Plenarprotokoll 18/45 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 45. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 I n h a l t : Zusätzliche Ausschussüberweisung 4035 A Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 14. April 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen; weitere Fragen 4035 B Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 4035 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4036 C Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 4036 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4037 C Dr. Helge Braun, Staatsminister BK 4037 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4037 D Dr. Helge Braun, Staatsminister BK 4037 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4038 Dr. Helge Braun, Staatsminister BK 4038 Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/1920 4038 B Mündliche Frage 3 Andrej Hunko (DIE LINKE) Beteiligung von in Deutschland stationierten US-Streitkräften bei Einsätzen von unbemannten Flugzeugen Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4038 C Zusatzfrage Andrej Hunko (DIE LINKE) 4038 D Mündliche Frage 11 Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf den Geschäftsbereich des BMJV Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 4039 B Zusatzfragen Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4039 B Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4040 A Mündliche Frage 58 Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Information der Bürgerinnen und Bürger zum Dienstleistungsabkommen TiSA Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4041 C Zusatzfragen Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4041 D Mündliche Frage 59 Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufnahme einer sogenannten Ratchet-Klausel im Dienstleistungsabkommen TiSA Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4042 C Zusatzfragen Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4042 C Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4043 B Mündliche Frage 63 Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thematisierung der Finanzierung des Kohlehafens Wiggins Islands in Australien durch Mitglieder des KfW-Verwaltungsrats Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4044 A Zusatzfrage Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4044 A Mündliche Frage 64 Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorschläge zur Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4044 C Zusatzfragen Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4044 C Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4045 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu einem Antrag auf Genehmigung zum Vollzug eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses Drucksache 18/1990 4049 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte: Bedrohung der regionalen Stabilität durch das Vorgehen der ISIS-Truppen 4045 C Volker Kauder (CDU/CSU) 4045 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 4046 C Niels Annen (SPD) 4047 C Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4048 C Rüdiger Veit (SPD) 4049 D Philipp Mißfelder (CDU/CSU) 4051 A Alexander Radwan (CDU/CSU) 4052 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Beschaffungsprogramm von Drohnen für die Bundeswehr 4053 A Christine Buchholz (DIE LINKE) 4053 A Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 4054 B Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4055 C Rainer Arnold (SPD) 4056 C Henning Otte (CDU/CSU) 4058 A Andrej Hunko (DIE LINKE) 4059 A Wolfgang Hellmich (SPD) 4060 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4061 B Ingo Gädechens (CDU/CSU) 4062 B Gabi Weber (SPD) 4063 B Florian Hahn (CDU/CSU) 4064 C Gisela Manderla (CDU/CSU) 4065 C Tagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Frank Tempel und weiterer Abgeordneter: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksachen 18/1475, 18/1948 4066 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4066 D Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) 4067 D Frank Tempel (DIE LINKE) 4068 C Uli Grötsch (SPD) 4069 C Michael Frieser (CDU/CSU) 4070 D Nächste Sitzung 4071 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4073 A Anlage 2 Mündliche Frage 1 Katrin Kunert (DIE LINKE) Zivile Konfliktbearbeitung in der Republik Moldau Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4073 B Anlage 3 Mündliche Frage 2 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verbleib des deutsch-syrischen Doppelstaatlers M. H. Z. Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4074 B Anlage 4 Mündliche Frage 4 Inge Höger (DIE LINKE) Pläne bezüglich Hilfsleistungen an Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4074 B Anlage 5 Mündliche Frage 5 Inge Höger (DIE LINKE) Bereits erbrachte Hilfsleistungen an Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4074 C Anlage 6 Mündliche Frage 6 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Strafrechtliche Verfolgung bei medizinischer Nothilfe im Rahmen von Protesten in der Türkei Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4075 A Anlage 7 Mündliche Frage 7 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Entsendung deutscher Polizeivollzugsbeamter in die Ukraine Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 4075 B Anlage 8 Mündliche Frage 8 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beauftragung einer Studie zum Antisemitismus und Antizionismus Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 4075 C Anlage 9 Mündliche Frage 9 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf den Geschäftsbereich des BMI Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 4075 D Anlage 10 Mündliche Frage 12 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zahlung einer Vergütung aufgrund der Verwertung des Presseleistungsschutzrechtes durch Google an die VG Media Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 4076 A Anlage 11 Mündliche Frage 13 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überarbeitung der gesetzlichen Bestimmungen des Leistungsschutzrechtes für Presseverlage Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 4076 B Anlage 12 Mündliche Frage 14 Susanna Karawanskij (DIE LINKE) Auswirkungen des Lebensversicherungsreformgesetzes hinsichtlich des Sicherungsbedarfs sowie Höhe der Zinszusatzreserve Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4076 B Anlage 13 Mündliche Frage 15 Susanna Karawanskij (DIE LINKE) Etwaige Minderung des Anspruchs auf Beteiligung an den Bewertungsreserven im Zuge des Lebensversicherungsreformgesetzes Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4076 D Anlage 14 Mündliche Frage 16 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Hoteleinkäufen bei Reiseveranstaltern Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4077 A Anlage 15 Mündliche Frage 17 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Anstieg der Zahl der eigenständigen Prüfungen durch das Bundeszentralamt für Steuern Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4077 B Anlage 16 Mündliche Frage 18 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Anforderungen der Finanzämter hinsichtlich des Umgangs mit elektronischen Rechnungen Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4077 D Anlage 17 Mündliche Frage 19 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Vorschläge der Bundesregierung zur Digitalisierung und Archivierung von Belegen Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4078 A Anlage 18 Mündliche Frage 20 Richard Pitterle (DIE LINKE) Absprachen hinsichtlich der Vermeidung von Doppelbesteuerung im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4078 B Anlage 19 Mündliche Frage 21 Richard Pitterle (DIE LINKE) Erwartete Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer und dem Solidaritätszuschlag Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4078 D Anlage 20 Mündliche Frage 22 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf das BMF Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4079 A Anlage 21 Mündliche Frage 25 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anträge auf Förderleistungen aus dem Programm MobiPro-EU Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4079 A Anlage 22 Mündliche Frage 26 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Neue Förderrichtlinie im Rahmen des Programms MobiPro-EU Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4079 B Anlage 23 Mündliche Frage 27 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Renteneintritt vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter und Auswirkungen auf die Sozialkassen Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4079 C Anlage 24 Mündliche Frage 28 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Renteneintritt vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter und Auswirkungen auf das Rentenniveau Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4079 C Anlage 25 Mündliche Frage 29 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Arbeitsmarktchancen von Langzeiterwerbslosen Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4079 D Anlage 26 Mündliche Frage 30 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) Berufliche Weiterbildung von Langzeit-erwerbslosen Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4080 A Anlage 27 Mündliche Frage 31 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rückstandshöchstgehalte für Pestizide in den USA im Vergleich zur EU Antwort Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staatssekretärin BMEL 4080 C Anlage 28 Mündliche Fragen 32 und 33 Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterrichtung über die nuklearen Entwicklungen in den NATO-Nuklearwaffenstaaten Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg 4081 A Anlage 29 Mündliche Fragen 35 und 36 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Missbrauch von Patientendaten Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 4081 B Anlage 30 Mündliche Frage 37 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schutzniveau für Patientendaten Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 4082 A Anlage 31 Mündliche Frage 38 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf das Gesundheitswesen Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 4082 D Anlage 32 Mündliche Frage 42 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Drosselkörper des im Atomkraftwerk Grohnde eingesetzten Typs in weiteren deutschen Atomkraftwerken Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB 4082 D Anlage 33 Mündliche Frage 43 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beobachterbericht zum Stresstest für das Atomkraftwerk Cattenom Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB 4083 C Anlage 34 Mündliche Frage 46 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf den Geschäftsbereich des BMUB Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB 4083 D Anlage 35 Mündliche Fragen 47 und 48 Dr. André Hahn (DIE LINKE) Hochwasserschutz im Oberen Elbtal Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB 4084 A Anlage 36 Mündliche Frage 49 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf den Geschäftsbereich des BMBF Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF 4084 C Anlage 37 Mündliche Frage 50 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf den Geschäftsbereich des BMZ Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMZ 4084 D Anlage 38 Mündliche Frage 53 Andrej Hunko (DIE LINKE) Weitergabe von Rohdaten an die NSA durch den BND Antwort Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär BK 4085 B Anlage 39 Mündliche Frage 54 Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf den Geschäftsbereich der Staatsministerin für Kultur und Medien Antwort Monika Grütters, Staatsministerin BK 4086 A Anlage 40 Mündliche Frage 55 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterrichtung über die TTIP-Vertragsentwürfe Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4086 B Anlage 41 Mündliche Fragen 56 und 57 Klaus Ernst (DIE LINKE) Völkerrechtsvertragliche Kündigungsklausel im TTIP-Abkommen und Zugang zu den Vertragstexten Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4086 C Anlage 42 Mündliche Frage 60 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nichtbeteiligung der AKP-Staaten an den Verhandlungen zum Dienstleistungsabkommen TiSA Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4086 D Anlage 43 Mündliche Frage 61 Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Dienstleistungsabkommens TiSA auf den Geschäftsbereich des BMWi Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4087 A Anlage 44 Mündliche Frage 62 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen im Hinblick auf den Anwendungsbereich des TiSA-Abkommens Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4087 C Inhaltsverzeichnis 45. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Claudia Roth: Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Tag, liebe Gäste! Guten Tag, liebe Regierung! Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich eine amtliche Mitteilung machen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Unterrichtung der Bundesregierung zur Gegenäußerung der Bundesregierung auf Drucksache 18/1966 zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes an den federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zu überweisen. Des Weiteren soll der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie auf Drucksache 18/1558 dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr auf den Drucksachen 18/1309 und 18/1576 dem Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Mitberatung überwiesen werden. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? – Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 14. April 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Günter Krings. – Herr Krings, Sie haben das Wort. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass das Bundeskabinett heute den vom Bundesminister des Innern vorgelegten Gesetzentwurf zu dem Vertrag vom 14. April 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen beschlossen hat. Mit dem Vertrag wird der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, einer internationalen Dachorganisation von derzeit 229 nationalen Kirchen in 108 Staaten mit rund 80 Millionen Gläubigen weltweit, die Umsiedlung von ihrem bisherigen Sitz in Genf in der Schweiz nach Hannover und ihre künftige Arbeit in Deutschland erleichtert. Allein in Deutschland zählen zu den Mitgliedern dieser Weltgemeinschaft die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz in Leer, Ostfriesland, die Lippische Landeskirche mit Sitz in Detmold, die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen mit Sitz in der Grafschaft Bentheim sowie der Reformierte Bund mit Sitz in Hannover. Der Reformierte Bund wiederum vertritt eine Vielzahl von einzelnen unierten und reformierten Gemeinden, vor allem die unierten Landeskirchen der EKD in Deutschland. Zu den Aufgaben des internationalen Dachverbandes gehört unter anderem die Pflege des ökumenischen und interreligiösen Dialogs, die Erörterung theologischer Fragen sowie Missionsarbeit weltweit, bei der die wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung im Mittelpunkt stehen. Ich möchte noch anmerken, dass eine Vielzahl bzw. wohl die große Mehrheit der Mitgliedskirchen und der vertretenen Gläubigen eher auf der Südhalbkugel und weniger in Europa zu finden sind. Das Exekutivkomitee der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen hat bereits im November 2012 entschieden, seinen Sitz, den es lange in Genf hatte, nach Hannover zu verlegen. Die Evangelisch-reformierte Kirche und der Reformierte Bund in Deutschland haben sich um diesen Sitz beworben. Die niedersächsische Hauptstadt liegt in unmittelbarer Nähe zur Evangelisch-reformierten Kirche und zur Lippischen Landeskirche, beides Mitgliedskirchen der Weltgemeinschaft. Außerdem haben der Reformierte Bund, die Union Evangelischer Kirchen und die Evangelische Kirche in Deutschland, EKD, bereits seit längerem ihren Sitz in Hannover, sodass bereits heute von einem Zentrum des Protestantismus in Deutschland gesprochen werden kann. Bei dieser konkreten Umsiedlungsfrage zeigte die niedersächsische Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten David McAllister großen Einsatz. Die Bundesregierung begrüßt daher ausdrücklich die Ansiedlung der Weltgemeinschaft in Hannover. Die Entscheidung unterstreicht das positive Verhältnis von Staat und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, das auch international Anerkennung findet. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn auch andere kirchliche internationale Organisationen in nächster Zeit ihren Sitz nach Deutschland verlagerten. Wir würden sie genauso willkommen heißen, wenn sie diesem Beispiel folgen wollen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann verliert Frau Schavan ihren Job!) – Es müssen nicht gleich alle kommen, Herr Beck. Es können manche auch in anderen Städten bleiben. Aber wir freuen uns über alle, die kommen. Da es bisher noch keine allgemeine gesetzliche Regelung über die Ansiedlung von Nichtregierungsorganisationen in Deutschland gibt – ein Gaststaatgesetz ist noch nicht in Kraft –, war es erforderlich, mit der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen einen Vertrag zu schließen, der der Organisation, ihren ausländischen Amtsträgern, Beschäftigten und Gästen bestimmte Sonderrechte einräumt. Die niedersächsische Landesregierung hat im Vorfeld der Vertragsverhandlungen der Weltgemeinschaft als Religionsgemeinschaft auf ihren Antrag hin den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Artikel 140 unseres Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung verliehen. Besondere Privilegien, die normalerweise mit diesem Status verbunden sind, zum Beispiel Steuern von ihren Mitgliedern zu erheben, können von der Weltgemeinschaft als internationaler Dachorganisation praktisch nicht genutzt werden. Daher waren bestimmte Erleichterungen für die Niederlassung der Weltgemeinschaft und ihre ausländischen Beschäftigten und eingeladenen Gäste zwingend im Vertrag mit der Bundesrepublik zu regeln. Dazu gehören die kostenlose und zügige Erteilung von Visa für die ausländischen Beschäftigten und Gäste der Weltgemeinschaft, die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die ausländischen Beschäftigten und ihre unmittelbaren Angehörigen, der Zugang der unmittelbaren Angehörigen zum deutschen Arbeitsmarkt, die von Zöllen und Steuern freie Einfuhr von Möbeln und persönlicher Habe der Beschäftigten, die Erteilung von Sonderausweisen durch das Auswärtige Amt und der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Der Vertrag, der sich damit auf Gegenstände bezieht, deren Regelung dem Gesetzgeber vorbehalten ist, zum Beispiel beim Aufenthaltsgesetz und beim Fünften Buch Sozialgesetzbuch, bedarf für sein Inkrafttreten noch der Zustimmung des Deutschen Bundestages in Form eines Gesetzes, eines Vertragsgesetzes. Ich hoffe, dass alle Fraktionen des Bundestages diesen Vertrag nun wohlwollend prüfen und er zügig ratifiziert werden kann. Vielen Dank. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Dr. Krings. – Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. – Volker Beck hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man sieht an der regen Beteiligung des Plenums, dass es sich um kein strittiges Projekt der Bundesregierung handelt. Man muss sich manchmal fragen, ob die Befragung der Bundesregierung nicht eher für die kontroversen Themen in diesem Hause genutzt werden sollte, in dem Sinne, dass die Bundesregierung uns von ihrer Politik überzeugt, wenn wir das noch nicht sein sollten. Ich habe trotzdem zwei Fragen zu dem Vertragsgesetz. Im Vorfeld dieser Entscheidung hat der Staatsminister von Klaeden – er ist uns abhandengekommen und ist jetzt in der Wirtschaft tätig – Unterstützung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen für den Umzug von Genf nach Hannover zugesichert. Ich möchte wissen, welche Unterstützungsmaßnahmen, die jetzt nicht im Vertrag kodifiziert sind, die Bundesregierung mit der Weltgemeinschaft erörtert hat und was daraus geworden ist. Ein Satz in der Begründung des Vertragstextes hat mich etwas irritiert. Es wird davon gesprochen, dass der Vertrag keine Präzedenzwirkung für andere Nichtregierungsorganisationen entfaltet. Es gibt, wie Sie wissen, eine Diskussion über die Ansiedlung von internationalen Nichtregierungsorganisationen in der Bundesstadt Bonn. Das ist Ziel der Bundesregierung und des Bundestages. Ich verstehe nicht, warum man in einem möglichen Gesetz ausschließt, für internationale Organisationen ähnliche Regelungen anzubieten, damit die Bundesstadt Bonn neben Standort für internationale Organisationen der Vereinten Nationen auch Standort für Organisationen der Zivilgesellschaft sein kann. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Dr. Krings. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich beantworte die beiden Fragen gerne. – Wir alle würden uns freuen, wenn sich aufgrund der Tatsache, dass dort schon Einrichtungen vorhanden sind, in Bonn – nicht nur dort, aber gerade auch dort – weitere Nichtregierungsorganisationen ansiedeln würden – egal, ob kirchlich oder nicht kirchlich; beides ist willkommen. Unter dem Stichwort „Präzedenzwirkung“ haben wir deutlich darauf hingewiesen, dass die Schließung eines Vertrages in einer solchen Form zwischen der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen einerseits und der Bundesrepublik andererseits an die Voraussetzung geknüpft war, dass die Weltgemeinschaft vorher durch das Land Niedersachsen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen bekommen hat. Nur so konnte man einen Vertrag abschließen, der zwar kein völkerrechtlicher Vertrag ist, aber ein Vertrag sui generis, der Teilelemente enthält, die sonst in völkerrechtlichen Verträgen zu finden sind. Beispielsweise habe ich mich dafür eingesetzt – wir haben es auch so gemacht –, den Vertrag, anders als in solchen Fällen sonst üblich, als Geste gegenüber der Weltgemeinschaft in zwei Sprachen, Deutsch und Englisch, verbindlich vorzulegen; denn die Verhandlungspartner sprechen vorwiegend Englisch und sollen den Vertrag in dieser Sprache erhalten. Auch dafür gab es keinen Präzedenzfall. Insofern ist es ein besonderes Konstrukt, das aber an den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anknüpft. Dieser Körperschaftsstatus basiert auf der übergeleiteten Vorschrift aus der Weimarer Reichsverfassung; ihn bekommen eben nur Religionsgemeinschaften. Insoweit sprechen wir von einer fehlenden Präzedenzwirkung. Ich habe eben das Stichwort „Gaststaatgesetz“ genannt. Es ist natürlich denkbar, ein allgemeines Gesetz für Organisationen zu schaffen, also nicht die Form eines Vertragsgesetzes zu wählen. Da ist der Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen; es wäre – ohne da jetzt mehr sagen zu wollen – jedenfalls denkbar. Bei der anderen Frage ging es um Vergünstigungen und Privilegien. Die gewährten Vergünstigungen und Privilegien finden sich im Vertrag: die Möglichkeit einer einfachen Einreise und des Beitritts zu den gesetzlichen Krankenversicherungen. Das sind die wesentlichen Dinge, um die es ging. Es gab weiterhin die Frage, ob man den Bediensteten nicht auch eine umfassende Einkommensteuerfreiheit gewähren sollte. Das ist nicht üblich, und wir haben sie auch nicht eingeräumt. Insofern gibt es außerhalb der im Vertrag aufgeführten Vergünstigungen keine weiteren Bevorzugungen und Privilegien. In der Praxis gab es natürlich schon vorher Hilfen; bestimmte Dinge wie eine vereinfachte Einreise konnten bereits vor Inkrafttreten des Vertrages in Teilbereichen geregelt werden. Natürlich wird auf der Arbeitsebene versucht, alles, was unterhalb der Schwelle einer gesetzlichen Änderung möglich ist, auch möglich zu machen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Dr. Krings. Sie haben jetzt ein bisschen länger antworten können, weil Volker Beck länger gefragt hat. Das ist doch eine ganz pazifistische Waffengleichheit. Gibt es weitere Fragen zum Themenbereich, über den Dr. Krings berichtet hat? – Da sehe ich keine weiteren Fragen. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Gut, wiederum Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe keine Frage zur heutigen Kabinettssitzung, sondern zum Kabinett und zur Politik der Bundesregierung im Allgemeinen; auch das ist in der Geschäftsordnung vorgesehen. Dazu frage ich das Bundeskanzleramt. Ich möchte gerne wissen, an welchen Entscheidungen über Rüstungsexporte der ehemalige Bundesminister Niebel bezogen auf die Firma Rheinmetall beteiligt war. Falls Sie das heute nicht beantworten können, wäre ich – es unterliegt nicht mehr der Geheimhaltungsbedürftigkeit, weil es zwangsläufig die letzte Legislaturperiode betrifft – für eine schriftliche Nachunterrichtung dankbar. Vizepräsidentin Claudia Roth: Das Wort hat das Bundeskanzleramt. Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Sehr geehrter Herr Kollege, das Bundeskanzleramt war in Niebels Entscheidung nicht eingebunden. Sofern sich Bundesminister an die Bundesregierung in einer solchen Angelegenheit wenden, ist unsere Grundsatzhaltung immer klar: Wir erwarten sinnvollerweise, dass es nach der Wahrnehmung eines Bundesministeramtes zu einer Karenzzeit von mindestens einem Jahr kommt. Wenn sie eingehalten wird, dann ist es nicht die Aufgabe der Bundesregierung, solche Dinge entweder rechtlich oder moralisch zu bewerten. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ihre Rückfrage, Herr Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der Karenzzeit habe ich gar nicht gefragt. Ich fände es gut, wenn die Bundesregierung endlich eine entsprechende Regelung im Bundesministergesetz einfügen würde, damit wir ein Verfahren analog zu dem der Europäischen Union hätten. Aber das war gar nicht Gegenstand meiner Frage. Deshalb wiederhole ich meine Frage: An welchen und wie vielen Entscheidungen bezüglich Rheinmetall war der ehemalige Bundesminister Niebel, Mitglied des Bundessicherheitsrates, beteiligt? Diese Informationen unterliegen nicht mehr der Geheimhaltung, weil die Vorgänge der Vergangenheit angehören und erledigt sind. Darf ich Sie darüber informieren, dass das Bundeskanzleramt selbstverständlich durch die Bundeskanzlerin im Bundessicherheitsrat vertreten ist? Früher war es durch den Bundeskanzler im Bundessicherheitsrat vertreten. Vizepräsidentin Claudia Roth: Das Bundeskanzleramt, bitte. Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Das ist korrekt. – Die Frage in Bezug auf die Entscheidungen werde ich schriftlich beantworten. Aber wir müssen natürlich sehr genau prüfen, was wir öffentlich beantworten können. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie die Zahl der Entscheidungen!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön. – Nächste Fragestellerin ist Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Einen Teil meiner Frage hat der Kollege Beck schon vorweggenommen. Mir wäre neu gewesen, wenn das Bundeskanzleramt nicht mehr im Bundessicherheitsrat sitzen würde. Ich habe Sie jetzt aber so verstanden, dass das Bundeskanzleramt nach wie vor im Bundessicherheitsrat vertreten ist; vielleicht können Sie das noch einmal bestätigen. Meine andere Frage ist: Wann ist mit der Vorlage des schon sehr lange angekündigten Gesetzentwurfs über die Karenzzeit zu rechnen? Vizepräsidentin Claudia Roth: Wieder das Bundeskanzleramt. Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Das Protokoll wird es ausweisen: Ich habe hier nicht das Gerücht in die Welt gesetzt, das Kanzleramt sei nicht mehr im Bundessicherheitsrat vertreten. Eine weiter gehende Antwort erübrigt sich also. Zum Thema Karenzzeit kann ich Ihnen so viel sagen: Die Bundesregierung hat keinerlei Zeitplan oder Ähnliches beschlossen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung oder sonstige Fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Dem ist nicht so. Ich unterbreche die Sitzung bis zum Beginn der Fragestunde um 13.35 Uhr. (Unterbrechung von 13.17 bis 13.35 Uhr) Vizepräsidentin Claudia Roth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sitzung wieder. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/1920 Die Frage 65 des Kollegen Oliver Krischer wurde durch die Bundesregierung nachträglich dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zugeordnet und wird nach Frage 45 aufgerufen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung ist Frau Professor Dr. Maria Böhmer anwesend, die ich herzlich begrüße. Frage 1 der Abgeordneten Katrin Kunert wird schriftlich beantwortet. Frage 2 des Kollegen Omid Nouripour wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Jetzt kommen wir zur Frage 3 des Abgeordneten Andrej Hunko: Welche einzelnen „Fragen zu einer möglichen Beteiligung deutscher Standorte der US-Streitkräfte bei Einsätzen von unbemannten Flugzeugen“ hat die Bundesregierung an die US-Regierung gerichtet (Bundestagsdrucksache 18/1506; bitte angeben, welche deutsche Behörde das Ersuchen zu welchem Zeitpunkt übermittelte und welche es entgegennahm), und aus welchem Grund geht die Bundesregierung trotz der 13-monatigen Nichtbeantwortung ähnlicher Fragenkataloge des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz davon aus, dass tatsächlich Antworten eingehen, bzw. auf welche Weise wird sie entsprechenden, auch politischen Druck ausüben? Frau Dr. Böhmer. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Kollege Hunko, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Auswärtige Amt hat der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin im April 2014 Fragen zu einer möglichen Beteiligung des US Africa Command und dessen Luftstreitkräftekommando in Ramstein an Einsätzen unbemannter Luftfahrzeuge übermittelt. Am 11. Juni 2014 erinnerte das Auswärtige Amt Vertreter von AFRICOM an die Beantwortung der Fragen. AFRICOM stellte die Beantwortung innerhalb weniger Wochen in Aussicht. Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Böhmer. – Herr Hunko hat die Möglichkeit, nachzufragen. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Professor Böhmer. Ich will noch einmal erläutern, worum es geht. Es gibt die Debatte um die Beteiligung deutscher Standorte der US-Streitkräfte, zum Beispiel Ramstein, am US-Drohnenkrieg. Wir haben schon über einen längeren Zeitraum immer wieder Fragen dazu gestellt. Die Antworten, die wir bekommen haben, sind immer den Fragen ausgewichen. So wurde gesagt, von Ramstein aus würden keine Drohnen fliegen. Das hatte aber niemand gefragt, sondern die Frage ist: Inwiefern sind die Standorte Teil des US-Drohnenkrieges? Jetzt haben Sie geantwortet, Sie hätten die US-Seite konkret befragt. Offenbar gibt es noch keine Antwort; die soll in den nächsten Wochen kommen. Wir werden dann auch nachfragen. Aber vielleicht noch mal die Frage: Rechnen Sie mit einer konkreten Antwort innerhalb der nächsten Wochen? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ja. Andrej Hunko (DIE LINKE): Das ist ja schon einmal eine erfreulich klare Antwort. Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke. – Dann haben Sie jetzt die zweite Möglichkeit, nachzufragen, wenn Sie mögen. Andrej Hunko (DIE LINKE): Das reicht mir erst mal. Wir werden dann, wenn die Antwort da ist, noch einmal entsprechend nachfragen. – Vielen Dank. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, Frau Böhmer. Die Fragen 4 und 5 der Kollegin Inge Höger und die Frage 6 der Kollegin Sevim Da?delen werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Frage 7 der Kollegin Sevim Da?delen, die Frage 8 des Kollegen Volker Beck und die Frage 9 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz werden schriftlich beantwortet. Wir kommen dann zur Frage 10 der Abgeordneten Ulla Jelpke. – Sie ist nicht da. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Ich begrüße Christian Lange für die Bundesregierung. Wir kommen zur Frage 11 der Kollegin Renate Künast: Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz haben? Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich beantworte die Frage gerne wie folgt: Die Verhandlungen haben erst begonnen. Die Auswirkungen des sogenannten TiSA-Abkommens werden nach dem vorläufigen Stand der Verhandlungen im Bereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz voraussichtlich nicht über die bestehenden Verpflichtungen aus dem General Agreement on Trade in Services, GATS, hinausgehen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Künast. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hört sich ja gut an, Herr Staatssekretär; gleichwohl muss man sich dann fragen, wozu eigentlich verhandelt wird, wenn dabei am Ende keine Veränderung herauskommt. Es geht bei TiSA bekanntlich um Negativlisten. Die Frage, die ich stellen möchte, ist jetzt: Welche Kriterien muss zum Beispiel jemand im Dienstleistungsbereich erfüllen, um seine Aufnahme in einer Negativliste tatsächlich zu erreichen? Da muss ja irgendeine Regelung herbeigeführt werden. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Zunächst einmal kann ich nicht bestätigen, dass nichts herauskommt. Ich kann hier aber nur Ausführungen zu dem machen, was unser Haus betrifft, und ich sagte Ihnen bereits, dass unser Haus nach dem derzeitigen Stand davon nicht betroffen ist. Zu den Zielen gehört in der Tat auch, mehr Dienstleistungsfreiheit für professionelle Beratungsdienstleistungen, zum Beispiel für Anwälte, herzustellen. Für Deutschland hat aber schon das GATS – ich nannte es bereits: das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen – im Verhältnis zu den Partnerstaaten zu Freiheit im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr – etwa die Beratung auf dem Gebiet des jeweiligen nationalen Rechts – im Rahmen der bestehenden Zulassungsprüfungen geführt. TiSA wird nach heutigem Stand nicht darüber hinausgehen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Künast, wenn Sie mögen, haben Sie eine weitere Möglichkeit zu einer Nachfrage. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich habe noch eine Nachfrage, die sich auf die Wahrung von Grundrechten und die Daseinsvorsorge bezieht. Beschäftigt sich das Justizministerium auch aktiv mit der Frage, ob TiSA Auswirkungen auf Kosten, zum Beispiel der Bedarfssicherung, der Wasserversorgung usw., haben kann? Das alles sind ja Dienstleistungsbereiche. Ich gehe einmal davon aus, dass auch das Justiz- und Verbraucherministerium ein Interesse daran hat, dass es hier international nicht zu einem Mehr an Dienstleistungsfreiheit kommt und dabei für den Endverbraucher eine enorme Kostensteigerung entsteht. Wir haben in Deutschland erlebt, welche Auswirkungen das haben kann. Denken Sie nur einmal an die deutsche Einheit und an die Verträge, die in den neuen Bundesländern abgeschlossen wurden, an die Art der Liberalisierung und der Umsetzung; die Menschen haben sich später diesbezüglich die Haare gerauft. Das hatte durchaus auch soziale Auswirkungen. Ich gehe davon aus, dass sich das BMJV auch mit dieser Frage beschäftigt. Hier würde mich interessieren, was Sie aktiv in diese Verhandlungen einbringen. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Wir beteiligen uns in der Tat aktiv. Zunächst will ich dazu aber sagen, dass sowohl der öffentliche Dienst als auch die Justiz selbst nicht betroffen sind. Spezielle Vorschriften des Datenschutzes und des Verbraucherschutzes – Letzteres hatten Sie ja angesprochen – sind nicht im TiSA-Verhandlungspaket enthalten. Die Bundesregierung wird sich aber trotzdem gegen jegliche negativen Auswirkungen auf die Schutzbereiche der Bürgerinnen und Bürger aussprechen, und sie tut das bereits. Vizepräsidentin Claudia Roth: Zusatzfrage von Frau Dröge, Bündnis 90/Die Grünen. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Nachfrage zu stellen. – Ich habe Ihre Antwort auf die Frage von Frau Künast zu den Negativlisten nicht richtig verstanden. Deswegen würde ich hier gerne noch einmal nachfragen. Sowohl bei TTIP als auch bei CETA als auch bei TiSA debattieren wir jetzt darüber, ob bei der Liberalisierung von Dienstleistungen mit einer Negativliste – dann würde quasi alles, was nicht in dieser Negativliste enthalten ist, liberalisiert – oder, umgekehrt, mit einer Positivliste gearbeitet wird. In dieser würden alle Bereiche beschrieben, die liberalisiert werden sollen; für alle anderen Bereiche würden im Rahmen des Abkommens dann erst einmal keine Regelungen getroffen. Sie verstehen wahrscheinlich, was die unterschiedlichen Auswirkungen sind. Wenn zum Beispiel im Falle einer Negativliste bestimmte Bereiche nicht erfasst werden, fallen sie automatisch unter den Geltungsbereich von TiSA. Meine Frage ist: Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung hier? Sollte es im Rahmen von TiSA eine Negativliste geben, oder schließen Sie sich eher der Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen an, dass man, wenn man über so etwas redet, eine Positivliste erstellen sollte? Warum vertritt die Bundesregierung hier welche Auffassung? Vizepräsidentin Claudia Roth: Christian Lange, bitte. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Kollegin, haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich hier nur über die Dinge Auskunft geben kann, die in den Ressortbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz fallen. Die Antwort auf diese Frage obliegt nicht unserem Hause, und ich bitte Sie deshalb, sie an das zuständige Haus zu richten. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Lange. Die Fragen 12 und 13 der Kollegin Tabea Rößner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 14 und 15 der Kollegin Susanna Karawanskij, die Fragen 16 und 17 des Kollegen Dr. Axel Troost, die Fragen 18 und 19 der Kollegin Veronika Bellmann, die Fragen 20 und 21 des Kollegen Richard Pitterle und die Frage 22 der Kollegin Britta Haßelmann werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 23 und 24 des Kollegen Johannes Selle werden nicht beantwortet, weil der Fragesteller nicht hier ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 25 und 26 der Kollegin Brigitte Pothmer, die Fragen 27 und 28 des Kollegen Markus Kurth und die Fragen 29 und 30 der Kollegin Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Frage 31 der Kollegin Bärbel Höhn wird schriftlich beantwortet. Nun sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 32 und 33 der Kollegin Agnieszka Brugger werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Frau Ferner steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Abgeordnete Dr. Franziska Brantner, die die Frage 34 gestellt hat, ist aber nicht anwesend. Das heißt, es wird keine Antwort von Frau Ferner geben. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Fragen 35 und 36 der Kollegin Maria Klein-Schmeink werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 37 und 38 des Kollegen Dr. Harald Terpe werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 39 der Kollegin Kordula Schulz-Asche. Auch diese Kollegin ist nicht da. Das heißt, auch diese Frage wird nicht beantwortet. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Das finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen komisch; denn die Regierung bereitet sich auf die Beantwortung der Fragen vor. Ich finde, dass die Fragesteller und Fragestellerinnen anwesend sein sollten oder rechtzeitig Bescheid sagen sollten, dass ihre Frage schriftlich zu beantworten ist. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Frau Dorothee Bär freut sich schon auf die Beantwortung der Fragen. Sie wird aber nicht antworten können, weil auch die Kollegin Steffi Lemke, die Frage 40 gestellt hat, nicht da ist und auch nicht um eine schriftliche Beantwortung gebeten hat. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Genauso ist es mit der Frage 41 des Kollegen Matthias Gastel: Auch er ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. – Frau Bär, Sie müssen also keine Fragen beantworten. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Florian Pronold steht zur Beantwortung zur Verfügung. Herzlich willkommen! Die Fragen 42 und 43 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl sind schriftlich zu beantworten. Bei der Frage 44 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden gilt das Gleiche wie vorhin: Sie ist nicht da. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. – Das tut mir wirklich leid. Dafür möchte ich mich bei Ihnen, Herr Pronold, entschuldigen. Sie brauchen die Frage also nicht zu beantworten. Wir kommen zur Frage 45 des Abgeordneten Oliver Krischer. Genau das Gleiche: Er ist nicht da. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. – Das geht wirklich nicht. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oliver Krischer muss den EEG-Änderungsentwurf der Koalition lesen! Er ist der Einzige, der wirklich entschuldigt ist!) – Dann kann man das aber rechtzeitig mitteilen. Wir kommen zur Frage 65 des Abgeordneten Oliver Krischer. Genau das Gleiche: Er ist nicht da, warum auch immer. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. – Herr Pronold, Sie brauchen keine Antwort zu geben. Die Frage 46 der Kollegin Britta Haßelmann sowie die Fragen 47 und 48 des Kollegen Dr. André Hahn werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Frage 49 des Kollegen Kai Gehring wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Frage 50 des Kollegen Uwe Kekeritz wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Klaus-Dieter Fritsche steht zur Beantwortung zur Verfügung. Aber Hans-Christian Ströbele, der die Fragen 51 und 52 gestellt hat, ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 53 des Kollegen Andrej Hunko wird schriftlich beantwortet. Auch bei der Frage 54 der Kollegin Ulle Schauws ist schriftliche Beantwortung beantragt worden. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Kollegin Gleicke steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Frage 55 der Kollegin Bärbel Höhn wird schriftlich beantwortet. Auch die Fragen 56 und 57 des Kollegen Klaus Ernst werden schriftlich beantwortet. Frau Gleicke darf tatsächlich noch antworten; denn die nächste Fragestellerin ist anwesend. (Florian Pronold, Parl. Staatssekretär: Müssen wir als Bundesregierung applaudieren, da die Fragestellerin da ist?) Ich rufe die Frage 58 der Kollegin Katharina Dröge auf: Hält die Bundesregierung eine öffentliche Debatte über das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA für notwendig, und wenn ja, was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Bundesbürgerinnen und -bürger über die Chancen, Risiken und Auswirkungen dieses Abkommens zu informieren? Bitte, Iris Gleicke. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Liebe Frau Kollegin Dröge, die Antwort auf Ihre Frage lautet wie folgt: Über das geplante plurilaterale Dienstleistungsabkommen TiSA wird eine öffentliche Debatte geführt, die von der Bundesregierung begrüßt wird. Die Bundesregierung hat über Ziele und Inhalte der Verhandlungen den Bundestag, den Bundesrat, die Länder und Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen sowie Wirtschaftsverbände in mehreren Informationsveranstaltungen informiert und wird dies auch weiterhin tun. Darüber hinaus veranstaltet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Workshops mit Vertretern aus Wissenschaft und Gesellschaft, um die drängendsten Fragen zu TiSA zu diskutieren. Zuletzt gab es dazu im April 2013 eine Veranstaltung. Zudem stellt die Bundesregierung ausführliche Informationen auf der Homepage des BMWi bereit. Auch die EU-Kommission bemüht sich um Transparenz und die Berücksichtigung der Interessen der Öffentlichkeit. So fand im September 2013 eine groß angelegte öffentliche Konsultation statt. Auch das ist im Internet nachzulesen. Die Adressen gebe ich Ihnen gerne weiter. Eine Diskussion im Rahmen der Erstellung eines Trade Sustainability Impact Assessment hat im Mai 2014 stattgefunden. Ausführliche Informationen stellt die EU-Kommission auch auf ihrer Homepage bereit. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. – Eine Zusatzfrage. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführliche Antwort. Ich habe aber noch Nachfragen. Zum einen ist die Frage: Wenn das alles so transparent ist, warum können wir dann nicht zum Beispiel das Mandat für die TiSA-Verhandlungen der Kommission öffentlich miteinander diskutieren? Es wäre, glaube ich, für die Bevölkerung sehr wichtig, das zu wissen. Das Gleiche haben wir bei TTIP und CETA auch schon diskutiert. Das Zweite ist: Wenn man die Medienberichterstattung der letzten Woche verfolgt, dann sieht man, dass zumindest die amerikanische Seite die Position vertritt, dass nach Abschluss der TiSA-Verhandlungen die Verhandlungsdokumente bis zu fünf Jahre Verschlusssache und damit geheim bleiben sollen. Wie ist das zum einen mit unseren demokratischen Rechten im Parlament vereinbar, aber zum anderen auch mit dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an den Inhalten dieser Verhandlungen? Wie sieht die Bundesregierung das? Das Dritte ist: Sie haben zum Beispiel zu TTIP beim BMWi einen Beirat eingerichtet, um die Bevölkerung im Detail einzubinden. Haben Sie so etwas auch zu TiSA vor? Vizepräsidentin Claudia Roth: Bitte, Frau Gleicke. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich will noch einmal darstellen, dass wir eine andere Situation haben als bei TTIP, weil die konsolidierten Texte an uns übersandt werden. Das ist bei TTIP anders. Das ist, wie Sie wissen, ein großes Ärgernis. Wir drängen darauf, auch dazu die konsolidierten Verhandlungstexte zu bekommen. Zu TiSA haben wir diese Texte, und sie sind auch bei EuDoX im Deutschen Bundestag eingestellt. Insofern kommen Sie an diese Dokumente heran. Es gibt tatsächlich einen Unterschied, was die Transparenz angeht. Wir führen – ich habe es schon dargestellt – in regelmäßigen Abständen einiges an Workshops und Veranstaltungen durch, damit wir uns auch mit den NGOs, den Ländern, den Gewerkschaften und anderen über TiSA und die damit verbundenen Probleme auseinandersetzen können. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank. – Zusatzfrage von Katharina Dröge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch einmal zur Klarheit: Die Dokumente sollen nach Vertragsabschluss fünf Jahre unter Verschluss bleiben. In den Medien wurde vor zwei Wochen berichtet, dass die amerikanische Seite möchte: Nachdem TiSA abgeschlossen ist, sollen die Dokumente fünf Jahre unter Verschluss bleiben. Würde die Bundesregierung einem solchen Verfahren zustimmen, ja oder nein? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich sage es noch einmal: Die konsolidierten Texte liegen uns vor, und wir haben sie auch an den Bundestag übersandt. Ich weiß nicht, was dabei unter Verschluss ist. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Öffentlich! Nicht nur im Bundestag, sondern öffentlich!) – Da muss ich jetzt passen. Wenn Sie an die Bereitstellung der Texte für die Öffentlichkeit denken, muss ich nachfragen. Ich bitte um Verständnis. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank. – Dann kommen wir zur Frage 59 der Kollegin Katharina Dröge: Hielte die Bundesregierung es für hinnehmbar, wenn das Dienstleistungsabkommen TiSA eine sogenannte Ratchet-Klausel enthalten würde, die die Rekommunalisierung einmal privatisierter Dienste rechtlich ausschließen könnte, und wie wäre eine solche Klausel aus Sicht der Bundesregierung zu bewerten? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ratchet-Klauseln sollen nach Auffassung der Bundesregierung im TiSA-Abkommen nicht vorgesehen werden, wenn dadurch künftige Rekommunalisierungen von Dienstleistungen erschwert oder verhindert würden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Dröge, bitte. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Würde die Bundesregierung denn grundsätzlich der Aufnahme einer Ratchet-Klausel in TiSA zustimmen und, wenn ja, warum? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: TiSA ist das Folgeabkommen des GATS-Abkommens von 1995, und es betrifft eigentlich die Doha-Runde mit 160 Staaten. Nun haben sich 22 Mitglieder, darunter die EU und Deutschland, zusammengefunden, diese Verhandlungen zu führen. Insofern findet das auf einer etwas niedrigeren Ebene statt. Bei der Ratchet-Klausel geht es darum, dass man bestimmte Sachverhalte, die erreicht worden sind, nicht mehr rückgängig machen kann. Das heißt, wenn man bestimmte Bereiche, auf die sich das Abkommen bezieht, zusätzlich aufnimmt, dann kann man dies nicht mehr rückgängig machen. Das scheint mir durchaus sinnvoll zu sein. Wir werden aber ganz genau darauf achten, welche Zugeständnisse wir gerade im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge machen, der eigentlich bei TiSA für Deutschland und die EU schon im Mandat ausgeschlossen ist. Deshalb muss man genau prüfen, auf welche der einzelnen Bereiche bei TiSA sich eine solche Klausel beziehen würde. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Dröge, eine Zusatzfrage? Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Zusatzfrage hätte ich noch. – Frau Gleicke, Sie haben gerade gesagt, dass TiSA entstanden ist, weil es im Rahmen der Doha-Verhandlungen keine Fortschritte gibt. Nun ist TiSA ein Klub der Happy Few. Mit einem Anteil von 75 Prozent gilt das zwar nicht für den Bereich des Welthandels. Aber sehr viele Länder auf der Welt, insbesondere die armen Länder in Afrika, sind bei den TiSA-Verhandlungen nicht dabei. Wenn man sich anschaut, wie im Rahmen von GATS verhandelt wurde, dann stellt man fest, dass es immer ein Geben und Nehmen gab. Die Entwicklungsländer sollten im Bereich der Liberalisierung von Dienstleistungen Zugeständnisse machen. Dafür sollte es Zugeständnisse zugunsten der Entwicklungsländer im Bereich des Agrarsektors geben. Nun stellt sich die Frage: Warum will man nun ein plurilaterales Abkommen wie TiSA schließen, bei dem die Entwicklungsländer gar nicht dabei sind? So lassen sich keine Fortschritte bei den Zugeständnissen erzielen. Die Länder, die zusammen einen Anteil von 75 Prozent am Welthandel haben, verhandeln gemeinsam über ein wirkungsmächtiges Abkommen, das den anderen Staaten nur die Möglichkeit lässt, beizutreten oder nicht beizutreten. Ist das nicht das Gegenteil von dem, was im Zusammenhang mit GATS gedacht war, und schließt das nicht gerade die Entwicklungsländer aus, für die wir als Industrienation insbesondere im Welthandel verantwortlich sind? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Wir wollen niemanden ausschließen. Während der Verhandlungen gibt es im Übrigen nach wie vor Gespräche und auch Signale – ich bitte um Verständnis, dass ich darüber nicht genauer berichten darf –, dass weitere Länder den Verhandlungen beitreten. Wir befinden uns in einem relativ frühen Stadium. Insofern wird natürlich darauf geachtet, dass weitere Länder hinzukommen, gerade Schwellenländer und arme Länder, die durchaus Vorteile durch solche Abkommen haben. Ich will darauf hinweisen, dass wir auch andere Abkommen mit den betreffenden Ländern schließen, um auf bilateraler Ebene Handelshemmnisse abzubauen und Möglichkeiten zu eröffnen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Katharina Dröge. – Eine Zusatzfrage von Renate Künast. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da angesprochen wurde, wer an den Verhandlungen teilnimmt und wer nicht, kann ich zu Ihren letzten Sätzen nur sagen: ein Schelm, wer Böses dabei denkt. – Was halten Sie von der Einschätzung, dass Verhandlungen wie die über TiSA nur das Ziel haben, die Doha-Runde, die zwar Ende 2001 einen Verhandlungsrahmen abgesteckt hat, aber bisher zu keinem Erfolg geführt und nichts Wesentliches beschlossen hat, durch die Vielzahl exklusiver Verhandlungen, an denen bestimmte Entwicklungsländer gar nicht beteiligt sind, zu umgehen? Warum komme ich darauf? Weil in der WTO-Runde die nördlichen Länder bzw. die großen Industriestaaten ein sehr großes Interesse daran hatten, ihre eigenen Agrarbereiche nicht zu sehr durch Importe aus Schwellen- und Entwicklungsländern zu belasten und einem schärferen Wettbewerb auszusetzen. Umgekehrt wollten die Industrieländer die große Freiheit zum Export von Dienstleistungen rund um den Globus für sich erreichen. Daher haben sich diese Länder zusammengetan und das Ganze gesperrt. Was halten Sie von der These, dass man das durch all diese Verhandlungen umgeht und Fakten zum Beispiel im Dienstleistungsbereich schafft und dass es dann, wenn andere Staaten mitmachen wollen, heißt: „Vogel, friss oder stirb; tretet dem bei!“? Damit hätte man diese Staaten ausgetrickst, wenn es um die Schaffung eines gerechten Welthandels geht. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Gleicke, bitte. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich will sehr deutlich sagen, dass es nicht Ziel und Inhalt der TiSA-Verhandlungen ist, die öffentliche Daseinsvorsorge sozusagen zu privatisieren. Mir geht es einfach darum, deutlich zu machen, dass es keinen Ausschluss gibt. Alle Staaten können sich an den Verhandlungen beteiligen. Es gibt weitere Fragen zu diesem Thema. Wir sind sehr daran interessiert, dass gerade Schwellenländer und arme Länder diesen Verhandlungen beitreten, weil sie zum Beispiel von Marktöffnungen profitieren würden. Dass es sich dabei immer um ein Geben und Nehmen handeln muss, ist richtig. Gleichwohl verfahren wir hier genauso wie bei den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die wir beispielsweise mit den AKP-Staaten schließen. Insofern trifft uns Ihr Vorwurf nicht. Wir sehen das Risiko. Gleichwohl versuchen wir, andere Staaten an den Verhandlungen zu beteiligen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Es ist nur eine Zusatzfrage möglich, Frau Künast. – Deshalb kommen wir nun zu den nächsten Fragen. Die Frage 60 des Abgeordneten Uwe Kekeritz, die Frage 61 des Abgeordneten Dieter Janecek und die Frage 62 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zur Frage 63. Ich frage die Fragestellerin, die leibhaftig hier ist, aber angemeldet hat, sie wolle die Frage schriftlich beantwortet haben: Möchten Sie die Frage schriftlich oder mündlich beantwortet haben? Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mündlich. Vizepräsidentin Claudia Roth: Mündlich. Ich rufe die Frage 63 der Abgeordneten Steffi Lemke auf: Mit welchem Ziel haben der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, oder der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, in ihrer Rolle als – stellvertretende – Vorsitzende des KfW-Verwaltungsrates die Finanzierung des Kohlehafens Wiggins Islands in Australien durch die KfW-Tochter IPEX im Rahmen ihrer Verwaltungsratstätigkeit thematisiert, bzw. ist beabsichtigt, dies in einer der nächsten Sitzungen zu tun – bitte begründen? Iris Gleicke, bitte. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Liebe Kollegin Lemke, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Bei der Finanzierung des Kohlehafens Wiggins Islands in Australien handelt es sich um ein Marktgeschäft der KfW-Tochter IPEX aus dem Jahr 2011. Diese Marktgeschäfte führt die IPEX in eigenem Namen und für eigene Rechnung durch. Die Gremien der KfW-Mutter sind daher für den Vorgang nicht zuständig. Vor diesem Hintergrund bestand zu keiner Zeit Anlass seitens der KfW, den Verwaltungsrat über dieses Geschäft zu informieren. Eine Thematisierung im Verwaltungsrat hat daher nicht stattgefunden. Die Bundesregierung sieht keinen Grund dafür, den Verwaltungsrat mit einem Vorgang, der ohnehin nicht in seine Zuständigkeit fällt, drei Jahre nach Abschluss der Finanzierungsverträge zu beschäftigen. Sollte der Vorgang etwa im Rahmen der heute Nachmittag stattfindenden Verwaltungsratssitzung angesprochen werden, so wird die KfW selbstverständlich zu dem Vorgang Auskunft geben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Iris Gleicke. – Frau Lemke. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Nun ist die öffentliche Diskussion über den Bau und die Finanzierung von Kohlehäfen rund um das Great Barrier Reef in den letzten Monaten eine andere geworden, zum einen durch die Einschätzung der UNESCO, zum anderen durch den Rückzug verschiedener Banken aus solchen Finanzierungsgeschäften. Ich habe Ihre Antwort und den Hinweis auf die formalen Zuständigkeiten sehr wohl verstanden. Aber es gibt auch eine politische und eine gesellschaftspolitische Verantwortung der Bundesregierung. Sehen Sie denn anderweitige Möglichkeiten, auf dieses Projekt und auf potenziell weitere Projekte – sprich: Finanzierung generell von Kohlehäfen in umweltsensiblen Gebieten – Einfluss zu nehmen? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Sie wissen, dass es darum geht, dazu eine Position auch der Bundesregierung zu finden und auch Einfluss zu nehmen. Wir haben zugesagt, dass wir dem Parlament im Herbst dazu den Bericht geben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Lemke, eine zweite Frage? Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, das ist mir für den Moment genug. Danke. Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön. – Ich rufe die Frage 64 der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden auf: Wann wird die Bundesregierung Vorschläge zur Änderung der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben – UVP-V Bergbau – vorlegen, und sind weitere Änderungen am Bergrecht geplant? Frau Gleicke, bitte. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Schönen Dank. – Liebe Frau Kollegin Verlinden, ich antworte wie folgt: Konkrete Regelungen für Änderungen der UVP-V Bergbau werden derzeit zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit beraten und sollen zeitnah finalisiert werden. Daran schließt sich die Beteiligung der Länder und Verbände an. Nach der Sommerpause wird die Bundesregierung voraussichtlich den entsprechenden Verordnungsentwurf beschließen. Als weitere bergrechtliche Änderung ist geplant, das Bergschadensrecht einschließlich der Bergschadensvermutung auf Tiefbohrungen und Untergrundspeicher zu erstrecken sowie strengere bergrechtliche Anforderungen an die Fracking-Technologie festzulegen und den Umgang mit Flowback und Lagerstättenwasser nach dem Stand der Technik festzulegen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Verlinden. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen herzlichen Dank, Frau Gleicke. – Ich würde gerne nachhaken. Sie sagen, es sollten in Zukunft strengere bergrechtliche Anforderungen an die Fracking-Technologie selbst eingeführt werden. Können Sie dazu etwas konkreter werden? Es gibt Diskussionen darüber, ob man zum Beispiel das Fracking bei Schiefergas ausschließen oder verbieten soll. Wie lauten dazu Ihre konkreten Vorschläge, und vor allen Dingen für welche speziellen Lagerstätten würde das gelten? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Wir sind jetzt noch nicht so weit, dass wir die Auswirkungen lagerstättenscharf darstellen können. Wir sind im Moment in der Ressortabstimmung. Ich verstehe Ihren Fragewunsch, aber verstehen Sie bitte, dass wir während laufender Verhandlungen zwischen den Ressorts keine Einzelheiten veröffentlichen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Haben Sie einen weiteren Fragewunsch? Sie haben noch eine Frage frei. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Anfang Mai – das liegt schon eine Weile zurück – gab es einen Beschluss der Umweltministerkonferenz. Ich weiß, dass das nicht Ihr Haus betrifft, aber vielleicht gibt es eine Positionierung von Herrn Gabriel zu diesem Beschluss, der damals einvernehmlich mit allen 16 Landesumweltministern und Frau Hendricks getroffen wurde, bei dem es genau darum ging, im Schiefergas Fracking auszuschließen. Dürfte ich vielleicht noch eine zweite Frage damit verknüpfen, weil es die Zeit noch erlaubt? Vizepräsidentin Claudia Roth: Mit Zustimmung der Frau Staatssekretärin, bitte. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn es bei dieser Technologie darum geht, einzelne Chemikalien auszuschließen: Wie konkret haben Sie sich das vorgestellt? In welchen Gebieten würden von Ihnen vielleicht unterschiedliche Anforderungen vorgesehen? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Verlinden, das kann ich aus besagten Gründen im Detail so jetzt nicht beantworten. Ich lasse Ihnen gerne vom Ministerium schriftliche Informationen zur Verfügung stellen. Ob es eine Positionierung, so sage ich jetzt einmal, des Bundesministers selbst gegeben hat, das weiß ich jetzt nicht; es entzieht sich meiner Kenntnis. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dr. Verlinden. – Jetzt hat Katharina Dröge das Wort. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erst einmal vielen Dank, dass auch ich eine Zusatzfrage stellen darf. – Ich habe noch eine Frage zum Zeitplan. Ich habe einer Meldung von Focus Online vom 29. Juni 2014 entnommen, dass Herr Gabriel angekündigt hat, er werde Eckpunkte zum Thema Fracking noch vor der Sommerpause ins Kabinett einbringen. Bald ist ja Sommerpause; deswegen meine Frage an Sie: Wann genau können wir mit diesen Eckpunkten rechnen? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich habe gerade gesagt: Wir sind derzeit dabei, diese Eckpunkte mit den betroffenen Ressorts abzustimmen. Daran schließt sich im Prinzip die Beteiligung der Länder und der Verbände an. Wir gehen daher davon aus, dass wir den entsprechenden Beschluss nach der Sommerpause im Kabinett fassen können. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank. – Frage 65 des Abgeordneten Oliver Krischer rufe ich nicht auf, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen jetzt zum Ende der Fragestunde, deutlich früher als eingeplant. Ich möchte die Parlamentarischen Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen herzlich bitten, in ihren Fraktionen deutlich zu machen: Wenn Regierungsvertreter und -vertreterinnen in die Fragestunde kommen, um Fragen, die gestellt wurden, zu beantworten, dann ist es kein angemessener Umgang, wenn die Fragesteller nicht anwesend sind, sofern nicht um eine schriftliche Antwort gebeten wurde. Außerdem verkommt damit ein Stück weit das wunderbare parlamentarische Mittel der Fragestunde. Ich bitte Sie daher herzlich, in Ihren Fraktionen noch einmal deutlich darauf hinzuweisen, dass derjenige, der eine Frage stellt, in der Fragestunde auch im Saal sein sollte, und zwar just in time. Herzlichen Dank! Ich hoffe, Sie sind einverstanden, dass wir die Sitzung jetzt bis 15.35 Uhr unterbrechen; es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Nach der Unterbrechung wird Zusatzpunkt 1 der heutigen Tagesordnung aufgerufen: Vereinbarte Debatte zur „Bedrohung der regionalen Stabilität durch das Vorgehen der ISIS-Truppen“. Vielen Dank, liebe Kollegen und Kolleginnen, und vielen Dank, liebe Vertreter und Vertreterinnen der Regierung. Die Sitzung ist unterbrochen. (Unterbrechung von 14.07 bis 15.35 Uhr) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Vereinbarte Debatte Bedrohung der regionalen Stabilität durch das Vorgehen der ISIS-Truppen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster Redner Volker Kauder. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Volker Kauder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit Wochen erreichen uns dramatische Berichte aus dem Irak. Zunächst einmal haben wir alle gedacht, es handele sich um eine vorübergehende, vielleicht auch regionale oder lokale Entwicklung. Aber sehr schnell wurde deutlich, dass es hier um mehr geht. Zunächst haben wir auch gedacht, es beschränke sich darauf, dass unzufriedene Stammesfürsten und Stämme im Irak die Regierung unter Druck setzen oder sie gar nötigen wollen, die politische Zusammenarbeit zu verändern. Dann wurde jedoch immer deutlicher, dass es um wesentlich mehr geht, dass eine Gruppe von Leuten, die wir in ihrer Stärke gar nicht genau ausmachen können, zu einer bedrohlichen Destabilisierung im Irak und zu einer bedrohlichen Destabilisierung in der ganzen Region bewusst beiträgt. Nachdem zunächst einmal Ausgangspunkt war, dass die Regierung in Bagdad starke Stämme, die der sunnitischen Richtung des Islam angehören, bei der Ausübung von Regierungsgewalt nicht berücksichtigt und dass sie sich über diejenigen hinweggesetzt hat, die in Regionen im Irak Bedeutung haben, hat sich schnell herausgestellt, dass es darum geht, ganz neue Machtstrukturen zu schaffen, übrigens nicht nur Machtstrukturen zu schaffen, sondern mit diesen Machtstrukturen auch religiösen Einfluss auszuüben. Dies führt zu einer erheblichen Unruhe in der Region Irak/Syrien/Türkei. Wenn da auf einmal ein Kalifat ausgerufen wird, wie wir hören, trägt dies zu einer erheblichen Unruhe in der gesamten islamischen Welt bei. Es gab gleich Widerspruch von denjenigen im Islam, die sich von irgendeinem Kalifen in einer Region des Irak überhaupt nicht bevormunden lassen wollen. Daran sieht man, welch dramatische Entwicklung sich dort abspielt. Die Frage wird sein: Können wir mit politischen Möglichkeiten eingreifen? Kann es zu einem politischen Dialog kommen? Wenn man sieht, mit welcher Brutalität diese Gruppe vorgeht, hat man erhebliche Zweifel und muss sich fragen, ob nicht noch andere Möglichkeiten, Stoppschilder aufzustellen, erforderlich sind. Wenn man hört, was sich in den betroffenen Regionen im Irak abspielt, hat man zunächst die Hoffnung, es könnte vielleicht doch anders gewesen sein. Aber die Bilder, die uns jetzt erreichen, zeigen, dass dort Menschen abgeschlachtet werden, dass Kinder hingerichtet werden und dass in den Regionen, in denen diese islamistische Gruppe Macht und Einfluss gewonnen hat, die Menschen gezwungen werden, nach den Regeln der Scharia zu leben. Christinnen werden unter Drohungen aufgefordert, sich ebenfalls zu verschleiern und die Einrichtungen, die von den neuen Machthabern geschaffen werden, aufzusuchen. Kinder werden gezwungen, in die Koranschulen zu gehen. Es ist also eine Situation, die uns mit großer Sorge erfüllt. Ich glaube, dass wir uns jetzt in der UNO sehr rasch darüber einig werden müssen, wie wir reagieren. Denn sonst führt diese Situation nicht nur zu einer Destabilisierung in dieser Region, sondern kann sich zu einem mittleren Flächenbrand im Nahen Osten entwickeln. Wir hören, dass sich jetzt der Iran einschalten will; wir hören, dass zum Beispiel Saudi-Arabien Geld fließen lassen will; vor allem hören wir, dass jetzt auch unter den sunnitischen Gruppen Streit beginnt. Es wäre eine fatale Botschaft, wenn wir da nicht reagieren würden. Denn dort werden nicht nur Christen bedroht, sondern die Existenz von Tausenden von Menschen ist betroffen. Natürlich wird es die Türkei nicht unberührt lassen, wenn von einem selbstständigen Kurdistan gesprochen wird. Ich selber habe im Augenblick noch keine Vorstellung davon, was politisch getan werden kann, und warne davor, vorschnell militärische Lösungen zu suchen. Ich muss aber auch sagen: Diejenigen, die jeden Tag bedroht sind und unter der Situation leiden, sehen die Dinge ein bisschen anders. Der Verzicht, auch mit Gewalt Einhalt zu gebieten, betrifft ja nicht in erster Linie diejenigen, die das fordern, sondern der Verzicht geht auf Kosten der Menschen, die dort tagtäglich um ihr Leben fürchten müssen. Wir müssen an dieser Situation im Irak deutlich machen, dass wir es nicht hinnehmen können, dass Terrorgruppen machen, was sie wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Denn dies stiftet an und steckt an. Wenn in einer Region eine Terrorgruppe erfolgreich aktiv sein kann, dann wird es bald in anderen Regionen andere Gruppen geben, die das ebenfalls tun. Deswegen sind wir alle aufgefordert, uns ernsthaft und rasch darüber klar zu werden, wie wir zu einer Stabilisierung kommen können. Ich glaube, dass das nur geht, indem wir der Ausbreitung dieser gewaltbereiten, menschenverachtenden Truppe rasch ein Ende setzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Wolfgang Gehrcke erhält als nächster Redner das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Ich glaube, dass wir uns alle die Frage stellen müssen: Was ist eigentlich in den letzten Monaten im Irak und in Syrien passiert, dass sich ein solches Schreckensregime ausbreiten und militärisch solche Erfolge erreichen konnte? Das Gebiet, das von ISIS erobert worden ist, reicht von Aleppo bis weit in den Irak; mittlerweile ist ein Drittel des Iraks besetzt worden. Ich habe mir die Bilder von der Militärparade zur Ausrufung des Kalifats angeschaut. Natürlich haben solche Bilder immer einen Propagandaeffekt. Aber bei der Parade wurden schwere Waffen vorgeführt, Panzer, Raketen, Haubitzen. Ich habe mir natürlich die Frage gestellt: Wie kommt diese Truppe in den Besitz von schweren Waffen? Ich weiß, dass der Irak unmittelbar davon bedroht ist, auseinanderzufallen, zu zerfallen. Über die Folgen – gerade wenn man die Geschichte kennt und weiß, dass die Grenzen alle künstlich sind – müssen wir reden. Wird es ein eigenständiges Kurdistan sein? Was wird die Türkei machen, wenn sich so etwas formiert? Ich weiß, dass sich ISIS besonders gegen die Kurden richtet. Welche Auswirkungen wird das auf Syrien haben? Mir scheint, Kolleginnen und Kollegen, dass man sich den Zauberlehrling von Goethe noch einmal vor Augen führen muss, auch im Westen: Ich rief die Geister und werd sie nicht mehr los. – Wer hat diese Geister oder Ungeister ISIS gerufen? Müssen wir uns nicht die Frage stellen, ob es stimmt oder nicht stimmt – ich behaupte, dass es stimmt –, dass die Türkei ISIS Unterschlupf gewährt hat, wir hingegen in der Türkei Patriot-Raketen stationiert haben? Müssen wir uns nicht der Frage stellen, ob Geld zur Waffenbeschaffung oder Waffen direkt aus Saudi-Arabien und Katar geliefert worden sind? Es sind enge Verbündete, auch unseres Landes, gewesen, die wir gefördert haben, denen wir Panzer verkauft haben oder verkaufen wollen. Wenn wir diesen Fragen ausweichen, weichen wir möglichen Gegenmaßnahmen erst recht aus. Muss nicht eine Schlussfolgerung sein: Deutschland verkauft in Konfliktregionen absolut keine Waffen mehr? (Beifall bei der LINKEN) Man muss den Waffenzustrom austrocknen. Ich habe mir noch einmal die Rede von Condoleezza Rice – seinerzeit Sicherheitsberaterin von Bush – angesehen, die sie nach dem Irakkrieg hielt. Herr Kauder, ich lese hin und wieder auch Ihre Erklärungen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Machen Sie es regelmäßig! Es ist gut!) – Sie geben regelmäßig welche ab. Ich verspreche, dass ich sie regelmäßig lesen werde, wenn ich sie bekom-me. – Ich will nur eines sagen: Ich finde, die USA sind absolut ungeeignet, diese Situation militärisch zu klären. Andere Staaten mit anderen Einflussmöglichkeiten wären geeigneter, um über die Politik Veränderungen herbeizuführen. Ich habe die Rede von Condoleezza Rice gelesen. Deutschland wäre zum Beispiel geeigneter, nicht militärisch, sondern politisch zur Lösung der Situation beizutragen, weil Deutschland in Syrien und im Irak angesehener ist. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen. Das ist einfach so. Hier muss man doch nicht ausweichen. Condoleezza Rice sagte, sie habe im Irak die Geburtswehen eines neuen Nahen Ostens gesehen. Wenn das der neue Nahe Osten ist, dann kann man ahnen, was uns blüht. Für mich ist das nicht der neue Nahe Osten. Ich möchte, dass mehr auf Verständigung gesetzt wird. Natürlich muss man Maliki anhalten, mit dem sunnitischen Bevölkerungsteil besser zusammenzuarbeiten. Aber Maliki war auch der Verbündete Deutschlands. Er war der Verbündete der EU, er war der Verbündete der USA. Das ist alles unter ihren Augen und teilweise mit Billigung geschehen. Ich möchte, dass umgesteuert wird. Zum Umsteuern gehört für mich ein Bündnis der säkularen Kräfte in der Region, ein Bündnis, das Assad nicht ausschließt. Herr Kauder, die Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt plötzlich vernünftigerweise darüber. Warum debattieren wir nicht darüber? Ohne eine Lösung des Syrien-Konfliktes werden Sie die Probleme im Irak nicht lösen können. Sie sind miteinander verbunden. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das haben wir schon gemacht!) Ich möchte, dass über Verhandlungen gesprochen wird. Ich möchte, dass Deutschland eine andere Syrien-Politik betreibt. Ich möchte, dass wir den Flüchtlingen wirklich helfen. Es ist unverantwortlich, dass wir nicht in der Lage sind, rasch Flüchtlinge aus der Region aufzunehmen. All das geht nicht. Mit Politik kann man Probleme lösen. Ein neuer Irakkrieg wird die Probleme nicht lösen, sondern dann werden wir die Islamisten in der Region nur noch stärker machen. Das möchte ich nicht. Auch aus diesem Grunde bin ich gegen einen neuen Irakkrieg und gegen ein militärisches Eingreifen der USA. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Völlig richtig! Das sind wir auch!) – Dass ich das bei einer Rede, die ich halte, von Herrn Kauder hören darf: „Völlig richtig!“ Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Das musste ich am Schluss wiederholen. Danke sehr. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner hat Niels Annen das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Niels Annen (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Gehrcke, Ihre Sehnsucht nach einer einfachen Lösung ist Ihnen geradezu anzuhören gewesen; aber die gibt es nicht. Ich glaube, wir sind uns einig: Wir haben keine einfache Antwort auf die Situation, mit Sicherheit keine militärische Antwort. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist doch schon mal was!) Ich will einen Punkt aufgreifen. Sie haben gesagt: Wir brauchen jetzt ein Bündnis, das die säkularen Kräfte – Sie haben Herrn Assad explizit erwähnt – mit einbezieht. Ich glaube, wir müssen alle Kräfte, die dort eine Rolle spielen, mit einbeziehen; dazu gehören Herr Assad, der Iran, die Nachbarländer, die Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Das ist auch meine Meinung. Nur: Sie erwecken hier den Eindruck, als ob der Vormarsch, mit dem wir alle konfrontiert sind, und seine Wucht, die uns schockiert hat, nichts mit Assad zu tun hätte. Aber die Wahrheit ist auch: Präsident Assad trägt einen großen Teil der Verantwortung für diese Krise. (Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU]) Die ISIS-Führer sind zum Teil von ihm aus dem Gefängnis entlassen worden. Wenn man die Situation beobachtet und Berichte liest, fällt auf, dass es so gut wie keine Kämpfe zwischen Assads Truppen und ISIS gibt. Das heißt, es ist ein zynisches Kalkül der Regierung in Damaskus, sich selber als die einzige säkulare Alternative in der Region darzustellen, auch auf Kosten der Menschen. Insofern gibt es auch hier keine einfache Antwort, Herr Kollege Gehrcke. ISIS ist in der Tat hochmotiviert, extrem gut organisiert und auch extrem gut finanziert. Trotzdem sollten wir uns von der augenblicklichen Stärke von ISIS nicht in die Irre führen lassen. Denn ein Teil der Wahrheit ist natürlich auch: Die gegenwärtige Stärke kann sich nur entsprechend auswirken, weil die irakische Armee dramatisch versagt hat, und ISIS kann die große Fläche im Moment nur deshalb überhaupt kontrollieren, weil es ein im Grunde genommen geradezu widernatürliches Bündnis unterschiedlicher Akteure gibt: Es sind die islamistischen Kräfte und die alten Kader der Baath-Partei von Saddam Hussein, die ideologisch gesehen eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben, unterstützt von örtlichen Stammesführern. An dieser Stelle muss man ganz klar sagen: Die Verantwortung dafür, dass das augenblickliche Bündnis zustande kommen konnte, trägt Herr al-Maliki mit seiner völlig verfehlten Politik. Deswegen muss sich im Irak etwas ändern; das können wir hier gar nicht stellvertretend für den Irak übernehmen. Der Ausschluss eines großen, relevanten Teils der Bevölkerung von der politischen Macht in Bagdad, aber auch von den Ressourcen des Landes – man muss sich nur die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die Unterentwicklung in den sunnitischen Gebieten vor Augen führen – muss, so gut das auch mit der Historie der langjährigen Unterdrückung der schiitischen Mehrheit im Irak zu erklären ist, ein Ende finden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen bin ich der Meinung: An dieser Stelle ist das Signal, das die Bundesregierung ausgesandt hat, eindeutig und richtig und sollte von diesem Hause unterstützt werden: Wir sind natürlich bereit, diesen Prozess zu unterstützen, aber der erste Schritt muss im Irak selbst erfolgen. Ich möchte einen weiteren Aspekt ansprechen. Natürlich finden in der Region zurzeit mehrere Stellvertreterkonflikte statt. Einer der großen Stellvertreterkonflikte ist der regionale Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Beide instrumentalisieren die Religion für ihre politischen Interessen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir über diesen Konflikt und seine Nuancen sprechen. Denn es ist natürlich nicht so, dass dort nur Sunniten gegen Schiiten kämpfen. Was wir dort erleben, ist im Grunde genommen eine Weiterentwicklung einer terroristischen Strategie quasi unter Laborbedingungen. Die Kämpfe zwischen der Al-Nusra-Front in Syrien und inzwischen auch im Irak auf der einen Seite und ISIS auf der anderen Seite haben dazu geführt, dass die Strategien im Grunde genommen noch erfolgreicher und effektiver geworden sind. Sie haben ihre Strategie quasi auf dem Schlachtfeld weiterentwickelt. Das ist aber ein innersunnitischer Konflikt gewesen. Ebenso hat Herr al-Maliki seinen schiitischen Rivalen, nämlich Herrn al-Sadr, vor nicht allzu langer Zeit zum Teil auch mit militärischen Mitteln bekämpft. Den Konflikt auf eine rein schiitisch-sunnitische Konfrontation zu reduzieren, geht nicht nur an den Tatsachen vorbei, sondern würde auch die Kräfte ausschließen, die wir für einen Versöhnungs- und Kooperationsprozess brauchen. Insofern wäre das eine falsche Sicht auf die Dinge. Unterm Strich muss man sagen: Die internationale Gemeinschaft hat es, nachdem sich der syrische Bürgerkrieg zugespitzt hat und die Genf-II-Verhandlungen gescheitert sind – das war ein dramatisches Scheitern; mit einem Eingeständnis des UN-Vermittlers Brahimi, dem wir für seine Arbeit noch einmal danken müssen –, versäumt, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen. Deswegen kann es im Moment auch gar keine militärische Lösung geben. In dem Augenblick, in dem die Amerikaner eingreifen würden, würden sie von den Saudis und dem sunnitischen Teil der Bevölkerung, die sich ohnehin ausgegrenzt fühlen, sozusagen als die Luftwaffe von al-Maliki wahrgenommen. Es gibt keinen anderen Weg: Wir müssen die regionalen Akteure an einen Tisch bekommen. Wir sollten die Vereinten Nationen bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützen, den politischen Prozess wieder voranzutreiben, aber auch dafür sorgen, dass wir die Nachbarländer, die unter der Last der Flüchtlingsströme und der Instabilität zusammenzubrechen drohen, dabei unterstützen, diesen politischen Prozess zu überstehen, damit wir nicht eine neue Ordnung bekommen, die darin besteht, dass ein Kalifat ausgerufen wird und wir am Ende einen al-Qaida-Staat in unserer unmittelbaren Nachbarschaft haben. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Omid Nouripour das Wort. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vormarsch von ISIS Richtung Mosul war an sich keine große Überraschung. Die große Überraschung bestand darin, dass die irakischen Streitkräfte keinerlei Widerstand geleistet, ihre Waffen und Uniformen teilweise einfach zurückgelassen und die Flucht ergriffen haben. Ich war in der Woche vor dem Vormarsch in Bagdad. Es war bedrückend zu sehen, dass die Straßen leer waren, obwohl 7 Millionen Menschen in dieser Stadt leben. Es gab keinen Stau, und die Basare waren leer. Die Hauptverantwortung dafür, dass eine solche Stimmung herrscht – 2010, 2011 gab es noch so etwas wie Nachtleben – und dass in diesem Land, in dem es so viel Reichtum und Wohlstand gibt und gleichzeitig das Geld nicht bei der Bevölkerung ankommt und sich somit keine entsprechende gesellschaftliche Dynamik entfaltet kann, trägt Premierminister al-Maliki, der alles dafür getan hat, die Sunniten im Land, teilweise auch die Kurden, von der Macht auszugrenzen. Die Situation in der Westprovinz Anbar ist seit fast einem Jahr hochdramatisch, sie grenzt an eine humanitäre Katastrophe. Wir haben aber nicht ausreichend hingeschaut. ISIS hat in dieser Zeit bereits mit der Unterstützung der sunnitischen Clans das Sagen in Anbar gehabt und darauf aufbauend den Marsch nach Norden beginnen können. Kinder werden erschossen, es finden Massenexekutionen statt, Kulturgüter werden geplündert und zerstört – das erinnert sehr stark an die Situation in Afghanistan in den 90er-Jahren. Da nun ein Kalifat ausgerufen wurde – das ist wie eine offizielle Kriegserklärung an Saudi-Arabien –, ist es doch offenkundig, dass Saudi-Arabien und Iran keine andere Alternative haben, als sich endlich zusammen an einen Tisch zu setzen und über eine Kooperation zu sprechen, um diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Das Problem ist nur, dass diese Einsicht derzeit auf keiner der beiden Seiten vorhanden ist. Es gibt ein weiteres Problem. Wir haben Anfang dieses Jahres über eine neue deutsche Außenpolitik gesprochen. Wir haben darüber gesprochen, dass wir mehr tun wollen, dass wir mehr Verantwortung übernehmen wollen. Wir haben uns über den militärischen Aspekt unterhalten, waren uns aber alle einig, dass es um mehr geht. Gerade weil Deutschland 2003 nicht bei der Invasion des Irak dabei war, gerade weil wir viele der fatalen Fehler der Amerikaner nicht gemacht haben, besitzen wir eine höhere Glaubwürdigkeit. Wir könnten Gehör finden. Stattdessen haben wir in den letzten Wochen und Monaten schlicht geschwiegen. Der Außenminister hat gesagt, dass wir nicht an der Seitenlinie stehen dürfen; wir haben es aber getan. Da hilft es auch nicht, wenn der Außenminister sagt, dass der Wandel von innen kommen muss. Herr Kollege Annen, Sie haben davon gesprochen, dass sich die Situation im Irak selbst verändern muss. Das ist natürlich richtig; daran gibt es keinerlei Zweifel. Wir sagen ja nicht, dass man von außen etwas aufoktroyieren kann oder soll; aber nur zuzugucken, wie die deutsche Bundesregierung es getan hat, und nicht einmal das Wort zu ergreifen und nicht Druck auf al-Maliki auszuüben, damit er endlich eine inklusive Regierung einsetzt, war ein Riesenfehler. Das hat mit all den Ansprüchen, die Anfang des Jahres formuliert wurden, und mit all den damals geführten Diskussionen überhaupt nichts zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ganz konkret: Deutschland hat im Jahr 2013 aufgehört, für die Binnenflüchtlinge im Irak Mittel an den UNHCR, an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, zu zahlen mit der Begründung: Wir helfen jetzt in Syrien und in den Nachbarstaaten von Syrien. – 350 000 Flüchtlinge gab es damals; das waren alles Syrer. Das war vollkommen absurd. Ich kann nur hoffen und appellieren, dass das beendet wird und endlich wieder Mittel an den UNHCR fließen, damit das Flüchtlingshilfswerk im Irak wenigstens die Leute registrieren kann und eine Mindestfürsorge gewährleisten kann. Wir reden mittlerweile über mehr als 1 Million Menschen, die ihre Heimat verloren haben und im Irak unterwegs sind. Nächstes Beispiel. Wir wissen, dass ISIS sich unter anderem dadurch finanziert, dass sie Öl aus der Provinz Rakka in Syrien verkaufen. Seitens der EU gibt es bei den Sanktionen gegen Syrien Ausnahmen für Ölfelder, die sich damals in der Hand der Nationalen Koalition befunden haben sollen. Der Sinn und Zweck war, dass die nichtbewaffnete Opposition Gelder generieren kann. Diese Ölfelder sind aber seit über einem Jahr in der Hand von ISIS. Aufgrund dieser Ausnahmen der EU wird Öl auch in die Türkei verkauft. Wenn man bei der Bundesregierung nachfragt, warum diese Ausnahme nicht endgültig beendet wird, lautet die Antwort: Wir wissen von nichts. – Die Augen werden einfach geschlossen, statt endlich mehr Verantwortung zu übernehmen, statt endlich mehr zu tun. Auch bei der Frage der Unabhängigkeit der Kurden gibt es bisher nur eine Fehlanzeige. Das ist eine hochkomplizierte Angelegenheit; das gestehe ich selbstverständlich zu. Bei allem Verständnis, das man für die Situation der Kurden haben muss – sie waren eine Oase der Stabilität in einem Land, von dem man nur noch hoffen kann, dass es dieses Land weiterhin geben wird –, muss man darauf achten, dass die Tür für einen Verbleib Kurdistans als autonome Region im Irak nicht zugemacht wird. Wir müssen aber auch alles daransetzen, dass die Situation nicht eskaliert. Es muss Druck ausgeübt werden auf die Türkei und auf den Iran, damit die Situation in dieser letzten Oase der Stabilität im Irak nicht weiter eskaliert. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die vereinbarte Debatte zur Bedrohung der regionalen Stabilität durch das Vorgehen der ISIS-Truppen. Die heutige Tagesordnung soll um die Beratung einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Genehmigung des Vollzugs eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses erweitert werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 8 auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) Antrag auf Genehmigung zum Vollzug eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses Drucksache 18/1990 Der Ausschuss empfiehlt mit den Stimmen aller Fraktionen, die entsprechende Genehmigung zu erteilen. Wir kommen sofort zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind alle Fraktionen. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich der Stimme? – Auch niemand. Damit ist diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen. Wir fahren in der Debatte fort. Der Kollege Rüdiger Veit erhält das Wort. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Rüdiger Veit (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin gebeten worden, diese Debatte aus innenpolitischer Sicht eventuell ein bisschen zu befördern. Ich will das in Bezug auf zwei Stichworte gerne tun, einmal zur Sicherheitsfrage und zum Zweiten zur Flüchtlingsaufnahme außerhalb des hier in Rede stehenden Gebietes. Zur Sicherheitsfrage kann ich relativ Aktuelles von einem Besuch des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz heute im Innenausschuss berichten; da es eine öffentliche Sitzung war, kann ich das hier wiedergeben. Er hat uns unter anderem Folgendes mitgeteilt: Aus Deutschland sind nach Syrien zwecks Beteiligung an dem Krieg an der Seite der Terroristen, Dschihadisten, Salafisten – wie immer wir sie nennen wollen – bisher 320 Personen – die überwiegende Zahl ist im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft – gereist. Diese Konstellation unterscheidet sich von der vergleichbaren im Falle Afghanistan/Pakistan in vielerlei Hinsicht. Zunächst einmal waren es damals nur insgesamt 80 Personen. Jetzt sind es, wie gesagt, 320 Personen. Zum Zweiten sind außerordentlich viele junge Leute dabei, zum Teil 15-, 16-jährige Mädchen. Zum Dritten sind es Leute, die dem Bundesamt oder anderen Sicherheitsbehörden bisher kaum als wie auch immer verdächtig aufgefallen sind. Vor allen Dingen müssen wir natürlich auch damit rechnen, dass sie nach einer eventuellen Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen dort mit einer, sagen wir einmal, nicht nur extremistischen, sondern vielleicht sogar verrohten Gesinnung nach Europa zurückkehren. Das macht den Sicherheitsbehörden große Sorge. Die Fachleute sprechen nicht von einer konkreten Gefahr, sondern von einem stärkeren, von einem lauteren Hintergrundrauschen, das eben diese Aktivitäten widerspiegelt. Sie sind gehalten, zu beobachten, welche dieser Personen zurückkommen. Bisher waren es wohl etwa 20 an der Zahl. Von diesen weiß man relativ sicher, dass sie dort auch an kämpferischen Handlungen teilgenommen haben. Auch ist zu beobachten – ich verweise hier auf den Fall desjenigen, der über Frankfurt eingereist war, um dann in Brüssel dieses scheußliche Attentat zu verüben –, dass sie nicht unbedingt wieder beispielsweise nach Frankfurt zurückfliegen, wenn sie von dort aus nach Syrien oder in den Irak – dort kommt dies jetzt auch vor – gereist sind. Vielmehr muss man damit rechnen, dass sie bei ihrer Rückreise auch andere europäische Flughäfen nutzen. Das macht die Sicherheitslage nicht einfacher. Der Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden ist in dem Zusammenhang notwendig und rege. Von jetzt auf der Hand liegenden Querbemerkungen zur Tätigkeit von Diensten auf diesem Gebiet im Allgemeinen oder im Besonderen auch mit Blick über den großen Teich nehme ich jetzt Abstand; sonst habe ich keine Zeit mehr, zum zweiten Punkt zu kommen. Die Flüchtlingsfrage: Wir wissen, dass sich über 3 Millionen Menschen außerhalb Syriens und annähernd 9 bis 10 Millionen innerhalb Syriens bereits auf der Flucht befinden. Das ist ein furchtbares Elend. Wenn wir bedenken, dass die Bevölkerungszahlen in den Anrainerstaaten durch diese Flüchtlingswelle dramatisch gestiegen sind – im Libanon beispielsweise mit einer Bevölkerung von etwas über 4 Millionen gibt es jetzt fast 1 Million Flüchtlinge –, dann können wir uns angesichts der dortigen Strukturen die Situation und das Elend aller Beteiligten, inklusive der aufnehmenden Staaten und ihrer Infrastruktur, vorstellen. Die stehen kurz vor dem Kollaps. Deswegen ist es im Wege internationaler Solidarität nicht nur geboten, dort vor Ort zu helfen, was wir in beispielhafter Weise tun – dies ist richtig; ich hoffe, dies ist auch im Sinne aller hier im Parlament vertretenen Parteien –, sondern es ist auch notwendig, sich dieses Flüchtlingselends mit Empathie und Mitgefühl anzunehmen und dafür zu sorgen, dass zumindest Europa mit seiner Wertegemeinschaft hier einen entsprechenden Beitrag leistet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hierzu ist aktuell Folgendes zu vermelden – mit den Zahlen will ich Sie nicht allzu sehr im Detail langweilen, aber ich nenne einige, damit die Größenordnungen klar werden –: Auf – in Anführungszeichen – normalem Wege als Asylsuchende sind seit Ausbruch des Krieges mehr als 30 000 Menschen aus der Region in Deutschland angekommen. Wir hatten im Dezember 2013 das erste und dann darauf folgend das zweite Bundesprogramm zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen mit jeweils 5 000 Personen. Darüber hinaus haben 15 Bundesländer – es wäre schön, das 16. käme auch noch dazu; es liegt südlich – Länderaufnahmeprogramme gemacht, die in nennenswerter Zahl auch bereits in Anspruch genommen werden konnten. Eines der wichtigen Details dabei ist die Frage der Lebensunterhaltssicherung und insbesondere der Übernahme von Krankenbehandlungskosten. Da sind wir seit der letzten Innenministerkonferenz ein kleines Stück weiter. Denn klar ist: Die Länder übernehmen auch die Krankenbehandlungskosten, wenn die hier anwesenden Verwandten die sonstigen Unterhaltskosten übernehmen. Ferner haben wir seit dieser Innenministerkonferenz am 12. Juni 2014 ein weiteres Kontingent von 10 000. Deutschland ist in dieser Frage führend in Europa und auch darüber hinaus. Wir handeln hier auch nicht nach dem Motto, dass wir erst einmal abwarten, was andere tun, bevor wir etwas tun. Wir machen es umgekehrt; das ist in besonderer Weise hoch anzurechnen und zu loben. Wir haben gesagt, dass wir den Anfang machen und hoffen, dass andere nachkommen. Da unterstützen wir sehr nachhaltig unseren Außenminister, und da unterstützen wir sehr nachhaltig unseren Innenminister, mit Blick auf Europa, aber auch verbunden mit dem klaren Wort, dass die bisherige Haltung der übrigen europäischen Staaten gegenüber diesem Elend eigentlich – entschuldigen Sie das Wort – schändlich ist. Zum Schluss noch eine Bemerkung, damit deutlich wird, wie schwierig das Ganze ist. Am 27. Juni dieses Jahres – Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Kollege, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen. Rüdiger Veit (SPD): – ja, danke – fand ein High-Level-Meeting in Genf statt. Dort waren 42 Staaten vertreten, um sich über die Frage der Entlastung der Region in Bezug auf das Flüchtlingselend Gedanken zu machen. Wissen Sie, was dabei herausgekommen ist? Wegen der Kürze der Zeit warte ich nicht auf Antworten, sondern nenne Ihnen die Zahl: 565 Personen. Da war der Reise- und Verköstigungsaufwand höher als das, was als Ergebnis für die vom Elend bedrohten Flüchtlinge herausgekommen ist. Ich sage erneut: Das ist schändlich. Wir sind alle gefordert, nicht nur wir, aber auch wir. Und wir können auch ein bisschen mehr tun. Danke sehr. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Philipp Mißfelder das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich zu der Rede des Herrn Kollegen Annen, dessen Ausführungen ich weitestgehend teile, eine Ergänzung vornehmen. Ich glaube schon, dass wir es bei ISIS mit einem besonderen Phänomen zu tun haben, das sich von anderen militärischen Kräften unterscheidet. Es ist schon so, dass der fundamentalistische Islam die Hauptantriebsfeder ist. Es geht den Menschen, die sich ISIS anschließen – leider sind es auch viele junge Leute, die sich dieser Gruppierung anschließen –, nicht um die Verteilung von Rohstoffen und die Bedienung von Interessen, sondern darum, einen Gottesstaat zu errichten und eine der schlimmsten Ausprägungen von Religiosität mit Gewalt zu verbinden. Auch das zu erwähnen, gehört zu dieser Debatte. Das macht die Sache für uns im Übrigen schwieriger und nicht einfacher. Die ISIS-Kämpfer stehen nämlich einer 800 000 Soldaten umfassenden und damit viel größeren Gruppe von Sicherheitskräften aufseiten al-Malikis gegenüber, die das häufig allerdings nicht aus Überzeugung tun, sondern deshalb, weil sie arbeitslos gewesen sind, weil sie – schlecht bezahlt – in den Diensten der irakischen Zentralregierung stehen, aber keineswegs Überzeugungstäter sind und nicht mit der gleichen Inbrunst für die aus unserer Sicht richtige Sache kämpfen, wie die ISIS-Täter das tun. Insofern ist die Situation schwieriger, als man auf den ersten Blick sieht. Ich habe einen wichtigen Punkt anzumerken, der unsere Fraktion schon seit längerer Zeit beschäftigt. Wir hatten den Premierminister der Autonomen Region Kurdistan vor über einem Jahr auf einem unserer Fraktionskongresse zu Gast. Als wir damals über den Irak diskutiert haben, haben wir immer ein Fragezeichen gesetzt, ob es richtig ist, an der Ein-Irak-Politik – wenn sie mehr als nur eine leere Worthülse sein soll – festzuhalten. Das darf man nicht missverstehen und darin automatisch die Befürwortung der Ausrufung eines unabhängigen und freien Kurdistans sehen. Eine solche Ausrufung wäre ja nur möglich, wenn man in Übereinstimmung mit den Partnern in der Region und mit der Türkei vorgehen würde. Ich sehe nicht, dass der Zeitpunkt dafür gegeben ist. Aber eines ist klar: Wenn wir die Aussage, dass die Ein-Irak-Politik – ein Irak unter al-Maliki – für die Zukunft dieses Landes entscheidend ist, wie eine Monstranz vor uns hertragen würden, dann würden wir sehen, dass dieses Konzept schon in wenigen Wochen gescheitert wäre. Es ist, was den Irak angeht, an der Zeit, neue Konzeptionen zu entwickeln und sich gerade den Regionen zuzuwenden – Herr Nouripour hat das ja dankenswerterweise angesprochen –, in denen tatsächlich Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung herrschen, nämlich dem Nordirak, Kurdistan. Das eigentlich Schlimme an der Entwicklung, die wir auch in Syrien beobachten – von meinem Vorredner ist ja über die Flüchtlingsproblematik gesprochen worden –, ist: Es gibt nicht nur die Flüchtlinge aus Syrien, die nach Jordanien gelangt sind und vorher versucht haben, im Irak Zuflucht zu finden, sondern es gibt auch innerhalb des Iraks ein massives Problem der Binnenflüchtlinge. Dabei handelt es sich vor allem um Christen, die aus dem Süden in den Norden getrieben werden. Gerade deshalb ist es uns ein Anliegen, den humanitären Beitrag zu stärken. Wir haben heute im Ausschuss darüber gesprochen, dass wir mehr tun wollen. Ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dass sich tatsächlich ganz Europa mehr engagiert, um zu verhindern, dass es in Kurdistan, im Norden Iraks, zu einer humanitären Katastrophe kommt, wie sie in Jordanien aus meiner Sicht schon unmittelbar bevorsteht, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Was die Verantwortung insgesamt angeht, würde ich nicht sagen, dass Deutschland nur am Spielfeldrand gestanden hat. Vielmehr spielt Deutschland eine sehr aktive Rolle. Ich erinnere mich noch daran, wie schwierig es war, für kurdische Vertreter überhaupt Termine in Deutschland zu bekommen. Die Bundeskanzlerin hat regelmäßig den Kontakt gehalten; aber auch unser jetziger Bundesaußenminister hat, auch als die SPD in der Opposition war, hohe Vertreter der Kurden empfangen. Das ist nicht überall in Europa so. Ich meine, das ist eine Streitfrage mit Herrn al-Maliki gewesen: Lädt man ihn ein, kann es sein, dass er nicht kommt; empfängt man andere Politiker aus dem Irak, beschwert er sich sofort. Wir haben es also wirklich mit einem ganz schwierigen System zu tun in Bagdad. Vor diesem Hintergrund sage ich, dass wir mit Herrn al-Maliki weiterhin zusammenarbeiten wollen. Es ist auch der falsche Zeitpunkt, jetzt – wie in der Presse diese Woche zu lesen war – andere Namen ins Spiel zu bringen. Es wäre übrigens ganz falsch, wenn der Westen sie ins Spiel bringen würde, so wie es gestern in einer englischsprachigen Zeitung stand – weil diese Person niemals akzeptiert würde. Das muss im Irak selbst geklärt werden. Aber ich richte ganz klare Forderungen an Herrn al-Maliki. Eine zentrale Forderung von uns ist, dass er – das hat er bisher nicht getan – alle Religionsgruppen, alle Stämme des Iraks, inklusive der Sunniten und der Kurden, an der Regierung beteiligt. Das ist die zentrale Voraussetzung für Frieden und Freiheit im Irak. Dabei kommt noch eines hinzu: Herr al-Maliki weigert sich auch, die Verfassung einzuhalten. Er teilt die Ölgewinne nicht so auf, wie es in der Verfassung steht. Das wäre aber dringend notwendig, um überhaupt Institutionen am Funktionieren zu halten, um überhaupt das Wenige, was an Staatlichkeit im Irak besteht, tatsächlich umsetzen zu können. Insofern ist es eine zusätzliche Forderung – neben der Bildung einer Regierung, bei der alle Bevölkerungsteile des Landes eingebunden werden –, dass die Bestimmungen der Verfassung des Irak eingehalten werden. Dieser Appell muss an Herrn al-Maliki deutlich gerichtet werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Alexander Radwan das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Alexander Radwan (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben alle den Arabischen Frühling sehr positiv gesehen, als er begonnen hat. Inzwischen finden in diesem Haus regelmäßig Debatten und Diskussionen statt, weil die Region von Monat zu Monat, von Woche zu Woche instabiler wird. Ich muss sagen – auch nachdem ich der Debatte zugehört habe –: Ich bin immer dann skeptisch, wenn ich den Eindruck habe – meine Wahrnehmung mag falsch sein –, dass auf ein sehr komplexes Thema relativ einfache Antworten gegeben werden. Heute beschäftigen wir uns mit der aktuellen Thematik ISIS. Aktuell ist sicherlich die intensivere Berichterstattung in den Medien zu diesem Thema. Dass ISIS eine Entwicklung vom Irak nach Syrien und zurück genommen hat, konnte man aber schon lange verfolgen; ISIS ist eine sunnitische Rebellengruppe und eine Abspaltung von al-Qaida. Wir hatten in diesem Bereich in den letzten Jahren eine historische Konstante: dass unsere Annahmen gekoppelt sind mit Fehleinschätzungen. Der Kollege Nouripour hat in einer der letzten Debatten einmal einen Satz geprägt, der mir sehr gut gefallen hat, nämlich dass die Fehleinschätzung ist: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Das zieht sich wie ein roter Faden durch, und das betrifft insbesondere die Regionalmächte, die heute erkennen müssen, dass das, was sie sich erhofft hatten, nicht eingetreten ist, und das, was eingetreten ist, zu ihrem Problem wird. Die Ausrufung des Kalifats im Irak führt genau dazu, dass diese Regime jetzt entsprechend bedroht werden. Das führt nicht nur im Irak zu Problemen, sondern wir sehen uns damit konfrontiert, dass ein Flächenbrand bevorsteht. Diese Woche konnte ich mit dem Botschafter des Libanon reden. Er hat mir beschrieben – nicht nur ausgehend von der Flüchtlingsproblematik, die diese Länder zurzeit zu stemmen haben –, was momentan von ISIS in diese Länder hineingetragen wird. Das Gleiche betrifft Jordanien, das Gleiche betrifft die Türkei. Darum muss eine unserer Aufgaben sein – ich will nicht priorisieren –, dass wir diesen Ländern helfen, Stabilität zu halten, dass wir nicht nur an der Lösung der Probleme arbeiten, sondern auch diese Länder entsprechend stützen. Ein roter Faden ist hier – das haben ja mehrere Redner gesagt –, dass wir darauf hinwirken müssen, dass es im Irak zu einem Dialog kommt. Es gibt dort einen Konflikt zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden – wobei wir oft in einer Art und Weise argumentieren, die relativ holzschnittartig ist: Sunniten, Schiiten, Kurden – als wenn die Sunniten ein homogener Block wären. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Wir müssen darauf achten und darauf hinwirken, dass den Gemäßigten, den vielen Menschen, die mit dem Konflikt nichts zu tun haben, denjenigen, die durch diese Katastrophe, die diese Entwicklung für sie persönlich darstellt, möglicherweise radikalisiert werden, geholfen wird, ihnen eine Perspektive gegeben wird. Darum bin ich auch hier bei unserem Fraktionsvorsitzenden Kauder, der die humanitäre Hilfe und das Elend der Menschen wohl am stärksten angesprochen hat. Wenn wir als Deutschland und als Europa hier nicht hineingehen und entsprechend unterstützen, wird diese Region keine Stabilität finden. Der Dialog beginnt natürlich bei al-Maliki. Wenn er es nicht schafft, dann muss das jemand anderes tun; ich bin hier völlig bei Philipp Mißfelder, dass wir als Westen keine Personalvorschläge zu machen haben. Wir sollten aber schon klarmachen, was wir von dieser Region und von den Machthabern in diesen Ländern, aber eben auch im Iran, in Saudi-Arabien und in anderen Einflussmächten erwarten, um hier zum Frieden zu kommen. Sie müssen endlich verstehen, dass sie durch entsprechendes Handeln ihre eigene Legitimität und Existenz gefährden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich komme zu einem Punkt, der nicht die oberste Priorität hat. Wir alle sind uns einig, dass militärische Lösungen und Interventionen jetzt keine Option sind. Wir als Europa und als Deutschland – gerade im arabischen Raum genießen wir sehr viel Vertrauen und Anerkennung – müssen uns mit den Machthabern und den Verantwortlichen vor Ort auch Gedanken darüber machen, wie es mit der Region weitergeht, wie es für die Menschen eine Perspektive geben kann, wenn die Konflikte hoffentlich bald ein Stück weit abgebaut sein werden. Ein Waffenstillstand bedeutet nämlich noch lange nicht, dass sich der Dialog normalisiert, dass die Angehörigen unterschiedlicher Religionen friedlich nebeneinander leben und dass die Menschen vor allen Dingen – darum geht es – eine wirtschaftliche und soziale Existenz und Perspektive bekommen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Beschaffungsprogramm von Drohnen für die Bundeswehr Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die Kollegin Christine Buchholz das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Christine Buchholz (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Monatelang hat Frau von der Leyen beharrlich zur Frage der Kampfdrohnen geschwiegen. Erst sollte eine breite ethische Debatte her, vorgestern fand nun eine erste öffentliche Expertenanhörung im Verteidigungsausschuss dazu statt. Aber: Die erste Fragerunde war noch nicht vorbei, als die Ministerin bereits vor die Medien trat, weil ihre Position augenscheinlich schon feststand. Dies, Frau von der Leyen, war keine ernsthafte Debatte. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Sie sind nicht ernsthaft, wenn Sie so etwas behaupten!) Sie wollen die Abgeordneten und die Öffentlichkeit überrumpeln, weil der Widerstand gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen zu groß ist. Die Mehrheit der Bevölkerung will diese Waffensysteme nicht. Begreifen Sie das endlich! (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das mit Ihren 7 Prozent?) Kampfdrohnen sind nicht entwickelt worden, um die eigenen Soldaten zu schützen, wie Sie behaupten. Die US-Armee hat vor rund zehn Jahren in Afghanistan das erste Mal Kampfdrohnen eingesetzt, um gegnerische Kräfte in abgelegenen Regionen zu töten – dort, wo nur wenige oder gar keine eigenen Truppen am Boden operieren. Seitdem spielen diese Waffensysteme eine immer wichtigere Rolle in den Kriegen, die die US-Armee und ihre Verbündeten in Afghanistan, in Pakistan, im Jemen oder in Somalia führen. Es geht um eine Waffe in sogenannten asymmetrischen Kriegen, in denen Armeen nicht Armeen gegenüberstehen, sondern in denen sie Aufständische bekämpfen. Dies ist der Sinn hinter dieser Technologie. Wenn die Bundesregierung die Bundeswehr mit Kampfdrohnen ausstattet, dann zieht sie Deutschland immer tiefer in solche asymmetrischen Kriege hinein. Das ist skandalös! (Beifall bei der LINKEN) Kampfdrohnen sind auch das Mittel der Wahl, um per Fernbedienung Menschen umzubringen, die die Geheimdienste der Drohnennationen auf Todeslisten gesetzt haben. Im sogenannten Krieg gegen den Terror dienen sie dazu, Raketenangriffe in Ländern durchzuführen, in denen die US-Armee selbst gar nicht präsent ist. Die Bundesregierung sagt zwar: „Damit haben wir nichts zu tun“, doch ein von der Bild-Zeitung öffentlich gemachter Sachstandsbericht aus dem Verteidigungsministerium spricht eine andere Sprache. Darin werden Operationen außerhalb der Einsatzgebiete der Bundeswehr ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Wenn das stimmt, machen Sie irgendwann nichts anderes als die US-Armee heute. (Rainer Arnold [SPD]: Das ist Unsinn! Das ist verboten!) – Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen, Herr Arnold. (Rainer Arnold [SPD]: Das ist verboten!) Wer verhindern will, dass die Bundeswehr einen Drohnenkrieg wie die US-Armee führt, der braucht nur eines zu tun: dem Einstieg in die Kampfdrohnentechnologie nicht zuzustimmen. (Beifall bei der LINKEN) Kommen wir zu dem Mythos, dass Kampfdrohnen präzise Waffen seien. Kampfdrohnen können ihre Ziele gar nicht mit letzter Sicherheit identifizieren. Und zwischen Abschussbefehl und Einschlag liegt eine Zeitspanne von einigen Sekunden. Um bewegliche Ziele trotzdem zu vernichten, werden Raketen mit enormer Sprengkraft eingesetzt. Das führt zu einer hohen Zahl ziviler Toter. Wer Kampfdrohnen einsetzt, der nimmt den Tod Unschuldiger mit in Kauf. Und das ist menschenverachtend. (Beifall bei der LINKEN) Wohin führt der Einstieg in diese Technologie? Wer in der Anhörung des Verteidigungsausschusses dem Sachverständigen und Physiker Marcel Dickow zugehört hat, der muss tief besorgt sein. Er erklärte uns, dass die Beschaffung von Kampfdrohnen zwangsläufig dazu führt, dass sich letztendlich Waffensysteme durchsetzen, in denen am Schluss nicht der Mensch, sondern Computer über Leben und Tod entscheiden; (Wolfgang Hellmich [SPD]: Das hat er so nicht gesagt!) denn im Rüstungswettlauf um immer wirksamere Drohnen läuft alles auf die ständige Verkürzung von Entscheidungs- und Übertragungszeiten hinaus. Eine vollautomatische Kampfdrohne, die selbst entscheidet, ist schneller als ein Kampfdrohnenpilot am Joystick, dessen Signale über eine Entfernung von Tausenden Kilometern kommen. Deutschland darf nicht in diese Logik einsteigen. Wir dürfen nicht einen Prozess anheizen, an dessen Ende Kampfroboter über Leben und Tod entscheiden. (Beifall bei der LINKEN) Frau von der Leyen hat nun in der Süddeutschen Zeitung erklärt, sie plane im ersten Schritt, Kampfdrohnen zu leasen, gekoppelt an konkrete Einsatzmandate. Es stehen aber, so Frau von der Leyen, gar keine konkreten Einsätze an. Offenbar geht es darum, einen Blankoscheck für die Zukunft einzuholen, um in der Zwischenzeit deutsche Offiziere als Kampfdrohnenpiloten an den geleasten Systemen in Israel oder den USA ausbilden zu lassen. Wenn es die SPD mit ihrer Ablehnung von Kampfdrohnen ernst meint, dann kann sie diesem Vorhaben nicht zustimmen. Frau von der Leyen, ziehen Sie jetzt die Reißleine! (Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann fällt die Drohne ja runter!) Wir wollen keine gekauften, aber auch keine geleasten Kampfdrohnen. Wir wollen gar keine Kampfdrohnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Bundesministerin Ursula von der Leyen das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich spüren wir das Unbehagen vieler Menschen, wenn es um Drohnen geht, auch hier im Bundestag. Deshalb wird zu Recht erwartet, dass wir berechtigte Bedenken aufnehmen, sie in unsere Entscheidung einbeziehen und eine breite Debatte führen. Ich habe deshalb die Anhörung des Verteidigungsausschusses am Montag als einen ausgesprochen wertvollen Beitrag gesehen. Das war eine sehr ausgewogene, besonnene Debatte, die wir gehabt haben. Frau Buchholz, schon seit einem Jahr wird diese Debatte breit geführt. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon länger!) Ich glaube aber auch, dass diese Debatte heute mit Sicherheit nicht zu Ende ist, sondern sie wird weitergeführt werden. Viele andere Länder – es sind über 80 – haben Drohnen. Über ein Viertel dieser Länder hat bewaffnungsfähige Drohnen. Ich möchte heute meine Position zu diesem Thema darlegen. Ich möchte zunächst einmal ganz pragmatisch skizzieren, worum es uns geht. Am 17. Oktober 2013 hat in Kunduz der letzte Konvoi das Camp der Bundeswehr verlassen. Das waren 441 Soldatinnen und Soldaten in 119 Fahrzeugen – eine kilometerlange Kolonne, die über zwei Tage durch unübersehbares Gelände gefahren ist: eine der größten Operationen der Bundeswehr. Diese Kolonne ist von allen Seiten geschützt gewesen. Sie ist vor allem von oben insofern geschützt gewesen, als eine Aufklärungsdrohne, die wir geleast haben, das Gelände aus der Vogelperspektive überschaut hat. Wäre diese Kolonne angegriffen worden, so wäre dieser Angriff frühzeitig gesehen worden, aber die Unterstützung der angegriffenen Bodentruppe aus der Luft hätte gedauert. Denn es hätten entweder Hubschrauber oder Flugzeuge angefordert werden müssen, um dann die Soldatinnen und Soldaten am Boden zu unterstützen. Das sind wertvolle Minuten, die Soldatenleben kosten können, und diese Schutzlücke wollen wir schließen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte gerne in dieser Debatte vorweg auf zwei Punkte eingehen, die ich wichtig finde. Da ist zunächst immer, wenn es um das Unbehagen der Bevölkerung geht, die Vorstellung von einem unbemannten Flugzeug, dass da kein Mensch sei, dass es ein autonomes System sei. Das ist falsch. Nach wie vor ist es immer ein Mensch, der entscheidet, ob eine Waffe ausgelöst wird oder nicht. Das ist beim Torpedo im U-Boot so. Das ist bei der Panzerhaubitze so. Das ist bei der Interkontinentalrakete und bei der Cruise-Missile so, und das ist bei der Drohne nicht anders. Niemals fällt ein Soldat oder eine Soldatin beim Einsatz einer Drohne eine einsame Entscheidung. Es ist erst die Anforderung der Truppe am Boden, die Hilfe braucht, die diesen Einsatz der Drohne auslöst. Dann erst entscheiden Soldatinnen und Soldaten innerhalb ganz klar definierter und rechtlich geprüfter Einsatzregeln. Um diesen Rahmen geht es uns. Den wollen wir setzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Weil uns dieser Rahmen, den wir haben, so wichtig ist, und weil wir ihn auch international vorantreiben möchten, haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass sich Deutschland für eine völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter – das heißt: autonomer – Waffensysteme einsetzt. Das muss geächtet werden. Ich sage sehr deutlich: Der Außenminister hat unsere volle Unterstützung auf diesem schwierigen internationalen Weg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der zweite Punkt, der mir wichtig ist: Unsere Ablehnung speist sich auch aus den bekannten Fällen, in denen Drohnen aus großer Distanz gesteuert zur gezielten Tötung einzelner Menschen eingesetzt werden, auch unter Inkaufnahme, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen. Hierzu möchte ich ganz klar sagen: Die Bundesregierung lehnt extralegale völkerrechtswidrige Tötungen kategorisch ab. Das gilt für jedes Waffensystem, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich sage genauso klar: Mit dem Bedarf der Bundeswehr, den wir jetzt diskutieren, hat ein solches Vorgehen jetzt und in Zukunft nichts zu tun. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nie und nimmer!) Ich sage das mit so großer Gewissheit, weil die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Es sind wir hier im Haus, die festlegen, wie ein Mandat zum Einsatz aussieht. Es gibt keinen Einsatz der Bundeswehr ohne eindeutige Regularien zum Einsatz von Waffen. Damit ist auch der Einsatz von Drohnen durch die Bundeswehr nur möglich, wenn alle völkerrechtlichen und nationalen Regeln beachtet werden, und zwar nach Billigung durch den Deutschen Bundestag. Deshalb meine ich: Wer das als Parlamentarierin oder Parlamentarier infrage stellt, der entmündigt sich doch selber. Wir sind es, die die Regeln festlegen. Es ist die Parlamentsarmee, die wir verteidigen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wer die Drohnen nicht hat, kann sie nicht einsetzen! Das ist viel einfacher!) Meine Damen und Herren, die Bundeswehr ist weltweit im Einsatz, um Sicherheit, Stabilität und Frieden zu verteidigen. Wir alle profitieren davon, dass an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst tun: in der Heimat, an den Grenzen des Bündnisses und weltweit bei Einsätzen. Sie nehmen dafür Gefahren auf sich, und zwar Gefahren für Leib und Leben. Wir alle wissen, so bitter es auch sein mag: Nicht jeder schwere Konflikt und nicht jeder drohende Völkermord ist allein mit den Mitteln der Diplomatie und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu verhindern. Manchmal ist auch militärisches Engagement im Rahmen unserer Bündnisse gefragt. Dann verleiht erst der persönliche Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten dem Engagement unseres Landes für Frieden und Sicherheit das, was wir dringend brauchen, nämlich die Glaubwürdigkeit. Deshalb geben unsere Soldatinnen und Soldaten uns viel. Das Wichtigste, was wir ihnen geben können, sind Unterstützung und eine bestmögliche Ausrüstung, um selbst gegen Gefahren geschützt zu sein. Ein Teil dieser Ausrüstung sind auch ferngesteuerte Luftfahrzeuge, die sogenannten Drohnen. Die sollten wir ihnen nicht verwehren. (Beifall bei der CDU/CSU) Nun endet der ISAF-Einsatz. Welche Szenarien die Zukunft bringt, wissen wir nicht. Es zeichnet sich zurzeit kein Einsatz ab, der eine Befassung mit den Szenarien, die ich eben geschildert habe, notwendig macht. Die Aufklärungsdrohne Heron hat gute Dienste geleistet; sie war jeden Tag im Einsatz. Es spricht viel dafür, dass wir eine ähnliche Form für die Übergangszeit wählen. Bei einer Neuentwicklung, die mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen wird, plädiere ich für eine europäische Entwicklung. Dafür haben wir uns bereits im Koalitionsvertrag und in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom Dezember 2013 positioniert. Es sollte ein bewaffnungsfähiges Modell sein, über dessen tatsächlichen bewaffneten oder unbewaffneten Einsatz in jedem Einzelfall ein Mandat des Deutschen Bundestages entscheidet. Das bedeutet, dass wir alle immer gefordert sind, die Balance zu finden zwischen dem, was technisch möglich ist, und dem, was ethisch vertretbar ist, hier im Bundestag, in der EU, in der NATO und auch in den Vereinten Nationen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Agnieszka Brugger das Wort. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin von der Leyen, zuerst sind Sie vor Bildern mit reinen Aufklärungsdrohnen geflüchtet. Jetzt fordern Sie aber Hals über Kopf, dass Deutschland in Zukunft auch Kampfdrohnen einsetzen soll. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Flexibel!) Sie behaupten, es gehe nicht um die Beschaffung von Killerdrohnen, sondern nur um den Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Das ist ein unredlicher Griff in die rhetorische Trickkiste. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein, nein!) Denn Sie unterstellen damit denen, die zu Recht einen kritischen Blick auf Kampfdrohnen haben, dass ihnen der Schutz der Soldatinnen und Soldaten egal sei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grüne haben uns in den letzten Jahren nicht nur für den Einsatz von Aufklärungsdrohnen ausgesprochen, sondern haben immer wieder, vor allem als der Bedarf groß war, die schnellere Beschaffung von geschützten Fahrzeugen gefordert. Deshalb möchte ich für die grüne Bundestagsfraktion die Unterstellung, dass uns der Schutz der Soldatinnen und Soldaten egal sei, massiv zurückweisen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unbenommen ist das Argument des Schutzes – das gestehe ich zu – gewichtig. Es reicht aber allein bei weitem nicht aus, um die Beschaffung von Kampfdrohnen zu rechtfertigen; denn auf den ersten Blick bietet per se jedes neue Waffensystem mehr Schutz. Wer Kampfdrohnen will, muss klare und präzise Antworten auf die Frage geben, für welche konkreten Einsatzszenarien aktuell diese Technologie, die auch mit vielen Gefahren und Risiken verbunden ist, benötigt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Ministerin, Ihre Antworten – auch die heutigen hier im Plenum – sind mehr als dünn. Es reicht nicht aus, sich hinter Allgemeinplätzen wie „Das Gefühl von Sicherheit ist eine Momentaufnahme“ zu verstecken. Sie räumen auch ein, dass es derzeit keine Einsätze gibt, bei denen aus Ihrer Sicht die Bundeswehr Kampfdrohnen braucht. Der Afghanistan-Einsatz, den Sie genannt haben, läuft in seiner bisherigen Form in diesem Jahr aus. Die Kollegen von der SPD haben gestern und vorgestern noch behauptet, sie sähen keine Notwendigkeit für Kampfdrohnen, und es gebe mit Blick auf die Hubschrauber und Kampfflugzeuge derzeit keine Fähigkeitslücke bei der Bundeswehr. Heute macht sich dann aber der Kollege Arnold schon davon und schwenkt auf den Kurs der Ministerin und auch in die Drohneneuphorie der Union ein. Nach dem Abzug der Atomwaffen und den Rüstungsexporten wäre das ein weiteres Mal, dass Sie eines Ihrer friedenspolitischen Versprechen aus dem Wahlkampf über Bord werfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, kehren Sie um! Stehen Sie zu Ihrer Überzeugung, und stoppen Sie die Beschaffung von Kampfdrohnen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Frau Ministerin, wenn Sie die Frage nach konkreten Einsatzszenarien nicht beantworten können, dann werden Sie Ihrer Verantwortung als Verteidigungsministerin nicht gerecht. Wir Grüne werden Ihnen ganz sicher keinen Blankoscheck für diese hochriskanten Waffensysteme ausstellen. Sie öffnen auf diese Weise aber auch einer Technologie Tür und Tor, die die Kriegsführung in den nächsten Jahren massiv, rasant und unwiederbringlich zu verändern droht. Sie marschieren in Richtung Kampfdrohnen, aber aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung stehen schon hinter der nächsten Ecke autonome Systeme. Viele Experten und Techniker, die sich wirklich gut mit der Materie auskennen, wahrscheinlich besser als wir alle hier im Parlament, warnen uns jetzt schon eindringlich davor, unbemannte Plattformen mit Waffen auszustatten; denn schneller, als wir das vielleicht heute glauben mögen, finden wir uns in einem grässlichen Science-Fiction-Szenario wieder, in dem nicht mehr Menschen, sondern Maschinen über Leben und Tod entscheiden. Vor diesem Risiko darf man nicht die Augen verschließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Aber wir brauchen nicht nur ein paar Jahre in die Zukunft zu schauen. Auch der Blick zurück offenbart die mit Kampfdrohnen verbundenen Risiken; denn sie können die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewalt auch auf politischer Ebene senken. Da lohnt der Blick auf die Debatte in den USA. Die US-Administration hat Israel im Jahr 2000 massiv dafür kritisiert, dass Israel bewaffnete Drohnen für extralegale Tötungen jenseits von bewaffneten Konflikten einsetzt. Ein paar Jahre später war es das Mittel der Wahl des Friedensnobelpreisträgers Obama, und es wurde hundertfach Völkerrecht gebrochen. Das zeigt doch auch – das ist ein Punkt, mit dem wir uns kritisch auseinandersetzen müssen –, dass die Verfügbarkeit von bestimmten militärischen Fähigkeiten auch Auswirkungen auf politische Debatten, moralische Wertvorstellungen und rechtliche Überzeugungen haben kann. Auch diese Gefahr darf man nicht einfach ignorieren, Frau Ministerin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Frau von der Leyen, Sie haben Angst, dass wir hier eine technologische Entwicklung verschlafen. Wir Grüne haben die Befürchtung, dass Sie die Büchse der Pandora öffnen und eine Aufrüstungsspirale in Gang setzen, die Sie nicht mehr aufhalten können. Die verführerische Verheißung, dass ein neues Waffensystem den Krieg präziser, billiger und sauberer macht, hat sich in der Geschichte schon mehr als einmal als sehr böse und sehr trügerische Illusion entpuppt. Ich garantiere Ihnen schon heute, dass wir in ein paar Jahren an diese vielen Debatten, die wir führen, zurückdenken werden und dass Sie sich dann vorwerfen lassen müssen, dass Sie leichtfertig wichtige Argumente gegen Kampfdrohnen in naiver und blinder Technikgläubigkeit einfach vom Tisch gewischt haben. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Rainer Arnold das Wort. (Beifall bei der SPD) Rainer Arnold (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neue Waffentechnik verändert das Kriegsgeschehen. Deshalb ist Sorgfalt und Zeit angesagt und, wenn es sein muss, Skepsis. Das ist besser als blinder Aktionismus. Das Thema Drohnen ist doppelt belastet in der deutschen Debatte. Zum einen ist es natürlich durch den Einsatz der amerikanischen Partner zum gezielten Töten außerhalb von Kriegsgebieten belastet. Außerhalb von Kriegsgebieten ist das nach unserer Meinung völkerrechtswidrig, und wir halten es für wichtig, dies auch zu benennen. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Warum dürfen sie das von deutschem Boden aus machen?) Wir halten es deshalb für wichtig, damit sich nicht im Sinne von Gewohnheitsrecht eines Tages alle möglichen anderen Staaten auf dieses vermeintliche Gewohnheitsrecht berufen können. Deshalb ist klar: Kein deutscher Politiker, kein deutscher General dürfte solch einen Befehl erteilen. Jeder Soldat hätte nicht nur das Recht, liebe Kollegen von den Linken, sondern sogar die Verpflichtung, einen solchen Befehl im Zweifelsfall abzulehnen. Dies muss man deutlich sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zum anderen ist dieses Thema natürlich auch durch die unreflektierte Herangehensweise des Verteidigungsministers der alten Regierung belastet. Er wollte nun einmal hopplahopp von den Amerikanern eine Kampfdrohne kaufen. Er ist damit gescheitert. Klar ist: Drohnen und Waffen sind per se ethisch nie neutral. Deshalb müssen wir über ethische Fragen diskutieren. Eine wurde von der Ministerin zu Recht schon angesprochen – es ist nur eine, aber es ist eine wichtige –: Wie können wir verhindern, dass weltweit der Weg in vollautomatische Kampfsysteme – das ist nicht nur eine Frage von Drohnen – gegangen wird? Dazu gehört nicht, dass Systeme ihren Weg selbst suchen, dazu gehört nicht, dass Filter elektronisch eingeschaltet werden, um Informationen vorzufiltern, sondern dazu gehört im Kern: Ein System ist dann automatisch, wenn eine Waffe nicht aufgrund der Entscheidung eines Menschen, sondern aufgrund eines Algorithmus abgefeuert wird. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann müssen Sie den Einstieg verhindern!) Dies wollen wir nicht, und wir sind dankbar, dass der Außenminister und die Bundesregierung in New York aktiv sind und wir dies im Sinne von Rüstungskontrolle einhegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollten eine breite Debatte. Wir haben im Koalitionsvertrag bestimmte Absprachen getroffen. Die Debatte ist mit dem heutigen Tage bei weitem nicht abgeschlossen. Aber Entscheidungen müssen sein, und zwar deshalb, weil der derzeitige Leasingvertrag für das israelische Drohnenprodukt Heron ausläuft. Die Bundeswehr braucht selbstverständlich eine Aufklärungsdrohne, und sie muss selbstverständlich über die Fähigkeit verfügen, ihr Wissen über die Bedienung von Aufklärungsdrohnen weiterzuentwickeln. Deshalb plädieren wir dafür, die Kooperation mit Israel zu verlängern. Zur Ehrlichkeit gehört nun einmal – liebe Kollegen, ich kann es Ihnen nicht anders sagen –: Wenn wir nicht bei den Chinesen einkaufen wollen, müssen wir bewaffnungsfähige Drohnen kaufen; denn es gibt auf dem Weltmarkt keine anderen. Nun dazu, dass die Kollegin Brugger behauptet hat, ich hätte meine Meinung geändert. Frau Kollegin, ich bin hier für Präzision. Ich sagte immer: Die Bundeswehr hat aktuell keine Fähigkeitslücke. Sollte das derzeitige Afghanistan-Mandat in ein Ausbildungsmandat umgewandelt werden, werden wir überhaupt keine Mandatslegitimation erteilt haben, nach der die Bundeswehr schwere Waffensysteme – Kampfflieger, Drohnen und vieles andere – einsetzen dürfte. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt; aber aktuell haben wir keine Fähigkeitslücke. Deshalb wollen wir das israelische Produkt nur als Aufklärungsdrohne. Wir wissen aber: Das Leben geht weiter, und die Welt wird sich verändern. Europa braucht natürlich die Fähigkeit, unbemannte Flugzeuge zu produzieren; denn das ist auch im zivilen Bereich eine Schlüsseltechnologie. Wir brauchen diese Schlüsseltechnologie auch, weil wir nicht von amerikanischen Technologien abhängig sein wollen. Deshalb ist es im Sinne von Kooperation in Europa und unserer Vision europäischer Streitkräfte richtig, jetzt damit zu beginnen, Partner für eine gemeinsame Entwicklung zu suchen. Zur Ehrlichkeit gehört, festzustellen: Es wird keine Partner geben, die eine reine Aufklärungsdrohne entwickeln wollen; (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja schon gescheitert!) sie muss zumindest bewaffnungsfähig sein. Wir Deutschen werden auf der Strecke, die zu beschreiten möglicherweise zehn Jahre dauert, noch viel Zeit haben, über das Ob und das Wie sorgfältig zu beraten; das gilt auch für die Mitglieder dieses Hauses. Das ist unsere Aufgabe, und wir werden dies leisten. Der Schutz der Soldaten ist seit vielen Jahren – da bin ich ganz bei den Grünen – ein gemeinsames Anliegen im Verteidigungsausschuss. Da lassen wir uns von niemandem auseinanderdividieren. Dass das so bleibt, wird uns wichtig sein. Wenn sich die Welt so ändern sollte, dass wir einmal ein Mandat erteilen müssen, das die Bundeswehr legitimiert, Bomben abzuwerfen und Raketen abzuschießen – niemand will das –, dann können bewaffnete Drohnen – das ist doch ganz klar – ein Segment zum Schutz der Soldaten sein. Ihr Einsatz ist nicht der Königsweg; er ist auch nicht das einzig Sinnvolle. Wir dürfen den Einsatz von Drohnen nicht überhöhen. Bevor wir ein entsprechendes Mandat erteilen, werden wir über den Einsatz von Drohnen intensiv reden müssen. Ich glaube, wir sollten der Bundeswehr die Dinge, die sie braucht, auch ermöglichen. Außerdem sollten wir reflektieren und uns selbst immer wieder fragen: Verändern neue Waffensysteme die Einsatzschwelle, oder – um es klar zu sagen – fiele es uns leichter, Drohnen in einen Einsatz zu schicken, statt Menschen in einen Bodeneinsatz? Ich glaube, die Grundvoraussetzung dafür, dass man darauf die richtige Antwort gibt, ist, dass man diese Frage offen auf den Tisch legt und reflektiert. Wenn wir aber genau das tun und uns darüber klar werden, was nicht sein kann und nicht sein darf, dann muss und darf dieses Parlament meiner Auffassung nach sich selbst vertrauen. Militärische Einsätze hängen nicht von dem ab, was wir haben, sondern davon, was wir politisch wollen und politisch beschließen. Vertrauen Sie sich doch bitte selbst! Wir können auch den Soldaten der Bundeswehr vertrauen, dass sie Waffensysteme immer nur rechtskonform und mandatskonform einsetzen. Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn, wenn die Drohne gegen die Bundeswehrsoldaten eingesetzt wird?) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Henning Otte das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Henning Otte (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute wird deutlich, wer von den Fraktionen im Deutschen Bundestag seiner Verantwortung als Parlamentarier gerecht wird (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Da haben Sie recht!) und die Interessen unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger und damit auch der Soldatinnen und Soldaten zu schützen bereit ist. Wir als CDU/CSU-Fraktion sind auf jeden Fall dazu bereit. (Beifall bei der CDU/CSU) Es wird auch deutlich, wer aus rein ideologischen Gründen nicht dazu bereit ist. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Immer bereit!) Bei der heutigen Debatte um ferngesteuerte Luftfahrzeuge mit Aufklärungsoptiken und der Möglichkeit optionaler Bewaffnung geht es um eines: Will der Deutsche Bundestag unseren Soldaten im Einsatz die Möglichkeit geben, sich zu schützen und sich gegebenenfalls wehren zu dürfen, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nein!) oder will der Deutsche Bundestag ihnen diese Möglichkeit verwehren? Ihre Aussage war eben ganz klar. Wenn es in der Abwägung darum geht, den Schutz unserer Soldaten zu gewährleisten oder den Schutz von Terroristen, dann weiß ich, wofür Sie sind; da weiß ich das ganz genau. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das könnte die Präsidentin mal rügen! Das ist eine Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der LINKEN) Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Soldaten im Einsatz – auf der Tribüne sitzen auch Soldaten – sind bereit, Leben und Gesundheit für die Sicherheit unseres Landes einzusetzen, und wir haben die Verpflichtung, das zu machen, was möglich ist. Es geht darum, eine Schutzlücke zu schließen, um nichts mehr. Vor allem der Afghanistan-Einsatz hat deutlich gezeigt, wie wichtig Drohnen zum Schutz und zur Aufklärung sind. Wenn man in Echtzeit den Feind, der anzugreifen versucht, beim Bau einer Sprengfalle beobachtet, dann ist das ein strategischer Vorteil, der im Endeffekt über Leben und Tod entscheiden kann. Durch den Einsatz von Drohnen haben wir in Afghanistan die Sicherheit unserer Soldaten um ein Vielfaches erhöhen können. 87 Länder auf dieser Erde haben solche Aufklärungsmöglichkeiten; seit 2010 sind 1 700 Einsätze geflogen worden. Heute geht es darum, ob unbemannte ferngesteuerte Luftfahrzeuge mit der Fähigkeit der Aufklärung auch über ein Wirkmittel verfügen können, als Ultima Ratio, sozusagen ergänzend. Diese Frage müssen wir beantworten. Ich bin unserer Verteidigungsministerin dafür dankbar, dass wir nach der Anhörung am Montag heute zu einer Entscheidung kommen. Wir haben mit Experten alle völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen, alle sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig diskutiert. Wir haben ein umfassendes und abschließendes Bild bekommen, das uns jetzt zu einer Entscheidung befähigt. Es geht darum, ob Drohnen die Gefährdung unserer Soldaten mindern können. Wenn Soldaten angegriffen werden, wenn sie beschossen werden, müssen sie nach dem jetzigen Stand Hilfe über Fluggeräte herbeirufen. Um diese Schutzlücke, um dieses Abwarten geht es. Wer schon einmal in einer lebensbedrohlichen Situation war, der weiß, wie lang Minuten werden können, wenn man auf die Hilfe anderer warten muss. Dieser Zeitunterschied, der zwischen Leben und Tod entscheidet, soll mit einem solchen Mittel reduziert werden. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht auch in die andere Richtung!) Das Argument des Schutzes unserer Soldaten und Soldatinnen muss im Bundestag Bestand haben, (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann holen Sie sie aus den Einsätzen zurück! Sofort!) und es muss Priorität haben. In Teilen besteht schlichtweg ein falsches Bild von solchen ferngesteuerten Luftfahrzeugen, die zusätzlich eine Bewaffnung wie in einem herkömmlichen Flugzeug bekommen sollen. Dieses falsche Bild ist durch rechtswidrige vollautomatisierte Einsätze geprägt. Unsere Verteidigungsministerin hat eben in ihrer Rede ganz deutlich gemacht, dass es so etwas in Deutschland mit dem Deutschen Bundestag nicht geben wird, dass wir – im Gegenteil – unseren Soldatinnen und Soldaten einen klaren Handlungsrahmen geben, aber auch Grenzen setzen. Es gibt überhaupt keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit und an den moralischen Grundsätzen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu zweifeln. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Der Soldaten nicht!) Wer das tut, der will sie bewusst diskreditieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Am Ende der Entscheidung stehen immer mehrere Menschen, die eine militärische Ausbildung haben, die charakterlich und moralisch gefestigt und geprägt sind. Die Welt ist nun einmal nicht friedlich, und solange sie nicht friedlich ist, müssen wir Vorsorge betreiben. Das ist auch Ausdruck von Verantwortung. Woher kommen denn solche Debatten über die Ukraine, über Russland, über den Nahen und Mittleren Osten, über ISIS? Das macht doch deutlich, dass es eine Gefährdungslage gibt. Darauf müssen wir uns womöglich vorbereiten. Es geht aber immer darum, solche Krisen und Konflikte mit Diplomatie zu entschärfen und einen Militäreinsatz nur als Ultima Ratio durchzuführen. Wer das Feuerwehrfahrzeug erst dann beschafft, wenn die Scheune brennt, der handelt zu spät. Verantwortung sieht anders aus. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Absurd!) Wir lehnen gesetzes- und völkerrechtswidrige Einsätze mit bewaffneten Drohnen ab; aber wir wollen unseren Soldaten die Möglichkeit geben, die Schutzlücke zu schließen. Daher sind wir für eine zeitnahe Anschaf-fung – zum Schutz unserer Soldaten, für die Sicherheit unseres Landes und unserer Bürgerinnen und Bürger. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Kollege Otte, ich möchte auch Sie bitten, sich an die parlamentarischen Gepflogenheiten zu halten, sowohl in der Wortwahl als auch in der Wahl von Vergleichen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Jetzt hat als nächster Redner der Kollege Andrej Hunko das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Andrej Hunko (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Einstieg in bewaffnungsfähige Drohnen, also über Kampfdrohnen. Die Linke sagt ganz klar Nein zu dieser neuen Entwicklung von Offensivwaffen. (Beifall bei der LINKEN) Die angekündigte breit angelegte Debatte in Politik und Gesellschaft hat nicht stattgefunden. Wir haben am Montag im Verteidigungsausschuss – kurz vor der Sommerpause, am Rande der Fußball-WM – eine interessante Anhörung gehabt. Aber das ist noch nicht die Debatte, die wir brauchen. Wir brauchen eine ernsthafte gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema. (Beifall bei der LINKEN) Es wird viel über die Fürsorge von Soldaten gesprochen. Das ist natürlich ein berechtigtes Anliegen. Aber ich habe manchmal, auch bei den gegenwärtigen Konzepten, den Eindruck, dass es hier auch um die Fürsorge der europäischen Drohnenindustrie geht. (Beifall bei der LINKEN) Dreistellige Millionenbeträge sind schon an deutsche Rüstungskonzerne geflossen. Ich erinnere daran, dass Deutschland ab 2023 auch bis zu vier Drohnen des Typs Global Hawk kaufen will. Die milliardenschweren Riesendrohnen gehören dann zwar zur NATO, werden aber von Deutschland finanziert und betrieben. Wie die bewaffnete Drohnenflotte wären sie dann in Schleswig-Holstein stationiert, wo auch schon die Voraussetzungen geschaffen werden. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Guter Standort!) Das Verteidigungsministerium behauptet, man habe sich noch nicht entschieden, ob für die Übergangszeit, für die nächsten zehn Jahre, Drohnen auf dem Markt gekauft oder geleast werden sollen. Wahrscheinlich, hört man aus dem Verteidigungsministerium, sollen Reaper-Drohnen aus den USA geleast werden – Reaper heißt Sensenmann; das spricht schon für sich –; aber ab 2023 sollen europäische Rüstungskonzerne in der Lage sein, eigenständig europäische Kampfdrohnen zu produzieren. Das lehnen wir klar ab. (Beifall bei der LINKEN) Diese Übergangszeit ist genau die Zeit, die zum Beispiel das deutsch-französische Luftfahrtunternehmen Airbus Defence braucht, um eine solche Drohne zu entwickeln. Airbus sitzt hierbei mit dem französischen Unternehmen Dassault und dem italienischen Unternehmen Alenia in einem Boot. Fraglich ist nur – das ist gerade in der Diskussion –, ob auch Großbritannien am Bau dieser zukünftigen EU-Langstreckendrohne beteiligt wird und ob auch Länder wie die Türkei mitmachen. Die europäische Drohne, die MALE, könnte in rund zehn Jahren in Serienproduktion gehen und mit Überwachungs- und Aufklärungssensorik, aber auch mit Raketen bestückt werden. Gleichzeitig werden bei der Europäischen Union alle Weichen gestellt, damit auch andere Regierungen zügig über diese bewaffneten Flugroboter verfügen können. Frau Verteidigungsministerin, wieso sorgen Sie nicht dafür, dass auch in der EU und in der NATO eine breite Debatte über die völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen stattfindet? (Beifall bei der LINKEN) Mehr als 300 Millionen Euro hat die EU bereits in der Drohnenforschung versenkt. Bis 2028 will die EU-Luftfahrtagentur große Drohnen vollumfänglich in die zivile Luftfahrt integrieren. Dabei geht es nicht nur um Zulassung und Zertifizierung großer unbemannter Flugzeuge; geforscht wird auch an der Eignung der bislang nur militärisch genutzten Langstreckendrohnen für polizeiliche und grenzpolizeiliche Zwecke. Auch das ist Teil der Debatte. Es geht nicht nur um Kampfdrohnen, sondern auch darum, dass Drohnen zum Beispiel zur Grenzsicherung eingesetzt werden sollen. Kampfdrohnen sind als Offensivwaffen konzipiert. Sie senken die politische Hemmschwelle – ich rede jetzt nicht vom Soldaten am Joystick – bei der Entscheidung über Militäreinsätze. Sie führen zur Entgrenzung des Krieges, zeitlich und räumlich. Ich finde, die Bundesregierung sollte sich in internationalen Organisationen dafür einsetzen, dass es eine internationale Konvention zum Einsatz von Drohnen gibt, nicht nur zur Frage der vollautomatisierten Waffen, wie Sie angekündigt haben – was ich begrüße –, sondern auch zur Frage der gezielten Tötungen und des Einsatzes von Kampfdrohnen. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben gesagt, über 80 Länder haben doch Drohnen; über ein Viertel bewaffnungsfähige Drohnen. Auch das ist ein Grund für eine internationale Debatte, um zu einer Konvention zu kommen. Auch in den USA gibt es gegenwärtig eine sehr kritische Debatte. Daran könnte man anknüpfen. Die Gelegenheit ist günstig, einen solchen Vorstoß zu machen. Ich sage zum Schluss: Ich wünsche mir, dass Wissenschaftler und Ingenieure ihre Kreativität und ihre Intelligenz für sinnvolle Projekte einsetzen – für den Umstieg auf erneuerbare Energien, gegen den Klimawandel, gegen den Hunger in der Welt –, aber nicht zur Entwicklung automatisierter Tötungsmaschinen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Hellmich das Wort. (Beifall bei der SPD) Wolfgang Hellmich (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinem Vorredner würde ich eine Lektüreempfehlung geben, nämlich den im Jahr 2011 erschienenen Bericht zur Technikfolgenabschätzung unbemannter Systeme. Viele Fragen, die wir hier diskutieren, werden in diesem Bericht angesprochen, und es werden Handlungsempfehlungen gegeben. Diese Debatte ist schon älter, sie ist nicht aktuell, frisch und ganz neu. Ich glaube, dass wir uns darum kümmern müssen, dass diese Debatte versachlicht und nicht emotionalisiert wird. Die Befürchtungen, die es in der Gesellschaft gibt – die auch berechtigt sind und um die man sich kümmern muss –, dürfen nicht in einer Art und Weise aufgebläht werden, dass wir am Ende politisch nicht mehr in der Lage sind, damit sachgerecht und ordentlich umzugehen. Worum geht es? Es geht darum, dass ein System beschafft werden muss, um eine Fähigkeitslücke für eine absehbare Zeit zu schließen. Es geht um das Thema Überwachung mithilfe von MALE-Drohnen. Es geht um eine Entscheidung, die auf europäischer Ebene bereits gefallen ist, nämlich darum, eine Drohne zu entwickeln, die genau diese Fähigkeiten beinhaltet. Wir sollten uns hier nichts vormachen. Eine europäische Entwicklung mit allen unseren Nachbarn, die daran beteiligt sind, wird immer nur im Zusammenhang mit einer Bewaffnungsfähigkeit möglich sein. In der NATO-Parlamentarierversammlung vor nicht allzu vielen Wochen ist diese Frage diskutiert worden, mit dem Ergebnis, dass die europäischen Nachbarn und Partner gesagt haben: Ja, es wird eine solche Entwicklung geben, aber die Entscheidung über die Frage, ob bewaffnet wird oder nicht und womit, fällt jedes Land für sich alleine, es ist die eigene Kompetenz. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass es einen Parlamentsvorbehalt gibt, dass das Parlament entscheidet, was wir im Falle des Falles tun. (Beifall bei der SPD) Bitte keine Verengung in der Form, dass wir mit unserer Entscheidung oder Nichtentscheidung – ganz egal – international dafür sorgen könnten, dass diese Systeme nicht beschafft, nicht bewaffnet würden und nicht unterwegs wären. Wir alle wissen, dass es anders ist. Die größten Abnehmer – nach den Zahlen, die im Moment international bekannt sind – sind Indien und Pakistan, Regionen, die gerade dabei sind, sich mit allen Waffensystemen, die es gibt, aufzurüsten. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das ist doch kein Argument!) Die Frage, wie wir mit der Proliferation umgehen, ist für mich ein ganz entscheidender Punkt, um auf internationaler Ebene bei der präventiven Rüstungskontrolle ein Problem einzuhegen, das wir in der Tat haben. Wir wären nicht glaubwürdig und könnten international nicht auftreten, wenn wir nicht deutlich machen könnten, dass wir mit unseren Einsatzregeln zu jedem Zeitpunkt die Regeln des humanitären Völkerrechtes, des humanitären Kriegsrechts einhalten. (Beifall des Abg. Rainer Arnold [SPD]) Jede andere Unterstellung führt in die Irre. Ich sage an dieser Stelle: Die Unterstellung, dass wir alle nicht in der Lage wären, solche Situationen politisch einzuschätzen, kann ich nicht akzeptieren und sie ist auch falsch. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann beschaffen Sie keine Kampfdrohnen! Dann setzen Sie sich auch nicht diesem Verdacht aus!) Ich freue mich auch, dass die Ministerin deutlich gemacht hat, dass die Frage der Bewaffnungsfähigkeit, dass die Frage, wie wir international damit umgehen und wie andere damit umgehen, nach unseren politischen Maßstäben eindeutig abzulehnen ist. Das, was die USA und andere Länder machen, (Andrej Hunko [DIE LINKE]: Aber auch auf deutschem Boden!) entspricht nicht den Regeln, die wir einhalten wollen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich plädiere eher dafür, dass wir uns in der präventiven Rüstungskontrollpolitik intensiv mit dem Thema der Drohnen und damit, was sie darstellen, was sie tatsächlich sind, auseinandersetzen. Wir brauchen eine Regelung im Rahmen des KSE-Vertrages, um eine Begrenzung der Zahl der eingesetzten Drohnen europaweit durchzusetzen (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst kaufen wir sie und dann begrenzen wir sie wieder, oder was?) und ein Kontrollregime zu haben, welches prüft, was denn eigentlich in Europa mit diesen Systemen passiert. Wir brauchen eine Pflicht zur Anmeldung im Rahmen der Vereinbarungen des Wiener Dokumentes, weil wir so in der Lage sind, zu sehen, was unsere Bündnispartner europaweit eigentlich mit den Drohnen machen. Wir brauchen eine Verifikationsfähigkeit. Wir brauchen eine Anmeldung der Drohnen im UN-Waffenregister. Ihr Hinweis, dass sich der Außenminister vor wenigen Wochen dafür eingesetzt hat, im Hinblick auf autonome Systeme international vorzugehen, war richtig; aber es geht hier nicht um autonome Systeme, sondern um die Systeme, die in Europa entwickelt werden. Dies zu vermischen, ist politisch unredlich und, wie ich glaube, nicht zulässig. (Beifall bei der SPD) Wir haben internationale Verträge, von denen Drohnen und das, was sie leisten, bereits erfasst werden, ob es die Verträge zur Begrenzung der Chemiewaffen und der biologischen Waffen sind, in denen auf unbemannte Systeme Bezug genommen wird, die in diesem Kontext verboten sind, ob es um Verträge zu ballistischen Raketen und landgestützten Marschflugkörpern geht. Auch in diese sind UAVs aufzunehmen, denn sie gehören in das Regime dieser Verträge und können darin erfasst werden. Es ist ein Auftrag an die internationale Politik und an unsere Abrüstungspolitik, dafür zu sorgen, dass die Systeme, die da auf dem Wege sind, eingehegt und eingegrenzt werden und die geltenden Regeln letztendlich international durchgesetzt werden, nämlich die des humanitären Völkerrechtes. Bei uns gelten diese Regeln. Unsere Rules of Engagement, unsere Einsatzregeln, machen sehr deutlich, dass bei jeder menschlichen Entscheidung die Gebote der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel, der Zurechenbarkeit der Mittel und der Beschränkung der Mittel zur Anwendung kommen und zur Praxis gehören. Ich glaube, mit diesen Regeln sind wir in der Lage, alle Waffensysteme in einer Art und Weise einzusetzen, die mit dem Völkerrecht vereinbar ist. In diesen Regeln wird unterschieden, wie Flugzeuge, Hubschrauber und andere militärische Systeme zum Einsatz kommen können. Auch mich haben die technologischen Möglichkeiten und Entwicklungen erschreckt. Ich glaube, wir alle sind uns darüber einig, dass alle militärischen Systeme, ganz egal, welche es sind, dann nicht mit unseren Grundsätzen vereinbar sind, wenn sie letzten Endes nicht der Entscheidung des Menschen unterliegen. Sobald eine solche Situation eintritt, ist die Entwicklung solcher Waffensysteme abzulehnen. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann verhindern Sie den Einstieg! Ächten Sie Kampfdrohnen!) Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katharina Landgraf [CDU/CSU]) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unbemannten Systeme verändern die Kriegsführung massiv. Damit geht – das haben Sie, Frau Ministerin, gerade richtig beschrieben – ein großes Unbehagen in der Bevölkerung einher. Es lohnt sich, einmal genauer darauf zu schauen, warum dieses Unbehagen existiert und woher es eigentlich kommt, und das im 13. Jahr des War on Terror. Man muss nach Pakistan, nach Jemen, nach Somalia und auf die gezielten Tötungen schauen, die es dort gibt, die alle extralegal sind. Die USA sagen, dass diese Tötungen nicht extralegal seien, weil sie ein Recht auf Selbstverteidigung hätten. Nur führt diese Auslegung des Rechts auf Selbstverteidigung in der Praxis zu einer Entgrenzung des Krieges. Pakistan. Seit zehn Jahren gab es dort Angriffe; man schätzt die Zahl konservativ auf 350. Es gab mindestens 2 500 Tote, darunter 950 Zivilisten und 200 Kinder. Allem voran wurden Gebiete in Nordwasiristan getroffen. Die Operationen werden von der CIA geführt; sie werden gar nicht vom Militär geführt. Die Praxis ist, dass alle erwachsenen Männer in der Umgebung eines vermeintlichen Terroristen auch Terroristen sein müssten; dementsprechend wird dort gehandelt. Das hat nicht nur mit dem Völkerrecht nichts zu tun, sondern hat auch eine fatale Folge, nämlich dass viele Menschen den Radikalen zulaufen, gerade weil sie – das zeigen viele Studien aus den Gebieten – diese Praxis ablehnen und die Symbolik des Einsatzes von Drohnen, nämlich David gegen Goliath, sie dazu antreibt, zu Extremisten zu werden. Das ist eine fatale Entwicklung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Schauen wir nach Jemen. Auch dort gibt es regelmäßig Angriffe; es gab bis zu 500 Tote. Die Mär, dass Drohnen ja so unglaublich präzise seien, ist auch dort das eine oder andere Mal auf tragische Art und Weise entkräftet worden, beispielsweise im Dezember 2013: Ein Autokonvoi wurde angegriffen. Es wurden Al-Qaida-Kämpfer darin vermutet, aber es war eine Hochzeitsgesellschaft. Es gab 12 Tote und 15 Schwerverletzte. Sie haben von Unbehagen gesprochen. Es stellt sich die Frage, ob diese Art und Weise der Auslegung des Völkerrechts eine rein amerikanische Geschichte ist, ja oder nein. Frau Ministerin, Sie haben gesagt: Extralegale Tötungen lehnen wir ab. – Das ist ein Satz, den wir alle sofort unterschreiben würden. Die Frage ist nur: Wie, wer und vor allem wann wird das einmal gegenüber den Amerikanern formuliert? Wann wird endlich den amerikanischen Freunden gesagt, dass diese Praxis komplett indiskutabel ist? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Eine vorläufige Antwort darauf gab es am 28. März dieses Jahres. Pakistan und Jemen haben eine Resolution in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingebracht, mit der sie nichts anderes wollten, als Transparenz in Bezug auf Drohnenangriffe herzustellen. Diese Resolution ist zwar angenommen worden, aber die USA haben dagegen gestimmt, und Deutschland hat sich enthalten. (Zuruf von der LINKEN: Pfui!) Das ist nicht unbedingt eine Maßnahme, die Vertrauen schafft. So können wir nur schwer glauben, dass der Satz: „Wir lehnen extralegale Tötungen ab“, auch tatsächlich umgesetzt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Es ist immer wieder berichtet worden, dass AFRICOM in Stuttgart der Auswahl und Identifikation von Zielen in Afrika dient. Da reden wir eindeutig von extralegalen Tötungen und Völkerrechtsbruch. Die territoriale Souveränität von Staaten wird verletzt; das wird aber gegenüber den USA nicht angesprochen. AFRICOM geht von deutschem Boden aus. Das heißt, es ist nicht nur völkerrechtswidrig, sondern es verstößt auch gegen deutsches Recht. Wir müssen leider feststellen, dass die Bundesregierung vor dieser Tatsache ganz fest die Augen verschließt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Der Drohnenpilot Brandon Bryant, der sehr exponiert über seine Erfahrungen spricht, sagt, dass Ramstein für den US-Drohnenkrieg in Pakistan und im Jemen so etwas wie die Relaisstation sei und dass die dortige Radaranlage für die Angriffe von zentraler Bedeutung sei. Auch das ist mit deutschem Recht nicht vereinbar. Als Präsident Obama in Deutschland war, wurde er, wenn ich das richtig sehe, lediglich von Journalisten darauf angesprochen. Seine Antwort war nicht, dass das passiert, er sagte nur, dass die Planungen nicht von deutschem Boden ausgehen; das hat aber vorher auch niemand behauptet. Es ist tragisch, dass niemand nachgefragt hat und dass die deutsche Bundesregierung einfach weghört, nur weil das Thema nicht angenehm zu sein scheint. Das ist der Grund für das genannte Unbehagen. Das ist der zentrale Grund dafür, dass wir nicht daran glauben – auch wenn es immer wieder gesagt und auch in Koalitionsverträge hineingeschrieben wird –, dass extralegale Tötungen tatsächlich abgelehnt werden. Die Umgehungsmöglichkeiten sind einfach immens. Von der Bundesregierung gehen auch keinerlei Aktivitäten aus, die glaubhaft machen würden, dass es keine Umgehung geben wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ferngesteuerte Luftfahrzeuge, wie der Heron, den wir in Afghanistan einsetzen, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sagen Sie doch einmal „Drohnen“!) sind bereits heute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung und zum effektiven Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Vorgestern haben wir in einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses erörtert, ob es Sinn macht, unsere Streitkräfte auch mit einer bewaffnungsfähigen Drohne auszurüsten. Ich möchte hierzu Folgendes anmerken. Der Wehrbeauftragte und die Vertreter der Bundeswehr haben ein eindeutiges Plädoyer für die Beschaffung bewaffneter Drohnen abgegeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten auf unsere Soldaten hören; denn sie sind es, die von diesem Parlament in Einsätze geschickt wurden und ganz sicher auch zukünftig in Einsätze geschickt werden. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wie kommen Sie denn darauf?) Unsere Soldatinnen und Soldaten sind diejenigen, die schwierigste Situationen meistern müssen und im schlimmsten Fall unter Beschuss stehen. Wir hier im Deutschen Bundestag tragen gerade deshalb ein hohes Maß an Verantwortung für diese Männer und Frauen, deren Leib und Leben bedroht sein könnten. (Beifall bei der CDU/CSU – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Sehr richtig, das heißt aber nicht, Drohnen zu kaufen!) Für mich wäre es nicht nachvollziehbar, wenn die Truppe im Einsatz Fähigkeitslücken hinnehmen müsste, die ihre Sicherheit unnötig gefährden würden. Das darf erst recht nicht geschehen, wenn sich in Konfliktregionen weder terroristische Kräfte noch Kombattanten an Regeln des humanitären Völkerrechts bzw. des Kriegsvölkerrechts halten. Wenn ich das sage, habe ich ebenso wie viele Kolleginnen und Kollegen Bilder aus Afghanistan vor Augen: Angriffe mit hinterhältigsten Sprengfallen und Feuerüberfälle aus dem Hinterhalt. Es ist nicht richtig, wenn behauptet wird, dass derzeit keine Szenarien für den Einsatz von Drohnen erkennbar sind. Der Frieden in vielen Teilen der Welt ist fragil oder bedroht. Die Aufträge, die dieses Parlament an die Bundeswehr vergeben hat oder noch vergeben wird, sind vielfältig. Einsatzszenarien – das lehrt uns die jüngste Geschichte – können sich sehr schnell ändern. Bewaffnete Drohnen liefern gerade in diesen möglichen asymmetrischen Konflikten präzise Aufklärungsergebnisse in Echtzeit und, falls erforderlich, eine schnelle Bekämpfung identifizierter Angreifer. Das ist durch herkömmliche Luftnahunterstützung nicht oder nur sehr bedingt zu gewährleisten. Eine bewaffnete Drohne wäre nach den bekannten Einsatzregeln schon heute ein rein defensives Waffensystem, und zwar ausschließlich. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selbst nicht!) – Das glaube ich sehr wohl; denn diese Bundeswehr agiert mit defensiven Waffensystemen und reagiert nur, wenn unsere Kameradinnen und Kameraden angegriffen werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass sich im Zweifelsfall durch präzise Aufklärungsergebnisse unerwünschte Kollateralschäden am ehesten vermeiden lassen. Ich sehe nicht die Gefahr einer Ausweitung oder Entgrenzung von Waffengewalt. Hinter jeder Drohne – auch das führte die Ministerin aus – steht ein Team aus erfahrenen Piloten und Aufklärern, das jede Entscheidung nach klar definierten Einsatzregeln sorgsam abwägen muss. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Kunduz!) Wer die Innere Führung und den Geist der Bundeswehr kennt, weiß, dass sie in der Vergangenheit stets überaus restriktiv und verantwortungsvoll, wenn nötig auch entschlossen mit ihren Mitteln umgegangen ist. Deshalb haben unsere Soldaten das von der Opposition teilweise artikulierte Misstrauen wirklich nicht verdient. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die bisherigen Einsatzerfahrungen und rechtlichen Rahmenbedingungen, an die alle deutschen Soldaten im Einsatz gebunden sind, rechtfertigen Zweifel jedenfalls nicht. Eine durchaus berechtigte Frage, gerade hier im Parlament, ist, wie bewaffnete Drohnen in Konflikten eingesetzt werden sollen. Es ist gar keine Frage – auch das ist mehrfach betont worden –: Völkerrechtswidrige Einsätze sind kategorisch abzulehnen. Wir sprechen uns für eine Ächtung von automatisierten Systemen aus. Gerade deshalb rate ich den Damen und Herren der Opposition: Streichen Sie das Bild der Killerdrohne aus Ihrem Kopf. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Sie wollen es streichen!) Das ist nicht das, worüber wir hier heute reden, und das ist auch nicht das, was wir wollen. Wer unsere Bundeswehr in Auslandseinsätze schickt und diesen notwendigen Schutz verweigert, versündigt sich an Soldatinnen und Soldaten. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun wir nicht! Das ist einfach nicht fair!) Das sagte nicht nur der Wehrbeauftragte in der Anhörung vorgestern, das sage auch ich. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Gabi Weber, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Gabi Weber (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich hatte eigentlich vor, meine Rede damit zu beginnen, das, was den Kolleginnen und Kollegen von der Bundeswehr hier unterstellt wird – die Bundeswehr würde handeln wie die USA; das kommt in vielen Debattenbeiträgen rüber –, zurückzuweisen. Nach Ihrer Argumentation, Herr Gädechens, ist das für mich allerdings ein bisschen schwierig. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Strengen Sie sich an, Frau Kollegin!) Deshalb konzentriere ich mich jetzt erst einmal auf das, was ich ansonsten vorbereitet habe. Der Ablauf dieser Debatte zeigt mir, dass es notwendig ist, diese Debatte zu versachlichen; denn mit emotionalen Vorwürfen kommen wir in dieser Frage einfach nicht weiter. (Beifall bei der SPD – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Es sind keine emotionalen Vorwürfe, sondern sachliche!) Deshalb geht es mir wirklich darum, das an einigen Stellen klarzustellen, damit wir nachher weniger aufgeregt und stärker an der Sache orientiert über die politische Frage diskutieren können, ob, und, falls ja, welche, Luftfahrzeuge die Bundesregierung beschaffen oder mieten soll. Worum geht es denn eigentlich? In Afghanistan setzt die Bundeswehr seit 2010 drei israelische Aufklärungsdrohnen ein. Diese unbemannten Flugzeuge – ich sage bewusst: Flugzeuge – (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, ja!) werden von mehreren Piloten aus einem Kommandostand am Boden gelenkt. Ihre Aufgabe ist es, über einen längeren Zeitraum, bis zu 24 Stunden, einen Ort oder eine Region zu überwachen. Sie beschaffen Informationen, was dort vorgeht und wie die Lage ist. Das ist notwendig, um beispielsweise Bundeswehrpatrouillen nicht in einen feindlichen Hinterhalt geraten zu lassen oder um Straßen zu überwachen und gegebenenfalls Sprengladungen, die dort vergraben wurden, ausfindig und unschädlich zu machen. Die drei unbemannten Luftfahrzeuge wurden zunächst für drei Jahre gemietet, der Vertrag wurde dann mehrmals verlängert. Ab Mai 2015 benötigt die Bundeswehr eine Nachfolgelösung, damit die militärische Fähigkeit, eigene Bilder und Erkenntnisse zu bekommen, erhalten bleibt. Logischerweise ist diese Nachfolgelösung auf einem technisch höheren Niveau als bisher, damit verbunden auch bewaffnungsfähig. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Also muss man Nein sagen!) Aber nur, weil sie bewaffnungsfähig ist, heißt das doch nicht, dass man sie auch bewaffnen muss. Diese Automatismen muss man einfach zurückweisen. Da haben Sie eine Schere im Kopf, die sollten Sie entfernen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Unserer Meinung nach müssen die nicht bewaffnet sein. Vielmehr sollen sie wie bisher, allerdings mit einer besseren Qualität, im Rahmen von Bundeswehreinsätzen in Konfliktgebieten Aufklärung zum Nutzen der eigenen Soldaten und der Zivilbevölkerung leisten. Darüber hinaus benötigt diese Debatte einige weitere Klarstellungen. Konkret: Worum geht es denn nicht? Wenn es um die Bewaffnung geht, wird argumentiert, die eigenen Soldaten müssten aus der Luft unterstützt werden. Verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch. Wir tragen natürlich die Verantwortung, unsere eigenen Soldaten und Soldatinnen in den Einsätzen zu schützen, in die wir sie per Bundestagsbeschluss entsenden. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sehr gut!) Wir besitzen aber doch bereits entsprechende Flugzeuge und Hubschrauber, die für viel Geld beschafft wurden. Diese sind nicht zum Anschauen da, sondern um sie gegebenenfalls einzusetzen, um genau diesen Schutz zu gewährleisten. Das sollten wir in der Diskussion nicht ausblenden, wenn wir jetzt so tun, als ob es darum geht, eine riesige Fähigkeitslücke zu schließen, damit die Soldaten und Soldatinnen dort gesichert sind. Sie sind es. Wir sollten deshalb erst noch einmal genau überprüfen, was wir haben und ob damit nicht die gewünschte Aufgabe viel besser schon jetzt erfüllt werden kann. Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, über den wir in absehbarer Zeit nicht entscheiden werden, den wir aber in jedem Fall zügig angehen müssen. Auch der Nachfolger der aktuell genutzten Heron-Drohne wird pilotengesteuert fliegen, höchstens teilautonom bei längeren Strecken. Bezogen auf reine Flugmanöver ist gegen Autonomie nichts zu sagen. Seit Jahren steuern Autopiloten Verkehrsflugzeuge automatisch und sicher zum nächsten Flughafen. Aber bei dem Gedanken, dass ein Computer darüber entscheiden soll, ob eine Waffe abgefeuert wird, und dies auch tatsächlich durchführt, stellen sich mir allerdings die Nackenhaare auf. (Beifall bei der SPD) Dies halten wir für absolut nicht sinnvoll. Dies lehnen wir ausdrücklich ab und wollen wir international geächtet sehen. (Beifall bei der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das könnt ihr beim nächsten NATO-Gipfel gleich machen!) Nicht nur die Frage der Verantwortung bliebe dann unbeantwortet, sondern es wäre auch höchst unethisch, wenn eine Maschine selbsttätig über Gewalt gegen Menschen entscheiden würde. Die letztendliche Entscheidung muss immer bei einem Menschen liegen. Daher muss sich die Bundesregierung jetzt international engagieren, um eine Ächtung von autonom agierenden Waffensystemen zu erreichen. Die bisher vorbereitenden Ansätze, im Rahmen des Übereinkommens über konventionelle Waffen, CCW, ein Verbot zu erreichen, stimmen mich an dieser Stelle positiv. Ich denke, wir sollten in dieser Debatte die Emotionen ein Stück weit herausnehmen und die Kirche im Dorf lassen. Wenn es um die Bewaffnung von Drohnen geht, bin ich aus den vorgenannten Gründen sehr skeptisch. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Die Kirchen würden sowieso Nein sagen!) Aber im Herbst steht eine Entscheidung über moderne unbemannte Überwachungsflugzeuge bevor, wie gesagt, nicht weniger, aber auch nicht mehr. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Florian Hahn (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten ja am Montag die Anhörung. Im Vorfeld wurde öfters die Frage gestellt, ob denn diese Anhörung überhaupt zweckmäßig ist, weil doch sowieso die meisten Abgeordneten schon eine feste Meinung haben, was die Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen angeht. (Andrej Hunko [DIE LINKE]: Nein, aber das Verteidigungsministerium!) Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es in der Tat auch bei mir so ist, dass ich schon vorher eine feste Meinung hatte (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das überrascht mich jetzt aber sehr!) und dass diese Anhörung daran auch nichts geändert hat. Aber ich glaube, dass diese Anhörung trotzdem sehr wichtig war, nicht nur, weil sie interessant war, sondern auch, weil sie die Erkenntnisse vertieft und weil sie vor allem – das ist der eigentliche Wert – zu einer Entdämonisierung dieses Themas und zur Versachlichung beigetragen hat; das kann man in der Berichterstattung der Medien gut nachlesen. Deswegen war diese Anhörung sehr wichtig. Sie hat auch Klarheit und Schärfe gebracht, wenn es darum geht, welche Begriffe wir eigentlich benutzen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Wir reden oft von „unbemannten Systemen“. Dieser Begriff ist falsch. Warum ist dieser Begriff falsch? Weil er suggeriert, dass der Mensch aus diesem System herausgenommen wird. Genau das ist bei einer Drohne, so wie wir über sie gesprochen haben, eben nicht der Fall. Der Mensch ist weiter im System drin. Es ist deswegen auch nicht in Ordnung, wenn man über Vollautomatisierung oder autonome Systeme spricht, so zu tun, als handele es sich um Computerspiele oder als stünde ein Roboterkrieg kurz bevor. Das ist der Teufel, der an die Wand gemalt wird. Das ist unverantwortlich. Das sollten wir unterlassen. Diese Anhörung hat außerdem eines deutlich gemacht: Neubewertungen nach ethisch-moralischen Standards sind in diesem Fall nicht nötig. Es gibt keinen substanziellen Unterschied zwischen den altbekannten Lenkwaffen, die beispielsweise von Schiffen oder Hubschraubern aus eingesetzt werden, und Drohnen, so wie wir über sie gesprochen haben. Denn in beiden Fällen entscheidet ein Mensch bzw. entscheiden Menschen über einen Einsatz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beschaffung von Drohnen ist auch eine Frage der Verantwortung nach innen und nach außen: nach außen, weil es auch darum geht, unseren Bündnispartnern Schutz und Unterstützung zu gewähren – gerade hier sind wir als große Wirtschaftsnation in einer besonderen Verantwortung –, und nach innen, weil wir eine Fürsorgepflicht für unsere Soldaten haben. Das heißt, wir sind dafür verantwortlich und verpflichtet, unseren Soldatinnen und Soldaten die beste Ausrüstung, die möglich ist, zu geben. Wir sind auch verpflichtet, das Risiko für unsere Soldatinnen und Soldaten so gering wie irgend möglich zu halten, wenn wir sie in einen Einsatz schicken. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann bringen Sie die Bundeswehr nicht in einen asymmetrischen Krieg hinein!) Ein wichtiger Aspekt von verantwortlicher, verantwortungsbewusster Sicherheitspolitik ist Unabhängigkeit. Deshalb ist es richtig, nicht nur über die Beschaffung eines solchen Systems zu diskutieren, sondern auch zu überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, diese Entwicklungen selbst durchzuführen, um die Technologie zu verstehen und beherrschen zu können. Verantwortliche Politik heißt auch, die Beschaffung nicht nur nach aktueller Lage zu planen, sondern auch an das Unwahrscheinliche zu denken, meine Damen und Herren, weil wir sonst immer zu spät dran sind. Afghanistan ist ein gutes Beispiel dafür. Niemand hat vor dem 11. September 2001 an einen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gedacht oder sich dieses Szenario vorstellen können. Deswegen war die Bundeswehr nicht gut ausgerüstet, als sie in diesen Einsatz gegangen ist. Es hat – wir mussten das leidvoll erfahren – viele Jahre gebraucht, bis wir ausreichend nachgerüstet haben. Übrigens, die Zurverfügungstellung von Kampfhubschraubern und die Zurverfügungstellung der Panzerhaubitzen haben mehr Sicherheit gebracht und natürlich auch die Wirkungsmöglichkeiten erhöht. Aber das hat nicht dazu geführt, dass unsere Soldatinnen und Soldaten unverantwortlich oder gar enthemmter gehandelt hätten. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht ein Waffensystem begeht den Bruch von Völkerrecht, sondern diejenigen, die das System rechtswidrig einsetzen. In Anbetracht des Parlamentsvorbehalts und mit Blick auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich überhaupt keine Sorge, dass wir Gefahr laufen, solche Systeme völkerrechtswidrig einzusetzen, mit Blick auf unsere Bundeswehr erst recht nicht. Unsere Soldatinnen und Soldaten handeln seit Jahren und Jahrzehnten verantwortungsbewusst und nicht leichtfertig oder gar enthemmt. Darauf können die Soldatinnen und Soldaten stolz sein, und wir können auf unsere Soldatinnen und Soldaten stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Abschließend möchte ich sagen: Es ist richtig, in die Entwicklung von ferngelenkten, bewaffnungsfähigen Drohnen zu gehen. Bewaffnungsfähig heißt: Die Drohne kann, aber muss nicht bewaffnet sein. Drohnen können unsere Soldatinnen und Soldaten schützen. Die Entwicklung derartiger Drohnen macht Europa, macht Deutschland von anderen unabhängig. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als letzter Rednerin in dieser Aktuellen Stunde erteile ich das Wort der Abgeordneten Gisela Manderla, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Gisela Manderla (CDU/CSU): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Nach der Anhörung am Montag und nach der heutigen Debatte, nach der ganzen Bandbreite von Pro- und Kontraargumenten bezüglich der Beschaffung ferngesteuerter, bewaffnungsfähiger Luftfahrzeuge, möchte ich meinen Beitrag mit einer persönlichen Schilderung beginnen. Bei meinem ersten Besuch unseres Kontingents in Afghanistan mussten wir in Termes einen Zwischenstopp einlegen. In der Dämmerung fiel mir auf, dass über dem dortigen Stützpunkt weiße Zeppeline schwebten. Ich habe mich dann nach ihrer Funktion erkundigt und erfuhr, dass diese Ballons mit Kameras ausgerüstet sind, um die weitere Umgebung des Lagers zu kontrollieren und mögliche Bedrohungen, etwa die Platzierung von Sprengfallen an den Zufahrtsstraßen, frühzeitig zu erkennen. Mein zentraler Gedanke in diesem Moment war: Gut, dass es diese Vorrichtung gibt, um unsere Soldatinnen und Soldaten entsprechend vorzuwarnen und sie dadurch effektiv zu schützen. Jetzt könnten sich Teile dieses Hauses aufregen und sagen: Ein Zeppelin ist doch keine Drohne! – Das stimmt; aber was ich damit sagen will: Im Grundsatz stehen wir bei der Ausstattung unserer Einsatzkontingente immer vor der gleichen Frage: Welche Maßstäbe, welche Leitprinzipien legen wir bei der Entsendung unserer Soldatinnen und Soldaten an? An dieser Stelle sage ich ganz deutlich: Die Sicherheit, der Schutz unserer Frauen und Männer im Einsatz, hat oberste Priorität. Das dürfen wir nie aus den Augen verlieren, liebe Kollegen und Kolleginnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Flankiert wird dieses Leitmotiv, dieser Grundgedanke, von zwei weiteren Eckpfeilern: Das ist einerseits die Auftragserfüllung und andererseits die Einhaltung der Einsatzregularien, der sogenannten Rules of Engagement. Wenn man die Debatte um die Anschaffung von ferngesteuerten, bewaffnungsfähigen Luftfahrzeugen nun einmal auf dieses Spannungsdreieck, auf diese drei Grundprinzipien projiziert, kommt man nach meiner Einschätzung zu einem eindeutigen Ergebnis. Erstens kann in Zeiten asymmetrischer Kriege und immer komplexer werdender Gemengelagen in Konfliktregionen jeder Schritt zum Risiko, jedes Objekt zur Gefahr werden. Denn eines ist klar: Unsere Gegner halten sich an keine Regeln, kein Grundgesetz und auch kein Völkerrecht; das ist traurige Realität, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Wir auch nicht!) Wenn man sich mit einsatzerfahrenen Soldaten und Soldatinnen unterhält und diese aus Gefechtssituationen berichten, wird einem schnell klar, dass unmittelbare Präsenz von Luftunterstützung von enormer Bedeutung ist; denn die direkte Projektion militärischer Mittel in einem Einsatzraum hat auf gegnerische Kräfte immer eine abschreckende Wirkung. Zweitens schließt sich hier unmittelbar an, dass unsere Soldatinnen und Soldaten ihre Aufträge schneller und sicherer und damit besser erfüllen können, wenn sie ein breites Fähigkeitsspektrum zur Verfügung haben und flexibel auf Bedrohungslagen reagieren können. Drittens nun zu dem Punkt, den die Opposition emotional besonders aufgeladen hat: Von extralegalen Tötungen war hier die Rede oder gar von der Anschaffung von Killerrobotern. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist doch so!) Liebe Kollegen und Kolleginnen, die Bundeswehr hat – das ist ja wohl unstrittig – mit die strengsten Einsatzgrundsätze weltweit. Dies gilt insbesondere für den Einsatz von Waffengewalt. Es glaubt doch wohl niemand ernsthaft, dass die Bundeswehr ausgerechnet mit diesem Waffensystem anders umgeht als mit allen anderen zuvor. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sowohl in der Anhörung am Montag als auch heute, im Rahmen dieser Debatte, ist mehrfach betont worden, dass es sich bei den Systemen eben nicht um autonom handelnde Roboter handelt, sondern um reguläre, von Soldaten gesteuerte Waffensysteme. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Ja! Aber es wird der Einstieg sein!) Vor diesem Hintergrund gelten für ihren Einsatz natürlich die gleichen Regeln, die gleichen Grundsätze und die gleichen Befehlsketten. Insofern kann ich im Einsatz dieser militärischen Mittel keine neue Dimension oder Qualität erkennen und erst recht kein Ausscheren aus unseren rechtlichen Einsatzgrundlagen. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich komme zum Schluss. Es geht bei der Anschaffung dieser Waffensysteme darum, unseren Streitkräften einen zusätzlichen, wirkungsvollen, sehr mobilen und schnell einsetzbaren Baustein zur Erweiterung ihres Fähigkeitsspektrums an die Hand zu geben. Wir als mandatierendes Parlament haben eine besondere Verantwortung und Fürsorgepflicht gegenüber unseren Soldaten und Soldatinnen (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Deswegen stimmen wir auch dagegen!) und dürfen uns dieser Verantwortung daher überhaupt nicht entziehen. Gestatten Sie mir abschließend eine grundsätzliche Bemerkung: (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Oh ja, jetzt wird es spannend!) Wer sich die Debatten heute und auch am Montag genau angesehen hat, der stellt fest, dass die fast reflexartige und in Teilen hysterische Panikmache der Opposition (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da Sie das vorher aufgeschrieben haben, scheint das ja wirklich eine Reaktion auf die Debatte zu sein!) nichts anderes als ein durchsichtiger Versuch ist, einen weiteren Keil zwischen unsere Streitkräfte und unsere Zivilgesellschaft zu treiben. Das ist mit uns als CDU/CSU-Fraktion nicht zu machen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht!) Vizepräsident Peter Hintze: Ich schließe die Aussprache. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Frank Tempel und weiterer Abgeordneter Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksachen 18/1475, 18/1948 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Als erster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, nach mehreren Sondersitzungen des Innenausschusses und parlamentarischen Anfragen zu diesem Thema, die – das muss man ja leider sagen – immer neue Fragen und Zweifel aufgeworfen haben, Zweifel am BKA hinsichtlich der langwierigen Bearbeitung des kinderpornografischen Materials aus Kanada und Zweifel hinsichtlich der Weitergabe von Informationen durch das BKA an die Bundesregierung und auch an die Spitze der SPD, kann die Arbeit nun endlich beginnen. Darauf aufbauend stellt sich die Frage, ob, wann und durch wen der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy möglicherweise frühzeitig von diesen Ermittlungen gegen ihn erfahren hat. Es gilt nun, all das so gut es geht aufzuklären. Das ist unser parlamentarischer Auftrag, und ich bin sehr froh, dass auch die Union und die SPD diesen Auftrag in den letzten Wochen für sich erkannt zu haben scheinen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Das ist auch gut; denn das ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, und es ist nicht unsere Aufgabe, eine Mauer um die Vorgänge in der Bundesregierung und in den Bundesbehörden aufzubauen. Unser Mandat ist hier eindeutig die parlamentarische Kontrolle von Regierungs- und Behördenhandeln, wenn es eine Bundeszuständigkeit gibt, und dem kommen wir jetzt nach. Gestatten Sie mir die Bemerkung: Wenn alle Fraktionen diesem aufklärerischen Leitbild in den Sitzungen des Innenausschusses schon von Anfang an gefolgt wären, dann müssten wir diesen Untersuchungsausschuss heute womöglich nicht einsetzen. Wir möchten jetzt aber auch nach vorne schauen, und dafür war die fachlich fundierte Debatte über die genaue Abfassung des Untersuchungsauftrages wirklich eine sehr gute Grundlage. Wir haben dabei Missverständnisse ausgeräumt, Formulierungen konkretisiert und Konfliktpunkte weitestgehend beseitigt. Übrig geblieben sind die drei Grundsäulen des ursprünglichen Antragstextes: Wir befassen uns jetzt mit den Vorgängen beim BKA von dem Zeitpunkt an, als das kinderpornografische Material aus Kanada im November 2011 an das BKA übergeben worden ist. Wir werden genau schauen, wer wann Einblick genommen hat und nehmen konnte und wie sich die Bearbeitung genau vollzogen hat. Wir befassen uns mit der Frage, ob, wann und durch wen der ehemalige Bundestagsabgeordnete Edathy von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizeibehörden erfahren hat oder über einzelne Ermittlungsschritte informiert war. Das wird natürlich nicht einfach zu klären sein; das ist uns auch klar. Wir wollen aber den mutmaßlichen Personenkreis so gut es geht einengen, damit wir dadurch den konkreten politischen Handlungsbedarf ermitteln können. Also, die Frage ist: Was kann, was muss hier in Zukunft besser und anders laufen? Außerdem werden wir uns auch mit dem BKA-Beamten befassen, dessen Name auf der kanadischen Kundenliste stand. Dabei geht es uns ganz ausdrücklich nicht um die Person dieses einzelnen Beamten; Sie haben den Persönlichkeitsrechtsschutz angesprochen. Wir wollen aber wissen: Wie und vor allem wie begründet sind BKA und Bundesregierung disziplinarrechtlich mit ihm umgegangen? Auch interessiert uns natürlich die Frage, ob dieser Beamte in der Bearbeitungsstruktur des BKA vielleicht Möglichkeiten hatte, vorab an für ihn wichtige Informationen zu kommen. All diese Stränge werden wir nun sehr sorgfältig aufarbeiten. Es ist gut, dass wir noch vor der Sommerpause loslegen und das Aktenmaterial anfordern können. Dann können wir im Herbst mit der Befragung der Zeugen beginnen. Vielleicht gelingt es uns ja, der neuen BKA-Präsidentin oder dem neuen BKA-Präsidenten schon zu Beginn der Amtszeit eine Empfehlung mit auf den Weg zu geben. Eine Empfehlung kann man schon jetzt abgeben: Wer auch immer das Amt übernehmen sollte, der sollte, anders als der amtierende BKA-Präsident, das Interesse des Parlaments und der Öffentlichkeit an der Arbeit des BKA und an den Sicherheitsbehörden nicht als lästige Pflichtübung abtun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Transparenz und der Wille zur Kooperation sollten selbstverständlicher Teil des Amtsverständnisses sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte hier allen Beteiligten für die konstruktive Mitarbeit am Untersuchungsauftrag noch einmal sehr herzlich danken. Ich wünsche uns allen eine gute, kooperative und umfassende Aufklärungsarbeit. In diesem Zusammenhang ganz herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit der Einsetzung des zweiten Untersuchungsausschusses der laufenden Legislaturperiode. Das ist gewissermaßen der erste richtige Anwendungsfall der neu in die Geschäftsordnung aufgenommenen Bestimmung. Die formalen Voraussetzungen für die Einrichtung dieses Untersuchungsausschusses liegen nach unserer Überzeugung vor. Die erforderliche Zahl von Abgeordneten – erforderlich sind 120 Abgeordnete – hat das entsprechende Petitum unterzeichnet. Wir haben im Geschäftsordnungsausschuss über den Text des Untersuchungsgegenstandes intensiv beraten. Der zunächst vorliegende Entwurf war nach unserer Überzeugung aus einer Vielzahl von Gesichtspunkten heraus problematisch. Das galt etwa für die Frage, ob der Untersuchungsgegenstand eigentlich hinreichend bestimmt ist. Das galt für die Frage, ob die Grundrechte der Betroffenen gewahrt sind. Das galt aber auch für die Frage, ob die Zahl der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses die Mehrheitsverhältnisse dieses Parlamentes widerspiegelt. Wir haben uns über all diese Fragen in den vergangenen Tagen und Wochen ausgetauscht. Wir haben aus meiner Sicht einen Untersuchungsgegenstand definiert, der den Vorgaben der Verfassung Rechnung trägt. Das ändert nichts daran, dass wir als CDU/CSU-Fraktion im Augenblick nicht erkennen können, warum es dieses Untersuchungsausschusses wirklich bedarf. Wir sind da aber sehr offen. Wir werden deshalb heute nicht dagegen stimmen, sondern wir werden uns enthalten. Wir müssen aber schon zur Kenntnis nehmen, dass im Innenausschuss die in Rede stehenden Vorgänge intensiv debattiert wurden, eine Vielzahl von Fragen gestellt wurde und der BKA-Präsident immer wieder befragt wurde. Deshalb ist aus unserer Sicht im Augenblick nicht erkennbar, was der Untersuchungsausschuss an neuen Erkenntnissen tatsächlich zutage fördern kann. Das ändert aber nichts daran, dass er nun seiner Aufgabe nachgehen kann. Nachdem sich dieses Thema einige Monate hingezogen hat, ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Klamaukveranstaltung wird, sondern dass es zu einer sachlichen Aufklärung kommt. Das wünsche ich allen Beteiligten. Ich glaube, unter dem Vorsitz der Kollegin Dr. Högl ist der Untersuchungsausschuss in besten Händen. (Dr. Eva Högl [SPD]: Danke schön!) Wir sehen für diesen Untersuchungsausschuss immerhin die Perspektive und die Chance, dass er die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema richten möge, das eigentlich dahintersteht. Wir haben im Zusammenhang mit der Edathy-Affäre erlebt, was es in diesem Land an Missständen im Bereich der Kinderpornografie gibt. Das ist intensiv diskutiert worden. Wir sind allerdings in der Politik in den letzten Jahren bei diesem Thema nicht wirklich weitergekommen. Ich glaube, wir sollten uns bei aller Notwendigkeit zu Aufklärung und Diskussionen in dem Untersuchungsausschuss immer wieder das unermessliche Leid der betroffenen Kinder vergegenwärtigen, um das es in den Fällen der Kinderpornografie geht. Es geht nicht darum, dass man etwas konsumiert, sich etwas anhört oder anschaut wie eine Videokassette oder eine CD. Es geht vielmehr darum, dass von Teilen der Gesellschaft etwas konsumiert wird, was davor unter schwersten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen an unschuldigen Kindern produziert wurde. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist kein Ruhmesblatt für die Politik in Deutschland, dass wir in diesem Bereich in den letzten Jahren nicht vorangekommen sind. Für uns als CDU/CSU-Fraktion ist es wichtig, dass wir vor allen Dingen in zwei Feldern Fortschritte machen. Zum einen müssen wir die entsprechenden strafrechtlichen Vorgaben novellieren, damit Verhalten, das in schwerster Form in die Rechte der verletzten Kinder eingreift, auch bestraft werden kann. Zum Zweiten muss die Polizei mit den Instrumenten ausgestattet werden, die sie benötigt, um diese Verbrechen aufzuklären. Leider ist die Polizei derzeit in vielen Fällen nicht in der Lage, weil sie keine entsprechende Handhabe hat, gerade diese schlimmen Straftaten, die im Internet begangen werden, aufzuklären. Lassen Sie uns das nicht vergessen. Das ist nach meiner festen Überzeugung im Interesse der betroffenen Kinder noch hundertmal wichtiger als dieser Untersuchungsausschuss. Ich danke noch einmal allen, die konstruktiv an der Vorbereitung mitgewirkt haben. Das gilt auch für die Fraktionsmitarbeiterinnen und mitarbeiter, die sehr engagiert zu Werke gegangen sind. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Frank Tempel für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussionen rund um den Fall Sebastian Edathy bewerten wir sicherlich alle sehr unterschiedlich. Aber in der Öffentlichkeit ist erneut der Eindruck entstanden, dass für herausgehobene Politiker bei Strafverfahren Sonderregelungen gelten. Bis heute steht die Frage im Raum, ob Sebastian Edathy eine Vorwarnung erhielt. Die Presse fragt nach wie vor immer wieder danach. Es steht auch die Frage im Raum, ob die Ermittlungen mit Blick auf die Bundestagswahl und die darauf folgende Regierungsbildung zurückgehalten wurden, um den Skandal abzuwarten. Über diese Diskussionen sind dann noch weitere Fragen aufgetaucht, zum Beispiel, warum es im Bundeskriminalamt bei einem Großverfahren zu kinderpornografischem Material grundsätzlich so lange dauert, bis Ermittlungen in Gang kommen. Ist es Nachlässigkeit, oder fehlt es vielleicht an Ausstattung oder Personal? Muss man hier nachjustieren? Wie breit ist der Kreis derer, die Zugang zu sensiblen Daten haben? Sind die Datenschutzmechanismen gerade in solchen Verfahren ausreichend? Ich bin mir sicher, dass irgendwann auch der Letzte begreift, dass durch solche Fragen das BKA nicht etwa an den Pranger gestellt wird, sondern dass Mechanismen überprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden sollen. Das ist übrigens unsere verfassungsmäßige Aufgabe, nicht wahr, Herr Schuster? Ich habe von Ihrem Pressegespräch heute gelesen. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war wirklich unnötig!) Als Parlament haben wir eine Kontroll- und Aufsichtspflicht gegenüber der Exekutive. Das ist unsere Aufgabe, der wir im Innenausschuss, aber auch im Untersuchungsausschuss nachkommen dürfen. Ich möchte aber noch einmal betonen, auch um Missverständnisse zu vermeiden, dass wir nicht die Aufgabe der Justiz übernehmen wollen. Das heißt, im Untersuchungsausschuss werden keine Beschuldigten, sondern Zeugen gehört. Das ist auch der Opposition sehr bewusst. Ich bitte, dass uns nicht immer anderes unterstellt wird. Im Idealfall klären wir nämlich nicht nur Vorgänge auf, sondern kommen über den Untersuchungsausschuss gemeinsam zu Handlungsempfehlungen. Das ist auch immer zukunftsweisend. Wer bestimmt denn bisher, wie geregelt ist, was ein Innenminister wann durch das BKA zu erfahren hat und wie mit diesen Informationen umgegangen werden kann? Wie geht ein Minister also in Zukunft mit solchen Informationen um? Welche Eigendynamik entwickelt eine solche Information, wenn sie das Innenministerium verlässt? Dazu brauchen wir auch die aktive Mitarbeit der SPD. Denn hier haben schließlich Einzelpersonen diese Informationen erhalten. Wenn wir die Frage klären wollen, wie wir in Zukunft damit umgehen, dann müssen wir die Eigendynamik und die Informationen betrachten und entsprechend werten. Das sollte uns dann Warnung sein. Das funktioniert natürlich nur, wenn Mitwirkende als Zeugen gehört werden und nicht das Gefühl haben, im Untersuchungsausschuss am Pranger zu stehen. Vier Innenausschusssitzungen haben die angesprochenen Fragen nicht beantworten können. Ich bin überzeugt, dass über die Regelung zum Geheimnisverrat, die hier zur Debatte steht, anders diskutiert werden muss als bisher in der Öffentlichkeit. Wir haben schließlich vor Augen, was passieren kann, wenn sich ein Innenminister, der in herausgehobener Position ist, nicht daran hält, obwohl das für alle Amtsträger – auch ein Innenminister ist ein solcher – klar in einem gesetzlichen Paragrafen geregelt ist. Wir müssen das alles immer mit dem Blick darauf tun, wie wir in Zukunft damit umgehen. Viele Fragen sind noch offen bzw. nicht ausreichend beantwortet – auch nicht im Innenausschuss –, weil sich viele dort wie Beschuldigte und nicht wie Mitwirkende an einem Aufklärungsprozess vorkamen. Ich bin froh, dass wir nun in dem einzusetzenden Untersuchungsausschuss diese Fragen beantworten und dann entsprechend nachjustieren können. Dafür bedanke ich mich. Es geht um die Frage, wie damit politisch umgegangen wird. Es besteht jederzeit die Gefahr, dass ein Schwarzer-Peter-Spiel gespielt wird, dass also die Verantwortung immer genau dorthin geschoben wird, wo Behörden oder andere Fraktionen politische Verantwortung tragen und in der Bredouille sind. Dieses Spiel dürfen wir hier nicht spielen. Sonst kommt es zu einem schlimmen Kreislauf, und der Untersuchungsausschuss wird sehr unschön. Ich habe Vertrauen in die Führung des Untersuchungsausschusses und glaube, dass wir das Spiel, welches Ministerium mehr Schuld hatte, erst gar nicht beginnen, sondern dass wir Antworten für die Zukunft finden. Ich bin froh, dass es beim Untersuchungsauftrag einen Kompromiss gegeben hat, mit dem wir den Untersuchungsausschuss starten; denn wirkliche Handlungsempfehlungen können wir nur fraktionsübergreifend erarbeiten. Dafür bedanke ich mich, genauso wie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an diesem Auftrag mitgearbeitet haben. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Uli Grötsch, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Uli Grötsch (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind startklar. Nachdem der Einsetzungsantrag der Opposition für den 2. Untersuchungsausschuss im Geschäftsordnungsausschuss ausführlich beraten wurde, liegt uns der Untersuchungsauftrag nun in etwas veränderter und verfassungsgemäß einwandfreier Form vor. Mein Dank gilt ausdrücklich auch den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition für ihre konstruktive Mitarbeit, um die notwendigen Änderungen des Antrags vorzunehmen. Dadurch konnten unsere Bedenken, jedenfalls was die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Untersuchungsauftrags betrifft, ausgeräumt werden. Ich meine, das ist ein guter und konstruktiver Auftakt für die Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Wir stellen uns daher – das haben wir immer betont – dem Wunsch der Opposition nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der Operation Selm des Bundeskriminalamts nicht in den Weg und werden uns natürlich auch aktiv und konstruktiv an der Arbeit des Ausschusses beteiligen. Das hat für mich auch mit Respekt vor den Anliegen der Opposition zu tun. Erlauben Sie mir, trotzdem ein letztes Mal zu sagen, dass wir es für effektiver gehalten hätten, die offenen Fragen in weiteren Befragungen des Innenausschusses zu klären. Aber sei’s drum! Ich meine, dass wir das Instrument des Untersuchungsausschusses jetzt auch bestmöglich nutzen sollten. Der Ausschuss wird sich in seiner Arbeit nur mit solchen Fragen befassen, die ein parlamentarisches Gremium auch untersuchen kann und untersuchen darf. Wir werden uns mit dem Gang der Operation Selm im Bundeskriminalamt beschäftigen und noch einmal die Gründe für die lange Dauer der Bearbeitung beleuchten. Wir werden uns mit dem Zusammenwirken mit den Ländern, insbesondere mit dem Land Niedersachsen und mit der Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main, befassen. Es ist sicherlich eine Frage der Wahrnehmung, aber ich meine, dass die Auskünfte, die uns der Präsident sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamts im Innenausschuss gegeben haben, für uns, die SPD, klar waren. Mich persönlich lassen diese Auskünfte vermuten, dass wir keine großartig neuen Erkenntnisse über die Art und Weise der Bearbeitung im Bundeskriminalamt gewinnen werden. Ich sage auch ganz ausdrücklich, dass ich meine, dass im Untersuchungsausschuss Fingerspitzengefühl gefordert sein wird. Das Bundeskriminalamt ist ganz ohne Zweifel eine absolute Säule in der Sicherheitsarchitektur unseres Landes. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Die Männer und Frauen beim BKA leisten jeden Tag großartige Arbeit und haben enormen Anteil daran, dass unser Land sicher ist und auch sicher bleibt. Ich meine, dass es am Ende unserer Untersuchung auch ein deutliches Ergebnis geben muss. Möglicherweise wird man in diesem Zusammenhang auch über eine Verbesserung der personellen Ausstattung des BKA nachdenken müssen. Wir reden in diesem Zusammenhang über Deliktbereiche in einem Ausmaß und in einem fachlichen Umfang, der vor ein paar Jahren noch völlig undenkbar war. Wir werden uns natürlich auch noch einmal mit der Frage der Informationsweitergabe zum Fall des ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy befassen. Dabei schauen wir nicht nur auf die Weitergabe der Informationen durch den damaligen Innenminister, sondern auch auf mögliche Probleme im Bereich des Landes Niedersachsen, die eventuell dazu beigetragen haben. Im Fall des ehemaligen BKA-Beamten X werden wir überprüfen, wer im BKA wann darüber informiert war, dass sich der Name eines BKA-Beamten in den Daten der Operation Selm befand, ob und wann er selbst davon erfuhr und ob es unzulässige Einflussnahmen auf das dienst-, disziplinar- oder strafrechtliche Verfahren gab, mehr aber auch nicht. Ich möchte – das habe ich in meiner ersten Rede zu diesem Thema schon gesagt – noch einmal unterstreichen, dass ein Untersuchungsausschuss kein Oberkontrolleur über einzelne disziplinar- oder strafrechtliche Entscheidungen ist. Es ist nicht unsere Aufgabe als Abgeordnete des Deutschen Bundestages, private Verfehlungen eines einzelnen Beamten öffentlich zu beleuchten und zu bewerten. Das bringt mich zu einem letzten Punkt, den ich uns allen für die Arbeit im Untersuchungsausschuss mitgeben will. Das Thema Kinder- und Jugendpornografie berührt viele von uns ganz besonders, egal ob wir Eltern sind oder nicht. Hier sind auch noch Gesetzeslücken zu beklagen. Herr Kollege Harbarth, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren in diesem Bereich nicht viel getan wurde. Deshalb freut es mich, dass Bundesjustizminister Heiko Maas noch vor der Osterpause, sozusagen sofort, einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Vorschriften über Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch vorgelegt hat, und dafür danke ich ihm. Vertrauen in die staatlichen Institutionen, Vertrauen in die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder und Vertrauen in den Rechtsstaat in seiner Gesamtheit – das sind für uns alle absolute Grundpfeiler der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Durch die Klarstellungen im Untersuchungsauftrag sind die von uns bemängelten Zulässigkeitsprobleme behoben worden. Da aus unserer Sicht ein Untersuchungsausschuss nach wie vor nicht das richtige Mittel zur Klärung des vorliegenden Sachverhalts ist, wird sich meine Fraktion bei der Abstimmung ebenfalls der Stimme enthalten. Aber – das sage ich zum Schluss noch einmal –: Selbstverständlich werden wir aktiv an der Arbeit im Untersuchungsausschuss, der sich im Anschluss gleich konstituieren wird, mitwirken. Vor der Sommerpause wollen wir auch noch eine Beratungssitzung abhalten, in der wir erste Beweisbeschlüsse fassen werden, um unsere Arbeit zügig aufnehmen zu können. Um unsere aktive Rolle von Anfang an zu unterstreichen, haben wir als Koalitionsfraktionen bereits zwölf Vorschläge zur Beiziehung von Akten an die Opposition übermittelt. Auch ich freue mich auf eine konstruktive und sachliche Zusammenarbeit. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem Abgeordneten Michael Frieser, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Frieser (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde heute eine neue Erfahrung machen. Ich habe mich in diesem Haus als Abgeordneter noch nie bei einer Abstimmung enthalten. Dass ich das tue, wird heute der Fall sein. Das ist also etwas Neues. Warum ist die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses etwas Besonderes? Weil ein Untersuchungsausschuss eine ganz besondere Einrichtung ist: Diesem parlamentarischen Gremium wachsen Ermittlungsrechte zu, die es normalerweise nicht hat. Schwierig ist die Situation hinsichtlich der Trennung der Gewalten: das Parlament als Legislative auf der einen Seite und die anderen Gewalten in diesem Staate auf der anderen Seite. Untersuchungsausschüsse sind das schärfste Schwert, das die Opposition im Parlamentsbetrieb hat. Wir bitten sehr darum, dass dieses Instrument nicht stumpfgeschlagen wird. Wir sind dabei, wenn es darum geht, mit diesem Ausschuss größtmögliche Effektivität, größtmögliche Aufklärung und größtmögliche Transparenz zu erzielen. Wir haben mit dem Untersuchungsgegenstand bereits viel Zeit im Innenausschuss verbracht. Wir haben bereits sehr viele Erkenntnisse zutage gefördert. Ich hoffe, dass all diese Vorarbeiten im Innenausschuss nicht Makulatur werden, dass wir sie nicht noch einmal leisten müssen. Wir wollen die entsprechenden Unterlagen selbstverständlich beiziehen. Ich bin mir ganz sicher, dass wir, die Mitglieder dieses parlamentarischen Untersuchungsausschusses, in dem Willen geeint sind, wirklich gemeinsam zu handeln und uns vorbehaltlos an die Arbeit zu machen. Wenn allerdings jedes Ausschussmitglied mit einer vorgefassten Meinung in die Arbeit hineingeht, dann wird es schwer sein, dafür zu sorgen, dass dieses Instrument seinen eigentlichen, im Grundgesetz verankerten Sinn erfüllt. Erkenntnisse zu gewinnen, ist der eine Teil der Arbeit eines solchen Untersuchungsausschusses. Der – wichtige – andere Teil ist, den sich aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses entwickelnden Änderungsbedarf festzustellen; ich bin allen Kollegen dankbar, die hierzu beitragen. Nachfragen sind gut und sinnvoll; aber sie haben immer nur dann einen Zweck, wenn man mit der Erkenntnis, die man aus diesen Fragen gewinnt, als politisch denkender und handelnder Mensch auch etwas anfangen kann. Da stellt sich schon die Frage: Wie konnte es sein, dass die zu betrachtenden zeitlichen Abläufe – sie reichen bis hinunter nach Niedersachsen – so lange gedauert haben? Vielleicht können sogar entscheidendere Fragen wie die nach Zuständigkeiten, nach Verfahrensabläufen bis hin zu solchen nach materiellem Recht behandelt werden. Die Kollegen haben es angeführt: Es kann nicht sein, dass in diesem Land Bilder nackter Kinder eine Handelsware sind. Wenn wir aufgrund der derzeitigen Situation gemeinschaftlich zu einer Änderung im materiellen Strafrecht kommen, dann hat dieser Ausschuss seinen Sinn. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Gerade was die Bekämpfung der Kinderpornografie angeht, wird sich mit und nach diesem Ausschuss zeigen, ob dieser Staat im Bereich des damit verbundenen strafrechtlichen Verhaltens schlagkräftig ist und am Ende auch wirklich wehrhaft sein kann. Wenn wir dazu beitragen können, dann wird unsere Mitwirkung als sinnvoll erachtet werden können. Herzlichen Dank denjenigen, die das Ganze vorbereitet haben! Ich freue mich schon auf die Zusammenarbeit. Eines will ich noch sagen: Mit uns wird es kein „Grillen“ von Mitarbeitern einer Behörde geben. Es geht um Menschen, die Übermenschliches leisten müssen, um Menschen, die ihr ganzes Arbeitsleben mit einer solchen Materie verbringen und die sich oftmals mit einer sehr großen Masse an Informationen, die sie mittlerweile insbesondere aus dem Ausland erreichen, beschäftigen müssen. Insofern bitte ich um Zurückhaltung, was die Behandlung der Mitarbeiter von Behörden betrifft. Das soll den Aufklärungsbedarf aber sicherlich nicht schmälern. Es muss nur klar sein – diese Bitte formuliere ich am Ende meiner Rede –, dass man die gewonnenen Erkenntnisse auch wirklich in sein Handeln einfließen lässt und dass man nicht an diesen Erkenntnissen vorbei an Verschwörungstheorien festhält, getreu der Devise: Wo viel Rauch ist, muss irgendwo auch ein Feuer sein, auch wenn der Rauch aus dem etwas heißen Dampf entsteht, den man selber vorher produziert hat. – Ich glaube, dieser Ausschuss kann das wirklich leisten. Auch wenn dort kein schönes Thema, dessen Ausgangspunkt ein ehemaliger Kollege ist, behandelt wird, freue ich mich auf die Zusammenarbeit. Ich habe Frau Kollegin Högl gesagt, dass ich hoffe, dass sie ihre gelassene, sachlich fundierte Art über die wohl längere Phase, in der dieser Ausschuss arbeiten wird, nicht verliert. Ich hoffe, dass wir ihre Art für eine gedeihliche Zusammenarbeit nutzen können und dass wir am Ende sagen können: Dieses Parlament hat diese besondere und nicht alltägliche Herausforderung angenommen, und wir haben unseren Auftrag wirklich erfüllt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg und weiterer Abgeordneter auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1948, den Antrag auf Drucksache 18/1475 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion der CDU/CSU und der SPD-Fraktion angenommen. Damit ist der 2. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode eingesetzt. Er wird sich um 18.30 Uhr konstituieren. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Morgen um 9 Uhr findet hier im Plenarsaal eine Gedenkstunde aus Anlass des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges statt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. Juli 2014, 10.30 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.05 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 02.07.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 02.07.2014 Da?delen, Sevim DIE LINKE 02.07.2014 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 02.07.2014 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 02.07.2014 Dr. Felgentreu, Fritz SPD 02.07.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 02.07.2014 Freitag, Dagmar SPD 02.07.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 02.07.2014 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 02.07.2014 Jung, Xaver CDU/CSU 02.07.2014 Kapschack, Ralf SPD 02.07.2014 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 02.07.2014 Kunert, Katrin DIE LINKE 02.07.2014 Maag, Karin CDU/CSU 02.07.2014 Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 02.07.2014 Thönnes, Franz SPD 02.07.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 02.07.2014 Westermayer, Waldemar CDU/CSU 02.07.2014 Wicklein, Andrea SPD 02.07.2014 Anlage 2 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Druck-sache 18/1920, Frage 1): Welche Projekte oder Initiativen zur zivilen Konfliktbearbeitung sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der Republik Moldau vorhanden, um auf zivilgesellschaftlicher Ebene zum Dialog zwischen der moldauischen Bevölkerung und der Bevölkerung des abtrünningen Landesteils Transnistrien beizutragen, und inwieweit werden zivilgesellschaftliche Initiativen zur Lösung des Transnistrien-Problems durch die Bundesregierung konkret unterstützt – bitte gegebenenfalls nach Projekt und Fördervolumen aufschlüsseln? Die Bundesregierung hat Kenntnis von folgenden laufenden oder kürzlich abgeschlossenen Projekten oder Initiativen zur zivilen Konfliktbearbeitung auf zivilgesellschaftlicher Ebene in der Republik Moldau: Juni 2013: Seminar der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, „Entwicklung der Zivilgesellschaft“. Oktober 2013: EU-Zivilgesellschaftsforum, nationale Plattform: Seminar „Transnistria – Fortress: From the Inside“ zur Lage der Zivilgesellschaft in Transnistrien. Dezember 2013: OSZE-Konferenz zur Geschichte der OSZE-Mediationsbemühungen im Transnistrien-Konflikt mit Beteiligung der Zivilgesellschaft. März/April 2014: Thematische Treffen der OSZE-Mission in der Republik Moldau mit der Zivilgesellschaft, darunter die 5. Konferenz von moldauischem Parlament und Vertretern der Zivilgesellschaft sowie das OSZE-Zivilgesellschaftsforum mit transnistrischer Beteiligung. Zusätzlich zu den vorgenannten Projekten wurden vom Auswärtigen Amt selbst folgende laufende oder kürzlich abgeschlossene Projekte oder Initiativen finanziell gefördert: Oktober 2013: 4. OSZE-Konferenz zu vertrauensbildenden Maßnahmen im Transnistrien-Konflikt in Landshut, gefördert mit circa 100 000 Euro. November 2013: Internationale Konferenz „Factors for the Civil Society Cooperation and -Dialogue in the Transnistrian Conflict Settlement“, gefördert mit 5 900 Euro über die Deutsche Botschaft in Kiew. Im Jahr 2013: „Moldova-Transdniestria: Supporting the Peace Process“. Dies war ein Projekt der CMI, Crisis Management Initiative, gefördert mit circa 150 000 Euro über das Institut für Auslandsbeziehungen. Im Jahr 2013: „Vertrauen Bilden: Hospitierte In-House-Trainings in der Republik Moldau“ – ein Projekt der Deutschen Welle Akademie zur Ausbildung von Journalisten in regionalen TV-Sendern, gefördert mit circa 45 000 Euro. Juni 2014: 5. OSZE-Konferenz zu vertrauensbildenden Maßnahmen im Transnistrien-Konflikt in Freising, gefördert mit circa 100 000 Euro. Im Jahr 2014: „activEco – Environmental Education Program in the Republic of Moldova“, gefördert mit circa 20 000 Euro. Zudem bildete im Jahr 2013 das Themenfeld „Demokratie, Zivilgesellschaft und öffentliche Verwaltung“ einen der Schwerpunkte der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit der Republik Moldau. Die Fortführung dieses Schwerpunkts wurde bei den Regierungsverhandlungen am 18. Juni 2014 in Chi?in?u vereinbart. Die Bundesregierung unterstützt in diesem Rahmen auch die OSZE-Mission vor Ort. Im Jahr 2013 wurde mit deutscher Unterstützung ein Umweltprojekt am Nistru/Dnjestr angestoßen. Von der beabsichtigten Modernisierung der Infrastruktur zur Abwasserentsorgung in den Städten Dub?sari und Criuleni sowie umliegenden Gemeinden beidseits des Flusses würden circa 50 000 Menschen profitieren. Jenseits des praktischen Nutzens eignet sich eine Modernisierung in besonderer Weise als vertrauensbildende Maßnahme mit positiver Symbolkraft, denn es würden historische Verbindungen zwischen beiden Flussufern dauerhaft erneuert. Bei der Umsetzung des Vorhabens sind in einem Koordinationsrat die lokale Verwaltung, Versorgungsunternehmen sowie Techniker und Ingenieure der Bau-behörden auf lokaler Ebene eingebunden. Eine vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanzierte Machbarkeitsstudie soll im Herbst 2014 Einzelheiten klären. Anlage 3 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 2): Welche neuen Informationen liegen der Bundesregierung zum Verbleib des deutsch-syrischen Doppelstaatlers M. H. Z. vor, in dessen Fall sie nach eigenem Bekunden (vergleiche Antwort auf meine schriftliche Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 17/10606) mehrfach bei der syrischen Regierung interveniert hat? Der Bundesregierung liegen inzwischen Einzelinformationen vor, denen zufolge Z. in der zweiten Jahreshälfte 2013 oder Anfang 2014 freigekommen sein könnte. Die syrische Regierung hat Z.s Freilassung jedoch trotz mehrfacher Anfragen bisher nicht bestätigt. Anlage 4 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 4): Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich Art und Umfang ihrer Hilfsleistungen an Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien für den Wiederaufbau nach den dortigen Überschwemmungen und Erdrutschen von Mitte Mai 2014? Die Bundesregierung stellt über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – vorbehaltlich der Verabschiedung des Bundeshaushalts 2014 – 5 Millionen Euro für den Wiederaufbau in Bosnien und Herzegowina zur Verfügung. Diese Mittel werden im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit über die Kreditanstalt für Wiederaufbau umgesetzt. Sie werden zur Vergabe von Kleinstdarlehen – bis 3 000 Euro – zur Instandsetzung von Wohnraum und Kleingewerbe eingesetzt. In Bezug auf die Republik Serbien gibt es derzeit keine konkreten Planungen. Serbien hat als EU-Beitrittskandidat – im Gegensatz zu Bosnien und Herzegowina – jedoch einen erweiterten Zugang zu entsprechenden EU-Mitteln. Der Republik Kroatien als EU-Mitglied steht der Solidaritätsfonds der Europäischen Union offen. Zu weiteren Maßnahmen im Rahmen der humanitären Hilfe und des humanitären Minenräumens möchte ich auf meine Antwort auf Ihre zweite Frage verweisen. Anlage 5 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 5): Welche Hilfsleistungen sind bereits an Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien für den Wiederaufbau nach den dortigen Überschwemmungen und Erdrutschen erbracht worden? Das Auswärtige Amt hat bislang insgesamt 2 Millionen Euro für humanitäre Hilfs- und Unterstützungs-maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Überschwemmungen in Bosnien und Herzegowina sowie der Republik Serbien bereitgestellt, davon 1 Million Euro für humanitäre Soforthilfe. Mehrere deutsche Hilfsorganisationen sind in Serbien und Bosnien und Herzegowina mit finanzieller Förderung des Auswärtigen Amts im Einsatz. Hierzu zählen unter anderem der Arbeiter-Samariter-Bund, Help, Deutsches Rotes Kreuz und Luftfahrt ohne Grenzen. Auch der unverzügliche Einsatz der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, THW, vor Ort wurde durch das AA -finanziert. Der Schwerpunkt der Hilfe lag auf der Wasseraufbereitung, der Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser, der Wasserentsorgung, Nahrungsmittelversorgung, Hygiene- und Sanitärausstattung sowie der Reinigung der Häuser. Für den Bereich humanitäres Minen- und Kampfmittelräumen in Bosnien und Herzegowina hat das Auswärtige Amt 1 Million Euro zur Verfügung gestellt. Anlage 6 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Fragen 6): Inwieweit hat sich die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung bzw. dem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan dafür eingesetzt, dass Artikel 11 des Gesetzes Nr. 3359 aufgehoben werden muss, der medizinische Nothilfe unter Strafe stellt, sodass auch ein Jahr nach den Gezi-Pro-testen Ärztinnen und Ärzte, die Verletzte in Notzentren me-dizinisch versorgten, strafrechtlich verfolgt werden oder -anderweitig sanktioniert werden, und inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass mehr als 5 500 Personen wegen der Teilnahme und Organisation der Gezi-Park-Proteste strafrechtlich verfolgt werden, bisher aber nur fünf Polizisten vor Gericht gestellt wurden und zwei weitere auf ihr Verfahren warten, obwohl 8 000 Personen während der Proteste verletzt wurden und vier Menschen als direkte Folge des brutalen Vorgehens der Polizei gestorben sind (www.amnesty.org/en/ -library/asset/EUR44/010/2014/en/82acd54b-cb1a-4918-be8c-64c528ab1467/eur440102014en.pdf)? Die Bundesregierung spricht regelmäßig und hochrangig die Themen Rechtsstaatlichkeit und Men-schenrechte – insbesondere die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit – gegenüber der türkischen Regierung an. Die Themen Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Grundrechte wurden unter anderem vom Staatsminister für Europa, Michael Roth, anlässlich seiner Reise in die Republik Türkei vom 28. bis 31. Mai 2014 und vom Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, während seines Besuchs in der Türkei am 20. Juni 2014 gegenüber der türkischen Regierung thematisiert. Der Bundesregierung sind zudem schon frühzeitig Medienberichte und ein Bericht der Bundesärztekammer bekannt gewesen, die aussagten, dass bestimmte Aspekte der ärztlichen Notfallversorgung durch eine gesetzliche Neuregelung künftig in der Türkei unter Strafe gestellt werden sollten. Dieses Thema wurde daher von Vertretern des Bundesministeriums für Gesundheit gegenüber dem türkischen Gesundheitsministerium bereits am Rande des Regionalkomitees für Europa der Weltgesundheitsorganisation im September 2013 in Izmir angesprochen. Die von Ihnen angeführte breite strafrechtliche Verfolgung von Demonstranten bei gleichzeitig nur begrenzter Aufarbeitung des Polizeieinsatzes während der Gezi-Park-Proteste sieht die Bundesregierung mit Sorge. Die in Ihrer Frage unter anderem in diesem Zusammenhang angeführten Zahlen sind der Bundesregierung bekannt. Eigene Erkenntnisse hierzu liegen ihr jedoch nicht vor. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 7): Inwieweit gibt es derzeit bei der Bundesregierung Überlegungen, deutsche Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, PVB, des Bundes und der Länder im Rahmen der von den Außenministern der Europäischen Union am 23. Juni 2014 beschlossenen Entsendung von Polizeiberatern in die Ukraine, die bei einer sogenannten Sicherheitssektorreform, vor allem der Polizei, helfen sollen, zu beteiligen – bitte unter Angabe von Umfang, Aufgaben, Zielregion? Der Rat für Auswärtige Beziehungen ist am 23. Juni 2014 übereingekommen, in der Ukraine eine zivile Mission, Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, GSVP, zur Unterstützung einer Reorganisation und Restrukturierung des dortigen Sicherheitssektors einzurichten. Der formelle Ratsbeschluss zur Entsendung der Mission steht noch aus. Grundsätzlich besteht seitens der Bundesregierung die Bereitschaft, sich auch mit deutschem polizeilichem Personal im Rahmen der GSVP-Mission zu beteiligen. Da die Details der geplanten GSVP-Mission seitens der EU noch nicht feststehen, gibt es derzeit noch keine konkreten Vorstellungen zum Umfang der deutschen polizeilichen Beteiligung. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 8): Wie lautet der Forschungsauftrag, und wer wurde vom Bundesministerium des Innern mit der von der Jerusalem Post genannten Studie zum Antisemitismus und Antizio-nismus beauftragt (siehe Jerusalem Post, 13. Juni 2014, www.jpost.com/Jewish-World/Jewish-News/Germany-to-conduct- study-on-anti-Semitism-anti-Zionism-358229)? Ein Forschungsauftrag, wie in der Jerusalem Post vom 13. Juni 2014 genannt, besteht nicht. Es handelt sich wohl bei der Interpretation des im Artikel genannten Schreibens des Bundespräsidialamtes an das Simon Wiesenthal Center um ein Missverständnis. Tatsächlich dürfte das von Bundesregierung und dem Parlament neu einzusetzende Expertengremium „Antisemitismus“ gemeint sein, das sich 2014 konstituieren und einen entsprechenden Bericht vorlegen wird. Die gemeinsame Abstimmung über die Zusammensetzung des Gremiums gemäß interfraktionellem Antrag auf Drucksache 17/13885 vom 11. Juni 2013 steht ja unmittelbar bevor. Die Federführung innerhalb der Bundesregierung dafür liegt beim Bundesministerium des Innern. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 9): Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante Dienstleistungsabkommen Trade in Services Agreement, TiSA, auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern haben? Die Auswirkungen des sogenannten TiSA-Abkommens werden nach dem vorläufigen Stand der Verhandlungen voraussichtlich keine Anpassungen der in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern fallenden Regelungen erfordern. Die Verhandlungen, die die EU-Kommission führt, werden noch einige Zeit dauern. Eine endgültige Einschätzung kann allerdings erst nach Abschluss der Verhandlungen vorgenommen werden. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 12): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Anträgen der VG Media – Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen mbH – auf Zahlung einer angemessenen Vergütung wegen der Verwertung des Presseleistungsschutzrechtes durch Google? Presseverleger haben nach § 87 f des Urheberrechtsgesetzes das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Die Verhandlungen zwischen der VG Media, die das Presseleistungsschutzrecht im Auftrag von einigen Unternehmen der Verlagsindustrie wahrnimmt, und den Suchmaschinen- und Diensteanbietern über die für Nutzungen von Presseerzeugnissen zu zahlende Vergütung werden zeigen, ob sich diese Regelung in der Praxis bewährt. Vor diesem Hintergrund beobachtet die Bundesregierung auch das Verfahren vor der Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz aufmerksam, in dem die VG Media auf Grundlage des Leistungsschutzrechtes eine angemessene Vergütung für Nutzungen durch den Diensteanbieter Google geltend macht. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 13): Welchen Anlass sieht die Bundesregierung, dass eine Überarbeitung der gesetzlichen Bestimmungen des Leistungsschutzrechtes für Presseverlage zu überarbeiten oder zumindest zu überprüfen sei, wie es der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, am 25. Juni 2014 geäußert hat? Gemäß den Vorgaben des Koalitionsvertrages wird die Bundesregierung das Leistungsschutzrecht hinsichtlich der Erreichung seiner Ziele evaluieren. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Susanna Karawanskij (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 14): Wie hoch wäre die maximale Summe in Euro, die bei Feststellung eines Sicherungsbedarfs gemäß dem Entwurf des Lebensversicherungsreformgesetzes durch das Kürzen von Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren pro Jahr zusammenkommen und in den Versicherungsunternehmen verbleiben würde, und wie hoch ist insgesamt die Zinszusatzreserve der Versicherungsunternehmen, welche seit dem Jahr 2011 gebildet werden muss und die aus Kapitalerträgen finanziert wird? Um die Auswirkungen abschätzen zu können, bietet es sich an, die Regelung aus dem Gesetzentwurf fiktiv auf das Jahr 2012 anzuwenden. Hätte die Regelung damals bereits gegolten, wären an die im Jahr 2012 ausgeschiedenen Versicherten rund 2 Milliarden Euro weniger für die Beteiligung an den Bewertungsreserven ausgezahlt worden. Zum Vergleich: Diese 2 Milliarden Euro hätten gereicht, um allen 88 Millionen Lebensversicherten 0,3 Prozentpunkte mehr Verzinsung auf ihre Verträge zu gewähren. Der Blick auf das Geschäftsjahr 2012 vermittelt einen guten Eindruck der Relationen. Ich bitte zu bedenken, dass Kürzungsbeträge in Euro für sich genommen keine Aussagekraft haben, weil die Höhe wesentlich davon abhängt, wie viele Verträge im jeweiligen Jahr beendet werden. Die Zinszusatzreserve der Lebensversicherungsunternehmen hat Ende 2013 ein Volumen von 13,3 Milliarden Euro erreicht. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Susanna Karawanskij (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 15): Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem Problem, dass im Zuge des Lebensversicherungsreformgesetzes der Anspruch auf Beteiligung an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren vermindert werden kann, ohne dass die sogenannte Ausschüttungssperre greift, weil § 56 a Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (neu) nur Dividendenausschüttungen umfasst, nicht jedoch beispielsweise Gewinnabführungsverträge innerhalb einer Holding, das heißt, es werden Gewinne abgeführt, die aber keine Dividendenzahlungen sind, und wie hoch wäre die maximale Summe in Euro einer im Falle eines festgestellten Sicherungsbedarfs zurückgehaltenen Bilanzgewinn- bzw. Dividendenausschüttung der jeweiligen Lebensversicherungsaktiengesellschaften? Gewinnabführungsverträge verpflichten gemäß § 302 Absatz 1 Aktiengesetz zur Verlustübernahme. Entsteht einem Versicherungsunternehmen mit einem Gewinnabführungsvertrag ein Jahresfehlbetrag, dann muss er von der Gegenpartei des Vertrages übernommen werden, soweit er nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. Eine entsprechende Verpflichtung der Aktionäre eines Versicherungsunternehmens, zum Beispiel in Form einer Nachschusspflicht, besteht aber nicht. Dieser Unterschied zwischen Dividendenausschüttung und Gewinn-abführung rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung in der Ausschüttungssperre. Durch die Ausschüttungssperre kann maximal der gesamte Bilanzgewinn zurückgehalten werden. Im Jahr 2012 haben die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beaufsichtigten Lebensversicherer zusammen einen Bilanzgewinn von 825 Millionen Euro ausgewiesen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 16): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, inwieweit einzelne Bundesländer die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Hotel-einkäufen bei Reiseveranstaltern gewähren, und unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, dass bezüglich des geschilderten Sachverhalts keine rückwirkenden Zahlungen erhoben werden sollen (vergleiche NWB, Nr. 25 vom 16. Juni 2014, Seite 1858)? Zur Hinzurechnung von Hoteleinkäufen bei Reise-veranstaltern ist beim Finanzgericht Münster unter Az. 9 K 1472/12 G ein Musterverfahren anhängig. Nach derzeit vorliegenden Erkenntnissen gewährt die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalens Reiseveranstaltern, die unter Verweis auf dieses Verfahren Einsprüche gegen die Hinzurechnung der Hotelkosten einlegen, auf Antrag Aussetzung der Vollziehung. Das Bundesministerium der Finanzen stimmt mit den obersten Finanzbehörden der Länder derzeit ab, diese Verfahrensweise bundesweit einheitlich anzuwenden. Mit der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung erfolgen zunächst keine rückwirkenden Steuerzahlungen auf die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen, sodass der Ausgang des Musterverfahrens abgewartet werden kann. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 17): Wie erklärt die Bundesregierung den Anstieg der Zahl der eigenständigen Prüfungen durch das Bundeszentralamt für Steuern in den Jahren 2010 bis 2012 – vergleiche die Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 54 auf Bundestagsdrucksache 18/729 –, und inwieweit befürwortet die Bundesregierung, dass der Bund ein eigenständiges Prüfungsrecht erhält, welches über das geltende Prüfungsinitiativrecht nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des Finanzverwaltungsgesetzes hinausgeht? Nach dem Finanzverwaltungsgesetz (§ 19 Absatz 3 FVG) kann das Bundeszentralamt für Steuern, BZSt, im Auftrag des zuständigen Finanzamts Außenprüfungen durchführen. Dazu ist das Einvernehmen mit der zuständigen Landesfinanzbehörde herzustellen. Im Rahmen der Föderalismuskommission II wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein besseres Zusammenwirken der Bundesbetriebsprüfung des BZSt mit den Betriebsprüfungsstellen der Länder geschaffen. Ziel war es dabei, nicht nur die Zahl der Prüfungen, an denen sich das BZSt beteiligt, zu erhöhen, sondern auch den Ländern in Spezialbereichen, vornehmlich solchen mit Auslands-bezug, Unterstützung zu gewähren. Die Erhöhung der -eigenständigen Prüfungen – nicht nur der Mitwirkungsfälle –, zeigt, dass die Erreichung dieses Zieles auf einem guten Weg ist. Darüber hinaus wurde die Verwaltung der Versicherungsteuer auf den Bund übertragen. Seit diesem Zeitpunkt erfolgt deren Prüfung durch die Bundesbetriebsprüfung, sodass es aufgrund dessen zu einem Anstieg der Prüfungen gekommen ist. Die Beantwortung der Frage nach einem eigenständigen Prüfungsrecht des BZSt ohne Auftrag des Finanzamtes ergibt sich indirekt aus dem Grundgesetz. Nach Artikel 108 Absatz 3 Grundgesetz verwalten die Landesfinanzbehörden die Steuern, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen, im Auftrag des Bundes. Dies bedeutet, dass die zuständigen Finanzämter der Länder die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben haben. Im Rahmen dieses Festsetzungsverfahrens haben sie die Verpflichtung und die Möglichkeit, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Rechtfertigungsgrund für eine Betriebsprüfung im Besteuerungsverfahren ist damit die Notwendigkeit der Sachverhaltsaufklärung für die Festsetzung des Steueranspruchs. Ein Prüfungsrecht des BZSt ist daher im Rahmen des Besteuerungsverfahrens nur insoweit möglich, wie das BZSt auch für die Steuerfestsetzung zuständig ist. Ohne die Zuständigkeit für die Steuerfestsetzung gibt es derzeit auch keine Rechtfertigung für ein eigenständiges, vom Festsetzungsverfahren losgelöstes steuerliches Prüfungsrecht des BZSt. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 18/1920, Frage 18): Für welche Sachverhalte kann nach Aussage der Bundesregierung die Wirtschaft das sogenannte ersetzende Scannen einsetzen, und welche Anforderungen stellen die Finanzämter hinsichtlich des Umgangs mit elektronischen Rechnungen an die Aufbewahrung von Belegen sowohl in Papierform als auch digital? Papierdokumente dürfen grundsätzlich eingescannt und danach vernichtet werden, soweit sie nicht nach -außersteuerlichen oder steuerlichen Vorschriften im Original aufzubewahren sind. Das ist etwa steuerlich der Fall bei Zollbelegen, bei Anrechnungsbescheinigungen, übereinbehaltener Kapitalertragsteuer und bei Rechnungen und Einfuhrbelegen im Vorsteuervergütungsverfahren. Außersteuerlich verpflichtend sind die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen im Original aufzubewahren (§ 257 HGB). Für elektronische Rechnungen besteht die Verpflichtung, diese in dem Format aufzubewahren, in dem sie empfangen/versendet wurden – zum Beispiel Rechnungen im PDF-Format. Sie dürfen vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht gelöscht oder in einer Weise geändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Sollte die Verpflichtung zur elektronischen Aufbewahrung im Einzelfall zu unzumutbaren Hürden führen, können die Finanzbehörden Erleichterungen bewilligen. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 18/1920, Frage 19): Welche Vorschläge zu Digitalisierung und elektronischer Aufbewahrung bzw. Archivierung von Belegen – einschließlich Vernichtung von Originalbelegen – gibt es seitens der Bundesregierung, und wann ist beabsichtigt, sie in das gesetzliche bzw. untergesetzliche Regelwerk aufzunehmen? Seitens der Bundesregierung sind derzeit keine neuen gesetzlichen Regelungen zur Digitalisierung und elek-tronischen Aufbewahrung/Archivierung von Belegen geplant. Die in der Antwort zu Frage 18 erwähnten momentan bestehenden Verwaltungsanweisungen werden gegenwärtig überarbeitet und sollen durch die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff, GoBD, ersetzt werden. Die GoBD dienen der Erläuterung des geltenden Rechts aus Sicht der Finanzverwaltung. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 20): Inwieweit existieren zwischen Brasilien und Deutschland im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft Absprachen hinsichtlich der Vermeidung von Doppelbesteuerung bei Personen, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind und in Brasilien infolge der Fußballweltmeisterschaft Einkünfte erzielen, und inwieweit führen Besuche von Mitgliedern der Bundesregierung bei den Veranstaltungen an der Fußballweltmeisterschaft zu steuerpflichtigen Einkünften infolge einer privaten Mitveranlassung? Ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung existiert im Verhältnis zu Brasilien nicht. Dem Bundesministerium der Finanzen sind keine Absprachen hinsichtlich der Vermeidung von Doppelbesteuerung mit Brasilien im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft bekannt. Grundsätzlich gehören nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit unter anderem auch andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Voraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslohn ist insofern, dass zwischen den Einnahmen und dem Dienstverhältnis ein Veranlassungszusammenhang besteht. Keine Gegenleistung sind Vorteile, die sich bei -objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Werden Arbeitnehmer für den Arbeitgeber tätig und entspricht die Tätigkeit des Arbeitnehmers den Belangen des Arbeitgebers, müssen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 16. Oktober 2013 VI R 78/12) ganz besondere Umstände hinzutreten, damit diese vom Arbeitnehmer für den Arbeitgeber ausgeführte Tätigkeit allein aufgrund eines aus dem Üblichen fallenden Rahmens und der besonderen Örtlichkeit einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil begründet. Allein eine touristische oder aus anderen Gründen attraktive Umgebung, in der ein Arbeitnehmer für den Arbeitgeber tätig wird, führt nicht dazu, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer damit zugleich einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil zuwendet. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 21): Mit welchen steuerlichen Mindereinnahmen ist im Kassenjahr 2014 für die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag zu rechnen, wenn der Einkommensteuertarif dahin gehend verändert wird, dass der bisherige Tarifeckwert zu Beginn der zweiten Progressionszone von 13 470 Euro auf 14 500 Euro verschoben wird – bei identischem Grenzsteuersatz von 23,97 Prozent – und alle weiteren Parameter unver-ändert bleiben, und wie steht die Bundesregierung zu der -Ansicht, dass sich durch die isolierte Anhebung des Grundfreibetrags in 2014 der Progressionsgrad zwischen dem Grundfreibetrag und dem ersten Tarifeckwert verschärft hat? Eine Tarifänderung gemäß der Fragestellung würde zu jährlichen Steuermindereinnahmen von rund 3,6 Milliarden Euro führen. Die Verschiebung der sogenannten Knickstelle im Tarifverlauf nach rechts unter Beibehaltung der anderen Tarifeckwerte würde die Grenzsteuersätze in beiden Progressionszonen absenken. Dadurch würden alle Steuerzahler entlastet. Die zweistufige Anhebung des Grundfreibetrags in den Jahren 2013 und 2014 hat alle Steuerzahler entlastet. Zwar ist der Progressionsverlauf bis zur Knickstelle steiler. Da jedoch der Eingangssteuersatz von 14 Prozent beibehalten wurde, konnten die Grenzsteuersätze in der ersten Progressionszone bis zur Knickstelle im Tarifverlauf gesenkt werden. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 22): Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen haben? Die TiSA-Verhandlungen befinden sich noch in einem vergleichsweise frühen Stadium. Daher sind Aussagen zu konkreten Auswirkungen durch TiSA auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen derzeit nicht möglich. Anlage 21 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 25): Wie viele Anträge auf Förderleistungen aus dem Programm MobiPro-EU, die bis zum 8. April 2014 gestellt wurden, wurden bisher noch nicht abschließend bearbeitet, bewilligt bzw. sind weiterhin ruhend gestellt, und wie erklärt die Bundesregierung sich die teils wochenlangen Verzögerungen bei der Zustellung der Verträge, von denen Träger immer wieder berichten? Insgesamt liegen der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung, ZAV, der Bundesagentur für Arbeit 45 518 Anträge vor. Mit den nun zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln ist die Finanzierung aller bis zum 8. April 2014 gestellten Förderanträge von Ausbildungsinteressierten bis zum Ende ihrer Ausbildungszeit sowie aller Fachkräfte gesichert – sofern eine Förderfähigkeit vorliegt. Somit sind keine Anträge mehr aufgrund der Haushaltssituation ruhend gestellt. Insgesamt befinden sich 15 053 Anträge in Prüfung. Dies beinhaltet insbesondere (Folge-)Anträge, bei denen zum Beispiel Unterlagen nachgereicht werden müssen. Die Rückstände in der Bearbeitung der Anträge und der Auszahlungen begründen sich durch die hohen Antragszahlen – alleine in den ersten drei Monaten 2014 etwa 23 000 – und die teilweise notwendigen Nachforderungen von Unterlagen. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 26): Auf welchem Stand befinden sich die Abstimmungen des Entwurfs einer neuen Förderrichtlinie, und wann wird die Förderrichtlinie veröffentlicht? Die neue Richtlinie zum Sonderprogramm wird zurzeit endabgestimmt. Sobald die Abstimmungen abgeschlossen sein werden, wird die Richtlinie veröffentlicht. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 27): Wie viele Personen sind vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in Rente gegangen – Rentenzugang 2012 –, und welche Mehreinnahmen für die Sozialkassen gäbe es hypothetisch pro Jahr, wenn all diese Personen weiterhin ihrer zuletzt ausgeübten Beschäftigung bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter nachgegangen wären? Angaben, wie viele Personen vor der für sie geltenden Regelaltersgrenze in Rente gehen, liegen in den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung nicht vor. Von den rund 651 000 Altersrenten, die im Jahr 2012 neu zugingen, erfolgten rund 293 000 Zugänge vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Teilfrage zur hypothetischen Weiterbeschäftigung kann in Ermangelung geeigneter statistischer Informationen nicht beantwortet werden. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 28): Wie würde sich die Rente derjenigen Beschäftigten erhöhen, die bereits eine Altersrente beziehen, wenn dem Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung im Gegensatz zum Status quo entsprechende Leistungen gegenüberstünden? Eine fiktive Berechnung von Rentenleistungen aus Arbeitgeberbeiträgen für beschäftigte Altersvollrentner kann nicht erfolgen, da weder eine hinreichend konkrete Ausgestaltung einer fiktiven gesetzlichen Neuregelung noch die rentenrechtlichen Versicherungstatbestände der betreffenden Einzelfälle vorliegen. Anlage 25 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 29): Was sind nach Ansicht der Bundesregierung die zentralen Gründe für die schlechten Arbeitsmarktchancen von Langzeit-erwerbslosen, auf die auch die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, in ihrer Rede zum Bundeshaushalt 2014 am 25. Juni 2014 eingegangen ist – bitte anders beantworten als in der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 65 auf Bundestagsdrucksache 18/1742, diesmal bitte konkret beantworten mit der Nennung zentraler Gründe und nicht auf allgemeine Publikationen verweisen –, und inwiefern lassen sich die Werte für die zurückgehenden Abgangsraten in Erwerbstätigkeit für Kurz- und Langzeitarbeitslose noch für bestimmte Personengruppen aufgliedern – wenn möglich, bitte diese Werte für die Jahre 2009 bis 2013 nennen? Aus der Forschung ist bekannt, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, die die Chance auf Erwerbstätigkeit mindern. Insbesondere mindern folgende Risikomerkmale das Einmünden in den Arbeitsmarkt: fehlende Bildungs- bzw. Arbeitsabschlüsse, gesundheitliche Einschränkungen, lange Verweildauer im Leistungsbezug, Alter – über 50 Jahre –, Migrationshintergrund und mangende Beherrschung der deutschen Sprache. Auch Frauen mit Kindern haben geringere Chancen. Die Übergangswahrscheinlichkeit ist erheblich reduziert, wenn auf Personen mindestens zwei der aufgeführten Merkmale zutreffen. Die Abgangsraten für Kurz- und Langzeitarbeitslose können grundsätzlich auch nach Strukturmerkmalen – Geschlecht, Alter, Nationalität – differenziert dargestellt werden. Diese Sonderauswertungen sind jedoch komplex und erfordern umfangreiche Prüfungen seitens der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die innerhalb der Frist nicht geleistet werden können. Die Angaben werden daher schriftlich nachgereicht. Anlage 26 Antwort der Parl. Staatssekretärin Anette Kramme auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 30): Wie hat sich seit dem Jahr 2010 bis heute die berufliche Weiterbildung im Rechtskreis des Zweiten Buches Sozial-gesetzbuch entwickelt, in dem sich der Großteil aller Langzeitarbeitslosen befindet – bitte jährliche Daten zur Höhe der verausgabten Gelder sowie zur Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen, wenn möglich auch für abschlussbezogene Maßnahmen, nennen –, und ist nach Ansicht der Bundesregierung die Förderung und Unterstützung in diesem Bereich ausreichend? Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit für die Weiterbildungsförderung im Jahr 2010 rund 853 Millionen Euro, im Jahr 2011 rund 668 Millionen Euro, im Jahr 2012 rund 590 Millionen Euro und im Jahr 2013 rund 576 Millionen Euro aufgewendet. Hierbei handelt es sich um die Aufwendungen für Weiterbildungskosten ohne Lebensunterhaltsleistungen, die während der Weiterbildung weiter gezahlt und nicht gesondert ausgewiesen werden. Für die zugelassenen kommunalen Träger sind keine Daten verfügbar. Die im Jahr 2010 zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich erhöhten Mittelansätze für eine intensivierte Weiterbildungsförderung insgesamt wurden in den Folgejahren unter Berücksichtigung der verbesserten Arbeitsmarktsituation zurückgeführt, liegen aber deutlich über dem Ausgabenniveau vor der Wirtschafts- und Finanzkrise und dies trotz der damals deutlich schlechteren Arbeitsmarktsituation. Dies gilt auch entsprechend für die Eintrittszahlen: Im Jahr 2010 haben rund 225 000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme begonnen. In den Jahren 2011 und 2012 gab es rund 160 000 bzw. 170 000 Eintritte, und im Jahr 2013 waren es 149 000. In abschlussbezogene Maßnahmen sind im Jahr 2010 rund 26 000, im Jahr 2011 rund 19 000, im Jahr 2012 rund 21 000 und im Jahr 2013 rund 23 000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte eingemündet (Daten einschließlich zugelassener kommunaler Träger). Für den Bereich der beruflichen Weiterbildungsförderung stehen und standen auch im Mehrjahresvergleich und unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktentwicklung ausreichend Mittel zur Verfügung. Die verstärkte Förderung von abschlussorientierten Weiterbildungen ist auch Ziel der im vergangenen Jahr vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit gestarteten Initiative „AUSBildung wird was – Spätstarter gesucht“. Anlage 27 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 31): Sind die Rückstandshöchstgehalte für Pestizide nach Kenntnis der Bundesregierung in den USA überwiegend höher oder niedriger als in der Europäischen Union, und welche Mechanismen werden nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb der bei dem Transatlantischen Freihandelsabkommen, TTIP, geplanten Harmonisierung der Rückstandshöchstgehalte verankert, um eine künftige Erhöhung der Rückstandshöchstgehalte und damit eine Senkung des Verbraucherschutzniveaus in der EU auszuschließen? In den USA bestehen – ähnlich wie in Europa – umfassende rechtliche Vorgaben zu Rückstandshöchstgehalten von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln. Die Internetseite www.mrldatabase.com des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums, USDA, gibt umfassende Auskunft über die für einzelne Erzeugnisse geltenden Rückstandshöchstgehalte. Hier können auch Vergleiche zur europäischen Rechtslage gezogen werden. Angesichts der Vielzahl der möglichen Erzeugnis-/Wirkstoffkombinationen ist keine Aussage darüber möglich, ob die Rückstandshöchstgehalte für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in den USA überwiegend höher oder niedriger sind als in der EU. Unterschiede – sowohl höhere als auch niedrigere Werte – sind unter anderem möglich aufgrund der unterschiedlichen Klimaverhältnisse, der zu bekämpfenden Schädlinge, der angebauten Kulturen und der verfügbaren Wirkstoffe und damit der jeweiligen Pflanzenschutzmittelzulassungssituation in der EU und den USA. Im Rahmen der Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA werden derzeit die Standpunkte beider Seiten im Hinblick auf eine stärkere Zusammenarbeit im Bereich der Pestizide ausgetauscht. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass in diesem Bereich kein Parallelsystem zu den bereits existierenden internationalen Normungssystemen aufgebaut werden soll. Sowohl die EU als auch die USA orientieren sich bei der Festlegung von Höchstgehalten für Pflanzenschutzmittelrückstände an den internationalen Standards der OECD und dem -Codex Alimentarius. Hier werden Fragen zum Bereich der Höchstgehaltsfestsetzung von Pflanzenschutzmittelrückständen international diskutiert. Dies soll auch künftig so bleiben. Auch hier gilt, wie in anderen Bereichen der Verhandlungen, dass die EU-Standards der Lebensmittelsicherheit durch das Abkommen nicht herabgesetzt werden. Diese Maßgabe zieht sich als roter Faden durch das Verhandlungsmandat und wird von der Kommission stets betont. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Fra-gen 32 und 33): Welche NATO-Gremien werden zu den nuklearen Entwicklungen in den NATO-Nuklearwaffenstaaten unterrichtet (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 38 auf Bundestagsdrucksache 18/1789; bitte einzeln auflisten, mit Angabe der jeweiligen deutschen Vertreterinnen und Vertreter), und wann hat es Unterrichtungen über das US-amerikanische Modernisierungsprogramm der B6112 gegeben – bitte alle Unterrichtungen mit Datum, Ort und deutschen Vertreterinnen und Vertretern angeben? Was waren die Inhalte der Unterrichtungen zu den nuklearen Entwicklungen in den NATO-Nuklearwaffenstaaten – bitte jeweils einzeln detailliert aufschlüsseln –, und welche konkreten Unterrichtungen über das in Frage 32 angesprochene Modernisierungsprogramm hat es in Bezug auf die in Deutschland stationierten US-amerikanischen Atomwaffen gegeben – bitte jeweils unter Angabe des Datums und Ortes der Unterrichtung einzeln aufschlüsseln? Zu Frage 32: Eine Information der NATO-Bündnispartner zu nuklearen Entwicklungen in den NATO-Nuklearwaffenstaaten erfolgt üblicherweise in der Nuklearen Planungsgruppe, NPG, und den ihr zuarbeitenden Gremien der NATO. Die NPG tritt in der Regel einmal im Jahr auf der Ebene der Verteidigungsminister zusammen. Die der NPG direkt zuarbeitende High Level Group, HLG, führt in der Regel drei Sitzungen pro Jahr auf der Ebene der politischen Direktoren der Verteidigungsministerien durch. Die Sitzungen der NPG und HLG werden durch die NPG Staff Group auf Arbeitsebene vorbereitet und begleitet, die in der Regel zweimal im Monat auf der Ebene der Vertreter der nationalen Delegationen zusammentritt. Zu Frage 33: Über Sitzungsinhalte zu Nuklearfragen kann aus Gründen des Geheimschutzes keine Auskunft erteilt werden. Anlage 29 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Fragen der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Fragen 35 und 36): Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht in der Rheinischen Post vom 26. Juni 2014 zum Missbrauch von Patientendaten? Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die relevanten Institutionen im Gesundheitswesen und speziell die Krankenkassen zu wirksamen und einheitlichen Verfahren zum Schutz vor Identitätsdiebstahl insbesondere in Callcentern und Onlinefilialen zu verpflichten, und, wenn nein, warum nicht – bitte begründen? Die Fragen 35 und 36 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Laut oben genanntem Bericht der Rheinischen Post hat ein professioneller Anbieter von Datenschutzdienstleistungen die Sicherheitsvorkehrungen der Barmer GEK hinsichtlich der Übermittlung von Auskünften an Versicherte durch Krankenkassen nach § 305 Absatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, umgehen können. Hierzu hat der Datenschutzdienstleister unter Nennung des Namens, der Versichertennummer und des Geburtsdatums eines bei der Barmer GEK versicherten -Redaktionsmitarbeiters dessen Umzug gegenüber der Krankenkasse telefonisch vorgetäuscht. Anschließend hat er über die Internetseite der Barmer GEK eine Versichertenauskunft über die von diesem Redaktionsmitarbeiter in Anspruch genommenen Leistungen nach § 305 Absatz 1 SGB V beantragt. Der für den Zugriff auf diese Daten notwendige Aktivierungsschlüssel wird von der Barmer GEK aus Sicherheitsgründen nur postalisch an die Versichertenadresse versandt. Weil diese Adresse zuvor telefonisch fingiert worden war, gelangte der Datenschutzdienstleister in den Besitz des Aktivierungsschlüssels und konnte damit die Versichertenauskünfte einholen. Die Krankenkassen haben nach § 78 a Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB X, technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, die für den Schutz von Sozialdaten erforderlich sind. Hierzu gehören insbesondere die in der Anlage zu § 78 a SGB X aufgeführten Zugriffskontrollen und die Kontrolle der Datenweitergabe. Die von der Barmer GEK getroffenen organisatorischen und technischen Maßnahmen konnten mit dem geschilderten Vorgehen umgangen werden. Das über die Barmer GEK aufsichtsführende Bundesversicherungsamt, BVA, hat mitgeteilt, dass es von dem in Rede stehenden Fall erstmals durch eine Anfrage der Rheinischen Post vom 24. Juni 2014 erfahren hat und ihm bis dato keine Informationen zu vergleichbar gelagerten Fällen und auch keine Beschwerden von Versicherten über einen solchen Missbrauch von Sozialdaten vorgelegen haben. Das BVA nimmt die Anfrage zum Anlass, die Rechtssicherheit der Kommunikation zwischen Versicherten und Krankenkassen einer bereits angelaufenen grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen. Grundsätzlich haben Krankenkassen eine sichere Authentifizierung zu gewährleisten, damit Sozialdaten bei der Verarbeitung, Nutzung und Speicherung nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können. Dies geht aus der allgemeinen Vorschrift zum Einsatz geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen hervor, durch die konkrete datenschutzrechtliche Schutzanforderungen zu gewährleisten sind (vergleiche § 78 a SGB X einschließlich der in der Anlage hierzu aufgeführten Schutzziele). Die konkrete Ausgestaltung solcher Verfahren liegt in der Verantwortung der Krankenkassen. Aus Sicht der Bundesregierung sind vor einer Prüfung, ob und gegebenenfalls welche weiteren Maßnahmen zum Schutz der Sozialdaten im Zusammenhang mit Auskünften der Krankenkassen an ihre Versicherten nach § 305 Absatz 1 SGB V notwendig sind, zunächst die Prüfergebnisse des BVA abzuwarten. Darüber hinaus werden mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur künftig sichere Verfahren zur Speicherung und Übermittlung personenbezogener Patientendaten im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen. Deshalb sollte das hohe Schutzniveau, das die Telematikinfrastruktur zur Verfügung stellt, grundsätzlich Maßstab für die elektronische Übermittlung personenbezogener Patientendaten im Gesundheitswesen sein. So fordert der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes in seiner Presseerklärung vom 27. März 2014 die rasche Einführung einer sicheren und interoperablen Telematikinfrastruktur für das deutsche Gesundheitswesen, um ihre Vorteile für die Versicherten unverzüglich nutzbar zu machen. Anlage 30 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 37): Sieht die Bundesregierung unterschiedliche Schutzhöhen für Patientendaten, die in Umsetzung des § 305 Absatz 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Auskünfte an Ver-sicherte – verarbeitet werden, und solchen, die künftig in der Telematikinfrastruktur verarbeitet werden, und, wenn ja, auf welche Weise will die Bundesregierung hier für ein einheitliches und wirksames Schutzniveau sorgen? Im Hinblick auf den Sozialdatenschutz bei Auskünften der Krankenkassen an ihre Versicherten nach § 305 Absatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, ist darauf hinzuweisen, dass die Krankenkassen nach § 78 a Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB X, technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen haben, die für den Schutz von Sozialdaten erforderlich sind. Hierzu gehört insbesondere, dass die Krankenkassen eine sichere Authentifizierung zu gewährleisten haben, damit Sozialdaten bei der Verarbeitung, Nutzung und Speicherung nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können. Die konkrete Ausgestaltung solcher Verfahren liegt in der Verantwortung der Krankenkassen. Das für die Aufsicht über die bundesunmittelbaren Krankenkassen zuständige Bundesversicherungsamt, BVA, hat aufgrund eines Berichts in der Rheinischen Post vom 26. Juni 2014, in dem beschrieben wird, dass die von einer Krankenkasse getroffenen organisatorischen und technischen Maßnahmen umgangen werden konnten, eine grundsätzliche Prüfung der Rechtssicherheit der Kommunikation zwischen Versicherten und Krankenkassen eingeleitet. Aus Sicht der Bundesregierung sind vor einer Prüfung, ob und gegebenenfalls welche weiteren Maßnahmen zum Schutz der Sozialdaten im Zusammenhang mit Auskünften der Krankenkassen an ihre Versicherten nach § 305 Absatz 1 SGB V notwendig sind, zunächst die Prüfergebnisse des BVA abzuwarten. Für die Auskünfte an Versicherte durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie durch die Krankenhäuser nach § 305 Absatz 2 SGB V gelten im Hinblick auf die zum Datenschutz zu treffenden technischen und organisatorischen Maßnahmen die den Vorgaben des § 78 a SGB X vergleichbaren Regelungen nach § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Auskünfte derzeit weitgehend ohne Nutzung einer elektronischen Übermittlung schriftlich an die Versicherten erteilt werden dürften. Mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur werden künftig sichere Verfahren zur Speicherung und Übermittlung personenbezogener Patientendaten im Gesundheitswesen zur Verfügung stehen. Deshalb sollte das hohe Schutzniveau, das die Telematikinfrastruktur zur Verfügung stellt, grundsätzlich Maßstab für die elektronische Übermittlung personenbezogener Patientendaten im Gesundheitswesen sein. So fordert der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes in seiner Presseerklärung vom 27. März 2014 die rasche Einführung einer sicheren und interoperablen Telematikinfrastruktur für das deutsche Gesundheitswesen, um ihre Vorteile für die Versicherten unverzüglich nutzbar zu machen. Anlage 31 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 38): Welche Auswirkungen hat das TiSA nach Auffassung der Bundesregierung auf Finanzierung und Versorgungsstrukturen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und insbesondere auf kommunale Krankenhäuser? Das angestrebte plurilaterale Dienstleistungsabkommen TiSA, Trade in Services Agreement, soll nach dem Willen der Bundesregierung keine Auswirkungen auf -Finanzierung und Versorgungsstrukturen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung oder auf kommunale Krankenhäuser haben. Die Bundesregierung setzt sich intensiv dafür ein, dass im TiSA-Abkommen keine Verpflichtungen übernommen werden, aufgrund derer die in Deutschland geltenden Regelungen zur Kranken- und Pflegeversicherung geändert werden müssten. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 42): Wie viele Drosselkörper des gleichen Typs, wie die unlängst defekten im Atomkraftwerk, AKW, Grohnde, oder solche, bei denen die Federn aus dem gleichen Werkstoff wie dem der defekten Drosselkörperfedern im AKW Grohnde sind, befinden sich jeweils in den sieben noch zum Leistungsbetrieb berechtigten deutschen Druckwasserreaktoren (es wird explizit nach der konkreten Anzahl gefragt; vergleiche Nichtangabe der Anzahl auf meine mündliche Frage 24, Ple-narprotokoll 18/38, Anlage 18), und gegebenenfalls welche jeweiligen Worst-Case-Abschätzungen liegen etwaigen aufsichtlichen Zustimmungen bzw. Duldungen zum aktuellen Weiterbetrieb derjenigen deutschen AKW zugrunde, in denen entsprechende Drosselkörper – also gleicher Typ oder mit -Federn aus gleichem Werkstoff – im Einsatz sind, vor dem Hintergrund, dass laut Plenarprotokoll 18/38, Anlage 18, Schadensursache und -mechanismus noch unklar sind (gegebenenfalls wird um spezifische Angabe für jede etwaig betroffene Anlage gebeten)? In deutschen Druckwasserreaktoren befinden sich pro Reaktorkern 132 Drosselkörper. Diese sind vom Aufbau mit den Drosselkörpern im Kernkraftwerk Grohnde, KWG, vergleichbar. Nachfolgend zähle ich daher die angefragte anlagenspezifische Anzahl der Drosselkörper mit Federn aus dem gleichen Werkstoff – Inconel X750 – wie den schadhaften Federn der Drosselkörper im KWG auf. Kernkraftwerk Drosselkörper mit -Federn aus dem -Werkstoff Inconel X750 Grafenrheinfeld 68 Isar 2 131 Philippsburg 2 132 Neckarwestheim II 132 Brokdorf 132 Emsland 0 Seit meiner Antwort auf die von Ihnen erwähnte mündliche Frage 24 im Plenarprotokoll 13/38, Anlage 18, wurde als Schadensursache interkristalline Spannungsrisskorrosion ermittelt. Da eine Übertragbarkeit des Ereignisses im Kernkraftwerk Grohnde auf andere Anlagen gegeben ist, hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, mbH mit der Erstellung einer Weiterleitungsnachricht zu den Befunden an den Drosselkörpern beauftragt. Die Bewertung der sicherheitstechnischen Bedeutung gebrochener Drosselkörperfedern durch die GRS hat ergeben, dass die Funktion des Drosselkörpers – Strömungsverteilung – trotz defekter Feder gewährleistet ist. Der Drosselkörper kann auch bei einem unterstellten Mehrfachbruch der Feder die vorgesehene Lage aus geometrischen Gründen nicht verlassen. Unabhängig davon besteht bei einem Mehrfachbruch der Feder die Möglichkeit, dass sich einzelne Federbruchstücke aus dem Kupplungsstück lösen und im Kühlmittel transportiert werden. Dies ist bislang nicht aufgetreten. In der Weiterleitungsnachricht wird daher unter anderem die Prüfung der Drosselkörper mit Druckfedern aus dem Werkstoff Inconel X 750 in der nächsten Revision empfohlen, um Anrisse und Federbrüche aufzufinden und befundbehaftete auszutauschen. Die Weiterleitungsnachricht wurde an die zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder, die Betreiber, Hersteller und Gutachterorganisationen verteilt. Die Umsetzung von Weiterleitungsnachrichten wird von den Aufsichtsbehörden der Länder beaufsichtigt. Nach deren Aussage sind entsprechende Prüfungen der Drosselkörper in der nächsten Revision vorgesehen bzw. wurden bereits durchgeführt. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 43): Bei welchen für dieses Jahr noch geplanten Treffen zwischen der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande soll das AKW Cattenom Gegenstand sein (bitte mit Angabe des Kalender-datums aller bislang geplanten Termine), und inwiefern war der Beobachterbericht zum Stresstest für das AKW Cattenom von Dieter Majer in der Amtszeit des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy Gegenstand hochrangiger Kontakte zwischen dem Élysée-Palast und dem Bundeskanzleramt (bitte mit Angabe des Datums)? Für das Jahr 2014 stehen noch keine Termine für weitere Treffen zwischen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Staatspräsidenten Hollande fest. Daher können auch noch keine Aussagen zu den Gesprächsthemen gemacht werden. Für die Bundeskanzlerin und den damaligen Staatspräsidenten Sarkozy wurde die Frage bereits im August 2013 mit „Nein“ beantwortet (schriftliche Frage Nummer 86 auf Bundestagsdrucksache 17/14483). Das gilt auch für weitere in der Frage angesprochene hochrangige Kontakte zwischen dem Elysée-Palast und dem Bundeskanzleramt. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 46): Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit haben? Auswirkungen auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit durch das geplante plurilaterale Dienstleistungsabkommen Trade in Services Agreement, TiSA, lassen sich noch nicht abschätzen. Die Verhandlungen, die die EU-Kommission führt, werden noch einige Zeit dauern. Möglichen Marktöffnungsverpflichtungen im Bereich der Daseinsvorsorge steht Deutschland ablehnend gegenüber. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Fragen des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Fragen 47 und 48): Was hat der Bund seit dem Hochwasser im Jahr 2002 für den Schutz des Oberen Elbtals vor Hochwasser getan, und inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung der sächsischen Landesregierung, dass ein angemessener Hochwasserschutz im Oberen Elbtal nicht möglich ist, also die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden von Schmilka bis Pirna/Heidenau auch künftig extremem Hochwasser schutzlos ausgeliefert sind (siehe „Trübe Aussichten fürs Obere Elbtal“ in Sächsische Zeitung vom 6. Juni 2014)? Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung der sächsischen Landesregierung, dass mit einem Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik zum gemeinsamen Schutz der Elbe vor Hochwasser erst in 30 Jahren zu rechnen sei (siehe „Trübe Aussichten fürs Obere Elbtal“ in Sächsische Zeitung vom 6. Juni 2014), und welche Ergebnisse kann die Bundesregierung, unter anderem durch ihre Mitwirkung in der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe, vorweisen, um gemeinsam mit der Tschechischen Republik einen wirksameren Schutz der Anrainer vor Hochwasser im Einzugsbereich der Elbe im Freistaat Sachsen zu erzielen? Zu Frage 47: Die Hochwasservorsorge in Deutschland fällt in die Vollzugs- und Finanzierungskompetenz der Bundesländer. Insofern ist der Freistaat Sachsen für das Hochwasserrisikomanagement im Oberen Elbtal zuständig. Der Bund stellt über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, GAK, Mittel zur Verbesserung des Hochwasserschutzes nach den Grundsätzen des GAK-Rahmenplans für die Förderung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums unter Berücksichtigung der Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der EG-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie zu Verfügung. Über die zu fördernden Maßnahmen und den Einsatz der Mittel entscheiden die Länder in Durchführung des GAK-Rahmenplans grundsätzlich in eigener Verantwortung. Die öffentlichen Ausgaben für Hochwasserschutzmaßnahmen (GAK Bund und Länder, EU-Mittel) betrugen in den Jahren 2002 bis 2012 knapp 2,1 Milliarden Euro. Zu Frage 48: Die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechische Republik arbeiten seit über zwei Jahrzehnten im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe, IKSE, zusammen. Sie haben 2003 einen gemeinsamen Aktionsplan Hochwasserschutz erarbeitet. Dessen Umsetzung ist im Abschlussbericht, der 2012 veröffentlicht wurde, dargelegt (http://www.ikse-mkol. org/fileadmin/download/AP-HWS/Abschlussbericht/IKSE _Abschlussbericht_APProzent20HWS_2003-2011.pdf). Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt, zum Beispiel bei der Hochwasservorhersage. Derzeit setzen beide Staaten zusammen mit Österreich und Polen die europäische Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (Richtlinie 2007/60/EG) im Einzugsgebiet der Elbe um. Ziel der Richtlinie ist es, bis Ende 2015 grenzübergreifend abgestimmte Hochwasserrisikomanagementpläne für alle Flusseinzugsgebiete innerhalb der Europäischen Union zu erarbeiten. Die IKSE hat in diesem Zusammenhang zum Beispiel ein gemeinsames, interaktives Informationsportal mit den Hochwassergefahren- und -risikokarten erarbeitet und öffentlich zugänglich gemacht (http://geoportal.bafg.de/mapapps/resources/apps/IKSE_DE/index.html?lang=de). Aktuell wird der internationale Teil des Hochwassermanagementplans erstellt, der im Entwurf bis Ende dieses Jahres vorliegen soll. Im Hochwasserrisikomanagementplan werden alle bedeutenden gemeinsamen und einzelstaatlichen Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements in der internationalen Flussgebietseinheit abgestimmt und dargestellt. Sollten sich aus diesem Plan Maßnahmen ergeben, die nur durch einen Staatsvertrag umsetzbar wären, dann könnte ein solcher durch die Bundesregierung angeregt und verhandelt werden. Die zeitlichen Abläufe der Prüfungen und Abstimmungen hängen insbesondere von den inhaltlichen Themen eines solchen Vertrages ab. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 49): Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung haben? Auswirkungen auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, BMBF, durch das geplante plurilaterale Dienstleistungsabkommen Trade in Services Agreement, TiSA, lassen sich noch nicht abschätzen. Die Verhandlungen, die die EU-Kommission führt, werden noch einige Zeit dauern. Die Bundesregierung strebt an, keine Verpflichtungen im Bereich Bildung und Forschung zu übernehmen, die über die bisherigen Verpflichtungen aus dem GATS-Abkommen, General Agreement on Trade in Services, hinausgehen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 50): Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben? Im Rahmen der Geschäftsverteilung der Bundesregierung ist das BMWi federführend für die World Trade -Organization, WTO, zuständig und damit auch für das Trade in Service Agreement, TiSA, das seit März 2013 auf Initiative der USA und Australiens und weiteren 21 WTO-Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission, EU-KOM, verhandelt wird. Die Europäische Kommission verhandelt im Namen der EU-Mitgliedstaaten, wofür sie am 15. Februar 2103 durch den Rat der EU ermächtigt wurde. Die Verhandlungen befinden sich in einem sehr frühen Stadium. Ein besonderes Interesse der Entwicklungsländer an den Verhandlungen ist derzeit nicht -vorhanden. Bisher sind weder die meisten großen Schwellenländer – außer Mexiko – noch die meisten Entwicklungsländer an den Verhandlungen beteiligt, sodass für das BMZ derzeit kein Handlungsbedarf besteht. Ziel der Verhandlungen ist die Verbesserung des Marktzugangs im Dienstleistungssektor, aber auch das Setzen von Impulsen für die stockende Doha-Runde in diesem Bereich und die geplante spätere Multilateralisierung des Abkommens – das heißt Ausdehnung auf alle WTO-Mitgliedstaaten. Bisher gab es sieben Verhandlungsrunden, in denen vor allem regulatorische Fragen und zahlreiche technische Einzelaspekte diskutiert wurden. Konkrete Ergebnisse werden einen langen Atem benötigen. Die EU-KOM berichtet regelmäßig im Handelspolitischen Ausschuss Dienstleistungen und Investitionen über den Fortgang der Verhandlungen. Das BMZ ist seinem Geschäftsbereich entsprechend in die TiSA-Verhandlungen eingebunden. Eine Beteiligung erfolgt über die Ressortabstimmungen und regelmäßigen Informationsveranstaltungen des BMWi. Dabei setzt sich das BMZ insbesondere für die Stärkung der Belange der Entwicklungsländer ein, um Wertschöpfung und Diversifizierung in den Partnerländern zu fördern. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Frage 53): Wie hat die Bundesregierung sichergestellt, dass die durch den BND an die US-amerikanische NSA weitergegebenen Rohdaten, die Medienberichten zufolge an einem Internetknotenpunkt abgefangen wurden (Tagesschau, 25. Juni 2014), keine Daten deutscher Staatsbürger beinhalteten – bitte hierfür auch mitteilen, an welchen Internetknoten oder Auslandsköpfen die Daten abgefangen wurden –, und weshalb wurde dem Fragesteller diese nun bekannt gewordene Weitergabe trotz expliziter Nachfrage in öffentlichen und geheimen Teilen früherer Anfragen ausdrücklich verschwiegen – hierzu exemplarisch Bundestagsdrucksache 17/14714? Der Bundesnachrichtendienst handelt im Rahmen seiner durch das BND-Gesetz und das G-10-Gesetz vorgegebenen rechtlichen Befugnisse. Den Beschränkungsmaßnahmen – also der Ausleitung von Telekommunikationsverkehren – auf Antrag des BND nach dem G-10-Gesetz liegen jeweils die vorherige Zustimmung der G-10-Kommission des Deutschen Bundestages sowie eine vorherige Anordnung des BMI zugrunde. Das G-10-Gesetz sieht enge tatbestandliche Voraussetzungen für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen vor. Gemäß § 2 G 10 in Verbindung mit § 27 TKÜV hat der verpflichtete Provider – Telekommunikationsunternehmen, Internetanbieter oder Netzdienstleister – dem BND eine Kopie der auf dem angeordneten Übertragungsweg übermittelten Telekommunikationsverkehre zur Verfügung zu stellen. Der Schutz der Kommunikation von Grundrechtsträgern wird seitens des BND durch ein mehrstufiges Filterverfahren sichergestellt. Der Schutz wird durch vielfältige Mechanismen sichergestellt, von denen der technische Ausschluss von zum Beispiel E-Mail-Adressen und Top-Level-Domains mit .de-Endung ein Teil ist. Andere Teile beruhen auf technischen Maßnahmen zur Ausfilterung von Verkehren deutscher IP-Adressen oder auch linguistischer Prüfkriterien. Zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages arbeitet der BND auch mit ausländischen Partnern wie der NSA zusammen. Die Erhebung von Daten durch den BND erfolgt jeweils auf der Grundlage (von § 1 Absatz 2) des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (§ 2 Absatz 1 Nummer 4, § 3 BNDG) sowie (§§ 3, 5 und 8) des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10). Der BND gibt und gab erhobene Daten nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen weiter. Die Übermittlung durch den BND an ausländische Stellen erfolgt auf der Grundlage von § 1 Absatz 2 BNDG, § 9 Absatz 2 BNDG in Verbindung mit § 19 Absatz 3 BVerfSchG sowie § 7 a G 10. Im Übrigen ist die Unterstellung falsch, dass „trotz expliziter Nachfrage im öffentlichen und geheimen Teil früherer Anfragen ausdrücklich“ die Weitergabe von Daten „verschwiegen“ wurde. Ich darf hierzu auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zu den Abhörprogrammen der USA auf Bundestagsdrucksache 17/14560, insbesondere auf die Antwort auf Frage 43 hinweisen. Die damals hinterlegte, geheim eingestufte Antwort zu Frage 43 habe ich erneut an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt. Stellung genommen hat die Bundesregierung ebenfalls in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/14739. Hier möchte ich insbesondere auf die Antwort auf Frage 14 hinweisen. Die Datenweitergabe betrifft inhaltlich insbesondere die Themenfelder Internationaler Terrorismus, Organisierte Kriminalität, Proliferation sowie die Unterstützung der Bundeswehr in Auslandseinsätzen. Sie dient der Aufklärung von Krisengebieten oder Ländern, in denen deutsche Sicherheitsinteressen berührt sind. Die weitere Beantwortung der Frage kann aus Staatswohlgründen nicht erfolgen. Nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, GG, resultierenden Informationsrecht des Deutschen Bundestages einerseits und den hier vorliegenden Geheimhaltungsinteressen andererseits ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung aus Gründen des Staatswohls nicht erfolgen kann. Dasselbe hat bereits auch für die nun in Bezug genommene Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 6. September 2013 (Drucksache 17/14714) gegolten. Auch hierzu hat die Bundesregierung erklärt, dass aus Gründen des Staatswohls keine Antwort gegeben werden kann. An dieser Haltung hat sich keine Änderung ergeben. Anlage 39 Antwort der Staatsministerin Monika Grütters auf die Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 54): Welche konkreten Auswirkungen wird das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäftsbereich der Staatsministerin für Kultur und Medien haben? Die Europäische Kommission wurde Anfang 2013 vom Rat ermächtigt, Verhandlungen über ein plurilaterales Dienstleistungsabkommen, TiSA, zu führen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. In Bezug auf audiovisuelle Dienstleistungen will die Europäische Union, EU, wie bei GATS keine Verpflichtungen übernehmen, im Hinblick auf die Kultur sollen aus Sicht der Bundesregierung keine zusätzlichen Verpflichtungen für Deutschland bzw. für die EU vereinbart werden, die über die bestehenden WTO/GATS-Verpflichtungen hinausgehen. Konkrete Auswirkungen für den Bereich Kultur und Medien sind derzeit noch nicht absehbar. Die Bundes-regierung setzt sich dafür ein, dass das Abkommen zu keinen Änderungen der bisherigen Förder- bzw. Regelungsstrukturen in Deutschland führt und der Spielraum für künftige Anpassungen erhalten bleibt. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 55): Wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag im Rahmen der Informations- und Beteiligungspflichten zeitnah und schriftlich über die TTIP-Vertragsentwürfe unterrichten, die ihr laut Europäischer Kommission in dem unmittelbar vor der Einrichtung stehenden „Leseraum“ zugänglich gemacht werden, und wenn nein, auf welcher rechtlichen Grundlage bewegt sie sich bei der Nichtweitergabe der Informationen? Die Europäische Kommission hat seit kurzem einen Leseraum in Brüssel eröffnet, in dem die Mitgliedstaaten konsolidierte EU/US-Verhandlungstexte einsehen und sich hierzu Notizen machen können. Ein entsprechender Leseraum soll für das Europäische Parlament eingerichtet werden. Ob ein Leseraum in den europäischen Hauptstädten eingerichtet wird, ist bislang offen. Ausgelegt wurden Texte in den Bereichen technische Handelshemmnisse, Wettbewerb, Streitschlichtung Staat-Staat, Marktzugang von Waren und öffentliche Beschaffung. Die EU-Texte basieren auf Vorschlägen der Europäischen Union, die den Mitgliedstaaten bereits zuvor übermittelt wurden und auch an den Deutschen Bundestag übersandt wurden. Erstmals können in den konsolidierten Texten auch US-Textvorschläge eingesehen werden. Die Bundesregierung wird ihren Kenntnisstand über die im Leseraum einsehbaren Verhandlungsdokumente soweit möglich in ihre schriftlichen und mündlichen Unterrichtungen an den Bundestag einfließen lassen. Die Bundesregierung setzt sich darüber hinaus gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Mitgliedstaaten nachdrücklich für Verbesserungen und insbesondere eine Übermittlung konsolidierter EU/US-Texte an die Mitgliedstaaten ein. Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Fragen 56 und 57): Wird das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen mit den USA, TTIP, nach Kenntnis der Bundes-regierung eine völkerrechtsvertragliche Kündigungsklausel enthalten, und setzt sich die Bundesregierung für eine solche Kündigungsklausel ein (bitte begründen)? Seit bzw. ab wann sind nach Kenntnis der Bundesregierung welchem Personenkreis aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union konsolidierte Vertragstexte des TTIP-Abkommens zur Einsichtnahme in einem Leseraum zugänglich? Zu Frage 56: Über Kündigungsklauseln wurde nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung in den Verhandlungen bislang nicht diskutiert. Die Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten enthalten in der Regel Kündigungsklauseln. Die Bundesregierung geht deshalb davon aus, dass auch ein Abkommen mit den USA eine Kündigungsklausel enthalten wird. Zu Frage 57: Die Europäische Kommission hat seit dem 16. Juni 2014 einen Leseraum in Brüssel für die Einsichtnahme der Mitgliedstaaten in konsolidierte Verhandlungstexte eröffnet. Der Leseraum kann von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten nach Anmeldung genutzt werden. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 60): Wie bewertet die Bundesregierung, dass an den Verhandlungen zum geplanten Dienstleistungsabkommen TiSA kein einziger Staat aus der Gruppe der AKP-Staaten (AKP: Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks) beteiligt ist, und welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung für den Fall, dass ein umfassendes Dienstleistungsabkommen ohne die Einbeziehung der AKP-Staaten zwischen den beteiligten 22 Staaten und der EU geschlossen wird, für die Entwicklungschancen dieser Länder? Die Bundesregierung bedauert, dass AKP-Staaten sich an den TiSA-Verhandlungen bislang nicht beteiligen. Der Abschluss des Abkommens dürfte positive Auswirkungen auf die AKP-Staaten haben, weil die Umsetzung von Marktöffnungsverpflichtungen im Dienstleistungsbereich häufig so umgesetzt werden, dass alle Drittstaaten davon profitieren. Ziel der EU und der Bundesregierung ist im Übrigen, die Ergebnisse der TiSA-Verhandlungen später möglichst zu multilateralisieren. Anlage 43 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 61): Welche konkreten Auswirkungen hat bzw. wird das geplante Dienstleistungsabkommen TiSA auf den Geschäfts-bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie haben? Die Verhandlungen zum plurilateralen Dienstleistungsabkommen TiSA werden gemäß ihrer Zuständigkeit für die Gemeinsame Handelspolitik von der Europäischen Kommission geführt. Die Verhandlungen befinden sich noch in einem frühen Stadium. Auswirkungen auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie durch das geplante plurilaterale Dienstleistungsabkommen lassen sich noch nicht abschätzen. Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie federführend für das angestrebte plurilaterale Dienstleistungsabkommen TiSA, Trade in Services Agreement, zuständig. Neben der Beantwortung zahlreicher schriftlicher und mündlicher Fragen zum Abkommen legt das Ministerium die Position der Bundesregierung in Abstimmung mit anderen Ressorts und den Ländern sowie unter Berücksichtigung von Positionsbestimmungen von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden fest. Von möglichen Marktöffnungen der Verhandlungspartner in verschiedenen Dienstleistungssektoren würden die in vielen Branchen sehr wettbewerbsfähigen deutschen Anbieter profitieren. Wie bei anderen Handelsabkommen auch, berücksichtigt die Bundesregierung aber auch die defensiven Interessen in sensiblen Bereichen wie zum Beispiel in der Daseinsvorsorge und der Kultur in enger Abstimmung mit den betroffenen Ressorts, Ländern und Interessengruppen. Anlage 44 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/1920, Frage 62): Welche Position vertritt die Bundesregierung in Hinblick auf die öffentlich gewordene (siehe https://wikileaks.org/tisa-financial/WikiLeaks-secret-tisa-financial-annex.pdf) streitige Auseinandersetzung zwischen der Europäischen Kommission und Vertreterinnen und Vertretern der USA bei der Frage der Geltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen im Hinblick auf den Anwendungsbereich des TiSA-Abkommens? Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass durch das TiSA-Abkommen die in Deutschland und der EU geltenden Datenschutzvorschriften nicht beeinträchtigt werden dürfen.Anlagen II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4075 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 4092 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 2. Juli 2014 4093