die Energiewende und den Klimaschutz kontraproduktiv und müssen konsequent reduziert werden; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denn ökologisch schädliches Verhalten darf nicht noch finanziell belohnt werden. Stattdessen sollten wir in die Zukunft investieren. Aber die 3 Milliarden Euro, die wir für unseren grünen Energiesparfonds vorschlagen, wollen Sie nicht zur Verfügung stellen, Herr Gabriel. Daran sieht man, wo Ihre Prioritäten liegen: Kohle für die Kohle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Durch unser Konzept eines Energiesparfonds – Frau Hajduk hat schon darauf hingewiesen – würden wir unabhängiger von fossilen Brennstoffen werden. In unserer Volkswirtschaft würde Geld, das bisher noch in Energieimporte fließt und das Klima anheizt, in Zukunft wieder für andere Dinge zur Verfügung stehen. Aber offensichtlich sind Ihnen die Energieträger von gestern viel mehr wert als die Energieeinsparung, die technologische Innovation und der Klimaschutz von morgen. Das lässt doch tief blicken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie die Energiewende wirklich wollen, dann stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu. Unterstützen Sie damit zum Beispiel die Aufstockung des so wichtigen KfW-Gebäudesanierungsprogramms auf 2 Milliarden Euro, und stimmen Sie für unseren Antrag zum grünen Klimaschutzhaushalt! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Marcus Held das Wort. (Beifall bei der SPD) Marcus Held (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unserer Wirtschaft in Deutschland geht es gut. Das kann man sagen, wenn man sich die Situation im Jahr 2014 ansieht. Dafür sind viele verantwortlich: verantwortungsbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer, motivierte und engagierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch mutige Entscheiderinnen und Entscheider auf der politischen Ebene, die für zukunftsorientierte Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik gesorgt haben und auch in der Gegenwart sorgen. Vergleicht man die Situation in vielen Ländern Europas mit der in Deutschland, so kann man heute sagen: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. (Beifall bei der SPD) Die SPD stand bereits in der Zeit von 1998 bis 2005 mit der Agenda 2010 für eine Politik mit Weitblick. Von diesem Weitblick profitieren wir noch heute, in der Gegenwart. Die Verantwortlichen in europäischen Ländern wie beispielsweise Frankreich werden dort gegenwärtig für Massenarbeitslosigkeit und fehlendes Wirtschaftswachstum verantwortlich gemacht, obwohl ihre Vorgänger in den zurückliegenden 20 Jahren hätten handeln müssen, dies aber nicht getan haben. Auch und gerade im Interesse der deutschen Wirtschaft als Exportmeister und der Arbeitsplätze hier müssen wir die Länder unterstützen, die jetzt bereit sind, zukunftsorientierte Reformen auf den Weg zu bringen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) Die von den europäischen Sozialdemokraten am letzten Wochenende in Paris angestoßene Diskussion und die damit verbundenen Vorschläge unseres Ministers Sigmar Gabriel sind sinnvoll. Sie stellen einen Weg dar, wie wir den radikalen politischen Auswüchsen in leider viel zu vielen europäischen Nachbarländern endlich begegnen können. Wir müssen ihnen begegnen, meine Damen und Herren, weil diese politischen Auswüchse durch wirtschaftlichen Niedergang, Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit bei den Jugendlichen verursacht worden sind. Wir müssen dem entgegentreten, wenn wir es mit Frieden, Freiheit und Wohlstand in ganz Europa ernst meinen. (Beifall bei der SPD) Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen zu Deutschland als Industrienation. Wir wollen die Bundesregierung und unseren Minister Sigmar Gabriel dabei unterstützen, wenn er neue wirtschaftliche Akzente setzt, nachdem das Wirtschaftsministerium in der zurückliegenden Legislaturperiode bekanntlich eher ein Schattendasein führte. Wir tun dies mit der Reform des EEG, indem wir die im internationalen Wettbewerb stehenden Industriebetriebe auch in Zukunft vor zusätzlichen Umlagen schützen und damit viele Hunderttausende wichtige Arbeitsplätze hier in Deutschland sicherstellen und für die Zukunft erhalten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir tun dies aber auch als Bundesregierung, wenn es um die Stärkung des Handwerks und des Mittelstandes geht. Wir wollen dem Fachkräftemangel begegnen und gerade jüngere Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistern. Hier müssen wir auch das Bewusstsein in der Gesellschaft verändern und den Wert des Handwerks sowie die Bedeutung der Handwerksberufe in der Gesellschaft herausstellen. (Beifall bei der SPD) Auch müssen wir die wachsende Bürokratie bekämpfen und endlich dafür sorgen, dass sich junge Handwerksmeister um ihre Kunden kümmern können und nicht den ganzen Tag Formulare ausfüllen müssen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir wollen neue Wirtschaftszweige erschließen, die in Deutschland bisher leider viel zu wenig Beachtung gefunden haben, so zum Beispiel den Bereich des Tourismus. Meine Damen und Herren, ich komme aus der wunderschönen Region Rheinhessen in Rheinland-Pfalz, wo mit Worms als eine der ältesten Städte in Deutschland Historie greifbar wird und mit den Nibelungen-Festspielen ein bundesweit einzigartiges kulturelles Highlight existiert, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das war der Werbeblock! Okay!) wo mit Oppenheim und der weltbekannten Weinlage „Krötenbrunnen“, Herr Kauder, ein Aushängeschild besteht, das seit Jahrzehnten für exzellente Rebsäfte steht, und wo mit der typischen rheinhessischen Hügellandschaft rund um Alzey eine einzigartige Landschaft zum Verweilen und Entspannen einlädt. Solche wunderschöne Regionen gibt es in ganz Deutschland. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) Diese Regionen müssen wir touristisch fördern und gemeinsam im In- und Ausland – europaweit und international – dafür werben, um zusätzliche innovative, moderne Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür wollen wir uns einsetzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) In der derzeitigen Niedrigzinsphase muss es möglich sein, dafür zu sorgen, für solche neuen wirtschaftlichen Ansätze günstige Kredite zur Verfügung zu stellen. Die Niedrigzinsphase stellt uns aber auch vor Probleme, so beispielsweise bei der Altersvorsorge. Die Altersvorsorge für zwei Generationen ist in Gefahr. Hier müssen wir gemeinsame Kraftanstrengungen unternehmen und nach neuen Rezepten suchen, damit es in Deutschland wieder wie früher heißen kann: Unser Ziel ist Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Deshalb fordere ich Banken, Versicherungen und natürlich auch die Wirtschaft und die Politik auf, gemeinsam nach neuen Produkten zu suchen, diese in den kommenden Jahren zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen. Möglich wird dies mit einer starken deutschen Wirtschaft im Rücken sein, die zusammen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entsprechende Finanzmittel erwirtschaften kann und auch in Zukunft Innovation und soziale Gerechtigkeit verbindet. Für Innovation und soziale Gerechtigkeit stehen wir, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen auch in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass Entscheidungen in Deutschland im Konsens getroffen werden, im Konsens zwischen Arbeiternehmern, Arbeitgebern und Politik. Dann bin ich mir auch sehr sicher, dass wir weiterhin positiv gestimmt sein können, wenn es um die Zukunft der Wirtschaft in Deutschland geht. Deshalb sollten wir dem heute vorgelegten Haushaltsentwurf zustimmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Das war die erste Rede des Kollegen Marcus Held. Herr Kollege, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu dieser ersten Rede. (Beifall) Als nächster Redner hat der Kollege Peter Ramsauer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Alles, was damit zusammenhängt, was uns dazu gemacht hat, ist schon vielfach gepriesen worden: Rekordbeschäftigung, Rekordtiefstand bei der -Arbeitslosigkeit, großartige Wachstumserwartungen, Nullverschuldung, Rekordsteuereinnahmen, dass wir Wachstumslokomotive und Stabilitätsanker in Europa sind, all das ist wahr. Aber so eindrucksvoll diese Bilanz auch ist, so wenig dürfen wir uns damit zufriedengeben und so wenig dürfen wir uns darauf ausruhen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ja, wir sind die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wahr ist aber auch, dass unser Anteil an der Weltwirtschaft im Jahr 2005 noch bei 4,6 Prozent lag, während er derzeit bei 3,7 Prozent liegt. Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass sich gewisse Relationen verschieben. Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass wir den Vorsprung, den wir gerade in Europa haben, sichern. Eine Selbstermahnung darf hier auch sein: Wir dürfen uns auch nicht in einer großkoalitionären Selbstzufriedenheit ergehen. Nein, wir müssen alles tun, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, und alles unterlassen, was diesem Ziel entgegensteht, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU) Mir ist dies sehr deutlich geworden, als ich vor einigen Monaten meinen Antrittsbesuch als Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestags bei meinem Pendant in der französischen Assemblée nationale, beim Vorsitzenden des dortigen Wirtschaftsausschusses, gemacht habe. Er hat zu mir Folgendes gesagt: Unsere französische Bitte an euch Deutsche ist, dass ihr weitermacht – er hat immer gesagt: Continuez! – (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!) bei der Erhöhung der Energiekosten, macht bitte weiter bei der Erhöhung eurer Arbeitskosten, und macht bitte weiter bei der Erhöhung eurer Sozialkosten! – Ich habe mich gefragt: Was will er mir damit sagen? – Dann kam die Begründung, er hat gesagt: Dadurch schmälert ihr Deutschen eure Wettbewerbsfähigkeit, und wir Franzosen brauchen uns nicht mehr so anzustrengen, um mit euch mithalten zu können. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber kein kluger Mann! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: So kann er sein, der Franzose!) – Das war kein kluger Mann, sagen Sie. Also, das war ein Sozialist. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eben!) Aber er hat gesagt, er sei von der Rocard-Sorte, also – wer das noch weiß – ein anständiger Sozialdemokrat, würden wir auf Deutsch sagen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: „Sozialdemokrat“ ist in Frankreich ein Schimpfwort!) Das gibt einem natürlich zu denken. Wir werden in der nächsten Woche die Mindestlohngesetzgebung abschließen. Wir haben das Rentenpaket abgeschlossen. Ich muss sagen: Aus wirtschaftlicher Sicht gehen wir hier an die alleräußerste Grenze dessen, was die Wirtschaft verkraften kann, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir können es uns nicht leisten – so viel sei schon jetzt gesagt –, mit der Mindestlohngesetzgebung einen Lohnkostenschub auszulösen. (Zurufe von der SPD: Oh!) Das wird die deutsche Wirtschaft nicht ohne Weiteres und nicht ohne Folgen verkraften. Es ist völlig klar, dass durch eine solche Mindestlohngesetzgebung ein Druck von unten auf das gesamte Lohngefüge ausgeübt wird; das ist vollkommen klar. (Zuruf von der SPD: Das ist auch gut so!) Wir dürfen auch keinen Einheitsbrei bei der Lohnfindung erzeugen. Wichtig ist für uns das Primat der Tarifpartnerschaft. Die Tarifautonomie darf nicht angetastet werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein anderer Punkt, den auch Kollege Wolfgang Tiefensee schon angesprochen hat – wir müssen uns viel intensiver damit auseinandersetzen, und mir bereitet das Sorge –, ist die Frage der Investitionen sowohl im öffentlichen Bereich als auch im Bereich der Privatwirtschaft. Wir alle wissen: Investitionen sind der Treibstoff für Wachstum, für Wertschöpfung, für Arbeitsplätze und für Wohlstand. Wir haben, was die deutsche Investitionsquote im weltweiten Vergleich anbelangt – Kollege Wolfgang Tiefensee hat es gesagt –, in der Tat ganz erheblichen Nachholbedarf. Wenn man sich die Zahlen ansieht, stellt man fest: 1998 lag die Investitionsquote im damaligen Bundeshaushalt noch bei 12,8 Prozent. Im Haushalt dieses Jahres liegt sie, wenn man den ESM herausrechnet, was man natürlich fairerweise tun muss, bei 8,6 Prozent, und bis 2018 fällt sie auf 8,3 Prozent. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das müssen wir ändern, Herr Ramsauer!) Wenn man sich das ansieht, kommt man natürlich zu dem Ergebnis: Relativ investieren wir viel zu viel in den unproduktiven Teil unserer Volkswirtschaft und immer noch viel zu wenig in den produktiven Teil unserer Volkswirtschaft. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Na, das ist ja eine völlig neue Erkenntnis!) Wir können auf Dauer nicht von der Substanz leben. Aber es geht nicht nur um den öffentlichen Bereich. Was mindestens genauso viel zu denken gibt, ist die Tatsache, dass im privatwirtschaftlichen Bereich leider immer weniger investiert worden ist. Wenn man sich beispielsweise die energieintensiven Branchen ansieht – über sie haben wir in den letzten Wochen und Tagen im Zusammenhang mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sehr viel gesprochen –, stellt man fest: Die energieintensiven Branchen können ihren Kapitalstock nicht mehr halten, weil ihre Investitionen geringer sind als ihre Abschreibungen. Wenn man es einmal kaufmännisch betrachtet: Die energieintensiven Branchen investieren nur noch 85 Prozent ihrer Abschreibungen neu. Eigentlich müssten es deutlich über 100 Prozent sein, weil die Reinvestition wegen der Investitionskosten nach Wiederbeschaffungskosten immer über der finanzbuchhalterischen Abschreibung liegen muss; so ist das nun einmal. Es gibt also ein ganz großes Loch zwischen dem, was abgeschrieben wird, und dem, was reinvestiert wird. Es muss für uns ein lautes Alarmsignal sein, dass dies so ist. Dahinter verbirgt sich ein schleichender Prozess der Abwanderung aus Deutschland in andere Länder. Ein Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Außenhandelspolitik; sie kam in dieser Debatte bisher etwas zu kurz. Wir wissen, dass es aus manchen Ländern, auch in der EU, in der Euro-Zone, vonseiten mancher Institutionen, aber auch vonseiten der Linken in diesem Hause die Forderung gibt, Deutschland müsse seinen Außenhandelsüberschuss abbauen. (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Genau!) Eine solche Forderung ist kompletter ökonomischer Unfug. (Beifall bei der CDU/CSU) Selbst wenn wir dies täten, würde dies nie die strukturellen Probleme in den jeweils betroffenen schwachen Ländern in der Euro-Zone lösen. Es kann und darf nicht -unser Ansinnen sein, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit um den Preis ausgeglichener Leistungsbilanzen innerhalb des Euro-Raumes aufgibt. Das dürfen wir niemals tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb lautet mein Credo: Nicht der Bessere – nicht wir – hat sich an den Schlechteren und Schwächeren zu orientieren, sondern bitte gefälligst umgekehrt! (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege Ramsauer, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ernst zu? Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Gerne. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ach, jetzt wird es anstrengend!) Klaus Ernst (DIE LINKE): Herzlichen Dank. – Meine Frage ist sehr einfach. Sie haben gerade gesagt, der Abbau des Außenhandelsüberschusses wäre falsch und geradezu katastrophal. Jetzt haben wir nach wie vor ein gültiges Gesetz, das sich Stabilitätsgesetz nennt. In diesem Stabilitätsgesetz ist als Ziel staatlicher Wirtschaftspolitik von ausgeglichenen Handelsbilanzen, also ausgeglichenen Verhältnissen zum Ausland die Rede. Wollen Sie mit Ihrer Aussage den Deutschen Bundestag und die eigene Regierung auffordern, sich künftig nicht mehr an dieses Gesetz zu halten, das ja ausgeglichene Handelsbilanzen vorschreibt? Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Lieber Kollege Ernst, wir mögen uns persönlich ja sehr gerne. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Man kann aus dieser Frage ableiten, dass Sie im Rahmen Ihrer gewerkschaftlichen Ausbildung auch Wirtschaftskunde belegt hatten und dort etwas über das magische Viereck gelernt haben, welches bekanntermaßen im Stabilitätsgesetz verankert ist. Wir haben hier aber auch gelernt, dass die vier Ziele des magischen Vierecks – es gibt neben dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht ja noch drei weitere Ziele – höchstens wirtschaftstheoretisch gleichzeitig erreicht werden können und dass es dazwischen immer gewisse Schwankungen gibt. Ohne diesen Außenhandelsüberschuss – ich halte meine Antwort kurz, obwohl ich jetzt gerne eine kleine Vorlesung über Volkswirtschaft und Stabilitätstheorie halten würde – würden wir die anderen drei Ecken dieses magischen Vierecks in höchstem Maße gefährden. Deswegen bedaure ich diesen Zustand nicht, sondern ich freue mich darüber, dass es so ist. Überall, wo man in der Welt hinkommt – wir waren kürzlich miteinander irgendwo – – (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: China! – Zurufe von der Regierungsbank) – Vielen Dank, lieber Herr Gabriel. China ist auch irgendwo. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Der Ernst war aber in Nordkorea! Er war falsch!) Spaß beiseite. Wir waren zusammen in China. Das, was wir dort gehört haben, bestätigt sich an allen Ecken und Enden. Neulich in Korea, Bernd Westphal, haben wir es wieder gehört: Das, was von uns aus Deutschland dorthin exportiert wird, erfreut sich dort allergrößer Beliebtheit, nach dem Motto: Was aus Deutschland kommt, ist nicht nur „Made in Germany“ – das ist ein Markenbegriff in der ganzen Welt –, sondern überzeugt auch durch Qualität und Zuverlässigkeit. Wenn wir dadurch einen Außenhandels- und einen Leistungsbilanzüberschuss haben, dann soll uns das recht sein. (Beifall bei der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So, jetzt ist gut!) Zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten – auch das ist schon kurz angesprochen worden –: Ja, wir wissen, es gibt hierüber starke Debatten in allen Lagern der Gesellschaft. In diesen Debatten kommt mir aber viel zu kurz, dass auch einmal die Chancen herausgestellt werden, die dieses Transatlantische Freihandelsabkommen in sich birgt. Wir wollen von unseren Standards im Umweltbereich, im Sozialbereich, im Gesundheitsbereich usw. ja nicht weg. Aber glaubt denn jemand von uns, dass aufstrebende Volkswirtschaften wie Indien, Brasilien und China mit ihren riesigen Wirtschaftsräumen darauf warten, bis wir Europäer uns einmal bequemen, unsere Standards global zu setzen? Nein, das tun sie nicht. Deswegen müssen wir zusammen mit den Vereinigten Staaten – einen besseren Partner als die Vereinigten Staaten kann ich mir hier nicht vorstellen – die Kraft und die Fähigkeit aufbringen, in diesem Freihandelsabkommen global die Standards zu setzen, die wir haben wollen. Genau darin liegen die großartigen Chancen, und die dürfen wir nicht vertun. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein Allerletztes zum Export: Der Interministerielle Ausschuss für Exportkreditgarantien hat beschlossen, dass zukünftig keine Garantien des Bundes für den Export von Anlagen zur nuklearen Stromerzeugung übernommen werden sollen, und zwar mit der Begründung, dass diese fehlende Deckung Folge des Atomausstiegs ist. Was ich nicht will, ist, dass wir uns, wenn wir 2022 alle Atomanlagen abgeschaltet haben werden und diese Anlagen dann auseinanderbauen, die einzelnen Teile verwerten und lagern müssen, das Know-how für kerntechnische Fragen aus Frankreich, Japan oder China zurückholen müssen. Deswegen halte ich diesen Teil der Exportpolitik im Hinblick auf Garantien für einen Fehler. Wir müssen alles daransetzen, dass wir dieses Wissen im Lande behalten. Dazu gehört auch, dass wir uns vornehmen, alles für unsere Wettbewerbsfähigkeit zu tun und – noch einmal – alles zu unterlassen, was ihr entgegensteht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD]) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Das Wort hat Andreas Lämmel. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Vorwort ist festzustellen: Der Haushaltsplan des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist auch 2014 solide finanziert. Er setzt auf Investitionen und Innovationen. Insofern steht er in der Kontinuität der letzten Jahre. Wir alle können diesem Haushalt mit gutem Gewissen zustimmen. Nun wurde in der Diskussion um diesen Haushalt immer wieder das Thema Luft- und Raumfahrt erwähnt, das einen großen Teil der Ausgaben für Forschung und Technologie subsumiert. Natürlich muss man sagen: Das Bundeswirtschaftsministerium ist kein Luft- und Raumfahrtministerium. Deswegen muss man sehen, dass die Ausgewogenheit bei der Technologieförderung gewahrt bleibt; denn es gibt weitere Technologiefelder, die genauso innovativ und genauso wichtig für die Zukunft unseres Landes sind. Es hat auf der europäischen Ebene im letzten Jahr Empfehlungen der „High-Level Group“ zur Weiterentwicklung der Schlüsseltechnologien gegeben, also der Mikroelektronik, der Nanotechnologien und zweier weiterer Technologien. Man kann anhand der Mikroelektronik sehen, dass in Europa 200 000 Arbeitsplätze direkt an dieser Branche hängen und knapp 1 Million Arbeitsplätze indirekt mit ihr verbunden sind. Die IT-Industrie und die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich gewinnen immer mehr an Bedeutung. Das hängt ganz einfach mit der nächsten industriellen Revolution zusammen, wenn ich es einmal so sagen darf, die vor der Türe steht. Das ist die sogenannte Industrie 4.0, wie sie heute modern wie beim Internet bezeichnet wird. Wenn man einen Blick zurück wirft, erkennt man, dass die Industrie 3.0 ein technologischer Schritt gewesen ist, bei dem es um die Digitalisierung der Industrie und um den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ging. Diese Entwicklung hat Europa im Wesentlichen verschlafen. Die Folgen davon sind jetzt, dass die Amerikaner und die Asiaten mit ihren übermächtigen Konzernen die Märkte dominieren. Beim Eintritt in die Industrie 4.0 haben wir jetzt die große Chance, dass Europa und damit Deutschland an der Spitze mitmarschieren. Diese Chance müssen wir ergreifen. Letztendlich geht es darum, den Kampf um die industrielle Produktion im 21. Jahrhundert zu gewinnen. Das wurde auch von der Bundesregierung frühzeitig erkannt. Man muss dafür nur einen Blick in die Hightech-Strategie werfen, die schon vor Jahren entworfen wurde. Darin kann man sehen, dass Deutschland zum Leitmarkt für internetbasierte Technologien für die industrielle Produktion – das ist praktisch der Schritt in die Industrie 4.0 – werden soll. Diese Industrie 4.0 ist eben nicht mehr nur Sache des Wirtschaftsministeriums, sondern das ist mittlerweile zur Querschnittsaufgabe der ganzen Bundesregierung geworden. Es geht letztlich um die Vernetzung der Industrie. Dafür braucht man den Breitbandausbau. Man braucht schnelle und leistungsfähige Netze, um den Schritt zur Industrie 4.0 zu ermöglichen, einen entsprechenden Rechtsrahmen und einen hohen Standard in den Informationstechnologien. Dies alles können wir in Deutschland und in Europa gut. Das Bundeswirtschaftsministerium hat schon auf diese technologische Entwicklung reagiert. Vielleicht ist das den Grünen entgangen, sonst wären sie sicherlich darauf eingegangen. Es gibt ein neues Förderprogramm, das sich „Autonomik für Industrie 4.0“ nennt. Normale Bürger verstehen die Begriffe aus der Industrie 4.0 wahrscheinlich nicht; man muss deshalb eine Übersetzung mitliefern. Bei dem Programm Autonomik 4.0 geht es genau darum, den Weg in die Industrie 4.0 zu beschreiten. Es sind schon 14 Verbundprojekte aus diesem neuen Förderprogramm genehmigt worden. Seitens des Bundeswirtschaftsministeriums werden 40 Millionen Euro bereitgestellt, um diese Projekte voranzubringen. Weitere 40 Millionen müssen übrigens die Industriepartner selbst dafür aufbringen. Meine Damen und Herren, was ist die nächste industrielle Revolution, an der wir gemeinsam arbeiten? Das ist im Prinzip ein Verbund aus intelligenten Komponenten. Früher hat die Maschine gedacht. In der Industrie 4.0 denkt nicht nur die Maschine, sondern es denkt sozusagen auch das Werkstück mit: Es gibt Befehle, wie es bearbeitet werden möchte und was daraus entstehen soll. Wenn wir als Politiker angehalten sind, mittel- und langfristig zu denken, heißt das für uns: Industrie 4.0 muss in den nächsten Jahren im Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen. Deswegen finde ich es zum Beispiel gut, dass das Bundesforschungsministerium nächste Woche eine erste Mikroelektronikstrategie für Deutschland in Brüssel präsentieren wird. Das ist aus meiner Sicht ein erster Schritt in diese Richtung. Ich denke, Herr Minister, wir werden in den nächsten Monaten darüber diskutieren müssen, wie wir in Deutschland und natürlich auch in Europa – das wird Deutschland nicht alleine leisten können – in diesen Schlüsseltechnologien zu einer Gesamtstrategie kommen können, um den Märkten in Asien und Nordamerika Paroli zu bieten. Die Energiepolitik ist ein ganz wichtiger Bereich für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Aber der Blick in die Zukunft, das heißt das Umsetzen von Konzepten für die Industrie 4.0, ist mindestens genauso wichtig. Denn wenn dieser Zug an uns vorbeifährt, dann müssen wir nicht mehr solche Debatten führen, weil dann die Wertschöpfung abwandern wird und die Sicherung des Wohlstands in Deutschland infrage gestellt wird. Ich hoffe, dass wir nach der Verabschiedung des Haushaltes 2014 über die Eckpunkte 2015 und auch über die mittelfristige Entwicklung des Haushaltes des Bundeswirtschaftsministeriums diskutieren. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam eine Strategie entwickeln, um uns den Herausforderungen stellen zu können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Zum Schluss dieser Debatte hat jetzt die Kollegin Daniela Ludwig das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Daniela Ludwig (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben sehr viel über unterschiedlichste Wirtschaftsbranchen gehört, die für die Bundesrepublik überlebensnotwendig sind und deren Funktionieren für die Bundesrepublik lebensnotwendig ist. Ein Bereich wurde dankenswerterweise von dem Kollegen Held – leider nur von ihm – erwähnt. Es ist jetzt meine Aufgabe, eine der wichtigsten Branchen mit einer Wertschöpfung von 100 Milliarden Euro im Jahr und fast 3 Millionen Beschäftigten in Deutschland ein bisschen in den Fokus zu rücken. Das ist der Tourismus in unserem Land, der sehr, sehr wichtig ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Marcus Held [SPD]: Endlich!) Die 3 Millionen Beschäftigten in diesem Bereich sind überwiegend in kleinen und mittleren Unternehmen tätig. Das ist deshalb von Bedeutung, weil diese kleinen und mittleren Unternehmen nicht einfach auswandern können, wenn wir Rahmenbedingungen schaffen, die nicht gut sind. Sie sind uns sozusagen ausgeliefert. Umso wichtiger ist, dass wir von bundespolitischer Seite die Rahmenbedingungen für unsere deutsche Tourismusbranche so gut wie möglich halten. Die Bundesregierung wird noch in dieser Legislaturperiode – ich denke, in Kürze, Herr Minister; so sind wir jedenfalls im Ausschuss verblieben – ein Konzept für den Kulturtourismus auflegen. Sie werden sich denken: Warum ist das so wichtig? Wir sind doch im Städtetourismus führend in Europa. – Ja, das sind wir. Wenn wir aber schon einmal die Touristen in unseren Städten haben – kein anderes Land in Europa hat so viele kulturell wertvolle Stätten wie Deutschland –, sollten wir die Chance nutzen und sie aus unseren Städten in die ländlichen Regionen locken; denn auch dort verbirgt sich noch sehr viel Wertschöpfung. Da können wir noch etwas tun. Gerade Regionen, die wirtschaftlich nicht so stark aufgestellt sind, wohl aber über wertvolle Landschaften verfügen, müssen wir die Chance eröffnen, noch mehr Tourismus zu ermöglichen. Ich bin sehr dankbar, dass wir dies in Zusammenarbeit mit dem dafür zuständigen Bundeswirtschaftsministerium tun werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr kluge Worte!) Es gibt allerdings Bausteine, die für das Funktionieren des Tourismus unerlässlich sind. Ganz oben steht eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus. Umweltverträglichkeit wird auch in Zukunft ein großes Stichwort sein. Natürlich kommen die Menschen auch zu uns, um Natur zu genießen. Wenn wir die Natur schädigen, der Flächenverbrauch zu hoch ist und das Wasser in unseren Seen nicht mehr die wünschenswerte Qualität hat, dann wird der Tourismus sehr bald sterben. Ein weiteres Thema ist – darüber debattieren wir sehr oft – die Erreichbarkeit unserer touristischen Regionen. Wie gesagt, die Städte sind relativ gut erreichbar. Will man aber darüber hinaus irgendwohin, wird es schwierig, egal welchen Verkehrsträger man nimmt. Das heißt, wir werden beim Erstellen des neuen Bundesverkehrswegeplans darauf achten müssen, dass touristisch wertvolle Regionen nach wie vor mit unterschiedlichen Verkehrsträgern erreicht werden können. Das ist eine ganz große Herausforderung, der wir uns zu stellen haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Natürlich spielt es eine Rolle, ob WLAN in der jeweiligen Tourismusregion nutzbar ist. Weiterhin spielt es eine große Rolle, ob die Verkehrsträger, die Hotels und die touristischen Angebote barrierefrei sind. Wir wollen Familien und älteren Menschen Reisen ermöglichen. Wir wollen im Tourismus aber auch Inklusion fördern; denn behinderte Menschen haben das gleiche Recht wie wir nicht so stark Gehandicapten, dorthin zu reisen, wohin sie wollen. Auch hier gibt es große Herausforderungen, deren Bewältigung wir von Bundesseite mit der Setzung entsprechender Rahmenbedingungen erfolgreich begleiten können. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein weiterer Punkt ist der Fachkräftebedarf. Wir alle haben den Anspruch, in unserem Urlaub oder zum Beispiel heute Abend, wenn wir frei haben und Fußball schauen, (Marcus Held [SPD]: Dienstlicher Termin!) von motiviertem, gut ausgebildetem Personal unterstützt zu werden. Da spielt die Entlohnung natürlich eine Rolle. Des Weiteren muss wahrscheinlich das Berufsbild in der Gastronomie deutlich überarbeitet werden. Für mich spielt allerdings die Frage nach der Anerkennung die größte Rolle: Wie gehen wir mit den Menschen um, die im Dienstleistungsbereich arbeiten? Schätzen wir es, dass sie gut ausgebildet und freundlich sind und dass sie unser Land bei ausländischen Touristen repräsentieren? Ich glaube, hier haben wir noch ein Stück weit Nachholbedarf, für dessen Deckung ich hier werben möchte. Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zuletzt möchte ich der Deutschen Zentrale für Tourismus herzlich danken. Sie ist sozusagen unser Werbefachmann im Ausland und unterstützt die Bewerbung Deutschlands überall dort, wo wir wahrgenommen werden. Wir sind davon abhängig, dass die Menschen zu uns kommen. Die DZT plant die Errichtung eines Büros in Brasilien erst im Jahr 2017. Im Moment haben wir einen anderen Werbeträger in Brasilien. Das ist unsere deutsche Nationalmannschaft. (Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hoffentlich noch lange!) Bevor die DZT es macht, machen es hoffentlich unsere Fußballer heute Abend. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Vergessen Sie mir den Tourismus nicht! Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09 – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag auf Drucksache 18/1854? – Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Wer stimmt dagegen? – Die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 09 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Einzelplan 09 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt II.15 auf: Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/1020, 18/1023 Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Swen Schulz, Anette Hübinger, Roland Claus und Ekin Deligöz. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Roland Claus das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin, ich will einmal mit der Frage beginnen: Was ist das Besondere an diesem Etat, über den wir jetzt reden? Wenn man wie ich im Haushaltsausschuss die Etats fast aller Bundesministerien bearbeitet hat, kann man einen Vergleich ziehen. Ich weiß natürlich, dass jeder Etat für sich zu Recht in Anspruch nimmt, einzigartig zu sein; (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber hier ist es wirklich zu Recht!) aber das Besondere an diesem Etat ist, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung relativ wenig verwalten muss und sehr viel zu verteilen hat. Es ist also ein Etat der Förderprogramme und der -Finanzierung außeruniversitärer Forschung. Das erklärt auch, warum es bei diesem Etat recht häufig ein hohes Maß an Gemeinsamkeit im Parlament gibt und sehr viele Entscheidungen über Maßnahmen getroffen werden, die durchaus von der Gesamtheit des Parlaments unterstützt werden. (Beifall im ganzen Hause) Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Niemand im Bundestag hat die Absicht, etwas gegen Bildung und Geld für gute Bildung zu sagen. (Heiterkeit) Aber leider muss man zuweilen auch über schlechte Bildungspolitik und schlechten Umgang mit Geld für Forschung und Bildung reden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Frau Ministerin, ich weiß noch nicht, was Sie heute sagen werden, aber ich habe Sie ja schon oft gehört. Sie machen Ihren Erfolg, den Sie hier erklären, immer und immer wieder daran fest, wie viele Mittel Sie auf den Weg gebracht haben. Das, finde ich, ist Ihr Problem. Dabei kommen Sie ja noch gut weg. Entscheidend ist aber doch nicht die Frage, wie viele Mittel man in das System gegeben hat, sondern entscheidend ist: Was ist dabei herausgekommen? Was ist erreicht worden? Welche gesellschaftlichen Veränderungen sind erzielt worden? Da sieht die Bilanz natürlich anders aus. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Karamba Diaby [SPD]: 9 Milliarden!) – Danke für den Zwischenruf. – Wer sich mit Milliarden für die Bildung schmückt, der darf über ein gescheitertes Bildungssystem nicht schweigen. (Beifall bei der LINKEN) So wie der Bundeshaushalt insgesamt ein Haushalt der sozialen Spaltung ist, so setzt sich die soziale Spaltung im Bildungswesen fort. Die soziale Stellung von Kindern und Jugendlichen entscheidet leider maßgeblich über deren Bildungsweg. Ich sage Ihnen: Das muss endlich in einer gemeinschaftlichen Aufgabe überwunden werden. (Beifall bei der LINKEN) 16 verschiedene Schulsysteme in Deutschland sind nicht zukunftsfähig. Die gehören allenfalls ins Museum. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt stehen wir wieder vor einem neuen Schuljahr. Wir merken wieder mit aller Deutlichkeit gerade im Westen und im Süden der Republik, dass ein mangelhaftes Schulhortnetz das Problem mit sich bringt, dass in der Regel junge Frauen aus der Erwerbsarbeit gedrängt werden, mindestens aber in ihren Aufstiegschancen behindert werden. Das ist anachronistisch. Das gehört verhindert. (Beifall bei der LINKEN) Da ist es angebracht, zu sagen, dass die Bundesrepublik bei der Ausgestaltung der deutschen Einheit leider nicht in der Lage war, fortschrittliche Erfahrungen aus dem Bildungswesen, aber auch aus dem Gesundheitswesen der DDR zu übernehmen. Ich sage Ihnen: Für diese Erkenntnis bekommen Sie heute auch in Bayern Zustimmung. (Beifall bei der LINKEN) Gleich wird Frau Bundesministerin Wanka die vielen begrüßenswerten Aufwüchse, die für diese Legislatur vorgesehen sind, vorstellen. Aber trotz all dieser umfangreichen Förderprogramme ist Bundesministerin Wanka eigentlich die Verliererin der Haushaltsberatungen. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das sehen wir aber anders!) – Das kann ich mir vorstellen. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das ist auch anders!) Das will ich kurz erklären. Als wir im April über den Etat gesprochen haben, sind Sie noch davon ausgegangen, dass die 500 Millionen Euro, die für den Einstieg in die Unterstützung der Länder in den Bereichen Kita, Schule und Hochschule vorgesehen waren, beim Bundesfinanzministerium gewissermaßen nur geparkt sind, Ihnen aber zur Verfügung stehen. Bei der Konsolidierung in der letzten Nacht der Haushaltsberatungen sind Sie hinsichtlich dieser Erwartung enttäuscht worden. Jetzt können Sie diese Situation nicht nachträglich schönreden; denn wir haben sehr wohl gemerkt, wie die Kolleginnen und Kollegen aus Ihrem Ministerium um diesen Posten gekämpft haben. (René Röspel [SPD]: Das Geld ist doch nicht weg! Das dreht doch nur eine Runde!) – Sie sind im Jahr 2014 an mehreren Stellen enttäuscht worden, gehen aber wie selbstverständlich davon aus, dass das 2015 alles wieder hereinkommt. Darüber werden wir im September reden. (Beifall bei der LINKEN) Durch die Minderausgabe von 400 Millionen Euro, ein gigantischer Betrag, den das Ministerium im Laufe des Haushaltsjahres einzusparen hat, sind Sie mit einer schwierigen Aufgabe belastet. Eine solche Minderausgabenfestlegung stellt immer auch eine große Verführung dar, nämlich die vorhandenen Fördermittel nicht konsequent abzufinanzieren, sondern möglichst etwas davon stehen zu lassen. Sie treten natürlich die Flucht nach vorne an und erklären uns, das werde im Jahr 2015 alles besser. Das werden wir dann sehen. Wenn man sich anschaut, welchen Weg die Fördermittel des Bundesministeriums nehmen, dann stellt man fest, dass es zwei große Geldströme aus Berlin gibt: Der eine geht von Berlin nach München und der andere von Berlin nach Köln/Bonn. Verteilungsgerechtigkeit sieht nach unserer Auffassung anders aus. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Willi Brase [SPD]: Was haben Sie denn gegen NRW?) Frau Ministerin, Sie haben in diesem Jahr beim Etat 2014 die Kabinettsdisziplin leider über Ihre Ressortverantwortung gestellt. (Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das muss beim Etat 2015 deutlich anders werden. Es geht auch nicht, dass bei einer BAföG-Reform, die ja begrüßenswert ist, die Abgeordneten des Bundestages vom Handeln der Exekutive erfahren; schließlich geht es doch darum, das Parlamentsrecht gerade hinsichtlich des Haushaltes auszuüben. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir können aus vielen Fehlern des Jahres 2014 lernen. Das beginnt damit, Frau Ministerin, dass Sie diese Fehler bitte nicht auch noch zu Tugenden erklären. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Matte Rede war das!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Anette Hübinger hat als nächste Rednerin das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Anette Hübinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die gute Botschaft an den Anfang meiner Rede. Sie lautet: Bildung und Forschung haben, wie schon in den vergangenen Jahren, auch in dieser Koalition Priorität. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) In der Bereinigungssitzung hat die Koalition den Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung um weitere 85 Millionen Euro auf mehr als 14 Milliarden Euro erhöht. Damit erhöhen wir ihn zum neunten Mal in Folge und erreichen einen Höchststand. Diesen Weg wollen wir auch in den nächsten Jahren weiter-gehen. Es ist aber auch ein ganz besonderes Signal an Eltern, junge Auszubildende und Studierende, aber auch in die Forschungs- und Wissenschaftslandschaft hinein, dass Deutschland auf diesem schon vor Jahren eingeschlagenen Weg, Bildung und Forschung in das Zentrum zu stellen, weiter vorangeht. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu den Vorstellungen des Kollegen Claus werden wir diesen Weg weiter verfolgen; denn im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass 9 Milliarden Euro zusätzlich – haushalterisch allerdings erst ab 2015; die 85 Millionen Euro in diesem Jahr zählen nicht dazu – in den Bildungsbereich fließen werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Für den Bund war ganz besonders wichtig, dass Innovation und Forschung auf solide Füße gestellt werden. Dafür haben wir 3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Diesbezüglich werden wir insbesondere drei Maßnahmen ergreifen: Wir stärken die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Wir werden aber auch die Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation finanzieren. Für die Länder war ganz besonders wichtig, dass im Zusammenhang mit den immer weiter steigenden Ausgaben im Bildungsbereich eine Entlastung erfolgt. Das haben wir dadurch bewerkstelligt, dass der Bund die Länder auf Dauer – nicht nur bezogen auf diese Legislaturperiode – von den Belastungen beim BAföG befreit. Das bedeutet für den Bund Mehrausgaben von ungefähr 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Wir haben in dieser Legislaturperiode auch 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, um weiterhin den Krippen- und Kitaausbau vorantreiben zu können. Das heißt, dass der Ausbau des Betreuungsangebotes in Deutschland jetzt zügig vorangehen kann. Die durch die Entlastung der Länder frei werdenden Mittel sollen auch weiterhin im Schul- und Hochschulbereich eingesetzt werden. Das haben die Länder fest zugesagt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich muss sagen: Das ist eine sehr kluge Entscheidung der Länder; denn es gibt keinen Bereich, in dem Investitionen eine so hohe Rendite bringen und so nachhaltig sind, wie bei der Bildung. Deswegen kann man sie für diese Entscheidung nur loben. Wir vom Haushaltsausschuss werden allerdings auch ein Auge darauf haben, dass dies so geschieht und dass es weiter in den richtigen Bereichen umgesetzt wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Denn aus unserer Sicht ist wichtig, dass das Geld in diesem Bereich bleibt, damit das 10-Prozent-Ziel, das wir uns einmal selbst gesetzt haben, also 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Bildung zu investieren, auch erreicht werden kann. Auch wenn die 9 Milliarden Euro in diesem Jahr noch nicht wirksam werden, muss ich dem Vorwurf von Herrn Claus widersprechen, dass wir hier einfach Bildungsausgaben wegstreichen; denn dass die 500 Millionen Euro erst einmal geparkt waren, war eine reine Vorsorgemaßnahme des Bundesministeriums der Finanzen. Dafür ist es da, und dazu ist es auch verpflichtet. Das heißt aber nicht, dass die Politik sich nicht anders entscheiden kann. Die Politik hat sich entschieden, mit der Bereitstellung der 9 Milliarden Euro erst ab 2015 zu starten. Dabei wird jeder Cent – darauf werden wir auch vonseiten des Bundes achten – in Bildung und Forschung investiert werden, und zwar im Laufe dieser Legislaturperiode. Herr Claus, da können Sie also ganz beruhigt sein: Wir werden bei Bildung und Forschung nicht kürzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Aber eine ordnungsgemäße Haushaltsführung bedeutet auch, dass wir die Mittel so einstellen, dass sie abfließen können. Wir verabschieden jetzt den Haushalt 2014. Wir haben ein halbes Jahr Umsetzungszeit für die Projektierung, die Ausschreibung, das Auswahlverfahren und den Mittelabfluss. Das alles ist in einer dreifachen Millionenhöhe eigentlich gar nicht seriös zu bewerkstelligen. Wir haben gemeinsam mit den Fachpolitikern den Einzelplan 30 in einigen Punkten so verändert, dass er dem Koalitionsvertrag mehr entspricht, und zwar dort, wo wir es für relevant halten. Wir haben bei dieser Nachjustierung auch das halbe Jahr Haushaltsvollzug berücksichtigt, genauso wie unsere Eigenverpflichtung, die Nettokreditaufnahme nicht zu steigern, sondern bei 6,5 Milliarden Euro zu belassen. Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, einige Punkte nennen. Leider ist der Hauptberichterstatter, Herr Schulz, heute aufgrund einer Trauerfeier nicht anwesend. Ich gehe davon aus, dass Herr Heil noch mehr Punkte als ich benennen wird. Wir haben inhaltlich nachjustiert, zum Beispiel bei der Berufsorientierung während der Schulzeit. Erforderlich ist nämlich eine gute Beratung von Schülerinnen und Schülern, sei es im Hinblick auf eine duale berufliche Ausbildung oder im Hinblick auf ein Studium. Beide Ausbildungsgänge sind für uns gleichwertig. Durch die große Durchlässigkeit der einzelnen Ausbildungswege eröffnen wir jungen Menschen gute Chancen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deshalb wurde der Titel „Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung“ um 10 Millionen Euro erhöht; er umfasst jetzt 75 Millionen Euro. Des Weiteren brauchen junge Menschen in einer globalisierten Welt die Möglichkeit, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Deutschland braucht die Erfahrungen und die Kompetenz junger Leute, um in allen gesellschaftlichen Bereichen – auch in Wirtschaft und Wissenschaft – im globalen Wettbewerb in einer immer enger zusammenwachsenden Welt vorankommen zu können. Wir haben mit dem DAAD und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zwei weltweit renommierte Institutionen. Auch deren Etat haben wir um 10 Millionen Euro erhöht. Damit haben wir eine haushalterisch gute Grundlage für ihre so wichtigen Aufgaben geschaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir stärken den Bereich „Weiterbildung und lebenslanges Lernen“ durch zusätzliche 3 Millionen Euro. Das soll auch der Alphabetisierungsstrategie zugutekommen. Wir erhöhen aber auch den Ansatz für die Beratung über die Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen, und wir stärken die Aufstiegsstipendien. Wir tun dies, weil wir allen Menschen in Deutschland Bildungschancen und Zukunftsperspektiven eröffnen wollen. Im Forschungsbereich Gesundheit stoßen wir eine Wirkstoffinitiative an, die sich auf Multiresistenz und Sepsis im Bereich der Antibiotika fokussiert. Außerdem bringen wir ein Forschungsnetzwerk „Kinder- und Jugendgesundheit“ auf den Weg. Die Forschung über Sicherheit im IT-Bereich stärken wir durch die Aufstockung der zur Verfügung gestellten Mittel um 2 Millionen Euro. Wir stärken aber auch die Forschung an Fachhochschulen durch zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Millionen Euro. Neben diesen besonderen Akzenten reagieren wir mit dem Haushaltsplan für Bildung und Forschung auch auf nicht vorhersehbare Mehrausgaben beim BAföG und beim Rückbau und der Stilllegung kerntechnischer Versuchs- und Demonstrationsanlagen. Die Mehrausgaben beim BAföG in Höhe von 37 Millionen Euro konnten innerhalb des Haushaltes gegenfinanziert werden, während wir 85 Millionen Euro für Rückbau und Stilllegung der kerntechnischen Forschungsanlagen als zusätzliche Mehrausgaben in den Haushalt eingestellt haben. Das stärkt den Forschungsbereich natürlich ganz besonders. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf zum Schluss noch ein Wort des Dankes sagen. Mein Dank gilt meinem Mitberichterstatter, Herrn Claus, meiner Mitberichterstatterin, Frau Deligöz, und insbesondere unserem Hauptberichterstatter, Herrn Schulz. In meinen Dank schließe ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusses und des Ministeriums ein. Ich danke für die gute Zusammenarbeit. Ich glaube, Herr Schulz hat unsere Arbeit bei dieser wichtigen Aufgabe wunderbar koordiniert. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich danke für die Aufmerksamkeit und verabschiede mich mit dem Hinweis: Bildung und Forschung haben in Deutschland weiterhin Vorfahrt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus gegebenem Anlass möchte ich Sie jetzt alle bitten, sich etwas stärker an die Redezeit zu halten. Wir alle haben miteinander verabredet, dass wir heute pünktlich Schluss machen. Das werden wir nicht erreichen, wenn es uns nicht besser gelingt, der Vorgabe zu folgen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oh, oh!) Ich spreche also eine Mahnung an alle aus, sich an ihre Redezeiten zu halten. Ich weiß, ermahnt fühlen sich wahrscheinlich diejenigen, die sich sowieso an die Redezeit halten werden. Ich bitte einfach um Verständnis. Die Kollegin Deligöz hat jetzt das Wort. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Hinter uns liegen in der Tat sehr intensive Haushaltsberatungen über den Bildungs- und Forschungsetat. In diesem Etat geht es ja auch richtig um etwas. Wenn wir über Bildung, Forschung und Wissenschaft reden, geht es um nicht weniger als um die Zukunft dieses Landes und die Antworten auf die wichtigsten Fragen unserer Zeit, zum Beispiel die Veränderungen unserer Demografiestruktur, die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands und vor allem die Chancen- und Teilhabegerechtigkeit in diesem Land. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Von daher schließe ich mich dem Dank an Swen Schulz an, der mit seinen kritischen Fragen die Berichterstattergespräche wirklich sehr belebt hat. Leider kann er heute aus persönlichen Gründen nicht dabei sein. Aber diesen Dank richtet die SPD ihm sicherlich gern aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber – jetzt kommt das große Aber –: Der Einzelplan 30 ist leider ein Einzelplan im Wartestand. 6-plus-3-Milliarden-Paket, das klingt gut; es ist aber ein einziges Rätsel, und es wirft, ehrlich gesagt, mehr Fragen auf, als es Antworten gibt. Ein paar dieser Fragen will ich formulieren. Was geschieht zum Beispiel mit den Wissenschaftspakten? Eine richtige Antwort darauf haben Sie nicht. Frau Kollegin Hübinger, Sie haben das sehr gut gemacht mit dem detaillierten Darstellen von kleineren Beträgen. Aber wir brauchen auch den großen Wurf. (Anette Hübinger [CDU/CSU]: Der kommt!) Da reichen diese kleinen Beträge leider nicht aus. Daran müssen wir arbeiten, wenn wir die Dinge wirklich verändern und gestalten wollen und nicht nur eine Anpassung beim Status quo vornehmen wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wie wird die Grundgesetzänderung zur Kooperation zwischen Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich in Zukunft aussehen? Was passiert mit den Schulen? Das ist eine große offene Frage. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten, weil da in der Tat Bund und Länder – da sind auch die Grünen mit beteiligt – gefragt sind. Offene Fragen gibt es auch im Kitabereich. Sie haben gesagt: 1 Milliarde Euro werden investiert. Ich habe heute eine Antwort vom Ministerium zum Bereich des Einzelplans 17 bekommen. Die bestätigt: Es ist nicht 1 Milliarde, die investiert wird. 450 Millionen Euro davon sind bereits zugesagt und bewilligt. Das sind alte Mittel. Es kommen als frisches Geld lediglich 550 Millionen Euro dazu, (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ergibt 1 Milliarde!) aber die sind nicht einmal verbindlich zugesagt. Sie können nicht von zusätzlich 1 Milliarde Euro reden! Hören Sie auf, von zusätzlichen Mitteln in der Höhe zu reden! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie tricksen. Sie täuschen. Es sind gerade einmal 550 Millionen Euro, und die sind noch nicht einmal verbindlich. Jetzt komme ich zu der halben Milliarde für Bildungsinvestitionen. Wo ist denn eigentlich die zugesagte halbe Milliarde? Ich kann mich noch daran erinnern, dass Sie, Frau Ministerin, im Berichterstattergespräch sehr zuversichtlich waren, dass das Geld in Ihrem Haushalt noch draufkommt. Dann waren die Mittel da, dann waren sie woanders, plötzlich waren sie weg, dann waren sie verschollen, und jetzt sind sie verschoben. Was denn nun? Das Geld ist de facto nicht da. Wenn man dann noch bedenkt, dass Sie eigentlich eine globale Mehrausgabe von 410 Millionen Euro zu erbringen haben, dann erkennt man: Sie haben de facto Kürzungen in Ihrem Haushalt. Sie können noch sagen: Bei den kleineren Projekten haben wir draufgeschlagen. – Aber wenn man das gegenrechnet, kommt unter dem Strich immer noch weniger heraus, und zwar so wenig, dass sogar der Bundesrechnungshof die hohe globale Mehrausgabe in diesem Haushalt kritisiert, und das findet schon selten genug statt. Das sollte Ihnen wirklich zu denken geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was wir dringend brauchen, ist frisches Geld in diesem Etat, und nichts anderes. Das können wir nicht schönrechnen. Jetzt stelle ich noch eine andere Frage: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Länder die frei gewordenen Mittel, die sie aus dem BAföG-Deal zur Verfügung haben, auch tatsächlich für Bildung und Wissenschaft ausgeben? (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da sollten Sie als grüne Politikerin in Ihren Ländern dafür sorgen! Ich bin gespannt, was die machen werden!) – Jetzt weisen Sie auf die Grünen hin. Auf diesen Zwischenruf habe ich, ehrlich gesagt, gehofft. Ich gebe Ihnen ein paar schöne Beispiele: Rheinland-Pfalz will die Mittel in Inklusion in der Bildung und in die Hochschulen stecken. In Hessen kommt ein Sonderfonds Hochschulen. In Niedersachsen wird die dritte Krippenkraft finanziert. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das ist ein Bruch der Vereinbarung!) Ich finde, dass auch frühkindliche Bildung Bildung ist, selbst wenn Sie das in Zweifel ziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die grün-mitregierten Länder handeln. Sie sagen zu, und sie tun etwas. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wider die Vereinbarung! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sorgen Sie in Ihren Landesregierungen dafür, dass das Geld richtig eingesetzt wird!) – Ich traue meinen grünen Politikern. Ich traue Ihren -Politikern aber überhaupt nicht. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann trauen Sie doch Ihren Ländern! Die können dafür sorgen, dass das Geld richtig eingesetzt wird!) Dazu gebe ich Ihnen auch zwei Beispiele. In Bayern und in Brandenburg wurden von den Grünen zwei Anträge eingebracht. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Anträge, aber keine Konsequenzen! ) – Frau Präsidentin, das lasten Sie mir aber nicht an, dass die mich hier übertönen wollen. Ich rede! Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Da haben Sie recht. Das sollen Sie auch. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Konsequenz war: Die Anträge mit der Forderung, das Geld verbindlich für Bildung und Wissenschaft auszugeben, wurden von Ihnen abgelehnt. Deshalb traue ich Ihren Leuten nicht, meinen Leuten aber sehr wohl. – Das ist die Antwort auf Ihren Zwischenruf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Herr Kollege, Sie können gern eine Frage stellen. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Kollegin Deligöz, lassen Sie eine Frage des Kollegen Karamba Diaby zu? Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, selbstverständlich. Dr. Karamba Diaby (SPD): Liebe Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Aussage nicht stimmt? Sie sagen, Sie trauen den grünen Politikerinnen und Politikern auf Landesebene, den anderen nicht. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Land Sachsen-Anhalt entschieden hat (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein schlechtes Beispiel!) – das ist eine sehr gute Frage, Steffi Lemke –, dass 30 Millionen Euro, die für Sachsen-Anhalt jetzt infrage kommen, wie verbindlich zugesagt wurde, im Bereich Bildung (Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Frau Lemke, lassen Sie mich jetzt einmal zu Ende reden; dann können Sie weitere Zwischenrufe machen – (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Ja, das ist unmöglich!) eingesetzt werden? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen? (Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben vorher so gespart!) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, ich finde, aus Ihrer Frage spricht eine gewisse Unsicherheit. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Sie müssen immer wieder betonnen, wohin noch ein paar Mittel fließen, um sich sicher zu fühlen. Ich sage Ihnen eines: Die Debatte im Haushaltsausschuss hat es gezeigt – letztendlich wird es auch diese Debatte zeigen –, dass Sie sich unter dem Strich eigentlich unsicher sind. Sie sind sich deshalb unsicher, weil Sie nämlich mitverantwortlich sind für dieses Chaos, das Sie verursachen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie sich wirklich für Bildung einsetzen wollen: Warum haben Sie dann nicht mehr verbindliche Zusagen zur Verwendung der Mittel verlangt? Das hätten Sie doch tun können. Anstatt dass sich die Parteichefs der Koalition irgendwo in einem Hinterzimmer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zusammensetzen, hätten Sie mit allen Ländern reden können. Sie hätten die Verantwortung dafür übernehmen können und die Bildungspolitik dieses Landes mitgestalten können. Stattdessen müssen Sie jetzt bitten und betteln und auf das Prinzip Hoffnung setzen, dass das Geld dort ankommt, wo es benötigt wird. Ich weiß nicht, ob das die beste Art ist. Aber ich sage Ihnen: Wir können es besser. Auch Sie wissen, dass wir es besser können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Schlimmste ist vor allem, dass Sie auf die Kon-trollmöglichkeiten für diese Finanzmittel verzichten. Die Möglichkeit könnten wir haben. Der Kollege Schulz – das ist seine Leistung – (Anette Hübinger [CDU/CSU]: Nicht der Kollege Schulz! Die Koalition!) hat dafür gesorgt, dass es einen Monitoring-Bericht gibt. Das muss man hier sagen. Sie haben ihn übrigens auch gegen Kollegen der CDU/CSU durchgesetzt. Aber seien Sie doch ehrlich: Er ist ein zahnloser Tiger. Der Bericht zeigt vielleicht auf, was passiert ist und was nicht. Wir brauchen aber schon vorher eine Steuerung und eine verbindliche Vereinbarung, sodass wir uns darauf verlassen können. Die nächste Frage kommt sogleich. Was passiert mit dem BAföG? Sie verschieben die Erhöhung unter dem Strich auf das Ende der Wahlperiode. Es werden zwei Jahrgänge von Studierenden keinen Cent mehr bekommen. Jetzt haben wir die meisten Studierenden, und jetzt brauchen die Studierenden das Geld und nicht nur leere Versprechen. Das hat etwas mit fairen und gerechten Studienbedingungen in diesem Land zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein ganz kleines Beispiel: Aufstiegsstipendium. Hier wird die Bewilligung des Büchergeldes für Studierende, die nach der Berufsausbildung an die Uni kommen, anders gehandhabt als für Studierende, die nach dem Abitur ihr Studium aufnehmen. Dies anzugleichen, würde gerade einmal 8 Millionen Euro kosten. Sie finden es gut; die Ministerin findet es gut; alle finden es gut. Aber Sie machen es nicht. Hier wünschte ich mir etwas mehr Bodenständigkeit und Anerkennung der Lebensleistung der Menschen, die nach der Berufsausbildung eine Hochschule besuchen. Warum tun Sie sich hier so schwer damit, genau diese Gerechtigkeit herzustellen? Unser Antrag dazu lag Ihnen vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das, was mir am meisten Sorgen macht, sind die explodierenden Kosten für den Rückbau der nuklearen Anlagen. Das werden Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe sein, die auf diesen Haushalt zukommen. Hier schließe ich mich dem Kollegen Claus an: Verteidigen Sie Ihren Haushalt, Frau Ministerin. Wir stehen auf Ihrer Seite. Es kann nicht sein, dass die Entsorgung des Atomschrotts zulasten von Studierenden, Wissenschaftlern, Forschung, Schulen und Schülern finanziert wird. Es kann nicht sein, dass Sie die Kosten der Vergangenheit gegenfinanzieren, indem Sie bei den Ausgaben für Investitionen in die Zukunft kürzen. Das kann nicht sein. Das ist keine nachhaltige Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Diese Verantwortung müssen Sie übernehmen. Hier geht es darum, dass Sie tatsächlich Ihren eigenen Haushalt verteidigen und nicht nur die Politik der Vorgängerregierung. Um zu erfahren, was die Entsorgung des Atommülls kostet, haben wir eine Anfrage an Ihr Haus gestellt. Ich weiß inzwischen aus internen Quellen, dass die Antwort schon geschrieben wurde, wir sie aber nicht bekommen. Entweder wollen Sie nicht, können nicht oder trauen sich nicht. Egal wie die Antwort lautet, Sie müssen früher oder später offenlegen, worüber wir hier eigentlich reden, damit wir endlich Transparenz und Klarheit haben. Trauen Sie sich, damit Sie am Ende nicht allein auf den Kosten sitzen bleiben, was vor allem zulasten der Schüler und Universitäten gehen würde. Frau Ministerin, ich wünschte mir etwas mehr Engagement von Ihrer Seite. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein Fazit: Dieser Etat kann nicht alles gewesen sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist eine Herausforderung, dass wir Investitionen in diesem Bereich tätigen müssen. Das heißt übrigens auch, dass wir frisches Geld in die Hand nehmen und nicht nur herumtricksen. Frau Ministerin, wir unterstützen Sie dabei, aber Sie müssen auch etwas tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Hubertus Heil das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werte es als gutes Omen, dass in der Zeit, in der wir diesen Haushalt beraten, die frühere Ministerin Bulmahn hier präsidiert. Da wir hier über Traditionen auch in der Haushaltspolitik reden, will ich die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, dass wir es in den letzten 15 Jahren in einer Tradition wechselnder Regierungen – von Rot-Grün über die Große Koalition und Schwarz-Gelb bis heute – hinbekommen haben, bei allen Problemen, die wir nach wie vor haben, die Dinge zum Besseren zu bewegen. Ich will es an dieser Stelle einmal sagen: Edelgard Bulmahn hat diese Entwicklung in Zeiten eingeleitet, in denen in Deutschland im Bereich der Bildung zum Beispiel über den Pisa-Schock gesprochen wurde. Manchmal braucht man einen Schock, aber vor allen Dingen darf man dann nicht gelähmt sein; man muss anpacken. Insofern möchte ich mich ganz herzlich bei Edelgard Bulmahn bedanken; denn vieles, was wir heute diskutieren und fortsetzen – der Pakt für Forschung und Innovation zum Beispiel –, stammt aus ihrer Amtszeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jetzt ist Frau Wanka Ministerin, (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das ist auch gut so!) und wir wollen zusammenarbeiten, damit wir die Dinge weiter nach vorne bringen. Ich will sagen, dass sich die Geschäftsgrundlage bei der zweiten und dritten Lesung dieses Haushaltes gegenüber der ersten Lesung verändert hat, nicht nur aufgrund der Arbeit der Haushälter, denen ich ganz herzlich danke, sondern auch, weil wir Ihnen, Frau Deligöz, jetzt Fragen beantworten können, deren Beantwortung in der ersten Lesung zugegebenermaßen noch offen war, weil etwa die Frage, wie mit dem 6-plus-3-Milliarden-Paket umgegangen werden soll, noch zu besprechen war. Ich finde es aber in Ordnung, dass man es sorgfältig miteinander bespricht, damit man das Richtige tut. Diese Fragen sind jetzt geklärt. Ich will deshalb versuchen, eine Reihe der Fragen, die Sie gestellt haben, in meinem Redebeitrag zu beantworten. Vielleicht passt Ihnen nicht jede Antwort; aber ich finde, Sie haben das Recht auf eine Antwort. Die erste Frage ist: Welche Ziele verfolgen wir auf Bundesebene im Bereich der Bildungs-, der Wissenschafts- und der Forschungspolitik? Aus sozialdemo-kratischer Sicht kann ich sagen – daran lassen wir uns messen –, dass das Thema der Verbesserung der Chancengleichheit im Bereich der Bildung für uns eine Toppriorität bleibt; es ist der Maßstab für all das, was wir im Bereich der Bildung voranbringen. (Beifall bei der SPD) Es ist eine Frage, die etwas mit einer Wertehaltung, mit einer Überzeugung und mit unserem Menschenbild zu tun hat. Unser Menschenbild ist: Wir wollen, dass das Leben für die Menschen offen ist. Wir wollen nicht, dass Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht die Menschen nach ihrer Geburt auf ihre Verhältnisse festnagelt, sondern dass Menschen ihren eigenen Lebensweg gehen können und sie, wenn Sie so wollen, ein Stück weit Autor ihres eigenen Lebensweges sein können. Dabei ist der gerechte und chancengleiche Zugang zu Bildung auf allen Stufen der Bildungskette ein zentraler Punkt. Das heißt in diesem Zusammenhang konkret, dass wir uns im Bereich der Allianz für Aus- und Weiterbildung engagieren wollen, weil wir in diesem Bereich erleben, dass Chancengleichheit – Herr Minister Gabriel hat vorhin beim Bereich Wirtschaft darauf hingewiesen, dass die Hälfte der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland keine anständige Chance auf eine berufliche Erstausbildung hat – nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit ist, sondern in Zeiten des Fachkräftemangels auch eine Frage der ökonomischen Vernunft. Es ist erst vor kurzer Zeit im öffentlichen Bewusstsein angekommen – es ist Gott sei Dank auch in den Reden der meisten Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Bildung beschäftigen, deutlich geworden –, welchen Wert die duale Berufsausbildung in Deutschland hat. Es ist gut, dass wir dort in der Koalition gemeinsam mit der Allianz für Aus- und Weiterbildung einen Schwerpunkt setzen werden: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) bei der beruflichen Bildung und der Ausweitung von Bildungsketten. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Zum Thema Chancengleichheit gehört aber auch, dass wir uns um diejenigen kümmern, die beispielsweise eine Chance verpasst haben, Stichwort: Alphabetisierung. Wir haben in dieser reichen Gesellschaft eine große Zahl von Analphabeten. Ich bin den Haushältern dankbar, dass sie sich auf den Weg gemacht haben, beim Thema Alphabetisierungsinitiative nach vorne zu kommen. Die ernüchternde Zahl ist: Es gibt in Deutschland nach wie vor 7,5 Millionen funktionale Analphabeten. Lesen und schreiben zu können, meine Damen und Herren, ist nicht nur eine Kulturtechnik, sondern ist auch im digitalen Zeitalter nach wie vor eine Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben; (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) wir wollen diese Teilhabe für alle in diesem Land ermöglichen. Frau Kollegin Deligöz, zum Thema Chancengleichheit gehört auch das Thema BAföG. Wir haben uns zwischen Bund und Ländern darauf verständigt, dass der Bund zukünftig, ab 1. Januar 2015, die Finanzierung des BAföG vollständig übernehmen wird. Ich will sagen: Das halte ich aus mehrerlei Gründen für richtig. Es ist unter anderem richtig, weil wir den deutschen Bundesländern damit jährlich einen Spielraum von ungefähr 1,2 Milliarden Euro verschaffen, um gezielt in die Schulen, aber auch in die frühkindliche Bildung und in Hochschulen investieren zu können. Wir als Bundespolitiker müssen zu Recht alle miteinander darauf achten, ob uns das gelingt oder ob das Geld irgendwo versickert. Ich will eines sagen: Den Ländern darf man nicht mit einer Misstrauenskultur begegnen. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Hinschauen schadet nichts!) In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Parteienkonstellationen und auch unterschiedliche Erfahrungen, ganz klar, aber der Druck, in dem Bereich frühkindliche Bildung und Hochschule etwas zu machen, ist in jedem Bundesland sehr groß. Deshalb vertraue ich darauf, dass das, was die Ministerpräsidenten zugesagt haben, auch umgesetzt wird und dass das Geld dort auch ankommt. Wir müssen miteinander darauf achten. (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Niedersachsen!) Das Kooperationsverbot besteht noch, aber ich sage Ihnen: Der Weg einer dauerhaften Entlastung der Länder ist der richtige. Eine dauerhafte Entlastung ist wichtig, damit es in den Ländern nicht für vier Jahre zu einer Kurzatmigkeit kommt. Wir brauchen dauerhafte Spielräume, auch unter den Bedingungen der Schuldenbremse, um mehr in Bildung vor Ort investieren zu können. Ich halte das für den richtigen Weg. Ich halte es auch aus der Sicht des Bundes für den richtigen Weg. Ich könnte sagen: Wir müssen jetzt mehr Geld aufwenden. Aber dadurch wird das unwürdige Gezerre zwischen Bund und Ländern um eine BAföG-Erhöhung endlich aufhören, und wir als Bundespolitiker können endlich unseren Beitrag zur Chancengerechtigkeit im Bereich BAföG leisten. (Beifall bei der SPD – Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Ich gebe Ihnen die Gelegenheit, eine Frage zu stellen, wenn die Präsidentin das erlaubt. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Ich erlaube das selbstverständlich. – Herr Gehring. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Heil. – Halten wir fest: Die Rentenreform kommt sofort, die Entlastung beim BAföG aber erst zum 1. Januar 2015. Der Bund übernimmt dann 100 Prozent der Kosten; das stimmt. Das heißt aber, dass sich der Bund nicht länger hinter den Ländern verstecken kann. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Richtig! Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen dem Parlament und der Öffentlichkeit aber erklären, wieso die BAföG-Novelle erst zum Wintersemester 2016/2017 kommen soll. Das bedeutet, dass die Studierenden in den nächsten zweieinhalb Jahren keine BAföG-Erhöhung bekommen. Wenn man das durchrechnet – von der letzten BAföG-Novelle und -Erhöhung bis heute –, dann stellt man fest: Mit den 500 Millionen Euro, die Frau Wanka für die BAföG-Novelle vorsieht, wird noch nicht einmal die Inflationsrate ausgeglichen. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Doch! Mehr als ausgeglichen! Ein Blick in den BAföG-Bericht schafft Klarheit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Das bedeutet, Sie können die Sätze nicht anständig erhöhen, und Sie erhöhen sie erst in zweieinhalb Jahren. – Warum? Wieso kommt die BAföG-Novelle nicht vorher? Ihnen liegen Berichte vor, aus denen hervorgeht, wie dringend notwendig das wäre. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Herr Gehring, Sie haben den BAföG-Bericht nicht gelesen!) Erklären Sie dem Parlament, warum die Studierenden zweieinhalb Jahre auf eine BAföG-Erhöhung warten müssen. Das ist unverständlich. Der Bund kann sich nun nicht mehr hinter den Ländern verstecken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt denkst du nach!) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Lieber Herr Gehring, ich will Ihre Frage gerne beantworten, aber zuvor habe ich eine herzliche Bitte. Wir können über vieles reden, aber in der rhetorischen Einleitung Ihrer Frage die Rentner gegen die Studierenden auszuspielen, das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Also wirklich! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er nicht gemacht!) – Das hat er sehr wohl gemacht. – Sie kritisieren, dass wir die Lebensleistung von Müttern bei der Kindererziehung besser berücksichtigen, und spielen das gegen die Studierenden aus. Das ist doch nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt Polemik! Das hat er nicht gesagt!) Jetzt zum sachlichen Teil Ihrer Frage. Ich gebe zu: Ich hätte mir eine BAföG-Reform, was die Erhöhung der Sätze betrifft, früher gewünscht, zum Wintersemester des kommenden Jahres wäre das technisch möglich gewesen. Aber wir haben uns anders verständigt. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel zur Priorität bei Bildung!) – Ganz ruhig. (Albert Rupprecht [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Was machen die Grünen?) Jetzt müssen wir uns auf das Machbare konzentrieren. Noch einmal: Ich hätte mir das früher gewünscht, aber das hat etwas mit Spielräumen zu tun, die natürlich erst einmal geschaffen werden müssen. Ich sage Ihnen aber eines: Wir alle in diesem Parlament – die Sozialdemokraten und, ich hoffe, auch unser Koalitionspartner – müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die anstehende BAföG-Reform kein Reförmchen, sondern strukturell und in Bezug auf das Volumen eine substanzielle BAföG-Reform wird, um die Bildungschancen zu verbessern. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran messen wir Sie!) Das betrifft die Sätze, das betrifft die Freibeträge, das betrifft die strukturellen Fragen, nicht nur beim Übergang vom Bachelor zum Master. Wir werden eine ganze Menge Arbeit vor uns haben. Als Sozialdemokrat – wir stehen in der Tradition von Willy Brandt, der das BAföG in den frühen 70er-Jahren eingeführt hat – kann ich Ihnen versichern: Das BAföG ist uns ein Herzensanliegen. Wir werden dafür sorgen, dass die soziale Situation von Studierenden im Interesse des Bildungserfolgs verbessert wird. Das kommt jetzt ein paar Semester später, aber es wird substanziell sein. Darauf können Sie sich verlassen. (Beifall bei der SPD) Ich habe schon etwas zum Thema Chancengleichheit gesagt. Ich will aber auch etwas zu dem zweiten Schwerpunkt des Haushaltes sagen: Wir streben eine stärkere Neuorientierung der Wissenschaftspolitik des Bundes an, weg von kurzatmigen Strohfeuerprogrammen hin zu längeren Linien mit dem Ziel einer Grundfinanzierung. Deshalb ist es richtig, Frau Ministerin, dass wir uns nach intensiven Auseinandersetzungen darauf verständigt haben, dass wir das Kooperationsverbot, zumindest für den Bereich der Hochschulen in Deutschland, brechen. Ich bleibe dabei: Langfristig muss das gesamte Kooperationsverbot fallen. Ich glaube, das ist richtig. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Ich nehme zur Kenntnis, dass das in der jetzigen Situation ob der Mehrheitsverhältnisse nicht vollständig möglich ist. Dass wir aber zumindest einen Schritt vo-rangehen, indem wir den in Verfassungsrecht gegossenen Irrtum der letzten Föderalismuskommission korrigieren und mit einer Änderung des Artikels 91 b des Grundgesetzes dafür sorgen, dass Kooperationen im Bereich der Hochschulen möglich sind, ist die gute Nachricht. Zur Beruhigung kann ich sagen – Frau Deligöz, wenn Sie zuhören wollen; Sie haben die Frage gestellt, wann das kommt und wie das aussehen wird –: Wir haben uns gestern auf Bundesebene auf einen Formulierungsvorschlag für die Grundgesetzänderung verständigt. Es wird noch eine Ressortabstimmung geben; das ist ganz klar. Weil das eine Verfassungsänderung ist, muss man sorgfältig vorgehen. Es wird auch mit den Ländern gesprochen werden. Meine Bitte ist: Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Sie haben, und helfen Sie mit, dass das Kooperationsverbot im Bereich der Hochschulen fällt. Überfrachten Sie diese Debatte nicht mit anderen Punkten; denn wir müssen schleunigst für bessere Perspektiven an den Hochschulen in Deutschland sorgen. In diesem Bereich gibt es verdammt viel zu tun. Wir werden die Pakte fortsetzen – das ist gar keine Frage –, aber wir müssen auch neue Instrumente schaffen, beispielsweise in Bezug auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. Diesbezüglich können wir auch ohne Grundgesetzänderung einiges tun; das werden wir übrigens auch tun. Ich nenne das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das wir ändern werden, um den Missbrauch von Befristungen in diesem Bereich zurückzudrängen und klare Perspektiven und Karrierewege zu eröffnen. Ich glaube, wir müssen neue Formen der Kooperation zwischen Bund und Ländern finden. Wir können diese Formen aber nur finden, wenn wir die Verfassung an diesem Punkt korrigieren. Im Bundestag gibt es dafür eine entsprechende Mehrheit. Wir brauchen diese Mehrheit aber auch im Bundesrat. Dort stehen Bündnis 90/Die Grünen mit in der Verantwortung. Meine herzliche Bitte an Sie lautet deshalb: Wirken Sie daran mit! Das gilt auch für die Linkspartei in Brandenburg. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Der dritte Schwerpunkt dieses Haushalts ist die innovative Forschungspolitik, die wir in diesem Land betreiben wollen und die gesellschaftlichen Wandel und technologischen Fortschritt positiv miteinander verbindet. Beides, technischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wandel, sind wichtig, um zu gestalten. Dafür brauchen wir eine ambitionierte Forschungspolitik in diesem Land. Innovation und Teilhabe sind zwei Seiten derselben Medaille. Die spannende Frage ist nicht, ob wir das Gefühl haben, dass unsere Forschungslandschaft schlechter geworden ist. Unsere Forschungslandschaft ist nicht schlechter geworden. Wenn man im Ausland unterwegs ist, stellt man fest, dass es viele gibt, die uns um unsere Wissenschaftsorganisationen und unsere großen Forschungsorganisationen regelrecht beneiden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD]) In vielen Ländern werden sie kopiert. Im Bereich der außeruniversitären Forschung sind wir exzellent aufgestellt. Im Bereich der Hochschulen müssen wir darauf achten, dass Forschung und Lehre gestärkt werden. Die Hochschulen sind im Wissenschaftssystem zu stärken. Wir müssen diesbezüglich, genau wie im Bereich der Bildung und der Lehre, darauf achten, dass es eine Förderung sowohl in der Breite als auch in der Spitze gibt. Wir müssen auch im Bereich der Forschung auf Spitzenförderung setzen, dürfen die Breitenförderung aber nicht vernachlässigen. Deshalb wollen und werden wir in dieser Koalition beispielsweise darauf achten, dass die Forschung an Fachhochschulen in Deutschland gestärkt wird. Das ist in vielen Bereichen von struktureller Bedeutung. Deshalb müssen wir – Stichwort: Validierungsforschung – darauf achten, dass wir die richtigen Instrumenten und Ideen haben, um aus Erkenntnissen Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in diesem Land zu entwickeln. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass nicht nur in den Bereichen der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung gut gearbeitet wird, sondern auch dafür, dass es zu Ausgründungen aus Universitäten – Stichworte: Existenzgründungen und Wachstumsfinanzierung – kommt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn wir die Chance der Digitalisierung im internationalen Wettbewerb nutzen wollen, dann brauchen wir nicht nur eine Breitbandinfrastruktur, sondern wir brauchen als Industrienation auch die kleinen technologiegetriebenen Unternehmen, die unseren großen und mittelständischen Unternehmen helfen können, diesen Weg erfolgreich zu beschreiten. Diesen Weg wollen wir gehen, weil Innovationen uns nach vorne bringen. Wir haben in diesem Land relativ wenige Rohstoffe und Bodenschätze. Die Rohstoffe, die wir haben, sind in den Köpfen, manchmal auch in den Herzen. Wir wollen durch die Art und Weise, wie wir hier Politik machen – das bildet der Haushalt ab –, dazu beitragen. Frau Wanka, wir freuen uns jetzt, nachdem wir in Sachen Bildung und Wissenschaft keine leichte Zeit in dieser Koalition hinter uns haben – das galt insbesondere für den Zeitraum, als die Frage des 6-plus-3-Milliarden-Euro-Pakets noch nicht hinreichend geklärt war –, auf die Umsetzung. Ich glaube, wir werden gemeinsam zu guten Lösungen kommen. Manchmal wird es Auseinandersetzungen geben, auch in dieser Koalition. Das ist ganz normal. Auseinandersetzungen gab es in Koalitionen immer. Am Ende zählt Folgendes: Wir wollen Chancengleichheit in diesem Land befördern, wir wollen das Wissenschaftssystem modernisieren, wir wollen die berufliche Erstausbildung stärken, und wir wollen Innovationen in Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben. Wenn uns das gelingt, dann wird in dieser Legislaturperiode die Erfolgsgeschichte im Bereich Bildung und Forschung, die Edelgard Bulmahn begonnen hat, fortgeschrieben. Darauf können wir am Ende stolz sein. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Professor Dr. Wanka, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon interessant, dass in den Redebeiträgen der Opposition auf das Wesentliche – nämlich was mit den vielen Milliarden gemacht wird – nicht eingegangen wurde. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie nicht reichen!) Ich will noch einmal rekapitulieren: Im Dezember gab es mit dem Koalitionsvertrag das gute Signal, dass Bildung und Forschung eindeutig Priorität haben. Das bezieht sich nicht nur auf den Inhalt bzw. darauf, was man alles machen will. Vielmehr sind von den 23 Milliarden Euro 9 Milliarden Euro – das ist mehr als ein Drittel und mehr, als für die Verkehrsinfrastruktur und für vieles andere vorgesehen ist – für diesen Bereich vorgesehen. Wir haben die mittelfristige Finanzplanung. Die Mittel, die für den Hochschulpakt II in dieser Phase notwendig sind – also über 6 Milliarden Euro –, sind darin schon enthalten. Der Pakt für Forschung und Innovation, so wie er ausverhandelt war, war Bestandteil des Finanzplans. Alles, was wir für die Exzellenzinitiative in dieser Legislatur benötigen, stand ebenfalls schon im Plan. Zu all dem kam dieser Betrag in Milliardenhöhe hinzu. Von diesen 9 Milliarden Euro entfallen 6 Milliarden Euro auf die Entlastung der Länder, damit sie die Aufgaben, für die sie originär zuständig sind, in diesem Bereich erfüllen können. Über die Frage, wie man das macht, musste diskutiert werden. Die Vorstellung der Länder – egal welcher Couleur – war klar: Den Ministerpräsidenten ging es als Allererstes um Umsatzsteuerpunkte, um nichts anderes. Das war sozusagen die Ausgangsposition. Was haben wir erreicht, und was ist in Bezug auf diese 9 Milliarden Euro der Stand? Frau Deligöz, Sie wissen doch genau, dass die Situation jetzt nicht mehr unklar ist, wie es noch – Herr Heil hat darauf hingewiesen – während der ersten Haushaltsverhandlungen der Fall war. Damals war noch nichts entschieden. Im Dezember waren von den 9 Milliarden Euro 1,5 Milliarden Euro für Forschung vorgesehen. Jetzt sind es 3 Milliarden Euro. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das heißt, dass wir das 3-Prozent-Ziel von der öffentlichen Seite her schaffen können. Herr Claus, Sie erwähnten den Begriff „Bilanz“. Wir haben eine herausragende Bilanz vorzuweisen; denn im Bereich Forschung und Entwicklung sind wir eine Spitzennation geworden. Unser Wohlstand hat da seine Wurzeln. Unsere Stellung als Spitzennation ist jetzt auch zukünftig gesichert. Von den 6 Milliarden Euro zur Entlastung der Länder entfallen 5 Milliarden Euro auf den Bereich Schulen und Hochschulen. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Zweckbindung!) – Nein, mit Zweckbindung. Lesen bildet! – Mit diesen 5 Milliarden Euro wird zum einen der Hochschulpakt III finanziert, der ab 2016 startet. Er konnte noch nicht in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten sein, weil über ihn erst noch verhandelt wird. Es wurde nach dem Stand gefragt. Frau Deligöz, ich habe im Ausschuss gesagt, dass die Verhandlungen laufen. Ich glaube, vorgestern fand wieder eine Verhandlungsrunde statt. Wir -wollen im Oktober mit dem Pakt für Forschung und Innovation sowie mit dem Hochschulpakt III in die GWK gehen und im Dezember mit den Ministerpräsidenten darüber reden. Es besteht also Klarheit, was die praktische Umsetzung angeht. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verschieben alles auf die kommenden Jahre!) Ich komme zum Hochschulpakt III. Herr Claus, Sie sprachen von der DDR. Da haben wir eine gemeinsame – – (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben zusammengewohnt? In einer WG?) – Jedenfalls haben wir da einmal gewohnt – zusammen. (Heiterkeit) – In diesem Land! (Heiterkeit) Da gibt es keine gemeinsame Erinnerung; denn wir haben, glaube ich, sehr unterschiedliche Sozialisationen. Eines ist klar: In der ehemaligen DDR war es nicht so, dass man wie heutzutage vielen jungen Leuten die Möglichkeit des Studierens einräumte. Nein, das war ganz stark beschränkt. 10 Prozent, 12 Prozent der jungen Leute durften studieren. Bei uns ist es schon anders. Was das Thema „Bildungsgerechtigkeit und Chancen für alle“ angeht, wurde mit dem Hochschulpakt da schon einiges erreicht. Herr Heil, über biografische Dinge – auch über die Frage, wann was stattfand – können wir gerne reden. Frau Bulmahn, ich war als damalige Landesministerin 2006 an den Verhandlungen beteiligt, die in Dresden und an anderer Stelle stattfanden. Das ist aber, glaube ich, unwichtig. Wichtig ist, dass diese Aufgabe – damals hat keiner vermutet, dass wir es hinbekommen – gelöst wurde. Der Hochschulpakt III ist gesichert. Im Koalitionsvertrag stand – weil dieser Punkt ein Riesenproblem geworden war –: Wir wollen die Grundfinanzierung der Hochschulen unterstützen bzw. in die Grundfinanzierung einsteigen. – Bildung fällt unter die Kulturhoheit der Länder. Sie sind also für die Grundfinanzierung der Hochschulen zuständig. Das funktionierte nicht so gut in den letzten Jahren. Oft wurden Tarifaufwüchse nicht gezahlt, oder es gab zu geringe Steigerungen. In manchen Ländern funktionierte es zwar sehr gut. Insgesamt aber gab es Verwerfungen. Im außeruniversitären Bereich sah es hingegen gut aus. Deswegen wollten wir den Einstieg in die Grundfinanzierung der Länder. Darauf folgt nun die Entscheidung, die jetzt in der Diskussion ist: Ab 1. Januar 2015 trägt der Bund die BAföG-Kosten zu 100 Prozent. Das heißt, ab 1. Januar 2015 fließen rund 1,2 Milliarden Euro an die Länder, und das nicht nur nächstes und übernächstes Jahr und nicht nur in dieser Legislaturperiode, in der dadurch insgesamt 3,5 Milliarden Euro zusammenkommen, sondern auch darüber hinaus, für immer. Das heißt, allein in der nächsten Legislaturperiode sind den Ländern schon einmal mehr als 4,7 Milliarden Euro als Entlastung sicher. Wir haben vereinbart, dass die Länder sich dazu verpflichten, dieses Geld für Bildung auszugeben, für Hochschulen und Schulen. Auch eine vierte Kitakraft wäre kein Problem. Wenn eine Landesregierung das verspricht, muss sie das allerdings auch entsprechend finanzieren, und sie darf nicht den Hochschulen die Mittel vorenthalten. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich kann mir schon vorstellen, dass sich die Länder jetzt fragen: Was kann man mit diesem Geld machen? Man kann – das war ein Problem, das uns alle beschäftigt hat – unbefristete Stellen für Nachwuchswissenschaftler einrichten. Man kann, wenn man es will, Schulsozialarbeit davon bezahlen, und zwar dauerhaft. Man kann sich auch überlegen, wie man die Ganztagsschulen inhaltlich und kulturell organisiert, man kann dafür Stellen schaffen. Diese Freiheit haben die Länder. Ich bin ein überzeugter Föderalist, auch weil ich – das habe ich nicht vergessen – einmal Landesministerin war. Ich glaube, dass man vor Ort, in den Ländern, ganz unterschiedliche Situationen hat. Wie man die Mittel zwischen Hochschulen und Schulen aufteilt – ob man nun sagt, wie in Sachsen-Anhalt, Hälfte/Hälfte, oder, wie in Sachsen, zwei Drittel/ein Drittel oder anders –, das bleibt den Ländern überlassen. Ob wir das von Berlin aus so oberschlau alles besser wissen können, das weiß ich nicht. Natürlich muss man schauen: Wird das auch wirklich realisiert? Ich habe allerdings die Illusion verloren, Frau Bulmahn, dass man auf den Cent genau kontrollieren kann, was mit dem Bundesgeld passiert. Das ist nicht möglich. Da ist auch ein Stück Vertrauen nötig. Ich glaube, Herr Scholz hat in der Diskussion darauf hingewiesen, dass alle Länder Geld für diesen Bereich brauchen. Warum sollen sie es jetzt dafür nicht zusätzlich einsetzen? Vor der Wahl hat sich die CDU/CSU für eine Grundgesetzänderung ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag von Ende November/Anfang Dezember war dann keine Grundgesetzänderung vorgesehen. Die Wissenschaftsszene war enttäuscht, sie hatte immer gehofft, dass diese Grundgesetzänderung nach der Wahl doch noch kommt. Doch dann stand davon nichts im Koalitionsvertrag, weil wir uns an der Stelle nicht verständigen konnten. Jetzt haben wir erreicht, dass Artikel 91 b Grundgesetz für den Wissenschaftsbereich geändert wird. Das ist großartig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Das wird auf Dauer wirken. Lieber Herr Heil, jetzt muss ich Sie als Koalitionspartner korrigieren – damit sich kein falscher Eindruck festsetzt –: Mit dem, was wir jetzt machen, nehmen wir keine Korrektur vor an dem, was wir 2006 verabschiedet haben. Die Grundgesetzlage war vorher so, dass Kooperation nur im außeruniversitären Wissenschaftsbereich vorgesehen war. (Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Schauen Sie doch im Text nach! – 2006 ist eingefügt worden, dass Bund und Länder auch im Bereich der Hochschulen kooperieren können. Das war vorher gar nicht vorgesehen. Es gibt jetzt so viel Kooperation wie noch nie, Milliardensummen sind neu im System. Aber – das ist entscheidend – es gibt bisher keine unbefristete und keine institutionelle Kooperation. Das wollen wir jetzt ändern. (Beifall bei der CDU/CSU) Wie gesagt: Wir können überhaupt erst seit 2006 kooperieren. Meine Damen und Herren, Frau Deligöz, Sie müssen mich nicht auffordern, da etwas zu tun – wir haben da etwas getan, wir haben nur nicht über jeden Wasserstand Zwischenbericht erstattet; das wäre ein bisschen kompliziert gewesen. Das Ergebnis, das wir jetzt erzielt haben, ist viel mehr als das, was wir im Dezember hatten, vor allen Dingen unbefristet. Darauf warten die Hochschulen und zum Teil auch die Schulen: unbefristete Stellen. Diese wird es jetzt geben. Da einige das kleinreden werden und weiter von maroden Schulen und anderem sprechen werden, will ich dazu nur eine Zahl nennen: Für alle Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland geben die Bundesländer Jahr für Jahr in Summe rund 20 Milliarden Euro aus. Da legt der Bund jetzt jährlich 1,2 Milliarden Euro drauf. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist ein bisschen mehr!) Das sind 6 Prozent Steigerung ad hoc, auf Dauer. Das ist eine großartige Leistung, die uns auch richtig etwas kostet. Das ist kein kleines Paket, das ist ein entscheidender Aufwuchs. Ich finde es schade, dass die Opposition kein Wort darüber verliert, sondern nur über kleinere Sachen spricht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum, wie viel Geld man zur Verfügung hat. Ich spreche ja immer ein bisschen schnell; deswegen sage ich noch einmal ganz langsam: Man kann sich die Haushaltsvorlage, die in die Diskussion eingebracht wurde, anschauen; man kann sie in der Druckfassung nachlesen. In dieser Haushaltsvorlage stehen die Summen für den Einzelplan, für den ich verantwortlich bin. Aus diesem Einzelplan wurde kein einziger Euro weggenommen – kein einziger –, aber es sind 85 Millionen Euro dazugekommen. Es gibt in meinem Einzelplan keine Kürzung. Auch wenn Ihnen das rhetorisch gefällt: Es ist nicht so. Mit dem Geld, über das der Finanzminister verfügt, werden wir ab Januar nächsten Jahres die Ausgaben für das BAföG übernehmen. Das wird, wenn die entsprechende Gesetze verabschiedet sind, definitiv geschehen. Meine Damen und Herren, es geht nicht immer nur um Geld, sondern es geht auch darum, was man mit dem Geld macht. Was die Forschung angeht, ist die Hightech-Strategie in diesem ersten halben Jahr ein wichtiges Thema. Wir als Bundesregierung werden die Weiterentwicklung der Hightech-Strategie in Bälde im Kabinett kommunizieren und sie dann auch allen Beteiligten vorstellen. Wir alle wissen, dass wir im Hochschulbereich ganz viel getan und Milliarden Euro investiert haben. Jetzt müssen wir gut aufpassen, um zu verhindern, dass im Bereich der dualen Ausbildung ein Ungleichgewicht entsteht, das sich zum Teil schon andeutet. Deswegen bringen wir die Initiative „Chance Beruf“ auf den Weg. Jetzt ist nicht die Zeit, sie inhaltlich vorzustellen. Ich lade Sie ganz herzlich für nächsten Dienstag ein, wenn wir dieses Programm verkünden. Dabei geht es auch darum, Angebote für alle Bundesländer zu machen. Aus den BAföG-Mitteln könnten die Länder, wenn sie wollten, schon jetzt Geld für die berufliche Bildung in der Schule und für individuelle Beratung bereitstellen. Das, was Sie, Herr Claus, zur Bilanz gesagt haben, empfand ich als störend. Ich meine, den Stand, den wir heute in der Welt haben, hatten wir vor 10 oder 13 Jahren nicht. Unsere hohe Wettbewerbsfähigkeit hängt ganz entscheidend mit diesem Etat zusammen. Dass wir in einer guten Tradition stehen – die erste Grundgesetzänderung fand 2006 statt, die nächste nehmen wir in diesem Jahr vor –, auch was die Prioritätensetzung anbetrifft, ist ganz entscheidend. Wir wollen international wettbewerbsfähig sein, und wir wollen in Deutschland noch mehr Bildungsgerechtigkeit. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Nicole Gohlke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Nicole Gohlke (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen zur Kenntnis: Die Große Koalition versucht, sich für einen Aufbruch in der Bildung zu feiern, und hat angekündigt, 6 Milliarden Euro für Bildung und 3 Milliarden Euro für Forschung zur Verfügung zu stellen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Richtig!) Ob das wirklich schon ein Aufbruch ist, da kann man sicherlich geteilter Meinung sein, (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wie bitte? Entschuldigung!) wenn man sich die krassen Mängel vor Augen führt, die im Bildungsbereich – von der Kita über die Hochschule bis hin zur Weiterbildung – bestehen, und angesichts der viel höheren Summen, die bei Bund, Ländern und Kommunen eigentlich nötig wären. Aber selbst dann, wenn man sich darüber freuen wollte: (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sollten Sie!) In dem Haushalt, der heute vorliegt, findet sich nichts davon wieder. Sie können hier lediglich – das sagen Sie ja selber – Ankündigungen feiern, aber eben keine realen Zahlen. Es ist schon erstaunlich, wie oft, wie lange und bei wie vielen Haushaltstiteln Sie diese Ankündigungen feiern. Man hat das Gefühl: Das Geld wird immer mehr. Ihrem Finanzminister ist aber in letzter Minute eingefallen, dass er ja noch Haushaltslöcher stopfen muss. Sie können versuchen, das anders zu bezeichnen; aber genau das ist da geschehen. (Beifall des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Wo holt er sich das Geld? (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Vielleicht bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung?) Das Geld holt er sich nicht etwa über die Besteuerung von Vermögen und großen Einkommen; das wäre ja eine kreative Antwort. Nein, er nimmt einfach die 500 Millionen Euro aus dem Bildungsetat, mit denen Frau Wanka in diesem Jahr zaghaft anfangen wollte, ein paar ihrer Versprechen einzulösen, und man hört noch nicht einmal einen Aufschrei aus dem Bildungsministerium. (Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ja, weil es nicht stimmt!) Der Kollege Rossmann hat ja kürzlich in einem Interview gesagt, es sei vor allem als ein starkes symbolisches Zeichen zu verstehen, dass diese 500 Millionen Euro für das laufende Haushaltsjahr verbucht wurden; Frau Wanka nannte das gerade ein „Signal“. Abgesehen davon, dass Symbolik und Signale allein eben nicht ausreichen, um die Bildungsmisere in der Republik zu beheben, frage ich mich schon: Welches Symbol ist das denn dann, wenn Union und SPD den Mittelaufwuchs bei nächster Gelegenheit zurücknehmen und das Geld gewissermaßen für die Haushaltssanierung verwenden? Zwischen den großen Worten von der Bildungsrepublik und dem Haushalt der Großen Koalition klafft auf jeden Fall mehr als nur eine Lücke. (Beifall bei der LINKEN) Reine Symbolpolitik ist leider auch die BAföG-Politik der Großen Koalition. Den Studierenden muss es wirklich schon zu den Ohren herauskommen: schon wieder eine Verschleppung, diesmal bis zum Wintersemester 2016/2017. Erst nach sechs Jahren, also nach zwei vollen Generationen von Bachelor-Studierenden, soll es wieder eine BAföG-Erhöhung geben. (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Eine ganz klare Perspektive, Frau Kollegin!) Dabei hatte die Bundesregierung doch immer behauptet, die BAföG-Erhöhung würde an den Ländern scheitern. Jetzt ist das endlich geklärt: Der Bund will die Finanzierung des BAföG voll übernehmen, um dann aber die Erhöhung auf die lange Bank zu schieben. Viel dürfen die Studierenden dann auch nicht erwarten. Die von Ihnen geplanten Gelder werden doch niemals für eine substanzielle Erhöhung reichen. Der DGB sagt, dass eine erst im Jahr 2016 durchgeführte BAföG-Erhöhung eigentlich 15 Prozent umfassen müsste, wollte man die Preisentwicklung der letzten Jahre ausgleichen. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: BAföG-Bericht lesen bildet!) Das ist eine Forderung, die aus den Reihen der Koalition als weltfremd bezeichnet wird. Dabei kommt diese Zahl ganz einfach zustande. Dazu muss man einfach einmal die Lebenssituation der Studierenden zur Grundlage nehmen. Ein Beispiel: Zurzeit sind im BAföG-Satz 224 Euro für Wohnkosten vorgesehen. Die Realität ist aber, dass Studierende in Hamburg im Schnitt monatlich 351 Euro an Miete zahlen. In München und in Köln sind es 358 bzw. 359 Euro. Sie zahlen also im Schnitt über 130 Euro mehr, als im BAföG-Satz dafür vorgesehen ist. Man muss ganz klar sagen: Eine BAföG-Erhöhung um mindestens 10 Prozent, die die Gewerkschaften, die Studierendenvertretungen und eben auch die Linke fordern, ist nicht weltfremd. Das ist angesichts dieser Situation realistisch. Weltfremd ist, ehrlich gesagt, dass diese Regierung nicht zur Kenntnis nimmt, was an den Hochschulen und auf dem Wohnungsmarkt los ist. Ihre Politik besteht darin, die Wirklichkeit zu ignorieren. Hauptsache, Sie bekommen Ihren knappen Bildungshaushalt schöngeredet und schöngerechnet! (Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]) Realitätsfern geht es bei den Berechnungen der Großen Koalition weiter. Man kann es ja schon fast als Tradition bezeichnen, dass sich die Bundesregierung bei der Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger immer wieder verrechnet. Sie haben gerade eben die letzte Zahl nach oben korrigieren müssen, und schon wieder liegt Ihr Haushaltsansatz für die Jahre 2013 und 2014 mit über 70 000 Studienanfängern unter den Berechnungen der Kultusministerkonferenz. Die 6 500 Euro, die Sie im Hochschulpakt pro Studienplatz veranschlagt haben, reichen auch nicht, um die Situation in der Lehre zu verbessern. 2008 lagen die realen Kosten pro Studienplatz schon bei über 7 000 Euro, und darin sind zum Beispiel die Investitionen in Gebäude noch gar nicht eingerechnet. Dass Ihnen nicht an einer soliden Grundfinanzierung der Hochschulen und schon gar nicht der anderen Bildungseinrichtungen gelegen ist, ist mit dem Vorschlag zur Änderung des Kooperationsverbotes klar geworden. Als hätte es die Diskussion der letzten zwei Jahre gar nicht gegeben, will man sich weiterhin darauf beschränken, Forschung und Lehre nur dann zu fördern, wenn es von überregionaler Bedeutung ist und alle Länder zustimmen, sprich: Freie Fahrt für die Eliteförderung, und beim Rest kann sich der Bund weiterhin aus der Verantwortung stehlen. Davon, das Kooperationsverbot für den gesamten Bildungsbereich aufzuheben, sodass auch die Kitas und die schulische Bildung davon profitieren könnten, will Frau Wanka offensichtlich gar nichts wissen. Man darf jetzt wirklich auf die Nachbesserungen gespannt sein, die die SPD angekündigt hat. Ich hoffe, wir werden sie zu Gesicht bekommen. Vielleicht sollten Sie in der Koalition solche wichtigen Vorhaben aber erst einmal gemeinsam besprechen, bevor die Vorschläge auf den Tisch gelegt werden. (Beifall bei der LINKEN) Kolleginnen und Kollegen, die Linke bleibt dabei: Die Grundfinanzierung der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung muss durch ein Zusammenwirken von Bund und Ländern gesichert werden. Der Wettbewerbsföderalismus gehört endlich beendet. (Lachen des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]) Die unterschiedlichen Bildungsbereiche – die frühkindliche Bildung, die schulische Bildung und die hochschulische Bildung – dürfen nicht mit dem Argument der knappen Kassen gegeneinander ausgespielt werden. Alle Bereiche sind gleichermaßen wichtig. (Beifall bei der LINKEN) Aus dem unsäglichen Kooperationsverbot muss endlich ein Kooperationsgebot werden. Das wäre tatsächlich mal ein echter Aufbruch in der Bildungspolitik. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege René Röspel das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) René Röspel (SPD): Wertes Präsidium! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst, liebe Nicole Gohlke, herzlichen Glückwunsch nachträglich zur Geburt des Kindes. Wir wünschen der jungen Familie alles Gute. (Beifall) Kritik kann ich Ihnen trotzdem nicht ersparen, auch wenn ich jetzt nicht auf alle Punkte eingehen will. Das Märchen von den 500 Millionen Euro, die angeblich im Haushalt von Herrn Bundesfinanzminister Schäuble verschwunden sein und nie wieder für Bildung und Forschung zur Verfügung stehen sollen, ist einfach falsch. Das ist wie mit einem Auto, das man erst vor einem Haus parkt, um dann mit ihm, wenn man es nicht für lange Fahrten braucht, eine Runde um den Block zu drehen. Es ist gerade nicht zu sehen, aber es kommt wieder. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sei denn, es ist gestohlen!) Diese 500 Millionen Euro bleiben bestehen. Sie sind Teil der 9 Milliarden Euro, die wir in dieser Regierung für Bildung und Forschung zusätzlich zur Verfügung stellen, und das ist auch gut so. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Wenn Sie in das Plenarprotokoll zur Einbringung des letzten schwarz-gelben Haushalts, des Haushalts der Vorgängerregierung, gucken, (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Der war auch sehr gut!) dann sehen Sie, dass ich damals in meiner Haushaltsrede angesichts der Löcher, die sich dort auftaten – mangelnde Ausfinanzierung der Zukunft, globale Minderausgaben –, gesagt habe, dass man fast versucht sei, zu sagen: Vielleicht muss Schwarz-Gelb doch noch ein Jahr weiterregieren, um die Suppe auszulöffeln, die es sich eingebrockt hat. Jetzt sitzen wir mit am Kabinettstisch. Ich habe extra einen Löffel mitgebracht. Falls noch Bedarf besteht, diese kalte Suppe auszulöffeln, stehen wir als SPD gern zur Verfügung. Über zusätzliche Mittel, um das zu finanzieren, was noch nicht ausfinanziert ist – es gibt Risiken, was den Hochschulpakt anbelangt; das ist definitiv –, werden wir reden. Das wird nicht aus den zusätzlichen 9 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zu finanzieren sein. Aber sprechen Sie uns als SPD – das gilt für alle Fraktionen – gerne an. Wir sind diejenigen, die solide finanzieren und auch Spielräume für Forschung und Bildung eröffnen und das in den letzten Jahren auch getan haben. Ich will das anhand eines Beispiels in Erinnerung rufen, weil es dazugehört, bestimmte Dinge nicht zu vergessen. In der letzten Großen Koalition war es die SPD, die im Jahre 2006 dazu beigetragen hat – sie konnte endlich die Union davon überzeugen –, die Eigenheimzulage abzuschaffen. Das Geld, das wir in den letzten Jahren dafür ausgegeben haben, fällt ja nicht vom Himmel. 2005 hatte Bundesfinanzminister Schäuble noch 10 Milliarden Euro jährlich für die Eigenheimzulage zahlen müssen. Dieser Betrag ist dadurch abgeschmolzen, dass wir die Zulage schrittweise abgeschafft haben. Im letzten Jahr mussten dafür nur noch 500 Millionen Euro, eine halbe Milliarde Euro, ausgegeben werden. Den Weg des Geldes, das der Finanzminister in den letzten Jahren nicht hat auszahlen müssen, kann man zwar nicht nachverfolgen, aber in der Bilanz, so heißt es, hat dieses Geld Spielräume eröffnet, die Sie in der letzten Regierungskoalition richtigerweise genutzt haben, um mehr in Bildung und Forschung zu investieren. Das ist gut so. – Sagen Sie uns also Bescheid, wenn Sie jemanden brauchen, um die Suppe auszulöffeln: Die SPD steht zur Verfügung. Wir haben die entsprechenden Konzepte und wollen hier auch weiterhin gestalten. (Beifall bei der SPD) Wir sitzen jetzt mit am Tisch der Regierung. Ich bin sehr froh, dass wir in den Koalitionsverhandlungen 6 Milliarden Euro plus 3 Milliarden Euro für den Bereich Bildung und Forschung ausverhandelt haben. Dieses Geld steht nicht nur für Maßnahmen des Bundes zur Verfügung, sondern ein Großteil davon fließt an die Länder, weil wir die Länder bei den Aufgaben Bildung und Forschung, etwa beim Erhalt von Kindertagesstätten, entlasten wollen. Das bedeutet – ich habe das einmal für unser Bundesland, für Nordrhein-Westfalen, ausrechnen lassen –, dass dadurch, dass der Bund im nächsten Jahr den BAföG-Anteil komplett übernehmen wird – Frau Ministerin Wanka und Hubertus Heil haben das eben schon gesagt –, den Ländern jedes Jahr 1,17 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Für Nordrhein-Westfalen heißt das, dass es jedes Jahr über 280 Millionen Euro mehr verfügen kann. Das ist für dieses Land wie für alle anderen Bundesländer eine große Erleichterung, weil sie die Hauptlast bzw. die Hauptfreude an der Bildungsfinanzierung tragen. Wenn man aber bedenkt, dass Nordrhein-Westfalen zum Beispiel in den nächsten fünf Jahren allein 175 Millionen Euro für Inklusion aufwenden wird, dann sieht man, dass das Geld insgesamt schon relativ knapp ist und es mehr werden könnte. Wichtig ist deswegen der zweite Schritt, den wir auch gegangen sind, nämlich eine Grundgesetzänderung vorzuschlagen, sodass eine veränderte Grundfinanzierung der Hochschulen erlaubt wäre. Dabei ist ein wesentlicher Punkt zu beachten: Die unterschiedlichen Verantwortungen, die unterschiedlichen Lasten, die die einzelnen Länder tragen, müssen berücksichtigt werden. Ich will das an einem Beispiel klarmachen; denn nicht alle Länder verhalten sich gleich. Schauen wir uns einmal die Zahl der Studierenden pro Einwohner in einem Bundesland an. Dabei stellt man fest, dass pro 100 Einwohner in Nordrhein-Westfalen 3,6 Menschen studieren, während – ich habe das einmal wahllos herausgegriffen – in Bayern oder Sachsen, Herr Kretschmer, jeweils 2,7 Menschen studieren. Ein Blick auf die Abiturientenzahlen zeigt ein ähnliches Verhältnis. Nun kann man nicht sagen, dass die Menschen in Bayern oder Sachsen dümmer wären. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Na, na!) – Nein, das sage ich ausdrücklich nicht. – Aber festzustellen ist, dass in Bayern weniger Menschen Abitur machen und dass in Nordrhein-Westfalen mehr Menschen studieren. Das ist erst einmal ein Fakt. Diese besondere Anstrengung der Länder muss man berücksichtigen und sagen: Die Länder machen nicht alles gleich; diejenigen, die sich besonders anstrengen, bekommen einen besonderen Zuschlag. – Erst dann wird die Sache gerecht. Das müssen wir auch bei der Grund-finanzierung der Hochschulen hinbekommen. Wir glauben, dass das nur der erste Schritt ist. Wenn eine Große Koalition die Möglichkeit hat, Großes zu tun, dann sollte sie das auch umsetzen. Im Bereich der Bildung müsste die Möglichkeit ausgeweitet werden, dass der Bund Kommunen und Ländern Geld zur Verfügung stellt. Frau Gohlke weiß sicherlich: Sie bekommt jetzt Kindergeld. Sie könnte auch Elterngeld beantragen. Das Kindergeld ist eine Bundesleistung. Die zweite Bundesleistung ist übrigens der Kinderfreibetrag. Je mehr ein Mensch verdient, desto lukrativer wird der Freibetrag. Das müssten wir eigentlich abschaffen. Das werden wir in den nächsten Koalitionsverhandlungen auch festlegen. Es kann nicht sein, dass jemand, der viel Geld verdient, über Kinderfreibeträge für sein Kind mehr bekommt als andere. (Beifall der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Kommt ein Kind in den Kindergarten, muss man in der Regel Gebühren zahlen. Diese zieht die Kommune ein. Sie sind unterschiedlich gestaffelt. Arme Kommunen müssen von den Eltern mehr Geld einfordern. Reiche Kommunen können es sich leisten, ganz auf Elternbeiträge zu verzichten. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel die wichtige Maßnahme umgesetzt, das dritte Kindergartenjahr gänzlich freizustellen, und Rheinland-Pfalz hat Kindergartengebühren ganz abgeschafft. Kommt ein Kind in die Schule, wird der Lehrer vom Land bezahlt, das Schulgebäude und der Hausmeister von der Stadt. Wenn eine Kommune arm ist, sehen die Schulen schlechter aus; wenn eine Kommune reich ist, sehen die Schulen besser aus. Insgesamt bedeutet das: Eigentlich muss der Bund mehr Verantwortung tragen können, um im Bereich Bildung tätig zu werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man kann das weiter ausdifferenzieren: Die Hochschulen werden von den Ländern getragen. Macht ein Kind eine Berufsausbildung, ist es eine Mischung aus Bundes- und Landeszuständigkeit. Das kann es nicht sein. Wir wollen, dass der Bund im Bildungsbereich erweiterte Möglichkeiten der Finanzierung hat. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wir werden das weiterverfolgen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Was den letzten Bereich, die Forschung, angeht, bin ich sehr zufrieden. Wir werden 3 Milliarden Euro mehr für Forschung zur Verfügung stellen. Was uns in den letzten Jahren vorangebracht hat, ist der Pakt für Forschung und Innovation – die Frau Präsidentin ist die Urheberin dieses Paktes –, durch den sich seit 2005 alle wissenschaftlichen Organisationen in Deutschland darauf verlassen können, jedes Jahr mehr Geld zu bekommen. Das ist gut so. Es hat uns als Wissenschafts- und Forschungsstandort weitergebracht. In einem nächsten Schritt haben wir die Verantwortung, die Beschäftigten in solchen Forschungseinrichtungen und Hochschulen besserzustellen. Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir werden auch auf die großen Fragen der Zukunft eine Antwort finden müssen. Angesichts der Tatsache, wie unfriedlich diese Welt ist, ist es beispielsweise gut, dass wir 1 Million Euro für Friedens- und Konfliktforschung zur Verfügung stellen; das könnte aber noch mehr werden. Im Hinblick auf die Frage, wie Menschen künftig arbeiten wollen, ist es gut, dass wir uns stärker mit dem Bereich Arbeitsforschung auseinandersetzen. Abschließend darf ich Ernst Ulrich von Weizsäcker nachträglich zu seinem gestrigen 75. Geburtstag herzlich gratulieren. Er hat gestern ein Symposium zum Thema Nachhaltigkeit durchgeführt, an dem viele internationale Experten teilgenommen haben. Ich freue mich, dass auch das Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen mit einer Schulklasse vertreten war. Ein Ergebnis war: Die zentrale Frage im Zusammenhang mit der Generationengerechtigkeit ist nicht der Schuldenberg, sondern die Frage, wie wir unseren Planeten künftigen Generationen hinterlassen und ob diese die Möglichkeit haben, auf ihm zu leben, wenn wir ihn ausplündern und Energie verbrauchen. Deswegen müssen und werden wir mehr für Energie- und Klimaforschung tun. Das ist die Verantwortung dieser und künftiger Regierungen, und der werden wir auch nachkommen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Özcan Mutlu das Wort. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und -Kollegen! Als ich vor über 20 Jahren begann, mich bildungspolitisch zu engagieren, ging es mir vor allem um eines: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in der Bildung. Gute Bildung ist das Fundament der Demokratie, und sie hält unsere Gesellschaft zusammen. Aber sehr bald zeigten uns viele Studien wie IGLU und PISA, wie groß der Handlungsbedarf in diesem Bereich in der Bundesrepublik Deutschland war, ist und – das kann ich nach der heutigen Debatte sagen – wahrscheinlich weiterhin bleiben wird. All diese Studien haben uns regelmäßig die erheblichen Defizite hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der Gerechtigkeit unseres Bildungssystems attestiert. Auch PISA 2012 und der erst kürzlich veröffentlichte nationale Bildungsbericht zeigen: Von einer umfassenden Chancen- und Teilhabegerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land kann keine Rede sein, liebe SPD, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und das in einem Land, dessen Bundeskanzlerin sich gerne mit dem Etikett „Bildungsrepublik“ schmückt, die aber einer Regierung vorsteht, die noch immer viel zu wenig in Bildung und Wissenschaft investiert. Dass der Bildungsetat von großen Kürzungen verschont wurde, ist sicherlich zu begrüßen. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Aber das reicht nicht. Priorität für die Bildung sieht anders aus, liebe Kollegin Hübinger. Dass Ihnen nicht viel an der Zukunft unserer Jugend liegt, (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) sieht man auch daran, dass Sie keinen Mut haben, das leidige Kooperationsverbot vollständig abzuschaffen, (Anette Hübinger [CDU/CSU]: Fragen Sie mal die Länder!) statt es immer nur zu beklagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Sicherlich ist es zu begrüßen, dass Sie unser Land wenigstens von dem unsinnigen Kooperationsverbot in der Wissenschaft erlösen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist ein längst überfälliger Schritt. Aber das kann nur ein erster Schritt sein. Sie haben als GroKo 2006 dieses unsinnige Kooperationsverbot eingeführt. Sie sind als Große Koalition in der Pflicht – dazu haben Sie nun die Chance –, dieses Kooperationsverbot, das nachweislich schädlich ist, abzuschaffen, lieber Kollege Heil. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie sollten nicht nur davon reden, sondern auch handeln. Das ist das Gebot der Stunde. Sie sind schließlich in der Regierungsverantwortung und dürfen nicht nur reden, sondern müssen auch liefern. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Machen wir!) Lieber Kollege Heil, bringen Sie Ihren Koalitionspartner auf die richtige Spur, weg vom Verbot, hin zu einem Gebot der Kooperation in Wissenschaft und Bildung! Denn das ist das Fundament für die spätere Karriere von Jugendlichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Wenn Sie ein Haus bauen, dann fangen Sie auch nicht mit dem Verlegen der Dachziegeln an, sondern Sie legen erst einmal das Fundament, wie der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau zu Recht festgestellt hat. Ihr Haus „Bildungsrepublik“ ist deshalb eine Fehlkonstruktion. Zwar ist dieses Haus nicht vom Einsturz bedroht, aber es hat massive Baumängel. Sie brauchen daher einen neuen Bauplan für das Haus der ganzheitlichen Bildung, einen Bauplan, der eine Qualitätsoffensive für die Kitas vorsieht, einen Bauplan, der ein neues Ganztagsschulprogramm auflegt sowie die Inklusion und die Schulsozialarbeit endlich absichert, einen Bauplan, der den Jugendlichen einen wirklichen Übergang von der Schule in die Ausbildung ermöglicht. Das Fundament unserer Wissensgesellschaft ist nämlich eine gute Allgemeinbildung für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und sozialer Lage. Sie sind in der Pflicht, zu liefern, und dürfen nicht nur immer wieder die Willy Brandt’sche SPD zitieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer von dieser Großen Koalition große Taten erwartet, wird angesichts Ihres Bildungshaushalts und Ihres sturen Festhaltens am Kooperationsverbot in der Bildung eines Besseren belehrt. Der basarreife Handel um die Verteilung der Bildungsmittel bis zur letzten Minute hat uns deutlich gezeigt, wie wackelig Ihr Haus ist. Aus diesem Grund werden wir, Bündnis 90/Die Grünen, Ihrem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Wir können nur an Ihre Vernunft appellieren: Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu, damit es den Kindern und Jugendlichen in dieser Republik besser geht und es nicht noch schlimmer wird! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Michael Kretschmer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Michael Kretschmer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der SPD! Lieber René Röspel, Sie müssen mit uns keine kalte Suppe auslöffeln und auch keine bitteren Pillen schlucken. Wir nehmen Sie mit und ermöglichen es Ihnen, sich an einem großen Erfolgsmodell zu beteiligen. Daran können sich übrigens auch alle anderen hier im Parlament und in den Ländern beteiligen, wenn es darum geht, Bildung und Wissenschaft voranzubringen und unseren Beitrag für eine gute Welt zu leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fangen Sie mal an! – René Röspel [SPD]: Wir sind doch längst dabei!) Dafür haben wir den Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung noch einmal um 85 Millionen Euro verbessert. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das ist ein klares Signal, dass das Parlament, der Haushaltsgesetzgeber, hier einen großen Schwerpunkt sieht. Wie unsere Bundesforschungsministerin bereits gesagt hat, sehen die Bundesregierung und die Koalition das genauso. In den letzten zehn Jahren wurden die Mittel für diesen Haushalt fast verdoppelt. Sie belaufen sich nun auf über 14 Milliarden Euro, eine gewaltige Zahl. (Beifall bei der CDU/CSU) In dieser Legislaturperiode werden es insgesamt 9 Milliarden Euro mehr sein, die wir in diesem Bereich investieren. Die Zahlen sind sicherlich beeindruckend. Aber noch beeindruckender ist, was mit dem Geld passiert. Wir -lösen damit die Zukunftsfragen dieser Zeit. Wir sorgen dafür, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit -behält; denn wir können unseren Wohlstand in Deutschland nur erhalten, wenn wir besser und schneller sind als andere Regionen. Die großen Zukunftsfragen, vor denen wir in Deutschland stehen, stellen sich zum großen Teil auch weltweit und in Europa. Es stellt sich die Frage der Energie- und Wasser-versorgung. Dabei geht es zum einen darum, wie in Deutschland die Energiewende gelingen kann, ob es vielleicht alternative Systeme gibt, um Energie einzusparen. Das bedarf einer großen Anstrengung, und dafür leisten wir einen substanziellen Beitrag, übrigens auch in Zusammenarbeit mit den anderen Ressorts. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Weltweit stellt sich zum anderen die Frage der Wasserversorgung. Der fehlende Zugang zur Wasserversorgung ist eine große Bedrohung für den Frieden auf der Welt. Wir leisten in Deutschland mit unserem Haushalt für Bildung und Forschung unseren Beitrag zur Lösung der globalen Probleme. Darauf können wir alle miteinander stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Junge Wissenschaftler in der Bundesrepublik Deutschland sind begeistert, dass sie von uns die Möglichkeit bekommen, an der Lösung dieser Probleme mitzuarbeiten. Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung. Auf der einen Seite haben wir die technische Frage: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf den Bereich der Gesundheit aus? Wie kann die Digitalisierung in den Bereichen der Bildung und der inneren Sicherheit helfen? Auf der andere Seite lautet die gesellschaftliche Frage: Was bedeutet das für unser Zusammenleben? Wie können wir die strukturellen Nachteile, die wir in Deutschland haben, weil wir nicht so schnell waren und die großen Konzerne in anderen Ländern sind, korrigieren? Wie können wir Industrie 4.0 und anderes zum Erfolg bringen? Daran arbeiten wir. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Wir arbeiten daran, Mobilität neu zu organisieren. Hier in Deutschland arbeiten wir an intelligenten Systemen, zum Beispiel an Fahrerassistenzsystemen. Weltweit bemühen wir uns zudem, dass der CO2-Ausstoß reduziert wird. Auch damit leisten wir einen Beitrag zum Klimaschutz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir leisten mit unserem Haushalt in Höhe von 14,4 Milliarden Euro einen Beitrag dazu, dass der demografische Wandel, der sich in Deutschland vollzieht – er vollzieht sich auch in der übrigen Welt, aber unter anderen Vorzeichen –, ebenfalls in vernünftigen und geordneten Bahnen verläuft. Wir sorgen dafür, dass die Probleme abgefedert werden und man vielleicht aus dem demografischen Wandel auch Chancen entwickeln kann. Wir engagieren uns in einem ganz erheblichen Maße dafür – da sind wir sehr erfolgreich –, dass wir die großen Volkskrankheiten Demenz, Alzheimer, Krebs und andere in den Griff bekommen. Das führt dazu, dass diese Krankheiten nicht mehr Angst in der Bevölkerung erzeugen und nicht mehr als Seuchen wahrgenommen werden. All das sind tolle Projekte, die wir mit diesem Haushalt voranbringen. Wir tun das, wie ich finde, auf sehr innovative Art und Weise. Es gilt, an dieser Stelle einen Dank an die Führung des Hauses, aber auch an die vielen Mitarbeiter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Projektträger, die jeden Tag einen tollen Job machen, auszusprechen. Herzlichen Dank dafür, meine Damen und Herren! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Innovationsförderung zu organisieren, ist nicht etwas Alltägliches, es ist kein normales Geschäft, sondern man muss sich permanent neu erfinden, Innovationen und neue Entwicklungen aufnehmen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben mit dem Agendaprozess eine neue Form, Projekte auf den Weg zu bringen, Anwender, Wissenschaftler und Politik, auch Nichtregierungsorganisationen, einzubeziehen. Wir werden bei Projekten wie der Zukunftsstadt oder der Forschung für Nachhaltigkeit innovative Instrumente ausprobieren. Ich glaube, dass sie auch bei dem Transfer von Wissen sehr hilfreich sein können. Das, was wir als Haushaltsgesetzgeber und was die Deutschen erwarten, ist, dass das Wissen, das wir mit den vielen Milliarden Euro generieren, am Ende zu neuen Produkten und Dienstleistungen führt. (Beifall bei der CDU/CSU) Wie schwierig es ist, das Wissen zur Anwendung zu bringen, kann man über die letzten Jahre und Jahrzehnte sehen. Es reicht nicht, in der Grundlagenforschung ein Ergebnis zu erzielen oder etwas zu entdecken; der Anwender, der ein konkretes Problem hat, braucht keine abstrakte Lösung, sondern eine konkrete. Deswegen stellt sich in diesem Bereich die Frage: Wie kommen wir zur Anwendung? Das ist ein großer Schwerpunkt unserer Arbeit in der nächsten Zeit. Die Hightech-Strategie, deren nächste Stufe wir auf den Weg bringen, wird da einen Schwerpunkt haben. Durch die Grundgesetzänderung, die ansteht – sie hat in der Tat eine völlig neue, noch nie da gewesene Qualität –, (Beifall bei der CDU/CSU) sorgen wir dafür, dass das Wissenschaftssystem zukunftsfähig wird; das haben wir schon gehört. Aber das geht nur dann, meine Damen und Herren, wenn sich alle Akteure, also auch die Länder, weiter in der Verantwortung sehen und wir das gemeinsam tun. Das ist auch unsere Erwartung. Wir wollen auch weiterhin nicht einfach Geld an die Länder geben, sondern wollen ein gemeinsames Ziel verfolgen: die Zukunftsaufgaben lösen. Deswegen engagieren wir uns in diesem Bereich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Für all das, was wir vorhaben, brauchen wir kluge Köpfe. Die neue Initiative „Chance Beruf“, die in der nächsten Woche vorgestellt werden soll, ist genau der richtige Weg, Frau Bundesministerin. Wir brauchen eine bessere Berufsorientierung, und zwar in allen Schulformen, auch im Gymnasium. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich sage bewusst: Wir brauchen im Gymnasium auch eine Berufsorientierung, nicht nur eine Studienorientierung; denn es muss darum gehen, dass die jungen Leute herausfinden, was aus ihnen werden soll. Wenn es ein Studium ist, dann ist das gut, aber das ist nicht der Selbstzweck. Es geht darum, dass junge Leute einen Beruf ergreifen, der sie ausfüllt und der etwas dazu beiträgt, dass unser Land Deutschland weiter vorankommt. Darum muss es gehen. Deswegen: Weiter so in diesem Bereich! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben mit dem Haushalt auch die Chance, den Qualitätspakt Lehre, den wir in der vergangenen Legislaturperiode aufgesetzt haben, jetzt starten zu können. Das ist wichtig. Gute Lehrer sind das eigentliche Erfolgsmoment im schulischen System. Gute Lehrer sorgen auch für gute Ergebnisse ihrer Schülerinnen und Schüler. Deswegen engagieren wir uns in diesem Bereich. (René Röspel [SPD]: Aber das ist Länderzuständigkeit!) Wir haben mit dem Hochschulpakt etwas Einzigartiges getan, wir haben nämlich mehreren Hunderttausend jungen Leuten mit Bundesgeld ein Studium ermöglicht. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben diesen Betrag immer wieder aufgestockt, je nachdem, wie die Situation war. Das ist Ergebnis unserer Politik, auf das wir stolz sein können. Ich denke, das sollte man an dieser Stelle sagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) All das ist auf einem soliden Haushalt gebaut. Auch darauf muss man stolz sein und das an dieser Stelle einmal sagen. Alle Länder rings um uns herum kürzen ihre Ausgaben vor allen Dingen im Bereich Bildung und Forschung. Wir legen immer wieder etwas drauf. Das können wir nur, weil wir einen soliden Haushalt haben. Ich finde, man muss allen in Bezug auf Forschung und Entwicklung immer wieder sagen, auch manchen in den Bundesländern: Zukunftsausgaben auf Kredit, das ist nicht das Richtige. Es muss beides zusammengehen: ein solider Haushalt und Zukunftsausgaben. Genau das tun wir in dieser Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Kretschmer. – Ihnen allen von meiner Seite einen schönen guten Tag. Der nächste Redner in dieser Debatte ist Dr. Ernst Dieter Rossmann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme ohne Löffel, nur mit ein paar Gedanken. Der erste Gedanke knüpft an das an, womit Kollege Kretschmer eben endete. Eigentlich hatte die Debatte, die wir heute zum Einzelplan 30 führen, ihren Vorlauf in der gestrigen großen Aussprache durch die Bundeskanzlerin und die gestrigen Redner. Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister hat das heute fortgesetzt. Wir wollen erreichen, dass 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung ausgegeben werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass in Griechenland aktuell nur 0,6 Prozent für Forschung eingesetzt werden können. Mit Blick auf eine gemeinsame Initiative für Europa bedarf es Gedanken dazu, was wir nicht nur als Vorbild vermitteln können, sondern wie wir Ländern von Griechenland über Italien, Spanien, Portugal und andere ermöglichen können, nicht nur zu sparen, sondern auch nachhaltig etwas aufzubauen. Diese müssen auch in unserem Verantwortungsbereich für Forschung und Bildung in der Solidarität mit den europäischen Ländern weiterentwickelt werden. Mein Appell, meine Bitte ist: Wir dürfen uns nicht zu eng machen. Wir waren schon einmal weiter. Das geht bis hin zu Projektbonds, die von der Bundeskanzlerin in die Diskussion gebracht worden sind und Zukunftsinvestitionen befördern sollten. Ich will das nur deshalb ansprechen, weil der Stolz, den wir hinsichtlich der Ausgaben für Forschung in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben, ein Stolz sein sollte, den auch andere Länder entwickeln können und müssen. Der zweite Gedanke. Ja, wir sind mit 6 Milliarden Euro und 3 Milliarden Euro in guter Vorlage. Trotzdem muss ich einen Fraktionsvorsitzenden aus einem Bundesland zitieren, der dazu nüchtern am 24. Juni festgestellt hat: Wir kommen leider nicht umhin, Teile des Geldes – aus der BAföG-Umfinanzierung – für die Konsolidierung des Landeshaushalts zu verwenden. (Zuruf von der CDU/CSU: Wer war das?) – Das war der CDU-Fraktionsvorsitzende des Saarlandes. – Dazu sagt man nicht „Pfui“, sondern man muss anerkennen, dass es in Bundesländern Haushaltsnotlagen gibt. Hier dürfen wir nicht zu kurz denken, sondern müssen angesichts der Haushaltsnotlagen dafür sorgen, dass die Bildungspolitiker mit in die Finanzkommission kommen, die über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern untereinander mit Perspektive 2019 berät. Dann kann es in allen Bundesländern in Zukunft heißen: Ja, wir haben eine klare Priorität für Bildung und Forschung und können das verlässlich mitfinanzieren. (Zuruf der Abg. Anette Hübinger [CDU/CSU]) – Ich schelte doch gar nicht das Saarland, Frau Hübinger, ich gebe nur wieder, was der Fraktionsvorsitzende des Saarlandes gesagt hat. – Hier sollten wir Solidarität gegenüber den einzelnen Bundesländern entwickeln. Damit komme ich zum dritten Gedanken. Der Bund kann aktuell sehr verlässlich agieren. Er muss das auch zu seinem Markenzeichen machen in Bezug auf die großen Gestaltungsblöcke, die wir zusammen mit den Ländern finanzieren oder jetzt sogar alleine schultern: das BAföG, die Hochschulpakte, die Exzellenzinitiative, den Pakt für Forschung und Innovation und auch den Qualitätspakt Lehre, jetzt noch ergänzt um die Qualitätsinitiative Lehrerbildung. Ich will in diesem Zusammenhang etwas aufnehmen, wozu der Kollege Kretschmer bei der ersten Lesung vor einigen Wochen schon etwas gesagt hat: Beim Pakt für Forschung und Innovation sollen es 3 Prozent mehr sein, verlässlich. – Wir setzen hinzu: Verlässlichkeit heißt dann auch, sehr bald – von uns aus sofort – zu signalisieren: über fünf Jahre. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Denn mit den fünf Jahren stellt sich die Verlässlichkeit ein, die die Forschungsorganisationen erwarten. Der vierte Gedanke: Ja, wir sollen dort nichts schönreden, wo wir tatsächlich in einer gewissen Phase des Übergangs sind, obwohl nach unserer Wahrnehmung der Haushalt 2014 schon ein guter Haushalt ist. Dennoch ist er ein gewisser Haushalt des Übergangs. Der Haushalt 2015 wird es auch noch sein. Am Ende wird man ja sehen, ob sich in den Haushalten 2016 und 2017 das neue Gestaltungsfeld, das eröffnet worden ist, dann tatsächlich auch in solchen zusätzlichen Schwerpunkten und Akzentuierungen, wie Sie, Herr Kretschmer, sie eben angesprochen haben, wiederfindet: in einer erweiterten Wissenschaftsarchitektur, in einer noch stärker auf Weltverantwortung ausgerichteten Programmstrukturierung. Man wird sehen, ob auch ein paar der Akzente aufgenommen werden, die wir jetzt schon mit den bescheidenen Mitteln, Frau Hübinger, von 75 Millionen Euro, die wir als selbstbewusste Parlamentarier umgeschichtet haben, und 85 Millionen Euro, die Sie als selbstbewusste Haushälter dazu erkämpft haben, setzen. Für uns ist es wichtig, dass wir, um es jetzt im Kon-trast zu sagen, bei der Unterstützung für alle Leistungskomponenten die Grundbildung nicht vergessen und die Balance zwischen Leistung und Grundbildung – Alphabetisierung – halten. Für uns ist es wichtig, dass wir dort, wo wir selbstverständlich sagen, dass jeder junge Mensch eine gute berufliche Erstausbildung bekommen soll, die Balance halten und dass es eine zweite und dritte Chance geben muss. Deshalb: nicht nur Berufsorientierung, sondern auch Ausbildungsassistenz. Für uns ist es wichtig, dass wir dort, wo wir sagen, dass wir die MINT-Fächer stärken müssen, weil sie innovationsträchtig sind, nicht vergessen, dass in Sachen IT-Innovation die Ingenieurleistung das eine ist und die Arbeitsplätze das andere sind. Deshalb muss die Dienstleistungsforschung zur Arbeitsforschung hinzukommen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Um noch einen letzten Gedanken zu nennen: Für uns ist es auch wichtig, dass wir die kleinen Akzente zusammen weitertragen. Das mit der Friedensforschung ist ein ganz kleiner Betrag. Es zeigt trotzdem, dass diese Koalition voneinander und miteinander lernen kann. Deshalb freuen wir uns auf diesen Haushalt und auf eine gute Legislaturperiode. All die Kritiker werden sich in 2016 und 2017 an das erinnern, was wir jetzt gesagt haben. Dort wird es einen signifikanten neuen Aufbruch – haushalterisch auch dokumentiert – geben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Er zeigt: Bildung und Forschung veranlassen immer wieder zu neuem Aufbruch in Deutschland. Danke. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was zu beweisen wäre! – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in der Debatte: Katrin Albsteiger für die CDU/CSU. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Katrin Albsteiger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Endlich Schluss mit Schuldenmacherei! Unter diesem Motto steht der eingebrachte Haushalt im Haushaltsjahr 2014. Der Haushalt 2014 ist strukturell ausgeglichen. Der Bund wird ab dem Jahr 2015 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Genau das haben wir in den vergangenen Tagen bei dieser Haushaltsdebatte schon des Öfteren gehört, aber es ist eine so große Zäsur, dass ich sagen muss: Man kann es nicht oft genug sagen, und es ist auch wirklich schön, es immer wieder zu hören. Mit diesem Haushalt endet nach Jahrzehnten endlich die fatale Kultur der Verschuldung, die immer, aber auch wirklich immer, zulasten der jungen Generation geht. (Beifall bei der CDU/CSU) Damit geht der Bund – aufpassen! – jetzt den bayerischen Weg, was mich als CSU-Abgeordnete wirklich sehr stolz macht. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sehr gut! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist ja so glücklich heute! – Martin Rabanus [SPD]: Jetzt mal halblang!) Das ist ein historischer Erfolg dieser Großen Koalition von CDU, CSU und SPD. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sehr gut!) Wie sich die Zeiten doch ändern! Es gab schließlich auch Jahre – vor einigen Jahren war das noch der Fall –, in denen der Bildungs- und Forschungsetat, sagen wir, eher etwas stiefmütterlich behandelt wurde. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Rüttgers!) Inzwischen ist es aber so, dass sich dieser Umstand glücklicherweise geändert hat. Somit sind wir nun in der Lage, zum neunten Mal in Folge einen historischen Höchststand dieses Etats zu präsentieren, nämlich erstmals von 14 Milliarden Euro. Das ist schon etwas. Seit 2005, als Annette Schavan Bildungsministerin in unserem Land wurde – ihr folgte Frau Professor Wanka –, haben wir wirklich einiges erreicht. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch schon vorher!) Seit 2005 konnten wir diesen Haushalt um sage und schreibe 87 Prozent steigern. Hinter diesem Riesenplus steht ein Riesenkraftakt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Grandios ist das! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Unter Rüttgers hatten wir den Tiefpunkt!) Vergleicht man diesen Etat mit denen anderer Ressorts – wir haben mittlerweile viele Haushaltsdebatten gehört –, muss man schon sagen, dass der Bildungshaushalt, der inzwischen der fünftstärkste Etat des Bundeshaushalts ist, schon ein Alleinstellungsmerkmal aufweist. Damit ist die Priorität von Bildung und Forschung erneut dokumentiert, und das wie bereits in den Jahren zuvor. In diesem Zusammenhang möchte ich an ein Zitat von John F. Kennedy erinnern – einige werden es kennen; denn es steht an einer Wand des Bildungsministeriums –: Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung. Der Koalitionsvertrag unserer Parteien ist im Geiste dieses Zitats verfasst worden. Der Haushalt 2014 ist als etwas in die Zukunft Gerichtetes und natürlich als Gesamtprojekt dieser Legislaturperiode anzusehen. Der Haushalt 2014 ist praktisch ein Startschuss für all das, was noch kommt. Ich gebe zu: Es gibt auch kritische Stimmen; wir haben sie auch heute schon des Öfteren gehört. Sie wurden seitens der Opposition hier laut. Man kritisierte nach dem Motto: Ihr hättet noch mehr Geld für Bildung und Forschung ausgeben können. Als Bildungs- und Forschungspolitikerin glaube ich sagen zu können: Es gibt keinen unter uns, der sagen würde: Nein danke; wir haben genug; gebt das Geld doch anderen Ressorts; es wurde schon genug für Bildung und Forschung getan. Natürlich wollen wir alle unseren Weg weitergehen, und natürlich wollen wir immer mehr Geld für Bildung und Forschung. Dies muss aber haushalterisch verantwortlich und generationengerecht geschehen. Unseren Kritikern möchte ich an dieser Stelle etwas entgegenhalten. Wenn man beispielsweise einen Studenten fragt: „Möchtest du, dass an deiner Universität mehr Geld investiert wird?“, dann sagt er selbstverständlich Ja. Wenn man ihm für die Dauer seines Studiums ein zusätzliches kostenloses Mensaessen anbietet, dann wird er wahrscheinlich ebenfalls nicht Nein sagen. (René Röspel [SPD]: Es kommt auf das Essen an!) Beispielsweise größere Hörsäle, längere Bibliotheksöffnungszeiten – bis zu 24 Stunden, auch an Sonntagen –, mehr Exemplare der besonders begehrten Bücher in den Bibliotheken, modernere CIP-Pools und Weiteres, ja klar, all das wollen Studenten haben. Es ist ja auch grundsätzlich gut, das zu fordern. Erklärt man allerdings klugen Studenten wie diesem, wie viel das alles kostet – schließlich müssen die Verbesserungen jedem Studenten gleichermaßen zugutekommen –, wird er zu Recht ins Grübeln kommen. Unsere Aufgabe als verantwortungsvolle Bildungspolitiker ist, dass wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie viel wir tatsächlich bezahlen können. Unser besonderer Dank gilt unserer Ministerin Professor Wanka, aber auch allen anderen Haushältern, die es tatsächlich geschafft haben, die Bildungs- und Forschungspolitik erneut zu stärken und dennoch einen ausgeglichenen Gesamthaushalt zu präsentieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn das alles so einfach wäre, wenn man es so einfach hätte machen können, dann wäre es sicherlich schon früher umgesetzt worden. Was hier geleistet worden ist, war ein Riesenkraftakt, und den muss man als solchen zur Kenntnis nehmen. In den nächsten Jahren kommen auf Bund und Länder eine große Verantwortung und große Aufgaben zu. Selbstverständlich werden wir diese Aufgaben erfüllen. Gerade das 3-Prozent-Ziel im Forschungsbereich darf natürlich nicht aufgegeben werden, sondern es muss ganz klar auch in der Zukunft verfolgt werden. Deswegen werden wir in den nächsten Jahren rund 3 Milliarden Euro mehr in Forschung und Entwicklung investieren. Auch das ist eine Investition in die junge Generation. Denn nichts wirkt so stark in die Zukunft wie Forschung, Innovation und Entwicklung. Ich möchte an dieser Stelle einen letzten Gedanken anbringen. Wie wir schon gehört haben, hat der Bund die Länder beim BAföG um 1,17 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch nicht! Ab dem nächsten Jahr!) Das ist insgesamt schon ein großer Batzen. Die Länder haben sich verpflichtet, ihre frei werdenden Mittel tatsächlich in die Bildung zu investieren. Das ist gut so. Ich hoffe und glaube, dass sie es auch tatsächlich tun werden. Diesen Vertrauensvorschuss muss ich ihnen einfach geben; sonst könnte ich nicht mehr gut schlafen. Selbstverständlich haben die Länder die Möglichkeit, weiter in den BAföG-Bereich zu investieren und sich an dessen Weiterentwicklung zu beteiligen. Wir planen eine BAföG-Reform, die nicht nur auf eine Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge abzielt, die vielmehr auch strukturelle und organisatorische Änderungen anstrebt. Es wäre doch durchaus sinnvoll, wenn sich die Länder frühzeitig für eine bessere personelle Ausstattung der BAföG-Ämter oder für eine flächendeckende Möglichkeit der Onlineantragstellung einsetzen könnten. Das würde die BAföG-Verfahren in unserem Land beschleunigen und den Studenten tatsächlich helfen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hier sind die Länder nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie haben nach wie vor genügend Möglichkeiten, sich in dem Bereich genauso zu engagieren, wie wir es tun. Meine abschließende Bewertung zum Haushalt. So stelle ich mir das vor: keine Scheuklappen, das Gesamtbild im Auge behalten. Beste Bildung und verantwortungsvolle Haushaltspolitik – das ist der Bildungshaushalt 2014. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der Debatte ist Martin Rabanus für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Martin Rabanus (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende einer solchen Debatte will ich für mich einfach noch einmal ein bisschen Bilanz ziehen in der Frage, was die Punkte sind, die von besonderer Bedeutung sind. Bildung und Forschung ist einer der wesentlichen Schwerpunkte dieser Koalition. (Beifall des Abg. René Röspel [SPD]) Das ist schon gesagt worden, aber das ist auch am Ende der Debatte noch einmal festzuhalten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben mit den 6 plus 3 Milliarden Euro von den 23 Milliarden Euro, die die Koalition in den kommenden Jahren insgesamt zusätzlich ausgeben wird, den wesentlichen finanziellen Schwerpunkt im Bildungsbereich, und das ist gut so. Im Bildungsbereich ist das zum größeren Teil eine Entlastung der Länder. Es ist schon gesagt worden: Wir müssen sehr darauf achten, sehr genau gucken, dass die Mittel auch komplett im Bildungsbereich in den Ländern ankommen. Ich verstehe an der Stelle, Frau Kollegin Deligöz, nicht so ganz, warum Sie eine Lanze für Hessen brechen. Das ist ja ganz schön mit dem Fonds für die Hochschulfinanzierung, den man da machen will. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich verstehe das schon!) – Das ist allerdings der BAföG-Teil, nicht? – Zu den anderen Teilen, die Entlastungswirkung entfalten, die auch Teil der Vereinbarung sind, hört man von der hessischen Seite aber überhaupt nichts. Da bin ich sehr gespannt, ob das vielleicht noch ergänzt wird. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie einmal in Hamburg nach!) Wichtig ist auch: Die Pakte werden fortgesetzt. Das ist ebenfalls hinreichend deutlich gemacht worden. Bildung und Forschung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind – das ist in der Tat die feste Überzeugung der SPD – der Schlüssel für die Zukunft unseres Landes, sowohl gesamtgesellschaftlich wie aber auch individuell; (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) da geht es um das Thema Chancengleichheit, um das Thema Bildungsgerechtigkeit. Natürlich ist es notwendig, einen möglichst guten Abschluss, eine möglichst gute Bildung zu haben, um sich auf dem Arbeitsmarkt so positionieren und platzieren zu können, dass man ein auch ökonomisch selbstbestimmtes Leben führen und Teilhabe für sich persönlich sicherstellen kann. Der gesamtgesellschaftliche Aspekt ist natürlich auch und gerade in Zeiten des demografischen Wandels von besonderer Bedeutung – ich nenne einmal das Stichwort „Fachkräftesicherung“ –, aber auch vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 und all dem, was das am Ende des Tages für die Arbeitswelt bedeutet, was Veränderungen von Arbeitsprozessen, Arbeitszeiten, Qualifikationsanforderungen angeht, und was das natürlich auch für Bildungssysteme bedeutet. Bildung und Forschung, das ist also das zentrale Zukunftsfeld. Ich bin der festen Überzeugung, dass es notwendig sein wird, alle Begabungspotenziale zu heben, übrigens unabhängig von der Frage, ob die sich nun im akademischen Bereich oder im Bereich der beruflichen, der dualen Bildung entfalten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir eine echte Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung hinbekommen. Wir brauchen, was das angeht, kein Entweder-oder – jeder Zungenschlag in dieser Richtung ist falsch –; wir brauchen ein Sowohl-als-auch. Deswegen ist es auch ganz wichtig, dass die Koalition sich darauf verständigt hat, den einen Teil, der mindestens in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht nicht gar so deutlich geworden ist, über die Allianz für Aus- und Weiterbildung noch einmal besonders prominent zu stärken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Hubertus Heil ist darauf vorhin schon eingegangen, aber ich will das an der Stelle ausdrücklich unterstreichen: Wir brauchen diese Allianz, nicht nur gesellschaftlich. Es gilt, das auch thematisch breit aufzustellen: Berufsorientierung an der Schule und, ja, ausdrücklich auch am Gymnasium. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD]) Berufsorientierung ist nicht nur eine Aufgabe von Haupt-, Real- und Gesamtschulen, sondern auch und vor allen Dingen von Gymnasien. Das muss curricular breit verankert werden und darf nicht nur laufen im Sinne von: Wir machen mal einen Ausflug zum Berufsinformationszentrum, und das war’s dann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das ist mehr als nur eine Bitte. Es ist eine Herausforderung für die Länder, weil sie das in den Schulen entsprechend umsetzen müssen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ein Land ist vertreten!) Neben der Berufsorientierung liegt mir besonders die Frage der Aufstiegsförderung am Herzen. Sie beginnt für mich bei der großen Zahl junger Menschen unter 30 Jahren, die über keinen formalen Berufsabschluss verfügen, und hört nicht beim Thema Meister-BAföG, also der Aufstiegsfortbildungsförderung, auf. Über diese Themen müssen wir im Zusammenhang mit der beschlossenen BAföG-Reform in den kommenden Jahren reden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Insgesamt, glaube ich, kann man angesichts der verschiedenen Aspekte, die schon genannt worden sind, und der parlamentarischen bzw. koalitionären Duftmarken, die der Haushalt 2014 trägt, sagen: Es ist ein Anfang gemacht. Weitere Schritte stehen uns ab September in den Haushaltsberatungen für 2015 bevor. Ich glaube, dass wir die wesentlichen Linien fortsetzen werden, dass wir andere Spielräume bekommen werden. Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Im letzten halben Jahr haben viele neue Abgeordnete, zu denen auch ich gehöre, sich ein wenig orientiert und ihre Rolle im parlamentarischen Geschäft gefunden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Und die Redezeit eingehalten. Martin Rabanus (SPD): Das Gleiche gilt für die Koalition insgesamt auch. Ich finde, wir haben uns im letzten halben Jahr ganz gut gefunden. Liebe Frau Ministerin Wanka – das ist keine Drohung, sondern ein Versprechen –, wir werden das auch entsprechend entfalten. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Als letzter Redner in der Debatte hat das Wort Trankred Schipanski für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]) Tankred Schipanski (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner darf ich die Take-home Message für den Einzelplan 30 austeilen. Wir haben heute gehört: keine Kürzungen, Aufwüchse und hohe Priorität in der Bundesregierung. Wir erinnern uns an die gestrige Generaldebatte. Unsere Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede als Erstes den Einzelplan 30 erwähnt mit den Messages: keine Kürzungen, Aufwüchse, BAföG-Reform, Kooperationsverbot. Das waren die Stichworte. Ich denke, das ist die richtige Priorität. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann heben Sie doch das Kooperationsverbot auf!) Als letzter Redner der Debatte darf ich natürlich ein bisschen auf meine Vorredner reagieren. Ich fange mit dem Kollegen Claus an. Ich war ganz überrascht, Sie haben gut angefangen: Wir gestalten in diesem Haushalt. Wir haben viele Mittel. Wir hätten ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten in diesem Bereich. – Als ich mir dann die Änderungsanträge ansah, die die Linken eingebracht haben, dachte ich, ich bin in einem falschen Film. Sie haben geschrieben: Deutschlandstipendium, Exzellenzinitiative, Qualitätspakt Lehre, Hightech-Strategie müssen abgeschafft werden. Alles muss um 40 Millionen Euro gekürzt werden. Gleichzeitig haben Sie Ausgabenvorschläge in Höhe von 5,2 Milliarden Euro gemacht. Davon waren 4,4 Milliarden Euro nicht gegenfinanziert. Lieber Herr Claus, das, was die Linken hier vortragen, ist unseriös und irreal. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn Sie, Herr Kollege, von Verteilungsungerechtigkeit zwischen den Bundesländern sprechen und hier behaupten, nach München und nach Köln/Bonn flössen durch diesen Haushalt wesentlich mehr Mittel und dies würde noch gesteuert, dann finde ich das schon allerhand. Wenn Sie in den Haushaltsentwurf schauen – wir haben viele Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern in diesem Ausschuss –, so finden Sie den Titel „Innovationsförderung in den neuen Ländern“, den wir mit fantastischen 100 Millionen Euro unterlegt haben. Wir haben einen Zuwachs von 27 Millionen Euro pro Jahr. Es ist ein wichtiges Signal, dass wir diese Mittel gesamtdeutsch verteilen. Ich finde es nicht schön, bei diesem Haushalt Ost und West gegeneinander auszuspielen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Frau Gohlke, schön, dass Sie wieder da sind. Ich freue mich immer wieder über Ihre Reden. Es geht immer recht zügig. Heute sprachen Sie von Symbolen und Signalen. – Wir werden in diesem Hause die BAföG--Reform diskutieren. Wir werden den Ausbau der Kooperationskultur diskutieren. Ich werde Sie mit einer Signalfanfare wecken, und dann können Sie Ihre Argumente entsprechend vortragen. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Das ist noch nicht Thema des Haushalts 2014. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Welche Arroganz!) Die Kollegen von den Grünen haben Angst, dass die BAföG-Entlastung nicht bei den Ländern bzw. bei den Hochschulen und den Schulen ankommt. Wir haben eine Zusage von den Ländern – wir haben viele Juristen unter uns – und wissen: Pacta sunt servanda. Kollege Heil hat gesagt, dass wir den Ländern gegenüber ein gesundes Misstrauen haben. Daher setzen wir uns als Koalition dafür ein, dass wir ein Monitoring institutionalisieren. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zahnloser Tiger!) Der Haushaltsausschuss des Bundestages muss auch in den nächsten Jahren die Möglichkeit haben, in die Landeshaushalte zu schauen und zu prüfen, ob das Geld auch wirklich da ankommt. Der Rechnungsprüfungsausschuss wird, denke ich, gemeinsam mit dem BMBF prüfen, welche Controllinginstrumente da zur Verfügung stehen. Redner der SPD und auch der Grünen haben hier heute das Thema Kooperationsverbot angesprochen, insbesondere Kollege Heil. Schon gestern in der Generaldebatte haben wir Kollegen Oppermann dazu gehört. Von Herrn Rossmann konnten wir dazu etwas in der Zeitung lesen. Ich kann nur sagen: Das ist das falsche Wording; es geht um eine Kooperationskultur. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt so!) Angesichts der gegenwärtigen Verfassungslage (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht „Kooperationsverbot“ und nicht „kultur“!) ist es schon sehr erstaunlich, wo der Bund schon heute im Zuständigkeitsbereich der Länder investiert. Ich darf Ihnen einmal die Zahlen in Erinnerung rufen: Wir stellen 2,7 Milliarden Euro für die Exzellenzinitiative in den Jahren 2011 bis 2017 bereit, über 7 Milliarden Euro für die erste Säule des Hochschulpakts in den Jahren 2011 bis 2015, noch einmal 2,7 Milliarden Euro für die zweite Phase von 2016 bis 2018. Wir haben für die zweite Säule des Hochschulpakts 1,6 Milliarden Euro bis 2015 eingeplant, Stichwort: DFG-Overhead. Wir stellen für den Qualitätspakt Lehre in den Jahren 2011 bis 2020 Bundesmittel in Höhe von insgesamt rund 2 Milliarden Euro zu Verfügung. Wir haben einen Pakt für Forschung und Innovation; das 3-Prozent-Ziel ist schon angesprochen worden. Hier kann ich nur von einer Kooperationskultur sprechen. (Beifall bei der CDU/CSU) Weil wir parteiübergreifend festgestellt haben, dass wir die Hochschulen stärken müssen, haben wir schon vor Jahren vorgeschlagen, Artikel 91 b Grundgesetz zu ändern. Ich freue mich, dass es jetzt in der Großen Koalition gelingt, den breiten gesellschaftlichen Konsens aufzugreifen und jeweils die Zweidrittelmehrheit im Bundesrat und im Bundestag zu erreichen, die wir benötigen. Der Textentwurf steht. Ich freue mich sehr, dass wir die Kooperationskultur ausbauen und Artikel 91 b ändern. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Vom Verbot zur Kultur!) Ich höre jetzt immer die Forderung nach einer Kooperation im Schulbereich. Ich darf an dieser Stelle klarstellen, dass die Schulen zum Kernbereich der Zuständigkeit der Länder gehören. Wir haben schon oft Defizite angemahnt, auch in der letzten Legislatur. Wir haben gesagt: Liebe Länder, wir übernehmen als Bund gerne die Koordinierung, weil wir da durchaus Defizite sehen. – Die KMK hat das regelmäßig mit herben Worten abgelehnt. Wie wollen Sie da denn bei den Kultusministern und den Kollegen in den Landtagen eine Mehrheit für eine Kooperation erreichen, die noch ein ganzes Stück über eine Koordinierung hinausgeht? – Das ist völlig realitätsfern. Unser Fraktionsvorsitzender sagt immer: Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. – (René Röspel [SPD]: Das war Kurt Schumacher!) Wir haben da keinen breiten Konsens mit den Ländern. Daher ist unser Vorschlag zur Änderung des Artikels 91 b genau der richtige. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben immer gesagt – dazu haben wir die KMK mehrfach aufgefordert –: Liebe Kollegen, löst das über einen Staatsvertrag! – Wir haben beim Rundfunkstaatsvertrag die besten Erfahrungen damit gemacht, es verbindlich, transparent und gut niederzuschreiben. Wir warten nun, was die KMK hier vorlegt, was die Bundesländer vorlegen. Am Bund liegt es nicht. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Na!) Stichwort: Grundfinanzierung der Hochschulen; Kollege Röspel hat es angesprochen. Auch hier können wir im Hinblick auf den Koalitionsvertrag sagen: Versprechen gehalten! Die Ministerin hat es gesagt: Wir haben für die Entlastung der Länder beim BAföG gesorgt. (René Röspel [SPD]: Das ist nicht die Grundfinanzierung!) Sie können jetzt das Geld in die Grundfinanzierung der Hochschulen stecken; das haben wir geschafft. Sehr schön! (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, Sie sehen: Wir halten Versprechen. Wir setzen aber auch neue Akzente. Meine Kollegin Anette Hübinger hat die Änderungsanträge angesprochen, die wir in das parlamentarische Verfahren eingebracht haben. Ich denke hier an DAAD, AvH – plus 10 Millionen Euro –, Aufstiegsstipendien, Berufsorientierungsprogramme – sie wurden mehrmals angesprochen und beklatscht –, Weiterbildung und lebenslanges Lernen, IT-Sicherheitsforschung und Produktions- und Dienstleistungsforschung; überall da gibt es Aufwüchse, sogar beim Thema „Forschung an Fachhochschulen“. Obgleich es hier einen Aufwuchs gibt, muss ich sagen: Wenn wir die Forschung an Hochschulen stärken, stellt das nicht die kooperative Promotion infrage. Michael Kretschmer hat gezeigt, welche beeindruckenden Erfolge wir in der Gesundheitsforschung haben. Hier liegt der Schwerpunkt darauf, die Gesundheitsforschung auszubauen und ein Forschungsnetzwerk für Kinder- und Jugendkrankheiten zu entwickeln. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Meine Damen und Herren, wir sehen: Die Bildungsrepublik Deutschland lebt, das Haus steht. Lieber Herr Mutlu, Sie haben vorhin erzählt, Sie hätten nur einen Bauplan. Die Architektur steht aber schon. Ich heiße Sie in unserem Haus, in der Bildungsrepublik Deutschland willkommen. Mit diesem Haushalt bringen wir Qualität in diese Republik. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Träumen Sie weiter!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank für diese Fanfare, Herr Kollege. – Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 – Bundesministerium für Bildung und Forschung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 30 ist angenommen mit den Stimmen der Union und der SPD bei Gegenstimmen von Linken und Bündnis 90/Die Grünen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte VIII a bis c sowie Zusatzpunkt 1 auf: VIII a) Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes Drucksache 18/1780 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Keine Bad Bank für Atom – Rückstellungen der Atomwirtschaft in öffentlich-rechtlichem Fonds sicherstellen Drucksache 18/1465 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung nach Artikel 5 des Gesetzes zur Regelung von De-Mail-Diensten und zur Änderung weiterer Vorschriften Drucksache 17/10720 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda ZP 1 Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2013 – Einzelplan 20 – Drucksache 18/1560 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 18/1465, Tagesordnungspunkt VIII b, soll federführend beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie beraten werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte IX a bis g sowie Zusatzpunkt 2 auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Liebe Gäste auf den Tribünen, es tut mir leid, ich kann Ihnen nicht sagen, worum es da im Einzelnen geht, das würde definitiv zu lang dauern. Aber vertrauen Sie den Abgeordneten, sie wissen, worüber sie abstimmen. Tagesordnungspunkt IX a: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 60 zu Petitionen Drucksache 18/1632 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Sammelübersicht 60 angenommen. Tagesordnungspunkt IX b: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 61 zu Petitionen Drucksache 18/1633 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 61 ist angenommen mit den Stimmen der Union und der SPD bei Gegenstimmen der Linksfraktion und bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Tagesordnungspunkt IX c: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 62 zu Petitionen Drucksache 18/1634 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 62 ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt IX d: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 63 zu Petitionen Drucksache 18/1635 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 63 ist angenommen: Zustimmung von Union, SPD und Linkspartei bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen. Tagesordnungspunkt IX e: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 64 zu Petitionen Drucksache 18/1636 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 64 ist angenommen: Zustimmung von Union und SPD, Gegenstimmen Bündnis 90/Die Grünen, Enthaltung Linkspartei. Tagesordnungspunkt IX f: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 65 zu Petitionen Drucksache 18/1637 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 65 ist angenommen: Zustimmung von Union, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Gegenstimmen von der Linken. Tagesordnungspunkt IX g: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 66 zu Petitionen Drucksache 18/1638 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Sammelübersicht 66 ist angenommen mit den Stimmen von Union, von SPD, dagegen gestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Zusatzpunkt 2: Beratung der Zweiten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 Drucksache 18/1710 Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.16 auf: a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Drucksachen 18/1007, 18/1023 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Tobias Lindner, Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde und Roland Claus. b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/1017 Berichterstattung: Abgeordnete Carsten Körber, Dennis Rohde, Dr. Dietmar Bartsch und Manuel Sarrazin. Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an Halina Wawzyniak für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will die Debatte nutzen, um über ein aktuelles, ein angekündigtes und ein unterlassenes Vorhaben aus dem Bereich des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zu reden. Die Mietpreisbremse ist in aller Munde. Wir Linken sagen: „Sie ist ein Bremschen“, weil sie auf fünf Jahre befristet ist und die Länder zuvor Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt festlegen müssen. Die Grenze, nach der der Mietpreis bei Wiedervermietung 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, finden wir falsch. Wir müssen an dieser Stelle aber einsehen, dass die SPD das bereits im Wahlprogramm gefordert hat und dafür auch die eine oder andere Stimme bekommen hat. Was wir nicht verstehen, ist, warum die Kriterien für den Mietspiegel nicht angepasst werden. Es bleibt dabei, dass lediglich die Mieten der letzten vier Jahre berücksichtigt werden. Die Ausnahmen von der Mietpreisbremse, zum Beispiel die Erstvermietung, sind auch nicht nachvollziehbar. Was aus meiner Sicht völlig inakzeptabel ist, ist die Streichung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch. Dieser Paragraf sieht sinngemäß vor, dass ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig für die Vermietung von Wohnräumen unangemessen hohes Entgelt verlangt. Dieser Verstoß kann nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch mit 50 000 Euro Geldbuße bestraft werden. Das betrifft natürlich auch Unternehmen, also Aktiengesellschaften und GmbHs. Sie wollen mit der Mietpreisbremse den § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch streichen und verweisen auf das normale Strafgesetzbuch. Das bedeutet aber, dass die Bremse am Ende sogar leerläuft; denn Unternehmen sind als juristische Form kein Strafrechtssubjekt. Sie können nicht angeklagt und sie können nicht verurteilt werden. Insofern müssten Sie, wenn Sie ehrlich sind, sagen: Wir führen zwar eine Mietpreisbremse ein, aber Sie können dagegen nur vorgehen, wenn Sie einen privaten Vermieter haben. An die großen Konzerne kommen Sie damit nicht heran. Deswegen finde ich: Passen Sie § 5 Wirtschaftsstrafgesetzbuch an die Mietpreisbremse an, und streichen Sie ihn bitte nicht. (Beifall bei der LINKEN) Ein zweiter Punkt im Zusammenhang mit dem Thema Mieten: Die Bundesimmobilienanstalt ist im Moment in aller Munde. Der Kollege Luczak von der CDU hat gestern gefordert, dass Wohnungen nicht zum Höchstpreis verkauft werden. Die Forderung ist richtig; aber es kommt nicht darauf an, zu fordern, sondern darauf, zu handeln. Das Höchstpreisgebot wird aber – das haben Sie im Koalitionsvertrag vereinbart – nur ausgeschlossen für Konversionsflächen. Natürlich ist es derzeit so, dass nach der Bundeshaushaltsordnung zum Höchstpreis verkauft werden muss. Das bedeutet aber, dass kommunale Unternehmen und gemeinwirtschaftliche Unternehmen ausgeschlossen sind. Sie können bundeseigenes Eigentum an Wohnungen und Grundstücken nicht kaufen, und das, obwohl wir Artikel 14 Grundgesetz haben, der besagt, dass Eigentum zugleich auch dem Allgemeinwohl dienen soll. Deswegen meine dringende Aufforderung: Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir Artikel 14 Grundgesetz und die Bundeshaushaltsordnung in Übereinstimmung miteinander bringen können, damit Wohnungen und Grundstücke der Bundesimmobilienanstalt auch an kommunale und gemeinwirtschaftliche Unternehmen verkauft werden können, wenn sie verkauft werden sollen. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zu einem angekündigten Vorhaben: Am letzten Freitag kam der Referentenentwurf zur SED-Opferrente auf unseren Tisch. Wir finden es ausgesprochen richtig und gut, dass Sie den Betrag um 50 Euro erhöhen wollen, können aber nicht verstehen, warum das immer noch als soziale Ausgleichsleistung ausgestaltet ist. Die Betroffenen müssen Einkommensnachweise vorlegen. Nur wenn sie ein entsprechendes Einkommen haben, kommen sie in den Genuss der SED-Opferrente. Das ist nicht akzeptabel. Wir wollen, dass alle Betroffenen einkommensunabhängig eine SED-Opferrente bekommen. Wir bitten Sie darum, zu prüfen, ob Sie den Anwendungsbereich der SED-Opferrente nicht erweitern können. Was ist mit Opfern von Versetzungsmaßnahmen? Was ist mit Jugendlichen, die 1973 bei den Weltfestspielen nach einem völlig absurden Paragrafen wegen „asozialen Verhaltens“ verurteilt wurden? Bitte prüfen Sie, ob Sie den Kreis der Anspruchsberechtigten an dieser Stelle nicht erweitern können. (Beifall bei der LINKEN) Nun komme ich zu einem unterlassenen Vorhaben. Ich habe mittlerweile gelesen, dass Sie, Herr Minister, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage verschärfen wollen. Ich sage Ihnen: Das ist der falsche Weg. Der einfachste und günstigste Weg wäre, ein Gesetz zu machen, in dem steht, dass dieses Gesetz aufgehoben ist. Es ist schon ein wenig absurd, dass diejenigen, die in Suchmaschinen gelistet werden, zahlen sollen. Wenn die Suchmaschine die Aufnahme verweigert, wird die Suchmaschine verklagt, weil die Verlage nicht aufgenommen wurden. Das Leistungsschutzrecht war falsch und bleibt falsch. Deswegen sollten Sie es einfach aufheben. Wenn wir schon dabei sind: Sie haben eine indirekte Verantwortung für Verwertungsgesellschaften; denn Sie haben die Rechtsaufsicht über das Marken- und Patentamt. Insofern ist unser Vorschlag, sich einmal an das Urheberwahrnehmungsgesetz heranzutrauen und für Verwertungsgesellschaften zum Beispiel verbindliche demokratische Binnenstrukturen festzulegen. Es sollte festgelegt werden, dass die Tarifverträge, bevor sie im Gesetzesblatt veröffentlicht werden, von den Aufsichtsbehörden geprüft und genehmigt werden. Dieses Problem kennen wir nicht erst seit der Debatte um die GEMA vor einem oder vor zwei Jahren. Wir haben jetzt das Problem mit dem Tarifvertrag der VG Medien, wo es auch wieder um das Leistungsschutzrecht geht. Nach meiner ersten Durchsicht habe ich festgestellt, dass dieser Tarifvertrag überhaupt nicht mit dem Leistungsschutzrecht – so, wie Sie es beschlossen haben – in Übereinstimmung zu bringen ist. Wir finden es im Übrigen falsch, weil zum Beispiel die Frage der Geltungsdauer überhaupt nicht geklärt ist. Ich komme – ich will hier nicht ganz ohne Lob weggehen – zum letzten Punkt. Ich freue mich, dass Sie die Kommission zur Neuformulierung der Tötungsdelikte eingerichtet haben, habe aber die Bitte: Verstecken Sie das bitte nicht auf Ihrer Website. Das ist eine gute Sache. Sie können mit unserer Unterstützung rechnen. Machen Sie das doch etwas prominenter. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der Debatte ist Dennis Rohde für die SPD. (Beifall bei der SPD) Dennis Rohde (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Maas! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Wawzyniak, ein beruhigendes Wort vorweg: Die Mietpreisbremse wird kommen, und sie wird auch wirken. Dafür werden wir Sozialdemokraten in Zukunft sorgen. (Beifall bei der SPD) Der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz steht. Das ist ein guter Haushalt geworden. Er legt den Grundstein für eine lebendige und aktive Rechtspolitik – eine Politik, die weitsichtig auf Prävention statt auf eine veraltete Law-and-Order-Strategie setzt. Wir reden über einen Haushalt, der auch auf dem Gebiet der Verbraucherpolitik für bessere Information und größeren Schutz der Verbraucher steht, statt diese auf immer komplizierter werdenden Märkten alleinzulassen. Genau in diesem Lichte haben wir im parlamentarischen Verfahren den Haushalt verändert. Der Finanzmarktwächter wird noch im Jahr 2014 mit einer Anschubfinanzierung von 2,5 Millionen Euro eingeführt. Das wird ganz erhebliche positive Auswirkungen auf den Verbraucherschutz haben. Das begrüßen wir Sozialdemokraten ganz ausdrücklich. (Beifall bei der SPD) Mit dem Finanzmarktwächter wollen wir verhindern, dass Kleinanleger durch riskante Angebote ihre Ersparnisse verlieren – so wie zum Beispiel im Fall Prokon, wo nunmehr 75 000 Menschen um insgesamt 1,4 Milliarden Euro bangen. Der Finanzmarktwächter wird dabei eine Schnittstelle zwischen dem Verbraucher auf der einen Seite und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, der BaFin, auf der anderen Seite. Das Gesamtkonzept „Finanzmarktwächter“ bedeutet: Wir werden ausgewählte Verbraucherzentralen spezialisieren und ausrüsten. Dort werden die Beobachtungen und die Beschwerden der Verbraucher entgegengenommen. Sie werten sie aus, schaffen ein Bild des Marktes und spüren so Gefahren auf. Die Ergebnisse gibt der Finanzmarktwächter an die BaFin weiter, die dann notfalls tätig werden kann, indem sie riskante oder irreführende Angebote verbietet oder einschränkt. Wir wollen, dass unlautere Angebote schneller entdeckt und vom Markt genommen werden, und zwar am besten noch, bevor die ersten Menschen ihre Ersparnisse verlieren. Damit schließen wir eine Lücke im Verbraucherschutz auf dem Finanzmarkt. Denn um Kleinanleger zu schützen, bedarf es einer großen Nähe zum Finanzmarkt. Diese Nähe kann die BaFin als Aufsichtsbehörde gar nicht leisten. Wir wollen damit genau die Menschen erreichen, die zu Verbraucherzentralen gehen, wenn sie sich Sorgen machen oder sich geprellt sehen. Das sind diejenigen, die beim Frühstück nicht die Financial Times oder das Handelsblatt, sondern ihre lokale Tageszeitung lesen. Das sind diejenigen, für die in den letzten Jahren viel zu wenig Politik gemacht worden ist. Ich sage ganz offen: Es war kein einfacher Weg bis hierhin. Wir Sozialdemokraten haben uns schon in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit den Verbraucherzentralen für den Marktwächter starkgemacht. Schwarz-Gelb hat unseren Antrag dazu noch im Juni 2013 abgelehnt. Ich freue mich daher umso mehr, dass wir ohne die FDP in diesem Parlament endlich eine Mehrheit für unser Anliegen gefunden haben. (Beifall bei der SPD) Ich finde auch, dass man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen muss, und sage ganz klar: Das ist ein Erfolg der SPD und zeigt, dass sich Beharrlichkeit auszahlt. Dass wir Sozialdemokraten uns hier durchgesetzt haben, bedeutet eine deutliche Verbesserung in der Aufsicht über das für Verbraucher oft riskante und undurchsichtige Marktgeschehen. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es gilt aber auch: Wir sind noch nicht fertig. Die eingestellten 2,5 Millionen Euro sind eben nur eine Anschubfinanzierung. Wir werden daher sicherstellen, dass die Finanzierung in zukünftigen Haushalten verstetigt wird. Für mehr Transparenz und Kompetenz im Verbraucherschutz sorgen wir auch, indem wir einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen einrichten werden. Künftig wird es ein Expertengremium geben, das die Politik in Verbraucherfragen berät, aber auch im Sinne der Verbraucher fordern und kritisieren kann. Die dafür nötigen Planstellen haben wir im Haushalt 2014 eingestellt. Das ist ebenso wie die Einführung des Marktwächters ein klares Signal dafür, dass wir es mit dem wirtschaftlichen Schutz der Verbraucher ernst meinen. (Beifall bei der SPD) Darüber hinaus ist das Gros der 650 Millionen Euro im Haushalt des BMJV langfristig gebunden. Bei einem Personalkostenanteil von 66 Prozent und vielen flexibilisierten Mitteln sprechen wir zu großen Teilen von einem Verwaltungshaushalt, und das ist auch gut so. Denn eine vernünftige finanzielle Ausstattung unserer obersten Gerichte und unserer juristischen Einrichtungen ist das Grundgerüst unserer Gewaltenteilung und damit unseres Rechtsstaates. Unsere Justiz muss handlungsfähig sein. Dies gilt auch und gerade mit Blick auf den Schrecken und das Leid, das die Mitglieder des NSU verbreitet haben. Und ja: Der Prozess schlug sich auch in den Verhandlungen um den Haushalt des BMJV nieder. Um Haft- und Verfahrenskosten erstatten zu können, mussten wir den Haushaltsansatz des Generalbundesanwaltes um zusätzliche 5 Millionen Euro für die Aufklärung von rassistischen und menschenverachtenden Taten aufstocken. (Beifall bei der SPD) Das Ziel unserer Gesellschaft muss es sein, durch Aufklärung bzw. Prävention verbrecherische Taten gar nicht erst entstehen zu lassen. Wir haben hier im Hause und in der Gesellschaft in den letzten Monaten vermehrt eine Debatte über die Strafbarkeit und den Strafrahmen von Taten mit pädophilem Hintergrund geführt. Das ist eine wichtige Diskussion. Genauso wichtig ist auch, dass wir Menschen die Chance geben, sich in eine Therapie zu begeben. Wir wollen und müssen insbesondere Männern mit pädophilen Neigungen niedrigschwellige professionelle Hilfen anbieten, damit sie lernen, mit ihren Trieben umzugehen, nicht straffällig werden und keine Kinder in Gefahr bringen. Daher werden wir die Fördermittel für die Koor-dinierung des Projekts „Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld“ an der Berliner Charité aufstocken. „Prävention vor Repression“ muss gerade in diesem Bereich das eindringliche Credo sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Große Koalition verlangt uns Sozialdemokraten aber auch Kompromisse ab. (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wir haben auch über 40 Prozent!) Das ist nicht immer einfach. Viele von uns haben in der vorletzten Sitzungswoche zur Abstimmung über die Frage des Adoptionsrechts gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften entweder eine persönliche Erklärung abgegeben oder mit viel Unwohlsein über den Änderungsantrag der Grünen abgestimmt. Wir wissen: Dass es noch keine volle rechtliche Gleichstellung gibt, ist nicht mehr zeitgemäß. Wir Sozialdemokraten werden weiterhin dafür kämpfen. (Beifall bei der SPD) Umso wichtiger ist es aber heute, dass wir der -Bundesstiftung Magnus Hirschfeld mehr finanziellen Spielraum geben. Wir werden das Stiftungskapital um 1,75 Millionen Euro aufstocken und damit sicherstellen, dass die Stiftung ihre gesellschaftliche Aufklärungsarbeit fortsetzen kann. Wie bitter nötig das manchmal ist, haben die Diskussionen in der vergangenen Zeit leider deutlich gezeigt. Sehr geehrte Damen und Herren, es weht ein frischer Wind in der Rechts- und Verbraucherpolitik. Wir räumen mit dem, was unter Schwarz-Gelb liegen geblieben ist, auf. Wir wollen eine Rechtspolitik, die nicht zaghaft blockiert, sondern aktiv die Spielregeln unserer Gesellschaft gestaltet, eine Politik, die das Heft in die Hand nimmt, statt sich in einer im Wandel begriffenen Verbraucherwelt treiben zu lassen. Wir reden nicht nur vom Schutz der Verbraucher, sondern wir richten auch unser politisches Handeln danach aus. Mit diesem Haushalt gehen wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich mich als Hauptberichterstatter für diesen Etat bei den Kollegen Rohde, Gröhler und Claus für die konstruktiven und, wie ich fand, auch kollegialen Beratungen bedanken. Uns ist es gelungen, gemeinsam Änderungen an diesem Haushaltsentwurf – mein Vorredner hat das Stiftungskapital der Magnus-Hirschfeld-Stiftung gerade angesprochen – zu realisieren. Bedanken möchte ich mich auch beim Ministerium für eine Vorbereitung und Durchführung dieser Haushaltsberatungen, die durchaus beispielgebend für andere Ressorts hätten sein können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden nicht nur über einen neuen Haushalt, sondern wir reden auch über ein neues Ministerium: über das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Natürlich muss man sich da fragen: Passt dieser neue Haushalt zu diesem neuen Ministerium? Passen 640 Millionen Euro und ein hoher Personalkostenanteil zu den Aufgaben, die im Bereich des Verbraucherschutzes vor uns liegen? Da ist die Antwort meiner Fraktion: Leider passt dieser Haushalt nicht dazu. Ich will das an ein paar Beispielen deutlich machen. Sie haben über den Marktwächter gesprochen. Da will ich den Kolleginnen und Kollegen von der SPD schon zurufen: Uns Grüne braucht man in dieser Frage nicht katholisch zu machen. Im Gegenteil, wir sind froh, dass die Große Koalition eine Forderung, die wir seit Jahren erheben, in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen hat. Wir hätten uns durchaus vorstellen können – das haben wir im Haushaltsausschuss auch beantragt –, dass man nicht mit nur einem Marktwächter, sondern mit beiden beginnt. Denn ich glaube, die Menschen in diesem Land erwarten die Einführung dieser wichtigen Institution. Gerade im Bereich der digitalen Welt und der digitalen Geschäftsmodelle ist ein Marktwächter dringend notwendig, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Ähnlich geht es mir im Hinblick auf den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Ich finde, ein solcher Sachverständigenrat ist eine durchaus überlegenswerte, gute Sache. Aber ich will nicht, dass er zu einem netten Kaffeekränzchen oder zu einer hohlen Institution verkommt. Wenn man nur eine B-3-Stelle schafft und daraus verwaltungstechnisch eine One-Man-Show macht, dann habe ich zumindest Zweifel, ob ein solcher Sachverständigenrat am Ende wirklich die Schlagkraft und die Beratungskompetenz hat, die wir uns eigentlich alle wünschen würden. Lassen Sie mich einen letzten Punkt erwähnen, auf den mein Vorredner nicht eingegangen ist, der sich aber auch im Koalitionsvertrag wiederfindet: den Zuschuss an die Verbraucherzentrale Bundesverband. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir im Rahmen der Verbraucherpolitik davon reden, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land eine schlagkräftige Lobby brauchen, wenn wir über selbstbestimmten Konsum und selbstbestimmtes Verbraucherverhalten reden, dann braucht man, wenn man an Begriffe wie „Marktmacht“ denkt, auch eine angemessene Ausstattung der Verbraucherzentrale. Hier haben wir im Rahmen der Beratungen einen Änderungsantrag eingebracht, der, wie so viele, leider von dieser Koalition abgelehnt wurde. Das ist schade für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Hinblick auf die Anträge, die wir eingebracht haben, wird uns gern der Vorwurf gemacht: Ihr Grüne habt das doch gar nicht gegenfinanziert. – Ich will den Menschen in diesem Land sagen: Wir machen eines grundlegend anders als diese Koalition. Wir kompensieren die Mittel nicht in den gleichen Etatplänen, sondern wir sagen zum Beispiel: Wir geben weniger Geld für die Verteidigung aus, damit mehr Geld für Bildung und Forschung und mehr Geld für die Verbraucherpolitik zur Verfügung steht. – Wenn Sie am Ende des morgigen Tages einen Strich unter unsere Anträge ziehen, werden Sie erkennen: Wir bleiben bei einer Nettokreditaufnahme von 6,5 Millionen Euro, genau wie diese Große Koalition. Aber es gelingt uns eben, andere Schwerpunkte zu setzen. Ein letzter Punkt, über den Sie sich Gedanken machen sollten. Wenn Sie in Ihrem Koalitionsvertrag beschließen, ein neues Ministerium zu schaffen, und hineinschreiben: „Wir müssen Mittel aus dem eigenen Einzelplan kompensieren“, dem Herrn Bundesminister aber nur ein Drittel der Mittel für den Verbraucherschutz zur Verfügung stellen, dann werden Sie auch in den folgenden Jahren nicht viel in Sachen Verbraucherschutz bewegen können. Denken Sie über diesen Denkfehler noch einmal nach, meine Damen und Herren; denn sonst sehe ich für die kommenden Jahre schwarz. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte: Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister Maas! Meine sehr geehrten Gäste! Liebe Kollegen! (Dr. Eva Högl [SPD]: Na, bitte!) – Ja, man muss ja immer noch etwas draufpacken. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Roland Claus [DIE LINKE]: Besser beim Etat!) Die Frau Bundeskanzlerin hat gestern bei der Debatte über ihren Einzelplan den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für die engagierten Beratungen des Entwurfs gedankt, mein Fraktionsvorsitzender Volker Kauder hat sich beim kleineren Koalitionspartner für das konstruktive Zusammenwirken bedankt, und der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten bedankte sich wiederum bei der CDU/CSU-Fraktion. Hier will ich gerne weitermachen; der Kollege Lindner hat den Ball diesbezüglich ja schon ein klein wenig ins Feld gebracht. Auch ich möchte mich bei ihm als Hauptberichterstatter für den Einzelplan 07 bedanken. Ich darf sagen: Über Fraktionsgrenzen hinweg, ohne dass wir sie verwischt haben, hatten wir zwischen allen Berichterstattern eine, wie ich meine, sehr angenehme Kooperation. Ganz besonders wichtig ist es mir aber, mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bedanken, und zwar nicht nur bei denen, die im Bundesjustizministerium für den Haushalt zuständig sind, sondern auch bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanzministerium und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und in den Fraktionen; denn seien wir einmal ganz ehrlich: Wir als Parlamentarier könnten dieses hohe Recht – das -Budgetrecht, das wichtigste Recht des Hauses – gar nicht tatsächlich ausüben, wenn es nicht eine große Schar von fleißigen Mitarbeitern gäbe. Man könnte jetzt sagen: Sie verdienen ein bisschen mehr als den zukünftigen Mindestlohn. Das ist zwar richtig, aber ich finde trotzdem, dass man ihre Arbeit an dieser Stelle würdigen sollte, weil es manchmal bis tief in die Nacht geht, und wir alle wissen ja, dass das Ansehen des öffentlichen Dienstes draußen häufig nicht sehr gut ist. Insofern sage ich Ihnen ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, der Einzelplan 07, über den ich hier sprechen möchte, ist in der Tat etwas speziell. Die Größenordnung dieses Etats entspricht ungefähr der Portokasse im Sozialetat. 648 Millionen Euro bezogen auf fast 300 Milliarden Euro im gesamten Bundeshaushalt: Das ist schon ziemlich übersichtlich. Besonders auffällig ist dieser Etat natürlich auch durch -seinen hohen Deckungsgrad. Immerhin nimmt der Bundesjustizminister 465 Millionen Euro ein. Ganz besonders wird der Einzelplan aber dadurch, dass die Opposition im Vergleich zu anderen Etats fast gar nichts an ihm auszusetzen hat. Bei einem so kleinen Haushalt kommt man natürlich schnell in die Versuchung, zu sagen, an der einen oder anderen Stelle wolle man mehr draufpacken. Ich sage aber: Auch wenn der Haushalt noch so klein ist: Jeden Euro, den wir ausgeben, haben wir vorher durch Einnahmen des Staates – in erster Linie durch Steuern – erlangt, und deshalb ist es unsere Verpflichtung, ordentlich zu prüfen, ob es tatsächlich sinnvoll und notwendig ist, an der einen oder anderen Stelle etwas draufzulegen. – Ich komme gleich noch einmal zu den Anträgen der Oppositionsfraktionen, die wir dementsprechend abgelehnt haben. Wir Haushälter haben uns am Machbaren statt am Wünschenswerten orientiert und uns auch bei diesem Einzelplan von dem Ziel leiten lassen, dass die Neuverschuldung gering sein muss. Gestern und heute gab es den einen oder anderen, der das Ziel der Absenkung der Neuverschuldung und das Ziel einer Neuverschuldung von null wieder infrage gestellt hat. Ich kann als Mitglied des Haushaltsausschusses für die CDU/CSU-Fraktion aber nur sagen: Es ist ein richtiges politisches Ziel, einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt zu verabschieden, wie wir das morgen tun werden. Ebenso richtig ist es, dass wir nach der Sommerpause einen Haushaltsentwurf beraten, der als Erster seit langer Zeit wieder völlig ohne Neuverschuldung auskommen wird. „Schluss mit Schulden“, hat vorhin eine meiner Kolleginnen gesagt. Ich finde, das ist ein sehr guter Slogan für die Zukunft. Er macht das griffig und prägnant. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich bin mir sicher, dass das Zeichen, dass wir keine Schulden mehr machen wollen, von den Menschen verstanden wird. Der Staat bescheidet sich. Das ist eine Zeitenwende, die viele vor einigen Jahren noch gar nicht für vorstellbar gehalten haben. Das erfordert aber natürlich auch eine hohe Disziplin bei der Haushaltsplanaufstellung. Der eine oder andere Redner hat ja betont, dass es für kommende Generationen wichtig ist, keine neuen Schulden zu machen. Ich will aber auch sagen: Auch für die heutige Generation ist das wichtig. Ich als Berliner Abgeordneter komme aus einem Land, das in den letzten Jahren sehr viele Schulden – insgesamt 60 Milliarden Euro – aufgetürmt hat, bis sich endlich auch in Berlin eine Große Koalition entschlossen hat, damit nicht weiterzumachen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Damit haben wir schon früher angefangen!) Ich habe gelernt, meine liebe Kollegin – Sie wissen das als Berlinerin sicherlich auch –, was es bedeutet, wenn ein Landeshaushalt nur noch aus Sozialausgaben und dem Schuldendienst besteht, wenn man nur noch damit beschäftigt ist, Kredite zurückzuzahlen, Zinsen zu zahlen und wieder neue Kredite aufzunehmen. Dann kann man sich irgendwann politisch gar nicht mehr bewegen. In diese Situation soll und will der Bund nicht kommen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns mit zusätzlichen Ausgaben zurückhalten. Dementsprechend ist es auch wichtig, dass wir nicht immer allen Wünschen nachkommen. Der von der Bundesregierung vorgelegte Etatentwurf für den Einzelplan 07 war so gut, dass wir an ihm fast nichts ändern mussten. Wir haben den Etatansatz lediglich um 1 Prozent im Zuge der Haushaltsberatungen angehoben und sind dem Struck’schen Gesetz, nach dem kein Gesetzentwurf das Haus so verlässt, wie er hineingekommen ist, auch an dieser Stelle nachgekommen. Die Anhebung erfolgte – darauf hat bereits mein Ko-alitionskollege Rohde hingewiesen –, um die im Koalitionsvertrag verabredeten Verbesserungen im Verbraucherschutz zu finanzieren. 2,5 Millionen Euro haben wir zusätzlich eingestellt, um den Aufbau der Marktwächterfunktion für den Finanzmarkt zu ermöglichen. Diese zusätzlichen Mittel im Haushalt sind folgerichtig, um den von den Bundesministern Wolfgang Schäuble und Heiko Maas gemeinsam vorgestellten Aktionsplan der Bundesregierung zum Verbraucherschutz im Finanzmarkt auf den Weg zu bringen. Durch die zusätzlichen Mittel werden die bestehenden Verbraucherzentralen mit einer Marktwächterfunktion beauftragt. Neben dem Maßnahmenpaket für einen besseren Schutz von Kleinanlegern und einer Stärkung der Verbraucherrechte bei Bankdienstleistungen – Stichwort: Girokonto garantiert für jeden – ist die Beobachtung der Finanzmärkte durch die Verbraucherzentralen eine weitere wichtige Säule dieses Aktionsplans. Die Bürgerinnen und Bürger haben bereits jetzt ein großes Vertrauen in die Verbraucherzentralen. 2,5 Millionen Mal im Jahr wenden sie sich mit unterschiedlichen Anliegen an sie. Deshalb ist es richtig, den Verbraucherzentralen diese Aufgabe zu übertragen und dementsprechend die Anschubfinanzierung auf den Weg zu bringen. Grüne und Linke haben sich nun in den Haushaltsberatungen mit Änderungsanträgen überboten. Na klar: Mehr Geld für Verbraucherschutz kommt draußen in den Wahlkreisen gut an. Damit kann man hausieren gehen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles gegenfinanziert!) Aber man sollte vielleicht auch ein Stück realistisch sein, lieber Herr Kollege Dr. Lindner. Der Haushaltsplan 2014 tritt Anfang Juli in Kraft. Das heißt, wir haben noch ein gutes halbes Jahr, um diese Anschubfinanzierung tatsächlich auf den Weg zu bringen. Da sind die von Ihnen geforderten 10 Millionen Euro gar nicht seriös zu verausgaben. Deshalb sage ich den Kollegen von der Grünen-Fraktion: Das war ein Schaufensterantrag. So haben wir als Große Koalition ihn im Ausschuss auch behandelt und entsprechend abgelehnt. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie einmal mit der Verbraucherzentrale darüber!) Lassen Sie mich zu einem anderen Aspekt des Etats kommen, auf den ich hinweisen möchte. Aus dem Etat des Bundesministeriums erhält die Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, kurz IRZ, Mittel. Wir haben gestern mit großer Freude zustimmend zur Kenntnis genommen, dass Litauen den Euro einführen wird. Jetzt wird mich der eine oder andere fragen: Was hat die IRZ mit der Einführung des Euro in Litauen zu tun? Eine ganze Menge. Die Stiftung hat Litauen, nachdem das Land seine Souveränität wiedererlangt hat, über zehn Jahre juristisch beraten und auf dem Weg nach Westen in Sachen Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und Demokratie begleitet. Dementsprechend hat die IRZ einen ganz wesentlichen Anteil daran, dass in Litauen die Voraussetzungen für die Einführung des Euro erreicht worden sind. Auch so verstehe ich die größere Verantwortung Deutschlands in der Welt, die unser Bundespräsident zu Recht eingefordert hat: Die IRZ ist nicht nur in Litauen aktiv gewesen. Sie ist es in Südosteuropa, und sie ist es darüber hinaus im arabischen Raum. Wir haben für den Haushalt 2015 zum Beispiel zu prüfen, ob wir die Gelder für diese wichtige Einrichtung nicht noch ein Stück weit erhöhen. Das gilt auch für das Bundespatentamt, dessen Arbeitsabläufe sowie sachliche und personelle Ausstattung wir kritisch werden überprüfen müssen, weil die Bearbeitungszeiten für Patentanmeldungen einfach zu lang sind. Nun werden mir vielleicht Kollegen der Opposition gleich sagen: Warum habt ihr dann nicht unserem Antrag für mehr Geld und mehr Personal im Bundespatentamt zugestimmt? Das kann ich Ihnen sagen: weil auch dieser Antrag ein Stück unseriös war. (Roland Claus [DIE LINKE]: Gute Frage, aber schlechte Antwort!) Sie haben einfach versucht, das Füllhorn des Bundes auszuschütten, ohne mit dem Bundespatentamt tatsächlich zu klären: Wo liegen denn die Probleme? Es ist nicht immer nur damit getan, einfach zusätzliches Geld irgendwo hineinzupumpen, sondern man sollte vor Ort schauen, wie es tatsächlich eingesetzt wird. Ebenso werden wir für den Haushalt 2015 prüfen müssen, ob der gesteigerte Ansatz für das Netzwerk gegen Kindesmissbrauch weiter erhöht werden muss. Dieser Haushaltsentwurf, so wie er jetzt aus dem Haushaltsausschuss kommt, ist ein guter. Ich kann nur empfehlen, ihm zuzustimmen, sowohl was den Einzelplan 07 als auch den Gesamtetat angeht. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön, sehr geschätzter Herr Kollege. – Jetzt hat Bundesminister Heiko Maas das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Sehr geehrte, geschätzte, liebe Präsidentin! (Heiterkeit) Vizepräsidentin Claudia Roth: Oh, jetzt geht es aber ab. Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Für nachfolgende Redner wird es jetzt schwierig. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wichtigsten Steuermittel der Politik sind sicherlich zum einen die Gesetze, zum anderen aber auch das Geld. Vor allen Dingen um Letzteres geht es heute. Eine kluge Politik muss, wie ich finde, mit beidem sparsam umgehen. Herr Gröhler hat gesagt, dass der Haushalt des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums im Vergleich zu dem anderer Ressorts einer Portokasse gleicht. Das ist sicherlich richtig, Herr Gröhler. Aber wir haben gemeinsam dafür gesorgt, mit dem Haushalt des Justiz- und Verbraucherministeriums zu zeigen, wie viel Sinnvolles man aus einer Portokasse finanzieren kann. Ich finde, dem werden wir gerecht. Meine Damen und Herren, in Deutschland gelten zurzeit 1 681 Bundesgesetze und 2 711 Bundesverordnungen. Viele sagen, das sei mehr als genug. Tatsächlich müssen wir uns immer intensiv darüber Gedanken machen, wo es sinnvoll und notwendig ist, Sachverhalte oder Probleme mit Gesetzen zu ändern bzw. zu lösen. Aber es gibt sicherlich auch Dinge, bei denen es ganz, ganz notwendig ist, gesetzgeberische Vorhaben auf den Weg zu bringen. Das war und ist so bei der Sukzessiv-adoption, der heiß diskutierten Mietpreisbremse, der Frauenquote für die Aufsichtsräte, den gesetzlichen Reformen im Nachgang zum NSU-Untersuchungsausschuss und vor allen Dingen auch beim Gesetz gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie. Das alles sind Themen, bei denen es Handlungsbedarf vonseiten des Gesetzgebers gab und gibt. Gerade das Gesetz gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie zeigt das ganz besonders. Wir ändern die Verjährung beim sexuellen Missbrauch. Sie setzt erst mit dem 30. Lebensjahr ein, weil viele, die sexuell missbraucht worden sind, erst sehr spät darüber reden können und wir nicht wollen, dass die Täter ungeschoren davonkommen. Wir ändern die Vorschriften zum sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen, weil es keinen Unterschied machen darf, ob jemand Lehrer oder Hilfslehrer ist, wie es in einem Gerichtsurteil in Koblenz festgestellt worden ist. Wir wollen auch den Handel von Nacktbildern mit strafrechtlichen Mitteln verfolgen. Denn wir finden, unbefugt hergestellten Nacktbildern, die vertrieben und verkauft werden, liegt ein Missbrauch von Kindern zugrunde, und dies wollen wir unter Strafe stellen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Neben dem, was wir gesetzgeberisch auf den Weg bringen, ist es aber oftmals auch notwendig, Geld, das zur Verfügung steht, so einzusetzen, dass mögliche Gesetzesverstöße gar nicht erst entstehen. Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist ein ganz besonders schreckliches Verbrechen. Wir wollen alle, dass Kinder besser geschützt werden, und wir wollen vor allem dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu solchen Taten kommt. Das schaffen wir nicht mit dem Strafgesetzbuch allein. Bedauerlicherweise sind veränderte bzw. verschärfte Gesetze oder höhere Strafen nicht immer geeignet, Straftaten zu verhindern. Sie können aber ein Bestandteil der Maßnahmen dagegen sein. Deshalb haben wir uns ganz besonders damit ausei-nandergesetzt, Maßnahmen zu fördern, die dazu führen sollen, dass Taten erst gar nicht begangen werden. Bereits seit 2008 fördert das Bundesjustizministerium das Projekt „Kein Täter werden“ der Berliner Charité. Es hilft Männern mit pädophilen Neigungen, dass aus ihren sexuellen Fantasien keine Straftaten werden. Die Nachfrage nach dieser Hilfe ist groß, und sie wird immer größer. Es gibt inzwischen in weiteren sieben Städten in Deutschland ähnliche Projekte. Mit dem Haushalt, den Sie, meine Damen und Herren, heute beschließen, weiten wir die Förderung dieses Projektes ganz maßgeblich aus. Wir erhöhen die Mittel um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ich finde, das ist eine sehr gute und wichtige Entscheidung. Denn mit diesem Geld schützen wir Kinder mehr, als wir es oftmals mit geänderten Gesetzen tun können, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Auch in der Verbraucherpolitik, um die sich das frühere BMJ nun ebenfalls kümmert, geht es nicht alleine um Vorschriften oder Verbote. Laisser-faire oder staatliche Zwangsbeglückung – das sind immer die Alternativen, und es sind oftmals auch Alternativen von gestern, weil eine moderne Verbraucherpolitik ganz anders aussieht. Die Menschen sollen die Freiheit haben, selbst die richtige Entscheidung für sich zu treffen. Aber da reicht es oft nicht aus, nur das Ideal des mündigen Verbrauchers zu bemühen. Der Staat muss auch dort, wo er kann, etwas dafür tun, dass die Menschen diese Freiheit nutzen können. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind heutzutage auf den Finanzmärkten unterwegs. Aber ohne ausreichende Kenntnisse – teilweise glaubt man, dass ein BWL-Studium vonnöten ist – finden sich viele dort nicht zurecht. Wenn es um die Altersvorsorge oder um Vermögensbildung geht, dann kann man sich heutzutage kaum einen Fehltritt leisten. Eine falsche Entscheidung lässt sich selten rückgängig machen und kann für den Einzelnen und seine Familie verheerende Folgen haben. Die Menschen brauchen – darum geht es uns in einer modernen Verbraucherpolitik – verlässliche Informationen und klare Orientierung. Aus diesem Grund sollen die Verbraucherorganisationen, wie bereits mehrfach angesprochen, künftig zu Marktwächtern werden. Die Verbraucherorganisationen erfahren durch ihre Beratungsarbeit als Allererste, wo Fehlentwicklungen stattfinden. Dann sollen sie bei den Behörden auch Alarm schlagen können und Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informieren, wo es falsche Fünfziger oder schwarze Schafe gibt. 2,5 Millionen Euro sind zusätzlich in diesen Haushalt gekommen, damit wir den Aufbau der sogenannten Marktwächter – konkret: der Finanzmarktwächter – in Angriff nehmen können. Das ist eine wichtige Entscheidung. Damit wird ein wichtiges Projekt endlich anlaufen können. Ich danke allen ganz herzlich, die das möglich gemacht haben, ganz besonders den Berichterstattern für den Justizhaushalt, Dennis Rohde und Klaus-Dieter Gröhler, aber auch, meine Damen und Herren, der Opposition, Herrn Dr. Tobias Lindner und Roland Claus. Auch Ihnen ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn wir über Gleichberechtigung und den Kampf gegen Diskriminierung reden, dann hat das sicherlich auch eine rechtliche Dimension. Mit der Sukzessivadoption für Lebenspartnerschaften sind wir auch hier einen wesentlichen Schritt weitergekommen. Eine tolerante Gesellschaft, in der alle Menschen akzeptiert werden, und zwar so, wie sie sind oder sein wollen, entsteht aber letztlich nicht nur per Gesetz. Toleranz kann man eben nicht verordnen – aber man kann sie fördern. Eine ganz wichtige Institution, die das tut, ist die schon erwähnte Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Diese Stiftung leidet genauso wie viele andere unter den niedrigen Zinsen. Um hier zu helfen, wird mit diesem Bundeshaushalt das Stiftungskapital um 1,75 Millionen Euro erhöht. Dadurch kann die Stiftung ihre wichtige Arbeit ausweiten. Dies zeigt erneut: Es muss nicht immer ein Gesetz sein. Auch durch den klugen Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel können wir eine gute und vernünftige Politik machen. Auf jeden Fall werden wir im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch diesen Haushalt in die Lage versetzt, genau dies zu tun. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, lieber Heiko Maas. – Nächster Redner in der Debatte: Roland Claus für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Gröhler hat aufgefordert, hier immer noch einen draufzupacken. Der Justizminister war der Meinung, dass es nach seiner Anrede für den nächsten Redner schwierig sei, das noch zu toppen. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das sehen wir jetzt!) Herr Minister, Sie unterliegen hier einem Justizirrtum, wenn auch einem geringfügigen; denn mir fällt es überhaupt nicht schwer, hier etwas draufzupacken. Sie alle haben die reale Möglichkeit, den Verbraucherschutz zu stärken und im Etat etwas draufzupacken, wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Dann haben Sie real etwas getan und nicht nur etwas aus dem Sprüchebeutel draufgepackt. (Beifall bei der LINKEN) Die gute Nachricht zuerst: Der Justizhaushalt ist einer der wenigen Etats, die im Laufe der Haushaltsberatungen etwas besser wurden. Gut geworden ist er noch nicht. Immerhin ist er so klein, dass das Bundesfinanzministerium gar nicht erst Begehrlichkeiten entwickelte, den Etat zu kürzen. Der Finanzmarktwächter wird eingeführt. Das haben mehrere beantragt, auch die Linken. Ich habe den Antrag schon erwähnt. Die Übermacht – das muss man sich wirklich eingestehen – der Anbieter von sogenannten Finanzprodukten wird davon aber nicht berührt. Aber wenigstens wird ein Problem öffentlich gemacht. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die zwei Zahlen ins Verhältnis zu setzen, die 2,5 Millionen Euro, die wir für die Verbraucherschützer jetzt einstellen wollen, zu dem Geld, über das die sogenannten Schattenbanken verfügen. Das sind über 50 Billionen Euro. Es kommt also zu einem Verhältnis der Verbraucher zu denen, zu denen sie in Konkurrenz treten, von 1 : 20 Millionen. Die Übermacht der Finanzmärkte beträgt immer noch 20 Millionen gegenüber den Verbraucherschützern. Das nur, damit wir uns keine Illusionen machen. Nun kursiert ein neuer Begriff, der Begriff „Geierfonds“. Sie haben richtig gehört: Geierfonds, benannt nach dem Greifvogel oder Raubvogel. Diese Fonds betreiben nach ihrer Philosophie vorrangig den Ankauf von Wertpapieren angeschlagener Herausgeber. Das können Unternehmen sein, das können aber auch Staaten sein. Gegenwärtig ist Argentinien von einem dieser Geierfonds erheblich bedroht, so bedroht, dass die argentinische Regierung sich entschlossen hat, auch in Europa große Anzeigen zu schalten. Dazu muss man sagen: Auch noch so tapfere Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer werden die Geierfonds nicht stoppen, aber sie setzen wenigstens ein Zeichen von Gegenwehr, und das ist gut so. Sie in der Bundesregierung wollen die Schattenbanken und Hedgefonds irgendwie kontrollieren. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Das wird nicht funktionieren. Solche Unternehmen, solche dubiosen Institutionen gehören abgeschafft. Es reicht nicht, sich das Ziel zu setzen, sie zu kontrollieren. Die Linke wird immer dabei sein, wenn es um mehr Verbraucherschutz geht. Wir müssen Sie dennoch auf ein Kuriosum aufmerksam machen. Wir haben jetzt ein Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, und wir haben ein Bundesamt für Verbraucherschutz. Das Kuriose ist – das wissen Sie –, dass das Bundesamt in einem anderen Ministerium angesiedelt ist, und nicht in dem gleichnamigen Bundesministerium. Positiv finden wir die Entwicklung, dass auf Beschluss der Verbraucherschutzminister der Länder es nun endlich eine Initiative zur Deckelung der Dispozinsen gibt, also dass man sich dagegen wehrt, dass Banken sich quasi für 0 Prozent Zinsen Geld leihen und Dispozinsen von über 10 Prozent von den Leuten verlangen. Daran kann man sehen, Herr Minister: Links wirkt, noch mehr links würde noch mehr wirken. (Beifall bei der LINKEN) Das besondere Interesse der Opposition an einer -auskömmlichen Finanzierung der Bundesgerichtsbarkeit hatte ich bereits erklärt. Nun zum Patent- und Markenamt. Unser Vorschlag dazu ist schon zitiert worden. Hier ist die Koalition noch ein bisschen uneinsichtig. Als wir das, lieber Kollege Gröhler, in der 16. Wahlperiode schon einmal zum Erfolg gebracht haben, sind wir selbstverständlich als Berichterstatter mit anderen Sachkundigen mehrfach in München gewesen und haben uns genau angeschaut, an welcher Stelle Personalmittel und an welcher Stelle Mittel für Sachkosten oder IT-Kosten zu erhöhen sind. Dann hat das auch geklappt. Ich bin mir sicher: Das wird auch wieder klappen. Ich kann Ihnen noch eine Brücke bauen. Die Linke wird in der ihr bekannten Bescheidenheit Ihnen in Sachen Urheberschaft nicht im Wege stehen und diese nicht so laut hinausposaunen. Setzen Sie die Vorschläge um. Das wäre wichtiger, als jetzt darüber zu tönen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Sie denken an Ihre Redezeit, in aller Bescheidenheit? Roland Claus (DIE LINKE): In aller Bescheidenheit komme ich damit zum Ende. – Wir wünschen uns natürlich ein selbstbewusstes Verfassungsministerium. Das braucht nicht nur die Koalition, das braucht auch die Opposition. In diesem Sinne: Gutes Zusammenwirken! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin: Elisabeth Winkelmeier-Becker für die Union. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Zuhörer! Der Haushalt, über den wir in dieser Woche sprechen, ist sehr erfreulich. Seit meiner Kindheit ist das der erste ausgeglichene Haushalt. Jeder Politikbereich leistet seinen Beitrag dazu, darunter auch unserer. Der Haushalt unseres Ministeriums zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass er der kleinste ist, zum anderen dadurch, dass er die höchste Deckungsquote hat. Auch in dieser Hinsicht ist er ein Vorbild; andere Ressorts können ja einmal versuchen, an unsere Quoten heranzukommen. Die Größe unseres Haushaltes steht aber natürlich in keinem Verhältnis zur wahren Bedeutung unseres Politikbereichs; das muss man hier einmal sagen. Das zeigt, dass es in der Tat nicht immer nur auf das zur Verfügung stehende Geld ankommt, wenn es darum geht, gute Politik zu machen. Wenn ich Schülergruppen erkläre, was Politik macht, dann nenne ich zwei Punkte: Der eine wesentliche Punkt von Politik ist, zu entscheiden, woher wir das Geld bekommen und wofür wir es ausgeben, von wem wir Steuern einnehmen und was uns so wichtig ist, dass wir dafür Geld ausgeben. Der andere wesentliche Punkt ist, welche Regeln wir für das Zusammenleben der Menschen untereinander oder für das Verhältnis der Bürger zum Staat aufstellen. Das ist nichts, was kostet, aber etwas, das gut austariert und gerecht gestaltet werden muss. Das ist unsere Aufgabe. Das ist die Domäne der Rechtspolitik. Wir kommen also mit wenig Geld aus, um gute und auch weitreichende Politik zu machen. Unser Haus und unser Haushalt müssen gewährleisten, dass die Justiz funktioniert. Das gilt auch für die obersten Bundesgerichte. Ich nutze hier die Gelegenheit, um der neuen Präsidentin des BGH, die in den vergangenen Tagen ihre Urkunde erhalten hat und ihre Aufgabe ab Juli wahrnehmen wird, zu gratulieren und eine glückliche Hand zu wünschen für ihre wichtige Aufgabe an der Spitze der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland. Also: Herzlichen Glückwunsch, Frau Bettina -Limperg, als neue BGH-Präsidentin und hoffentlich starke Frau in einer Führungsposition in Deutschland. (Beifall) In diesem Zusammenhang ein Punkt, der haushaltsrelevant sein kann. Wir haben als Gesetzgeber vor drei Jahren völlig zu Recht ein Rechtsmittel gegen Zurückweisungsbeschlüsse in der Berufung nach § 522 ZPO eingeführt. Das hat zu deutlich mehr Aufwand geführt. Es gab viele zusätzliche Nichtzulassungsbeschwerden beim BGH. Wir müssen uns genauer anschauen, wie wir dem begegnen können, damit die Rechtsprechung am BGH nicht darunter leidet, dass wir mit unserer Maßnahme dazu beigetragen haben, dass die Fallzahlen sehr gestiegen sind. Den größten Aufwuchs in unserem Bereich hat der Verbraucherschutz; darauf komme ich gleich zurück. Wir werden dort neue Strukturen schaffen und werden das finanziell unterlegen. Vor allem gibt uns die Haushaltsdebatte die Gelegenheit, um einige Punkte generell anzusprechen und auf einige Vorhaben einzugehen; meine Vorredner haben das ja schon getan. Ich möchte mit einem Thema anfangen, das mir besonders am Herzen liegt, und auf Papst Franziskus verweisen. Er hat nämlich in dieser Woche in Süditalien der Mafia für ihre kriminellen Machenschaften im organisierten Verbrechen die Exkommunikation angedroht. Nun ist die Exkommunikation sicherlich das Monopol des Papstes, aber auch wir können etwas tun, um ma-fiöse Strukturen, die bei uns existieren, trockenzulegen und zu bekämpfen. Da sehe ich unsere dringende Aufgabe, und zwar vor allem im Bereich Menschenhandel und Zwangsprostitution. Es ist schwer auszuhalten, dass viel Zeit ins Land gegangen ist, seit wir dieses Problem erkannt haben und immer wieder mit Vorschlägen kommen, um das sicherlich nicht einfache Regelwerk, dessen Ausarbeitung wir zu leisten haben, dann doch endlich auf den Weg zu bringen. Wir müssen rasch gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution vorgehen und beides konsequent bekämpfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es darf nicht sein und es betrübt mich wirklich, dass gerade in Deutschland dieses Feld für die Hintermänner so lukrativ ist. Das müssen wir bekämpfen. Diesem Geschäftsmodell muss mit verschiedenen Maßnahmen der Boden entzogen werden. Ich denke, wir müssen zu einer behördlichen Erlaubnispflicht kommen. Wir müssen bessere Kontrollbefugnisse haben. Wir müssen klarstellen, dass es kein Weisungsrecht von Zuhältern gibt und dass diese den Prostituierten bei ihrer Berufsausübung keine Einzelheiten vorgeben können. Das muss klargestellt werden. Das darf es nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Auch an die Freier wollen wir heran, an die, die wissentlich und willentlich ausnutzen, dass eine Frau zu sexuellen Handlungen gezwungen und missbraucht wird. Da muss auch das Strafrecht nachjustiert werden. Natürlich brauchen wir dazu auch klare Maßstäbe. An der Stelle bestehen Schutzlücken, die wir schließen müssen. Genauso müssen wir uns aber auch mit Ausstiegshilfen und einer Verbesserung des Aufenthaltsrechts beschäftigen. Wir müssen das alles konsequent aus dem Blickwinkel der Opfer von Menschenhandel betrachten und zügig angehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich muss sagen: Der Zeitplan, der bisher zu diesem wichtigen Projekt vorgelegt worden ist, erscheint mir noch nicht ambitioniert genug. Lassen Sie uns das schneller umsetzen, und lassen Sie uns andere Dinge, die vielleicht nicht so wichtig sind, so weit auch zurückstellen. Ich denke da auch an die Reform der Gesetzgebung zu Mord und Totschlag. Das ist sicherlich sinnvoll, aber vielleicht nicht so dringlich. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte eingehen auf die schon angesprochene Mietpreisbremse. Ich sage und verspreche: Sie kommt, und sie wird gut. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Eva Högl [SPD]: Wir nehmen Sie beim Wort!) Wir werden dafür sorgen, dass sie funktioniert. Wir wissen: Es ist für Menschen, gerade in Regionen, wo die Mieten sehr schnell steigen, schwierig, einen Wohnungswechsel zu finanzieren. Dieses Problem müssen wir angehen, aber wir müssen es an der Wurzel packen. Wir wissen: Die Mietpreisbremse ist ein Instrument, das die Symptome bekämpft. Wurzel des Übels steigender Mieten ist dagegen die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Tatsache, dass zu wenig Wohnraum zur Verfügung steht. Deshalb muss jede Landesregierung, die sagt: „Wir haben hier einen angespannten Wohnungsmarkt, deshalb brauchen wir die Mietpreisbremse“, überlegen, wie denn bei auslaufender Mietpreisbremse ein Zustand erreicht werden kann, bei dem der Wohnungsmarkt besser und entspannter ist und bei dem es mehr Angebot gibt. Für uns ist ganz klar: Das eine muss mit dem anderen verbunden werden. Wer sagt, dass wir eine Mietpreisbremse brauchen, der muss auch sagen, mit welchen Maßnahmen er die Ursachen für steigende Mieten bekämpfen will. Schließlich müssen wir dafür sorgen, dass die Mietpreisbremse auch praktikabel ist. Wenn Mieter und Vermieter ihre Vereinbarungen an einer Vergleichsmiete ausrichten sollen, dann muss auch irgendwo klar und einfach definiert sein, was diese Vergleichsmiete ist, sonst treiben wir die Parteien nur vor Gericht, in teure und ungewisse Verfahren. Damit ist am Ende niemandem gedient, weder den Mietern noch den Vermietern. Deshalb muss in das Gesetz eine klare Regelung dazu aufgenommen werden, was der Vergleichsmaßstab ist und wie er ermittelt und definiert werden kann. Meine Damen und Herren, die Union steht für eine mittelstandsfreundliche Rechtspolitik. Wir haben im Koalitionsvertrag etliche Punkte dazu vereinbart, insbesondere wollen wir im Insolvenzrecht Änderungen herbeiführen. Wir brauchen mehr Planungssicherheit für diejenigen, die einem Vertragspartner auch in einer schwierigen Situation zum Beispiel Zahlungsaufschub geben, die sich auf Ratenzahlungen einlassen. Das wollen wir doch, weil damit häufig auch eine Durststrecke überwunden werden kann und sich der Vertragspartner wieder fängt. Das darf aber nicht dazu führen, dass man bis zu zehn Jahre später noch damit rechnen muss, dass diese Zahlungen angefochten werden können. Hier brauchen wir mehr Sicherheit für die Geschäftspartner. Die jetzige Regelung ist schädlich. Erwünschtes Verhalten wird nicht praktiziert; das darf nicht riskiert werden. Schon in der nächsten Woche finden die zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr statt. Die Verabschiedung dieses Gesetzesentwurfs ist ein wichtiger Beitrag dazu, die Zahlungsmoral zu stärken. Dies stärkt auch die Liquidität der mittelständischen Betriebe. Sie müssen nämlich schnell an ihr Geld kommen, um nicht auf Zwischenfinanzierungen angewiesen zu sein. So können Insolvenzen in diesem Bereich vermieden werden. Ministerin Schwesig und Minister Maas werden demnächst einen Gesetzentwurf zur Frauenquote vorlegen. Ich darf sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass wir das jetzt auf den Weg bringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir werden dafür sorgen, dass dieses Gesetz so ausgestaltet wird, dass die Betriebe damit umgehen können. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin, Sie denken an die Redezeit? Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Wir dürfen die Unternehmen bei dem notwendigen Wandel nicht überfordern. Wir regeln die Einführung der Frauenquote so, dass sie beherrschbar ist. In ein paar Jahren sollten sich alle fragen: Wo war dabei eigentlich das Problem? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich überlasse es meiner lieben Kollegin Mechthild Heil, Ausführungen zur Verbraucherpolitik zu machen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Die nächste Rednerin in dieser Debatte ist Nicole Maisch für Bündnis 90/Die Grünen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, in Ihrer Antrittsrede beim Verbraucherzentrale Bundesverband haben Sie gesagt – ich zitiere –: Ich bin mir sicher, dass wir … mehr für den Verbraucherschutz tun können, wenn die Zuständigkeiten nicht länger gespalten sind, sondern wenn Name und Gesetzgebungskompetenz endlich zusammenpassen. Wahre Worte! Leider sieht die schwarz-rote Regierungspraxis etwas anders aus: Die Verbraucherpolitik ist zerpflückter als je zuvor. Ein Großteil des Geldes und relevante Zuständigkeiten, zum Beispiel für Ernährung oder für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, sind in der Hand des Bundeslandwirtschaftsministeriums geblieben. Da hat die Union klug verhandelt. Ob das aber für die Verbraucherpolitik sinnvoll war, sei einmal dahingestellt. Bei anderen verbraucherrelevanten Themen wie Telekommunikation, Finanzmarktregulierung und Kartellrecht ressortieren die Zuständigkeiten weiterhin bei Ihren Kabinettskollegen, und Sie dürfen nur Hinweise geben. Auch hier suggeriert der Titel „Verbraucherschutzministerium“ mehr als das, was wirklich dahintersteht. Wenn wir uns diesen Haushalt anschauen, stellen wir fest, dass der wirtschaftliche Verbraucherschutz, also Ihr Kernbereich – er gehört Ihnen quasi allein –, unterfinanziert ist. Daran ändern auch die genannten 2,5 Millionen Euro für den Finanzmarktwächter, die die Koalitionsfraktionen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf die Schnelle zusammengekratzt haben, nicht viel. Wir begrüßen es natürlich, dass Sie in die Finanzierung des Marktwächters einsteigen; das ist ein sinnvolles Projekt. Aber ein solches Projekt braucht langfristige Planungs-sicherheit. Warum? Wir brauchen für den Finanzmarktwächter die Köpfe, die sich auf den Finanzmärkten am besten auskennen. Wenn langfristig überhaupt nicht gesichert ist, wie die Finanzierung dieses Projektes weitergeht, wenn es keine institutionelle Förderung gibt, wenn vonseiten der Union immer wieder Bedenken geäußert werden, ob dieses Projekt überhaupt sinnvoll ist, dann fragt man sich doch, wie man so die besten Köpfe für den Marktwächter gewinnen kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieser Marktwächter kann aber nur eine Komponente einer verbrauchergerechten Neuordnung der Finanzmärkte sein. Herr Maas, wir erwarten von Ihnen, dass Sie bei der Regulierung des Grauen Kapitalmarkts mehr liefern als das dürre Eckpunktepapierchen, das Sie zusammen mit dem Finanzminister präsentiert haben. Dass Prokon jetzt nicht mehr in den Medien ist, heißt doch nicht, dass das Thema „Grauer Kapitalmarkt“ an Brisanz verloren hat. Wir hoffen, dass Sie bei der Finanzmarktregulierung in Zukunft mehr Durchsetzungskraft beweisen als bei dem Rettungspaketchen, das Sie für die Lebensversicherer geschnürt haben. Hier haben Sie zulasten der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten, die Versicherungsunternehmen sanieren wollen, und das finden wir nicht gut. Ich sage das gerade vor dem Hintergrund, dass der Kollege Rohde so rührend eine Lanze für die Kleinanleger gebrochen hat. Beim Thema Lebensversicherung tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie hier vorgetragen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, ich möchte zur Kernfrage für die deutsche und europäische Verbraucherpolitik in den nächsten Monaten kommen. Das sind sicher die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen. Wir haben in der Debatte zur Agrarpolitik von Ihrem Kollegen Minister Schmidt nur Beschwichtigendes gehört. Auch von Ihnen liest man in Interviews immer, dass das Allzweckkampagnengeflügel, das Chlorhühnchen, nicht kommen soll. Das haben Sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mitgeteilt. Ich finde aber, man muss ein bisschen tiefer in die Debatte einsteigen als nur mit solchen Überschriften. Man kann es nicht bei dem Chlorhühnchen belassen, sondern muss sagen: Leute, es geht um viel grundsätzlichere Dinge, und zwar um Investor-Staat-Schiedsgerichte und um eine der öffentlichen Sphäre entzogene regulatorische Zusammenarbeit. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage? Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne. Burkhard Lischka (SPD): Vielen Dank, Frau Kollegin. – Bei den Worten „tiefer in die Debatte einsteigen“ habe ich mich doch veranlasst gesehen, eine Zwischenfrage zu stellen. Wir haben jetzt seit über einer Stunde eine, wie ich finde, sehr wichtige und auch interessante Debatte. Der Bundesminister ist da, der Staatssekretär ist da, der gesamte Ausschuss ist da; ich vermisse nur die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Frau Künast. Das empfinde ich als unbefriedigend. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Eindruck teilen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das möchte ich Sie zumindest gern fragen. Ich persönlich kenne den Terminkalender von Frau Künast nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie heute beim Deutschen Anwaltstag ist, der übrigens mehrere Tage dauert. Dazu haben wir als Ausschussmitglieder alle eine Einladung bekommen. Wir haben allerdings Prioritäten gesetzt und gesagt: Der Haushalt, der einmal im Jahr behandelt wird, gerade der Haushalt für Justiz und Verbraucherschutz, ist so wichtig, dass wir heute nicht zum Anwaltstag fahren. – Stimmen Sie mir zu, dass die Vorsitzende des Ausschusses bei dieser so wichtigen Debatte, die Sie angesprochen haben, offensichtlich ganz andere Prioritäten setzt? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, in meiner Fraktion bin ich zuständig für die Themen Tierschutz und Verbraucherpolitik. Das heißt, alles von der Kastration von Schweinen bis hin zur Frage der Rechtssicherheit von Handy-Apps fällt in meine Zuständigkeit. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist ja beachtlich!) Die Führung des Kalenders des Ausschusses für Verbraucherschutz, das heißt die Termine von Frau Künast, gehört allerdings nicht in meine Zuständigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Jenseits Ihrer Frage nach dem Terminkalender war ich dabei – – Vizepräsidentin Claudia Roth: Erlauben Sie noch eine Bemerkung, Frau Kollegin? Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Kollegin Maisch. – Würden Sie mir recht geben darin, dass es natürlich entsprechend gewürdigt werden muss, wenn der Deutsche Anwaltverein, der den Deutschen Anwaltstag ausrichtet, die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bittet, bei seiner Festveranstaltung einen Vortrag zu halten und ein Grußwort zu sprechen? (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die Kollegin Keul kennt den Terminkalender! Da gibt es einen unterschiedlichen Informationsstand!) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Keul, Ihnen stimme ich eigentlich fast immer zu. Also: Ja. Aber kommen wir zurück zum Thema meiner Rede, zum Freihandelsabkommen. Bei TTIP geht es um Investor-Staat-Schiedsgerichte und um regulatorische Zusammenarbeit. Ich finde, hier ist der Verbraucherschutzminister gefragt. Bei solchen Investor-Staat-Streitigkeiten geht es darum, dass zukünftige Verbraucherschutzgesetzgebung immer unter dem Damoklesschwert stattfindet, dass die Bundesrepublik vor außerstaatlichen, demokratisch nicht legitimierten Gerichten auf Schadensersatz verklagt wird. Die Chefin der europäischen Verbraucherschutzverbände hat das so formuliert: You have the right to regulate, but you have to pay for it! Ich finde, genau das muss ein Verbraucherschutzminister verhindern. Es kann doch nicht sein, dass in Zukunft nationale Anbauverbote für Genmais, die Wasserversorgung in öffentlicher Hand, das Fracking-Gesetz, das Ihre Ministerkollegen planen, oder strengere europäische Datenschutzregeln vor demokratisch nicht legitimierten Gerichtshöfen als Handelshemmnisse beklagt werden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Ende kommen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich finde, als Verbraucherschutz- und Justizminister ist Ihre vornehmste Aufgabe: Verhindern Sie so etwas! Stellen Sie sich quer, wenn das Abkommen einen solchen Weg nimmt! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin. – Ich bitte Sie wirklich, auf die Redezeit zu achten. Das richtet sich an alle. Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Eva Högl für die SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Eva Högl (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Man kann Bundesminister Maas in keiner Weise vorwerfen, er würde nicht handeln, Frau Kollegin. Bundesminister Maas ist ein überaus aktiver Justizminister. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn diese Debatte und dieser Haushalt eines zeigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann das – das möchte ich ganz deutlich sagen –: Es gibt wieder Rechtspolitik. Wir machen engagierte Rechtspolitik. Schon im ersten halben Jahr seiner Amtszeit als Justizminister hat er wesentliche Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU]) Wir machen eine Rechtspolitik, die sich darin versteht, dass sie gestaltet und nicht verwaltet, blockiert und verhindert. Das war leider in der letzten Legislaturperiode so. Deswegen sage ich am Anfang noch einmal ganz deutlich: Es macht jetzt richtig Spaß, Rechtspolitik zu machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte auch zu den Themen Kinderpornografie und Pädophilie – diese sind uns allen unangenehm – vorausschicken, dass der Bundesjustizminister hier sofort gehandelt hat. Nachdem wir im Deutschen Bundestag darüber debattiert hatten, dass wir Gesetzeslücken im Sexualstrafrecht haben, hat Heiko Maas einen Gesetzentwurf erarbeitet und vorgelegt, der der Klarstellung dient und deutlich macht, dass die Herstellung und Verbreitung von kinderpornografischen Bildern – unabhängig von den Kategorien I oder II – unter Strafe gestellt wird. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass hier das Strafrecht nicht alles ist. Aber in diesem Bereich ist es wichtig, strafrechtlich tätig zu werden und entsprechende Vorschläge vorzulegen. Ich erwähne noch einmal, was in der Debatte heute bereits gesagt worden ist, was man aber nicht oft genug erwähnen kann: Bei den Themen Kinderpornografie und Pädophilie kommt es darauf an, frühzeitig tätig zu werden. Es ist wichtig, präventiv zu agieren, damit es gar nicht erst zu Übergriffen auf Kinder und Jugendliche kommt. Auch wenn Kinder und Jugendliche auf Bildern sind, die nicht strafbar sind, weil wir es so entschieden haben, so steckt dahinter immer eine Zwangslage. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das müssen wir jetzt ändern!) Dagegen wollen wir vorgehen. Deswegen ist es gut, dass im Haushaltsausschuss erreicht worden ist, dass die Mittel für das Präventionsprojekt Dunkelfeld um 40 Prozent, um 150 000 Euro, aufgestockt werden. Das mag wenig klingen, aber es ist für diesen Bereich sehr viel. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Diesen Ansatz – Veränderungen im Strafrecht dort, wo wir Graubereiche haben und Regelungslücken feststellen, in Kombination mit Opferschutz und Prävention – werden wir in der Rechtspolitik fortführen. Dafür gibt es ein weiteres Beispiel, das Sie, Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, schon angesprochen haben, nämlich das Thema „Menschenhandel und Prostitution“. Auch hierzu hat der Bundesjustizminister einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen beinhaltet, wie wir die Richtlinie zum Menschenhandel umsetzen und wo wir das Strafrecht notwendigerweise verschärfen. Wir haben auch im Koalitionsvertrag niedergelegt, dass wir die Täter wirksam bestrafen wollen. Das ist ein ganz entscheidender Gesichtspunkt. Ich will an dieser Stelle ganz kurz anmerken, dass wir das schuldhafte Verzögern im Zeitplan nicht zu verantworten haben; denn die Richtlinie ist seit über einem Jahr verfristet. Das geht auf Ihr Konto; aber wir machen das jetzt gemeinsam gut und richtig. Ich erwähne einen weiteren Gesichtspunkt, der mir sehr wichtig ist, Stichwort „NSU“. Wir haben uns im Deutschen Bundestag verpflichtet, die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses zügig umzusetzen. Auch hier herzlichen Dank an das Bundesjustizministerium, das sofort einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, den wir jetzt weiter beraten. Ein wichtiger Punkt ist die Stärkung des Generalbundesanwalts. Wir haben im Untersuchungsausschuss he-rausgefunden, dass es richtig und wichtig ist, dass der Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren an sich ziehen kann, wenn sie von überwiegender Bedeutung sind, wenn es entweder Straftaten mit länderübergreifendem Charakter sind, wie bei der Mordserie des NSU, oder wenn es Kompetenzkonflikte zwischen den Bundesländern gibt. Wir sind nicht der Auffassung, dass auf Bundesebene alles besser gemacht werden kann; aber in solchen Fällen wollen wir den Generalbundesanwalt unterstützen. Deswegen begrüße ich nicht nur diesen Gesetzentwurf, sondern auch, dass der Generalbundesanwalt dafür mehr Mittel bekommt. Das hat der Haushaltsausschuss ebenfalls beschlossen. Herzlichen Dank dafür! Ich sage aber auch in Richtung des Generalbundesanwaltes: Wir erwarten dann auch ein entsprechendes Tätigwerden bzw. eine entsprechende Aktivität; denn wir sind der Auffassung, dass die wichtigen Ermittlungsverfahren an dieser Stelle geführt werden müssen. Mit der Rechtspolitik greifen wir nicht nur Missstände auf, sondern verändern auch unsere Gesellschaft. Wir haben die Gleichstellung von Schwulen und Lesben auf unserer Agenda. Wir haben dazu schon wichtige Beschlüsse gefasst, sowohl im Steuerrecht als auch bezüglich der Sukzessivadoption. Die Frauenqoute ist bereits erwähnt worden. Auch sie wird unsere Gesellschaft ausdrücklich verändern; das begrüßen wir. Ich freue mich natürlich, dass wir das in der Großen Koalition gemeinsam machen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reagieren auch auf Missstände. Wir haben aktuell einen Missstand – das ist ein wichtiges Thema – im Bereich des Mietrechts. Insofern ist es wichtig, dass wir dieses Thema ganz oben auf unsere Agenda gesetzt haben. In Meseberg ist beschlossen worden, dass die Reform des Mietrechts ein prioritäres Vorhaben ist. Es ist auch vereinbart, dass das Mietrechtsänderungsgesetz zum 1. Januar 2015 in Kraft treten soll. Ich möchte gerne, dass wir die unterschiedlichen Auffassungen dazu, die wir im Detail haben, nicht über die Presse austauschen, sondern uns ruhig und vernünftig zusammensetzen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir die ausstehenden Detailfragen in der Großen Koalition noch klären werden und dann endlich das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die vielen Mieterinnen und Mieter davor zu schützen, dass sie, wenn sie eine neue Wohnung mieten wollen, vor exorbitant hohen Mietpreiserhöhungen stehen, die sie nicht mehr bezahlen können; als Abgeordnete von Berlin-Mitte weiß ich, wovon ich rede. Das ist ein wichtiges Gesetzesvorhaben. Deswegen appelliere ich an uns alle gemeinsam, das auf den Weg zu bringen und im Interesse vieler Bürgerinnen und Bürger auf die Missstände zu reagieren. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin! Dr. Eva Högl (SPD): Herzlichen Dank, liebe Frau Präsidentin. – Ich komme zum Ende und sage: So machen wir weiter. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Högl. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Justizminister, die Kollegin Wawzyniak hat mit einem Lob geendet. Ich will mit einem Lob beginnen, und zwar für die Verlängerung der Hemmung der Verjährung bei sexuellem Kindesmissbrauch auf das 30. Lebensjahr. Das begrüße ich ausdrücklich. Das ist echter Opferschutz; denn vor Abschluss ihrer Therapie haben die Opfer oft keine Gelegenheit, in irgendeiner Weise Rechtsmaßnahmen zu ergreifen. Insofern haben Sie an dieser Stelle unsere volle Unterstützung. Aber keine Sorge: So geht es nicht weiter. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Schade!) Denn ansonsten ist der Aufschlag aus Ihrem Haus zum Thema Kinderpornografie ziemlich danebengegangen. (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Sie wollten doch angeblich diejenigen bestrafen, die sich im Internet Kindernacktbilder kaufen oder diese tauschen. Nach dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf wären das fast die einzigen, die sich nach wie vor nicht strafbar machen, dafür aber fast alle anderen. Jedes bloßstellende Foto. – Ja, meine Güte! Haben Sie schon einmal gesehen, wie viele Bilder von Betrunkenen sich in den sozialen Netzwerken befinden und wie viele peinliche Videos auf YouTube? – Damit können Sie die Staatsanwaltschaften wirklich lahmlegen und die halbe Republik einbuchten. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ein Unsinn!) Auch die Intention spielt bei Ihrem Entwurf keine Rolle. Was ist denn, wenn ich das Opfer einer Gewalttat fotografiere oder filme, um diesem anschließend Beweismaterial zur Verfügung zu stellen? Alles strafbar? (Burkhard Lischka [SPD]: Quatsch!) Bei der Jugendpornografie ist vorgesehen, die Herstellung einer Aufnahme strafbar zu machen, völlig unabhängig davon, ob eine Verbreitung beabsichtigt ist oder eine Einwilligung vorliegt. Wir halten also 17-Jährige für reif genug, mit Volljährigen sexuell zu verkehren, aber wenn sie sich dabei fotografieren lassen, wollen wir das bestrafen? – Das kann doch nicht ernsthaft so gemeint sein. Auch hier muss es doch wohl auf die unbefugte Verbreitung ankommen. Da muss also noch einiges korrigiert werden. Außerdem sollten die präventiven Maßnahmen zum Kinderschutz jenseits des Strafrechts nicht aus dem Blick geraten, wie etwa das erfolgreiche Projekt der Berliner Charité „Kein Täter werden“. Es ist gut, dass für dieses Projekt Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden; auch das begrüßen wir ausdrücklich. Neben dem Sexualstrafrecht hat uns im Justizbereich im letzten Halbjahr auch die Praxis der Geheimdienste nicht unerheblich beschäftigt. Erfreulicherweise hat sich der Generalbundesanwalt jetzt doch noch zu kleineren Ermittlungen durchringen können. Das ist schon deswegen erfreulich, weil wir uns als Konsequenz aus dem NSU-Verfahren einvernehmlich vorgenommen haben, dessen Kompetenzen zu stärken. Das Geschrei der Großkoalitionäre war allerdings beeindruckend, als wir Grüne auf das gesetzliche Weisungsrecht des Justizministers hinwiesen. Ein „krudes Rechtsstaatsverständnis“ wurde uns vorgeworfen, nur weil wir das Gesetz zitiert haben, wonach dem Bundesjustizminister die Dienstaufsicht über den Generalbundesanwalt zusteht. Können wir jetzt also davon ausgehen, dass Sie kurzfristig mit Ihrer Mehrheit das Weisungsrecht vollständig abschaffen werden? Da bin ich ja einmal gespannt. Soll das auch für den Generalbundesanwalt gelten, der als politischer Beamter jederzeit in den Ruhestand versetzt werden kann? Meinen Sie ernsthaft, dass dieser politische Beamte, der ja auch Zeitung liest, nicht beeinflusst davon ist, wie sich die Regierung gegenüber den Vereinigten Staaten einlässt? Angeblich hätten wir Grüne ihn in unzulässiger Weise beeinflusst, indem wir ihn nach den Gründen seiner Entscheidung gefragt haben. Ehrlich gesagt: Das ist in meinen Augen ein eher merkwürdiges Rechtsstaatsverständnis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die völlige Einbindung der Staatsanwaltschaft in die dritte Gewalt und ihre völlige Gleichsetzung mit den Richterinnen und Richtern halte ich jedenfalls für nicht angebracht. Die Staatsanwaltschaft handelt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren klassisch gewaltausübend und ist damit auch Teil der Exekutive. Ich rate daher zu sorgfältiger Prüfung, damit wir nicht über das Ziel hinausschießen. Ihren Vorschlägen sehe ich mit Interesse entgegen. Zuletzt noch ein paar Worte zu Ihrem neuesten Entwurf, zur Einführung der Frauenquote. Wenn 40 Prozent schon ein Kompromiss sind, dann sind 30 Prozent einfach zu kurz gesprungen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Außerdem ist der Anwendungsbereich mit gerade einmal 100 Unternehmen viel zu eng. Die Einbeziehung des Bundesgremiengesetzes ist wiederum richtig; es fehlt aber eine Vorgabe zur geschlechtergerechten Besetzung von Führungspositionen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin, die Redezeit! Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben aber Glück; denn wir Grüne haben wieder einmal an alles gedacht. – Das Einzige, was wir nicht genug haben, ist Redezeit. – Wir werden Ihnen in der nächsten Woche unseren Gesetzentwurf zur Frauenquote vorstellen, von dem Sie dann ja noch einiges übernehmen können. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Na ja! Da sind wir ja gespannt!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Keul. – Nächster Redner in der Debatte ist Dr. Stephan Harbarth für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Keul, das von Ihnen angesprochene Problem hat eine tiefere Ursache: Sie haben als Grüne genug Redezeit; Sie haben nur nicht genug Stimmen. Deshalb haben Sie hier nicht länger sprechen können. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Belehrung! Da wären wir nie drauf gekommen!) Wir freuen uns, dass wir heute über einen ganz hervorragenden Bundeshaushalt diskutieren können. Viele finanzielle Aspekte sind bereits angesprochen worden. Zu einer Haushaltsdebatte gehört aber auch, dass die Rechts- und Verbraucherschutzpolitik in einem breiteren Sinne aufgegriffen wird. Wir haben in der Großen Koalition schon viele Projekte in guter Zusammenarbeit mit den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen auf den Weg gebracht. Einige Projekte sind schon umgesetzt. Das, was noch aussteht, werden wir in dieser Legislaturperiode gut abarbeiten. Das gilt etwa – Frau Kollegin Högl, ich komme auf das zurück, was Frau Winkelmeier-Becker bereits ausgeführt hatte – für das Thema Mietpreisbremse. Es wird eine Mietpreisbremse geben. Für uns ist allerdings wichtig, dass sie in die richtige Richtung wirkt. Kollege Claus hat heute gesagt: Links wirkt. – (Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Das will ich gar nicht in Abrede stellen; aber meistens ist die Wirkung so, dass die Kennziffern, die hoch sein sollten, niedrig sind, und die, die niedrig sein sollten, hoch sind. So stellen wir uns das nicht vor. Wir wollen eine Mietpreisbremse, über die man nicht sagt: Was ist da bloß angerichtet worden? In einem sind wir uns einig: Im Kern geht es nicht um die Einführung einer Mietpreisbremse, sondern darum, dass Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt. Damit Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt, werden wir regulatorische Eingriffe vornehmen. Damit Wohnraum in Deutschland bezahlbar bleibt, müssen aber auch die richtigen Weichenstellungen vorgenommen werden, und die besten Weichenstellungen sind immer die, die Neubauaktivitäten und die Sanierung von alten Gebäuden begünstigen und ermöglichen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dazu gehört auch eine intelligente Stadt-Land-Politik. Es ist kein Zustand, dass in einzelnen Städten die Mietpreise explodieren und gleichzeitig 30 oder 40 Kilometer weiter die vorhandene Wohnsubstanz verrottet und zugrunde geht. Wenn dann beispielsweise der stellvertretende baden-württembergische Ministerpräsident Herr Schmid von der SPD erklärt, es sei nicht schlimm, wenn im Schwarzwald einzelne Täler zuwachsen, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Pfui! Unerhört!) dann hat das natürlich unmittelbare Auswirkungen auf dieses Thema. Freiburg im Breisgau etwa ist eine der Städte in Deutschland mit den höchsten Mieten. Es ist kein Zukunftskonzept, zu sagen: Wir lassen die Schwarzwaldtäler zuwachsen. Die Menschen sollen raus aus den ländlichen Räumen, und dann müssen wir schauen, wie wir die Entwicklung in den großen Städten hinbekommen. – Ich bin der Meinung, wir brauchen eine Politik, die die ländlichen Räume so stärkt, dass die dort vorhandene Bausubstanz aus ökologischen Gründen, aber auch aus volkswirtschaftlichen Gründen auch zukünftig genutzt werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben viele Themen, über die man heute ausgiebig diskutieren könnte. Viele Themen sind schon angesprochen worden. Ich will ein Thema kurz anreißen, das in der Debatte bisher keine Beachtung gefunden hat. Das ist das Thema der Europäischen Privatgesellschaft. Damit sind wir in der letzten Legislaturperiode leider nicht so vorangekommen, wie ich mir das gewünscht habe. Ich hoffe, dass wir das in dieser Legislaturperiode besser machen. Ich glaube, wir sind in diesem Haus größtenteils der Auffassung, dass wir eine Europa-GmbH für unsere mittelständischen Betriebe brauchen. Dem Konzept, das die Kommission jetzt zur sogenannten Einpersonengesellschaft vorgelegt hat, können wir uns nicht anschließen. Umso wichtiger ist es aber, dass wir endlich bei der Europäischen Privatgesellschaft vorankommen, damit wir nicht eines Tages seitens der Europäischen Union mit Konsequenzen konfrontiert werden, die wir nicht haben möchten. Zum Thema „Zwangsprostitution und Menschenhandel“ möchte ich nur eine persönliche Bitte an den Minister richten: Machen Sie dieses Thema zu Ihrem Thema Nummer eins hinsichtlich der Geschwindigkeit, in der Änderungen herbeigeführt werden. Wenn wir uns vor Augen führen, dass es in Europa 900 000 Zwangsprostituierte gibt – so lautet die geschätzte Zahl –, dann können wir uns, glaube ich, ein bisschen ausmalen, wie viel Leid das für Menschen jeden einzelnen Tag bedeutet, auch in Deutschland. Das ist aus meiner Sicht wirklich ein Projekt, bei dem es darauf ankommt, früh zu handeln, weil an jedem einzelnen Tag im Grunde eine moderne Form der Sklaverei in diesem Land praktiziert wird. Da müssen wir dringend Abhilfe schaffen. Lassen Sie uns nicht nur eine gute Lösung finden, sondern lassen Sie uns auch möglichst rasch eine gute Lösung finden – im Interesse der Menschenwürde der betroffenen Personen. (Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr dringend ist das!) Das Thema TTIP ist angesprochen worden. Auch dazu einige Bemerkungen: Ich würde mir wünschen, dass eine Debatte über TTIP, in der man berechtigterweise irgendwann auch über Genmais, Fracking, Chlorhühnchen und anderes sprechen kann, mit der großen Chance beginnt, die ein solches Freihandelsabkommen zwischen Europa und Amerika für dieses Land und diesen Kontinent darstellt. Das ist eine epochale Herausforderung, der wir uns im Interesse nachfolgender Generationen und im Interesse der Arbeitsplätze stellen müssen. Wenn wir über Europa diskutieren, dann sagen wir immer: Wir dürfen über Europa nicht auf der Ebene von Ölkännchen, Energiesparlampen und dergleichen diskutieren. Ich habe wirklich die große Bitte an Sie: Diskutieren Sie auch über TTIP nicht allein auf der Ebene von Fracking, von Genmais und von Chlorhühnchen, sondern betten Sie es in einen größeren Kontext ein! Das hat, glaube ich, dieses epochale Werk verdient. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme auf die Punkte zurück, die Sie, Frau Keul, angesprochen haben. Ich glaube, es ist ganz gut, dass wir heute die Rechtspolitik insgesamt beleuchten. Es ist aber auch gut, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie die Arbeit im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz läuft. Dazu muss ich Ihnen im Namen meiner Fraktion Folgendes sagen: Die Art und Weise des Umgangs, den Einzelne aus Ihrer Fraktion – das ist kein Vorwurf an die gesamte Fraktion – mit dem Generalbundesanwalt praktiziert haben, ist skandalös und inakzeptabel. Es ist völlig legitim, einem Generalbundesanwalt Fragen zu stellen und mit einem Generalbundesanwalt eine sachliche Diskussion zu führen. Darum ging es aber nicht, sondern es ging schon im Vorfeld der Vorladung des Generalbundesanwalts vor den Rechtsausschuss darum, eine Hexenjagd auf ihn zu eröffnen. Herr Ströbele hat erklärt, man müsse sich den Generalbundesanwalt zur Brust nehmen. Das ist nicht unser Verständnis von einem unabhängigen Ermittlungsverfahren in diesem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich darf Ihnen vorlesen, was Ihre Kollegin Hönlinger in der letzten Legislaturperiode hier im Bundestag erklärt hat – Zitat –: Insbesondere das einzelfallbezogene Weisungsrecht der Politik gegenüber der Staatsanwaltschaft sollte abgeschafft werden. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Es darf nicht sein, dass aus politischen Gründen Ermittlungen gegen einzelne Personen blockiert oder forciert werden können. (Burkhard Lischka [SPD]: Hört! Hört!) Dazu kann ich in der Tat nur sagen: Hört! Hört! Es ist völlig in Ordnung, dass man Diskussionen führt. Wenn Sie sich gegen eine Einflussnahme der Politik auf Staatsanwälte in allen Fällen wenden, ist es aber nicht in Ordnung, dass die Grünen-Bundestagsfraktion die einzige Instanz sein soll, die in der Lage ist, dem Generalbundesanwalt in diesem Land zu erklären, was er gefälligst zu tun und zu lassen hat. So wird es nicht funktionieren. Ich möchte Sie wirklich bitten, diese Verhaltensweisen Einzelner in ihrer Fraktion zu stoppen und nicht zur Blaupause für zukünftige Aktionen zu machen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das hat aber gesessen!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Elvira Drobinski-Weiß. – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. (Beifall bei der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch liebe Zuhörerinnen und Zuschauer auf den Tribünen! Verbraucherpolitik, Verbraucherschutz ist tatsächlich im Justizministerium angekommen. Man sieht das auch oben auf der Anzeigetafel. Bei unserer letzten Debatte hat das noch gefehlt. Der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hat hier bereits etliche Initiativen genannt. Dafür bin ich Ihnen, Herr Minister, sehr dankbar. Das Budget ist kleiner geworden, was natürlich auch damit zu tun hat, dass knapp 26 Millionen Euro aus dem Bereich des Einzelplanes 10 des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in den Einzelplan 07 des Ministeriums für Justiz und den Verbraucherschutz lediglich wechselten. Hier ist also – Portokasse hin oder her – die Grundlage gegeben. Ich denke, dass sich das, was hier schon auf den Weg gebracht worden ist, sehen lassen kann. Dennoch bräuchten wir sehr viel mehr. Wir müssen der zunehmenden Bedeutung des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes, der in diesen Einzelplan fällt, sehr viel stärker gerecht werden. Ein Großteil des Geldes ist noch für Zuschüsse an die Vertretungen der Verbraucher und die Stiftung Warentest sowie für die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher gebunden. Daran wollen wir auch nicht rütteln. In einer zunehmend komplexeren Welt wächst die Unsicherheit der Konsumenten in vielen Bereichen des täglichen Lebens. Dem müssen und dem wollen wir entgegenwirken. Unsere Forderung, ausgewählte Verbraucherzentralen in den Bereichen „Finanzen“ und „digitale Welt“ – das wurde hier unter dem Stichwort „Marktwächter“ heute schon mehrfach angesprochen – zu stärken, konnten wir im Koalitionsvertrag verankern. Sie sollen zukünftig Verbraucherbeschwerden in diesen Bereichen systematisch erfassen, Missstände an die zuständige Aufsicht melden und dabei helfen, die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn nötig, auch rechtlich durchzusetzen. Aber wie so oft, für Verbesserungen genügen gute Ideen und Konzepte allein nicht. Nötig ist auch Geld. Deshalb ist es in meinen Augen besonders erfreulich, dass es gelungen ist, bereits im Haushaltsplan für dieses Jahr für das Projekt der Finanzmarktwächter die benötigte Anschubfinanzierung bereitzustellen. Auch hier sage ich Dank an den Haushälter der SPD-Fraktion, Dennis Rohde. Er geht aber auch an die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen. Ebenfalls auf unser Drängen hin im Koalitionsvertrag verankert und bereits im Haushalt 2014 manifestiert ist der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Sechs Planstellen werden noch in diesem Jahr geschaffen. Herr Dr. Lindner, lassen Sie diesen Sachverständigenrat sich erst einmal etablieren, bevor Sie ihn kritisieren. Ich denke, er soll erst einmal seine Arbeit aufnehmen. (Beifall bei der SPD – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nur Zweifel geäußert!) Er ist die Voraussetzung dafür, dass Experten und Wissenschaftler möglichst zeitnah die Situation der Verbraucherinnen und Verbraucher begutachten und auch die Bundesregierung bei ihrer Arbeit beraten können. Außerdem soll der Sachverständigenrat auch Vorschläge zur Forschungsförderung erarbeiten. Das ist, wie ich finde, ein guter Anfang. Doch wir werden darauf achten, dass diese guten Projekte im Haushalt 2015 und in den folgenden Jahren verstetigt und erweitert werden. Wir brauchen 2015 weitere Mittel für einen Marktwächter, der sich um die digitale Welt kümmert. In diesem sich unübersichtlich und schnell entwickelnden Marktbereich müssen wir, denke ich, die Nutzerinnen und Nutzer – die auch Verbraucherinnen und Verbraucher sind – wirksam schützen. Parallel dazu und um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, aber die Verbraucher nicht gleichzeitig gläsern werden zu lassen, müssen wir mehr Gelder in die Forschung rund um den digitalen Wandel investieren. Beispielsweise fördert ja das Bundesministerium für Bildung und Forschung das „Forum Privatheit – selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt“, in dem interdisziplinär zu diesen Fragen geforscht wird. Es wäre doch sicherlich sinnvoll, vonseiten des BMJV einen Fokus darauf zu legen, das vielleicht miteinander zu machen. Wichtig ist mir auch noch ein Hinweis auf die europäische Dimension des Verbraucherschutzes. Ich halte es auch für wichtig, dass wir das Netzwerk der europäischen Verbraucherzentralen im Blick haben. Hier leistet anerkanntermaßen das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz in Kehl – dies liegt an der französischen Grenze in der Nähe von Straßburg – seit Jahren hervorragende Dienste für Deutschland, aber natürlich auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa. Seine Funktionsfähigkeit, so finde ich, ist durch eine angemessene Finanzierung sicherzustellen. Eine Möglichkeit, neue Gelder für den Haushalt zu gewinnen – es stellt sich ja immer die Frage, wie wir etwas finanzieren –, besteht sicherlich darin, die Einnahmeseite zu stärken. Wie können wir das? Ein Punkt wäre vielleicht – auch das ist heute schon einmal angesprochen worden – eine bessere Ausstattung des Deutschen Patent- und Markenamtes, um beispielsweise Bearbeitungszeiten zu senken. Ich weiß, dass das angedacht ist. Ich denke, das hilft nicht nur, unsere Einnahmen zu erhöhen, sondern es hilft auch unserer Wirtschaft und damit irgendwann auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Mechthild Heil ist jetzt die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer einem anderen das Beste wünscht, ist ein guter Mensch. Wer das Beste befiehlt, ist ein Tyrann. Ich finde, das ist eine kluge Aussage des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Sie charakterisiert nicht nur mein, sondern, ich glaube, unser aller Bild von guter Politik und vor allem von guter Verbraucherpolitik. Für mich und für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht der eigenverantwortliche und selbstbestimmte Verbraucher im Mittelpunkt. Denn der Verbraucher ist kein hilfloses Wesen, das vor jeder Unbill des Lebens in Schutz genommen werden will. Was wäre das denn auch für eine Überheblichkeit von uns Politikern! Wir Politiker sind nicht die besseren Verbraucher, und wir wissen auch nicht alles besser. Unsere Aufgabe ist es sicher nicht, uns von jedem Skandal und von jedem Medienhype in immer mehr Regulierungen drängen zu lassen. Aber wir haben die Pflicht und den Willen, für faire Märkte zu sorgen, auf denen sich die schwarzen Schafe nicht wohlfühlen. Wie gelingt uns das? Wir werden einen unabhängigen und interdisziplinär besetzten Sachverständigenrat einsetzen, der uns zu wichtigen Fragen der Verbraucherpolitik berät. Verbraucherpolitik muss sich nämlich an der Realität und den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orientieren. Wir brauchen ein gutes Gespür und gute wissenschaftliche Grundlagen. Wir brauchen belastbare Zahlen, Daten und Fakten. Wo finden wir das? Zum Beispiel bei der Stiftung Warentest. Die Zeitschrift der Stiftung Warentest ist Ihnen sicherlich bekannt. Sie bietet den Verbrauchern durch ihre vergleichenden Tests eine unabhängige und objektive Einschätzung. Diese Unabhängigkeit kann die Stiftung nur gewährleisten, weil sie von uns finanziert wird. Die Stiftung erhält immerhin in diesem Haushaltsjahr 2014 5,5 Millionen Euro. Wir hatten die Mittel für die Stiftung bereits aufgestockt, damit die Stiftung Warentest auch Finanzdienstleistungen vermehrt prüfen und bewerten kann. Denn – die Vorrednerinnen haben es schon gesagt – insbesondere auf den komplexen und dynamischen Finanzmärkten brauchen die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend Orientierung. Wir werden auch die Verbraucherzentrale Bundesverband in diesem Jahr mit immerhin 9,4 Millionen Euro weiter fördern. Darüber hinaus stellen wir weitere 2,5 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für die Marktwächterfunktion zur Verfügung. Jetzt sagen die Grünen, dass das zu wenig ist, aber 25 Prozent oben draufzusatteln, ist nicht wenig. Ich kann da nur sagen: Diese 25 Prozent sind wirklich ein ganz großer Schluck aus der Pulle. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn man überlegt, was die Verbraucherzentralen in dem verbleibenden halben oder Vierteljahr, das sie noch haben, mit dem Geld machen können, stellt man fest: Sie können die Informationen, die sie bei ihrer flächendeckenden Verbraucherberatung erhalten, erstmalig systematisch erfassen; das tun sie bislang nicht. Die Daten, die sie auswerten und analysieren, können sie dann auch uns, der Politik, zur Verfügung stellen. Wir bekommen also neben der BaFin und neben der Stiftung Finanztest, die wir ja schon haben, durch die Finanzwächter einen weiteren hilfreichen – ich will es so sagen – Sensor am Finanzmarkt, der uns anzeigt, wo es Missstände und Fehlentwicklungen gibt und wo Handlungsbedarf bestehen könnte. Damit ich hier wirklich nicht missverstanden werde: Bewerten und einordnen muss es am Ende immer noch die Politik. Wir müssen handeln. Das ist unsere Verantwortung. Zu dieser Verantwortung stehen wir. Wir werden diese Verantwortung auch nicht auf andere abwälzen, zum Beispiel auf die Verbraucherzentralen, und sagen: Übernehmt ihr für uns, die Politik, diese Aufgabe. – Das ist mit uns nicht zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stellen unsere Verbraucherpolitik auf eine wissenschaftliche und empirisch fundierte Basis. Das ist gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land. Wenn unsere Erfahrungen mit dieser neuen Sensorfunktion der Verbraucherzentralen positiv sind, dann werden wir diese auch auf den Bereich der digitalen Welt ausweiten. Hier sollte eigentlich schon heute die Stiftung Datenschutz eine wichtige Rolle spielen. Leider ist es mit der Unterstützung der Stiftung Datenschutz nicht weit her. Ich muss ehrlich sagen: Das ist für mich sehr enttäuschend. Deshalb an dieser Stelle mein Appell an diejenigen, die ihren Sitz im Beirat bis jetzt nicht besetzt haben: Besetzen Sie Ihren Sitz! Das gilt nicht nur für die Verbraucherzentrale. Das gilt genauso für die Datenschutzbeauftragten bei Bund und Ländern und auch für einige Kollegen in diesem Haus. Datenschutz ist viel zu wichtig. Nehmen Sie Ihre Verantwortung an, und entsenden Sie Ihre Vertreter in diesen Beirat! Ich hoffe, dass wir gemeinsam für mehr Aufklärung im Umgang mit unseren eigenen sensiblen persönlichen Daten sorgen werden. Wer nämlich auf der einen Seite für Marktbeobachter und Wächter ist und sie installieren will, der kann sich auf der anderen Seite doch wirklich nicht aus der Bildung und der Aufklärung im Hinblick auf seine eigenen sensiblen persönlichen Daten zurückziehen. Im Koalitionsvertrag haben wir die Weichen für eine Weiterentwicklung der Verbraucherpolitik richtig gestellt. Aber nicht für jedes verbraucherpolitische Vorhaben brauchen wir zwangsläufig Haushaltsmittel oder neue Gesetze; Herr Maas, Sie haben darauf hingewiesen. Manchmal reicht es auch, die Wirtschaft an ihre Verantwortung oder die Verbraucher an ihre große Marktmacht zu erinnern. (Beifall der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD]) Das gilt aktuell zum Beispiel für die Handydiebstahlsperren, für die ich eintrete. Hier halte ich eine Regelung wie die in den USA auch für den europäischen Markt für absolut notwendig. In den USA haben sich die großen Gerätehersteller verpflichtet, in alle für die USA produzierten Geräte eine Sperrfunktion einzubauen. Mit einer einfachen, individuellen PIN können die Handybesitzer ein gestohlenes Gerät sperren und für die Diebe unbrauchbar machen. Das ist eine wirklich gute Idee, die es nachzuahmen gilt. Oder – ein anderes Beispiel – nehmen wir das Bündnis für nachhaltige Textilien, das Entwicklungsminister Müller ins Leben gerufen hat. Ohne staatlichen Zwang, einfach nur, weil die Unternehmen die gesellschaftliche Notwendigkeit erkannt haben, wollen sie sich auf Mindeststandards für nachhaltige Kleidung verpflichten und diese Standards sukzessive umsetzen. Ein weiteres Beispiel. Wer versteht eigentlich, was auf den Verpackungen von homöopathischen Mitteln draufsteht? Wohl die allerwenigsten Verbraucher. Was bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln selbstverständlich ist, sollte doch auch für homöopathische Mittel gelten. Der Verbraucher muss verstehen können, was drin ist, besonders wenn es um seine Gesundheit geht. Deshalb muss Schluss sein mit der Kennzeichnung auf Latein. Was wir den Menschen in den kommenden Jahren also bieten, ist eine moderne, wissenschaftlich fundierte Verbraucherpolitik, die eine Brücke zwischen staatlichem Schutz und Stärkung der Eigenverantwortung jedes Einzelnen schlägt. Wir wissen: Der Staat ist nicht der bessere Verbraucher. Aber wir sind der verlässliche Partner für alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir wünschen ihnen nicht nur das Beste, sondern wir tun auch unser Bestes, um sie zu stärken und zu schützen. Wir laden Sie ein, dabei mitzumachen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Etat des Justizministeriums ist die in Zahlen ausgedrückte Dimension unseres Rechtsstaats. Wir haben im Bundestag die Aufgabe, die Geltung des Rechts zu sichern und das Recht fortzuentwickeln. Die Aufgabe, die sich uns stellt, ist keine geringe, weil die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates nichts anderes ist als die Aufrechterhaltung unserer Demokratie. Ich glaube, dass wir für die ersten sechs Monate eine gute Bilanz ziehen können. Diese Große Koalition hat ermutigende und gute Signale für den Rechtsstaat gesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Lassen Sie mich drei Punkte nennen, die mir am Herzen liegen: Der erste betrifft den Schutz unserer Daten. Vor noch nicht allzu langer Zeit ist darüber gesprochen worden, dass jeder Mensch eine Art digitalen Fingerabdruck hinterlässt und dass die Daten, die von ihm im Internet auftauchen, eine Art Profil des Menschen darstellen können. Wir müssen heute aber davon ausgehen, dass die Wahrheit noch viel tiefgreifender ist. Die digitale Sphäre eines Menschen ist mittlerweile Teil seiner Identität. Wenn die digitalen Daten eines Menschen angegriffen oder missbraucht werden, dann werden auch die Würde und die Persönlichkeit dieses Menschen angegangen. Deswegen müssen wir uns auf den Weg machen, die Integrität der Daten weiter zu schützen und den Datenschutz voranzutreiben. Ich bin deswegen sehr zuversichtlich, dass wir mit der Datenschutz-Grundverordnung und mit dem IT-Sicherheitsgesetz einen Meilenstein in diesem Bereich erreichen werden, sodass der elementare Schutz der Daten weiterhin gewährleistet werden kann. Zweiter Punkt. Wir müssen auch dort handeln, wo die Würde des Menschen verletzt wird. Das ist im Augenblick – auch in diesen Stunden – der Fall, wenn Frauen durch Zwangsprostitution und moderne Sklaverei ausgebeutet werden: in den großen Laufhäusern, in den Bordellen, auf den Straßenstrichen. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie etwas dagegen!) Es sind junge Frauen, vornehmlich aus Südosteuropa, die nach Deutschland kamen, weil sie Hoffnung suchten, und sie haben in diesen Etablissements Verzweiflung gefunden. Wenn wir wissen, welche Methoden und Mittel notwendig sind, um diese unhaltbaren Zustände zu beseitigen, dann hat der Staat die Verpflichtung, schnell zu handeln. Wir müssen die Gesetze jetzt voranbringen, denn wenn wir weiter zögern, dann müssen wir uns auch für unser Zögern rechtfertigen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Maßnahmen liegen doch auf dem Tisch: Es geht um die Freierstrafbarkeit bei Zwangsprostituierten, es geht um die Erlaubnispflicht bei Bordellen, es geht um die Abschaffung des eingeschränkten Weisungsrechts, es geht möglicherweise auch um Gesundheitsuntersuchungen, und letzten Endes geht es auch um Verbesserungen im Aufenthaltsrecht und darum, den Opferschutz voranzubringen. Ich glaube, vor dem Hintergrund dieser menschlichen Schicksale sind wir es allen schuldig, jetzt zu handeln und nicht weiter zu zögern. Einen dritten Punkt, der mir am Herzen liegt, möchte ich ansprechen. Es geht um die Geltung des Rechts und die Frage, wie sehr der Staat dem eigenen Rechtsanspruch auch zukünftig Geltung verschaffen möchte. Ich meine, wir sollten auch in dieser Debatte betonen: Es gibt keine Alternative zum staatlichen Gewaltmonopol, und es darf auch keine geben. Das staatliche Gewaltmonopol ist eine der wesentlichen Stützen einer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen muss es uns betroffen machen, wenn wir Dinge wie einen mutmaßlichen Lynchmord in Neuenburg vor etwa einer Woche beobachten. Deswegen muss es uns betroffen machen, wenn es in Deutschland mittlerweile Berichte über die Existenz einer Paralleljustiz gibt, über Bereiche in unserem Land, wo das Recht nicht in der Ausführlichkeit gilt, wie es eigentlich gelten müsste. Dementsprechend müssen wir in den nächsten Jahren dieses Phänomen einer Paralleljustiz in den Griff bekommen, weil der Rechtsstaat nur funktionieren kann, wenn er unteilbar und universell ist. Da wir vorhin von Lynchmord gesprochen haben, lassen Sie mich auch über eine mögliche Reform der Strafbarkeit bei Tötungsdelikten sprechen. Es ist richtig, eine Kommission einzusetzen. Aber diese Kommission darf eines nicht verändern: Für uns ist der Wert des menschlichen Lebens absolut und unabänderlich. Deswegen darf jemand, der einen anderen Menschen tötet, im Grundsatz nach wie vor nur mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden. Eine Aushöhlung der lebenslangen Freiheitsstrafe durch eine Reform lehnen wir ab. Dazu ist das menschliche Leben zu kostbar. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD]) Wenn wir über das Funktionieren unseres Rechtsstaates sprechen, dann möchte ich diese Gelegenheit nutzen, all denjenigen Danke zu sagen, die in ihrem alltäglichen Einsatz für den Rechtsstaat stehen und diesen Rechtsstaat Tag und Nacht verteidigen und ihm ein Gesicht geben. Ich meine nicht nur die Richter und Staatsanwälte, sondern vor allen Dingen auch unsere Polizisten, die diesen Rechtsstaat im Schichtdienst 24 Stunden am Tag verkörpern und teilweise unter schwierigen Bedingungen diesen Rechtsstaat aufrechterhalten, über den man sagen kann: In Deutschland leben die Menschen sicher. – Das ist ein herzliches Dankeschön wert. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es ist auch nicht akzeptabel, dass in diesem Zusammenhang Freiheit und Sicherheit oder Polizeiarbeit und Funktionsfähigkeit des Staates gegeneinander ausgespielt werden. „Polizeiarbeit oder die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege sind“, wie Di Fabio schreibt, „keine grundrechtsfeindlichen Selbstzwecke“, vielmehr sind sie Metaphern für unseren Schutz- und Freiheitsanspruch. Deswegen werden wir auch in den kommenden Monaten darüber sprechen müssen, wie wir Polizeibeamte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute, die bei ihren Einsätzen teilweise beleidigt und tätlich angegangen werden, besser schützen, weil auch sie uns und unsere Freiheit schützen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben mit diesem Haushalt eine Grundlage gelegt, den Rechtsstaat weiter zu sichern. Aber es bleibt unsere Verpflichtung, bei den aufgezeigten Punkten wachsam zu sein und rasch zu handeln. Ich denke, unser Rechtsstaat, so wie er sich zeigt, ist es wert, dass wir uns für ihn einsetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu den Abstimmungen über den Einzelplan 07, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1855? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und SPD, bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wir kommen nur zur Abstimmung über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, CDU/CSU und SPD, gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.17 auf: Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Drucksachen 18/1006, 18/1023 Die Berichterstattung zu diesem Haushalt haben Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster, Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk. Zu dem Einzelplan liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Dietmar Bartsch, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Etat des Bundesministeriums des Innern leidet in besonderer Weise unter dem Heiligtum der schwarzen Null von Wolfgang Schäuble. Der Etat ist wenig programmlastig, aber sehr personal- und sachlastig. Deswegen fällt es in besonderer Weise schwer, globale Minderausgaben auszuweisen. Da der Innenminister sehr loyal ist, treten hier sehr viele Probleme auf. Die Haushaltspolitik wird hier zu einer innenpolitischen Gefahr. Das Gute ist, dass wir, sowohl die regierungstragenden Fraktionen als auch die Opposition, während der Haushaltsberatungen noch viele vernünftige Dinge durchsetzen und in diesem Etat einen Aufwuchs realisieren konnten. Ich will einige positive Punkte ausdrücklich nennen. (Beifall des Abg. Martin Gerster [SPD]) Wir haben zum Beispiel die Mittel für die Stiftung für das sorbische Volk um 500 000 Euro aufstocken können. Das ist eine sehr vernünftige Entscheidung, sie erfolgte in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg. Wir haben beim THW in den Etatberatungen einen deutlichen Schritt nach vorne gehen können. Das Technische Hilfswerk bekommt zusätzliche Mittel für die Ortsverbände, für Ausbildung und für Fahrzeuge. Das ist eine vernünftige Entscheidung. Ich will zum Bereich der Integration positiv erwähnen – ich komme noch darauf zurück –, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzliche Stellen bekommen hat. Auch das ist unzweifelhaft eine vernünftige Entscheidung. (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Deshalb stimmen Sie dem Etat zu!) Trotzdem ist der Etat an wichtigen Stellen chronisch unterfinanziert, meine Damen und Herren. Ich will auf einige Punkte eingehen. Nehmen wir eines der größten Probleme, vor denen wir insgesamt in Deutschland und Europa stehen: die weltweiten Flüchtlingsströme aus Syrien und dem Mittelmeerraum. Wir alle kennen die Probleme. Der politisch verantwortungsvolle und humanitäre Umgang mit den Sorgen und Nöten dieser inzwischen Millionen Flüchtlinge ist eine Riesenherausforderung. Ich erinnere an die beeindruckende Rede – jedenfalls hat sie mich beeindruckt – von Navid Kermani anlässlich des 65. Jahrestages des deutschen Grundgesetzes. Er hat uns allen ins Stammbuch geschrieben: Deutschland … hat genügend Ressourcen, politisch Verfolgte zu schützen, statt die Verantwortung auf die sogenannten Drittstaaten abzuwälzen. (Beifall bei der LINKEN) Und es sollte aus wohlverstandenem Eigeninteresse anderen Menschen eine faire Chance geben, sich um die Einwanderung legal zu bewerben, damit sie nicht auf das Asylrecht zurückgreifen müssen. Deshalb kritisieren wir scharf, dass Sie haushaltspolitisch für diesen Ansatz keine Grundlagen schaffen, meine Damen und Herren. Es ist viel mehr notwendig. Ich will nur einen Punkt nennen. In Ihrem eigenen Koalitionsvertrag versprechen Sie, „mit besonderem Vorrang … die Verkürzung der Bearbeitungsdauer bei den Asylverfahren“ realisieren zu wollen. „Die Verfahrensdauer bis zum Erstentscheid soll drei Monate nicht übersteigen.“ Die reale Situation ist aber eine Verfahrensdauer von derzeit sieben Monaten. Es deutet überhaupt nichts darauf hin, dass diese Zeitspanne kürzer wird. Da muss doch viel mehr geschehen. Da müssen Sie in haushaltspolitischer Hinsicht mehr einstellen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe tun Sie viel zu wenig in diesem Haushalt. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: 300 neue Stellen!) Sie haben im Haushalt zudem keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um Ihr Versprechen einzulösen. Stattdessen verringern Sie die Zahl der Antragsverfahren, indem Sie die Liste der sicheren Herkunftsländer vergrößern. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Auch das verkürzt die Verfahren! Das ist ein Beitrag zur Verfahrensverkürzung!) Das ist nicht im Geist der Rede von Kermani. (Beifall bei der LINKEN) In Jordanien und in anderen armen Ländern suchen Hunderttausende Menschen Schutz und Geborgenheit. Deutschland verweist auf 10 000 Flüchtlinge aus Syrien. Die Aufnahme von 10 000 Flüchtlingen ist gut, aber letztlich zu wenig. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht auf andere europäische Länder zeigen, wenn sie noch schlechter sind als wir. Das ist der falsche Weg. Der Bundesminister hat im Berichterstattergespräch darauf verwiesen, dass die Risiken, die sich zum Beispiel aus der aktuellen Verschärfung der Lage in der Ukraine ergeben, im Haushalt in keiner Weise abgebildet sind. Deswegen: Hier muss mehr geschehen. Was geschehen ist, ist nicht ausreichend. Es gibt keine Strategie. Was ist die Strategie der Bundesregierung angesichts wachsender internationaler Flüchtlingsströme? Wann, bitte, wollen Sie mit einer verantwortungsvollen und vorausschauenden Haushaltspolitik in Ihrem Etat beginnen? (Beifall bei der LINKEN – Oswin Veith [CDU/CSU]: Wir sind längst dabei!) Zum Thema Integration. Auch hier will ich zugestehen, dass während der Haushaltsberatungen Positives geschehen ist, keine Frage. Die Kollegen Berichterstatter haben einen Beitrag geleistet. Aber hier verhält es sich ähnlich: 2013 gab es über 117 000 Teilnehmer in den Integrationskursen. Das BMI kalkuliert 2014 und 2015 mit jeweils 140 000 Teilnehmern. Aber die notwendigen Mittel werden auch hier durch die Globalen Minderausgaben nicht eingestellt. Überhaupt nicht berücksichtigt sind Mittel für die freiwillige Teilnahme an solchen Kursen. Trotzdem hat der Innenminister dem Regierungsentwurf zugestimmt. Das ist letztlich unverantwortlich, weil die entsprechenden Etats unterfinanziert sind. Sie stellen sich nicht auf die Herausforderungen der Asylbewerberpolitik und der Integrationspolitik ein. Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen, der die Menschen in diesem Land sehr bewegt. Das ist das große Thema NSA. Hier ist ausspioniert und abgehört worden. Wir kennen die ganze Geschichte: Herr Friedrich fährt nach Amerika, und Herr Pofalla erklärt das Ganze für beendet. Dieser Skandal spiegelt sich überhaupt nicht wider. Es geht nicht nur um das Handy der Kanzlerin; das ist doch albern. Vielmehr geht es um Industriespionage, das Ausspionieren von Krankenakten und Forschungseinrichtungen; das ist doch der entscheidende Punkt. Dazu sage ich ganz klar und deutlich: Da kann man nicht, wie die Kanzlerin sagt, auf die Kraft der Argumente setzen. Nein, da muss Flagge gezeigt werden. Da muss man zum Beispiel die Verhandlungen über das TTIP aussetzen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da muss man vielleicht Personal aus den Botschaften nach Hause schicken. Das wäre der richtige Ansatz. Die NSA steht in einer unsäglichen Tradition. In dieser Woche ist bekannt geworden, dass die Westalliierten die Post aus der DDR bis 1989 durchgängig ausspioniert haben; das ist ein Skandal sondergleichen. Das wird faktisch einfach fortgesetzt. Sie müssen dafür sorgen, dass die Bundesrepublik souverän handelt. Die Souveränität ist aktuell im Zusammenhang mit der NSA nicht hergestellt. Das ist ein Riesenproblem. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Lassen Sie mich einen anderen Punkt ansprechen, der mir sehr wichtig ist. In den Medien wird hin und wieder die Arbeit von Stiftungen als parteinah diffamiert. Angesichts der riesigen Herausforderungen, vor denen wir in bildungspolitischer und meinungspolitischer Hinsicht stehen, sollten wir gemeinsam die Stiftungen, von der Hanns-Seidel-Stiftung bis hin zur Rosa-Luxemburg-Stiftung, ausdrücklich würdigen. Was diese angesichts der großen Herausforderungen leisten, finde ich wirklich beachtenswert. Wir alle wollen informierte, kluge und politisch engagierte Bürgerinnen und Bürger. Deswegen sollten wir alle gemeinsam sagen: Jawohl, wir stehen zu den Mitteln für diese Stiftungen. Wir müssen keine verschämten Entscheidungen treffen. Wir wollen gemeinsam, dass die Stiftungen ihre Aufgaben sowohl im Ausland als auch im Inland weiterhin erfüllen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Insgesamt kann ich nur feststellen: Leider wird der Haushalt den Anforderungen, vor denen wir stehen, in keiner Weise gerecht. Ich kann das Ziel der schwarzen Null verstehen. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir in diesem Etat notwendige Aufgaben nicht mehr realisieren. Sonst gefährden wir letztlich die Menschen in unserem Land und viele, die zu uns kommen wollen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan des Bundesministers des Innern sah im Regierungsentwurf einen Ausgabenansatz in Höhe von 5,77 Milliarden Euro vor. Wir haben uns in den parlamentarischen Beratungen intensiv damit beschäftigt und haben in dieser Phase den Ansatz für die Ausgaben um 128 Millionen Euro auf circa 5,9 Milliarden Euro erhöht. Das hört sich erst einmal viel an, aber das sind keine Wohltaten, die eine Regierungskoalition einfach so verteilt, sondern das ist die Antwort auf große Herausforderungen; die Menschen erwarten zu Recht, dass sich der Staat diesen Herausforderungen stellt und die Probleme als Teil eines guten, verantwortlichen Regierungshandelns löst. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will exemplarisch vier dieser großen innenpolitischen Herausforderungen nennen, die uns in den letzten Monaten in den Haushaltsverhandlungen beschäftigt haben und die sich in dem Ergebnis widerspiegeln. Das ist zum Ersten der Bürgerkrieg in Syrien. In Syrien und seinen Nachbarländern spielt sich im Moment die schlimmste humanitäre Katastrophe der letzten Jahre ab. Deutschland hilft in vielfältiger Weise. Das fängt an mit der Unterstützung bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen und geht weiter über die Hilfe in den Flüchtlingslagern vor Ort bis hin zu der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in Deutschland. Seit Beginn dieses Konflikts sind etwa 40 000 syrische Staatsangehörige nach Deutschland eingereist, darunter etwa 32 000 Asylbewerber. Jeden Monat kommen etwa 1 700 neu hinzu. Darüber hinaus gibt es mittlerweile drei Sonderprogramme für 20 000 syrische Staatsangehörige, die besonders schutzbedürftig sind, die nicht das Asylverfahren durchlaufen, sondern sofort und unmittelbar einen Aufenthaltstitel bekommen. Für den Transport und die Erstbetreuung dieser Gruppe haben wir im parlamentarischen Verfahren 9 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Die zweite große Herausforderung im Bereich Migration ist die wachsende Nachfrage nach Integrationskursen. Wir haben ein hohes Interesse daran – ich glaube, da spreche ich für alle in diesem Haus –, dass diejenigen, die das Recht haben, bei uns zu bleiben, und die auch bei uns bleiben wollen, sich integrieren. Der Schlüssel für Integration ist die Sprache. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bietet seit Jahren mit großem Erfolg Integrationskurse an, in denen schwerpunktmäßig die deutsche Sprache vermittelt wird. Die Nachfrage nach diesen Integrationskursen ist ungebrochen. Wir hatten 2012 94 000 Teilnehmer, 2013 117 000 Teilnehmer, also eine Steigerung um 25 Prozent, und laut Prognose gibt es 2014 wiederum eine Steigerung um 20 Prozent auf 140 000 Teilnehmer. Das ist wirklich eine erfreuliche Entwicklung, insbesondere weil ein immer größerer Teil der Kursteilnehmer freiwillig daran teilnimmt, also nicht von einem Amt dazu verpflichtet wird. Diese Menschen erklären von sich aus die Bereitschaft, an diesen Kursen teilzunehmen, und dokumentieren damit den Willen, sich bei uns zu integrieren und die Sprache zu lernen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) In der Koalition war es uns wichtig, dieser wachsenden Nachfrage ein Angebot gegenüberstellen zu können. Alleine für diesen einen Punkt haben wir zusätzlich 40 Millionen Euro im parlamentarischen Verfahren bereitgestellt. Es gibt aber jenseits von Migration und Flüchtlingen noch andere Herausforderungen im Innenbereich, denen wir begegnen müssen. Ich nenne als dritte Herausforderung die IT-Sicherheit und die Spionageabwehr. Die NSA-Affäre und auch die massenhaften Identitätsdiebstähle, die wir im letzten Jahr haben beobachten müssen, haben uns unsere digitale Verwundbarkeit schmerzhaft vor Augen geführt. Das hat die Wahrnehmung von Fragen der IT-Sicherheit verändert. Bürger und Unternehmen haben heute ein deutlich höheres Bewusstsein für Datenschutz und Datensicherheit, als sie es noch vor etwa einem Jahr hatten. Sie werden aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern dabei zum Beispiel durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik auf vielfältige Weise unterstützt. Ich möchte erwähnen, in welch hervorragender Weise das BSI zum Beispiel im letzten Jahr zweimal vor millionenfachen Identitäts-diebstählen gewarnt hat, Bürger informiert hat, ob deren E-Mail-Adresse, ihre Identität darunter ist. Da haben viele Menschen überhaupt erst mitbekommen, dass es dieses Amt gibt und welch große Leistungen es in der Fläche erbringt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, auch das Bewusstsein in der Politik, in der Bundesregierung und in der Verwaltung hat sich im letzten Jahr verändert. Es ist jetzt jedem klar, dass die Abwehr von Spionage, und zwar insbesondere von Spionage über das Internet, kein Thema ist, bei dem man sich nur auf ein paar geheim operierende Verfassungsschützer oder das BSI verlassen kann. Bundesverfassungsschutz und BSI machen eine gute Arbeit, aber für eine wirkungsvolle Abwehr ist wirklich jeder in seinem Verantwortungsbereich gefordert. Die Erhöhung der IT-Sicherheit wird mehr Geld kosten. Das sehen wir bereits im Haushalt dieses Jahres, werden es aber insbesondere in den nächsten Haushalten sehen. Das Problem im Bereich Kommunikation ist, dass man das Geld, das dort hineinfließt, nicht sieht. Der Nutzen für den Bürger erhöht sich erst einmal nicht, wenn eine Behörde ihre Kommunikation verschlüsselt oder eine neue Firewall einbaut. Wenn wir dieses Geld aber nicht investieren, dann könnte der Preis, den wir später zahlen müssen, um ein Vielfaches höher sein, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) nämlich durch den Verlust an politischer und technologischer nationaler Souveränität. Die aufgedeckten hochprofessionellen Angriffe der letzten Wochen auf das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und auf eine Kollegin hier im Deutschen Bundestag haben uns diese Bedrohung sehr greifbar gemacht und bildhaft vor Augen geführt. Der Regierungsentwurf des Haushalts 2014 hat hier bereits einen ersten Schwerpunkt; es ist aber schon jetzt absehbar – wir haben in den kommenden Wochen dazu Gespräche mit den Berichterstattern –, dass es im nächsten Haushalt eine noch stärkere Rolle spielen wird. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend einen vierten Bereich nennen, der uns in den Haushaltsverhandlungen besonders wichtig war, und zwar den Katastrophenschutz. Der Katastrophenschutz liegt eigentlich in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen. Die Flut im letzten Jahr hat uns aber vor Augen geführt, dass das Technische Hilfswerk von großer Bedeutung bei der Bewältigung solcher Katastrophen ist. Das gilt sowohl im Inland als auch im Ausland; momentan leisten die Helfer des Technischen Hilfswerks auf dem Balkan große Unterstützung. Das THW ist die einzige Behörde, die zu 99 Prozent von Ehrenamtlichen getragen wird. (Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Jawohl!) Wenn wir die Ehrenamtlichen nicht hätten und die Leistung, die sie erbringen, bezahlen müssten, dann könnten wir diese Unterstützung nicht leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Eine so große Hilfsmannschaft für vergleichsweise seltene Einsätze vorzuhalten, wäre praktisch unbezahlbar. Damit die Helfer im Ernstfall dann aber auch handeln können, sind zwei Dinge wichtig: erstens Ausrüstung und zweitens Ausbildung. In beide Bereiche investieren wir im Haushalt für 2014 zusätzlich zum Ansatz der Bundesregierung 10 Millionen Euro. Der Großteil davon geht in den Bereich Fahrzeuge. Sie alle wissen aus ihren Wahlkreisen, dass das Alter vieler Fahrzeuge des THW jenseits von 20 Jahren liegt. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Doppelt so alt!) Wir investieren aber auch in Führerscheine für die Helfer, die immer seltener einen Führerschein für solche Fahrzeuge mitbringen; wir haben die Reform zu den Führerscheinen in den letzten Jahren politisch verfolgt. Wir investieren in Ausbildungsmaterialien für die Ortsverbände. Uns war in der Koalition und auch in den Haushaltsberatungen wichtig, am Anfang der Legislaturperiode auch einmal ein Zeichen zu setzen: dass wir als Koalition, aber, ich denke, auch als ganzes Parlament hinter dem THW stehen, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das tun wir!) und diese besondere Wertschätzung auch durch einen Aufwuchs zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte aber präventiv allen Kollegen und Freunden des THW schon einmal sagen: Wir werden das nicht in jedem Jahr in dieser Größenordnung schultern können. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wie? – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Schade, schade! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Abwarten!) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Hilfen für Syrien, Integrationskurse, die IT-Sicherheit und der Katastrophenschutz sind Aufgaben, bei denen die Menschen erwarten, dass wir uns um sie kümmern. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen Kollegen, auch bei denen des Haushaltsausschusses, die für andere Politikbereiche Verantwortung tragen, dafür bedanken, dass wir trotz des engen Spielraums, den wir haben, für diese Bereiche zusätzlich Geld zur Verfügung stellen konnten. Es war für uns alle keine leichte Operation. Kollege Bartsch hat ja schon eine für uns wichtige Zielvorgabe angesprochen, nämlich die schwarze Null. Das ist richtig. Wir wollten in diesem Haushalt die Neuverschuldung nicht weiter erhöhen und haben sie auch nicht weiter erhöht. Das heißt, alle Maßnahmen und alle Mehrausgaben, auch die, die ich jetzt gerade beschrieben habe, sind an anderer Stelle gegenfinanziert worden. Meine Damen und Herren, das ist eine große Solidaritätsleistung, auch der anderen Politikbereiche, für den Bereich des BMI, für Maßnahmen, die wir im Sinne eines guten Regierungshandelns leisten müssen. Ich bin jetzt nicht auf alle Punkte, die wir verändert haben, eingegangen. Es folgen ja noch einige Redner, aber ich möchte als Hauptberichterstatter schon einmal ein positives Fazit dieser Haushaltsberatungen ziehen. Ich bedanke mich bei meinen Mitberichterstattern in allen Fraktionen und beim Ministerium für die gute Zusammenarbeit und bitte Sie alle schon jetzt um Zustimmung zu diesem Haushalt. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Anja Hajduk, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte in meiner Rede – die Redezeit ist ja etwas begrenzter – schwerpunktmäßig auf den wichtigen Bereich Integration eingehen. Was schon gesagt wurde, ist richtig: Es handelt sich bei dem Etat des Innenministers um einen ungeheuer breiten Etat mit sehr vielfältigen Aufgaben. Ich möchte etwas zum Thema „Integration und Zuwanderung“ sagen, weil das in den nächsten Jahren ein Megathema für unsere Gesellschaft sein wird. Demografie, Fachkräftesituation, gesellschaftliche Vielfalt: Das sind Herausforderungen, denen wir kompetent begegnen wollen. Ich finde, dass es eine positive Botschaft ist, wenn wir wissen, dass Deutschland heute ein beliebtes Zuwanderungsland ist. Das sollte uns freuen und auch Ansporn für uns sein. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass ich einen Widerspruch der Großen Koalition an -dieser Stelle wirklich für dringend auflösungsbedürftig halte – (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Kann gar nicht sein!) ich könnte auch sagen: Das geht so wirklich nicht –, nämlich den Widerspruch, dass Sie im Koalitionsvertrag Akzente setzen, die Integration wirklich deutlich verbessern zu wollen, dann aber bei der Finanzierung diesem Anspruch nicht gerecht werden. Das kann man an drei Stellen bebildern – das ist auch schon erwähnt worden vom Kollegen Bartsch –: Das Angebot an Integrationskursen ist herabgesetzt worden, obwohl es eine zu erwartende deutliche Steigerung bei den Teilnehmerzahlen gibt. Sie wollen auch dort die Qualität verbessern. Dieses Problem haben wir auch bei der Migrationsberatung, wo selbst Ihr Haus sagt: Wir rechnen mit einem verstärkten Zulauf wegen der dynamisch anwachsenden Zahlen. – Auch die Nachfrage nach niedrigschwelligen Frauenkursen wurde wesentlich geringer veranschlagt als im Jahr 2013, sodass ich nur feststellen kann: Es ist ja ehrenwert, wenn in den Haushaltsberatungen eine gewisse Ehrlichkeit einzieht. Aber es ist am Ende natürlich nicht ehrenwert, wenn ein Ministerium sagen muss: Eigentlich fehlen uns 70 Millionen Euro. – Diese Zahl kommt nicht von mir, sondern vom Minister. Die Lösung des Problems der fehlenden 70 Millionen Euro für die Bereiche, die ich erwähnt habe – ich denke insbesondere an die Integrationskurse –, ist zum Teil angegangen worden. Man kann sagen: Die Koalition hat die Finanzierung von knapp 70 Prozent dieser Summe – 40 Millionen Euro für Integrationskurse und, wenn ich den Bereich etwas erweitere, 9 Millionen Euro für den Flüchtlingsbereich – in Angriff genommen. Das macht aber auch deutlich, dass Sie Ihren selbstgesteckten Ansprüchen immer noch nicht gerecht werden, Herr Minister. Das gilt nicht nur für Sie, Herr Minister, sondern auch für die Fraktionen. Ich spreche die Finanzierung der Integrationskurse an, weil wir Grünen durchaus wissen, dass es nicht nichts ist, wenn zusätzliche Mittel in Höhe von 40 Millionen Euro bereitgestellt werden müssen. Angesichts der Tatsache, dass man den Empfängerkreis eigentlich noch auf Asylantragsteller ausweiten will – das entspricht dem Integrationsministerbeschluss –, reicht diese Summe definitiv nicht aus. Da muss mehr geschehen. Wir haben Ihnen mit einem Antrag, den wir vorgelegt haben, gezeigt, dass man da nicht nur mehr tun sollte, sondern auch mehr tun kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unser Antrag auf Bereitstellung von mehr Integra-tionsmitteln und Schaffung besserer Beratungskapazitäten und insbesondere in dem von mir schon erwähnten Bereich Frauen, die konventionelle Integrationsangebote oft nicht annehmen, ist umsetzbar. Eine fast vollständige Gegenfinanzierung über den Etat des Ministers ist möglich. Herr Minister, ich gehe einmal fest davon aus, dass Sie eine Lücke in der Finanzierung wie die, die Sie dem Haushaltsausschuss und den Fraktionen mit diesem Etat vorgelegt haben, beim nächsten Etat nicht wieder präsentieren wollen. Wir Grünen begrüßen es, dass es feste Zusagen gibt, schrittweise mehr Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Wir glauben, es müssen noch mehr Flüchtlinge aufgenommen werden. Das, was vor kurzem auf der Innenministerkonferenz vereinbart wurde – zusätzlich 10 000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen –, muss in der Kabinettssitzung nächste Woche zu einem Beschluss führen. Da muss noch mehr Geld fließen. Die 9 Millionen Euro, um die Sie die Flüchtlingshilfe jetzt aufgestockt haben, dienen den Zusagen vom letzten Dezember. Mit diesem Geld ist die bestehende Lücke geschlossen worden. Die auf der jüngsten Innenministerkonferenz gegebene Zusage muss mit finanziellen Mitteln bekräftigt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Das sind wir insbesondere den Flüchtlingen schuldig. Ich möchte ganz kurz etwas zum Bereich Sport sagen. Wir Grünen möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass auch die Bundesländer eine Verpflichtung haben, ihre Zusagen zur Finanzierung der Nationalen Anti-Doping Agentur zu erfüllen. Von allen Fraktionen muss ein entsprechender Appell ausgehen. Dass Länder ihre Zusagen nicht erfüllt haben, hat den Minister dazu veranlasst, das Thema „Jugend trainiert für Olympia“ sozusagen in Geiselhaft zu nehmen. Das hat natürlich für Empörung gesorgt. Wir finden es gut, dass die Finanzierung von „Jugend trainiert für Olympia“ für dieses und auch für das nächste Jahr gesichert ist. Aber es kann nicht sein, dass Streitereien zwischen Bund und Ländern und auch fehlende Finanzierungszusagen der Länder dazu führen, dass wichtige Aufgaben auf einmal infrage stehen. Das wünschen wir uns anders. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass der Minister Druck aufbauen will. Herr Minister, ich erwarte, dass Sie zusammen mit den Ländern gute Pakete schnüren. Sie haben uns Grüne da an Ihrer Seite. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hinsichtlich der Spitzensportförderung sehe ich es so, dass wir da in Vorleistung gegangen sind. Wir haben Sie da mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet; aber das geschah nicht voraussetzungslos. Wir erwarten auch im Spitzensport Strukturänderungen, etwa was Fokussierungen angeht. Das will ich an dieser Stelle noch einmal betonen. Ganz zum Schluss noch etwas zum Thema Geheimdienste. Deren Arbeit ist ja so geheim, dass man darüber eigentlich nicht sprechen darf. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Aber bitte nur einen Satz. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wird nur ein Satz, Frau Präsidentin. – Ich glaube, wir müssen die Kontrolle der Geheimdienste so ausführen, dass wir in die Gesellschaft das Signal senden: Wir sind sicher, dass die Geheimdienste nur auf verfassungsrechtlich gültigen Grundlagen arbeiten. Ich verweise auf die Berichterstattung von heute und der vergangenen Wochen, Herr Minister. Wir haben da mit Blick auf die sozialen Medien Klarheit zu schaffen, was die Geheimdienste angeht. Das ist eine wichtige Aufgabe. Ich hoffe, dass Sie uns dabei helfen, dass wir das in den entsprechenden Gremien auch gemeinsam hinbekommen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD spricht jetzt der Kollege Martin Gerster. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Martin Gerster (SPD): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister de Maizière! Wenn man auf die Uhr schaut, sieht man: Es sind gerade einmal noch 125 Minuten bis zum Anpfiff des Spiels Deutschland gegen die USA bei der Fußballweltmeisterschaft. (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Endlich sagt das mal jemand!) Ich habe heute mehrmals gehört: Du hast 14 Minuten Redezeit. Mach es doch ein bisschen kürzer oder rede schneller! (Beifall des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Aber ich muss sagen, selbst bei großer Sportbegeisterung, werte Kolleginnen und Kollegen: Der BMI-Haushalt ist einfach zu bedeutsam, (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) als dass wir hier wichtige politische Fragen jetzt dem Fußball opfern könnten. Zuallererst möchte ich an eine gute Tradition anknüpfen, nämlich an dieser Stelle Danke zu sagen und ein großes Lob auszusprechen. Dank an den Hauptberichterstatter für unseren Haushalt, den Kollegen Dr. Reinhard Brandl! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Er hat das hervorragend gemacht. Deswegen an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön und ein großes Lob! Ein Dankeschön natürlich auch an die Kollegen Norbert Barthle, Anja Hajduk und Dietmar Bartsch! Ich glaube, wir hatten sehr gute Beratungen insgesamt. Diese Beratungen waren eigentlich von einem großen Grundkonsens – den Eindruck hatte ich immer – geprägt. Deswegen konnte ich überhaupt nicht verstehen, lieber Dietmar Bartsch, dass im letzten Satz der Rede aufkam, dass dieser Haushalt in keinster Weise den Anforderungen genügt. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!) – Doch! „In keinster Weise“ wurde gesagt. Ich glaube, das ist überhaupt nicht gerechtfertigt. Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte auch Ihnen sowie der Spitze Ihres Hauses und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das gute Miteinander Danke sagen. (Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU]) Ich glaube, wir hatten schon von vornherein im überarbeiteten Regierungsentwurf wichtige Punkte so geregelt bekommen und wichtige Weichenstellungen so gesetzt bekommen, dass wir im Großen und Ganzen eigentlich schon recht zufrieden sein konnten mit dem, was vorgelegt worden ist. Ich will für die SPD-Fraktion die Situation der Bundespolizei besonders hervorheben. Die Situation wird deutlich verbessert. Wir haben im Personalbereich ein großes Paket für die nächsten vier Jahre vor uns, das wir mit diesem Haushalt beginnen. Über 1 300 Planstellen und Stellen bei der Bundespolizei werden gehoben; das muss man einmal deutlich sagen. Das ist richtig gut und wird auch in der Bundespolizei wertgeschätzt. Es ist von unserer Seite auch Ausdruck der Wertschätzung des großen Engagements in der Bundespolizei für die Sicherheit unseres Landes. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Auch dafür an dieser Stelle ein Dankeschön! Es ist gut und richtig, dass wir das machen und dass wir das jetzt angehen. Sicherheit, werte Kolleginnen und Kollegen, ist natürlich ein sehr bedeutsames Thema im Bereich des Bundesinnenministeriums, aber auch insgesamt für unsere Gesellschaft. Die Herausforderungen wachsen an allen Ecken und Enden. Dem wird in diesem Haushalt aber auch Rechnung getragen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wird gestärkt; Kollege Reinhard Brandl hat es gesagt. In den Sicherheitsbehörden – aber nicht nur dort – wird die IT-Infrastruktur modernisiert. Wir gehen das jetzt an. Wir müssen noch mehr tun, aber wir gehen es jetzt an. Es ist richtig, hier mehr Mittel hineinzugeben. Der Geschäftsbereich, der Etat des Bundesinnenministeriums umfasst aber nicht ausschließlich das Thema Sicherheit. Es sind viele andere Themen, die wir gerade auch als Haushälter mit im Blick hatten. Ich möchte dem Kollegen Norbert Barthle und dem Reinhard Brandl noch einmal ganz herzlich Dankeschön dafür sagen, dass wir gerade in den gesellschaftlich sehr relevanten Bereichen sehr viele Änderungsanträge auf den Weg bringen und wichtige Weichenstellungen beschließen konnten. Ich will ein paar Punkte nennen. Förderung der politischen Bildung in unserem Land. Wir haben erreicht – das war ein sehr wichtiges An-liegen der SPD-Bundestagsfraktion –, dass es knapp 11 Millionen Euro mehr gibt für die Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will ganz deutlich sagen, dass wir nicht verstanden haben, dass in den letzten Jahren die Mittel reduziert worden sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir die Bundeszentrale für politische Bildung brauchen. Wir setzen auf die Bundeszentrale. Dort wird gute Arbeit gemacht. Ich meine, es ist auch gut, dass die Bundeszentrale jetzt einmal aus dieser Spirale herauskommt: Wo können wir noch kürzen? Wo können wir noch etwas wegnehmen? Welches Programm muss gestoppt werden? Ideen und Kreativität in der politischen Bildung können jetzt wieder in die Realität umgesetzt werden. Das ist gut so. Das ist eine große Leistung dieser Großen Koalition, die wir in der SPD-Fraktion besonders honorieren, goutieren und gutheißen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Politische Bildung beschränkt sich natürlich nicht ausschließlich auf die Bundeszentrale für politische Bildung. Wir tun noch mehr. Wir haben die „Deutsche Gesellschaft“ mit 70 000 Euro mehr ausgestattet. Der Bund leistet einen Beitrag für einen Raum zum Gedenken an das Olympiaattentat von 1972. Wir beteiligen uns hier mit 350 000 Euro. Ich muss sagen, das ist längst überfällig. Es wäre schön gewesen, wenn dieser neue Gedenkraum schon zum 40. Jahr der Erinnerung an das Olympiaattentat hätte eröffnet werden können. Jetzt ist es so weit. Ich finde es gut, dass sich der Bund daran beteiligt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich will auch an das anknüpfen, was Dietmar Bartsch gesagt hat: Wir sollten bezüglich politischer Bildungsarbeit an die politischen Stiftungen denken. Deswegen ist es gut, dass wir in der Großen Koalition die Arbeit der politischen Stiftungen mit deutlich mehr Geld versehen. Denn politische Bildung ist letztendlich der Königsweg, um Menschen für unsere Demokratie richtig zu begeistern, Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus, entgegenzuwirken und die bedrohliche Kluft, die sich zwischen Politik einerseits und vielen Bürgerinnen und Bürgern andererseits immer wieder auftut und letztendlich eine permanente Gefahr bedeutet, vielleicht zu schließen, zumindest aber zu verkleinern. Hier kommt den Trägern der politischen Bildung eine große Verantwortung zu. Deswegen sprechen wir an dieser Stelle den Trägern der politischen Bildung unseren Dank aus und honorieren ihr Engagement mit einem klaren Aufwuchs der Mittel in diesem Bereich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gerade die aktuelle Entwicklung in Europa zeigt, wie wichtig es ist, den Menschen die Chancen der europäischen Einigung nahezubringen, durch Aufklärung Ängste und Skepsis zu überwinden und das politische Europa transparenter zu machen. Welches Jahr würde sich besser eignen als dieses? Das Jahr 2014 mit seinen vielen Jubiläen erinnert uns daran, welche Bedeutung ein friedliches und solidarisches Europa hat. Ich denke hier an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. Die Ursache war ein krankhafter Nationalismus. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Gut, dass wir hier etwas tun. Auch der 25. Jahrestag des Falls der Mauer gehört in diesen Zusammenhang. Der Fall der Mauer ist letztendlich zustande gekommen durch eine starke Bewegung von Bürgerinnen und Bürgern. All das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Insgesamt aber müssen wir den Bereich der politischen Bildung verstärken, um mehr zu informieren und die Menschen für ein demokratisches, friedliches und solidarisches Europa zu gewinnen. Auch wenn wir in Deutschland immer noch gegen Vorurteile und Intoleranz ankämpfen müssen, auch wenn Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Sexismus noch lange nicht überwunden sind, werte Kolleginnen und Kollegen, so glaube ich doch, dass wir heute im freiesten, vielfältigsten und vielleicht auch weltoffensten Deutschland aller Zeiten leben. Dafür sind wir dankbar. Aber wir müssen permanent daran arbeiten, dass dies so bleibt oder noch besser wird. Beim Stichwort „Weltoffenheit“ bin ich bei einem anderen Thema, das mir sehr am Herzen liegt – es ist von den anderen Rednern schon angesprochen worden –: Deutschland und die Europäische Union gleichen im Moment einer Insel des Friedens in einer stürmischen See regionaler Konflikte. 50 Millionen Menschen sind gegenwärtig auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung. Auch innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft sind die wirtschaftlichen Folgen der jüngsten Krise dramatisch und deutlich spürbar. Viele Menschen, die in ihrer ursprünglichen Heimat keine berufliche Perspektive sehen, richten ihre Hoffnung darauf, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Ich sehe uns im Sinne der Menschlichkeit in der Pflicht, den verfolgten Menschen im Rahmen unserer Möglichkeiten auch Schutz und Zuflucht zu bieten. Deswegen war es richtig und notwendig, im Rahmen des Haushaltsverfahrens die 9 Millionen Euro für die Syrien-Flüchtlinge bereitzustellen. Zum Thema Integration, lieber Kollege Dietmar Bartsch. Wir sind doch mittendrin, hier etwas zu tun. Wir haben die Mittel für die Integrationskurse aufgestockt. Trotzdem war es ein missverständliches Signal von der Spitze des Hauses, zunächst einmal den Haushaltsansatz um 5 Millionen Euro zurückzufahren in dem Wissen, dass ein hohes Interesse an der Teilnahme an Integrationskursen vorhanden ist. Aber man muss natürlich schon sagen, Herr Minister de Maizière: Sie haben völlig zu Recht erwartet, dass es zusätzliche Mittel, sogenannte Bildungsmittel, gibt. Insofern gibt es vor diesem Hintergrund eine gute Erklärung dafür, dass dieser Haushaltsansatz zunächst so aussah. Ich denke, dass wir jetzt insgesamt ganz gut aufgestellt sind mit diesem deutlichen Aufwuchs, den wir im Rahmen des Haushaltsverfahrens gemeinsam in der Großen Koalition auf den Weg bringen konnten. 300 Stellen zusätzlich für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – das ist doch was! Da kann man doch nicht sagen, wir hätten beim Thema Verkürzung der Bearbeitungszeiten für Asylanträge noch nichts getan. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das ist doch ein richtig großer Aufschlag. Wir haben bei den Beratungen und bei den Berichterstattergesprächen gehört, dass mehr Stellen im Moment gar nichts bringen würden, weil die große Herausforderung jetzt erst einmal darin besteht, fachkundiges Personal zu finden, (Zuruf von der SPD: Zu schulen!) das die 300 zusätzlichen Stellen besetzen kann; das müssen gute Leute sein. Insofern sage ich: Wir sind hier auf einem guten Weg. Wir müssen noch nachsteuern – ganz klar –, wenn wir das Ziel erreichen wollen, dass ein Asylantrag nicht länger als drei Monate Bearbeitungszeit beansprucht. Aber dafür, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erst ein paar Monate in der Regierung dabei sind, kann sich das jedenfalls als erstes Etappenziel ganz gut sehen lassen. (Beifall bei der SPD) Ich will gerne etwas zum Thema Technisches Hilfswerk sagen. Ich glaube, es ist eine große Leistung der Großen Koalition, dass es uns gelungen ist, für das Technische Hilfswerk 10 Millionen Euro zusätzlich zu mobilisieren. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Gut investiertes Geld!) Das drückt unsere Wertschätzung für die Arbeit der vielen, vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aus, die für das THW unterwegs sind: als Topbotschafter für unser Land im Ausland, aber auch als Superbotschafter in unserem Land für gelebte Solidarität, für das Ehrenamt und für die Hilfe am Nächsten, der sich in Not befindet. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deswegen glaube ich, dass das eine richtig gute Sache ist. Der Anpfiff in Brasilien rückt näher, Herr de Maizière. Deswegen möchte ich gerne ein paar Sätze zum Sport sagen. Ich finde es gut, Herr de Maizière, dass wir im Bereich des Innern einen Minister haben, der sportbegeistert ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich habe mich gefreut, dass es beim Sport einen Aufwuchs gibt: 2,7 Millionen Euro netto mehr im Vergleich zum vergangenen Haushaltsjahr, 8 Millionen Euro mehr im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf. Ich glaube, das kann sich sehen lassen. Das ist eine gute Botschaft für den Sport, die größte Bürgerbewegung in unserem Land. Wie der Sport mobilisieren, faszinieren und emotionalisieren kann, erleben wir gerade in diesen Tagen. Ich freue mich, dass es bei den zentralen Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports ein deutliches Plus geben wird und dass unter anderem die Grundförderung für die Bundessportfachverbände erhöht wird. Das ist ein richtig gutes Signal. Herr de Maizière, ich teile Ihr, wie ich finde, mutiges Grundanliegen: Wir müssen die Sportförderung in unserem Land neu denken, wir müssen da auch Strukturveränderungen vornehmen. Ja, auch ich sage: Natürlich geht es bei Olympia um Spitzensport; aber Spitzensport gibt es nicht ausschließlich bei Olympia. Wir müssen daher schon schauen, wie wir der Vielfalt im Sport Rechnung tragen können. Ich glaube, lieber Norbert Barthle, dass wir im Haushaltsausschuss einen guten Beschluss gefasst haben: Wir schaffen eine Prozentregelung für den nichtolympischen Bereich. Damit unterstützen wir auch den Schachsport. Ich glaube, dieser Beschluss ist eine gute Botschaft im Hinblick auf die Vielfalt im deutschen Sport. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Junge Leute lernen Vielfalt insbesondere im Sport kennen, gerade auch bei den Wettbewerben „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“. Deswegen haben wir, lieber Norbert Barthle, als Baden-Württemberger – die Deutsche Schulsportstiftung hat ihren Sitz in Baden-Württemberg – aus Überzeugung gesagt: Auch wenn es in den Bundesländern Probleme bei der Finanzierung der NADA gibt, können wir nicht zulassen, dass die Kinder und Jugendlichen und diese tollen Wettbewerbe letztendlich darunter leiden. Ich glaube, wir haben einen guten Kompromiss gefunden, um die Wettbewerbe zu sichern. Wir haben eine gute Grundlage geschaffen und können sagen: Dieses Zahlenwerk der politischen Entscheidungen für 2014 ist uns insgesamt gelungen; es ist eine gute Geschichte. Ich bin optimistisch, dass wir in den Haushaltsberatungen für 2015, die ja schon bald wieder beginnen – nach dem Spiel ist vor dem Spiel, nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt – wieder gut zusammenarbeiten werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich möchte mit Blick auf den Beginn des heutigen Fußballspiels sagen: Wenn jetzt jeder der Redner noch einen letzten Satz von ungefähr einer Minute einleitet, dann wird das etwas schwierig. Wir haben vereinbarte Redezeiten. Im gegenseitigen Interesse wäre es schön, (Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) – Herr Dr. Bartsch, für Sie gab es auch eine großzügige Regelung – (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Unverdientermaßen!) wenn sich jetzt alle an die vereinbarte Redezeit hielten. (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Vor allem der Kommenden! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Für die Bundesregierung hat jetzt das Wort Bundesminister Dr. Thomas de Maizière. Bitte schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin Schmidt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Appell kann ich Sie nur nachhaltig unterstützen. Ich gebe mir Mühe, mich an die Redezeit zu halten. Ich möchte mit einem Dank beginnen, der sich an die Berichterstatter richtet, insbesondere an den Hauptberichterstatter. Das Klima im Haushaltsausschuss bei den Beratungen insgesamt war vertrauensvoll, offen und sachlich. Das ist gut. Da auch diese Debatte hier so geführt wird, will ich den Zuschauerinnen und Zuschauern sagen: Glauben Sie nicht, dass es hier immer so zugeht. Hier fliegen auch manchmal die Fetzen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Selten!) Ich glaube, unserer Materie tut es gut, wenn wir uns auf die Sache konzentrieren und vernünftig miteinander umgehen. Ob öffentliche Sicherheit, IT-Politik mit all ihren Facetten, Migration oder Integration: So unterschiedlich diese Bereiche, die beim Innenministerium angesiedelt sind, scheinen mögen, drei Dinge haben sie gemeinsam: Erstens. Sie entscheiden maßgeblich darüber, ob die Menschen gerne in unserem Land leben, ob sie sicher und frei hier leben können und wie der gesellschaftliche Zusammenhalt in unserem Land ist. Zweitens. Nahezu alle innenpolitischen Themen sind heute in großem Maße durch internationale Entwicklungen geprägt. Eine klassische Innenpolitik, die gedanklich an der deutschen Staatsgrenze endet, gibt es längst nicht mehr. Antiterrorkampf, sogar Einbruchsdiebstahl – ich komme gleich darauf zu sprechen –, Internet, Datenschutz, Zuwanderung, Integration, Vorratsdatenspeicherung, Asyl, Sport, ja sogar das Dienstrecht: Alles das geht inzwischen nur noch mit Blick auf unsere europäische und internationale Einbindung. Drittens. Das Tempo, in dem sich heute innenpolitische Themen verändern, ist atemberauend. Ich bilde mir ein, das beurteilen zu können; denn ich habe zum zweiten Mal das gleiche Amt inne und kann so mitbekommen, was sich alles in welchem Tempo verändert hat und nicht gleich geblieben ist. Wie rasant dieser Wandel ist, das zeigt sich zum Beispiel bei der Frage: Wie wollen wir mit dem Internet umgehen? Unser Aufgabenportfolio reicht hier von der IT-Sicherheit über den Datenschutz, den Wirtschaftsschutz, die Bekämpfung von Cyberkriminalität und Cyberspionage, die Regelung neuer rechtlicher Fragen bis hin zum gesellschaftlichen Diskurs, ob und wie sich unsere Gesellschaft mit und durch die Nutzung des Internets verändert. Sicherheit, Schutz und Vertrauen sind heute im Internet Wettbewerbsfaktoren. Vertrauen ist eine Währung im Internetzeitalter geworden. Wir arbeiten daran. Herr Bartsch, es ist völlig falsch, dass es in Bezug auf das Thema NSA keine Konsequenzen gegeben hätte. Wir werden darüber die gesamten vier Jahre diskutieren. Es gibt nur einen Unterschied: Sie fixieren sich auf das Thema NSA, und wir fixieren uns auf das Thema Schutz der Bürger, egal ob die NSA oder sonst jemand auf Daten zugreift. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir werden ein IT-Sicherheitsgesetz vorlegen, das Rahmenbedingungen für den sicheren Betrieb von kritischen Infrastrukturen und unserer IT-Systeme beinhaltet, auch mit Blick – Frau Hajduk hat in der ersten Lesung darüber gesprochen – auf die IT-Netze des Bundes. Ich sage ganz vorsichtig, weil es heute eine Agenturmeldung dazu gibt: Auch mit Blick auf die Sicherheit des Betriebes der Netze des Bundes haben wir – in Anführungsstrichen – „nur“ eine Verpflichtungsermächtigung vorgesehen. Wir werden darüber in den nächsten Jahren reden müssen. Auch das ist ein Beitrag zur Sicherheit, in dem Fall zur Sicherheit unserer eigenen Kommunikation. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist natürlich der Bereich Integration und Migration. Vieles hat sich in den letzten Jahren getan. Wir brauchen Fachkräfte aus dem Ausland, und sie kommen gerne. Deutschland ist heute ein modernes Einwanderungsland. Der Sachverständigenrat hat uns bescheinigt, dass sich die Gesetzeslage, so unübersichtlich sie inzwischen vielleicht sein mag, in Europa und der Welt sehen lassen kann. Er rät von Änderungen ab. Er rät sogar von der Einführung irgendwelcher Bluecardsysteme ab. Er sagt: Der rechtliche Standard ist inzwischen gut. – Das ist auch ein Ergebnis der letzten Legislaturperiode. Wir sehen viele Integrationserfolge. Ihre Anzahl nimmt zu, und die Erfolge werden sichtbar. Dennoch gibt es Defizite. Wenn sich Bildungserfolge nicht oder zu wenig auf die kommenden Generation erstrecken, wenn der Bildungsstand von in Deutschland geborenen Kindern mit Migrationshintergrund immer noch deutlich unter dem Durchschnitt gleichaltriger Einheimischer liegt, wenn einzelne Migrantengruppen signifikant schlechter integriert sind als andere bei im Übrigen gleichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, dann zeigt das, dass wir noch viel zu tun haben, insbesondere im Bereich der Bildung. Nun ist das nicht die Hauptaufgabe des Bundes. Man könnte sogar kritisch fragen, ob die Finanzierung der Integrationskurse eine Aufgabe des Bundes sein muss. Aber sie ist es. Wir bekennen uns dazu. Als Sprachkurse haben sie begonnen. Inzwischen sind sie ein wesentliches Element der Integration. Ich bin dankbar, dass der Haushaltsausschuss das Finanzproblem gelöst hat. Wir hatten, wie Sie, Frau Hajduk, wissen, eine andere Lösung angedacht; Herr Gerster hat das dankenswerterweise erwähnt. Das war keine bewusste Unterveranschlagung nach dem Motto: Hoffentlich hilft uns der Haushaltsausschuss. – Das war anders geplant. Aus Zeitgründen will ich das nicht vertiefen. Die gefundene Lösung ist gut. 2014 können alle erwarteten 140 000 neuen Kursteilnehmer beim Spracherwerb unterstützt werden. Die Auswirkungen neuer Entwicklungen sind damit allerdings nicht zu finanzieren; auch das gehört zur Wahrheit dazu. Nun ein Wort zu den Flüchtlingen; auch Herr Bartsch hat das Thema angesprochen. Die Zahl der Asylbewerber ist im letzten Jahr um etwa 70 Prozent gestiegen. Wir hatten etwa 140 000 Asylerstanträge und Asylfolgeanträge. In diesem Jahr werden insgesamt voraussichtlich um die 200 000 Anträge gestellt, je nachdem, wie die Entwicklungen – zum Beispiel die Entwicklungen in der Ukraine, im Irak oder besorgniserregende Entwicklungen in anderen Ländern – weitergehen. Ich möchte an dieser Stelle noch etwas sagen, was in dieser Debatte bisher keine Rolle gespielt hat. Ich möchte den Kommunen und den Ordnungsdezernenten, die mühsam Gebäude suchen müssen und sich vor Ort gemeinsam mit den Abgeordneten gegen irgendwelche Rechtsextremisten, die das alles nicht haben wollen, wehren müssen, meinen Dank aussprechen. Die Kommunen bemühen sich und kümmern sich darum, dass diese Asylbewerber untergebracht werden können. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen ein zügiges und faires Verfahren. Über den Stellenzuwachs, der hiermit zusammenhängt, und über den Gesetzentwurf ist schon gesprochen worden. Zu den sicheren Herkunftsländern ist schon gestern etwas gesagt worden. Diese Themen will ich nicht vertiefen. Auch sie gehören aber dazu. Nun ein Wort zu den Flüchtlingen aus Syrien. Wir hatten gestern eine Konferenz von Ministern der G 6 – nämlich der Innenminister der sechs größten europäischen Staaten – mit dem zuständigen Minister der Vereinigten Staaten und der zuständigen Kommissarin. Alle haben gesagt: Das, was Deutschland diesbezüglich macht, ist bemerkenswert. Wir haben seit Beginn des Bürgerkriegs bis jetzt 40 000 Flüchtlinge aufgenommen; Herr Brandl hat das schon gesagt. Aufgrund des Bundesprogramms können noch 10 000 hinzukommen. Das sind weltweit drei Viertel der außerhalb der Region vorhandenen Aufnahmeplätze. Ich finde, das verdient überhaupt gar keine Kritik, Herr Bartsch, sondern nur Lob und Anerkennung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Kritik würden andere Staaten verdienen. Herr Steinmeier und ich haben deswegen die Initiative ergriffen, um andere europäische Staaten zu ermuntern, zumindest ein bisschen mehr zu tun als bisher. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich hoffe, das hat Erfolg. Wir wollen die Flüchtlinge nicht nur hierherholen, sondern wir wollen natürlich auch, dass vor Ort etwas passiert. Deswegen haben wir für die Flüchtlingslager in der Region – das gehört zum Etat des Kollegen Müller – bisher 450 Millionen Euro veranschlagt. Ich finde, wir stellen uns unserer humanitären Verantwortung. Das ist gut so, und darauf sind wir stolz. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es kommt nicht von ungefähr, dass so viele Menschen nach Deutschland kommen möchten. Ich spreche jetzt gar nicht über das Sozialniveau. Wir reden zurzeit viel über Fußball und Brasilien. Vor zwei Tagen wurde der brasilianische Fußballer Zé Roberto, der einen deutschen Pass hat, gefragt, was er jetzt, in Brasilien, aus seiner Zeit in Deutschland vermisse. Er antwortete ohne zu zögern: die Sicherheit. Die aktuellen Statistiken belegen: Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt. Auch die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik, die ich zusammen mit dem Kollegen Jäger vorgelegt habe, beweisen das. Es gibt – das ist eine geringfügige Senkung – weniger als 6 Millionen polizeilich registrierte Straftaten. Bei den Straftaten im Bereich der Gewaltkriminalität und des sexuellen Missbrauchs gibt es ebenfalls eine Senkung. Es gibt gute Entwicklungen, allerdings auch schlechte. Wir haben darüber schon gesprochen, aber wir müssen mehr darüber reden: Der Anstieg der Wohnungseinbruchskriminalität ist besorgniserregend. Zwar sind die Zahlen nicht so hoch wie 1993. Da hatten wir etwa 230 000 Wohnungseinbrüche. Jetzt sind wir bei ungefähr 150 000. Seit sieben, acht Jahren steigen die Zahlen wieder. Im letzten Jahr gab es einen Anstieg um 5 300 Fälle. Warum interessiert uns das hier? Das ist doch eigentlich eine Angelegenheit der Länderpolizeien. Einbruchdiebstahl ist sozusagen das Lokalste, was es gibt. – Denkste! Wir haben inzwischen neue Tätertypen. Der Anstieg ist auf international agierende und international vernetzte Banden zurückführen, die ihre Straftaten – entlang den Autobahnen – geografisch vorbereitet begehen. Es gibt eine Gruppe, die von Balkanstaaten aus gesteuert wird. Weiterhin gibt es Gruppen, die aus der Ukraine, aus Weißrussland, aus der Türkei und aus Georgien heraus gesteuert werden. Deutsche Banden klauen in Frankreich, und französische Banden klauen in Deutschland und in den Niederlanden. Es gibt international vernetzt agierende Organisationen. Wir – Bund und Länder – haben uns bei der letzten Innenministerkonferenz versprochen, dass wir dagegen vorgehen wollen. Wir sagen den Einbrechern in diesem Land den Kampf an. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das geht nur langsam. Es dauert ein bisschen; aber wir wollen es tun. Nun kann ich aus Zeitgründen viele weitere Themen nicht mehr ansprechen. Auf einen Punkt will ich aber noch eingehen, der von Herrn Bartsch eingeführt wurde. Herr Bartsch hat gesagt, dass das Innenministerium keinen Programmhaushalt hat. Auf den ersten Blick stimmt das. Unser Programm heißt „Freiheit und Sicherheit“. Unser Programm besteht nicht aus Fördermitteln, sondern es besteht aus Polizisten, Sicherheitsbehörden, einer guten Verwaltung, Ehrenamt, Katastrophenvorsorge, Sport, Schutz der Verfassung, Kampf gegen Extremisten und IT-Sicherheit. Das spiegelt sich auch in unserem Haushalt wider. Deswegen ist er anders zu lesen als andere Haushalte, aber von großer Bedeutung für unser Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Herr Gerster, ich wollte mit Blick auf den Haushalt auch sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Zehn Sekunden meiner Redezeit habe ich nicht ausgeschöpft. Ich wünsche den Jungs in Brasilien nachher alles Gute! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Dr. André Hahn, Fraktion Die Linke, ist der nächste Redner. (Beifall bei der LINKEN) Dr. André Hahn (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister de Maizière, es muss den Bürgerinnen und Bürgern offenbar verborgen geblieben sein, dass Sie aus dem NSA-Skandal die richtigen Lehren gezogen und zum Schutz der Menschen entsprechende Maßnahmen eingeleitet haben. Wir haben davon nichts gesehen. (Beifall bei der LINKEN) Ich will aber zunächst etwas zum Sport sagen. Die geringfügige Anhebung im Etat des BMI in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro bleibt hinter den tatsächlichen Erfordernissen und auch hinter dem zurück, was der Minister ursprünglich vollmundig versprochen hat. Der dramatische Sanierungsstau bei den Sportstätten wird weiter beharrlich ignoriert. Der DOSB beziffert diesen Sanierungsstau auf 42 Milliarden Euro. Das ist eine Summe, welche die Länder unmöglich allein stemmen können. Daher fordert die Linke die Neuauflage eines bundesweiten Förderprogramms für Sportstättensanierung. Wir haben das im Ausschuss zur Abstimmung gestellt; der Antrag wurde von der Koalition leider abgelehnt. Während der ersten Lesung habe ich auch die geplante Kürzung der Mittel für die Programme „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für die Paralympics“ kritisiert. Das ist hier schon mehrfach angesprochen worden. Damals habe ich deutlich gemacht, dass man versucht, finanzielle Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern auf dem Rücken von Schülerinnen und Schülern auszutragen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Auch wir erwarten von den Bundesländern, dass sie ihre Zusagen zur Mitfinanzierung der Nationalen Anti-Dopingagentur einhalten. Weiter erwarten wir, dass die NADA finanziell langfristig so ausgestattet wird, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen kann. Die Hauptverantwortung dafür liegt beim Bund. Die jetzt im Haushalt 2014 eingestellten Mittel reichen perspektivisch nicht mehr aus. Aber deshalb darf man doch nicht die Mittel für „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für die Paralympics“ kürzen. Linke und Grüne haben im Sportausschuss beantragt, die geplante Halbierung der Zuschüsse für 2014 und die Streichung der Zuschüsse für 2015 komplett zurückzunehmen. (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Wir haben darauf gedrängt, dass der Schachsport weiter unterstützt wird. CDU/CSU und SPD haben dies im Sportausschuss abgelehnt. Man stimmt eben in diesem Haus selbst den vernünftigsten Anträgen der Opposition nicht zu. Erst in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses wurde dies korrigiert. Die Mittel für „Jugend trainiert für Olympia“ wurden wieder eingestellt, und der Schachsport wird in Zukunft gefördert. CDU/CSU und SPD stellen dies nun als tolle Leistung dar, obwohl die eigenen Minister die Kürzungen im Haushalt zuvor vorgesehen hatten. Beim THW lief es ähnlich ab. Deshalb möchte ich zu diesem Verfahren etwas Grundsätzliches sagen. Wie wäre es denn, wenn in den Haushaltsentwürfen der Regierung endlich von vornhe-rein die tatsächlich benötigten Mittel eingestellt werden würden? (Beifall der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich bin es einfach leid, dass – wie in den von mir genannten Fällen – immer wieder Streichungen angedroht und notwendige Anhebungen wider besseres Wissen verweigert werden, in den Beratungen der Fachausschüsse die Anträge der Opposition – oft ohne Begründung – abgelehnt werden, die Koalition dann aber im Haushaltausschuss die gleichen Anträge stellt, mit ihrer Mehrheit beschließt und das dann als großen Erfolg verkauft. Mit solider Haushaltsberatung hat das nichts zu tun. Dieser Kinderkram muss endlich aufhören. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Abschließend noch etwas zum Thema Geheimdienste. Hier sehen wir als Linke in der Tat erhebliche Einsparpotenziale. Wir werden die NSA-Affäre ja noch im Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Schon nach den ersten Anhörungen hochrangiger Sachverständiger ist deutlich geworden, dass zum Beispiel die Auslandsaktivitäten des BND grundgesetzwidrig erfolgen und keine rechtliche Grundlage haben. Konsequenzen? Bislang Fehlanzeige. Jedenfalls gibt es keine Reduzierung der staatlichen Zuwendungen. Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass der Neubau der BND-Zentrale in Berlin insgesamt mehr als 1 Milliarde Euro kosten wird, also doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Weitere 300 Millionen Euro sollen eingesetzt werden, um den Auslandsgeheimdienst technisch aufzurüsten und noch mehr Überwachung zu ermöglichen. Ich sage auch: Wer wie das Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Spionageabwehr so offenkundig versagt hat, kann doch nicht ernsthaft damit rechnen, dass die Linke hier einer Mittelerhöhung zustimmen wird. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wir brauchen natürlich deutlich mehr Transparenz bei der Geheimdienstkontrolle. Denn solche Skandale wie die massenhafte Datenweitergabe des BND an die NSA müssen öffentlich aufgeklärt werden und nicht nur in geheimen Sitzungen. Wir werden im Herbst erneut Haushaltsdebatten führen. Ich sage schon jetzt: Aufstockungen der Mittel für Soziales, für Bildung, für Kultur und auch für den Sport werden wir natürlich unterstützen. Das ist ganz klar. Nicht unterstützen werden wir die Bereitstellung von Mitteln im größeren Umfang, die dazu dienen, die Ausspähung der Bürgerinnen und Bürger weiter auszubauen. Wir wollen den Schutz der Bürger, Herr de Maizière. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss. Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Der Minister hat dafür bisher leider nichts getan. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Für die SPD spricht jetzt Michael Hartmann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister de Maizière, der Haushalt, den Sie zu verantworten haben, ist selten ein Haushalt der Nettigkeiten und Gefälligkeiten. In diesem Ressort geht es eher um die harten und komplizierten Themen, die wir gemeinsam mit Ihnen im Innenausschuss zu vertreten haben. Umso besser ist es, wenn man bei einem so breit aufgestellten Ressort nicht alleine agiert. Sie haben ja selbst auf die vielen Implikationen und Querschnittsaufgaben hingewiesen. Besonders gut ist, dass wir bereits ein gutes halbes Jahr nach Start der Großen Koalition erreicht haben, dass Sie von Bundesjustizminister Heiko Maas und auch von Aydan Özo?uz, der Staatsministerin im Kanzleramt, partnerschaftlich und mit der nötigen sachlichen Kritik unterstützt werden. Zusammen wird daraus ein Paket, das nicht mehr von Gegnerschaft geprägt ist, sondern vom gemeinsamen Willen, bei der Integration sowie in der Rechts-, Freiheits- und Sicherheitspolitik etwas zu bewirken. (Beifall bei der SPD) Insgesamt 19 Behörden sind Ihrem Bereich nachgeordnet. Mehr als 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dienen im weitesten Sinne dem Bundesinnenminister. Das ist eine Herkulesaufgabe. Deshalb will ich von diesem Platz aus allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den unterschiedlichsten Behörden – ob beim Statistischen Bundesamt, beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und bei allen übrigen Behörden – deutlich sagen: Wir wissen, was Sie für unser Land leisten, wir sind Ihnen dankbar dafür, und wir stehen zu Ihnen, nicht kritikfrei, aber doch mit loyaler Unterstützung für Ihre pflichtgemäße Aufgabenerfüllung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Besonders zu danken ist denjenigen, die für unsere Sicherheit zuständig sind. Deshalb war es gut und richtig, dass es unsere Haushälter gemeinsam geschafft haben, insbesondere für die Bundespolizei, bei der ja die Masse der Polizistinnen und Polizisten im mittleren Dienst tätig ist, ein Stellenhebungsprogramm auf den Weg zu bringen. Das war nicht einfach, auch was die Finanzierung angeht; aber es war nötig. Denn das betrifft jene Polizistinnen und Polizisten, die bei Fußballeinsätzen, bei Castortransporten, bei Ereignissen wie dem 1. Mai in Berlin-Kreuzberg oder im Hamburger Schanzenviertel den Rücken und den Kopf für unsere Sicherheit hinhalten, ohne zu klagen, und die ohne Ende Überstunden ansammeln. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Ihnen haben wir zu danken. Dieser Dank wird jetzt endlich auch in Geld ausgedrückt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich sage an dieser Stelle aber gleichzeitig: Der Bund tut hier seine Pflicht. Wir versuchen auch, den Status und den Stand beim Personal zu halten, so gut es geht. Das Gleiche sollten im Interesse einer Sicherheitspartnerschaft bitte auch die Länder tun, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Auch das ist wahr!) und zwar ganz gleich, ob sie A- oder B-dominiert sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es kann nicht sein, dass die Landespolizei abgebaut wird, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Oder unsinnige Polizeireformen gemacht werden!) man aber erwartet, dass die Bundespolizei als Hilfspolizist eingreift, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das gibt es in allen Bundesländern. Ich rate uns allen, da sehr vorsichtig zu sein und nicht nur auf die jeweils andere Partei zu blicken. Es gibt zu viele Länder, die zu sehr bei der Polizei abgebaut haben. Deshalb müssen wir uns als Bundesgesetzgeber vor unsere Truppe, vor die Bundespolizei, stellen. Die Sicherheitsbehörden werden in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern mehr Aufgaben erhalten: ob es um die Terrorbedrohung geht – hier gab es ja besorgniserregende Meldungen über Menschen, die aus Deutschland in Bürgerkriegsgebiete ausreisen und vielleicht auch zurückkehren –, ob es – Herr Minister, Sie haben dies völlig zu Recht als Schwerpunkt erwähnt – um die Alltagskriminalität, etwa um Wohnungseinbrüche, geht, ob es darum geht, dass unsere Stadien von manchen Leuten missbraucht werden, um Randale zu machen und sich zu prügeln – richtig wäre es, dort Fußball zu genießen –, oder ob es um den großen, viel zu lange unterschätzten Kampf gegen die organisierte Kriminalität geht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei Rockern, bei der Mafia und im Bereich der Wirtschaftskriminalität gibt es Gewinnspannen, die unglaublich sind. Für das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger ist es wichtig, dass auch gegen jene, die in Kutten auf Motorrädern sitzen – mittlerweile agieren sie ja häufig ohne Motorräder –, und gegen jene, die mit weißem Kragen kriminelle Handlungen begehen, entschieden vorgegangen wird, und zwar auch da mit null Toleranz, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Damit die Sicherheitsbehörden erfolgreich arbeiten können – Herr Hahn, da unterscheiden wir uns in der Tat sehr –, brauchen sie Personal, Technik und internationale Zusammenarbeit. Damit diese internationale Zusammenarbeit in geordneten Bahnen und korrekt verläuft, müssen wir mit unserem wichtigsten Partner in Sicherheitsfragen, den USA, wenn nötig harte Gespräche führen. Denn eines ist klar: Wir verteidigen gemeinsame Werte, die USA genauso wie wir. Aber wenn man mit der massenhaften Ausspähung befreundeter Nationen beginnt, dann stellt man diese Werte natürlich infrage. Auch deshalb werden wir den kritischen Dialog fortsetzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Richtig!) Wenn wir aber zugleich wollen, Herr Hahn, dass unser Land nicht von den Brosamen, die uns andere geben, abhängig ist, dann gibt es nur eine Antwort: Wir dürfen bei den Sicherheitsbehörden weder Personal noch Technik abbauen, sondern sie müssen besser werden. Sie müssen mehr Geld, mehr Technik und gutes Personal bekommen, um die Sicherheit unseres Landes zu garantieren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Innere Sicherheit bedeutet für diese Koalition, dass wir jetzt und in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren auch die Aufarbeitung des Skandals um das Wirken des sogenannten NSU im Auge haben werden. Diese Schande ist noch nicht getilgt. Es ist nicht vergessen, dass Sicherheitsbehörden und Justiz beim Kampf gegen dieses Mördertrio, das durch unser Land gezogen ist, versagt haben. Daher werden wir den ohnehin erforderlichen Umbau unserer Sicherheitsbehörden fortsetzen und forcieren. Wir werden uns genau überlegen, wie sogenannte V-Personen besser und kritischer geführt werden können. In diesem Zusammenhang werden wir in dieser Koalition auch das Bundesverfassungsschutzgesetz erheblich reformieren. Wir werden aber auch darauf achten, dass in den Behörden mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind, die über eine interkulturelle Kompetenz verfügen. Wir wollen mehr Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, und wir wollen auch mehr Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden. Nicht Eifersüchteleien und Eitelkeiten dürfen dominieren, sondern alleine die Antwort auf die Frage, ob unsere Sicherheit im Kampf gegen Nazis gewährleistet wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dazu ist eine andere Haltung nötig. Ich glaube, es ist manchmal schwieriger, an der Haltung zu arbeiten, als ein Gesetz bzw. einen Paragrafen zu verändern, wie wir jetzt ziemlich fraktionsübergreifend, Frau Mihalic, feststellen, da wir uns leider wieder mit dem verstorbenen V-Mann „Corelli“ befassen müssen. Die Fragen, die dort gestellt werden müssen, sind für uns – ich glaube, fraktionsübergreifend – noch lange nicht beantwortet. Wenn ich über Konsequenzen aus dem spreche, was wir durch das Agieren des Mördertrios, genannt NSU, erlebt haben, dann sage ich zugleich auch: Keiner von uns darf es zulassen, dass Zuwanderer und Flüchtlinge primär als ein Sicherheitsproblem angesehen werden. Wenn wir die Menschen nur so darstellen und sie gar diffamieren, dann machen wir die Tür für jene auf, die tatsächlich Hetze betreiben. (Beifall bei der SPD) Wenn Dinge nicht stimmen, Auswüchse vorhanden sind und Missbrauch stattfindet, muss, darf und wird der Staat reagieren. Zeigen wir aber bitte doch, dass dieses Land bereits seit langem und auch in Zukunft ein Land ist, das alle, die zu uns kommen und bereit sind, unsere Gesetze und Spielregeln einzuhalten, willkommen heißt. Ich finde es daher gut, dass wir mit der doppelten Staatsbürgerschaft sehr bald ein sehr deutliches gesetzliches Signal dafür setzen werden. (Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, es bleibt im Übrigen beim Staatsangehörigkeitsrecht!) Herr Minister, meine Damen und Herren, wir werden auch sehr bald ein IT-Sicherheitsgesetz auf den Weg bringen. Auch das ist eine Konsequenz nicht nur aus dem NSA-Skandal, sondern auch daraus, dass wir beim Schutz unserer Kommunikationssysteme insgesamt besser werden müssen. Das gilt für die Bürgerinnen und Bürger, das gilt für die Einrichtungen des Bundes und der Verwaltung auf allen Ebenen, und das gilt auch für die gewerbliche Wirtschaft, die übrigens die größte Datenkrake in unserem Land ist; das sind keineswegs die Sicherheitsbehörden. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Wenn wir über dieses IT-Sicherheitsgesetz reden, dann werden wir natürlich darauf achten müssen, dass niemand das Kind mit dem Bade ausschüttet. Das will keiner von uns. Es ist aber klar, dass auch die Wirtschaft in der Pflicht ist, sorgsam mit Daten umzugehen. Das bedeutet, wir brauchen bei Firewalls und Ähnlichem Standards, die hoch genug sind. Daneben brauchen wir eine Meldepflicht für erfolgte und erfolgreiche Angriffe auf die IT-Systeme von Wirtschaftsunternehmen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sie sehen, wir haben uns in der Innenpolitik viel vorgenommen. Angepfiffen ist bereits. Die erste Halbzeit ist noch nicht vorbei. Ich bin mir sicher, dass wir in der eigenen Mannschaft, die größer und bunter geworden ist, wie das in der Bundesliga und bei der WM auch der Fall ist, fair spielen werden, und wir werden auch mit all jenen fair spielen, die auf der anderen Seite spielen. Die Einladung dazu besteht; die Themen geben es her. Lassen Sie uns insgesamt an einer guten Innenpolitik für Deutschland arbeiten. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Irene Mihalic. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Hartmann, Sie haben vorhin die gute Stimmung betont, die wir im Innenausschuss hatten und auch jetzt hier in der Debatte erlebt haben. Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt vielleicht für etwas Missstimmung sorge, muss ich leider sagen: NSU, NSA und auch die BKA-Affäre legen den Finger in die gleiche Wunde. Sie stellen nun einmal die Prämissen der aktuellen deutschen Sicherheitsarchitektur grundsätzlich infrage. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist ja wohl ein kleiner Unterschied!) Unsere Sicherheitsbehörden sehen und wissen Dinge, die sie nicht sehen und wissen sollen, Dinge, die sie schlicht nichts angehen. Andererseits analysieren und ermitteln sie nach Mustern, die sie für die wirklichen Bedrohungen in unserem Land blind machen. Beides, also das Ausspähen und das systematische Nichtsehen, passiert zur gleichen Zeit am jeweils falschen Ort. Das muss sich dringend ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Leider, Herr Minister de Maizière, haben Sie Ihren Haushalt ganz an dieser Grundsatzproblematik vorbei aufgestellt. So werden wir den Dreh, den wir in der festgefahrenen Innenpolitik brauchen, nicht hinbekommen. Man könnte beispielsweise bei den Konsequenzen aus dem NSU-Terror anfangen. Ich erkenne keinen einzigen Haushaltstitel, der diesem Thema wirklich systematisch Rechnung trägt. Selbst bei den Programmen, die bundesweit zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützen sollen, vermeiden Sie es, einen klaren Zweck zu bestimmen. Sie können sich nicht dazu durchringen, zu sagen: Wir fördern konkrete Projekte gegen Rechtsextremismus oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. – Nicht nur, dass der vorgesehene Ansatz viel zu niedrig ist, Sie verteilen das wenige Geld auch noch nach dem Gießkannenprinzip ohne jeden Schwerpunkt. Auch ansonsten verzichten Sie auf konkrete Maßnahmen, die sich aufgrund der Erfahrungen zum NSU geradezu aufdrängen. Ich will Ihnen noch ein Beispiel nennen. Die polizeilichen Ermittlungen damals haben sich in vielen Fällen völlig zu Unrecht auf das Umfeld der Opfer fokussiert. Die Angehörigen fühlten sich vielfach falsch behandelt und standen den Behörden ihrer Wahrnehmung nach ohnmächtig und oft sehr hilflos gegenüber. Es gab für sie keine adäquate Möglichkeit, die Vorwürfe gegen sie zu klären. Aber auch Polizistinnen und Polizisten, die ohne hie-rarchisch verordneten Tunnelblick ermitteln wollten, wurden mehrfach durch Anordnungen von oben an einem sachgerechten Vorgehen gehindert. Ich will da das Beispiel des Thüringer LKA-Präsidenten Werner Jakstat nennen; Sie erinnern sich vielleicht daran. Er hatte 2003 mutmaßlich einem jungen Polizisten, der auf einer ganz konkreten Spur bezüglich Uwe Böhnhardt gewesen war, unmissverständlich den Hinweis gegeben: Fahren Sie ruhig raus. Ermitteln Sie. Aber bitte kriegen Sie da nichts raus. Diese Beispiele, die zu Unrecht beschuldigten Opferfamilien und der ausgebremste Polizist, machen es doch überdeutlich: Wir brauchen im Bund und in den Ländern unabhängige Polizeibeauftragte, die sich solcher Beschwerden und Hinweise annehmen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Polizeibeauftragte, die, wo das gewünscht ist, Anonymität zusichern, die Mediation und Anrufungsmöglichkeiten für Polizisten außerhalb des Dienstweges bieten und dem Parlament durch regelmäßige Berichte einen unverstellten Blick auf die Polizei ermöglichen. Es kann doch nicht sein, dass die einzige Institution, die Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols im Innern ist, keiner direkten parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Genauso wie wir unbestritten einen Wehrbeauftragten brauchen, brauchen wir endlich einen Polizeibeauftragten für die Bundespolizei und das BKA. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Und zwar unabhängig!) Auch für den dringend erforderlichen Neustart des Verfassungsschutzes wäre in Ihrem Haushalt ein positives Signal möglich gewesen, aber dazu findet sich nichts. Doch, es findet sich etwas; ich muss mich an dieser Stelle korrigieren. Eine Sache ist enthalten: Als Belohnung für das dramatische Versagen beim Erkennen des NSU und als Belohnung für maximale Intransparenz sowie als Belohnung dafür, dass mit Steuergeldern über Nazi-VLeute rechtsextremistische Strukturen gestärkt wurden, erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz einfach einmal 3 Millionen Euro mehr. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skandal!) Damit lautet Ihre Botschaft: Versagen muss sich wieder lohnen. (Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: Das ist grotesk! – Dr. Eva Högl [SPD]: Unfassbar! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD) Seit heute ahnen wir auch, wofür es diese 3 Millionen Euro zusätzlich gibt, nämlich mutmaßlich für das Ausspähen sozialer Netzwerke. Da darf der Verfassungsschutz natürlich dem BND in nichts nachstehen. Aber die Schwachstelle des Verfassungsschutzes ist ja nicht, dass er nicht gut informiert ist, sondern das, was am Ende mit diesen Informationen passiert. In Sachen Intransparenz stehen Sie, Herr Minister, Ihrer Behörde leider in nichts nach: Wofür die 3 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen sind, haben wir nicht von Ihnen erfahren, sondern heute Morgen aus der Zeitung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz braucht nicht mehr Geld, sondern in jeder Hinsicht eine völlig neue Struktur. Das zeigt auch der aktuelle Verfassungsschutzbericht; denn um Zeitungswissen zusammenzutragen und die polizeiliche Kriminalstatistik auszuwerten, brauchen wir den Verfassungsschutz nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Inlandsaufklärung muss völlig neu aufgestellt werden und sich dabei den Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates unterordnen und darf nicht daran vorbei ein selbstbezogenes Spiel betreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch vor der Sommerpause des ersten Jahres der 18. Wahl-periode werden wir schon zwei Untersuchungsausschüsse haben, die sich jeweils mit dem fragwürdigen Agieren von Polizei und Nachrichtendiensten befassen müssen. Wenn Ihnen selbst durch diesen Umstand nicht auffällt, dass wir in der Sicherheitsarchitektur dieses Landes große Probleme haben, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Fakt ist aber, dass Ihr Haushalt unsere Sicherheitsbehörden weder transparenter und demokratischer noch effektiver macht. Damit werden Sie Ihrer innenpolitischen Verantwortung nicht gerecht. Daran sollten Sie auf jeden Fall beim nächsten Haushaltsentwurf arbeiten. Wir werden Sie daran messen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Thomas Strobl ist jetzt der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesministers des Innern umfasst eine breite Palette von Themen. Ich möchte zu drei Punkten etwas sagen: Erstens. Wie können wir Menschen mit ausländischen Wurzeln noch besser in unserem Land integrieren? Zweitens. Was machen wir mit Menschen, die unseren freiheitlich-demokratischen Staat und unsere Art, zu leben, hasserfüllt bekämpfen? Zum Dritten möchte ich ein paar Sätze zu dem Thema „digitale Revolution“ sagen. Erstens. Der Haushalt des Bundesministers des Innern zeigt deutlich, dass Deutschland ein Integrationsland geworden ist. Zahlreiche Menschen kommen aus anderen Staaten der Europäischen Union nach Deutschland, weil sie hier arbeiten, eine Ausbildung machen oder studieren wollen. Im letzten Jahr sind 1,2 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert. Nach Abzug der Fortgezogenen bleibt ein Überschuss von 430 000 Menschen. Das ist der höchste Wert seit über zwei Jahrzehnten. Das zeigt: Deutschland ist ein weltoffenes Land. Darüber freuen wir uns. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir sind ein Land, das aktiv erhebliche Mittel für die Integration der hier lebenden Ausländer aufwendet. Weil die Zuwanderungszahlen so stark gestiegen sind, haben wir in diesen Haushaltsberatungen die Mittel für Integrationskurse um 40 Millionen Euro auf nunmehr 244 Millionen Euro erhöht. Damit ist sichergestellt, dass grundsätzlich jede und jeder, die oder der einen Integrationskurs besuchen möchte, dies auch tun kann. Das ist wichtig und richtig, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Asylbewerber und Flüchtlinge?) weil diese Integrationskurse die deutsche Sprache vermitteln, Herr Kollege Beck, und ein wichtiger Baustein unserer insgesamt so erfolgreichen Integrationspolitik sind. Diese Mittel haben wir jetzt abgesichert und stabilisiert. Das zeigt deutlich: Diese Koalition aus SPD und CDU/CSU handelt in diesen Fragen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber natürlich müssen wir einräumen: Es gibt immer noch Felder, in denen die Integration besser werden kann. Wir haben noch nicht den Zustand erreicht, dass wir uns zurücklehnen könnten. Das gilt insbesondere für den Bildungsbereich und für den Arbeitsmarkt. Junge Menschen mit ausländischen Wurzeln sind zwar besser ausgebildet, als ihre Eltern und Großeltern es waren, aber leider haben viele junge Menschen mit ausländischen Wurzeln immer noch keinen Berufsabschluss. Unter den 30- bis 34-Jährigen haben 35 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund keinen Berufsabschluss. Das ist mehr als das Dreifache der deutschen Bevölkerung, bei der es 11 Prozent sind. Das hat Konsequenzen für den Arbeitsmarkt. Deswegen ist die Arbeitslosigkeit unter Ausländern ungefähr doppelt so hoch wie die unter den Deutschen. Das hängt unmittelbar miteinander zusammen. Wir müssen die Leistungsbereitschaft, die es ja gibt, fordern und fördern. Das ist ein Thema für die Schulen, die Kommunen, die Länder und natürlich auch für den Bund. Die beste Integration findet nicht im Arbeitsamt, sondern in der Ausbildung und an den Schulen statt. Deswegen müssen wir in diesen Bereich weiter investieren und die Potenziale, die es bei Menschen mit ausländischen Wurzeln und insbesondere bei den jungen Menschen unter ihnen gibt, noch besser fördern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, ein Phänomen aus dem Sicherheitsbereich, das uns seit einiger Zeit große Sorgen bereitet. Das sind die aus Syrien zurückkehrenden Dschihadisten. Junge Menschen in unserem Land radikalisieren sich, reisen nach Syrien, ziehen dort in den Bürgerkrieg und kehren schließlich völlig verblendet und radikalisiert nach Deutschland zurück. Hier besteht ein erhebliches Gefahrenpotenzial, dem wir fest und entschlossen begegnen müssen. Gegen die Menschen, die aus Syrien radikalisiert nach Deutschland heimkehren, müssen wir die schärfsten Mittel des Rechtsstaats einsetzen. Wir müssen beispielsweise über Einreiseverbote nachdenken. Denjenigen, die als ausländische Kämpfer aus freien Stücken in den Bürgerkrieg nach Syrien ziehen und dann zurückkommen, um mit radikalen Methoden unseren Staat zu bekämpfen, müssen wir sagen: Ihr habt das Gastrecht verwirkt. Ihr werdet in Zukunft mit einem Einreiseverbot belegt. (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie dann mit Deutschen, oder wie?) Wir müssen des Weiteren über Änderungen im Strafrecht nachdenken, beispielsweise über eine Strafverschärfung im Hinblick auf die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen. Solche Werbung bereitet den Nährboden für terroristische Gewalt. Wir können als Staat nicht früh genug ansetzen, dies klar zu verurteilen und im Zweifel auch unter Strafe zu stellen. Das dritte Thema, das ich ansprechen möchte, ist der rasante Wandel in der Informationstechnologie, der in Wahrheit eine digitale Revolution ist. Wie wir als Gesellschaft insgesamt in Bildung und Forschung, in der Erziehung unserer Kinder, in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen mit diesem Thema umgehen, ist eine Schlüsselfrage nicht nur der nächsten Jahre, sondern des 21. Jahrhunderts. Die digitale Revolution entscheidet darüber, ob wir als Wirtschaftsnation unseren Wohlstand im 21. Jahrhundert erhalten und ausbauen können. Der Rohstoff des 21. Jahrhunderts ist nicht Öl, Gas oder Kohle, sondern Daten. Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Politik, der Gesetzgeber, kann Rahmenbedingungen schaffen, die digitale Kompetenz fördern und Anreize für eine sichere IT setzen. Aber Innovation, neue Ideen, Kreativität und Wertschöpfung gehen von den Menschen, der Wirtschaft und den Tüftlern in einem freien Land aus. Sie gehen von denjenigen aus, die sich mit diesen Themen befassen und es immer noch ein bisschen besser machen möchten. Unsere Aufgabe ist, Leitplanken zu setzen. Das ist die Aufgabe des Gesetzgebers und des Parlaments. Wir müssen den rechtlichen Rahmen mit Bedacht setzen. Wir müssen die Vernetztheit der Welt im Auge haben. Mein Wunsch ist: Lasst uns bei diesem Thema nicht immer nur die Risiken und die Probleme, sondern vor allem auch die großen Chancen sehen, die die digitale Welt gerade für uns als Wirtschaftsland in Zukunft bietet, und die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten! (Beifall bei der CDU/CSU) Ein ordentliches und nicht übertriebenes Datenschutzrecht ist ein entscheidender Standortfaktor für die gesamte Europäische Union und sorgt dafür, dass wir als Europäer auf dem globalen Markt mithalten können. Die Wahrheit ist: Die erste Stufe der digitalen Revolution haben wir weitgehend verschlafen. Dieser Intercity ist schon vorbeigefahren. Aber das ist nicht das Ende. Die zweite Stufe kommt. Wir brauchen einen offenen Rechtsrahmen, in dem sich die Kreativität, die es in unserer Wirtschaft durchaus gibt, entwickeln kann. Das heißt, die digitalen Fragen reichen weit über das eigentliche Datenschutzrecht hinaus. Fragen der IT-Sicherheit, Fragen der Cyberkriminalität, des Breitbandausbaus haben natürlich ihre eigene Bedeutung. Das Bundesinnenministerium als Grundsatzministerium ist genau das richtige Ministerium, um all diese Entwicklungen im Blick zu halten. Deswegen unterstützen wir Sie, Herr Bundesinnenminister de Maizière, bei der Erarbeitung einer digitalen Agenda 4.0 in Ihrem Grundsatzministerium, in dem alle Fäden zusammenlaufen sollen. Wir wünschen Ihnen wie auch Ihren Kollegen Gabriel und Dobrindt bei der Bewältigung dieser großen Herausforderung alles Gute. Das Bundesinnenministerium ist für sehr vieles zuständig, unter anderem auch für den Sport. Das ist vermutlich die schönste Zuständigkeit, Herr Bundesinnenminister. Dazu gehört auch die wichtigste Nebensache der Welt. In 65 Minuten beginnt ein wichtiges Fußballspiel. Ich darf, glaube ich, im Namen des ganzen Hauses sagen: Wir wünschen der deutschen Mannschaft, wir wünschen unseren Jungs einen siegreichen Abend. Danke fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD hat jetzt Michaela Engelmeier-Heite das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michaela Engelmeier-Heite (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt die Aufgabe, in vier Minuten einen Parforceritt durch den deutschen Sport zu machen. Ich hoffe, es gelingt mir. Heute ist ein guter Tag für den Sport. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, die Sportförderung im Einzelplan 06 des Bundesministeriums des Innern deutlich aufzustocken. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na ja!) 2014 stellen wir in diesem Haushalt insgesamt knapp 165 Millionen Euro für die Sportförderung zur Verfügung. Davon gibt es knapp 140 Millionen Euro für die Förderung des Spitzensports. Das heißt mehr Mittel für die Olympiavorbereitung inklusive der Förderung des deutschen Olympiateams, das heißt mehr Geld im Hinblick auf die Olympiastützpunkte und Bundesleistungszentren für bessere Rahmenbedingungen vor Ort sowie mehr Unterstützung für den Behindertensport in Höhe von 1 Million Euro. Das ist ein wichtiges Zeichen für den deutschen Sport; denn für uns ist Inklusion nicht nur ein Wort, sondern Inklusion ist ein wichtiges Element im Sport, das uns in der SPD-Bundestagsfraktion ganz besonders am Herzen liegt. (Beifall bei der SPD) Darüber hinaus wird die Projektförderung für das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft, IAT, sowie für das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, FES, um 1 Million Euro aufgestockt. Für uns sind das wichtige Partner im Sport. Auch die nicht-olympischen Verbände werden gestärkt, und die Förderung des Schachsports bleibt erhalten. Schließlich unterstützen wir mit zusätzlich 1 Million Euro die Nationale Anti-Doping Agentur, NADA, in ihrem dringend notwendigen Kampf gegen Doping. Das ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltig und unabhängig finanzierten NADA. Wir werden schärfere gesetzliche Maßnahmen gegen Doping und Spielmanipulationen ergreifen. Sport steht für Werte wie Fairness und Respekt. Doping zerstört diese Werte, täuscht die Akteure im Wettkampf, täuscht die Öffentlichkeit und gefährdet die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler. Deshalb legen wir noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein Antidopinggesetz vor und erfüllen damit einen weiteren Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. In Bezug auf die Antidopinggesetzgebung möchte ich mich ganz besonders bei Innenminister de Maizière, Justizminister Maas und Gesundheitsminister Gröhe für die gute -Kooperation der drei Ministerien und bei den vielen -Engagierten in den Ländern bedanken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ein Zeichen für gelungene Sportpolitik ist die Fortsetzung der Förderung und damit die Zukunftssicherung der Wettbewerbe „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“. Der Bund wird die freiwillige Förderung der Schulsportwettbewerbe ab 2015 mit 700 000 Euro fortsetzen. Herr Dr. Hahn, nur am Rande: Wir sind nicht beratungsresistent. Wir haben uns für den Sport entschieden und uns entschlossen, für 2015 wieder die volle Förderung von 700 000 Euro in den Haushalt einzustellen. (Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schöner wäre es, wenn Sie gar nicht gekürzt hätten!) Mein Dank gilt allen Haushältern – Martin Gerster und Norbert Barthle möchte ich nennen –, die uns in der Forderung, diese Schulsportwettbewerbe zu retten, unterstützt haben. Natürlich geht mein Dank auch an die AG Sport beider Koalitionsfraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit, übrigens nicht nur in dieser Frage. Die Mittelaufstockungen im Haushalt sind daher ein Vertrauensvorschuss an den DOSB. Wir vertrauen dem organisierten Sport. Wir werden dem Sport weiterhin als wichtiger Partner mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es um Strukturveränderungen und die Reform der Leistungssportförderung geht. Wir zeigen unsere Stärke in nachhaltiger Sportpolitik, verstehen uns als aktive Partner des Sports und wünschen uns viele neue Talente für künftige Paralympische und Olympische Spiele – gerne übrigens auch hier in Deutschland. Gemeinsam sind wir der Förderung des Sports verbunden, und gemeinsam sind wir stark für den Sport. Auch wenn es um die Frage der Vergabe und die Gestaltung von internationalen sportlichen Großveranstaltungen geht, gibt es viel für uns zu tun. Ich wünsche mir, dass die Zeitungen, wie im Vorfeld von Sotschi und Rio, nicht nur davon geprägt sind, dass es soziale Missstände beim Stadienbau, Menschenrechtsverletzungen und ökologische Desaster in den Ausrichtungsländern gibt. Ich wünsche mir, dass die Zeitungen auch davon berichten, mit welcher Freude Menschen Sport betreiben, dabei zuschauen und, wie aktuell bei der WM, mitfiebern. Im Übrigen: Die Vergaberichtlinien für Sportgroßveranstaltungen bedürfen dringend einer Veränderung. Es kann nicht sein, dass alles nur unter dem Motto „Höher, schneller, weiter“ geht und nur noch Geld die Sportwelt regiert. (Beifall bei der SPD) Zum Schluss das heute Wichtigste. Ich wünsche – das gilt bestimmt für uns alle – unseren Jungs der Fußballnationalmannschaft für das Spiel gegen die USA den maximalen Erfolg und den Einzug ins Achtelfinale. Sie haben es verdient. Sie haben heute den Auftrag aus dem Deutschen Bundestag, als eine der wenigen übrig gebliebenen europäischen Mannschaften das WM-Turnier jetzt einfach einmal zu gewinnen. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Eine Anmerkung für die nachfolgenden Redner: Wenn die Lampe „Präsident“ aufleuchtet, zeigt das nicht an, dass ich noch da bin, sondern zeigt, dass die Redezeit abgelaufen ist. (Heiterkeit – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ach so!) Das Wort hat jetzt Dr. André Berghegger, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als – wenn ich richtig gezählt habe – elfter Redner in dieser Debatte wird es sich nicht vermeiden lassen, das eine oder andere Thema noch einmal anzusprechen. Aber das mache ich bewusst; denn ich glaube, die Themen sind es auf alle Fälle wert. Frei nach Goethes Faust könnte ich sagen: Zwei Herzen schlagen in meiner Brust; denn als Mitglied des Innenausschusses und des Haushaltsausschusses habe ich in den letzten Wochen und Monaten unterschiedliche Herangehensweisen an das eine oder andere Thema festgestellt. Aber aus voller Überzeugung werbe ich heute um die Zustimmung zu diesem Einzelplan. Ich denke nämlich, dass es eine sehr gute Lösung ist, die uns vorgelegt worden ist. Durch die Haushaltsplanberatungen haben sich noch einige Änderungen ergeben; wir haben bereits mehrfach davon gehört. Die Mittel wurden an verschiedenen Stellen aufgestockt, ohne aber unser übergeordnetes Ziel, nämlich einen ausgeglichenen Haushalt und nächstes Jahr einen Haushalt ohne neue Verschuldung, aus den Augen zu verlieren. Deswegen an dieser Stelle Dank an Bundesminister Schäuble für die gute Vorarbeit und den Regierungsentwurf, Dank an Sie, Herr de Maizière, für die Unterstützung aus Ihrem Haus und Dank an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushalts- und dem Innenausschuss für die vertrauensvollen und konstruktiven Beratungen. Der Etat des Bundesinnenministers wird insgesamt um rund 128 Millionen Euro aufgestockt. Das ist eine gute, eine maßvolle Anhebung, vor allen Dingen ist sie sehr seriös gegenfinanziert. Ich möchte mich auf zwei Bereiche beschränken, deren wiederholte Erwähnung es aus meiner Sicht wert ist. Der erste Bereich ist – ich hatte das Stephan Mayer schon gesagt – das THW. Hier stocken wir die Mittel um insgesamt 10 Millionen Euro zusätzlich auf. Wir alle wissen – ich wiederhole das gerne –: Das Geld ist sehr sinnvoll angelegt. Gut, dass es in diesen Beratungen möglich war, so zu handeln. Die vielen ehrenamtlichen Helfer leisten einen unschätzbar wertvollen Beitrag für uns und unsere Gesellschaft sowohl im In- als auch im Ausland; Kollege Brandl hatte es eben gesagt. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Naturgewalten sind es, die uns immer wieder vor große Herausforderungen stellen und natürlich auch Tragödien verursachen. Wir alle haben die Bilder der jüngeren Vergangenheit noch vor Augen – die Stichworte sind auch schon gefallen –: die Hochwasserkatastrophe aktuell auf dem Balkan und just vor einem Jahr die Hochwasserkatastrophe an der Elbe. Das THW, andere Hilfsorganisationen, die Bundeswehr und viele andere Helfer haben wieder einmal einen bewundernswerten Einsatz gezeigt, Menschen geholfen, Güter gerettet. All das könnten wir alleine nicht leisten. An dieser Stelle herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) In diesem Sinne ist das THW aus meiner Sicht von unschätzbarem Wert. Aber das THW hat auch einen Preis; dessen müssen wir uns bewusst sein. Ich glaube, aus voller Überzeugung versuchen wir alles, das THW leistungsfähig zu erhalten. Jeder kennt es aus seinem Wahlkreis: Wir wollen sehr gerne motivierte Helfer und vor allen Dingen eine gute Ausrüstung. Deswegen bin ich froh und glücklich, dass wir den Erwerb von Fahrzeugen und Materialien unterstützen und Verbesserungen bei der Aus- und Fortbildung in verschiedenen Bereichen bei den Ortsvereinen erzielen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der zweite Bereich, die IT-Sicherheit. Um insgesamt 18 Millionen Euro werden wir in Zukunft die Mittel für den Ausbau und den Betrieb der Netze des Bundes und weiterer zentraler IT-Infrastrukturen erhöhen. Herr Minister, Sie haben es in Ihrer Keynote Anfang der Woche bei einer Konferenz zum Datenschutz und vorhin auch noch einmal angesprochen: Unsere Gesellschaft ist nach und nach geprägt von einer digitalen Normalität, von einer digitalen Selbstverständlichkeit. Internet 4.0 und Internet der Dinge sind Begriffe, die noch nicht jeder kennt. Aber Tatsache ist auch: Unsere Wirtschaft – Produktion, Dienstleistung und Handel – ist fast vollständig auf IT-Strukturen aufgebaut. Auch die kritischen Infrastrukturen, wie zum Beispiel die Energienetze, sind durch IT-Systeme gesteuert. Das bringt natürlich beim Betrieb und bei der Betreuung ungemein große Vorteile, schafft jedoch gleichzeitig auch neue Risiken. Deswegen ist die Sicherheit der Infrastruktur ein hohes Gut und hat hohe Bedeutung. Wir müssen das Vertrauen der Menschen in diese Infrastruktur, auch in die Digitalisierung, erhöhen; denn das bringt am Ende sogar Wettbewerbsvorteile für unser Land. Ziel muss es sein, die IT-Infrastruktur, die IT-Sicherheit zu verbessern. Durch das Projekt „Netze des Bundes“ sollen langfristig gemeinsame Infrastrukturen für die Bundesverwaltung aufgebaut werden. Dabei spielen die Stichworte „moderne Sicherheitsarchitektur“ und „moderne Sicherheitsstruktur“ eine wichtige Rolle, um möglichen Gefahren und Risiken zu begegnen. Auch führende Fachleute warnen nämlich mehr und mehr vor einer ungebremsten Digitalisierung. Sie, Herr Minister, haben es verstanden, die Risiken im Blick zu behalten, die wir gerade beschrieben haben, ohne aber die großartigen Möglichkeiten der Digitalisierung zu vernachlässigen. Das finde ich sehr überzeugend. Insofern ist ein erhöhter Mitteleinsatz sehr wichtig. Durch diesen Beitrag wird die IT-Infrastruktur sicherer, wird Vertrauen geschaffen, und so werden die Chancen einer Digitalisierung in den Vordergrund gestellt. Das ist uneingeschränkt zu begrüßen. Wir unterstützen Sie dabei. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Da sich viele meiner Vorredner schon auf das kommende Ereignis bezogen haben, werde ich das auch tun. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nicht schon wieder!) Ich habe viel über Digitalisierung gesprochen. Ich möchte jetzt aber mit einer ganz einfachen analogen Fußballweisheit schließen: Das Runde muss in das Eckige, und das möglichst oft. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das richtige Eckige!) In diesem Sinne wünsche ich unserer Mannschaft gleich viel Erfolg. Vielen Dank für das freundliche Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Oswin Veith, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Oswin Veith (CDU/CSU): Ich bin jetzt wohl der Letzte hier heute. Schön, dass Sie noch da sind. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: So würde ich das nicht sagen!) Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute als Innenpolitiker für meine Fraktion im Zuge der Haushaltsberatungen sprechen zu können. Es ist das erste Mal, dass ich an der Verabschiedung eines Haushaltes auf Bundesebene teilnehmen darf. Die letzten fast 20 Berufsjahre habe ich am Hessischen Rechnungshof, als Bürgermeister und als Vizelandrat und Kämmerer meines Wahlkreises verbracht und weiß also, wie das ist: Es ist immer das Ringen zwischen Haushältern und Fachpolitikern, zwischen mehr Geld für den eigenen Politikbereich und strenger Haushaltsdisziplin. Diese Haushaltswoche aber markiert eine finanzpolitische Zäsur von, wie ich meine, geradezu historischer Dimension. Wir durchbrechen mit dem jetzt vorgelegten Haushalt den seit über 45 Jahren andauernden Schuldenkreislauf, an dem alle Bundesregierungen mehr oder weniger fröhlich beteiligt waren. Dieser Haushalt ist daher ein starkes Signal an die Menschen in unserem Land und vor allem an die junge Generation. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Natürlich ist der Entwurf ein Kompromiss zwischen unserem innenpolitischen Gestaltungsspielraum und der vom Grundgesetz abverlangten Haushaltsdisziplin. Aber er ist, wie ich finde, ein guter Kompromiss. Ich will den Haushältern der Großen Koalition, insbesondere den Kollegen Dr. Brandl und Dr. Berghegger, für die im Vorfeld der heutigen Lesung geleistete Arbeit sehr herzlich danken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland ist eines der sichersten Länder. Wir setzen heute die Rahmenbedingungen, die nötig sind, damit es morgen noch sicherer wird. Zwei Drittel der Ausgaben im Innenressort entfallen auf die innere Sicherheit, der Großteil davon auf die Arbeit unserer Bundespolizei. Das ist unser klares Bekenntnis zur hervorragenden Arbeit unserer Sicherheitsbehörden. Wir als Große Koalition stehen hinter den Beamtinnen und Beamten. Ihr Einsatz für die Bürger unseres Landes verdient Anerkennung und Wertschätzung. Dafür danke ich hier öffentlich sehr herzlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein Blick auf die Kriminalstatistik zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir haben es gehört: Die Zahl der Straftaten nimmt kontinuierlich ab, vor allem die Zahl der Straftaten gegen Leib und Leben und die Zahlen der Gewaltkriminalität. Dies zeigt, dass der Trend positiv ist. Das ist auch das Ergebnis von richtigen politischen Entscheidungen und entschlossenem Handeln unserer Sicherheitsbehörden. Ich sage hier auch: Ohne die Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der letzten Jahre und ohne die Arbeit unserer Bundesinnenminister Dr. de Maizière und Dr. Friedrich wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Auch ihnen gilt an dieser Stelle unser besonderer Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Zur inneren Sicherheit gehört auch der Brand- und Katastrophenschutz. Bereits in der Vergangenheit hat das Innenministerium die Feuerwehren in den Ländern bei dieser wichtigen Aufgabe deutlich unterstützt, und es wird dies auch in Zukunft tun. Hinzu kommt die Unterstützung des Technischen Hilfswerks. Ich freue mich, dass es gelungen ist – wir haben heute schon mehrfach davon gehört –, den Etat des THW um weitere 10 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro zu erhöhen. Das ist ein gutes Signal an die 80 000 freiwilligen THW-Helfer in unserem Land und zugleich, wie ich meine, ein gutes Signal für das gesamte Ehrenamt, das die Sicherheitsarchitektur in unsere Städten und Gemeinden maßgeblich mitträgt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Menschen, die sich legal in Deutschland aufhalten, hier arbeiten und ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten, bei der Integration besser unterstützen. Wir wollen es allen Interessenten ermöglichen, einen Integrationskurs zu besuchen, dort die deutsche Sprache zu erlernen, um sich mit den Lebensverhältnissen in Deutschland vertraut machen zu können. Dafür haben wir den Mittelansatz um 40 Millionen Euro erhöht. Wir stellen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzliche Stellen zur Verfügung und wollen damit die Zeit der Bearbeitung von Asylanträgen spürbar verkürzen. Hier durch mehr Personal zu einer beschleunigten Bearbeitung der Anträge zu kommen, ist für alle Beteiligten notwendig und auch sinnvoll. Eines gebe ich jedoch gern zu: Die Aufstockung von Personal allein kann nur ein Baustein sein, wenn es darum geht, der Antragsflut Herr zu werden. Ein anderer wichtiger Baustein ist die Anerkennung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten. Denn rund 25 Prozent der in Deutschland gestellten Asylanträge stammen von Bewerbern aus den genannten Ländern. Obwohl ihre Erfolgsaussichten sehr gering sind – sie liegen im Schnitt bei unter 1 Prozent –, werden sie im Rahmen der bestehenden Quotenregelung zur Unterbringung auf die Kommunen verteilt. Das verstärkt die großen Probleme unserer kommunalen Familie, geeignete Unterkünfte bereitzustellen. Das wollen wir ändern. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor; aber der Bundesrat muss mitziehen. Mein Appell geht daher an alle Landesregierungen, sich auch zum Wohle der Kommunen einzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Öffentliche Dienstleistungen haben in Deutschland eine hohe Qualität. Das ist nur möglich, weil wir einen leistungsfähigen und verlässlichen öffentlichen Dienst in unserem Land haben, auf den wir alle stolz sein können. Wir wollen diesen leistungsbereiten und leistungsstarken öffentlichen Dienst trotz des demografischen Wandels und trotz des sich verschärfenden Wettbewerbs mit der Wirtschaft weiter zukunftsfähig halten. Einen ersten Beitrag dazu leistet der Bund in diesem Jahr, indem er den Tarifabschluss für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eins zu eins umsetzen wird. Der Gesetzentwurf liegt vor, und das Gesetz wird in Kürze verabschiedet. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Wir haben es uns mit diesem Haushalt nicht leicht gemacht. Wir wollen den Pfad der Verschuldung schnellstens verlassen und haben keine Forderungen gestellt, die nicht seriös gegenfinanziert sind. Das, meine Damen, meine Herren, unterscheidet uns als Koalition von der Opposition, (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oh Mann!) und das ist auch unsere Verantwortung den Menschen in unserem Land gegenüber. Trotz der knappen finanziellen Mittel ist es uns gelungen, in der Innenpolitik auch diesmal klare politische Akzente zu setzen. Das ist der richtige Weg. Vielen Dank. – Uns allen ein spannendes Spiel! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Der Kollege Veith hat es schon erwähnt; er war der letzte Redner in dieser Debatte. Ich schließe damit die Aussprache. Ehe Sie alle jetzt zum Fußball gehen, haben wir noch einige Abstimmungen durchzuführen. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06 – Bundesministerium des Innern – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1856? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1857? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 06 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 27. Juni 2014, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche allen viel Spaß beim Fußballspiel nachher. – Danke schön. (Schluss: 17.17 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 26.06.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 26.06.2014 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2014 Beermann, Maik CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 26.06.2014 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2014 Da?delen, Sevim DIE LINKE 26.06.2014 Dr. De Ridder, Daniela SPD 26.06.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Felgentreu, Fritz SPD 26.06.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 26.06.2014 Gröhe, Hermann CDU/CSU 26.06.2014 Heinrich, Gabriela SPD 26.06.2014 Dr. Hendricks, Barbara SPD 26.06.2014 Hintze, Peter CDU/CSU 26.06.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 26.06.2014 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2014 Künast, Renate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2014 Kunert, Katrin DIE LINKE 26.06.2014 Leutert, Michael DIE LINKE 26.06.2014 Maag, Karin CDU/CSU 26.06.2014 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.06.2014 Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 26.06.2014 Dr. Sieling, Carsten SPD 26.06.2014 Dr. Sütterlin-Waack, Sabine CDU/CSU 26.06.2014 Thönnes, Franz SPD 26.06.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 26.06.2014 Zdebel, Hubertus DIE LINKE 26.06.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Katarina Barley (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/1847) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (42. Sitzung, Tagesordnungspunkt II.12) An der 4. namentlichen Abstimmung am 25. Juni 2014 zum Thema Bundeshaushalt BMWZ habe ich teilgenommen und mit „Nein“ gestimmt. Anlagen II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 3931 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 3934 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2014 3933