Plenarprotokoll 18/49 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 49. Sitzung Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksache 18/2000 4459 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksache 18/2001 4459 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 4459 B Allgemeine Finanzdebatte (einschließ- lich Einzelpläne 08, 20, 32 und 60) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 4466 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) 4468 B Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4470 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) 4471 D Johannes Kahrs (SPD) 4474 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) 4476 C Norbert Barthle (CDU/CSU) 4477 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4479 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) 4480 B Norbert Brackmann (CDU/CSU) 4481 D Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) 4483 A Antje Tillmann (CDU/CSU) 4484 B Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI 4486 A Jan Korte (DIE LINKE) 4488 C Martin Gerster (SPD) 4490 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4491 D Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 4493 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4494 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) 4496 D Dr. Eva Högl (SPD) 4497 C Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4499 D Dr. André Berghegger (CDU/CSU) 4500 C Gabriele Fograscher (SPD) 4502 A Eberhard Gienger (CDU/CSU) 4503 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) 4504 C Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 4505 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4505 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas, Bundesminister BMJV 4507 C Roland Claus (DIE LINKE) 4509 B Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) 4510 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4512 C Dennis Rohde (SPD) 4513 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 4514 D Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) 4516 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4518 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 4519 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 4520 D Metin Hakverdi (SPD) 4521 D Mechthild Heil (CDU/CSU) 4522 D Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) 4524 B Roland Claus (DIE LINKE) 4525 D Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Hermann Gröhe, Bundesminister BMG 4526 B Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 4528 D Dr. Karl Lauterbach (SPD) 4530 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4531 C Rudolf Henke (CDU/CSU) 4533 A Pia Zimmermann (DIE LINKE) 4534 C Petra Hinz (Essen) (SPD) 4535 D Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4537 C Erich Irlstorfer (CDU/CSU) 4538 D Burkhard Blienert (SPD) 4540 B Dietrich Monstadt (CDU/CSU) 4541 D Helmut Heiderich (CDU/CSU) 4543 B Nächste Sitzung 4544 D Berichtigung 4544 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 4545 A Inhaltsverzeichnis 49. Sitzung Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 Beginn: 10.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zu unserer Haushaltswoche. Wir werden in dieser Woche wie vereinbart die Haushaltsberatungen durchführen. Dies ist Gegenstand unserer Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b, die ich hiermit aufrufe: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksache 18/2000 Überweisungsvorschlag: Haushaltsauschuss b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierung Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksache 18/2001 Überweisungsvorschlag: Haushaltsauschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind im Rahmen der Haushaltsberatungen für die heutige Aussprache im Anschluss an die Einbringung des Haushaltes – ich nenne jetzt etwas abgerundete Zahlen – sechseinhalb Stunden, am Mittwoch neun Stunden, am Donnerstag neuneinhalb Stunden und am Freitag noch einmal dreieinhalb Stunden vorgesehen. Ich darf fragen, ob sich dagegen Einwände erheben? – Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann können wir so verfahren. Ich erteile das Wort zur Einbringung des Haushalts dem Bundesminister der Finanzen, Herrn Dr. Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wäre dies heute unsere erste Sitzung nach der Sommerpause gewesen. Diese erste Sitzung sollte sich mit dem Bundeshaushalt 2015 befassen. Stattdessen haben wir uns bereits vor einer Woche getroffen, um über Waffenlieferungen an die Kurden im Irak zu sprechen. Das zeigt deutlich, dass die Lage anders ist als noch vor wenigen Wochen. Zum Krieg im Irak und Syrien kommt der Krieg in der Ukraine hinzu. Auch Libyen wird erneut von Gewalt erschüttert. Wir sehen unvorstellbaren islamistischen Terror in weiten Teilen des Nahen und Mittleren Ostens und auch in Afrika. Dazu kommt noch die Ebola-Bedrohung. Das alles befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Zugleich schwächelt unser europäisches Wirtschaftsumfeld. Fortdauernd hohe Defizite, die Wettbewerbs- und die dadurch entstehende Wachstumsschwäche in großen Ländern der Euro-Zone machen auch der deutschen Wirtschaft zunehmend zu schaffen. Die gegenwärtige Ballung von Krieg im Umfeld der Europäischen Union, Reformstau und die daraus folgende wirtschaftliche Stagnation in wichtigen europäischen Ländern, das Auf und Ab in wichtigen Exportmärkten wie China und Amerika, das alles wirkt sich auch auf Deutschland aus. Obwohl wir alles in allem eine recht robuste Konjunktur haben – das wird auch heute wieder in den aktuellen Meldungen bestätigt –, haben wir eine Abschwächung hinnehmen müssen. Man soll die Quartalszahlen aber nicht überbewerten. Wir haben keinen Grund, jetzt in voreiligen Pessimismus zu verfallen. Wir müssen allerdings die Realität zur Kenntnis nehmen, und diese ist, dass sich das wirtschaftliche Umfeld etwas eingetrübt hat. Wir brauchen deshalb Ernsthaftigkeit in der Beurteilung der Lage und Disziplin im Handeln. Wir müssen uns auf das Wesentliche fokussieren und konzentrieren. Daraus folgt – das ist sehr umstritten –, dass wir gerade in dieser Lage unsere solide, verlässliche, stabilitäts-orientierte Politik entschlossen und unaufgeregt fortsetzen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Alles andere würde zu einer neuen Vertrauenskrise führen, und das wäre das Letzte, was wir jetzt in Europa in dieser Lage gebrauchen könnten. Deswegen ist es zentral, dass wir in unserer Haushaltspolitik konsequent Kurs halten. Bundeshaushalte ohne Neuverschuldung sollen ab 2015, ab nächstem Jahr, Normalität werden. Wir haben das vor der Wahl versprochen, wir haben es nach der Wahl vereinbart, und jetzt setzen wir es um. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die „schwarze Null“ ist kein Selbstzweck, aber sie steht für Verlässlichkeit; sie steht dafür, dass wir halten, was wir versprochen haben. Nur so können wir das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten. Wir haben uns dieses Vertrauen in den letzten Jahren mühsam wieder erarbeiten müssen. Schließlich hat die globale Finanz- und Wirtschaftskrise auch Deutschland wirtschaftlich stark zurückgeworfen. Man hat schon vergessen, dass wir 2009 einen Rückgang unseres Inlandseinkommens von über 5 Prozent hatten. Der Bundeshaushalt 2015 und die Finanzplanung bis 2018 stehen für Verlässlichkeit. Diese Verlässlichkeit ist elementar, für Investoren wie für Verbraucher. Unsere Politik steht für Stabilität, gerade in einer Phase wirtschaftlicher und politischer Anspannungen aufgrund kriegerischer Konflikte in der Ukraine und im Nahen und Mittleren Osten. Verlässlichkeit, Stabilität, halten, was man versprochen hat – dazu zählt auch, sich an europäische Regeln zu halten. Alle sollten sich an europäische Regeln halten; wir haben sie mit beschlossen. Indem der Bundeshaushalt 2015 und unsere Finanzplanung bis 2018 keine neuen Schulden vorsehen, erfüllen wir unsere europäischen Verpflichtungen. Wir haben nämlich die Verpflichtung übernommen, unsere Schuldenquote Schritt für Schritt zu senken. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir sie zügig wieder auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückführen, womit wir dann erst die Obergrenze des Stabilitäts- und Wachstumspakts einhalten. Wir streben für 2018 eine Schuldenquote von 65 Prozent an. Wir sind also auch 2018 noch über der Schuldengrenze, aber wir sind auf dem Weg zu ihr. Die Quote lag 2012, also vor zwei Jahren, bei über 80 Prozent. Wenn wir die Schuldenquote nicht zurückführen würden, dann hätten wir 2018, bezogen auf die Schuldenquote, 450 Milliarden Euro mehr Schulden – nur damit man weiß, worüber wir reden. Indem wir halten, was wir versprechen, schaffen wir Vertrauen. Gerade wenn es so scheint, als würden wir weniger rosigen Zeiten entgegensehen, ist es umso wichtiger, dass wir alles dafür tun, das grundlegende Vertrauen in unsere Politik zu erhalten. Denn ginge das Vertrauen verloren, dann ginge die Bereitschaft der Wirtschaftsteilnehmer verloren, ihr Geld, ihre Kraft und ihre Fähigkeiten in unserem Land und in Europa einzusetzen. Vertrauen – das wissen die Ökonomen seit Ludwig Erhard – ist der wichtigste Rohstoff in einer Ordnung der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir brauchen in erster Linie private Investitionen, um die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas zu erhalten. Bei privaten Investitionen muss man sich auf verlässliche Rahmenbedingungen verlassen können. Wir haben sie derzeit in Deutschland; Investoren können darauf vertrauen, dass sie erhalten bleiben. Grundlage dafür ist unsere stabilitätsorientierte Finanzpolitik. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen – auch das muss man angesichts einer zunehmenden Debatte in unserem Land und um unser Land herum immer wieder ins Gedächtnis rufen –, dass eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik die beste Politik für Wachstum und Beschäftigung ist. Es ist wahr, dass wir besser als andere aus der wirtschaftlichen Krise herausgekommen sind, weil wir unsere Defizite zurückgeführt haben und damit zugleich mehr Wachstum und mehr Beschäftigung erzielt haben. Wer seine Defizite nicht zurückgeführt hat, hat weniger Wachstum erzielt. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man durch eine Erhöhung der Defizite mehr Wachstum schaffen kann. Das ist ein bequemer, aber ein falscher Weg. Wir werden diesen Weg nicht gehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Übrigen ist die Mobilisierung privater Investitionen volkswirtschaftlich wirkungsvoller als jedes staatliche Ausgabenprogramm. Das gilt nicht nur für die Verkehrsinfrastruktur. Es gilt genauso für Informations- und Kommunikationstechnologien, es gilt für die Energienetze, aber es gilt natürlich vor allem für Investitionen in Maschinen und Ausrüstungen in den Unternehmen selbst. Das ist das Entscheidende; denn hier liegt der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Hier liegt übrigens auch der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg Europas. Bei unserer demografischen Entwicklung – weniger Menschen und älter werdende Menschen – und bei unserem im weltweiten Vergleich hohen Niveau sozialer Sicherheit entstehen Wachstumspotenziale – es hilft alles nichts – nur aus Innovationen und aus leistungsfähiger Infrastruktur. Es gibt keinen Weg daran vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist auch eine einfache Wahrheit, dass Investitionsprojekte für Kapitalanleger Renditeerwartungen enthalten müssen. Sonst werden sich Kapitalanleger nicht engagieren. Deswegen müssen wir auch über neue Formen der Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten nachdenken. Kooperation zwischen Staat und Privaten kann aber natürlich nicht heißen, dass der Staat die Risiken trägt und die Privaten die Gewinne machen. So wäre die Arbeitsteilung nicht richtig. Die richtige Arbeitsteilung ist, dass der Staat für einen verlässlichen Rechtsrahmen sorgt und Private ihre Leistungen gegen Entgelt und bei Übernahme des unternehmerischen Risikos anbieten. Warum sollte das, was bei den Telefon- und Energienetzen alles in allem gut funktioniert, nicht auch im Verkehrsbereich stärker einzusetzen sein, zumal andere Länder das erfolgreich vormachen? Wir brauchen hier bessere Möglichkeiten für private Investoren. Wir arbeiten daran. Wir weiten planmäßig, Schritt für Schritt, die Lkw-Maut – Toll Collect – aus. Wir machen auch anderes. Wir werden das in dieser Legislatur fortführen und auch in der nächsten fortsetzen. Das erreichen wir besser durch eine Finanzierung durch die Nutzer. Ein Engagement privater Investoren wird übrigens erst dann richtig sinnvoll, wenn sie ihre Investitionen an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer ausrichten können. Das sorgt dann für ein passgenaues und effizientes Angebot, und damit ist auch den Nutzern gedient. Deutschland leitet übrigens auf der Ebene der G-20-Staaten gemeinsam mit Indonesien und Mexiko eine Arbeitsgruppe, die Standards entwickelt, wie privates Kapital in die Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen gelenkt werden kann. Natürlich arbeiten wir auch daran, den Bereich Infrastruktur stärker für Investitionen der Versicherungswirtschaft, der Pensionskassen und der anderen großen Kapitalsammelstellen zu öffnen. Dazu überprüfen wir, inwieweit Regulierung Investitionsmöglichkeiten unnötig versperrt. Ich füge hinzu: Wir gehen dabei vorsichtig vor, weil ein Übermaß an Risikoübernahme mit der Verlässlichkeit von Versicherungen nicht zu vereinbaren ist. Die deutsche Versicherungsbranche hat sich in der -Finanz- und Bankenkrise als sehr widerstandsfähig erwiesen. Das dürfen wir nicht gefährden. Gute und verlässliche Rahmenbedingungen für private Investitionen flankieren wir mit gezielten staatlichen Investitionen. Der wichtigste und erste Schwerpunkt ist der Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung. Der Bund übernimmt von den Ländern – das haben wir vor kurzem so beschlossen und umgesetzt – vollständig die Zahlungen der Leistungen nach dem BAföG. Mehr Schüler und Studenten erhalten Zugang zum BAföG. Wir passen die Regelsätze an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten an. Wir finanzieren weiter den Hochschulpakt und sorgen so für zusätzliche Studienplätze. Wir stocken auch das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ ein weiteres Mal auf. Im Übrigen ist mit den Ländern verabredet, dass die Entlastungen durch die Übernahme des BAföG für zusätzliche Investitionen in Schulen und Hochschulen genutzt werden. Wir steigern die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung kontinuierlich, 2015 um 1 Milliarde Euro. In der gesamten Legislaturperiode haben wir für Forschung zusätzliche Mittel in Höhe von 3 Milliarden Euro eingeplant, vor allem für die Exzellenzinitiative und für den Pakt für Forschung und Innovation. Wir sind bei den Forschungsausgaben international in der Spitzengruppe. Mit unserer starken Forschung und Entwicklung, mit den hohen Ausrüstungsinvestitionen auch in unserer Industrie steht Deutschland bei den besonders wachstumsrelevanten Investitionen im internationalen Vergleich gut da. Das relativiert manchen oberflächlichen Quotenvergleich, der in den internationalen Statistiken durch Baubooms gelegentlich sehr verzerrt dargestellt wird. Auch daran muss man gelegentlich erinnern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das alles ist kein Grund, sich auszuruhen. Wir müssen das weiter ausbauen, weil wir Wachstum eben nur über Innovationen erreichen. Ich wiederhole es: Bei unserer demografischen Entwicklung – wir werden weniger und älter – können wir Wachstum nicht durch mehr Köpfe steigern, sondern nur durch kreative Köpfe, die Innovationen vorantreiben und dadurch Wachstum schaffen. Wachstum durch Innovation bedeutet übrigens Hightech. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung letzte Woche die neue Hightech-Strategie beschlossen hat. Diese Hightech-Strategie trägt dazu bei, dass die hohe Innovationsfähigkeit unseres Landes weiterhin eine unserer herausragenden Stärken bleibt. Dies erklärt -übrigens, warum wir im Augenblick besser als andere europäische Länder dastehen. Auch das muss man sich gelegentlich anschauen. Wenn man die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Europa vergleicht, findet man eine Erklärung, warum die Entwicklung in einzelnen Ländern unterschiedlich ist. Das sage ich immer wieder, wer auch immer es hören mag oder nicht. Wir brauchen kreative Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Gute Ideen müssen schnell in innovative Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden. Der Wettbewerb wird immer schneller. Deswegen muss die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft immer enger werden. Wir konzentrieren uns als Bundesregierung auf Felder mit einer großen Innovationsdynamik. Wir werden kleine und mittlere Unternehmen sowie technologieorientierte Unternehmensgründungen unterstützen. Wir sorgen für günstige Rahmenbedingungen bei der Fachkräftesicherung, bei der Finanzierung und bei anderen gesellschaftlichen, technischen und rechtlichen Voraussetzungen. In unserem zweiten Schwerpunkt, Infrastruktur – so haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart –, investieren wir zusätzlich 5 Milliarden Euro Bundesmittel in Straßen, Schienen und Wasserstraßen in dieser Legislaturperiode, 1 Milliarde Euro bereits im kommenden Jahr. Im Übrigen kommt hinzu: Die vom Bund gerade auf den Weg gebrachten und die schon in der letzten Legislatur beschlossenen massiven Entlastungen der Länder und Kommunen stärken auch deren Investitionskraft im Bereich von Verkehr und Infrastruktur. Durch die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung – der Bund hat sie voll übernommen – werden die Kommunen in Deutschland in diesem Jahr um fast 5,5 Milliarden Euro entlastet. Dies muss man immer wieder in Erinnerung rufen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die so entstandenen Spielräume sollten die Kommunen und auch die Länder möglichst konsequent für Investitionen nutzen. Es ist übrigens erfreulich, dass wir bei den Kommunen einen massiven Anstieg der Investitionen feststellen können. Auch hier sind gute Rahmenbedingungen entscheidend. Dazu zählt, dass wir die Leistungsfähigkeit unseres föderalen Staats insgesamt erhalten. Auch die Länder müssen ihre gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen. Auch sie müssen sich an die Schuldenbremse, wie sie für die Länder im Grundgesetz steht, halten, und sie müssen im Übrigen an der Einhaltung unserer gesamtstaatlich übernommenen europäischen Verpflichtungen mitwirken. Deswegen wollen wir den Stabilitätsrat, der die Finanzsituation von Bund und Ländern überwacht, mit zusätzlichen Kompetenzen ausstatten, damit er in Zukunft Haushalte zurückweisen kann, die den gemeinsam vereinbarten und im Grundgesetz festgelegten Regeln der Schuldenbremse und auch den Regeln des europäischen Fiskalvertrags widersprechen. Das, was wir in Europa brauchen, müssen wir auch im bundesstaatlichen Verhältnis berücksichtigen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Bund hat übrigens die Länder in den vergangenen Jahren – auch das muss einmal gesagt werden – massiv unterstützt. Schon in den 90er-Jahren hat es eine starke Verlagerung von Anteilen an den jährlichen Steuereinnahmen vom Bund zu den Ländern gegeben. Das wirkt bis heute fort. Ohne diese Verlagerung läge der Anteil des Bundes an den gesamtstaatlichen Steuereinnahmen heute um rund 6 Prozent höher und der Anteil der Länder um 6 Prozent niedriger. Das prominenteste Beispiel für diese Verlagerung sind die Umsatzsteueranteile, die der Bund den Ländern für die Einbeziehung der ostdeutschen Länder in den gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich abgetreten hat. Bei aller Kreativität der gegenwärtigen Vorschläge zum künftigen Schicksal des Solidaritätszuschlags nach Auslaufen des Solidarpakts II, und zwar Ende 2019, darf dieser Zusammenhang mit der Übertragung von Mehrwertsteueranteilen vom Bund auf die Länder, zu deren Ausgleich der Solidaritätszuschlag wesentlich mit eingeführt worden ist, nicht unterschlagen werden. Auch daran muss man die Länder erinnern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das zeigt, dass die Spielräume des Bundes für weiteres Entgegenkommen gegenüber den Ländern sehr begrenzt sind. Es muss bei den begonnenen Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vor allem darum gehen, den Gesamtstaat, die Bundes-republik Deutschland, die aus Bund und Ländern besteht, handlungsfähiger zu machen. Die Länder müssen sich auch ernsthaft an den Überlegungen beteiligen, wie dieser Gesamtstaat noch effizienter und leistungsfähiger werden kann. Nur auf Mittel des Bundes zu schielen, greift zu kurz. Es muss in erster Linie um eine sachgerechte Aufgabenzuordnung zwischen den staatlichen Ebenen und es darf eben nicht um bloße Finanzverschiebungen gehen. Wir brauchen klare Verantwortlichkeiten. Jede Aufgabe sollte am besten von der staatlichen Ebene erfüllt und -finanziert werden, die sie am effizientesten erfüllen kann. Das heißt, dass bei Leistungen, bei denen es praktisch und vor Ort Handlungs- und Entscheidungsspielräume gibt, die diskretionäre Entscheidung gestärkt werden und dann auch die Finanzverantwortung vor Ort liegen sollte; denn so fördern wir effizienten und sparsamen Mitteleinsatz. Umgekehrt sollten gesamtstaatlich bedeutsame Aufgaben, die bundeseinheitlich erfüllt werden müssen, in der Finanzverantwortung des Bundes liegen. Mit der vollständigen Übernahme des BAföG durch den Bund haben wir einen wichtigen Schritt in genau diese Richtung getan. Bund und Länder brauchen für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine angemessene Finanzausstattung. Dabei muss man sagen: Die Finanzkennzahlen des Bundes sind deutlich schlechter als die der Länder. Die Zinsbelastungen des Bundeshaushaltes – jeder, der sich damit -beschäftigt, weiß es – sind im Verhältnis zu Steuereinnahmen und Gesamthaushalt doppelt so hoch wie die Zinsbelastungen der Länderhaushalte. Auch das muss man bei den Verhandlungen gelegentlich sagen. Unsere gesamtstaatliche Finanzpolitik ist nur dann tragfähig, wenn wir am Verzicht auf Neuverschuldung bei den Ländern und beim Bund festhalten, was im Übrigen die Handlungsspielräume für Investitionen von Bund und Ländern gleichermaßen erhöht. Wir sollten aus Anlass dieser Haushaltsdebatte auch einen kritischen Blick auf die Struktur unserer Haushalte werfen, gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Es hat in den vergangenen Jahrzehnten – das ist nicht zu kritisieren, aber man muss es im Blick haben – eine Verschiebung von Ausgaben zulasten von Investitionen und zugunsten von eher gegenwartsorientierten Sozialausgaben gegeben. Dafür gab es im Einzelnen immer gute Gründe. Dennoch müssen wir wieder stärker auf die Zukunftsorientierung unserer Ausgaben achten. Das Bundesfinanzministerium legt regelmäßig langfristige Tragfähigkeitsberechnungen für unsere öffentlichen Haushalte vor. Sie zeigen, dass wir bei dauerhafter Einhaltung der Schuldenbremse die Tragfähigkeitsrisiken unserer öffentlichen Finanzen insgesamt in den Griff -bekommen können. Aber sie zeigen auch, dass dies Maßnahmen erfordert, um den Druck vor allem aus den Sozialversicherungssystemen auf den Bundeshaushalt abzufedern. Tragfähigkeit ergibt sich nicht von selbst. Deswegen war es zum Beispiel richtig, dass die Beschlüsse zur Erleichterung des Rentenbezugs für langjährig Erwerbstätige mit dem Auftrag verbunden wurden, eine generelle Lösung für einen flexibleren Renteneintritt zu finden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Unsere älter werdende Gesellschaft braucht die Älteren, ihr Wissen, ihre Arbeitskraft, ihre Einsatzbereitschaft. Deswegen müssen wir darauf achten, dass es nicht zu stärkeren finanziellen Fehlanreizen kommt, durch die Menschen früher aus dem Berufsleben aussteigen, während die finanziellen Lasten bei der Allgemeinheit verbleiben. Der selbstbestimmte Renteneintritt bei mehr finanzieller Eigenverantwortung, das ist die zentrale Aufgabe einer Flexirente und das stärkt die Tragfähigkeit. Übrigens hat das die ganz überwiegende Mehrheit unserer Bürger verstanden. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt substanziell bei der Flexirente etwas erreichen. Da sind die Politik wie die Tarifpartner gefordert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Flexibilisierung des Renteneintritts zählt genauso zu den wichtigen Rahmenbedingungen für mehr private Investitionen wie eine auch geopolitisch sichere Energieversorgung mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen. Dazu haben wir mit der EEG-Novellierung einen ersten wichtigen Schritt getan. Der Abbau von Handelsbarrieren stärkt immer das Wachstum. Das gilt für den europäischen Binnenmarkt, und das gilt für das Transatlantische Freihandelsabkommen, das wir erfolgreich zum Abschluss bringen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) So viel will ich zum Transatlantischen Freihandelsabkommen an dieser Stelle dann doch sagen: Es erfordert ein Aufeinanderzugehen beider Seiten ohne übertriebene Ängste mit dem Ziel eines Ausgleichs zwischen der wohlstandsfördernden Erleichterung wirtschaftlichen Austauschs und dem Respekt vor kulturell begründeten und demokratisch legitimierten Vorstellungen und Regeln beider Seiten. Aber vielleicht bieten ja die weltpolitischen Krisen dieser Tage auch eine Chance, sich der Bedeutung der westlichen Wertegemeinschaft auf beiden Seiten des Atlantiks wieder bewusster zu werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zu guten und verlässlichen Rahmenbedingungen für private Investitionen zählt, dass wir auch in der Steuerpolitik halten, was wir versprochen haben. Es bleibt, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem zugesagten Verzicht auf Steuererhöhungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Gleichzeitig müssen wir bei einer immer komplizierter und stärker werdenden internationalen Verflechtung unsere Steueransprüche auch konsequent und vernünftig durchsetzen. Das wird zunehmend schwieriger. Die Ausnutzung von unterschiedlichen steuerrechtlichen Regulierungen in einer globalisierten Welt mit globalisierten Finanzmärkten ist eine unglaubliche Herausforderung, die wir gar nicht national, allein in den Griff bekommen können. Deswegen müssen wir europäisch und global entschieden in diese Richtung wirken. Wir tun das. Die Chancen für internationale Regulierung steigen: International ist das Bewusstsein gewachsen, dass die Staaten letztlich in einem Boot sitzen. Wir haben zuletzt in der Europäischen Union mit der Änderung der Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften einen wichtigen Schritt getan, um rein steuerlich motivierte Gewinnverschiebungen einzudämmen. Die Bundesregierung hat diese Entwicklung auf der Ebene der G 20 wie der OECD von Anfang an maßgeblich vorangetrieben, und wir werden das weiter tun. Wir werden in zwei Wochen beim G-20-Finanzministertreffen in Australien konkrete Schritte – natürlich auch in Vorbereitung auf den G-20-Gipfel im November in Brisbane – vorbereiten. Wir richten im Oktober in Berlin die Jahrestagung des Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes aus, die globale Konferenz der OECD für den Informationsaustausch, bei der es zugleich um die Bekämpfung von Steuervermeidung durch internationale Regulierungen geht. Das wird vermutlich eine der größten Steuerkonferenzen weltweit sein. Die Größe allein ist aber nicht so wichtig; entscheidend ist, dass bei dieser Tagung über 30 Staaten eine Vereinbarung über einen automatischen Informationsaustausch bei Finanzkontendaten ab 2017 unterzeichnen werden. Das ist ein großer Schritt, und es ist erfreulich, dass wir in so kurzer Zeit über 30 Staaten dafür gewinnen konnten, diese Vereinbarung Ende Oktober hier zu unterschreiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden in Kürze auch die gemeinsam mit den Bundesländern erarbeitete maßvolle Verschärfung der Regeln für die strafbefreiende Selbstanzeige voranbringen. Die strafbefreiende Selbstanzeige hat sich als Rechtsinstitut trotz aller öffentlichen Debatte bewährt. Wir verlängern nun die strafrechtlichen Verjährungsfristen für Steuerhinterziehung, und wir heben die Zuschläge bei der Nachzahlung hinterzogener Steuern an. Darüber hinaus arbeiten wir in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern an intelligenten, punktgenauen Formen steuerlicher Förderung von Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit der Nutzung von Patenten aus eigener Forschung. Auch hier muss das Prinzip durchgesetzt werden, dass eine vor Ort erbrachte echte Forschungsleistung begünstigt wird und nicht einfach nur steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden, sodass es zu einer Verlagerung der Besteuerung in das niedriger besteuernde Ausland kommt. Das ist der falsche Weg. Wir müssen -eigene Forschungsleistungen begünstigen – auch steuerlich –, und es darf nicht zu einem fortgesetzten Aus-nutzen unterschiedlicher Regelungen zur Minderung der Steuerbelastung kommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir bringen in Kürze Maßnahmen zur Verbesserung der steuerlichen Förderung von Wagniskapitalfinanzierung auf den Weg, indem wir den öffentlichen Investi-tionszuschuss steuerfrei stellen. Gerade auch in unserem älter werdenden Deutschland brauchen wir eine Gründungskultur, eine Haltung der Neugier und auch die Haltung, scheitern zu dürfen und neu anfangen zu können; denn sonst gibt es keine Gründungskultur. Wenn jedes Scheitern mit dem Risiko verbunden ist, dass es für immer ist, macht es keinen Sinn. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir erfahrenen Managern und Kapitalgebern, die Start-up-Unternehmen unterstützen, helfen und ihnen keine Steine in den Weg legen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden in Deutschland und in Europa im globalen Wettbewerb, der immer härter wird, nur mit Arbeitsplätzen, die auf technologischen Innovationen beruhen, wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben. Billiger als andere werden wir in Deutschland und in Europa nicht werden, sondern wir können nur besser und innovativer als andere bleiben und, wo nötig, werden. Wir sollten uns keiner Illusion hingeben: Wenn wir mit unserem Lebensstandard und unserer vergleichsweise hohen sozialen Absicherung in der globalisierten Welt mithalten wollen, dann müssen Deutschland und Europa an der Spitze der Innovationsentwicklung bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deswegen dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, dass wir, anstatt an der Spitze der Innovationsentwicklung zu bleiben, die Probleme mit einem immer größeren Einsatz öffentlicher Mittel und mit immer höheren Defiziten lösen werden. Das ist eine große Gefahr und eine große Illusion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Forderung in Europa, immer mehr öffentliche Gelder unter Inkaufnahme immer höherer Defizite und Verschuldungen einzusetzen, führt in die Irre. Wachstum und Arbeitsplätze entstehen nicht durch immer höhere Defizite. Sonst hätten wir aktuell wirklich keine Probleme. Es tut mir leid: Wenn es mit höheren Defiziten und Schulden leichter wäre, dann dürften wir eigentlich keine Probleme haben; denn die Verschuldung der Industrieländer – damit wir wissen, wovon wir reden – ist wieder auf dem Niveau, auf dem es am Ende des Zweiten Weltkrieges gewesen ist. Durch eine Steigerung werden wir nur neue Ungewissheiten, neue Blasen, Unsicherheiten und Volatilität, aber keine strukturelle Lösung unserer Probleme erreichen. Deswegen helfen nur Innovationen, Strukturreformen, Investitionen, verlässliche Rahmenbedingungen und eben vor allen Dingen Vertrauen in die Nachhaltigkeit. Man kann allein mit öffentlichem Geld Arbeitsplätze und Wachstum nicht dauerhaft herbeikaufen. Es bringt auch nichts, im Zusammenhang mit Wachstum und Beschäftigung einfach auf die Europäische Zentralbank zu schielen. Sie tut, was sie kann, aber sie hat ihr Instrumentarium im Wesentlichen ausgereizt, wie man an den aktuellen Entwicklungen sehen kann. Billiges Geld kann Wachstum eben auch nicht erzwingen. Sonst hätten wir derzeit keine Probleme. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Es ist doch auffallend – das hören Sie nicht gern, aber es ist eine Tatsache –: Bei sinkendem Zinsniveau – das Zinsniveau ist aktuell so niedrig wie selten zuvor – steigt in wichtigen europäischen Ländern die private Sparquote. Die Ökonomen können das nur schwer erklären. Sie sagen: Eigentlich müssten sinkende Zinsen dazu führen, dass man weniger spart. Das Gegenteil ist der Fall, und das zeigt, dass psychologische Fragen eine viel größere Wirkung haben. Bei sinkenden Zinsen steigt in wichtigen europäischen Ländern die Sparquote! In Deutschland haben wir übrigens eine starke Konsumnachfrage, die die wesentliche Stütze unserer wirtschaftlichen Entwicklung ist. Das wiederum zeigt, dass das Vertrauen in die Nachhaltigkeit unserer Finanzen wirtschaftlich von einer gar nicht zu überschätzenden Bedeutung ist. Im Übrigen hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland in seinem letzten Jahresgutachten 2013/2014 ausdrücklich auf die Gefahr hingewiesen, dass zu hohe Erwartungen an die Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Zentralbank am Ende nur die Durchsetzung der notwendigen Budget- und Strukturreformen durch die politisch Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten schwächen könnten. Auch das muss man sich wieder und wieder ins Gedächtnis rufen. Obwohl Liquidität heute eher im Übermaß vorhanden ist, bleibt der Zugang zu Kapital für kleine und mittlere Unternehmen in Teilen Europas infolge der Finanzkrise immer noch beeinträchtigt. Dieses Problem ist auch durch mehr Liquidität nicht zu beseitigen. Die entscheidende Frage ist: Warum gelingt es nicht, diese reichlich vorhandenen Mittel stärker in die unternehmerischen Investitionen zu leiten? Das ist eben der Punkt: Nachhaltiges Wachstum entsteht nur durch Innovationen, durch unternehmerische Ideen und ihre Umsetzung. Wo das ausbleibt, stimmen die Rahmenbedingungen nicht. Diese müssen wir auf europäischer wie nationaler Ebene weiter verbessern. Das bedeutet Strukturreformen, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Stärkung von Forschung und Entwicklung. Deswegen lege ich zusammen mit meinem französischen Kollegen Michel Sapin anlässlich unseres informellen Finanzministertreffens am Freitag und Samstag dieser Woche gemeinsame Vorschläge vor, wie wir die nationalen und europäischen Umfelder für Investitionen, und zwar nicht nur für Finanzierungen von Investitionen, sondern auch für tatsächliche Möglichkeiten für Investitionen, verbessern können. Das ist der entscheidende Punkt. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig: Die Bankenunion, die kurz vor ihrer Umsetzung steht – die Europäische Zentralbank ist gerade in der entscheidenden Vorbereitungsphase für den Aufbau der Europäischen Bankenaufsicht –, wird die Leistungsfähigkeit und die Krisenresistenz der europäischen Banken verstärken. Wir arbeiten an regulatorischen Erleichterungen für langfristige Investitionen durch Kapitalsammelstellen. Wir arbeiten auch an der Wiederbelebung des Marktes für Hochqualitätsverbriefungen in Europa, der durch die Bankenkrise in Misskredit geraten ist. Wir arbeiten an einem robusten Rahmen für Unternehmensanleihen. Auf der Ebene der G-20-Staaten entwickeln wir in der schon erwähnten Arbeitsgruppe mit Indonesien und Mexiko Standards für Qualitätsverbriefungen von Mittelstandskrediten. Standards von Verbriefungen heißt übrigens nicht, dass die Zentralbanken die entscheidenden Käufer für solche Verbriefungen sein müssen. Nein, wir wollen sie in erster Linie marktfähig machen – um es mit freundlicher Zurückhaltung zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein wachstumsfreundliches Umfeld, und zwar nur ein solches Umfeld, fördert private Investitionen. Deshalb muss jedes Land in Europa für sich selbst wettbewerbsfähiger werden. Jedes Land muss Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten umsetzen. Das ist schwierig zu machen; das weiß ich. Die Länder, in denen das notwendig ist, müssen die Leistungsfähigkeit und Effektivität ihrer öffentlichen Verwaltung steigern. Das jedenfalls macht die Länder für Investitionen attraktiver. Natürlich hilft die Leistungsfähigkeit der Verwaltungen auch, sicherzustellen, dass die schon bereitstehenden EU-Mittel tatsächlich abgerufen werden. Auch das ist ein Kapitel für sich. Das gilt gerade für das Thema Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen der immer noch viel zu hohen Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern Europas. Frau Bundeskanzlerin, Sie werden erlauben: Bereits vor einigen Jahren haben die Staats- und Regierungschefs nach hartem Ringen darüber, ob 6 Milliarden Euro hierfür nicht zu wenig seien, die Einrichtung eines sofort zur Verfügung gestellten Fonds zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit beschlossen. Werte Kolleginnen und Kollegen, es kann einfach nicht hingenommen werden, dass von diesen 6 Milliarden Euro bis heute praktisch nichts abgeflossen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Entschuldigung, da bleibt mir fast die Stimme weg. Man könnte auch sagen: Da bleibt einem tatsächlich das Wort im Halse stecken. (Heiterkeit) Alle sind sich einig, dass die Bekämpfung der Jugend-arbeitslosigkeit dringend ist. 6 Milliarden Euro werden bereitgestellt, und es wird sogar gesagt, das reiche nicht. Dann aber muss man nach ein paar Jahren feststellen, dass von diesem Geld kaum etwas abgeflossen ist. Das hat etwas mit den Verwaltungsstrukturen in den betroffenen Ländern zu tun. Aber es ist im Übrigen auch eine Herausforderung in dieser neuen Periode von Europäischem Parlament und Europäischer Kommission, die Effizienz des Mitteleinsatzes in Europa deutlich zu erhöhen. Da gibt es bei der EU wirklich viel Luft nach oben. Öffentliche Investitionen in Europa müssen auf langfristiges und nachhaltiges Wachstum ausgerichtet sein. Sie sollten sich konzentrieren auf Forschung und Entwicklung, Bildung und Ausbildung, Innovationen und Start-up-Unternehmen, den digitalen Sektor, eine gute, überregionale Verkehrsinfrastruktur, die Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen und die Energiewende. Wir haben die Europäische Investitionsbank mit Blick auf diese Ziele gestärkt; wir haben auch ihr Kapital wesentlich erhöht. Auch der EU-Haushalt und die europäischen Struktur- und Investitionsfonds müssen konsequent auf die Zukunftsfähigkeit Europas ausgerichtet werden. Und da wir alle einig sind, dass wir eine Energieunion und eine digitale Union in Europa brauchen – mit europäischer Netzwerkinfrastruktur, mit guten Bedingungen für europäische Player im Hard- und Softwarebereich –, müssen wir in Europa einfach nur noch die Voraussetzungen in der Regulierung dafür schaffen. Das ist eine der zentralen Aufgaben in dieser neuen Periode europäischer Politik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Europäische Union – man kann es nicht oft genug sagen – muss sich auf das konzentrieren, was die Mitgliedstaaten alleine nicht mehr leisten können. Das betrifft vor allem die grenzüberschreitenden Netze von Verkehr, Energie und Telekommunikation. Hier muss die europäische Ebene leistungsfähiger werden und die regulatorischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass das weltweit ja eher im Übermaß vorhandene und anlagesuchende Finanzvolumen tatsächlich in diesen Bereichen investiert wird. Das ist eine Frage der Regulierung, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass das Kapital auch investiert werden wird. Aber noch einmal: Wachstum in Europa heißt eben auch, dass alle Staaten ihre Hausaufgaben machen. Wir haben uns gemeinsam viel vorgenommen. Aber das, was an Haushaltssanierungen, an Strukturreformen angekündigt wurde – und angekündigt haben wir alle das oft –, muss auch konsequent umgesetzt werden. Es bleibt dabei: Solange wir eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Geldpolitik, aber keine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik haben, so lange bleibt es besonders unverzichtbar, dass sich alle an Absprachen und Regeln halten. Man muss daran erinnern: Viele Ökonomen haben gesagt, eine Währungsunion ohne gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik geht gar nicht, jedenfalls nicht auf Dauer. Dann haben wir den Stabilitäts- und Wachstums-pakt geschaffen, damit es doch geht. Aber es geht nur, wenn wir uns an die Regeln halten. Das ist auch keine Frage von Sturheit oder Beliebigkeit, sondern eine Voraussetzung für die Stabilität unserer gemeinsamen Währung. Ein bedeutender amerikanischer Präsident hat einmal einen Wahlkampf geführt mit dem Slogan: „It’s the -economy, stupid!“ Wir könnten heute auch einfach sagen: „It’s the implementation, stupid!“ Einfach nur implementieren, machen, umsetzen, was man angekündigt hat – darauf kommt es an. Nur dann werden wir nachhaltig Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit Europas und seiner Staaten gewinnen. Wir müssen uns in dieser sich schneller und stärker globalisierenden Welt wirtschaftlich behaupten. Unser Ziel in Deutschland und in Europa ist die Sicherung der Leistungskraft der westlichen Welt. Es geht auch um Handlungsfähigkeit in wirtschaftlichen und politischen Krisen, die uns auch in Zukunft ereilen können und sicherlich auch ereilen werden. Es geht am Ende auch um die Grundlagen von Sicherheitspolitik, innen- wie außenpolitisch. Wir schaffen Stabilität und Berechenbarkeit; wir geben Orientierung. Wenn wir in den Krisen dieser Monate – vor allem im Verhältnis zu Russland – mit unseren europäischen Vorstellungen von Außen- und Sicherheitspolitik, wie sie die Bundeskanzlerin wieder und wieder von diesem Pult aus definiert hat, erfolgreich sein wollen – nämlich nicht Einsatz militärischer Mittel zur Durchsetzung von Interessen, sondern Partnerschaft, Zusammenarbeit, Austausch, freiheitlicher Wettbewerb –, dann, verehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir wirtschaftlich und gesellschaftlich stark sein – und damit attraktiv. Die Welt beobachtet genau, ob Europa dem Anspruch, den es an andere stellt, selbst genügen wird; darauf kommt es an. Vertrauen, das die Welt in Europa hat, aber auch Vertrauen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das wir selbst in unsere Zukunft haben, ist letztlich die Grundlage unserer Überzeugungskraft. Unsere Außen- und -Sicherheitspolitik gründet darauf, und eine stabilitäts-orientierte Finanzpolitik leistet einen kleinen, aber notwendigen Beitrag. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört und festgestellt, dass wir in Deutschland keine Probleme haben, wenn überhaupt, nur einige Aufgaben; unsere Nachbarn haben Probleme. Ich kann Ihnen eines versichern: Das hat mit der Lebenswirklichkeit vieler Menschen sehr, sehr wenig zu tun. (Beifall bei der LINKEN) Ich will vorab darauf eingehen, dass Sie einen Etatentwurf ohne Neuverschuldung vorlegen. Ich sage: Re-spekt, und zwar deshalb, weil das mehrfach von Ihren Vorgängern angekündigt, aber nie erreicht worden ist. Das ist jetzt der Fall. Das ist für Linke, die die schwarze Null nicht als heilige Kuh anbeten, trotzdem sehr wohl ein Ereignis. Die entscheidende Frage wird allerdings sein: Realisieren Sie das dann auch im Haushaltsvollzug? Denn das ist bei allen Entwürfen entscheidend. Und die zweite Frage ist – darauf müssen wir genau achten –: Um welchen Preis wird die schwarze Null bzw. der Verzicht auf Neuverschuldung erzielt? Ich will als Zweites unbedingt erwähnen, dass in kürzester Frist der zweite Haushaltsentwurf vorliegt. Dabei gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien, besonders auch im Finanzministerium, ganz herzlicher Dank. Sie haben Tolles auch für die Opposition geleistet. Ich will das deshalb voranschicken. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Meine Damen und Herren, die Linke kritisiert den Haushaltsentwurf aus folgenden Gründen: Erstens. Dieser Haushalt ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politikgestaltung. Zentrale Herausfor-derungen der Politikgestaltung, das heißt die Modernisierung des Bildungswesens, der Infrastruktur und der Energienetze und die Überwindung des Investitionsstaus, finden sich im Haushalt nicht ausreichend wieder. Die Investitionsquote stagniert in Deutschland seit Jahren. Seit zehn Jahren liegen wir – teilweise um 2 bis 3 Prozent – unter dem europäischen Durchschnitt. Was Sie hier dargestellt haben, ist real nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Selbst das DIW mahnt: Die marode Infrastruktur wird zur Gefahr für die Wirtschaft in Deutschland. Die Bruttoinlandsinvestitionen des Staates sind geringer als die Abschreibungen. Jedes Unternehmen, das so agieren würde, wäre in einigen Jahren in Konkurs gegangen. Aber Sie betreiben diese Politik seit einigen Jahren. 120 Milliarden Euro müssten in den nächsten Jahren investiert werden. Aber Sie tun viel zu wenig. Jährlich verfällt in Deutschland Infrastruktur im Wert von 4 Milliarden Euro. Es reicht deshalb nicht aus, Herr Schäuble, zu sagen: Die Rendite ist für Unternehmen das Entscheidende. Nein, die Rendite kann nicht der ausschlaggebende Punkt sein. Investitionen in die Infrastruktur sind für die Menschen in diesem Lande wichtig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bei Ihnen finden Investitionen derzeit vor allen Dingen auf einem Feld statt: Sie reden über die Dobrindt-Maut, und Sie sprechen hier von Verlässlichkeit und Vertrauen. Angesichts der Maut muss ich feststellen: Das, was Sie hier aufführen, ist Kasperletheater. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist konzeptionslos, ein bürokratisches Monster und verschlingt öffentliche Mittel. Was es bringen wird, weiß kein Mensch. Sie verärgern sogar unsere ausländischen Nachbarn, und zwar nicht nur in West und Süd, sondern auch im Osten. Das ist doch ein Riesenproblem, und das hat überhaupt nichts mit Vertrauen zu tun. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt sind Ihre Begründungen: Seehofer muss liefern. Sie wollen nicht das Schicksal der FDP teilen. – Was sind das denn für Argumente bei diesem doch so wichtigen Thema? Hören Sie auf mit diesem Unsinn! Die Kanzlerin hat doch im Rededuell mit Steinbrück gesagt: Die Maut wird nicht kommen. Das war doch eine richtige Äußerung. Jetzt wird in den Debatten darüber dauernd der Koalitionsvertrag als Begründung genannt. Aber ob ich die Wehrpflicht, den Atomausstieg oder Ähnliches nehme: Sie haben schon oft Koalitionsverträge gebrochen. Hören Sie auf mit dem Unsinn der Maut! Das verärgert nur die Menschen in diesem Land. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweitens. Haushaltsrisiken scheinen für Sie ein Fremdwort zu sein. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Unser Grundsatz heißt: ‚Kein Finanzmarkt, kein Finanzprodukt, kein Finanzmarktakteur ohne Aufsicht‘.“ Das Gegenteil ist der Fall. Die Sparkassen und Volksbanken regulieren Sie. Die müssen immer mehr Leute einstellen und werden schon irre ob der Regulierung. Aber bei den Großen rollt die Kasinokugel weiter. Bei den Investmentbankern haben Sie fast nichts gemacht. (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Sie können doch nicht die Kleinen totregulieren und bei den anderen mehr oder weniger nichts machen. Das ist doch ein Riesenproblem. (Beifall bei der LINKEN) Nun war gestern wieder von der Finanztransaktionsteuer die Rede. Es ist wunderbar, dass hier noch mehr Druck entsteht. Wir haben das damals in den Bundestag eingebracht. Tun Sie etwas auf europäischer Ebene! Sie haben unsere Unterstützung. Wann wird die Trans-aktionsteuer endlich eingeführt? Dann kommt doch Geld in die Kassen, und die Transaktionen auf dem Finanzmarkt werden etwas verlangsamt. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Kommen wir zu den Haushaltsrisiken. Wenn ich das richtig gelesen habe, ist das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im zweiten Halbjahr zurückgegangen. Ist das kein Problem? Die Bauinvestitionen sind um 4,2 Prozent zurückgegangen. Im Bereich der Ausrüstungen ist ein Rückgang um 0,4 Prozent zu verzeichnen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zum dritten Mal in Folge gefallen. Das sind doch reale Probleme und Risiken. Im Übrigen führen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die wir für grundsätzlich falsch halten, natürlich dazu, dass die Exporte nach Russland zurückgegangen sind, insbesondere in den neuen Bundesländern. In meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern sind beispielweise die Exporte von Fleisch, Milch, Gemüse und Käse deutlich zurückgegangen. Das ist ein Problem. Das muss man wenigstens reflektieren. (Beifall bei der LINKEN) Das Agieren Deutschlands in den aktuellen Krisenherden wie dem im Irak macht deutlich – ich will auf die politische Debatte gar nicht detailliert eingehen –: Das wird immens viel Geld kosten. Dieses Geld ist teilweise völlig falsch angelegt. Zu diesem Schluss komme ich insbesondere dann, wenn ich mir die Debatte vor Augen führe, dass der Verteidigungsetat ob dieser Risiken erhöht werden soll. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Mit diesem Kurs gefährden Sie aufs Gröbste die Zukunft des Landes. (Beifall bei der LINKEN) Drittens. Sie haben keine gesellschaftliche Vision von unserem Land. Sie versprechen im Koalitionsvertrag: „Unser Maßstab für eine erfolgreiche Politik ist die Lebensqualität der Menschen …“ Wenn dem doch nur so wäre, dann wäre es wunderbar. (Johannes Kahrs [SPD]: Es ist wunderbar!) Aber vieles, was Sie im Koalitionsvertrag niedergeschrieben haben, bleibt folgenlos, wird wie zum Beispiel bei der Mütterrente völlig falsch finanziert oder führt, wie das Betreuungsgeld zeigt, zu den vorausgesagten völlig negativen Entwicklungen. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben versprochen: „Wir wollen: Gute Arbeit für alle – sicher und gut bezahlt“. Was sagen Sie den 2,9 Millionen Arbeitslosen und insbesondere den über 1 Million Langzeitarbeitslosen in diesem Land, deren Zahl im Vergleich zum vergangenen Jahr um 1 Prozent gestiegen ist, oder den 500 000 Menschen, die im Alter oder aufgrund von Erwerbsminderung auf Grundsicherung angewiesen sind? Nennen Sie das gute Lebensqualität der Menschen? Nein, das kann man nicht so nennen. Das hat überhaupt nichts mit Gerechtigkeit zu tun. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Außerdem geht die Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land immer weiter auseinander. Wenn die 500 reichsten Deutschen über ein Vermögen von 615 Milliarden Euro verfügen – das ist das Doppelte des Bundeshaushalts –, dann wissen Sie genauso gut wie ich, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Da muss man doch etwas tun. Angesichts dessen muss man doch über Verteilungsgerechtigkeit reden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man kann dann nicht einfach sagen: Steuern erhöhen wir auf keinen Fall. – Vielmehr muss man diese Vermögenden zur Kasse bitten. Wie ich höre, denken Sie über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags nach. Darüber kann man sicherlich reden. Aber das muss gegenfinanziert werden, und zwar von denjenigen, die von der Krise profitiert haben. Bei diesen ist schließlich etwas zu holen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was ist denn daran gerecht, wenn in den vergangenen 15 Jahren die Produktivität um 16 Prozent gestiegen ist, die Tariflöhne aber statistisch gesehen nur um 10 Prozent zugelegt haben? Da läuft doch etwas schief. Die Vermögen werden immer größer. Ein Drittel der Menschen hat kein Vermögen oder hat Schulden, während 1,1 Millionen Menschen Vermögensmillionäre sind. Da ist etwas schief in Deutschland. Die Schere geht immer weiter auseinander. Angesichts dessen darf man nicht nur zuschauen, sondern muss etwas dagegen tun, auch im Haushalt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie sagen immer: Der soziale Etat ist der größte, und wir tun doch so unsagbar viel. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, mehr als die Hälfte!) – Ja, es ist richtig, dass der Sozialetat mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts ausmacht. Das wissen die Haushälter aller Fraktionen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann sagen Sie es doch mal!) Das ist das Ergebnis von Politik. Diese hohen Sozialkosten sind das Ergebnis Ihrer Politik, die so viel Bedürftigkeit und Not produziert. Das ist die Ursache für diesen hohen Etat. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was ist das denn für eine Argumentation?) Haushaltspolitik darf nicht einer imaginären schwarzen Null geopfert werden. Eine Politik um der schwarzen Null willen, die die Schulden von heute in kaputte Städte und Gemeinden, marode Gesundheits-, Kultur- und Bildungseinrichtungen unserer Enkel tauscht, ist der falsche Weg. Es ist keine Neuverschuldung notwendig, wir können das finanzieren, wenn wir eine andere Steuerpolitik betreiben. Wir wollen keine allgemeinen Steuererhöhungen und auch nicht den Weg in den Schuldenstaat beschreiten. Das Gegenteil ist der Fall. Lassen Sie uns die Haushaltsberatungen nutzen, damit sinnvolle Vorschläge Ihren Entwurf hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit relevant verändern können. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Carsten Schneider das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Haushalt 2015, den die Regierung hier eingebracht hat, beginnt eine Zeitenwende. Es ist der erste Bundeshaushalt seit mehreren Jahrzehnten, mit dem der Versuch unternommen wird – ich hoffe, wir werden es auch schaffen –, die Neuverschuldung nicht nur zu reduzieren, sondern sie gänzlich auf null zu setzen. Das hat es seit 1969 nicht mehr gegeben. Wir als Sozialdemokraten haben uns im Regierungsprogramm zur Bundestagswahl vorgenommen, genau dies zu erreichen. Wir haben 2009 in der Großen Koalition hier im Bundestag die Schuldenbremse mit beschlossen, und wir werden sie vorfristig, nämlich schon im Jahr 2015, erreichen. Das ist ein Quantensprung, auf den wir Sozialdemokraten stolz sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nicht nur ihr!) Dies wird von einer breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag, von den Kollegen der Union und, wie ich gehört habe, auch von der Linkspartei und, wie ich vermute, grundsätzlich auch von den Grünen, getragen. Über den Weg dahin streiten wir. Es ist richtig, Kollege Bartsch, dass wir in der Steuerpolitik, gerade was die Verteilungsfrage betrifft, Unterschiede in der Koalition haben. Wir haben uns nicht auf alle Punkte einigen können, die Bestandteil unseres Regierungs- und Wahlprogramms waren. Das bleibt einer politischen Entscheidung im Anschluss an die nächste Bundestagswahl vorbehalten. Trotzdem haben wir die Wachstumskräfte, die in Deutschland derzeit die Konjunktur stützen und für die gute Entwicklung verantwortlich sind, nämlich die Binnennachfrage, extrem gestärkt. Das Wichtigste dabei ist die ab dem 1. Januar 2015 beginnende Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Er wird allein in meinem Heimatland Thüringen für über ein Drittel der Beschäftigten für die größte Lohnerhöhung sorgen, die diese Beschäftigten jemals erreicht haben. Das ist ein Fortschritt, auf den wir Sozialdemokraten stolz sind. (Beifall bei der SPD) Aber nicht nur der Mindestlohn wird eine Stütze der Konjunktur sein und zu höheren Steuereinnahmen führen, sondern auch die Tarifabschlüsse. Nun weiß ich nicht, Kollege Bartsch, ob die von Ihnen genannten Zahlen inflationsbereinigt waren oder nicht. Wahrscheinlich waren sie inflationsbereinigt, (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: -Natürlich!) was die Steigerung betrifft. Nichtsdestotrotz sehen auch wir, ähnlich wie die Deutsche Bundesbank, Luft nach oben, was die Lohnentwicklung betrifft. Die Tarif-abschlüsse müssen in den nächsten Jahren höher werden, und der Anteil der Arbeitnehmer an der gesamtwirtschaftlichen Leistung muss gerechter ausfallen; das ist gar keine Frage. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ja, wir haben auch eine Diskussion über die Zukunftsinvestitionen. Ich finde, völlig zu Recht; denn die Analyse, dass wir in weiten Teilen von der Substanz leben und die öffentliche, aber auch die private Investitionsbereitschaft – Stichwort „Kapitalstock der Unternehmen“ – schwach ist, ist nicht neu. Ich würde sie auch nicht infrage stellen. Ich glaube viel eher, dass sie richtig ist und dass wir darauf Antworten geben müssen. Wir tun das in Teilen durch die Verabredung im Koalitionsvertrag, was die Investitionen im Bereich Verkehr betrifft – 5 Milliarden Euro mehr – und was den Bildungsbereich betrifft – 6 Milliarden Euro mehr; hinzu kommen 3 Milliarden Euro mehr für Forschungsausgaben. Das ist ein klarer Trend nach oben. Die Zukunftsausgaben werden verstetigt, aber das wird sicherlich nicht ausreichen. Aus diesem Grund unterstütze ich grundsätzlich die Überlegungen sowohl des Bundeswirtschaftsministers als auch des Bundesfinanzministers, das enorme Sparkapital, das in Deutschland zur Verfügung steht, für Investitionen zu akquirieren, sei es in Unternehmen, sei es in die öffentliche Infrastruktur, also da, wo es um Nutzer-finanzierung geht. Ich halte die Diskussion über die Gründe, die 2008 in die Finanzkrise geführt haben, nämlich dass die Überschüsse, die wir hier erwirtschaftet haben, ins Ausland exportiert und nicht in Deutschland investiert wurden, für absolut überfällig. Wir brauchen die hiesigen Unternehmensgewinne und die hiesige Sparquote für Investitionen in Deutschland, damit wir zukunftsfähig bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir wollen nicht wieder die Situation erleben, dass Lebensversicherungen, Banken und andere Kapitalanleger ihre hier erwirtschafteten Ersparnisse im Endeffekt im Ausland anlegen. Ich verweise auf die Geldverluste, die wir bei den amerikanischen Subprime-Papieren erlebt haben. Von daher, Herr Minister, sehe ich die Wiederbelebung des ABS-Marktes, also des Marktes für forderungsbesicherte Wertpapiere, kritisch. (Beifall der Abg. Annette Sawade [SPD]) Sicher ist es so, dass die mit Unternehmenskrediten besicherten Papiere nicht in dem Maße gehandelt worden sind wie andere. Nur, wer kontrolliert das? Ich glaube, dass wir die Chance viel besser nutzen müssen, die Bereinigung des Bankensektors im Verlaufe dieses Jahres durch eine unabhängige, qualifizierte Prüfung durch die europäische Bankenaufsicht, also durch die Europäische Zentralbank, vornehmen zu lassen. Wir müssen dafür sorgen, dass die sogenannten Zombiebanken, die nur noch durch das billige Geld der EZB am Leben erhalten werden, aber nicht mehr dafür sorgen, dass neu gegründete Unternehmen, die Innovationen vornehmen, finanziert werden, vom Markt verschwinden. Das heißt für Deutschland im Zweifel: kritische Eingriffe. Sie sind aber notwendig, um den Steuerzahler langfristig vor weiteren Schäden zu bewahren und außerdem um zusätzliche Wachstumsimpulse zu schaffen. Herr Minister, ich finde, Sie haben zu Recht auf die Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit hingewiesen. Es bringt nichts, große Summen – hier 6 Milliarden Euro – in den Raum zu stellen, die im Endeffekt nicht abfließen. Ja, wir als Exportnation – heute hieß es, dass wir im letzten Monat Exporte im Wert von über 100 Milliarden Euro getätigt haben; das zeigt, dass wir immer noch eine Exportnation sind; wir sollten also den Teufel nicht an die Wand malen – haben ein großes Interesse daran, dass der europäische Binnenmarkt funktioniert, dass unsere Partner in Frankreich und Italien über eine stabile Wirtschaftsentwicklung verfügen können. Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir die vorgegebenen Spielräume innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nutzen. Das heißt: Strukturreformen und im Gegenzug mehr Zeit beim Defizitabbau. Das Gleiche haben wir in Deutschland in den Jahren 2005 und 2006 in der Großen Koalition gemacht, und zwar erfolgreich. Ich erinnere daran, dass wir damals das höchste Haushaltsdefizit hatten, und dagegen sind wir mit wirklichen Strukturreformen angegangen. Mit Herrn Renzi und Herrn Hollande haben wir es mit einem Ministerpräsidenten und einem Präsidenten zu tun, die solche Reformen – vielleicht zu spät – in Angriff nehmen. Wir als Deutscher Bundestag haben das größte Interesse daran, dass die beiden Länder Italien und Frankreich stabil bleiben, dass sie wirtschaftlich vorankommen und dass dort keine Extremisten an die Macht kommen. Deswegen sollten wir sie auf ihrem Weg uneingeschränkt unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Herr Minister, meine Damen und Herren, ich will auf einen letzten Punkt eingehen: auf die Besteuerung des Finanzsektors. Die heutige Haushaltsdebatte ist in diesem Zusammenhang bereits ein Anfang. Bisher muss man sagen: Da tut sich nichts. Wir werden das Bankeninsolvenzrecht mit der Schaffung der Europäischen Bankenunion ändern. Das wird uns im Herbst dieses Jahres hier im Deutschen Bundestag beschäftigen. Das Ganze ist ein richtiger Schritt. Aber klar ist auch, dass die Kosten der Krise, die auch wir in Deutschland zu schultern haben, vom Steuerzahler getragen wurden. Der Finanzsektor hat dazu keinen Beitrag geleistet. Im Gegenteil: Die zukünftig auszugestaltende Bankenabgabe – sie wird zu leisten sein, wenn auf europäischer Ebene eine Bank pleitegeht – bedeutet, dass der Finanzsektor die Kosten dafür tragen muss. In Deutschland ist diese Abgabe nicht steuerabzugsfähig, in anderen europäischen Ländern schon. Ähnlich ist es mit der Finanztransaktionsteuer. Ihre Einführung war die Voraussetzung für die Zustimmung der SPD und auch der Grünen zum europäischen Fiskalpakt. Ich erwarte diesbezüglich substanzielle Fortschritte auf europäischer Ebene, damit wir diejenigen, die die Krise mit verursacht haben, tatsächlich an den Kosten ihrer Bewältigung beteiligen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das ist eine Frage der öffentlichen Legitimation von Demokratie. Ich sage das auch in Richtung Frankreich und Italien; beide Länder spielen in diesem Bereich eine Schlüsselrolle. Diese Länder dürfen nicht nur fordern, dass wir ihnen beim Defizitabbau und bei der Wachstumsstimulierung helfen, sondern sie müssen auch die Lobbyisten zur Seite drängen und gemeinsam mit uns dafür sorgen, dass wir eine gerechtere Besteuerung des Finanzsektors in Deutschland zustande bringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Sie haben dazu, Herr Minister, die volle Unterstützung des Deutschen Bundestages. Wenn wir das bis Ende des Jahres nicht schaffen sollten, werden wir sehr wohl überlegen müssen, ob wir dazu nicht national Regelungen treffen und vorangehen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister Schäuble! Wir haben es hier auch gerade in der Haushaltsdebatte gehört: Die Große Koalition lobt sich selbst für den Haushalt 2015. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das können Sie auch tun, Herr Kindler!) Aber wir müssen als Haushälter beim Haushalt natürlich auch ins Detail gucken. Wenn wir ins Detail gucken, dann sehen wir: Es gibt drei zentrale Defizite in diesem Haushalt: Das erste ist das Hoffen auf die gute Konjunktur. Zweitens. Es gibt kaum Investitionen. Dieser Haushalt lebt von der Substanz. Das dritte ist der unsoziale Griff in die Rentenkasse und in den Gesundheitsfonds. Das ist wahrlich kein Grund, sich selbst zu loben. Das ist waghalsig. Das ist zukunftsvergessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Mit diesem Haushalt 2015 wollen Sie keine neuen Schulden mehr bei den Banken aufnehmen, aber Sie nehmen neue Schulden bei der Infrastruktur auf. Sie nehmen neue Schulden bei der Zukunft auf, weil Sie kaum investieren. Sie nehmen neue Schulden bei den Krankenkassen auf. Sie nehmen neue Schulden bei der Rentenversicherung auf. Ihr Haushalt, Herr Schäuble, hat eine große versteckte Verschuldung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir uns die drei zentralen Defizite doch einmal konkret an: Erstens. Das Hoffen auf die Konjunktur. Sie profitieren enorm von der guten Konjunktur, von den historisch niedrigen Zinsen, von den guten Steuereinnahmen, und Sie gehen davon aus, dass das alles so rosarot bleibt bis 2018. Sie rechnen mit jährlich 3,8 Prozent Steigerung bei den durchschnittlichen Steuereinnahmen. Schon dann, wenn man nur einen halben Prozentpunkt weniger annimmt, 3,3 Prozent, haben Sie eine große Lücke von 14 Milliarden Euro im Finanzplan. Herr Schäuble, Sie haben selber darauf hingewiesen: Es gibt international viele große Krisen, in Syrien, im Irak, in der Ukraine und anderswo. Das alles kann Auswirkungen auf Unternehmen, auf die Konjunktur haben. Schon die Steuerschätzung im Mai hat nach unten gewiesen und gezeigt, dass man sich eigentlich nicht auf die gute Konjunktur verlassen kann. Aber in Ihrem Haushalt ist keine Vorsorge getroffen. Es sind keine Risiken eingepreist. Das hat nichts mit einer seriösen Haushaltsplanung zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Das hat vielmehr damit zu tun, dass Sie strukturell nicht an diesen Haushalt ranwollen. Sie wollen keine strukturellen Reformen machen. Sie wollen auch nicht wirklich gerechte Ausgabenkürzungen vornehmen. Sie wollen nicht an den Subventionsabbau ran, wodurch man Milliarden Euro, gerade im umweltschädlichen Bereich, einsparen könnte. Sie wollen nicht an gerechte Einnahmeverbesserungen ran. (Johannes Kahrs [SPD]: Nennen Sie mal ein paar Beispiele!) Sie wollen nicht darangehen, diesen Haushalt wirklich strukturell zu konsolidieren. Aber wir brauchen keine rosarote Haushaltspolitik; wir brauchen eine strukturelle, eine engagierte Haushaltspolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das zweite große Defizit, das zentrale Defizit in diesem Haushalt, ist die versteckte Verschuldung bei den Investitionen. Dieser Haushalt lebt von der Substanz. Die Investitionsquote sinkt im Finanzplan bis 2018 auf 8 Prozent. Deutschland hat jetzt schon eine der niedrigsten Investitionsquoten weltweit. Das stellt man fest, wenn man die Volkswirtschaften vergleicht. Damit verschulden Sie sich massiv. Investitionen, die Sie heute nicht tätigen, sind die Kosten und Schulden von morgen und übermorgen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Vermögen des Staates sinkt dadurch, die versteckte Verschuldung steigt – und das trotz Ihrer sehr optimistischen Annahmen bei den Steuermehreinnahmen. Wenn wir uns das einmal anschauen, stellen wir fest: Sie rechnen von 2014 bis 2018 im Finanzplan in der Summe mit 111 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen. Nur, es ist völlig unklar, wo das Geld eigentlich bleibt. Es versickert im Etat, ohne Gestaltungsanspruch, ohne Prioritäten. Es ist nicht klar, wo das Geld bleibt. Es ist nur klar, dass es eben nicht investiert wird. Die Investitionsquote sinkt auf 8 Prozent, und das ist ein echtes Armutszeugnis der Bundesregierung. Das ist nicht generationengerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Was heißt das konkret? „Unterlassene Investitionen“, das klingt sehr haushaltstechnisch. Aber diese unterlassenen Investitionen haben sehr reale Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger, auf unsere Gesellschaft, auf die Unternehmen in diesem Land. Jede zweite Brücke ist sanierungsbedürftig, ist baufällig. In Zukunft müssen viele Bahn- und Straßenbrücken gesperrt werden, wenn sie jetzt nicht saniert werden. Wir wissen auch: Jeder dritte Bürger in diesem Land hat kein schnelles Internet. Das ist gerade für die Menschen im ländlichen Raum ein großes Problem, weil sie sozialökonomisch abgehängt werden. In den Schulen bröckelt der Putz von der Decke. Es gibt nicht genug Ganztagsplätze. Darunter leiden Kinder und Eltern. Die Investitionen in den Klimaschutz und in die Energiewende werden drastisch zurückgefahren. Das führt dazu, dass das Klima weiter zerstört wird. Das führt dazu, dass Arbeitsplätze im Handwerk und im Mittelstand gefährdet werden. Von außen hat dieser Haushalt eine polierte, glänzende Fassade, dahinter bröckelt es gewaltig. Das Fundament wackelt gewaltig. Sie fahren diese Gesellschaft auf Verschleiß. Das ist eine Versündigung an unserer Zukunft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Johannes Kahrs [SPD]: Man könnte auch mal Beispiele nennen! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ihr könnt doch sagen, dass das ein guter Haushalt ist!) Vor meiner Zeit im Bundestag habe ich im Unternehmenscontrolling eines Industriebetriebes gearbeitet. Ich sage Ihnen: Mit einer solchen Unternehmensstrategie, mit einer solchen Finanzpolitik kann kein Unternehmen mittelfristig überleben. Wenn wir uns den Haushalt anschauen, dann sehen wir, dass wir ein gutes Marketing, eine gute PR-Abteilung haben. Aber in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung fehlt das Geld. Es wird nicht in die Mitarbeiter investiert. Die Maschinen in der Werkshalle sind kaputt und werden bald zerfallen. Die Buchhaltung muss kreative Buchführung machen und den Haushalt und die Bilanz für die Gesellschafter ordentlich schönen. Mit einer solchen Geschäftspolitik kann kein Unternehmen mittelfristig überleben. Da geht jedes Unternehmen mittelfristig insolvent. Ihre Bilanz, Herr Schäuble, ist einfach nicht ehrlich. Ihr Haushalt lebt von der Substanz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Ich komme zum dritten großen Defizit Ihres Haushaltes. Sie greifen mit vollen Händen in den Gesundheitsfonds und in die Rentenkasse. Die Rentenreformen der Großen Koalition führen erstens nicht dazu, dass das Problem Altersarmut gelöst wird, sie führen aber zweitens dazu, dass die Rentenkasse bis 2018 leer ist. Das große schwarze Loch hinterlassen Sie der nächsten Regierung. So droht ein sinkendes Rentenniveau bei steigenden Beitragssätzen. Das ist eine große versteckte Verschuldung bei der Rentenkasse. Dies alles wird uns noch teuer zu stehen kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und Sie greifen für den Haushalt 2015 ungeniert in den Gesundheitsfonds mit 2,5 Milliarden Euro und nehmen damit Schulden bei den Krankenkassen auf. Das wird massive Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler haben. Schon jetzt hat ein Drittel aller Kassen angekündigt, dass sie 2015 Zusatzbeiträge für die Versicherten erheben wollen. Sie finanzieren diesen Haushalt auf dem Rücken der einfachen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist extrem unsozial. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit diesem Haushalt produzieren Sie ganz viele Verlierer. Wer sind die Verlierer Ihrer Haushaltspolitik? Die Verlierer sind die Kinder und Jugendlichen, denen es an guter Bildung und Betreuung fehlt. Die Verlierer sind die gesetzlich Krankenversicherten, die bald Zusatzbeiträge zahlen müssen. Die Verlierer sind Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen, die nachher die Zeche zahlen werden. Die Verlierer sind aber auch Unternehmen, deren Transportwege kaputt sind und die im ländlichen Raum keinen Zugang zu schnellem Internet haben. Die Verlierer sind die Kommunen, deren versprochene Entlastung von 5 Milliarden Euro auf 2018 verschoben wird. Die Verlierer sind das Klima und die Umwelt, die weiter zerstört werden. Die Verlierer sind auch die Flüchtlinge in vielen Kriegen der Welt, weil humanitäre Hilfe nicht ausreichend bereitgestellt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Angesichts dieser vielen Verlierer Ihrer Haushaltspolitik fordere ich Sie auf, die Haushaltsberatungen für 2015 für Verbesserungen zu nutzen. Hören Sie auf, sich selbst zu loben und sich selbst zu feiern. Gehen Sie die zentralen Defizite im Haushalt an. Wir werden Ihnen dazu solide und durchfinanzierte Alternativen vorlegen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: So lange Sie es nicht machen, machen wir es!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ralph Brinkhaus erhält nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja notwendig, dass die Opposition den Haushaltsentwurf kritisiert, aber zwei Dringe fand ich sehr befremdlich. Herr Bartsch von den Linken: Habe ich Sie richtig verstanden? Sie kritisieren die Russland-Sanktionen, weil sie die Wirtschaftskraft in Deutschland beschädigen? (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört!) Selbst als Wirtschafts- und Finanzpolitiker muss ich sagen: Es gibt Dinge auf der Welt, die wichtiger sind als wirtschaftliches Wachstum. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie müssen richtig zuhören!) Herr Kindler von den Grünen, ich finde es drollig, dass die Grünen kritisieren, wir würden hier in Deutschland nicht genug investieren. Ich nehme in meinem Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen wahr, dass dort der größte Investitionsverhinderer Ihr grüner Bundesumweltminister Remmel ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir über Investitionen reden, dann müssen wir uns auch die Rahmenbedingungen ansehen. Was Sie da betreiben, ist schon aller Ehren wert. Ich glaube, so viel können wir gar nicht falsch machen, wie Sie es an der Stelle tun. Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Die Fußballweltmeisterschaft hat stattgefunden. Wir haben sie gewonnen und haben richtig gefeiert – die einen in Rio und die anderen hier in Deutschland. Wenn wir in der Wirtschaft einen schönen Abschluss tätigen, dann wird gefeiert. Wenn in der Familie ein gutes Ereignis stattfindet, dann wird gefeiert. Wann feiert eigentlich die Politik einmal das, was gut läuft? Wann freut sich die Politik eigentlich, wenn etwas richtig gut läuft? (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ganz genau!) Es ist doch so: Jedes Mal, wenn etwas gut gelaufen ist, wenn zum Beispiel die Beschäftigungssituation gut ist, wir wirtschaftlich stark sind oder wir einen ausgeglichenen Haushalt haben, dann rennen hier alle mit einer Leichenbittermiene durch die Gegend und reden von der nächsten Katastrophe und von den schlimmen Dingen, die da kommen. Es sollte unabhängig davon, welcher Partei wir angehören, zu unserem Selbstverständnis gehören, dass wir uns auch einmal freuen, wenn etwas gut gelaufen ist. Ich glaube, heute ist ein Anlass dazu. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Diese Freude manifestiert sich in drei Zahlen: 299,5 Milliarden Euro, 299,5 Milliarden Euro und 0 Euro. Das sind die Einnahmen, die Ausgaben und die Nettokreditaufnahme von 0 Euro. Ich kann nur das wiederholen, was ich auch anlässlich der Einbringung des Haushalts 2014 gesagt habe: Generationen von Finanzministern wären froh gewesen, wenn sie heute hier an der Stelle von Wolfgang Schäuble gesessen hätten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein Finanzminister – diese Spitze muss ich als Nordrhein-Westfale einfach bringen – wäre besonders froh gewesen, und zwar Herr Walter-Borjans, der nämlich überhaupt nicht mit dem, was er in Nordrhein-Westfalen hat, klarkommt. Dieser ausgeglichene Haushalt ist zustande gekommen, obwohl wir weder Steuern erhöht noch neue eingeführt haben. Dieser ausgeglichene Haushalt ist zustande gekommen, obwohl wir Kommunen und Länder im mittleren zweistelligen Milliardenbereich entlastet haben und entlasten werden. Dieser Haushalt ist zustande gekommen, obwohl wir in ganz wichtigen Zukunftsbereichen – Herr Kollege Schneider hat es gerade erläutert – nicht gespart haben, sondern zum Beispiel im Bereich Bildung und Forschung draufgelegt haben. Meine Damen und Herren, das ist aller Ehren wert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es wurde gemeinhin kritisiert, dass der Haushalt mit Risiken behaftet ist. Ja, mein Gott! Ist das je anders gewesen? Gab es je einen Haushalt, der nicht mit Unsicherheiten und Risiken behaftet war? Das ist doch immer so. Zukunft hat nun einmal die Eigenschaft, dass sie unsicher ist. Die Tatsache, dass es Risiken gibt, ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, wie wir mit diesen Risiken umgehen und was wir daraus machen. Man kann die Risiken benennen – sie sind von den Rednern alle aufgeführt worden –: Natürlich gibt es ein konjunkturelles Risiko. Das heißt, wir müssen uns noch mehr anstrengen, damit die Wirtschaftskraft in diesem Land erhalten bleibt. Das gilt insbesondere für den Arbeitsmarkt. Der Haushalt ist vom Arbeitsmarkt abhängig. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir viele Menschen in Brot und Arbeit bringen. Natürlich haben wir ein niedriges Zinsniveau. Wenn ich mir angucke, was die EZB momentan so treibt, dann denke ich, dass es noch lange Zeit so niedrig bleiben wird. Es gibt auch noch andere Risiken. Momentan wird zum Beispiel höchstrichterlich über die Brennelementesteuer entschieden. Damit müssen wir uns beschäftigen. Wir können auch nicht länger das machen, was wir in den vergangenen Jahrzehnten gemacht haben, nämlich die Friedensdividende ernten und den Verteidigungshaushalt zur Spardose des Bundeshaushaltes machen. Das geht nicht. Es wäre skandalös – das ist ganz richtig; das ist eben angesprochen worden –, wenn wir die Menschen, die humanitäre Hilfe brauchen, im Stich lassen, weil wir sagen: Wir interessieren uns nur für uns. – Das geht nicht, und das muss auch im Haushalt abgebildet werden. Das ist alles ganz richtig. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen auch über unsere Investitionen nachdenken. Das gilt sowohl für Investitionen im Bereich der digitalen Welt und der Energienetze als auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur. Ich bin froh, dass wir diesbezüglich neue Wege gehen. Man sollte aber bei aller Kritik – auch wenn sie berechtigt ist – eines nicht aus dem Auge verlieren: Wir haben nicht die Infrastruktur eines Entwicklungslandes. Wir gehören immer noch zu den Top Ten dieser Welt. Wir müssen nur dafür sorgen, dass das so bleibt. Es ärgert mich schlichtweg, wenn vonseiten der Zeitungen so getan wird, als wenn dieses Land in den nächsten zehn Minuten auseinanderfällt. Das ist schlichtweg nicht wahr. Das stellt auch das, was in der Vergangenheit vernünftigerweise an Investitionen getätigt wurde, in ein schlechtes Licht. Das ist falsch. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]) Jetzt kann man sich überlegen, wie man mit diesen Herausforderungen umgeht. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Muss man! Nicht „kann man“!) Da gibt es zum einen eine Antwort aus dem letzten Jahrhundert, die uns zu dem Elend geführt hat, das wir heute bei vielen Haushalten dieser Welt haben: Wenn man ein Problem auf der Ausgabenseite hat, dann erhöht man die Einnahmen, indem man sich mehr verschuldet oder die Steuern erhöht. – Das ist ziemlich unintelligent und wird der Gestaltungsfähigkeit von uns Haushältern – ich schaue Norbert Barthle und Johannes Kahrs an – nicht gerecht. Ich glaube, dass wir das besser können; wir können andere Antworten geben. Wenn das die Politik aus dem letzten Jahrhundert, wenn das Haushalt 1.0 war, dann können wir auch Haushalt 4.0 machen. Haushalt 4.0 heißt, dass wir einfach mal intelligentere Fragen stellen, dass wir uns die Frage stellen, wie wir die vorhandenen Mittel, die wir jedes Jahr ausgeben, besser einsetzen können, sodass wir die Aufgaben besser erfüllen und mehr erreichen können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel im Rüstungsbereich!) Meine Damen und Herren, diese Frage wird leider viel zu selten gestellt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel bei neuen Straßen!) Ich gebe Ihnen einige Beispiele dafür: Erstes Beispiel: Priorisierung. Wo gibt es eine Priorisierung der Themen, die uns jetzt wirklich wichtig sind? Sind wir bereit, für die Sachen, die uns wirklich wichtig sind, an anderer Stelle Opfer zu bringen? Wir haben das an einer Stelle hervorragend durchexerziert: Wir haben in den letzten Jahren Bildung und Forschung im Bundeshaushalt priorisiert. Wir haben gesagt: Wir sparen an vielen Stellen, aber dort gibt es einen Mittelaufwuchs. – Das war eine Priorisierung, wie wir sie auch in anderen Bereichen brauchen. Zweites Beispiel: Effizienz. Wie effizient setzen wir denn eigentlich unsere Mittel ein? Fangen wir mit dem Straßenbau an: Wie effizient sind unsere Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren? Was verlieren wir da? Was ist die Zusatzlast, die im Straßenbau durch gut gemeinte Umweltmaßnahmen entsteht? Ich will nur eines sagen: Eine Grünbrücke kostet 3 bis 6 Millionen Euro; damit können wir auch 1 Kilometer Autobahn bauen. Wie sieht es eigentlich mit den Ausschreibungsverfahren in Deutschland aus? Sind sie effizient, oder bringen sie mittlerweile Nachteile für die Wirtschaft hier? Wie sieht es mit den Bewirtschaftungskosten und ähnlichen Sachen aus? Da ist noch viel Luft. Zur Effizienz in der Beschaffung. Wir alle wissen, dass wir beispielsweise im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums Beschaffungsprobleme haben. Ich meine, das kann man an dieser Stelle nicht verschweigen; das können wir besser. Ich bin sehr froh, dass unsere Bundesverteidigungsministerin genau das jetzt zum Schwerpunkt ihrer Arbeit macht. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?) Das ist richtig und gut. Dritter Bereich: soziale Ausgaben. Wir schlagen uns – auch das ist angesprochen worden – mit dem Problem der Langzeitarbeitslosigkeit herum; wir schaffen es nicht, sie zu senken, obwohl wir dort Milliarden reinstecken. Sie als Haushälter wissen: Leider stecken wir viel zu viel in die Verwaltung und viel zu wenig in Maßnahmen, die direkt bei den Langzeitarbeitslosen ankommen. Auch da haben wir Potenzial nach oben. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ändern Sie das doch einfach! Sie regieren doch!) Meine Damen und Herren, es gibt viele Bereiche, in denen wir mit unseren Mitteln effizienter umgehen können, als wir es bisher getan haben. Es ist natürlich unbequem, da heranzugehen. Es ist viel einfacher, zu sagen: Na, machen wir doch ein bisschen mehr Schulden, und dann wird das alles schon irgendwie funktionieren. – Das hier ist der unbequeme Weg, der untere Weg, der steinige Weg; aber wenn wir seriös arbeiten wollen, dann müssen wir diesen Weg gehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen uns auch fragen, ob wir noch in der Lage sind, Strukturen infrage zu stellen. Wir unterhalten uns – der Bundesfinanzminister hat es angesprochen – über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Das kann sich nicht nur darauf erstrecken, dass wir einen Verteilungskampf um den Soli führen, sondern wir müssen auch bei den Strukturen, bei der Wettbewerbsfähigkeit etwas verändern. Wir müssen den Ländern mehr Handlungsspielraum, mehr Autonomie geben. Auch das kann dazu führen, dass wir haushalterisch viel besser dastehen als in der Vergangenheit. Ich glaube, auch da sollten wir herangehen. Ein letzter Punkt, der für die Haushaltspolitik 4.0 sehr wichtig ist: Wir sollten nicht auf jedes Thema aufspringen, das gerade durch die Medien und Gazetten getrieben wird, sondern sollten sehr langfristig agieren. Da möchte ich noch mal den Bereich von Frau Wanka, den Forschungsbereich, herausgreifen. Wir haben hier in Deutschland sehr langfristig in unsere Spitzenforschungsinstitute investiert, ob es nun das Helmholtz-, Leibniz-, Fraunhofer- oder Max-Planck-Institut ist. Wir haben über Jahrzehnte hinweg eine Struktur geschaffen, um die uns die ganze Welt beneidet und die uns sehr viel nützt, auch in der wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist ein Bereich, bei dem Prioritäten gesetzt worden sind, bei dem langfristig gearbeitet worden ist. Ich würde mir wünschen, dass die Haushaltspolitik 4.0 so erfolgt. Jetzt gibt es einige Leute, die aktuell in den Medien, in Büchern und wo auch immer sagen: Ihr seid viel zu sehr auf die schwarze Null fixiert. Das ist doch überhaupt nicht notwendig. Lasst uns das doch noch mal ein bisschen verschieben. Momentan gibt es noch so viele Probleme, die wir lösen müssen; momentan ist nicht die Zeit dafür. – Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wann ist denn die richtige Zeit, um einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, wenn nicht jetzt? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Übrigen haben wir das mit unseren sozialdemokratischen Kollegen im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir ziehen das durch, und zwar ohne Steuererhöhungen und ohne neue Steuern. Genau dadurch schaffen wir Vertrauen bei den Menschen. Die Menschen glauben an die Wirtschaftspolitik, wenn man verlässlich handelt, und nicht, wenn man seine Konzepte alle Nase lang wechselt, wie das – das ist der nächste Punkt – auf europäischer Ebene leider viel zu oft der Fall ist. Ich gebe Wolfgang Schäuble absolut recht: Die Tatsache, dass Deutschland der Stabilitätsanker in Europa ist, weil wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, nützt auch den europäischen Nachbarländern. Das nützt den anderen Wirtschaftsnationen viel mehr, als wenn wir mit noch einem Programm und noch einem Programm aus der Hüfte schießen. Ich denke, wir haben nicht nur eine Verantwortung in Deutschland, sondern wir haben auch eine Verantwortung gegenüber Europa. Wir werden dieser Verantwortung in den Haushaltsberatungen gerecht werden. Wir werden wieder um die Positionen ringen. Wir haben mit den Haushältern Norbert Barthle und Johannes Kahrs an der Spitze gute Truppen am Start. Herr Kindler und Herr Bartsch, wir werden Ihre Vorschläge natürlich aufgreifen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr gut! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super!) Wir werden darüber streiten und wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, dass sie nicht so gut sind. Aber damit müssen Sie dann leben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja widersprüchlich!) In diesem Sinne wünsche ich uns allen gute Beratungen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Brinkhaus hat dankenswerterweise eine in weiten Teilen sehr sozialdemokratische Rede gehalten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dafür möchte ich mich natürlich sehr herzlich bedanken. Insbesondere möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit bedanken, die wir im Haushaltsausschuss pflegen. SPD, CDU und CSU arbeiten hier hervorragend zusammen. Selbst CDU und CSU arbeiten im Haushaltsausschuss gut zusammen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich finde, das ist bemerkenswert. Das ist gut, und das sollte auch so bleiben. Der Bundeshaushalt umfasst 3 000 Seiten. Auf einer Seite steht, dass es Einnahmen aus Krediten vom Kreditmarkt gibt, Kapitel 3201. Dort standen 2013 noch 22 Milliarden Euro neue Schulden. Für das Jahr 2014 standen dort 6,5 Milliarden Euro neue Schulden. Für das Jahr 2015 steht dort einfach ein Strich. Das ist eine große Leistung. Diese Leistung ist mit den letzten Haushalten vorbereitet worden. Es gab auch im letzten Haushalt Risiken. Wir haben sie gesehen und hier lange darüber diskutiert. Die Frage war, ob man die 6,5 Milliarden Euro halten kann oder nicht. Die Haushälter haben sie am Ende gehalten. Das war nicht ganz einfach. Ich glaube, dass wir alle zur Kenntnis nehmen müssen: Das ist kein Fetisch. Wir machen das nicht, weil wir die schwarze Null wollen. Die schwarze Null ist nicht das Kriterium. Wir wollen keine neuen Schulden machen. Das ist der wesentliche Punkt, weil das bedeutet, dass dieses Land solide wirtschaftet und wir uns nicht irgendwann in der gleichen Situation wiederfinden, in der sich zurzeit viele Länder in Europa befinden. Das kann keiner wollen. Das hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Man kann dagegen anlaufen. Man kann sagen, man will neue Schulden machen. Aber ich habe weder von Herrn Bartsch gehört, dass er neue Schulden machen möchte, noch habe ich von Herrn Kindler gehört, dass er neue Schulden machen möchte. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Das heißt, dieses Haus ist sich einig: Wir wollen keine neuen Schulden machen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich finde, das ist doch mal ein Konsens. Den kann man hervorheben. Ich glaube, Herr Schäuble, mit einem solchen Bundestag im Rücken kann man vernünftig und verlässlich arbeiten. Jetzt geht es darum, dass wir das tun, was zu meiner großen Freude der Kollege Brinkhaus angekündigt hat. Er hat davon gesprochen, dass man in dem vorgelegten Haushalt Prioritäten setzen muss, dass man umschichten muss. Ich wollte darauf eigentlich erst später zu sprechen kommen; denn erst auf Seite 11 meines Redemanuskripts steht: Ich bin mir sicher, das Parlament wird den Regierungsentwurf wie in jedem Jahr an einigen Punkten verändern und dadurch verbessern. Sollten sich Gestaltungsspielräume ergeben, werden wir sie nutzen, um mit mehr Investitionen unser Land noch weiter voranzubringen. – Da der Kollege Brinkhaus für die CDU/CSU offensiv eingefordert hat, dass wir diesen Haushalt verändern und als Parlament Prioritäten setzen, insbesondere im Bereich Investitionen, bin ich mir sicher, insbesondere wenn ich in die Gesichter meiner Kollegen Norbert Barthle und Bartholomäus Kalb aus dem Haushaltsausschuss sehe, mit denen wir ja gut zusammenarbeiten, dass wir dieser Einladung der Fraktionsspitze der CDU/CSU folgen werden und in den Haushaltsberatungen Prioritäten setzen werden. Ich glaube, dass es wirklich wichtig ist, dass es – gerade bei Investitionen im Verkehrsbereich – Transparenz, Steuerung und Kontrolle gibt. Wir werden gemeinsam dafür arbeiten. Mehr Geld heißt auch mehr Verantwortung. Jeder Bürger muss nachvollziehen können, wo das Geld landet. Das ist, glaube ich, die richtige Richtung. Wir werden diesen Weg beschreiten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hier ist gesagt worden, wir würden nur keine neuen Schulden machen, aber etwas anderes würde uns nicht einfallen. Ehrlich gesagt, das kann nur behaupten, wer diesen Haushalt nicht gelesen hat. Wir haben im Koalitionsvertrag der Großen Koalition festgelegt, dass wir in den nächsten Jahren 23 Milliarden Euro investieren wollen. Das ist eines der größten Investitionsprogramme, die es bisher gegeben hat. Wenn man wissen will, wo genau investiert werden soll, muss man das einfach lesen. Kollege Kindler, der jetzt leider nicht zuhört, hat hier einfach nur sehr wolkig von allen möglichen Berichten gesprochen. Das war sehr ungefähr und sehr theoretisch. Er hat immer Allgemeinplätze bemüht und fiel von einem zum anderen. Da ich seine Rede schon zur Einbringung des Haushaltes 2014 gehört hatte, kann ich sagen, dass nichts Neues vorkam. Wenn man diesen Haushalt anschaut, dann stellt man fest, dass die Große Koalition sehr genau und sehr konkret wird. Allein 2015 werden zum Beispiel die Kommunen um 1 Milliarde Euro entlastet. Das heißt: 500 Millionen Euro höherer Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft, 500 Millionen Euro höherer Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer. Das alles wird jetzt kommen. Das wird dazu führen, dass die Kommunen in der Lage sind, ihre Aufgaben besser wahrzunehmen. Ich glaube, das muss man auch betonen. Gleichzeitig ist es so, dass wir in dieser Legislatur-periode 6 Milliarden Euro für Bildungsaufgaben, Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen investieren. Das heißt zum Beispiel für 2015, dass der Bund allein die Kosten für das BAföG übernimmt. Auch das kann man einmal erwähnen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bringt das den Studierenden?) Hier wird immer gesagt, der Bund macht nichts und wir drücken uns. Vielmehr ist es ganz konkret so, dass der Bund allein die Kosten für das BAföG übernimmt und die Länder entlastet. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Studierenden bringt das nichts!) Das heißt, wir als Bund können, was das BAföG angeht, sehr viel freier agieren. Auf der anderen Seite sind die Länder entlastet. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. Wir sind die Partei, die das BAföG damals erfunden hat. Wir haben es unter Willy Brandt durchgesetzt. Wir wollen das BAföG weiter ausbauen. Wenn diese Große Koalition das tut, ist das richtig, wichtig und gut. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Da man ja im Konkreten bleiben soll, Herr Kindler, und nicht immer nur wolkig sein sollte: Es ist so, dass wir das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ in dieser Wahlperiode auf 1 Milliarde Euro aufgestockt haben. Das heißt, auch in diesem Jahr wird etwas passieren. Für Forschung werden wir 3 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Auch in diesem Jahr wird hier viel Geld fließen. Wir geben in dieser Legislaturperiode 5 Milliarden Euro zusätzlich für Infrastruktur aus. In diesem Jahr heißt das 1 Milliarde Euro on top: 700 Millionen Euro für die Straße, 200 Millionen Euro für die Schiene und 100 Millionen Euro für die Wasserstraße. Auch hier glauben wir, dass das zu wenig ist. Wir haben ja gerade vom Kollegen Brinkhaus gehört, dass die CDU/CSU und die SPD gemeinsam für Umschichtungen in diesem Etat arbeiten werden, um mehr Geld für diesen Bereich ausgeben zu können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Maut?) – Was die Maut angeht, würde ich vorschlagen, dass wir alle in diesem Hohen Hause und in diesem Land uns einfach zurückhalten. Ich glaube, die ganze Mautdebatte blamiert uns alle. Im Ergebnis ist es doch besser, dass man den Gesetzentwurf abwartet. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kluge Worte von Johannes Kahrs!) Wenn man den Gesetzentwurf hat, dann kann man über ihn reden, diskutieren und streiten. Alles, was vorher dazu stattfindet, ist – ich sage mal – ein bisschen Popcorntheater. Jeder macht sich lustig, von links nach rechts. In der Sache hilft es niemandem. Man muss diesem Minister die faire Chance geben, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Dann kann man darüber reden. Ich finde, die Reihenfolge ist ein bisschen durcheinandergeraten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer hat das denn zu verantworten?) Wenn das passiert ist, kann man auch in diesem Hause vernünftig arbeiten. Es gibt einen Koalitionsvertrag. In diesem steht, zu welchen Konditionen dieser Gesetzentwurf vorgelegt werden muss. Am Ende muss auch mehr Geld für Investitionen dabei herauskommen. Darauf freuen wir uns. Darauf warten wir. Wir alle werden den Minister darin unterstützen, dass es vernünftig funktioniert. Weiterhin haben wir in dieser Koalition mehr Geld für den Städtebau vorgesehen – das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt –, insbesondere für das Programm „Soziale Stadt“. (Beifall bei der SPD) – Genau. – Wir werden alleine in diesem Jahr 400 Millionen Euro zusätzlich für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Die Rentenversicherung wird einen deutlich höheren Bundeszuschuss als im letzten Jahr bekommen. Für die Eingliederung Arbeitsuchender werden wir 350 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Und so geht das weiter. Wenn sich die Opposition hier hinstellt und ein bisschen nölt, dass diese Regierung nicht weiß, was sie will, und dass die „schwarze Null“ nur ein Fetisch ist, muss ich sagen: Das ist absurd. Keiner von uns kämpft für eine „schwarze Null“; dafür gibt es zu viele. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Was wir tun, ist: Wir kämpfen dafür, dass wir keine neuen Schulden machen. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt. Da Kollege Brinkhaus ja gerne Nordrhein-Westfalen erwähnt: In Nordrhein-Westfalen haben wir eine rot-grüne Regierung. Die hat ein Land übernommen, so wie Schwarz-Gelb es hinterlassen hat. Dass sie Schwierigkeiten haben und dass sie jetzt daran arbeiten, dieses Land nach vorne zu bringen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Oh! – Die? Wohl kaum!) und Walter-Borjans eine schwere Aufgabe hat, das wissen wir, Herr Brinkhaus. Wir Sozialdemokraten wollen, dass es der Regierung in Nordrhein-Westfalen einfacher gemacht wird, diese schwarz-gelbe Last zu beseitigen. (Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Wir wollen Kommunen und Länder entlasten und ihnen helfen, damit die Menschen in Nordrhein-Westfalen merken: Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen wirkt genauso gut wie die Große Koalition im Bund. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Oh nein! Weiß Gott nicht! – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt aber eine Beleidigung für Rot-Grün!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun erhält die Kollegin Karawanskij für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Sie haben ja gerade, Kollege Kahrs, viel Eigenlob verteilt, (Johannes Kahrs [SPD]: Zu Recht!) gerade in Bezug auf die Kommunalfinanzen. Wenn Sie die 1 Milliarde Euro erwähnt und gesagt haben, dass Sie bei der Kindertagesbetreuung finanzielle Unterstützung leisten, muss ich Ihnen sagen: Das sind alles kleine Trostpflästerchen. Das Übel ist damit noch nicht beseitigt; das ist also keine Lobeshymnen wert. Wir haben natürlich Kommunen, die in den letzten Jahren sehr gut dagestanden und Überschüsse erwirtschaftet haben. Aber ihnen steht doch eine erschreckend große Anzahl an Kommunen gegenüber, die arm und vor allen Dingen auch strukturell unterfinanziert sind. Ich bin der Meinung, es ist höchste Eisenbahn, hier zu handeln. Wir brauchen eine umfassende Gemeindefinanz-reform, (Beifall bei der LINKEN) eine Gemeindefinanzreform, die allen Kommunen höhere und vor allen Dingen stabile Einnahmen bringt, damit die Pflichtaufgaben, aber auch die freiwilligen Aufgaben erfüllt werden können. Genau deshalb haben wir in diesem Hohen Hause schon den Antrag eingebracht, die Gewerbesteuer zu -erhalten und sie zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterzuentwickeln. Wir schlagen zudem zwei Sofortmaßnahmen vor: Erstens wollen wir eine kommunale Investitionspauschale einführen. Zweitens wollen wir die Gewerbesteuerumlage an den Bund sofort und die an die Länder schrittweise aussetzen, und zwar bis 2019. (Beifall bei der LINKEN) Hier muss auch darüber diskutiert werden, dass der kommunale Anteil am Gesamtsteueraufkommen angehoben werden muss. Wir brauchen eine sozial gerechte Steuerreform, und wir müssen den Länderfinanzausgleich reformieren. Auch dazu liegt unser Konzept schon vor. Wir laden Sie gerne zur Diskussion darüber ein. Das muss grundsätzlich angepackt werden. (Beifall bei der LINKEN) Es gibt einen zweiten Bereich, den ich ansprechen möchte, und zwar die Finanzmarktregulierung – dazu haben wir schon etwas gehört –, bei der Sie ebenfalls nur Halbgares produzieren. Ganz aktuell geht es um das Kleinanlegerschutzgesetz, das ich herausgreifen möchte. Damit soll der Graue Kapitalmarkt stärker reguliert werden. Aber auch hier produzieren Sie nur Halbgares. Ihr Blick ist sehr stark auf die Prospektpflicht und das Informationsblatt fokussiert. Doch viel Papier bringt noch lange kein gutes Ergebnis, vor allen Dingen nicht, was die Regulierung angeht. Sie schießen zum Teil über das Ziel hinaus. So soll es keine abgestuften Regelungen für Genossenschaften, Vereine und Initiativen geben, die eben nicht, wie im Fall Prokon, mit utopischen Renditeversprechen locken, sondern auf alternative, solidarische Finanzierungsmittel setzen. Wir Linke fordern seit langem, dass der Graue Kapitalmarkt nicht nur umfassend und lückenlos zu regulieren ist, sondern dass wir in diesem Bereich auch eine einheitliche und effektive Finanzaufsicht brauchen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass für den einen Teil der Kontrolle die Gewerbeämter zuständig sind, für den anderen Teil dagegen die Finanzdienstleistungsaufsicht. Deswegen brauchen wir eine einheitliche Aufsicht. Hier muss auch bei der BaFin selbstverständlich personell und finanziell aufgestockt werden. (Beifall bei der LINKEN) Sie übersehen einen weiteren Punkt, und zwar, dass nur noch die Finanzinstrumente und Akteure und Vertriebspraktiken zugelassen werden sollten, die letztendlich auch transparent und vom Risiko her beherrschbar sind, vor allen Dingen aber zur Absicherung realer Geschäfte dienen. Hier brauchen wir einen Finanz-TÜV, der erst einmal genau prüft und dann zulässt, also das bisherige Prinzip umkehrt. Einen solchen Finanz-TÜV einzuführen, wäre ein weitsichtiger und ökonomisch sinnvoller Schritt. Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, legen Sie mehr politischen Biss an den Tag! Verkennen Sie vor allen Dingen die Probleme in den Kommunen nicht! Regeln Sie das! Werden Sie da aktiv! (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sind wir schon!) Und vor allen Dingen: Machen Sie eine ordentliche -Finanzmarktregulierung und nicht so ein halbgares Zeug! Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Also! Jetzt, Norbert!) Norbert Barthle (CDU/CSU): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeiten ändern sich wirklich: Während die Haushaltspolitiker noch vor nicht allzu langer Zeit von der Euro-Krise geschüttelt wurden, haben derzeit unsere Außenpolitiker Sorgenfalten im Gesicht. Die Haushälter dagegen bewegen sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Haushalts- und Finanzpolitik macht derzeit wirklich Freude. Das liegt an der Tatsache, dass wir mit dem Haushaltsentwurf für 2015 einen historischen Moment erreichen, den man nicht genug würdigen kann; denn, meine Damen und Herren, seien wir doch mal ehrlich: Über Jahre und Jahrzehnte hinweg – auch vor Franz Josef Strauß’ ausgeglichenem Haushalt 1969 – wurde der deutschen Bevölkerung immer wieder erklärt: Wir müssen jetzt investieren, damit wir in der Zukunft sparen; wir müssen jetzt etwas für die Wirtschaftsförderung tun, damit wir in der Zukunft sparen; wir müssen jetzt etwas für die Jugend tun, damit wir in der Zukunft die Rendite haben; wir müssen jetzt die Arbeitslosigkeit bekämpfen, damit wir in der Zukunft einsparen können. – Was war das Ergebnis dieser Mär? Der Schuldenberg wuchs beim Bund auf 1,3 Billionen Euro, gesamtstaatlich auf 2,3 Billionen Euro. (Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!) Mit diesem Haushalt 2015 schaffen wir endlich den Umstieg, kommen wir weg von dieser Mär, die letztendlich doch nichts anderes war als eine Legitimations- bzw. Argumentationsschleife, um dem jeweiligen Finanzminister, egal von welcher Partei, das Handwerkszeug zu geben, um mehr Geld ausgeben zu dürfen, als er hatte. Von dieser Politik der vergangenen Jahre verabschieden wir uns in dieser Großen Koalition endgültig. Damit sind CDU und CSU die wahren Modernisierer in diesem Land. Herr Kollege Kindler, wahre Modernisierung heißt: Raus aus dieser ewigen Schuldenfalle, hinein in ausgeglichene Haushalte! Dass die SPD diesen Weg mitträgt und sich beteiligt – sogar die Grünen und die Linken sagen: wir wollen auch keine neuen Schulden –, das ist aller Ehren wert und eine große Leistung der deutschen Sozialdemokratie. Ich würde mir wünschen, dass so mancher Sozialist oder Sozialdemokrat auf europäischer Ebene, sei es in Frankreich, sei es in Italien, sich vielleicht ein klein wenig an diesem Weg orientiert. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Finanzminister hat nochmals begründet, warum wir dieses tun; die „schwarze Null“ ist ja kein Selbstzweck. Ich will das nicht wiederholen, sondern will nur noch mal betonen: Wir erwarten eine doppelte Rendite. Die eine Rendite besteht darin, dass wir, wenn der Schuldenberg nicht weiter wächst und damit auch die Zinsausgaben nicht wachsen, tatsächlich neue Finanzierungsspielräume eröffnen für die Zukunft. Herr Kollege Kindler, das ist die beste Politik für die nachfolgende Generation: wenn die Kinder und Jugendlichen später nicht noch mehr Schulden zu tragen haben, sondern sich auf eine Perspektive ohne neue Schulden verlassen können, auf dauerhaft ausgeglichene Haushalte. Die zweite Rendite – auch darauf hat der Bundesfinanzminister hingewiesen – ist das unglaubliche Vertrauen, das wir gewinnen: Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern, nicht nur in Deutschland, auch in Europa, und Vertrauen vor allem in der Wirtschaft, bei den Investoren. Deshalb nochmals: Wir erreichen das Ziel der „schwarzen Null“ – davon sind wir fest überzeugt –; denn unsere Haushalte für die kommenden Jahre sind nicht auf Kante genäht. Auch wenn es konjunkturelle Schwankungen geben wird, sind wir zuversichtlich, dieses Ziel halten zu können. Das baut auf dem auf, was wir in der Vergangenheit bereits gemacht haben: Das war eine solide Politik, die darin bestand, die Ausgabensteigerungen moderat zu halten und gleichzeitig in Zukunftsbereiche zu investieren. Ich will es wiederholen: Die Ausgaben für Bildung, Forschung, Wissenschaft und Kultur haben im Jahre 2005 noch 11,4 Milliarden Euro betragen. 2018 werden es 22,8 Milliarden Euro sein. Das ist eine Verdoppelung der Ausgaben. Alleine der Bildungsetat wird sich von 8,5 Milliarden Euro im Jahre 2005 auf voraussichtlich 17,5 Milliarden Euro im Jahre 2018 mehr als verdoppeln. Das sind die Zukunftsinvestitionen, die wir tätigen, und sie werden sich nachhaltig auswirken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass wir im Bereich der Verkehrsinfrastruktur einen hohen Investitionsbedarf haben, ist auch im Hinblick auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur unbestritten. 5 Milliarden Euro mehr sind hier ein klares Zeichen. Darüber hinaus haben wir uns in der Koalition bereits darauf verständigt: Wenn wir zusätzliche Spielräume entdecken, dann wollen wir sie ganz gezielt für die Infrastruktur einsetzen. Ich glaube, auch das ist eine wichtige Verabredung. An dieser Stelle erlaube ich mir den Hinweis, dass ein erheblicher Teil der öffentlichen Investitionen natürlich auch von Ländern und Kommunen getätigt wird. Deshalb zur Erinnerung: In der 17. Legislaturperiode haben wir Länder und Kommunen um round about 60 Milliarden Euro entlastet. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind die Steuersenkungen eingepreist? Hotelsteuer?) Wir werden diese Politik der Entlastung der Kommunen und der Länder fortsetzen; das ist gar keine Frage. Diese Entlastung wird durch neue Zusagen ergänzt, die wir gemacht haben. Lieber Kollege Kindler, Sie tragen hier vor, das alles sei Makulatur. Das kennen wir von jeder Haushaltsberatung; das wird immer wieder vorgetragen. Viele Spielräume, die wir uns erarbeitet haben, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn?) sind eben darauf zurückzuführen, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Konjunktur!) dass wir solide gewirtschaftet haben. Deshalb haben wir niedrige Zinsen, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch die Euro-Krise!) gute Beschäftigungszahlen und gute Steuereinnahmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich auf das Thema „Bund und Länder“ zurückkommen. Die Neugestaltung der Finanzbeziehungen steht an. Lassen Sie mich deshalb nochmals daran erinnern: Der Bund hat mit 1,3 Billionen Euro mehr als doppelt so hohe Schulden wie die Länder. Wenn man sich die Pro-Kopf-Verschuldung anschaut, dann sieht man, dass nur zwei Länder, nämlich Bremen und Berlin, eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung als der Bund haben. Ansonsten haben wir die größte Schuldenlast zu tragen. Diese Unwucht spiegelt sich auch bei den Zinszahlungen wider. Der Finanzminister hat auch schon darauf hingewiesen: 2013 haben wir noch 31,3 Milliarden Euro an Zinsen gezahlt, was gut 10 Prozent unserer Ausgaben entspricht. Bei den Ländern waren es 17,6 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil der Zinsausgaben von weniger als 6 Prozent. Diese gute Haushaltslage der Bundesländer spiegelt sich auch beim Defizit in Höhe von 1,9 Milliarden Euro wider, das die Gesamtheit der Länder im Jahre 2013 zu tragen hatte. Die Gesamtheit der Kommunen hatte in ihren Kernhaushalten sogar einen Überschuss in Höhe von 1,7 Milliarden Euro vorzuweisen. Sie sehen also: Das Gesamtsystem des Ausgleichs und der Bund-Länder-Finanzbeziehungen kann so falsch nicht sein. Dass es lokal und regional große Unterschiede gibt, ist unbestritten. Hier werden wir sicherlich helfen müssen, aber das muss zielgenau und so passieren, dass der Begriff der Solidarität richtig definiert wird; denn ich nehme überrascht zur Kenntnis, dass die Bundesländer Solidarität derzeit vor allem so definieren, dass sie sagen: Keiner von uns soll weniger haben, aber alle mehr. – Wenn das das Verständnis von Solidarität ist, dann sagen wir: Gut, dann darf auch der Bund nicht weniger haben, und alle sollen mehr haben. – Die Frage ist dann nur, woher das Geld kommen soll. (Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Es wird also noch einiger Anstrengungen bedürfen, dieses Problem in den kommenden Monaten zu lösen. Aber nochmals: In der 17. Legislaturperiode haben wir bereits erhebliche Zugeständnisse gemacht und erhebliche Leistungen für die Länder und Kommunen übernommen. Ich erinnere nur an die Grundsicherung im -Alter, an die Kosten der Unterkunft, an die Entflechtungsmittel, an die Kindergelderhöhung über das FAG, an den Hochschulpakt, an die Fluthilfe und an den Kitaausbau. In dieser Legislaturperiode kommen nochmals 12 Milliarden Euro für die Länder und Kommunen hinzu. Als Stichworte nenne ich die Entlastung der Kommunen in Höhe von zunächst 1 Milliarde Euro, die BAföG-Übernahme, das Sondervermögen „Kinderbetreuung“, den Hochschulpakt und die Eingliederungshilfe in Höhe von 5 Milliarden Euro pro Jahr ab 2018. Wenn ich dazu noch die Erwartungen der Kommunen addiere, dann komme ich auf round about fast 100 Milliarden Euro, die aus dem Bundeshaushalt in die Haushalte der Länder und Kommunen fließen und damit zu deren Entlastung beitragen. Aber damit ist die Grenze der Belastungsfähigkeit des Bundeshaushaltes erreicht. Das muss allen klar sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Das muss auch die Vorgabe bei allen neuen Debatten über Altschuldentilgung, über Euro-Bonds, über Bund-Länder-Bonds und über die Zukunft des Soli sein. Aktuell läuft über die Medien die Meldung, dass der Bundesfinanzminister über eine Neugestaltung des Soli nachdenke, verbunden mit der Falschmeldung, er plane Steuerhöhungen. Steuererhöhungen sind aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion in dieser Periode ausgeschlossen. Wir werden auf keinen Fall Steuern erhöhen. (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zum Verteidigungsetat sagen. Auch dieser Etat spielt derzeit in der öffentlichen Debatte eine große Rolle. Wenn es Ziel der NATO sein sollte, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, dann werden wir uns als langfristiges Ziel daran orientieren; gar keine Frage. Derzeit aber ist der Verteidigungsetat mit genügend Mitteln ausgestattet. Im vergangenen Jahr sind fast 1 Milliarde Euro in den Bundeshaushalt zurückgeflossen, weil einige Beschaffungsvorhaben nicht rechtzeitig umgesetzt werden konnten. Grund dafür war, dass manche Firmen nicht rechtzeitig geliefert haben. Wir hatten, nebenbei bemerkt, für den Einsatz in Afghanistan 1,4 Milliarden Euro in den Haushalt eingestellt. Dieses Jahr sind es noch 460 Millionen Euro, und zwar ohne dass der Plafond abgesenkt wurde. Auch da gibt es also entsprechende Reserven. Insofern kann man davon ausgehen, dass die Verteidigungsministerin derzeit mit dem Geld, das wir ihr zur Verfügung stellen, auskömmlich wirtschaften kann. Wie das in den kommenden Jahren aussehen wird, ist eine zweite Frage. Aber darauf werden wir uns einstellen können. Ich schließe mit der Aussage: Der Haushalt 2015 stellt einen historischen Wendepunkt in der Haushalts- und Fiskalpolitik der Bundesrepublik Deutschland dar. Noch nie konnten sich eine Bundeskanzlerin und ein Bundesfinanzminister vor die deutsche Öffentlichkeit stellen und sagen: Wir kommen mit dem Geld aus, das uns die Steuerzahler geben und das wir aus sonstigen Quellen erwirtschaften. – Und dabei bleibt es. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brinkhaus möchte feiern; Herr Kahrs freut sich, dass an der Stelle neuer Schulden nun Striche im Finanzplan zu sehen sind. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Selbstgefälligkeit treibt einem eher die Sorgenfalten auf die Stirn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das war harte Arbeit! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Man darf sich über die „schwarze Null“ freuen!) Wir sagen ja gar nicht, dass die „schwarze Null“ für den Haushalt 2015 und die Finanzplanperiode – das ist ja Ihr Ziel – falsch ist. Aber Sie können sich doch nicht der Einsicht verschließen, dass die „schwarze Null“ letztlich nicht der richtige Maßstab ist, um zu bewerten, ob wir -finanzpolitisch auf einem zukunftsgerechten Kurs sind. Das müssen Sie doch eingestehen; so klug sollten Sie doch sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die „schwarze Null“ heißt nicht umsonst „schwarze Null“!) Wissen Sie, warum? Einige Kollegen mögen sich fragen: Was will sie denn? Die „schwarze Null“ ist doch gut. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: -Genau!) Die „schwarze Null“ in der Finanzplanperiode bedeutet leider auch – das haben Sie so ausgestaltet –, dass das öffentliche Vermögen bis zum Jahr 2018 stetig schrumpft. Der Vermögensverzehr ist in Ihrer Finanzplanung angelegt. Weil das so ist, ist auch klar: Diese „schwarze Null“ reicht nicht aus. Sie ist nicht zukunftsgerecht. Sie müssen den Menschen einmal erklären – das muss auch Herr Schäuble erklären –: Warum steigt bei Ihnen die Ausgabenlinie bis zum Jahr 2018 um satte 10 Prozent, und warum schrumpft parallel dazu die Investitionsquote um ein Fünftel? Mit dieser Erkenntnis müssen Sie sich auseinandersetzen. Das bedeutet letztendlich: Dieser -Finanzplan steht nicht für Verlässlichkeit. Dieser Finanzplan steht für Verschleiß. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Investitionsquote, der Anteil der Investitionen, sinkt bedenklich. Herr Barthle, setzen Sie sich doch einmal mit der eigenen Finanzplanung auseinander, auf die Sie so stolz sind! Hinzu kommt, dass das zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem die Steuereinnahmen durchschnittlich um 3,8 Prozent wachsen sollen. 3,8 Prozent durchschnittliches Steuerwachstum – das ist eine enorm positive Entwicklung. Und zu einem Zeitpunkt, zu dem man so eine enorm positive Entwicklung hat – von mir aus auch vor dem Hintergrund einer viel zu langen Verschuldungsperiode, aber auch eines mangelnden Sanierungswillens –, muss man umdrehen und das öffentliche Vermögen wieder aufbauen. Davon ist leider bei Ihnen nichts zu sehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich muss noch einen Punkt draufsetzen: Deswegen stimmt es mich auch so bedenklich, dass aus dem -Finanzministerium Veröffentlichungen kommen, in denen festgestellt wird, dass es in Deutschland angeblich gar keine Investitionsschwäche gebe. Es ist zwar richtig: Den Immobilienboom in manchen europäischen Ländern sollte man nicht als positives Beispiel für Investi-tionsstärke beschreiben. Aber gleichzeitig steht in den Unterlagen, dass wir ein Problem bei den Brutto-anlageinvestitionen der öffentlichen Haushalte haben. Das muss man nur ehrlich interpretieren. Deswegen: Auch diese Erklärungen treiben einem die Sorgenfalten auf die Stirn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Ich möchte noch zu einem anderen Punkt kommen: Herr Schäuble hat heute den Vorschlag gemacht, den Soli umzubauen. Er will die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Kapitalertragsteuer zukünftig erhöhen und den Soli dabei wahrscheinlich irgendwie integrieren. Auch wir Grüne meinen, man sollte den Soli nicht einfach abschaffen. Stattdessen muss man den Solidaritätszuschlag neu begründen. Man kann ihn nicht einfach so einbehalten. Er ist, verknüpft mit einem Solidaritätsversprechen, zusätzlich von den Leuten eingenommen worden. Deswegen sage ich Ihnen: Man sollte ernsthaft darüber nachdenken, den Soli zu nutzen, um das Altschuldenproblem wirklich anzugehen, und man sollte mit ihm weiterhin ein Solidaritätsversprechen verbinden, und zwar für die Regionen in Deutschland, die nicht eine so hohe Finanz- und Wirtschaftskraft haben. Das Einsacken des Soli ohne eine gute Zielvorgabe wäre ein Armutszeugnis für die föderale Ordnung. Ich hoffe, Sie werden diesen Weg nicht gehen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Lothar Binding. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es denen, die schon seit vielen Jahrzehnten Wahlkämpfe mit begleiten, gegangen ist. Mir sind dabei Sätze begegnet wie: Mit dem Geld auskommen, das man euch gegeben hat! – Die Politik ist unfähig, mit dem Geld – und wir zahlen so viele Steuern – auszukommen, das wir ihr gegeben haben. – Ihr sollt keine neuen Schulden machen! – Neue Schulden kosten unsere Zukunft. Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so gegangen ist. Wer hat das noch nicht gehört? Ich glaube, die meisten haben es gehört. Verbände, Kammern, Stiftungen haben Gutachten dazu erstellt, wie schädlich Schulden für die Zukunft sind. Das haben wir gelernt; alle gaben uns diese Aufgabe. Und jetzt muss man fairerweise sagen: Diese Aufgabe löst dieser Haushalt. Ich glaube schon, dass das eine besondere Leistung ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Aber damit ist Politik natürlich nicht zu Ende, und ich glaube, wir müssen uns auch an ein neues Gefühl gewöhnen. Bisher war es ja relativ einfach: Wenn jemand eine neue Verantwortung, neue Aufgaben übernehmen und Probleme lösen wollte, schöne Ideen oder Wünsche hatte, was haben wir dann gemacht? Wir haben lange diskutiert, und wenn es keine Lösung gab, gab es am Ende neue Schulden, und damit war das Problem eigentlich gelöst. (Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]) Im Ergebnis waren die Effekte dieser Politik aber nicht ganz so angenehm. Sie lassen sich in etwa mit einem Zollstock messen – für die Älteren von Ihnen ist das ein Déjà-vu; denn den hatte ich vor einigen Jahren schon einmal ausgeklappt. (Der Redner klappt einen verschiedenfarbigen Zollstock aus) Das stellt die ungefähr 2 Billionen Euro Schulden, die die Politik in den letzten Jahrzehnten aufgebaut hat, dar. (Zuruf von der CDU/CSU: In Bayern ist das ein Meterstab! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie groß sind Sie denn?) Einen großen Anteil hat natürlich Schwarz-Gelb – Gelb war übrigens fast immer dabei –; auch Schwarz-Rot ist dabei. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Und wer war nicht dabei? – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer war nicht dabei?) Auch Rot-Grün war natürlich dabei; dann kam noch einmal Schwarz-Gelb. Und immer war es die jeweilige Opposition, die wusste, dass die neuen Schulden böse sind. Diesmal – so muss man sich das vorstellen – kommt erstmals kein Millimeter obendrauf. In diesem Jahr wird der Zollstock erstmals nicht verlängert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn es uns gelingt, diesen Zollstock in den nächsten Jahren nicht mehr zu verlängern, dann sind wir, glaube ich, auf einem ganz guten Weg. Allerdings braucht das sicherlich auch eine andere Politik. Dazu gehört zum Beispiel die Gewöhnung daran, dass Einzelpläne nicht mehr automatisch wachsen. Es gibt Einzelpläne, die sogar unanständig stabil bleiben – auch in diesem Haushalt. Ich will nur einen nennen: Der Etat für Entwicklungspolitik wächst zurzeit zu wenig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir haben gar keine Übung, damit umzugehen, mehr zu wollen, aber zunächst nicht mehr zu haben, weil wir in dieser Legislaturperiode die Steuern nicht angehen. Sie bleiben unverändert; das ist aber eine Zukunftsaufgabe. Wir müssen ein neues Gefühl entwickeln. Diese Art der Deckung innerhalb eines Haushalts haben wir in der Form nicht zwingend geübt. Notwendig sind auch mehr Investitionen. Es ist schon mehrfach vorgetragen worden: Wenn man die Investitionen erhöhen will und der Haushalt stabil bleibt, dann muss man neue Ideen haben. Zurzeit gibt es die Idee der Aktivierung privaten Kapitals. Das ist sicherlich ein eigenes Kapitel für die nächsten Monate. Aber es zeigt, dass wir kreativ sein werden müssen, um die Aufgaben zu lösen, vor denen wir stehen. Es ist übrigens keine ganz neue Idee. Es ist nicht so, dass noch niemand versucht hätte, keine neuen Schulden zu machen. Nehmen wir zum Beispiel die mittelfristige Finanzplanung von Stoltenberg in den 80er-Jahren: Auch er hatte einen Entschuldungspfad, der bei null endete. Die Grafiken von Hans Eichel zeigen, dass auch er diesen Plan hatte. Auch Peer Steinbrück hatte diesen Plan. Warum hat das eigentlich nie geklappt? Lag das am Parlament? Haben wir immer obendrauf gesattelt? Die ehrliche Antwort lautet: Nein. Die Ziele hatten wir, aber es kamen besondere Situationen dazwischen wie die Wiedervereinigung, die Wirtschaftskrise um 2000 oder die Finanzkrise 2007/2008. Das waren Krisen, die uns besondere Aufgaben aufgegeben haben. Damit konnten wir in der damaligen Situation keinen Haushalt mit einer Nullverschuldung machen. Ich hoffe mit unserem Finanzminister, dass uns so etwas nicht wieder passiert. Wer wollte das ausschließen? Dass der Haushalt Zukunftsrisiken enthält, weiß jeder. Deshalb müssen wir besondere Überlegungen anstellen, um sie auszuschließen. Ich will einige Punkte ansprechen: Wir haben zurzeit niedrige Zinsen; das hilft dem Haushalt. Die niedrige Arbeitslosigkeit hilft dem Haushalt und den Sozialkassen. Wir haben über die Zeit ein ordentliches Wachstum erreicht; das hilft dem Haushalt. Wir haben einen Exportüberschuss; auch das hilft dem Haushalt. Allerdings ist das nur in Verbindung mit der Stärkung der Binnennachfrage zukunftsfähig. Wenn der Exportüberschuss sich so weiterentwickelt, dann ist er ohne Binnennachfrage auch nicht ganz ungefährlich für Europa. Wir brauchen also neue Ideen, um den Haushalt zukunftsfest zu machen. Johannes Kahrs und Carsten Schneider haben einige genannt: die Stärkung von Forschung und Entwicklung sowie die Stärkung von Innovationen. Wirtschaftsminister Gabriel will ein Venture-Capital-Gesetz machen, um Mittel für die Forschungsförderung der privaten Industrie und zur Entwicklung von Innovationen zu generieren, die unseren Haushalt zukunftsfest machen. Wir haben des Weiteren mit dem BEPS eine wichtige Aufgabe, nämlich die internationale Steuergestaltung zurückzudrängen und zu versuchen, die Einnahmeseite zu stärken, zunächst ohne die Steuersätze zu erhöhen, sondern indem wir erst einmal alle motivieren, ihre Steuern fair zu zahlen, statt die Gewinne ins Ausland zu verlagern. Finanzminister Schäuble hat gesagt: Wir brauchen einen automatischen Informationsaustausch. – Das ist seit 20 Jahren unser Wunsch, und wir sind froh, dass es damit jetzt einen großen Schritt vorangeht. Man muss sich klarmachen, welche Leistung das ist: Viele Finanzämter in vielen anderen Ländern haben vielleicht gar keine große Neigung, vollständig transparent zu machen, was bei ihnen passiert, und die Informationen nach Deutschland zu liefern. Umgekehrt ist es ähnlich: Wir haben diese Neigung auch nicht ohne Weiteres. Das macht deutlich, was zwischen den Ländern passieren muss, damit fair Steuern gezahlt werden. Wir wissen: Selbst wenn wir das machen, gibt es internationale Konzerne, die sich auf dem Rücken einzelner Länder, die eine unfaire Steuerpolitik machen, ausruhen. Dagegen müssen wir, denke ich, international vorgehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Denn das ist letztendlich ein Race to the Bottom. Das heißt, Land A senkt die Steuern so weit, bis auch Land B die Steuern entsprechend gesenkt hat, und das geht letztlich so weiter, bis sich die Unternehmen in einem Drittland ansiedeln. Zum guten Schluss hat keiner mehr -Steuern und Industrieansiedlungen. Das können wir natürlich nicht wollen. (Beifall bei der SPD) Es gibt eine Aufgabe – das wurde schon verschiedentlich angesprochen –, die wir im Moment nicht lösen können. Natürlich wird mit diesem Haushalt nicht jede Ungerechtigkeit vermieden. Es gibt eine ungerechte Vermögensverteilung, eine ungerechte Einkommensverteilung sowie eine ungerechte Verteilung von Arbeit und Arbeitseinkommen. Deshalb bleibt es eine Aufgabe für die Zukunft, Gerechtigkeit herzustellen. Diese werden wir angehen, auch in den nächsten Legislaturperioden. Wir wissen, dass wir das private Kapital noch auf ganz andere Weise aktivieren müssen. Die Bodewig-Kommission hat festgestellt, dass wir pro Jahr mindestens 7 Milliarden Euro mehr an Investitionsmitteln brauchen. -Tatsächlich haben wir im Koalitionsvertrag nur 5 Milliarden Euro für vier Jahre verabredet. Daran sieht man: Wir üben auch Selbstkritik. Ohne Selbstkritik könnten wir die Leistungen im Rahmen dieses Haushalts gar nicht erbringen. Insofern passen Eigenlob und Selbstkritik sehr gut zusammen. Erst in diesem Spannungsverhältnis können wir eine gute Zukunft schaffen. Da hilft weder Schönreden noch Schlechtreden. Ein halbwegs objektiver Blick auf die Aufgaben hilft uns, sorgt dafür, dass wir gute Politik machen, und sichert unsere Zukunft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Norbert Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Norbert Brackmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Binding hat eben darauf hingewiesen, dass es bereits drei Finanzminister gab, die eine Nullverschuldung unmittelbar vor Augen hatten. Ich möchte ergänzen – so viel Reverenz an die Adresse der CSU muss sein –: Es gab noch Theo Waigel. Vier Finanzminister standen also unmittelbar davor, eine schwarze Null zu schreiben. Das ist nicht immer ganz einfach. Schon Bert Brecht hat gesagt: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch nen zweiten Plan. Geh‘n tun sie beide nicht.“ Damit unser Plan in Erfüllung geht und Bert Brecht nicht recht behält, ist nicht der Plan das Ziel. Vielmehr muss das Ergebnis stimmen. Wir gehen jedenfalls voller Überzeugung in die anstehenden Haushaltsberatungen, dass wir die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass wir im nächsten Jahr erstmalig keine Neuverschuldung haben werden. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt Grund zur Freude, aber keinen Grund zur Euphorie. Wir haben allein als Bund 1,1 Billionen Euro Schulden. Die daraus resultierende Zinslast ist riesig. Wir freuen uns darüber, dass die Zinslast zurzeit etwas geringer ist als in den letzten Jahren. Noch 2008 haben wir 40 Milliarden Euro dafür aufgewendet. Im nächsten Jahr sollen es nur noch 28 Milliarden Euro sein. Den größten Teil der Schuldenlast trägt allerdings der Bund. Vergleicht man die Staatsverschuldung in den letzten Jahren, dann stellt man fest, dass sich die Staatsverschuldung von Bund und Ländern von 2012 auf 2013 um 30 Milliarden Euro verringert hat. Zwei Drittel der Entschuldung entfallen allerdings auf die Länder. Dennoch darf man nicht vergessen: Der Bund macht in dieser Legislaturperiode – genauso wie schon in der letzten – zahlreiche finanzielle Zugeständnisse und erbringt Kompensationsleistungen, von denen die Länder und die Kommunen profitieren. So werden die Länder und Kommunen bei der Grundsicherung im Alter, der Erwerbsminderung sowie den Kosten der Unterkunft und der Heizung, der Exzellenzinitiative, beim Hochschulpakt 2020, beim BAföG und bei der öffentlichen Betreuung von Kindern unter drei Jahren entlastet. Immer mehr Leistungen erbringt der Bund, um Kommunen und Länder zu unterstützen. Das ist auch gut so, weil es den Menschen in Deutschland zugutekommt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es wurde vorhin darauf hingewiesen, dass auch Risiken bestehen, und zwar nicht nur im Ausland, sondern auch innerhalb Deutschlands. Wir werden noch in diesem Herbst über die Neuordnung der Bund-Länder--Finanzbeziehungen sprechen. Das birgt angesichts der Diskussionen nicht unerhebliche Risiken für den Bund. Die Länderfinanzminister sind sich einig, dass sie – möglichst ohne Gegenleistung – vom Bund 35 Milliarden Euro mehr haben wollen, ohne eine Antwort darauf zu geben, woher das Geld kommen soll. Ich möchte das, was der Kollege Norbert Barthle vorhin gesagt hat, noch ergänzen: Die Länder haben bisher überproportional profitiert. So sollen wir als Bund 2014 nach der Steuerschätzung insgesamt 1,5 Prozent Mehreinnahmen, die Länder 3 Prozent Mehreinnahmen haben. Schaut man auf die Entwicklung der Einnahmen von 2013 bis 2018, dann stellt man fest, dass nach der Prognose der Zuwachs für den Bund 43 Milliarden Euro beträgt, der für die Länder hingegen 53 Milliarden Euro. Wenn man sich diese Rechnung vor Augen führt, dann müssten eigentlich die nächsten Gespräche über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen genau umgekehrt laufen. Wir als Bund müssten sagen, was wir von den Ländern zum Ausgleich für diese unterschiedliche Entwicklung haben wollen. Das wäre natürlich unrealistisch. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Es gibt -Länder, die ignorieren die Fakten!) Wir dürfen dem Geld nicht hinterherlaufen, sondern müssen ihm entgegengehen. Der Kollege Brinkhaus hat das Haushalt 4.0 genannt. Wir brauchen eine effizientere Politik. Wir dürfen nicht übereinander reden und von dem jeweils anderen ohne Gegenleistung etwas fordern, sondern müssen uns darauf besinnen, was wir in Deutschland in unserer Verwaltung machen können und wie wir Einnahmen generieren, über deren Verteilung wir uns hinterher unterhalten können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben das einmal in der letzten Föderalismuskommission mit den Ländern hinbekommen, indem wir die Einnahmen aus der Kfz-Steuer von den Ländern auf den Bund übertragen haben. Wir stellen heute fest, dass wir, nachdem wir am 1. Juli die Kfz-Steuer komplett übernommen haben, nur noch die Hälfte der Beschäftigten haben, die die Länder hatten. In diesen waren ursprünglich einmal 3 300 Beamte damit beschäftigt, wir sind jetzt bei 1 771. Die EDV-Kosten sind gesunken, und der Bürger hat überhaupt keinen Nachteil dadurch. Diese Effizienzrendite gibt es auch an anderer Stelle, und darüber werden wir diskutieren müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Schauen wir uns zum Beispiel die Umsatzsteuer an. Wir haben 16 Steuerverwaltungen der Länder plus eine Steuerverwaltung des Bundes. Wenn wir uns die europäischen Berichte anschauen und uns die Umsatzsteuerbetrügereien vergegenwärtigen, dann stellen wir fest, dass der Betrug häufig nach demselben Strickmuster geschieht. Firmen ziehen die Vorsteuer in dem einen Land ein, gehen dann in ein zweites Land und anschließend in ein drittes. Nach Tschechien gehen sie übrigens nicht; denn in Tschechien gibt es einen automatischen Datenabgleich, wodurch man einen Betrug sehr schnell feststellen würde. In Deutschland ist das aber schlichtweg nicht möglich, weil wir uns mit den Ländern nicht darüber einigen können, einen automatischen Datenabgleich durchzuführen. 16 unterschiedliche EDV-Systeme zu harmonisieren, bedeutet einen mehrjährigen Aufwand, und das Ergebnis ist nicht einmal sichergestellt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das BMF hat bereits vor einigen Jahren ermitteln lassen, welche Rendite zu erzielen wäre, wenn wir unsere Steuerverwaltung auf eine neue gemeinsame Grundlage stellen würden. Über 11 Milliarden Euro Effizienzrendite könnten wir jährlich erzielen. Das muss unser Ziel auch für diesen Haushalt sein. Wir müssen die Initiative ergreifen und Mehreinnahmen schaffen, Bürgerfreundlichkeit erhalten und das Geld von denjenigen nehmen, die es dem Staat vorenthalten wollen. Dann, glaube ich, haben Bund und Länder gemeinsam etwas davon, und die schwarze Null bleibt Realität und nicht nur Plan. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Bartholomäus Kalb das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn man so lange dem Deutschen Bundestag angehören darf wie ich und in der Haushaltspolitik mitwirken darf, dann darf man sagen: Heute ist für einen Haushälter wirklich ein Tag der Freude und der Genugtuung. Der Bundesfinanzminister hat vorhin einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 vorgestellt, in dem zum ersten Mal in der Zeit, in der ich dabei sein darf, absolut keine Neuverschuldung mehr vorgesehen ist. Ich denke, das darf auch gewürdigt werden. (Beifall des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]) Wolfgang Schäuble ist der dritte Finanzminister, dem es tatsächlich gelingt, einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen. Ich darf daran erinnern: Es war vor 45 Jahren der Bayer Franz Josef Strauß und es war in den 1950er-Jahren der Passauer Abgeordnete Fritz Schäffer – auch ein Bayer; er war damals Bundesfinanzminister –, die ebenfalls einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen konnten. Nach Schäffer und Strauß kamen viele andere Finanzminister. Nun ist Wolfgang Schäuble kein Bayer, aber zumindest ein Südstaatler; das sollte uns freuen. Ich darf sagen – ich kann hier natürlich nicht mit der schwäbischen Hausfrau dienen –: Auch ein umsichtig agierender badischer Hausvater ist gut für dieses Land, das seit nunmehr 65 Jahren besteht. Herzlichen Glückwunsch! (Beifall bei der CDU/CSU) Die Menschen draußen meinen, es sei ganz einfach, das alles zustande zu bringen. Sie hören, dass das Statistische Bundesamt sprudelnde Steuereinnahmen vermeldet, weswegen sie glauben, es könne nicht so schwer sein, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Im Gegenteil: Diesem Haushaltsentwurf ging unglaublich harte Arbeit voraus; das war eine ganz gewaltige Herausforderung. Wir hatten zwar mehr Steuereinnahmen, aber gleichzeitig mussten wir enorm gestiegene Aufgaben bewältigen. Ich erinnere an das – von meinen Vorrednern sind schon viele Beispiele genannt worden –, was wir in den Bereichen Bildung und Forschung, Erziehung und Kinderbetreuung, Sicherstellung der Sicherheit nach innen und nach außen, soziale Absicherung und kommunale Entlastung zusätzlich leisten. Dass die Steuereinnahmen gestiegen sind und die Sozialkassen heute so gut dastehen, ist keine Selbst-verständlichkeit, sondern auch Ergebnis einer wirtschaftlichen Entwicklung, zu der wir ganz maßgeblich beigetragen haben, indem wir die Weichen dafür gestellt haben. Wir haben heute mit über 42 Millionen Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland Gott sei Dank die höchste Zahl aller Zeiten. Wir haben heute Gott sei Dank die höchste Zahl an versicherungspflichtig Beschäftigten. Das ist natürlich Ergebnis einer klugen Politik, gepaart mit dem Fleiß und der Kreativität der Menschen sowie dem Ideenreichtum unserer Unternehmer. Daraus ergibt sich auch die Robustheit unserer Wirtschaft und unseres Arbeitsmarktes. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschland hat bewiesen, dass Konsolidierung, Sparen, Schuldenbegrenzung und strukturelle Reformen richtig sind. Nur dadurch ist es uns gelungen, vom einst als „kranker Mann Europas“ apostrophierten Land zum Spitzenreiter, zum Stabilitätsanker und zum Wirtschaftsmotor in -Europa zu werden. Heute sind wir zum Glück in der Lage – der Bundesfinanzminister hat es in seiner Rede angesprochen; es wäre wünschenswert, es würde noch mehr geschehen –, auch jungen Menschen aus anderen europäischen Ländern bei uns eine Chance zu bieten. Wir alle wissen, dass man unsere Auffassungen in Paris und in Rom nicht immer ganz teilt. Aber gerade die Länder, die es schwer hatten, die Reformländer – ich denke an die baltischen Staaten, an Irland, an Spanien, an Portugal, aber auch an Griechenland und Zypern –, haben enorme Anstrengungen unternommen und einen vernünftigen Kurs der Konsolidierung eingeschlagen. Man kann nur sagen: Respekt für das, was hier geleistet worden ist! In Richtung Finanzmärkte sei gesagt: Unsere Maßnahmen haben sich als richtig erwiesen. Zu Beginn der Finanzkrise ist der Versuch unternommen worden, auszutesten, wie stabil der Euro sein werde. Heute traut sich niemand mehr, einen solchen Test noch einmal durchzuführen, weil alle wissen, dass man damit gegen eine Wand laufen würde, dass ein solcher Versuch schiefgehen würde. Auch hier haben sich die Maßnahmen, die wir gemeinsam mit der EZB zur Stabilisierung des Euro ergriffen haben, als absolut richtig und erfolgversprechend erwiesen. Vielleicht sollte man in einer Debatte wie dieser auch sagen: Viele Maßnahmen, die wir hier nach intensivsten Beratungen und Diskussionen beschlossen haben, sind seinerzeit von der Bevölkerung nicht nur als gut angesehen worden. Heute stellen wir aber fest: Diese Maßnahmen haben sich als absolut richtig erwiesen. Ich nenne ein zweites Beispiel. Es ist schon gesagt worden: Es gab Finanzminister und Situationen, bei denen wir schon nahe an der schwarzen Null, am ausgeglichenen Haushalt waren. – Theo Waigel hätte 1989 für das Haushaltsjahr 1990 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Dann kam aber die Wiedervereinigung; ich sage nicht „leider“, sondern „Gott sei Dank“. Es war ein Glück, es war ein Segen, dass die Teilung unseres Vaterlandes und unseres Kontinents mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl friedlich überwunden werden konnte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich nenne ein weiteres Beispiel. Nicht alle Maßnahmen, die wir ergriffen haben, als uns 2008/09 die Wirtschafts- und Finanzkrise größte Sorgen bereitet hat, wurden seinerzeit von der Bevölkerung als absolut richtig angesehen. Aber das Ergebnis hat unsere Politik bestätigt. Sie hat sich als richtig erwiesen. Vielleicht sollte man das auch öffentlich sagen. Wir mussten den Bankensektor stabilisieren, haben daran noch zu arbeiten. Aber wenn sich herausstellt, wenn es eine Tatsache ist, dass alle Garantien, die wir für diesen Bereich ausgegeben haben, nicht in Anspruch genommen worden sind, dass das ohne einen einzigen Eurocent an Verlust geblieben ist, dann zeigt das, dass die Maßnahmen richtig waren, dass sie zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beigetragen haben und dass sie zum Erhalt der Arbeitsplätze und zum Aufbau neuer Arbeitsplätze beigetragen haben. Ich denke, das ist dann auch ein Beweis dafür, dass politisch gut und richtig gehandelt worden ist. Heute können wir uns darüber freuen, dass Deutschland gut dasteht, dass die Wirtschaft stabil ist, dass der Arbeitsmarkt robust ist. Wir können nur hoffen, dass die Ereignisse von der Ukraine bis zum „arabischen Krisenbogen“, wie es Michael Stürmer formuliert hat, nicht dazu führen, dass es einen Wirtschaftseinbruch, einen konjunkturellen Einbruch in Europa oder gar eine Weltwirtschaftskrise gibt. Damit hoffe ich auch, dass es nicht zu dem kommt, was Bundesfinanzminister Schäuble in einem Interview gegenüber der Neuen Passauer Presse zum Ausdruck gebracht hat: Denn wenn die Welt einstürzen würde, dann sähe alles ganz anders aus. Wir hoffen, dass wir eine gute Zukunft haben, dass die Krisen bewältigt werden, auch und gerade durch die Anstrengungen der Bundesregierung insgesamt und der Frau Bundeskanzlerin im Besonderen. Dann haben die Menschen im Lande, dann haben die Menschen in Europa eine gute Zukunft. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Antje Tillmann hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD]) Antje Tillmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuhörer! „Kommunen erzielten im Jahr 2013 einen Überschuss von 1,1 Milliarden Euro“, so titelte das Statistische Bundesamt am 21. März dieses Jahres. Im ersten Halbjahr 2014 waren es sogar bereits über 5,3 Milliarden Euro. Die kommunalen Spitzenverbände rechnen für die Jahre 2014 bis 2016 damit, dass die Städte und Gemeinden jährlich jeweils über 4 Milliarden Euro mehr einnehmen, als sie ausgeben. Dieser Erfolg ist natürlich ganz zuvorderst Lohn derjenigen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die die Haushalte auch auf lokaler Ebene in den Griff zu bekommen versuchen. Großer Dank dafür! Natürlich macht es mehr Spaß, an die Wählerinnen und Wähler Geschenke zu verteilen, als zu sparen. Wenn man das auch noch ehrenamtlich tun muss, dann ist das einer hohen Anerkennung wert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Aber der Dank gilt natürlich auch Ihnen als Bürgerinnen und Bürger; denn seit einiger Zeit achten Sie bei Wahlen sehr wohl darauf, dass Sie sich Vertreter in die Parlamente wählen, die Ihnen nicht nach dem Motto „Was kostet die Welt?“ Versprechungen machen. Sie achten in Ihrer Verantwortung als Bürger dieses Landes darauf, dass wir als Politiker mit dem Geld, das Sie uns zur Verfügung gestellt haben, ordnungsgemäß umgehen. Herzlichen Dank, dass Sie uns da den Rücken stärken! (Beifall bei der CDU/CSU) Aber der Erfolg der Kommunen ist auch ganz entscheidend davon geprägt, was wir in den letzten Jahren zugunsten der Kommunen entschieden haben. Bei der Grundsicherung im Alter beträgt die jährliche Entlastung 5 Milliarden Euro. Die Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung sind auf 1 Milliarde Euro aufgestockt worden. Die Beteiligung an den Betriebskosten für die Kinderbetreuung wird 2017 weiter erhöht. Im Vorgriff auf das Bundesteilhabegesetz entlastet der Bund die Kommunen noch einmal um jährlich 1 Milliarde Euro. Ich kenne durchaus das Problem der Durchschnitte. Was nützt es einer schlecht aufgestellten Kommune, wenn die Kommune neben ihr Überschüsse macht? Wir müssen an dieser Stelle aber immer wieder daran erinnern, dass der Ausgleich zwischen den Kommunen zuvorderst Länderaufgabe ist. Es ist Aufgabe der Länder, über die kommunalen Finanzausgleiche sicherzustellen, dass Gelder, die wir ihnen geben, tatsächlich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Die Länder konnten sich in den vergangenen Jahren nicht beklagen; denn auch sie haben die Neuverschuldung von null bisher nur knapp verpasst. Im Jahr 2013 betrug sie noch insgesamt 1,9 Milliarden Euro. Im ersten Quartal 2014 beträgt sie knapp über null. Das liegt nicht nur ganz wesentlich an den Kollegen in den Landtagen, die versuchen, die Haushalte zu konsolidieren, sondern auch an den Mitteln, die der Bund weitergereicht hat: 5 Milliarden Euro für Bildung, Komplettübernahme des BAföG; Entflechtungsmittel von über 2,6 Milliarden Euro fließen bis 2019 an die Länder. Wir danken den Finanzministern, die ihre Versprechen einhalten, diese Gelder an die Kommunen weiterzureichen oder für Bildung vor Ort auszugeben. Leider tun das nicht alle Finanzminister. Ich bin aber froh, dass mein Finanzminister in Thüringen versprochen hat, die BAföG-Ersparnis sofort für Bildung und Forschung in den Hochschulen Thüringens auszugeben. (Beifall bei der CDU/CSU) Nun zum Bund. Der Bund nimmt dank des Finanzministers, aber auch dank der Haushälterinnen und Haushälter im nächsten Jahr keine neuen Schulden auf. Das einmal zu schaffen, ist super; Herr Brinkhaus hat darauf hingewiesen. All denen, die meinen, wir freuten uns heute zu viel, kann ich nur den Hinweis geben: Wir wissen, dass es ein noch viel schwierigerer Weg ist, diese Null zu halten. Selbstverständlich kennen wir die Krisen und die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Im Rahmen der Föderalismuskommission werden wir über eine Neuaufteilung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sprechen. Liebe Frau Hajduk, Sie mahnten gerade Solidarität mit den Schwächeren an. Ich sage selbstbewusst aus Thüringer Sicht: Gott sei Dank sind wir nicht mehr die arme Region der Republik. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das offengelassen!) – Das ist auch keine Kritik. Ich sage nur: Die Schwächeren sind nicht nur im ehemaligen Osten. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Viele neue Bundesländer können selbstbewusst sagen: Wir haben viel geschafft. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Helft den Kommunen in NRW!) Ich danke Herrn Finanzminister Schäuble, der in den vergangenen Tagen in mehreren Interviews deutlich gesagt hat: Auch wenn der Solidarpakt ausläuft, wird es Solidarität mit den Schwächeren geben. – Ich meine: Die Regionen können sehr wohl im Westen und im Osten liegen; denn die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Ländern haben schon Erhebliches erreicht. In vielen Bereichen sind wir sogar besser als manch westdeutsches Land. Darauf sind wir stolz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Haushalte kann man sanieren, indem man spart oder indem man in den Bereichen, in denen es zu höheren Steuereinnahmen kommen kann, diese auch generiert. Wir haben über Wirtschaftswachstum gesprochen. Die Senkung von Arbeitslosigkeit führt zu weniger Kosten und mehr Steuereinnahmen, ohne dass es irgendjemandem wehtut, ganz im Gegenteil. Wir konzentrieren uns im Finanzausschuss sehr wohl auch auf das Thema „gerechte Steuereinnahmen“. Das Stichwort BEPS wurde schon genannt. Wir wollen Steuerschlupflöcher stopfen. Wir wollen, dass sich jeder nach seiner Leistungsfähigkeit an den Einnahmen des Staates beteiligt. Wir wollen Dokumentationspflichten nur da einführen, wo sie tatsächlich zur gerechten Besteuerung erforderlich sind. Wir wollen aber auch bei der Steuervereinfachung weitermachen; ich weiß, dass viele dieses Wort nicht mehr hören können. Wir planen, die Bürger und Bürgerinnen von Aufzeichnungspflichten und der Einreichung von Belegen zu entlasten. Künftig soll der Bürger seine Steuererklärung abgeben und Belege nur noch dann kopieren müssen, wenn in seinem Fall etwas anders ist als im Normalfall. Auch da können wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern erhebliche Arbeit ersparen. Das gehen wir an. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) – Danke, Herr Binding. Auch beim Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ gehen wir weiter voran. Wir werden die Leistungen des Arbeitgebers zur besseren Vereinbarkeit bei Pflegebedürftigkeit und bei der Betreuung von Kindern steuerfrei stellen. Wir werden die private Altersvorsorge noch mehr fördern, als wir es bisher schon getan haben. Wir werden sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger nur die Steuern zahlen, die gesetzlich vorgesehen sind. Auch da sind wir auf einem guten Weg. Im Herbst werden dazu viele Gesetze verabschiedet. Ich komme zur dritten Säule. Um die staatlichen -Finanzen in Ordnung bringen zu können, ist sicherzustellen, dass Steuergelder nicht dorthin fließen, wo sie nicht hingehören. In diesem Zusammenhang möchte ich das Stichwort „Bankenunion“ nennen. Wir haben in der Vergangenheit mit Steuergeldern Banken retten müssen. Das hat uns alle verärgert. Wir gehen im nächsten Monat unser Vorhaben an, eine europäische Bankenunion zu installieren. Wichtigstes Anliegen in Bezug auf diese Bankenunion ist es, dass wir keinen Euro der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mehr in Bankenrettungen stecken müssen. Herr Kollege Bartsch, wie Sie auf die Idee kommen, wir hätten bisher nicht reguliert, ist mir nicht klar. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Es wurde überreguliert bei den Banken und bei der Sparkasse! Oder beim Investmentbanking!) Ihr Kollege Troost aus dem Finanzausschuss kann Ihnen von 30 zum Teil erheblichen Regulierungen erzählen. Wir haben zum Beispiel die Vorstände in Haftung genommen und die Boni reduziert. Wir werden nun mit der europäischen Bankenunion dafür sorgen, dass diejenigen, die Risiken eingehen, auch dafür zahlen müssen. Dies wird nicht zuletzt der Bankenfonds sicherstellen. Wir tun dies letztendlich für die normalen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Denn jeder Euro, den wir nicht für Bankenrettungen ausgeben müssen – dort gehört das Geld im Übrigen auch nicht hin –, steht uns zur Verbesserung der Finanzsituation und für Investitionen zur Verfügung. Künftige Generationen werden es uns danken. Lassen Sie uns heute den Weg zu einem geordneten -Finanzsystem in Deutschland gehen. Ich lade Sie dazu recht herzlich ein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Weitere Wortmeldungen zur Allgemeinen Finanzdebatte liegen nicht vor. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, Einzelplan 06. Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung bringt heute den Haushalt 2015 ein. Erst vor wenigen Wochen haben wir den Haushalt für das Jahr 2014 beschlossen. Wir haben über viele innenpolitische Themen diskutiert, zum Beispiel über die IT. Mittlerweile ist die Digitale Agenda beschlossen. Mittlerweile habe ich den Entwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes vorgelegt. Viele andere Themen sind wichtig und beschäftigen uns. Ich nenne sie stichwortartig: der NSU und dessen weitere Aufarbeitung, die NSA und die Spionageabwehr in Verbindung mit den wichtigen Beziehungen zwischen uns und den Vereinigten Staaten von Amerika, die digitale Verwaltung und die Investitionen in Netze des -Bundes, der Datenschutz, insbesondere die EUDatenschutzverordnung, die Tarifeinheit, die Frage, ob wir Olympische Spiele in Deutschland wollen (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] – Dr. Eva Högl [SPD]: Wollen wir!) und welche Rolle wir dabei einnehmen, die Sportförderung und vieles andere mehr. All das haben wir diskutiert und werden es auch weiterhin diskutieren. Ich möchte mich heute in meiner Rede auf zwei Themen konzentrieren, die uns in diesen Tagen besonders beschäftigen und in den nächsten Jahren weiterhin besonders beschäftigen werden. Das ist einmal das Thema Sicherheit und einmal das Thema Asyl und Migration. Zunächst zum Thema Sicherheit. Deutschland ist eines der sichersten Länder in der Welt. Die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten liegt seit Jahren unter 6 Millionen. Wir haben sogar eine geringfügige Senkung beobachten können. Dennoch haben heute mehr Menschen als früher das Gefühl, dass die Zahl der Straftaten in Deutschland zunimmt. Das liegt möglicherweise darin begründet, dass die Zahl der unmittelbar persönlich wahrnehmbaren Straftaten gestiegen ist. So belegen die aktuellen Zahlen, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche im letzten Jahr um 3,7 Prozent gestiegen ist. Dies geschieht nicht zum ersten Mal. Wir sind zwar noch nicht so weit wie Anfang der 90er-Jahre, aber seit zwei oder drei Jahren steigt die Zahl der Einbruchdiebstähle. Im Bereich des Kfz-Diebstahls haben wir zwar nur einen geringfügigen Anstieg um 0,5 Prozent. Regional ist das aber sehr unterschiedlich. In bestimmten Ballungszentren und bestimmten Grenzregionen im Osten und Norden haben wir es mit besorgniserregenden Fallzahlen zu tun. Darauf müssen wir reagieren, und darauf haben Bund und Länder reagiert. Bund und Länder haben auf der letzten Innenministerkonferenz den Einbrechern in diesem Land gemeinsam den Kampf angesagt. Wir müssen regional ermitteln. Die Länder müssen gut zusammenarbeiten. Die Länder müssen gut mit dem Bund -zusammenarbeiten. Wir müssen international besser zusammenarbeiten; denn wir haben es mit international organisierter Bandenkriminalität zu tun. Wir haben auch ein Maßnahmenpaket gegen die grenzüberschreitende Kfz-Kriminalität erarbeitet. Wir haben den deutsch-polnischen Polizeivertrag zu Ende verhandelt. Wir sind in Schlussverhandlungen mit der Tschechischen Republik über einen entsprechenden Vertrag. Mit meinen französischen und niederländischen Kollegen arbeite ich bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität mit Hochdruck zusammen. In vielen dieser Fälle – ich sagte es – stellen wir verstärkt Bezüge zur Organisierten Kriminalität, zur Bandenkriminalität fest. Wir nennen es Vorfeld-OK – der Begriff der Organisierten Kriminalität ist in der Kriminalistik eng definiert –; faktisch ist es Organisierte Kriminalität. Rund 78 Prozent der 2013 in Deutschland -geführten Ermittlungsverfahren im OK-Bereich hatten internationale Bezüge – in 128 Staaten. Die Zentralen dieser international agierenden Banden liegen in Italien, in den Balkanstaaten, in Georgien, in Russland; und immer sind deutsche Staatsbürger dabei. Auf diese Entwicklungen müssen unsere Ermittlungsbehörden antworten. Um Schritt zu halten, entwickeln Polizei und Staatsanwaltschaften neue Bekämpfungsstrategien. Das BKA, Europol und Interpol arbeiten -international mit Partnern zusammen. Wir werden demnächst, noch im November, einen Deutschen, nämlich den Vizepräsidenten des BKA, als Präsidenten von Interpol haben – ein schöner Erfolg für Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir arbeiten, wo es eben geht – um es mal so zu formulieren –, mit den Regierungen vor Ort zusammen. Es ist jedoch auch die Aufgabe des Gesetzgebers, dafür Sorge zu tragen, dass unseren Ermittlern im Kampf gegen das international organisierte Verbrechen die nötigen Instrumente zur Verfügung stehen. Dafür haben wir uns in der Koalition auf Ziele geeinigt: Wir haben vereinbart, die Geldwäschebekämpfung zu intensivieren. Wir müssen endlich den Rahmenbeschluss der Europäischen Union zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in deutsches Recht umsetzen. Wir werden die Abschöpfung von Vermögen aus Straftaten vereinfachen. Denn es trifft die OK und vor allem die Führer der OK am allermeisten, wenn das, worum es geht, nämlich das Geld aus Verbrechen, eingezogen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bei all diesen Vorhaben haben wir keine Zeit zu verlieren. Mein Kollege Maas und ich arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, diese Vorhaben zügig umzusetzen. Meine Damen und Herren, eine größer werdende Bedrohung für die öffentliche Sicherheit in Deutschland stellt weiterhin der islamistische Extremismus dar. Ich bin von Herzen froh, dass sich die ganz überwiegende, große Mehrheit der Moslems gerade in den letzten Tagen über ihre Verbände öffentlich davon distanziert hat. (Beifall im ganzen Hause) Das ist ein großer Beitrag zur Stärkung des inneren Zusammenhalts und isoliert diejenigen, die sich für ihre politischen Zwecke fälschlicherweise auf den Islam berufen. Wir haben in den vergangenen Jahren im Bereich des Salafismus eine steigende Anhängerzahl festgestellt; wir schätzen die Zahl auf rund 6 000. Derzeit bereiten uns vor allem die Reisebewegungen radikalisierter deutscher Islamisten oder von Islamisten anderer Staatsangehörigkeit aus Deutschland große Sorge. Seit 2012 wissen wir von mehr als 400 Ausreisen aus Deutschland in syrische Kampfgebiete und vermehrt auch in den Irak. Es gibt Hinweise, dass dabei mehr als 40 Personen ums Leben gekommen sind, einige davon als Selbstmordattentäter im Irak. Über 100 Islamisten sind bisher zurückgekehrt, viele frustriert, aber andere mit Kampferfahrungen; sie haben gelernt, zu hassen und zu töten, sie sind vernetzt, sie sind ausgebildet und möglicherweise bereit zum Wissenstransfer zu anderen. In manchen Szenen gelten sie als Helden. Wir wollen verhindern, dass diese radikalisierten Kämpfer ihren Dschihad in unsere deutschen Städte tragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich will es noch einmal ernster sagen: Wenn wir nicht wollen, dass deutsche Soldaten an der Seite von Kurden gegen IS bzw. ISIS kämpfen, dann müssen wir wenigstens dafür sorgen, dass nicht Männer und Frauen aus Deutschland an der Seite von IS gegen Kurden, gegen Jesiden und gegen Christen kämpfen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir setzen dabei auf die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden; sie arbeiten gut. Am vergangenen Wochenende sind vier Rückkehrer – es handelt sich in diesem Fall um Personen aus dem Bereich der al-Schabab – auch dank der Zusammenarbeit mit dem kenianischen Dienst auf ihrem Weg nach Deutschland verhaftet worden. Drei von ihnen sitzen in Haft. Wir denken darüber hinaus intensiv darüber nach und prüfen, welche neuen Maßnahmen wir in Deutschland kurzfristig ergreifen können, um gegen die Aktivitäten des IS in Deutschland vorzugehen. Sehr schnell werden dazu Entscheidungen fallen. Ich möchte noch etwas zum Thema Asyl sagen. Ich denke, das erwarten Sie von mir, und das ist angesichts der Lage auch angemessen. Deutschland ist ein Einwanderungsland geworden, und die meisten Menschen in unserem Land stehen der Zuwanderung inzwischen positiv gegenüber. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber den 70er- und 80er-Jahren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Angesichts der Tatsache, dass wir wegen des demografischen Wandels künftig dringend auf mehr Zuwanderung angewiesen sein werden, ist das eine gute Nachricht. Es gibt kein einziges Handwerkerforum, in dem ich nicht auf das Thema Zuwanderung und Fachkräftemangel angesprochen werde. Das ist auch angesichts der Tatsache, dass gerade jetzt die Zahl der Menschen, die als Asylbewerber Schutz in unserem Lande suchen, massiv ansteigt, eine gute Nachricht. Der UN-Flüchtlingskommissar Guterres, der eine klare Aussprache normalerweise nicht scheut, hat in den letzten Tagen gesagt: Deutschland spielt eine führende Rolle beim Flüchtlingsschutz und dient als positives Beispiel … Im Jahr 2013 wurden in der Europäischen Union 435 000 Asylanträge registriert. Allein auf Deutschland entfielen davon 30 Prozent. Für das laufende Jahr zeichnet sich ein Anstieg ab. Ich rechne für dieses Jahr mit 200 000 oder vielleicht sogar etwas mehr Asylanträgen in Deutschland. Angesichts der Lage in den Ländern und Kommunen, die an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gelangen, müssen wir nach Lösungen suchen. 2014 haben wir das entsprechende Bundesamt mit zusätzlichen Stellen und Sachmitteln für die schnellere Bearbeitung der Verfahren gestärkt. Für 2015 sprechen wir noch über die entsprechenden Haushaltsauswirkungen. Da mit einer kurzfristigen Umkehr dieses Trends angesichts der geopolitischen Lage leider nicht gerechnet werden kann, müssen wir alles dafür tun, die tatsächliche Aufnahmebereitschaft in Europa für die wirklich schutzbedürftigen Flüchtlinge, für die schutzbedürftigen Asylanten längerfristig zu erhalten. Ein dringend notwendiger Schritt – damit spreche ich die Grünen noch einmal an – ist deshalb der Gesetzentwurf zu den sicheren Herkunftsstaaten, mit dem wir die faktische Armutsmigration, zum Teil aus Ländern, die einen EU-Beitrittskandidatenstatus haben, reduzieren wollen. Ich werbe an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich um die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf im Bundesrat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir brauchen aber auch dringend eine gemeinsame europäische Antwort auf die steigenden Flüchtlingszahlen und die verheerende Situation im Mittelmeerraum. Deshalb haben mein französischer Freund und Kollege Bernard Cazeneuve und ich eine Initiative gestartet, die wir heute in Form eines Briefes an die EU-Kommission senden – gemeinsam mit unseren polnischen und spanischen Kollegen sowie mit unserer britischen Kollegin. Wir wollen eine gemeinsame europäische Antwort auf diese Herausforderung. Diese Initiative umfasst sieben Punkte: Erstens. Wir wollen mit Blick auf die Zuwanderung in die Europäische Union eine bessere Kontrolle der externen Grenzen der Europäischen Union. „Mare Nostrum“ war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke nach Europa herausgestellt. Das kann nicht auf Dauer so sein. Deswegen soll „Mare Nostrum“ im Herbst durch ein anderes Mandat abgelöst werden, durch eine Operation, die etwas weiter gefasst ist als laufende Frontex-Operationen. Zweitens. Wir müssen darauf bestehen, dass alle Länder, egal ob sie im Norden, in der Mitte oder im Süden Europas liegen, sich an die Regeln halten, die sie selber unterschrieben haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das heißt, alle Flüchtlinge, alle Asylbewerber, die ankommen, müssen registriert werden. Es müssen ihre Fingerabdrücke genommen werden, und sie müssen in den Ländern, in denen sie ankommen, menschenwürdig und anständig aufgenommen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Tatsache, dass wir das als Punkt einer Initiative hervorheben, zeigt, dass wir dort Mängel haben. Drittens. Wir sind auch in der Europäischen Union bereit zu einer koordinierten gemeinsamen Politik der Rückführung in Länder, in die sie unter humanitären Gesichtspunkten möglich ist. Viertens. Wir wollen überlegen, ob wir für die Länder, bei denen das Bestehen eines Rechtes auf Asyl ziemlich klar ist, zu einem schnelleren Asylverfahren – auch in Europa – kommen, damit schneller klar ist, wer bleiben darf. Fünftens. Das ist ein wichtiger und neuer Punkt. Wir sind sogar bereit, darüber zu sprechen, ob wir auf freiwilliger Basis zeitlich befristet die Länder entlasten, die überproportional viele Flüchtlinge aufnehmen. Natürlich muss sich jedes Land an seine Verpflichtungen halten. Dies geschieht zwingend unter Anrechnung der Lasten, die die Länder bereits schultern, die besonders viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Faktisch haben wir nämlich in nur 10 von 28 europäischen Ländern eine Aufnahme von Flüchtlingen in nennenswertem Umfang. Eine solche Verteilung – manche fordern sie seit langem – ist nicht einfach zu organisieren. Wir werden viele Debatten darüber führen müssen. Aber wenn bestimmte Länder an der Grenze ihrer Aufnahmekapazität sind, dann müssen wir über eine zeitlich befristete, auf freiwilliger Basis erfolgende Veränderung sprechen, natürlich unter Anerkennung des geltenden Regelwerks. Sechstens. Wir wollen in Europa verstärkt gegen den Menschenhandel kämpfen. Denn alles, was wir hier an Folgen bei den Menschen erleben, hat mit der verbrecherischen Aktivität von Menschenhändlern in Afrika und in Europa, auch unter Beteiligung von Deutschen, zu tun. Gegen diese müssen wir viel entschlossener als bisher vorgehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Siebtens. Wir brauchen einen viel koordinierteren, gemeinsamen, kohärenten – so nennt man das – Ansatz -gegenüber den Transitstaaten und gegenüber den Herkunftsstaaten. Wir alle wissen, wie schwierig es in Libyen ist. In Libyen ist es schwieriger als in Marokko. Wir wissen, dass Eritrea und Somalia komplizierte Strukturen haben. Wir können dies nicht einfach nur tatenlos hinnehmen, sondern wir müssen mit gemeinsamer europäischer Außenpolitik, mit Flüchtlingspolitik, mit Entwicklungspolitik und mit der Innenpolitik ganz anders auf diese Länder zugehen und mit ihnen arbeiten. Ich hoffe, dass mit diesen sieben Punkten etwas in Bewegung kommt, was auch Deutschland hilft. Wir erwarten, dass wir am 9. und 10. Oktober, wenn sich die europäischen Innenminister treffen, ein entsprechendes Maßnahmenpaket beschließen können. Wir brauchen einen klugen Umgang mit Zuwanderern. Dafür brauchen wir einen Kompass. Mein Kompass ist ganz einfach: Ja zur Aufnahme politisch Verfolgter. Ja zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten. Nein zur Fehlleitung von Menschen in wirtschaftlicher Not ins Asylsystem. – Wir stehen in Deutschland vor großen Herausforderungen. Gerade in den Bereichen Sicherheit und Migration ist es unsere gemeinsame Verantwortung, die Weichen gegebenenfalls neu zu stellen. Wir wollen hier die Gemeinsamkeit der Demokraten und nicht eine Belastung des Zusammenhalts unserer Gesellschaft. Wir wollen nicht, dass manche politisch davon Nutzen haben. Eine Grundlage dafür legt auch der Haushalt des Jahres 2015. In diesem Sinne freue ich mich auf die anstehenden Beratungen und viel Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Jan Korte das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Jan Korte (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir uns den Haushaltsberatungen zuwenden, möchte ich für die Fraktion Die Linke zu dem, was in Wuppertal unter dem Stichwort Scharia passiert ist, zwei, drei Sätze verlieren. Ich fand die Reaktion des Innenministers und des Justizministers angemessen und sinnvoll. Wir sind auch bereit, wenn es nötig ist, uns konstruktiv in gegebenenfalls anstehende Gesetzesänderungsverfahren einzubringen. Wichtiger finde ich aber, um das klar zu sagen: Was ist die richtige Antwort darauf, wenn religiöse Fanatiker, egal woher sie kommen, junge Menschen am Feiern hindern wollen? Die Antwort darauf kann nur sein, am nächsten Wochenende mehr zu feiern. Wenn religiöse Fanatiker jungen Menschen das Recht absprechen wollen, ordentliche Rockmusik zu hören, dann ist die Antwort darauf, mehr Rockmusik zu hören, und zwar noch lauter. Das ist die richtige Antwort der Gesellschaft. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für uns als Politiker gilt natürlich, dass wir mehr individuelle Freiheit, mehr Rechte für Migranten, mehr Integration, mehr Teilhabe und vor allem mehr Wertschätzung auch für die vielen Tausend Muslime organisieren müssen, die in unserem Land mit uns zusammenleben. (Beifall bei der LINKEN) Mehr Lob ist heute nicht drin, Herr Minister. Wir kommen nun zum zweiten Punkt. Ich meine, es ist schon bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Rede nicht einen Satz zu Edward Snowden, zur NSA und zum Überwachungsskandal der letzten Monate verloren haben. Es ist wirklich der Hammer, dass Ihnen dazu nichts einfällt. Seit Snowden, seit über einem Jahr, ist unsere Gesellschaft – ich weiß ja nicht, inwieweit das bei Ihnen angekommen ist – eine andere geworden. Das Nichtstun der Bundesregierung liegt natürlich darin begründet, dass Sie im Hinblick auf den Kampf gegen den internationalen Terrorismus im Kern dasselbe Denken haben – dass nämlich der Zweck die Mittel heiligt – und dass Sie natürlich ganz, ganz dicke darin verstrickt sind. Das haben wir hier schon oft dargelegt. Das hatte aber leider keine nachhaltige Wirkung. Deswegen will ich heute einen anderen Gedanken vortragen; vielleicht bewegt er etwas im Hinblick auf Ihre Innenpolitik. Es geht um die Frage: Was bedeutet das, was wir von dieser Dimension seit mittlerweile über einem Jahr wissen, eigentlich für die Gesellschaft? Massenhafte anlasslose Überwachung ist ein schleichendes Gift für jede Demokratie. Der Soziologe Wolfgang Sofsky hat in einem treffenden Buch zur Verteidigung der Privatsphäre geschrieben: Wer jederzeit damit rechnen muß, ins Visier zu geraten, der paßt sich freiwillig an. Das ist bei all dem, was wir in den letzten Monaten gehört haben, die große Gefahr; denn das können wir nicht wollen. Wir wollen keine Anpassung. Wir wollen Widerspruch. Wir wollen Ungehorsam, Engagement und aufrechten Gang. In Ihrer Rede, die Sie eben vorgetragen haben, hätten Sie dazu etwas sagen müssen. Dass Sie das nicht getan haben, ist wirklich nicht zu fassen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und: Die freie Gesellschaft ist auf einen geschützten privaten Raum angewiesen, in dem wir unsere privaten, intimen, politischen Dinge bereden können, frei von Überwachung. Aber dafür tun Sie nichts. Drittens. In genau dieselbe Richtung weist auch Ihr Verhalten im Hinblick auf die parlamentarische Kontrolle. Sie ist übrigens nicht nur für die Opposition, sondern auch für die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen wichtig. Sie sitzen hier ja nicht als Pressesprecher der Bundesregierung. (Dr. Eva Högl [SPD]: Nein! Natürlich nicht!) Vielmehr haben gerade die Innenpolitiker, auch die der Koalitionsfraktionen, die Aufgabe, die Bundesregierung und die Behörden zu kontrollieren. Das klappt gar nicht. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Seit anderthalb Jahren verwenden wir – zumindest diejenigen, die parlamentarische Kontrolle ernst nehmen – am Telefon, sei es im Gespräch mit Mitarbeitern, sei es im Gespräch mit Journalisten oder sonst wem, die Redewendung: Nicht am Telefon. (Zuruf von der CDU/CSU: Wie früher in der DDR, oder?) Das kann doch nicht allen Ernstes der Normalzustand sein, wie wir parlamentarische Kontrolle ausüben! Es müsste Sie doch bewegen, dass es nicht mehr möglich ist, am Telefon parlamentarische Kontrolle zu organisieren. Das kann es nicht sein, und dagegen müssen wir, alle Parlamentarier, gemeinsam entschieden vorgehen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Schauen wir uns im Bereich der Kontrolle das Verhalten der Bundesregierung im Detail an. Es gab eine -Anhörung im Untersuchungsausschuss. Nicht irgendjemand, sondern der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Dr. Hans-Jürgen Papier, sagte sinngemäß, dass die Auslandsaufklärung des Telekommunikationsverkehrs im Ausland durch den BND ohne eine gesetzliche Grundlage verfassungswidrig ist. Das ist, wie ich finde, ein durchaus massiver Vorwurf. Darüber kann man nicht einfach hinweggehen, wie Sie es leider tun. Um hier ein wenig Bewegung hineinzubringen, hat meine Fraktion in Bezug auf die Aussage Hans-Jürgen Papiers und die Position der Bundesregierung eine detaillierte Anfrage formuliert. Sie haben es wirklich hinbekommen, auf elf detaillierte Fragen mit gerade einmal 13 Zeilen zu antworten – ohne einen Satz des Nachdenkens, ohne mit einem Satz die Vorwürfe von Hans-Jürgen Papier und anderen führenden Verfassungsrechtlern zu prüfen. Es ist doch wirklich nicht in Ordnung, gegenüber dem Bundestag, der hier eine Aufgabe zu erfüllen hat, so zu reagieren. (Beifall bei der LINKEN) Wenn das nicht schon Hammer genug ist, will ich Ihnen nicht vorenthalten, was Sie in Ihren Abschlusssätzen schreiben. Die Bundesregierung antwortet – ich darf zitieren –: Der Respekt vor dem Deutschen Bundestag gebietet, dass die Bundesregierung zunächst die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses abwartet. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses steht erst am Anfang. Aus den Ergebnissen wird die Bundes-regierung die notwendigen Konsequenzen ziehen. Zitat Ende. Das ist wirklich der Hammer, noch so einen frechen Satz hinterherzuschieben – wo wir doch wissen, dass Sie vonseiten der Bundesregierung nun wirklich maßgeblich die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses mit allen Mitteln torpedieren. So eine Antwort ist wirklich der Hammer! Übersetzt bedeutet das für alle Abgeordneten, egal welcher Partei sie angehören, dass Sie im Bereich der Innenpolitik nicht bereit sind, zum Thema Überwachung Kleine Anfragen zu beantworten, schriftliche Fragen zu beantworten, mündliche Fragen zu beantworten, weil ja der Untersuchungsausschuss noch tagt – wahrscheinlich noch die gesamte Legislaturperiode. Wir alle, die wir im Bereich der Innenpolitik tätig sind, können nach Hause gehen, wenn bis dahin nichts mehr beantwortet wird. Ich finde, dieses Verhalten ist an Arroganz nicht zu überbieten, und fordere Sie wirklich auf, endlich Ihrer Aufgabe nachzukommen, der Opposition und überhaupt allen Parlamentariern, die gewählt worden sind, um Sie zu kontrollieren, ordentliche Auskunft zu geben! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In dem Sinne – vierter Punkt – geht natürlich auch der heute vorliegende Einzelplan 06 – Bundesinnenministerium – genau diesen Weg weiter. Um auch einmal an Zahlen zu verdeutlichen, was ich eben im Bereich der parlamentarischen Kontrolle darzustellen versucht habe, schauen wir uns einmal die Relationen an: Das BKA soll 416 Millionen Euro bekommen, das Bundesamt für Verfassungsschutz 209 Millionen Euro. Wie das dort aufgeteilt wird und ob wir das sinnvoll finden oder nicht, ist dann im Bereich der Haushaltsberatungen zu diskutieren. Aber wenn man sich anschaut, was die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit demgegenüber bekommen soll, muss man feststellen: Das sind schlappe 9 Millionen Euro – in einer Zeit, wo der Datenschutz angesichts von Überwachung und Geheimdienstkontrolle eigentlich auf Platz eins der Agenda des Innenministeriums stehen sollte. Es geht noch weiter: Auch das IT-Sicherheitsgesetz, das Sie vorgelegt haben, werden wir in zukünftigen Haushaltsberatungen mit Zahlen untermauern müssen. Dafür sind vorgesehen – um noch ein paar Zahlen zu nennen –: 133 Stellen für das BSI, 79 Stellen für das BKA, 55 Stellen für das Bundesamt für Verfassungsschutz, ganze 4 Stellen für die Bundesbeauftragte für den Datenschutz. Das ist nicht angemessen. Wir fordern Sie zu einer grundlegenden Umkehr in diesem Bereich auf, so auch in der Stellen- und Finanzpolitik im Bereich der Innenpolitik. (Beifall bei der LINKEN) Zum Schluss. Meine Fraktion und ich meinen, dass wir in der Innenpolitik in der Tat einen grundlegenden Richtungswechsel brauchen. Wir brauchen eine Debatte über strukturelle Reformen bei den Geheimdiensten. Die sind lange angekündigt worden. Bis jetzt habe ich nur mitbekommen, dass beim Bundesamt für Verfassungsschutz ein Besucherzentrum eröffnet wurde; mehr habe ich noch nicht gehört. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch schon einmal ein Anfang! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das andere ist geheim!) Ich finde, das ist zu wenig. Wir sind im Übrigen bereit – und tun das auch als Linke –, mit den Geheimdiensten zu diskutieren, wie dort mehr Kontrolle, mehr Reformen, möglich sind. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz muss gestärkt werden, und sie muss schon vor 2016 völlig unabhängig werden. Ich fasse zusammen: Der Bundestag muss auch im Bereich der Innenpolitik seiner Aufgabe gerecht werden können, die Bundesregierung, die Behörden zu kontrollieren. Deswegen: Hören Sie mit dem Mauern und Verweigern auf! Es ist grundsätzlich so, dass man den Oberen immer auf die Finger schauen sollte. Im Bereich der Innenpolitik muss man auch Ihnen von der Bundesregierung im Speziellen auf die Finger schauen. Das werden wir als linke Opposition mit großem Engagement und großer Freude weiter tun; darauf können Sie sich verlassen. Ich freue mich auf konstruktive Debatten in den nächsten Wochen und Monaten. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Martin Gerster für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Martin Gerster (SPD): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, heute ist in der Tat ein historischer Tag, wir erleben ein historisches Jahr. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, was wir heute Morgen in der Allgemeinen Finanzdebatte, bei der Einbringung des Bundeshaushalts durch den Bundesfinanzminister, hier feststellen konnten: Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt bekommen, wir machen keine weiteren Schulden mehr; diese Botschaft muss auch bei den Haushaltsberatungen zum Einzelplan 06 an allererster Stelle stehen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Verschuldung bei der Infrastruktur versteckt!) Man muss an dieser Stelle auch einmal klar sagen: Das sind natürlich harte Rahmenbedingungen, denen wir uns alle natürlich ganz gezielt und bewusst unterworfen haben. Deswegen will ich an dieser Stelle auch noch mal ein Dankeschön aussprechen an die Mitglieder der Koalitionsfraktionen, aber natürlich auch an das Bundes-innenministerium, speziell an den Bundesinnenminister; denn ich bin der Meinung, dass bereits in den vergangenen Jahren die einzelnen Bereiche des Bundesinnenministeriums einen erheblichen Beitrag dazu geleistet haben, dass wir jetzt über einen ausgeglichenen Haushalt beraten und ihn dann auch beschließen können. Deswegen will ich einfach noch einmal darauf hinweisen, Herr Bundesinnenminister, dass es doch völlig klar ist, dass nicht alle Wünsche – insbesondere in Ihrem Geschäftsbereich – erfüllbar sind; denn Sie haben eine ganz besondere Herausforderung zu meistern, da der Personalanteil in Ihrem Haushalt sehr groß ist und Ihr Haushalt durch eine große Bandbreite gekennzeichnet ist. Sie haben aber natürlich auch strukturell und ganz aktuell enorme Herausforderungen zu bewältigen. Ich darf für die SPD-Fraktion hier einmal sagen: Aus unserer Sicht haben Sie bei Ihrer Rede zur Einbringung Ihres Haushalts gerade eben die richtigen Schwerpunkte gesetzt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich will auch deutlich machen, dass wir sehr froh und glücklich sind, dass die Förderung des wichtigen Bereichs der Integration und der Integrationskurse, die wir beim letzten Mal in einem gemeinsamen großen Kraftakt hinbekommen haben, nachdem es mit den Bildungsmitteln nicht so geklappt hatte, wie wir uns das gewünscht hatten, jetzt fortgeschrieben wird. Ich will ausdrücklich würdigen, dass im Haushalt jetzt bereits von vornherein 244 Millionen Euro dafür eingestellt bzw. veranschlagt sind, weil ich glaube, es ist ein sehr gutes Zeichen, dass Menschen, die in unser Land kommen, auch bereit sind, Integrationskurse zu besuchen, und sagen: Jawohl, das bringt mich nach vorne, das tue ich für meine eigene berufliche und Lebensperspektive. – Es ist aber doch auch wichtig für unsere Gesellschaft, dass wir dieses Angebot machen, und da es so gut angenommen wird, sollten wir hier natürlich entsprechend nachsteuern und die notwendigen Plätze von vornherein bereitstellen. (Beifall bei der SPD) Ein zweiter wichtiger Punkt – Sie haben das ja auch selbst angesprochen – sind die kriegsähnlichen Konflikte, die rund um Europa bedauerlicherweise zunehmen und natürlich eine besondere Herausforderung beinhalten – insbesondere für Ihr Ressort. Ich will an dieser Stelle einfach auch noch einmal in Erinnerung rufen, dass bereits im Haushalt 2014  300 zusätzliche Stellen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stehen. Jetzt satteln wir noch einmal mindestens 50 Stellen drauf. Das ist absolut notwendig. Wer mehr fordert, muss sich natürlich auch überlegen, ob es überhaupt möglich wäre, mehr qualifiziertes Fachpersonal in so kurzer Zeit zu gewinnen, sodass diese Stellen dann auch besetzt werden könnten. Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, hier mit Augenmaß voranzugehen und trotzdem im Blick zu behalten, dass alle Asylanträge gut, qualifiziert und individuell beschieden werden. Dabei sollten wir trotz der steigenden Zahl natürlich auch nicht das Ziel aus den Augen verlieren, die Zeit für die Bearbeitung eines Asylantrags zu verkürzen, wie wir das im Koalitionsvertrag gemeinsam verabredet haben. Ich möchte jetzt gerne noch einige Sätze zum Thema Bundespolizei sagen. In den letzten Tagen gab es immer wieder seltsame Medienberichte, wonach die Bundespolizei pleite sei. Das ist natürlich – das muss man an dieser Stelle einfach auch einmal klar sagen – Humbug. Die Bundespolizei geht nicht pleite. Wir haben hier ja zwei zuständige Minister: den Bundesinnenminister de Maizière von der Union und natürlich den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der früher auch einmal Innenminister war. Beide kennen sich hier gut aus und haben eine entsprechende Expertise. Deswegen gehen wir vonseiten der SPD-Fraktion davon aus, dass sich die zwei zusammensetzen und die kurzfristigen Engpässe – sollten sie tatsächlich vorhanden sein – beseitigen; (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]) denn es kann natürlich nicht sein, dass irgendwelche Prophezeiungen in Medienberichten zur Realität werden. Die Erwartung der SPD-Fraktion ist hier klar. Allen, die jammern und sagen, hier werde der Sicherheitsbereich vernachlässigt, will ich einfach noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir als Große Koalition bereits ein großes Stellenhebungspaket für diese Legislatur-periode auf den Weg gebracht haben. Insgesamt werden über 1 300 Beamtinnen und Beamte befördert; in diesem Jahr erfolgt die Beförderung der zweiten Tranche. Das sollten wir nicht verheimlichen, sondern offensiv verkünden. Das gehörte nicht nur letztes Jahr erwähnt, sondern das gehört jedes Jahr erwähnt. Ich muss auch vonseiten der SPD-Fraktion sagen: Wir sind sehr froh, dass insbesondere der mittlere Dienst im Bereich der Bundespolizei davon profitieren wird, dass auch im nächsten Haushaltsjahr Mittel für Beförderungen von der Besoldungsgruppe A8 auf A9 vorgesehen sind. Insofern sage ich: Das, was darüber hinaus noch möglich ist, sollten wir noch einmal besprechen. Aber die Ausgaben für die Bundespolizei mit einem großen Anteil im Haushalt sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Das Gleiche gilt für unsere Einrichtungen und Behörden im Bevölkerungsschutz und bei der Katastrophenhilfe. Noch ein Wort zum Sport. Die SPD-Fraktion freut sich sehr, dass die Mittel für „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“ wieder im Haushalt eingestellt sind. Aber wenn die Jugend jetzt für Olympia und für die Paralympics trainiert, dann sollten wir auch die Bewerbung für Olympia offensiv vorantreiben. (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Zunächst lassen wir den DOSB entscheiden. Aber dann wollen wir gemeinsam dafür werben, dass wir nicht nur Fußballweltmeister werden können, sondern auch ein hervorragender Ausrichter der Olympischen und Paralympischen Spiele in unserem Land sein können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) – Herzlichen Dank. – Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und auf die gute Zusammenarbeit, die wir bereits bei der letzten Haushaltsdebatte hatten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, weil Sie uns direkt angesprochen haben, will ich mit dem Thema Flüchtlinge beginnen. Ich finde es gut, dass wir uns bereit erklären, mehr Flüchtlinge aus Irak und Syrien aufzunehmen. Wir brauchen hier eine gemeinsame europäische Anstrengung, um die humanitäre Situation durch Aufnahme von Flüchtlingen wie durch humanitäre Hilfe vor Ort zu entspannen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Aber es ist unanständig, wenn wir bestimmte Flüchtlingsgruppen, etwa die aus dem Balkan und die aus Irak und Syrien, in der Debatte gegeneinander ausspielen. (Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!) Sie selber haben mit Ihrem Sieben-Punkte-Plan gerade anerkannt: Das Dublin-System, bei dem der Artikel 16 a Grundgesetz hinsichtlich der Regelungen zu sicheren Herkunfts- und Drittstaaten Pate stand, ist in seiner Durchführung faktisch gescheitert. Ich nenne hier nur Italien und Griechenland. Sie wissen selber, welche Probleme dort aufgetreten sind. Die Hypothese, dass man über ein ganzes Land pauschal sagen kann: „Das ist für alle Gruppen gleichermaßen sicher“, stimmt einfach nicht. Es stimmt bei diesen drei Balkanstaaten für zwei Gruppen besonders nicht: für die Gruppe der Roma und für die Gruppe der Homosexuellen. Diese werden in diesen Ländern diskriminiert und verfolgt. Das kann man nicht einfach vom Tisch wischen und sagen: Das schauen wir uns im Sinne eines individuellen Grundrechts auf Asyl gar nicht mehr an. – Das ist das falsche Konzept. Deshalb lehnen wir das ab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Behauptung, der Gesetzentwurf zu den sicheren Herkunftsstaaten entlaste die Kommunen, stimmt nun gar nicht. Sie wissen genau: In vielen Fällen werden Anträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern ganz schnell als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Es wird durch dieses Gesetz keine Verfahrensbeschleunigung und deshalb auch keine Entlastung geben. Das sind alles Schalmeiengesänge. Hier soll eine Kampagne gegen die Flüchtlinge gemacht werden. Aber dieses Gesetz wird keine Hilfe für die Kommunen sein. Ich bin dafür, dass wir den Kommunen helfen. Ich bin auch dafür, dass wir darüber reden: Wie gehen wir in diesem Land mit Flüchtlingen um? Wenn das Asylbewerberleistungsgesetz, das das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt hat, gestrichen wird, dann helfen wir den Kommunen bei den finanziellen Lasten unmittelbar. Machen Sie das! Bringen Sie einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn wir jetzt bis hinein in die CDU entdecken – diesen Wandel will ich wohlwollend anerkennen –, dass man sich im Rahmen der Aufnahme von Flüchtlingen aktiv bemühen und engagieren muss, dann müssen wir auch darüber reden: Wie gehen wir mit diesen Menschen um? Dann muss auch klar sein: Residenzpflicht, das Asylbewerberleistungsgesetz, aber auch Vorrangprüfung beim Zugang zum Arbeitsmarkt müssen weg. Wir dürfen diese Menschen nicht als Lasten begreifen. Wenn wir sie aufnehmen, um ihnen Schutz zu gewähren, müssen wir auch ihre Potenziale sehen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Potenziale in unsere Gesellschaft einzubringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Dieses Geschacher wird Ihnen mittlerweile Gott sei Dank auch draußen im Lande übel genommen. Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband hat heute gesagt, dass es unanständig ist, diese Gruppen in einem parteipolitischen Geschacher gegeneinander auszuspielen, dass es unanständig und unsinnig ist, die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten zum Beispiel gegen Verbesserungen bei der Altfallregelung zu verdealen. Entweder ist ein Herkunftsstaat tatsächlich sicher – dann muss man die Einstufung nicht verdealen – oder nicht. Entweder ist eine Altfallregelung humanitär geboten – dann muss man sie nicht zum Preis für eine Zustimmung zu irgendwelchem Unsinn machen – oder nicht. Also lassen Sie uns das sachlich betrachten und zu einer vernünftigen Innenpolitik zurückkehren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Eine bessere Einwanderungspolitik heißt auch: Willkommenskultur und nicht Diffamierung. Über einen Punkt haben Sie in diesem Zusammenhang übrigens gar nicht gesprochen: über Ihren Gesetzentwurf zur Änderung des EU-Freizügigkeitsrechts. Darin ist viel Europarechtswidriges enthalten. Darin ist aber zum Beispiel auch eine Maßnahme beim Kindergeldbezug enthalten, gegen die man im Prinzip gar nichts haben kann. Sie hat bloß dummerweise mit den EU-Freizügigkeitsrechten gar nichts zu tun. Aber der Bundesrechnungshof hat Ihnen einen Bericht auf den Tisch gelegt, in dem steht, dass es einen Kindergeldbetrug von Tausenden von deutschen Beamten gab. Soweit ich weiß, sind deutsche Beamte überwiegend keine Bulgaren und Rumänen. (Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ja, man soll ja nie behaupten, dass etwas zu 100 Prozent so ist; da könnte man immer eine Ausnahme finden. Zum Thema Menschenhandel haben Sie gesagt: Da müssen wir energischer vorgehen. – Das teile ich voll und ganz. Aber bitte lassen Sie uns nicht über Strafrechts-ästhetik streiten. Das meiste davon ist strafbar, und dazu gibt es einen alten Entwurf aus dem BMJ, den ich im Wesentlichen – bis auf einige Details – gar nicht verkehrt finde. Das lohnt den Streit nicht. Lassen Sie uns endlich den Opfern des Menschenhandels helfen! Ein Opfer von Menschenhandel darf nicht in die Situation zurückgeschoben werden, aus der es geraubt und hierher verbracht wurde, sodass es wieder in eine Zwangssituation kommt. Opfer von Menschenhandel brauchen einen Aufenthaltstitel, und zwar unabhängig davon, ob sie vor Gericht aussagen oder nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Denn oftmals – das wissen auch Sie – sind die Kinder oder die Eltern der Opfer noch im Heimatland. Wenn die Opfer hier vor Gericht aussagen wollen, werden sie damit unter Druck gesetzt. Wenn wir ihre Familie auch holen und retten, können wir erwarten, dass sie aussagen, aber ansonsten funktioniert das einfach nicht. Nun zu einem Thema, das uns alle umtreibt: die aktuelle Sicherheitslage. Wie gehen wir mit den Fragen ISIS, „Scharia-Polizei“, Islamisten und Salafisten um? Der erste Punkt ist, finde ich: Wir sollten uns zügig daranmachen, die UN-Resolution 2170 umzusetzen, was Aufgabe der Innenpolitik ist. In der Resolution steht nämlich: Wir müssen den Fluss von Kämpfern aus unseren Ländern in diese Region stoppen. – Ich verstehe nicht, dass in diesem Zusammenhang dauernd über neue Gesetzgebung geredet wird, während gleichzeitig das bestehende Recht überhaupt nicht zur Anwendung kommt. Personalausweisgesetz bzw. Passgesetz erlauben es schon heute, Reisepässe zu entziehen und den Geltungsbereich des Personalausweises auf die Bundesrepublik Deutschland zu beschränken. Auch Ausländern kann man die Ausreise – wie Deutschen, nach den gleichen Voraussetzungen wie im Passgesetz – verbieten. Aber von einem Anwendungsfall, in dem man das wirklich durchgesetzt hätte, habe ich bis jetzt nichts gehört. Ich habe vom Innenminister Jäger des Landes Nordrhein-Westfalen mit Blick auf das Personalausweisgesetz gehört, dann stünde die Beschränkung ja nur in einer Datei. Da müsste man natürlich dafür sorgen, dass in solchen Fällen ein Sichtaufdruck auf den Personalausweis kommt, damit jede Fluggesellschaft beim Einchecken weiß: Dieser Mensch darf keinen Flug ins Ausland nehmen; der muss hierbleiben. Da müssen Sie rangehen. Sie sollten nicht nach neuen Gesetzen schreien, sondern das Notwendige endlich auf den Weg bringen und die geltenden Gesetze auch anwenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Am Wochenende gab es ja die Diskussionen zur „Scharia-Polizei“ in Wuppertal. Es ist völlig klar: Auf deutschen Straßen übt die Hoheitsgewalt nur die deutsche Polizei aus und sonst niemand. Auf unseren Straßen darf im privaten Bereich niemand anders Uniform tragen als Funken im Karneval und Schützenvereine, die sich solche Hoheitsgewalt auch nicht anmaßen. Der Innenminister in Nordrhein-Westfalen hat ein entsprechendes Verbot durchgesetzt. Gut so! Aber wir müssen auch aufpassen, dass wir es bei solchen Punkten mit der Aufregung unter den Innenpolitikern nicht übertreiben. Der Kollege Herrmann aus Bayern hat jetzt einen „Sondergipfel“ gefordert; wir müssten das gesamte deutsche Recht mal durchforsten, um zu prüfen, ob es „islamistenfest“ ist. – Meine Güte: Über islamistischen Terrorismus reden wir seit dem 11. September 2001, der sich tragischerweise in dieser Woche zum 13. Mal jährt. – Wir haben unsere Gesetze darauf geprüft, und wir müssen sie einfach umsetzen. Wir sollten nicht die innenpolitische Diskussion nach dem Drehbuch dieser Halbstarken aus Wuppertal führen. Die lachen sich doch ins Fäustchen. Sie sind doch die Helden in ihrer Szene, wenn sie mit einer Weste, die sie hinten aus einem Pkw geholt und ein bisschen beklebt haben, die ganze deutsche Innenpolitik auf die Palme bringen und verrückt machen. Da heißt es: konsequente Anwendung des Rechts. Wir sind in einer Haushaltsdebatte. Wo ist der Bereich der Prävention? Ich habe den Haushaltstitel „Deradikalisierungsprogramme für die islamistische Szene“ vergeblich in Ihrem Einzelplan gesucht. Ich finde, in diesem Bereich müssen wir mehr machen. Wir können uns nicht auf ein paar Modellprojekte zurückziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dazu passt auch, dass Ihre bisherigen Programme nicht erfolgreich waren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte eine Helpline. Ich habe gestern auf der Homepage gesehen, dass sie im September 2014 eingestellt wurde. Man lässt das jetzt vom Bundesamt für Migration machen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Beck, achten Sie bitte auf die Zeit. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nur Aussteigerprogramme am Ende des Radikalisierungsprozesses zu finanzieren, reicht nicht aus. Wir müssen den Einstieg verhindern, indem wir den Menschen das Gefühl geben: Ihr seid hier zu Hause, und wir setzen uns mit euren Konflikten und Problemen demokratisch auseinander. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Stephan Mayer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich bin davon überzeugt, dass es uns selten so stark ins Bewusstsein kommt wie derzeit, dass die unterschiedlichen Krisenherde auf unserem Globus ganz unmittelbare Auswirkungen auf Deutschland und auch auf die Sicherheit in Deutschland haben. Wer vielleicht bisher glaubte, dass wir auf einer Insel der Seligen leben und das, was in der Ukraine, im Mittleren Osten und in manchen Teilen Afrikas passiert, keine Auswirkungen auf Deutschland hat, der wird, glaube ich, jetzt ganz deutlich eines Besseren belehrt. Wir sehen dies zum einen im schon erwähnten deutlichen Anstieg des islamistischen Fundamentalismus in Deutschland. Wir haben annähernd 6 000 Salafisten in Deutschland, und ich glaube, es bedarf hier auch eines klaren Aufschreis aller überzeugten Demokraten, dass es nicht hinnehmbar ist, dass Personen in Deutschland, denen gegenüber wir loyal sind und denen wir unsere freiheitlich-demokratischen Rechte gewähren, ganz offen skandieren, dass sie im Zweifel die Scharia vor deutsches Recht setzen. Genauso unerträglich ist es, was sich in den letzten Wochen leider Gottes auch in vielen Orten Deutschlands abgespielt hat, nämlich antiisraelische und antijüdische Demonstrationen mit volksverhetzendem Charakter. Dies darf in Deutschland nicht passieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ebenso inakzeptabel sind die Umtriebe der Anhänger des „Islamischen Staates“ in Deutschland. Das ist nicht hinnehmbar, und wir müssen auch deutlich dagegen vorgehen, dass auf deutschen Straßen und Plätzen Fahnen des „Islamischen Staates“ mit dem Logo des „Islamischen Staates“ geschwenkt werden. Wenn die Unterstützung so groß ist, wie im Verlauf der vorhergehenden Wortmeldungen durchaus deutlich wurde, dann möchte ich ganz klar dafür plädieren, dass wir die Sympathiewerbung für terroristische Organisationen wieder unter Strafe stellen. Lassen Sie uns dies tun. Das war schon einmal der Fall und ist dann leider Gottes 2003 abgeschafft worden. Aber es spricht überhaupt nichts dagegen, dass wir diesen Straftatbestand wieder einführen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Mayer, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Beck? Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Selbstverständlich. Sehr gerne. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe zwei Fragen, damit wir den Sachverhalt im Zusammenhang mit den §§ 129 a und 129 b Strafgesetzbuch klären. Würden Sie zustimmen, dass jede Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und jede -Unterstützungshandlung wie Geldsammlungen oder Rekrutierungshandlungen nach dem bestehenden Recht selbstverständlich strafbar sind? Würden Sie mir vielleicht auch darin zustimmen, dass wir im deutschen Recht nicht nur das Werben oder Sympathiebekundungen für ISIS unter Strafe stellen können, sondern das abstrakt für alle terroristischen Vereinigungen machen müssen? Und was machen wir dann mit dem Satz, den wir dann der politischen Beurteilung und Artikulation entziehen: „Wir sind dankbar dafür, dass die syrische PKK die Jesiden aus der Hand der ISIS befreit hat.“? Die PKK ist eine verbotene Terrororganisation. Das, was ich gerade im Zusammenhang mit den Jesiden gesagt habe, wäre nach Ihrem Vorschlag eine strafbare Aussage. Ich meine, Ähnliches hier im Hause schon gehört zu haben. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Herr Kollege Beck, selbstverständlich ist die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation in Deutschland heutzutage unter Strafe gestellt; das ist auch richtig so. Aber was leider Gottes nicht unter Strafe gestellt ist, ist, auf den Plätzen und Straßen in Deutschland seine Sympathie für den „Islamischen Staat“ offen zu bekunden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie mit der PKK?) Da der „Islamische Staat“ kein Verein ist, kann er nach dem derzeit in Deutschland geltenden Vereinsrecht nicht verboten werden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die müssen wir gesellschaftlich ächten!) Es ist deshalb umso wichtiger, dass wir die Sympathiewerbung für derartige Bewegungen unter Strafe stellen. Herr Kollege Beck, ich fordere Sie auf, sich zusammen mit Ihrer Fraktion unserer Initiative und unserem Wunsch anzuschließen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie könnten dabei ganz deutlich Ihre demokratische Gesinnung zum Ausdruck bringen. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was das Verbot der PKK angeht: Herr Kollege Beck, die Einstufung erfolgt durch das Bundesinnenministerium. Wir Parlamentarier, denen nicht die gleichen Informationen zur Verfügung stehen wie beispielsweise dem Bundesinnenministerium, sollten uns hier nicht zu intensiv darüber auseinandersetzen, ob die PKK eine terroristische Organisation ist oder nicht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie steht auf unserer Terrorliste!) Ich bin der festen Überzeugung, dass es nach wie vor gute Gründe gibt, die PKK in Deutschland als terroristische Organisation einzustufen. Solange das Gegenteil nicht bewiesen wird und solange nicht offenkundige Tatsachen vorgebracht werden, die dafür sprechen, hier eine Veränderung vorzunehmen, sollten wir uns mit solchen Forderungen und Wünschen wie den Ihrigen sehr zurückhalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Beck, Sie müssen abwarten, ob eine zweite Frage oder Bemerkung Ihrerseits zugelassen wird. Ich mache darauf aufmerksam, dass hier kein Dialog entstehen darf. Wir müssen trotz allem in der Debatte vorwärts kommen. Erlauben Sie eine weitere Frage des Kollegen Volker Beck? Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr gerne. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Ich glaube, es ist gut, dass wir uns auch in der Öffentlichkeit über solche Fragen fachlich austauschen. Ich habe nicht gesagt, dass die PKK von der Terrorliste gestrichen werden soll. In der Tat möchte ich mehr von den Diensten erfahren, bevor ich mir dazu ein neues Urteil anmaße. Aber würden Sie mir vor dem Hintergrund, dass es sich hier eindeutig um eine Vereinigung nach § 129 b und möglicherweise sogar nach § 129 a handelt, zustimmen, dass es nicht sinnvoll wäre, die politische Debatte in der Öffentlichkeit dahin gehend zu beschneiden, dass man den Satz, den ich vorhin genannt habe, unter Strafe stellt? Man muss diese Aussage nicht für richtig halten. Aber die entscheidende Frage lautet: Ist er strafbar? – „Ich bin dankbar, dass die syrische PKK die Jesiden aus der Hand der ISIS befreit hat“: Soll ein solcher Satz strafbar werden oder nicht? Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Herr Kollege Beck, zu dem Satz, den Sie nun zweimal vorgetragen haben, sage ich ganz offen: Das hat nichts mit Sympathiewerbung zu tun. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! Kennen Sie die alte Werbungsrechtsprechung zum 129 a nicht?) Es ist doch ein großer Unterschied, ob man auf dem Potsdamer Platz in Berlin oder auf dem Marienplatz in München freudestrahlend die Fahne des „Islamischen Staates“ schwenkt oder ob man sagt, dass man Erkenntnisse hat, die belegen, dass Kämpfer der PKK dazu beigetragen haben, Jesiden oder Christen zu befreien. Das hat doch nichts mit Sympathiewerbung zu tun. Das ist vielmehr die Feststellung einer Tatsache. Herr Kollege Beck, Sie müssen doch die Sachverhalte voneinander trennen. Es darf nicht hingenommen werden, dass die IS-Fahne in Deutschland straffrei geschwenkt werden darf und dass man sich straffrei für den IS und seine Bestrebungen offen aussprechen kann. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Herr Bundesinnenminister hat es schon erwähnt: 400 Deutsche sind bislang in den syrischen Bürgerkrieg gezogen, um dort zu kämpfen. Wir dürfen unseren Blick aber nicht nur auf diese 400 aus Deutschland Ausgereisten richten. Mittlerweile sind über 3 000 Menschen aus ganz Europa nach Syrien ausgereist. Erst vor wenigen Wochen ereignete sich ein tragischer Zwischenfall in Brüssel. Ein Franzose, der auch die marokkanische Staatsbürgerschaft besaß, brachte vier Menschen im Jüdischen Museum in Brüssel um. Er war über Frankfurt eingereist. Wir müssen uns ganz klar vor Augen halten: Was vor wenigen Wochen in Brüssel passiert ist, hätte genauso gut in Berlin, in Frankfurt oder in München passieren können. Deshalb sind alle aufgerufen – allen voran die Verfassungsschutzämter –, hierauf einen intensiven Blick zu werfen. Ich sage ganz offen: Wir müssen im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen intensiv darauf achten, unser Bundesamt für Verfassungsschutz personell und finanziell so auszustatten, dass es den gewachsenen Herausforderungen gerecht werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU) Es geht nicht darum, den Verfassungsschutz abzuschaffen, wie Sie von den Linken, Herr Kollege Korte, es immer wieder stereotyp fordern, sondern es geht darum, die Kompetenzen des Verfassungsschutzes in manchen Bereichen zu stärken (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem die fachliche Kompetenz! Das wäre mal vonnöten!) und insbesondere für die notwendige personelle Ausstattung des Verfassungsschutzes zu sorgen. Es ist gut, dass bisher schon alles dafür getan wurde, die Ausreise von Dschihadisten nach Möglichkeit zu verhindern. Da war der Verfassungsschutz durchaus schon erfolgreich. Ich glaube, dies gilt es herauszustellen. Ich finde es aber auch richtig, dass intensiv geprüft wird, ob nicht auch die Möglichkeiten und die rechtlichen Kompetenzen erweitert werden müssen, um die Rückreise von Dschihadisten nach Deutschland zu verhindern. Ich bin der Innenministerkonferenz sehr dankbar, dass sie sich dahin gehend derzeit intensive Gedanken macht. Uns alle zieht natürlich die Entwicklung im Bereich des Asyls in ihren Bann. Es ist vom Bundesinnenminister schon erwähnt worden, dass in diesem Jahr aller Voraussicht nach über 200 000 Erstanträge in Deutschland gestellt werden und wir darüber hinaus noch weitere Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Ich glaube, man kann wirklich mit Fug und Recht behaupten – das Zitat von Herrn Guterres ist schon erwähnt worden –: Deutschland ist hier vorbildlich. Ich finde es teilweise etwas schade, dass von manchen Seiten immer zu vermitteln versucht wird, dass wir unserer Verantwortung nicht gerecht würden und Deutschland nicht solidarisch sei. Das Gegenteil ist der Fall. 30 Prozent aller Asylbewerber in ganz Europa nimmt allein Deutschland auf. Ich glaube, das kann sich sehen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Gleichwohl stehen alle politischen und staatlichen Bereiche in Deutschland derzeit vor einer großen Herausforderung. Es bedarf mit Sicherheit eines konzertierten Ansatzes, um dieser großen Herausforderung gerecht zu werden. Wenn man sich die Schutzquote der Asylbewerber in Deutschland ansieht, dann muss man feststellen: Sie liegt im Durchschnitt bei 30 Prozent. Nur, wenn man sich die einzelnen Herkunftsländer wiederum ansieht, dann stellt man fest, dass die Unterschiede sehr groß sind. Die Quote liegt zwischen teilweise 100 Prozent, wie bei den syrischen Flüchtlingen, und, wie bei den Asylbewerbern aus den Ländern des westlichen Balkans, bei annähernd 0 Prozent. Wenn man sich einmal vor Augen hält, Herr Kollege Beck, dass 20 Prozent aller Asylbewerber in Deutschland alleine aus den drei Ländern Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien kommen, dann ist doch folgender Gedanke alles andere als abwegig: Wenn die Schutzquote bei den Asylbewerbern aus diesen drei genannten Ländern bei 0,1 Prozent oder maximal 0,2 Prozent liegt, (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um wie viel schneller geht das mit „offensichtlich unbegründet“? Das ist weiße Salbe!) müssen wir die Kapazitäten, die wir in Deutschland haben, in erster Linie für die freihalten, die in höchstem Maße schutzbedürftig sind und denen in höchstem Maße Gefahr für Leib und Leben droht. Deswegen möchte ich eines deutlich betonen: Der Ball liegt im Spielfeld der Grünen. Ich möchte noch eines deutlich machen: Wir haben aus meiner Sicht in Deutschland eine große Empathie der Bevölkerung gegenüber schutzbedürftigen Flüchtlingen, gegenüber Menschen, die politisch verfolgt werden und denen Gefahr für Leib und Leben droht. Ich möchte wirklich dafür sorgen – ich glaube, das ist eine Aufgabe, die wir hier als Bundestag haben –, dass diese hohe Empathie und Solidarität der deutschen Bevölkerung auch aufrechterhalten werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, dass am 19. September der Bundesrat dem Gesetz zu den sicheren Herkunftsstaaten zustimmt. Genauso wichtig ist es, dass andere EU-Länder, allen voran Italien, auch ihrer Verantwortung und ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Es kann nicht weiter angehen, dass zum Beispiel Italien wie im letzten Jahr 60 000 Flüchtlinge aufnimmt, aber von diesen 60 000 Flüchtlingen gerade einmal 28 000 registriert und den Rest über Österreich und Deutschland teilweise in die skandinavischen Länder weiterreisen lässt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt: Dublin ist gescheitert!) Auch andere EU-Länder müssen ihrer rechtlichen Verpflichtung nachkommen. Wir als Bundestag sind unserer Verpflichtung, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entsprechend personell auszustatten, schon im Haushalt 2014 nachgekommen, indem wir 300 zusätzliche Stellen geschaffen haben. Weil in manchen Reden insinuiert wird, es werde nicht ordentlich geprüft, Anträge würden schnell abgelehnt und die Mitarbeiter des BAMF kämen ihrer Verpflichtung nicht nach, möchte ich in aller Deutlichkeit eine Lanze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge brechen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die machen einen guten Job. Sie stehen momentan, genauso wie viele andere auch, vor großen Herausforderungen. Deswegen ist es richtig, dass zusätzliche Stellen schon jetzt im Haushaltsentwurf ausgebracht sind und man sich im parlamentarischen Verfahren möglicherweise über weitere Stellenmehrungen unterhalten wird. Ich möchte nicht versäumen, noch darauf hinzuweisen, dass insbesondere die finanzielle, aber auch die personelle Ausstattung der Bundespolizei den aktuellen großen Herausforderungen nicht gerecht wird. Wir dürfen uns in diesen Haushaltsberatungen nicht nur auf die Stellenmehrungen beim BAMF konzentrieren. Ich glaube, insbesondere was die Situation bei der Bundespolizei anbelangt, ist vieles der Beschwer nicht über-trieben, sondern durchaus berechtigt. Wir als Haushaltsgesetzgeber stehen hier klar in der Verantwortung gegenüber den Beamtinnen und Beamten in der Bundespolizei. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss noch ein herzliches Dankeschön. Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister, ich möchte es nicht versäumen, Ihnen dafür zu danken, dass es Ihnen gelungen ist, insbesondere in einem sehr konstruktiven Miteinander mit dem Bundesaußenminister, einen langgehegten Wunsch der Vertriebenenverbände, vor allem des Bundes der Vertriebenen, in die Tat umzusetzen, nämlich dass wir in Deutschland endlich einen nationalen Gedenktag für die deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge feiern können. Erstmals wird dies am 20. Juni des nächsten Jahres passieren. Es war ein langer Weg dahin; aber endlich sind wir so weit. Ich glaube, das ist etwas, worauf wir alle stolz sein können, worauf wir uns freuen können. Vielen herzlichen Dank für Ihren Einsatz in diesem Bereich. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein zentrales innenpolitisches Thema der letzten Monate ist unzweifelhaft der Umgang mit schutzsuchenden Menschen in Deutschland. Die Debatte lässt sich meines Erachtens kurz zusammenfassen: Je größer die Herausforderungen für die Flüchtlingspolitik sind, desto hartherziger sind die Vorschläge aus dem Innenministerium. Da hat mich auch heute, Herr Innenminister, nicht überzeugt, was Sie hier vorgetragen haben; denn ich fand es sehr abstrakt und nicht konkret. Bei der großen Zahl von Flüchtlingen, die hier Schutz suchen, ist das, was Sie bisher in Gesetzesvorschlägen vorgelegt haben, im Grunde Ausdruck des Ziels – es wird immer wieder deutlich –: Man will abschotten, und man will vor allen Dingen abschrecken. Das kann aus unserer Sicht nicht die richtige Antwort sein. (Beifall bei der LINKEN) Um ein Beispiel zu nennen: Das erste zentrale Vorhaben ist die Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sogenannte sichere Herkunftsstaaten. Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern sollen pauschal abgelehnt werden. In den Debatten hier in diesem Hause haben Sie die Verletzung von Menschenrechten, insbesondere der Roma aus diesen Ländern, massiv bagatellisiert. Wir hoffen deswegen weiterhin, dass dieser Gesetzentwurf im Bundesrat scheitert. Wir werden auf jeden Fall unseren Beitrag dazu leisten. Trotz der Not dieser Menschen scheuen Sie von der CDU/CSU sich nicht, die Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen. Sie suggerieren, es sei ausreichend Platz in den Flüchtlingsunterkünften, wenn es Asylsuchende aus den Balkanstaaten nicht mehr gäbe. Das verdreht schlicht und einfach Ursache und Wirkung und ist daher falsch. Seit vier Jahren steigen in Deutschland und in Gesamteuropa die Asylbewerberzahlen. Spätestens durch den Krieg in Syrien, aber auch aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan, in Somalia, in Eritrea und in jüngster Zeit auch wieder im Irak steigen die Flüchtlingszahlen. Darauf hätten Deutschland und die Bundesregierung vorbereitet sein müssen. Bund, Länder und Kommunen hätten ebenfalls reagieren können und reagieren müssen. Das Versagen den Flüchtlingen anzulasten, ist meines Erachtens pure Stimmungsmache. Wer wirklich Flüchtlingsschutz will, muss den Kommunen endlich finanziell unter die Arme greifen und sie wirklich entlasten. (Beifall bei der LINKEN) Herr Innenminister, Sie haben hier heute angekündigt, dass es eine neue EU-Initiative zur Verteilung der Flüchtlinge geben soll. Wir begrüßen das sehr. Wir haben hier immer wieder vorgetragen, dass es in Gesamteuropa eine andere, eine humanitäre Flüchtlingspolitik geben muss. Aber auch hier möchte ich erst einmal abwarten, was wirklich vorgelegt wird. Denn bisher ist die Flüchtlingspolitik auch von deutscher Seite her unsolidarisch gegenüber anderen Ländern. Sie wissen ganz genau – Sie haben kürzlich mit dem italienischen Innenminister geredet –, dass Italien wenigstens 60 000 Flüchtlinge gerettet hat. Jetzt wird einfach davon geredet, dass Frontex II das übernehmen soll. Wie das genau ablaufen soll und wie vor allen Dingen die EU-Grenzländer, die eine enorme Belastung zu tragen haben – wie Griechenland und Italien –, mit der Flüchtlingsflut fertigwerden sollen, das ist im Grunde genommen nach wie vor nicht beantwortet. Die Dublin-III-Verordnung ist in der Tat gescheitert und muss unseres Erachtens weg. Das unwürdige Hin-und-her-Geschiebe der Flüchtlinge muss endlich ein Ende haben. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, aus dem BMI sind in den vergangenen Monaten immer wieder Gesetzesinitiativen im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts vorgelegt worden. Sie alle tragen unseres Erachtens das Gift von Abschottung und Abschreckung in sich. Ich gebe einige Beispiele: Im Asylbewerberleistungsgesetz wollen Sie noch mehr Möglichkeiten für Leistungskürzungen schaffen. Die Hürden für eine Ausweisung, also eine Abschiebung, sollen gesenkt werden. Abschiebehaft soll leichter verhängt werden können. Das Freizügigkeitsrecht für EU-Bürger wird populistischen Scharfmachern geopfert, die überall nur Betrug und Missbrauch wittern wollen. Dieser Politik der Abschreckung und Abschottung werden wir mit aller Macht weiter entgegentreten. So kann man keine solidarische Flüchtlingspolitik entwickeln. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Dr. Eva Högl hat nun für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Eva Högl (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn hier feststellen, dass diese Koalition acht Monate hart gearbeitet hat und dass wir gerade in der Innenpolitik seit Beginn der 18. Legislaturperiode eine ganze Menge erreicht haben und eine ganze Menge verbessert haben für die Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na ja! – Jan Korte [DIE LINKE]: Echt jetzt?) Ich möchte Herrn Bundesinnenminister de Maizière und auch Frau Staatsministerin Özo?uz – sie hat nämlich daran mitgewirkt – ganz herzlich dafür danken, dass wir insbesondere bei dem Thema „Migration, Einwanderung, Zuwanderung“ wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht haben. Ich will drei nennen: Das eine ist – daran erinnere ich heute; es ist bisher noch nicht genannt worden –: Wir haben endlich die Optionspflicht abgeschafft. (Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das haben wir gemeinsam hier beschlossen, und wir haben damit einen wirklichen Erfolg für junge Menschen mit Migrationsgeschichte und für unsere gesamte Gesellschaft erzielt. Das ist ein Meilenstein in der deutschen Innenpolitik. (Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Die CDU klatscht ja gar nicht!) Zweitens. Ich unterstütze für die SPD-Fraktion ganz ausdrücklich den Gesetzentwurf zum Thema „Sichere Herkunftsstaaten und erleichterter Zugang für Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt“. Wir haben ihn hier gemeinsam mit großer Mehrheit beschlossen. Ich hoffe sehr, dass am 19. September auch der Bundesrat so weise und so gut beraten ist, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Es geht darum, dass wir die wichtige Entscheidung treffen können, wer von denen, die hier Schutz suchen, bleiben kann und auch eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben kann. Drittens. Ich möchte daran erinnern, dass wir es kurz vor der Sommerpause geschafft haben – auch das ist ein wichtiger Erfolg für uns –, mit dem Bundeshaushalt 2014 Geld für eine gute Politik im Bereich Migration zur Verfügung zu stellen, nämlich 40 Millionen Euro zusätzlich für die Integrationskurse. Es ist wichtig, dass wir den Menschen die Chance geben, sich bei uns gut zu integrieren. Außerdem sind die 300 Stellen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu erwähnen. Da sind wir noch nicht am Ende. Da brauchen wir noch mehr, um bei der Bearbeitung von Asylverfahren weiterzukommen, aber das war schon einmal ein großer Schritt. Ich nenne einen weiteren Punkt. Den Staatssekretärsbericht zum Thema Einwanderung hat die Bundesregierung auf den Weg gebracht, und der wird uns im Parlament noch weiter beschäftigen. Dadurch ist es möglich – das begrüßen wir; die Bundesregierung hat da gut vorgelegt –, dass wir einmal auf der Basis von Fakten darüber sprechen: Wer kommt eigentlich zu uns ins Land? Was müssen wir an welcher Stelle der Gesetze verbessern? Was funktioniert ganz gut? Da liefert der Staatssekretärsbericht für uns eine gute Grundlage. Ich freue mich, dass ich auch bei den Reden des Koalitionspartners, insbesondere von Ihnen, Herr de Maizière, festgestellt habe, dass wir eine große Übereinstimmung haben in den großen Linien der Einwanderungspolitik, in den großen Linien der Flüchtlingspolitik. Ich freue mich, dass wir auch hier heute noch einmal ganz deutlich sagen: Deutschland – Sie haben es gesagt, Herr de Maizière – ist ein Einwanderungsland. Wir wollen den Menschen, die hier Schutz suchen, zumindest zeitweilig ein Zuhause geben und zu unserer Verantwortung stehen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weltweit sind 40 Millionen Menschen auf der Flucht. Selbstverständlich können wir nicht alle in Europa oder gar in Deutschland aufnehmen; viele von ihnen sind Binnenflüchtlinge. Aber wir müssen sehr gut darüber nachdenken, wie wir unserer Verantwortung gerecht werden. Die weltweiten Krisen – Ukraine, Nahost, Irak – zeigen uns, dass eine Konsequenz dieser Krisen ist, dass Menschen weltweit auf der Flucht sind. Es wurde schon gesagt: Wir haben plötzlich festgestellt, wie nah diese Krisen sind und wie viel das mit uns in Deutschland zu tun hat. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns auch heute in der Haushaltsdebatte sehr sorgfältig und sehr gründlich darüber Gedanken machen, wer bei uns bleiben kann, wen wir aufnehmen, für wen wir Mittel für eine gute Integration zur Verfügung stellen und zu wem wir leider sagen müssen: Ihr könnt nicht hierher kommen bzw. müsst wieder gehen. – Das gehört zur Wahrheit dazu. Wir wissen, dass bitterarme Familien in allen Teilen der Welt ihre letzten Ersparnisse zusammenkratzen, um ein oder zwei Mitglieder ihrer Familie nach Deutschland zu schicken. Wem wollen wir übelnehmen, dass Menschen ihr Glück suchen, dass sie hierher kommen, dass sie sagen: „Meine Bedingungen vor Ort sind nicht gut, deshalb mache ich mich auf den Weg nach Deutschland“? Aber es ist falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir all diese Menschen auf den Weg des Asylrechts verweisen. Dahin gehören sie nicht. Für diese Menschen müssen wir andere Möglichkeiten schaffen, ihr Glück zu suchen und es auch zu finden, auch bei uns in Deutschland. (Beifall bei der SPD) Deshalb kommt es sehr darauf an, liebe Kolleginnen und Kollegen – da hoffe ich auf große Übereinstimmung hier im Bundestag –, dass wir eine Balance schaffen und dass es uns gelingt, diese Balance gut auszugestalten. Einerseits geben wir schutzbedürftigen Menschen die Chance, hierherzukommen, vorübergehend oder sogar dauerhaft. Wir schaffen auch in der Bevölkerung eine große Akzeptanz für die Flüchtlinge aus anderen Teilen der Welt, damit sie hier aufgenommen werden können. Wir sind alle froh, dass wir inzwischen eine andere Diskussionskultur haben als Anfang der 90er-Jahre und dass es eine große Bereitschaft gibt, diesen Menschen Schutz zu geben. (Beifall bei der SPD) Aber wir müssen andererseits ganz deutlich sagen: Wer nicht bleiben kann, muss irgendwann wieder gehen. Dazu müssen wir vor allen Dingen die Verfahren verkürzen. Das ist eine ganz wichtige Forderung. Wir haben ambitioniert festgehalten, dass wir die Verfahren auf drei Monate verkürzen wollen. Es ist nur fair, richtig und gerecht, Menschen schnell zu sagen, ob sie hier für eine Weile oder auch für länger bleiben können oder nicht. Deswegen bleibt es unsere Aufgabe, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiterhin mit mehr Stellen zu unterstützen und beste Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit im Sinne der Flüchtlinge schneller geprüft und die Verfahren verkürzt werden können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wenn die Menschen hier sind, dann müssen sie ordentlich untergebracht werden, ordentlich versorgt werden und Gesundheitsleistungen bekommen. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Kommunen, sondern auch eine Aufgabe des Deutschen Bundestages. Deshalb müssen wir nicht nur die Kommunen unterstützen, sondern auch das Asylbewerberleistungsgesetz überarbeiten. Das tun wir gerade. Wir müssen auch die Gesundheitsversorgung verbessern. All diejenigen, die sich die Lage der Flüchtlinge in den Unterkünften anschauen, stellen fest, dass sie nicht optimal ist. Auch wenn sie nur kurzfristig bei uns sind, müssen wir hier noch Anstrengungen unternehmen. (Beifall bei der SPD) Wenn wir die Flüchtlinge ermuntern wollen, einen Fuß in unseren Arbeitsmarkt zu setzen, und ihnen den Zugang erleichtern wollen, dann müssen wir auch die Sprachkurse ausbauen. Die Integrationskurse sind nicht für die Flüchtlinge. Wir müssen für die Flüchtlinge Rahmenbedingungen schaffen, damit sie auf unserem Arbeitsmarkt Fuß fassen und hier ihren Beitrag leisten können. Wir haben noch eine ganze Menge am Wickel, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden uns künftig noch mit dem EU-Freizügigkeitsrecht beschäftigen. Das Bleiberecht und Aufenthaltsrecht sowie das Asylbewerberleistungsgesetz werden Gegenstand unserer Debatten sein. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir mit großer Geschlossenheit und Gemeinsamkeit im Sinne der betroffenen Menschen die nötigen Weichen stellen könnten. Das tun wir auch mit dem Bundeshaushalt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte gern noch ein weiteres Thema ansprechen, das für uns alle sehr wichtig ist und das mich persönlich besonders beschäftigt, nämlich das Thema NSU und Schlussfolgerungen daraus. Vor einem Jahr haben wir den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag verabschiedet. Es ist bald drei Jahre her, dass die NSU-Terrorgruppe aufflog und der NSU-Terror bekannt wurde. Deswegen erinnere ich an dieser Stelle daran – das hat auch etwas mit dem Haushalt zu tun –, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, endlich die Konsequenzen aus diesem schrecklichen Skandal und aus den Fehlern, Versäumnissen und Unzulänglichkeiten ziehen zu können. Das bleibt für dieses Parlament eine dauerhafte Aufgabe. Der Thüringer Untersuchungsausschuss hat uns auf 1 800 Seiten drastisch vor Augen geführt, wie stark das Versagen war, wie desaströs die Arbeit der Ermittlungsbehörden war. Deswegen ist es unsere Aufgabe, die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen und Polizei, Verfassungsschutz und Justiz grundlegend zu reformieren. (Beifall des Abg. Martin Gerster [SPD]) Justizminister Maas hat schon zwei Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht; dazu wird im Rahmen der Justizdebatte sicherlich gleich gesprochen werden. Ich möchte aber einmal an die Reform des Verfassungsschutzes erinnern. Herr Minister de Maizière, wir haben das bereits vereinbart. Es ist gut, dass wir das in Ruhe angehen und mit den Ländern besprechen. Wir müssen nun bald aber wirklich vorankommen; denn es gibt eine ganze Menge zu tun. Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich sagen, dass es für uns wichtig ist, die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz auszubauen. Für Bund und Länder ist diese Zentralstellenfunktion des Bundesamtes wichtig. Wir müssen auch eine ganze Menge im Bereich der V-Leute reformieren. Da reicht es nicht, einfach nur Kleinigkeiten zu verändern. Das muss auf ganz andere Grundlagen gestellt werden. Wir müssen die Kontrollen weiter verbessern. Deswegen wäre es sehr gut und richtig und wichtig, die Reform des Verfassungsschutzes hier im Deutschen Bundestag zügig anzugehen und sie mit größter Beteiligung aller auch zu verabschieden. Es ist schon eine ganze Menge zum Thema Salafismus gesagt worden. Der Kampf gegen den Salafismus bleibt eine wichtige Aufgabe und Herausforderung. Es wird sicherlich noch Gelegenheit geben, sich darüber auszutauschen. Das, was bisher von den Kolleginnen und Kollegen dazu gesagt wurde, kann ich, auch im Namen der SPD-Fraktion, vollumfänglich unterstützen. Mehr kann ich heute an dieser Stelle nicht dazu sagen. Nur so viel: Es darf uns nie wieder passieren, wie es uns leider beim Rechtsextremismus passiert ist, dass den Sicherheitsbehörden ein so wichtiges Thema von der Agenda rutscht. Es darf nicht passieren, dass unsere Sicherheitsbehörden nicht so gut aufgestellt sind – das betrifft Polizei, Verfassungsschutz und Justiz –, dass sie die Gefahr, die sich hinter dem gewaltbereiten Islamismus verbirgt, übersehen oder nicht angemessen reagieren. Deswegen müssen wir entsprechend tätig werden. Ich bin bereits als Befürworterin der Olympischen Spiele in Berlin geoutet worden. Ja, ich würde mich freuen, wenn Deutschland die Olympischen Spiele austrägt. Mit Johannes Kahrs muss ich das mit Hamburg noch auskämpfen. Aber wenn es 2024 oder 2028 Berlin wird, wäre das natürlich super. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sollen die Leute denn landen?) – Ich hoffe, dass wir dann auch einen Flughafen haben, lieber Herr Beck. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoch zu Pferde, oder wie?) – Wir werden dann einen Flughafen haben. Ich freue mich auf die weitere konstruktive Debatte zum Haushalt des Innern. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Monika Lazar das Wort. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Faden der Kollegin Högl aufnehmen und etwas zu den Konsequenzen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss sagen. Es gab einen fraktionsübergreifenden, einheitlichen Antrag, für den wir alle waren. Vor der Sommerpause haben wir hier im Bundestag noch über unsere grünen Zusatzvorschläge debattiert. Man kann wirklich sagen: Es liegt alles auf dem Tisch. Das erste Jahr nach der Bundestagswahl ist vorbei. Deswegen kann ich Sie in dem, was Sie gesagt haben, nur unterstützen: Wir alle müssen in die Puschen kommen und zusehen, dass wir vorankommen. Die angesprochenen Ministerien müssen entsprechende Vorlagen erarbeiten. Der Aufgabenkatalog ist sehr vielfältig. Wir sind uns auf alle Fälle darin einig, dass wir uns im Bereich der Prävention weiter engagieren müssen. Im Etat des Innenministeriums gibt es das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“, das die Zivilgesellschaft, insbesondere im ländlichen Raum, stärken soll. Das ist ein gutes Programm. Es ist mit 6 Millionen Euro etatisiert und galt bisher nur für die ostdeutschen Bundesländer. Nun wird es sinnvollerweise auf ganz Deutschland ausgeweitet. Die Zahlen bleiben allerdings die gleichen. Wenn man von 5 Ländern auf 16 ausweitet, der Etat aber bei 6 Millionen Euro bleibt, dann ist dies natürlich nicht genug. Es braucht keine höhere Mathematik, um zu erkennen, dass diese Rechnung nicht aufgeht. (Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt!) Das muss sich noch ändern. Wir werden im Laufe der Haushaltsberatungen auf alle Fälle den Antrag stellen, die Gelder von 6 Millionen Euro auf 10 Millionen Euro zu erhöhen. Ansonsten führt das zu Frustration bei allen, die an diesem Programm teilhaben wollen. Das kann nicht in unserem Sinne sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Auch bei der Sportförderung gibt es nach wie vor große Baustellen. Das Innenministerium hat es im Prinzip erkannt, gehandelt wurde bisher aber nicht ausreichend. Ich glaube, wir alle sind froh, dass der Fehler der beabsichtigten Kürzung der Mittel für „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“ erkannt und die Kürzungen jetzt zurückgenommen wurden, sodass es da entsprechend weitergeht. Allerdings hat der Innenminister in der ersten Sitzung des Sportausschusses Strukturreformen unter anderem im Bereich der Spitzensportförderung angekündigt. Das ist mittlerweile ein Dreivierteljahr her. Wir haben gedacht, dass Sie uns mit dem Haushalt für das nächste Jahr Ihre Vorstellungen dazu unterbreiten; aber bis jetzt können weder wir noch die Öffentlichkeit erkennen, was da geändert werden soll. Wir Grüne können da gerne Denkanstöße geben. Zum Beispiel könnten Sie sich dafür starkmachen, dass nicht mehr der Medaillenspiegel für die Höhe der Fördergelder ausschlaggebend ist, sondern zum Beispiel die Mühen im Antidopingkampf oder die Ermöglichung einer dualen Karriere. Auch wäre es dringend nötig, über das Durcheinander bei der Athletenförderung zu sprechen. Ausdrücklich loben möchte ich, dass nun die Gelder für die Nationale Anti Doping Agentur, NADA, fest eingeplant sind. Wir gehen davon aus, dass damit das übliche Hickhack der letzten Jahre vorbei ist. Die Bundesregierung und die Koalition müssen da ihrer Verantwortung dauerhaft gerecht werden. Aber auch die Mittel, die jetzt in den Haushaltsplan eingestellt wurden, reichen nicht; denn die NADA hat uns im Sportausschuss sehr eindrücklich und plausibel erklärt: Wenn wir auf dem Gebiet der Dopingkontrollen, vor allem bei der Prävention von Doping, nachhaltigen Erfolg haben wollen, reicht 1 Million Euro bei weitem nicht. – Die NADA selber spricht von 10 Millionen Euro. Es ist klar, dass man das wahrscheinlich nicht auf einmal hinbekommt; aber die Tendenz muss da entsprechend sein. (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist nicht nur Aufgabe des Bundes, Frau Kollegin!) Das Thema Doping verfolgt uns momentan auch aus einem anderen Anlass: Am 23. Oktober jährt sich zum 40. Mal die Gründung der DDR-Arbeitsgruppe „Unterstützende Mittel“. Hier wurde erstmals die Abgabe von Dopingmitteln an Minderjährige staatlich verordnet. Auch 24 Jahre nach der Wiedervereinigung ist in diesem Bereich noch längst nicht alles Unrecht aufgearbeitet. Die Opfer des Dopings von damals, die zum Teil bis heute seelisch und körperlich leiden, verdienen unsere breite Unterstützung, über die geleistete Einmalzahlung hinaus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch das wäre ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich habe wirklich große Hoffnung, dass wir da in den nächsten Jahren vorankommen und etwas Geld zur Verfügung stellen. Das sind wir den Opfern schuldig. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Mein Respekt, Kollegin Lazar. Sie sind bei diesem Punkt tatsächlich die erste Rednerin, die es geschafft hat, wirklich in der Redezeit zu bleiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Ich auch!) Das muss man einmal anmerken. Das Wort hat der Kollege Dr. André Berghegger für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Staat ist und bleibt Hüter unserer Rechts- und Werteordnung. Er allein ist für die Durchsetzung von Recht und Gesetz verantwortlich. Im Mittelpunkt unseres innenpolitischen Handelns liegt naturgemäß die innere Sicherheit – übrigens eines der Themen, die die Bürger unter dem Stichwort „subjektives Sicherheitsgefühl“ am meisten bewegen. Deswegen sind wir bei der gezielten Provokation der sogenannten Scharia-Polizei sehr wachsam; wir nehmen sie sehr ernst. Unsere Rechts- und Werteordnung steht nämlich nicht zur Disposition. Wir werden entsprechend handeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Sicherheit und Freiheit sind zwei Begriffe, die untrennbar miteinander verbunden sind: Jede Maßnahme zur Gewährleistung der Sicherheit auf der einen Seite beschränkt auf der anderen Seite die Freiheit. Trotzdem müssen wir umsichtig und selbstbewusst handeln. Wir sind dankbar und glücklich zugleich, in einem in diesem Sinne sicheren und freien Land in Europa leben zu dürfen. Der Blick in andere Teile der Welt zeigt mehr denn je: Es gibt viele – viel zu viele – Regionen, in denen stabile Verhältnisse fehlen und in denen die Menschen in Angst und Schrecken leben. Ich bin der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung deswegen sehr dankbar dafür, dass sie sich gemeinsam mit Deutschlands Partnern für Stabilität und damit auch für die Freiheit der Menschen in diesen Regionen einsetzen. In dieser globalen Situation sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen naturgemäß schwieriger geworden. Dennoch erleben wir zurzeit eine außergewöhnliche Situation: Das erste Mal seit 1969 haben wir einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden. Ich glaube, das kann man gar nicht oft genug betonen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch offensichtlich die Losung der parlamentarischen Geschäftsführung der CDU/CSU: Sagt das jeweils zweimal!) Dieser Einzelplan umfasst rund 5,7 Milliarden Euro. Das Absinken um rund 170 Millionen Euro im Vergleich zum letzten Jahr beruht im Wesentlichen auf dem geplanten Absinken im Bereich der Einführung des Digitalfunks, sprich: des Abbaus der Haushaltsreste dort, und der Erstattung für die Durchführung der Fluggast- und Reisegepäckkontrollen. Zur Struktur dieses Einzelplans nur wenige Stichworte: Es ist ein bunter Strauß an Behörden und Aufgaben. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es 18 Behörden inklusive Ministerium; rund 60 Prozent der Ausgaben sind Personalausgaben, und zwei Drittel der Ausgaben entfallen auf den Bereich der inneren Sicherheit im engeren, eigentlichen Sinne. Deswegen möchte ich zwei Themengebiete herauspicken und etwas ausführlicher ansprechen; sie sind heute – wen wundert es? – schon häufiger erwähnt worden. Erstens: die Asylbewerberzahlen und die Integra-tionsarbeit. Deutschland ist ein attraktives Land für viele Menschen in dieser Welt und Wunschziel. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes stieg die Zuwanderung auf Rekordniveau. 2013 erlebten wir die stärkste Zuwanderung seit 20 Jahren. Die Zahl der Erstanträge von Asylbewerbern hat sich im Vergleich zum letzten Jahr um 60 Prozent auf die erwähnten gut 200 000 erhöht bzw. wird sich erhöhen. Von den Auswirkungen vor Ort kann sich, glaube ich, jeder persönlich ein Bild machen. In meinem Wahlkreis, im Landkreis Osnabrück, gibt es eine Erstaufnahmeeinrichtung in Bramsche-Hesepe. Wenn man mit Vertretern der Kommunen vor Ort über die Situation spricht und sie selbst sieht, erkennt man unzweifelhaft sofort: Wir alle stehen vor einer großen Herausforderung. Der Bund leistet wichtige Beiträge zur Bewältigung dieser Herausforderung, natürlich durch die Aufnahme der Flüchtlinge – das ist gar keine Frage –, aber auch durch die Hilfeleistung in den Krisengebieten vor Ort. Ich glaube, das ist genauso wichtig; denn wenn es möglich ist, müssen wir versuchen, dafür zu sorgen, dass es den Menschen in ihrer angestammten Heimat gut geht. Deshalb wird es immer verschiedene Maßnahmen geben, denen wir uns widmen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich glaube, das hat auch der mehrfach zitierte UN-Flüchtlingskommissar, Herr Guterres, mit Blick auf Deutschland so gesagt. Wir erwarten, dass die Entwicklung anhält. Die Entwicklung ist aber nicht planbar. Wir werden deshalb versuchen, diese Entwicklung an verschiedenen Stellen zu beeinflussen. Der Minister hat vorhin den eindrucksvollen Sieben-Punkte-Plan mit den verschiedenen Eingriffsmöglichkeiten erwähnt. Bereits 2014 wurden 300 zusätzliche Stellen im BAMF zur Beschleunigung der Asylverfahren eingerichtet; 50 weitere werden in diesem Jahr folgen, um den Menschen zu helfen, die wirklich der Hilfe bedürfen. Wir müssen uns weiter anstrengen – ohne Frage –, aber das bedeutet auch, dass Entlastung an anderer Stelle nottut. Die Einstufung der drei mehrfach angesprochenen Länder als sichere Herkunftsländer würde sicherlich helfen. Das sagen nicht nur wir; das hat vor wenigen Tagen auch der Leiter des BAMF in einer Berliner Tageszeitung erwähnt. Eine Lösung wäre hier wünschenswert, zumal es nur um eine Verfahrensvereinfachung geht. Natürlich ist es im Einzelfall weiter möglich, die politische Verfolgung darzulegen. Wir hoffen auf ein gutes Ergebnis in diesem Sinne. Unser Innenminister hat gesagt: Alle haben Anspruch auf ein Asylverfahren; alle, die politisch verfolgt werden, haben Anspruch auf Schutz. Wir können aber nicht alle Mühseligen und Beladenen aufnehmen. – Dem kann ich mich nur anschließen. Insbesondere für die hohe Zahl syrischer Flüchtlinge im Rahmen des Resettlement-Programms sowie für Integrationskurse werden wir im Vergleich zu den Vorjahren 49 Millionen Euro mehr bereitstellen. Damit stehen dem BAMF für die Themen Integration und Migration insgesamt über 300 Millionen Euro zur Verfügung. Ich denke, das ist eine beachtliche Summe. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der zweite Bereich, den ich ansprechen möchte, ist der Bereich der Bundespolizei. Der Etat beträgt knapp 2,5 Milliarden Euro und entspricht damit rund der Hälfte des gesamten Einzelplans. Auch hier sehen wir einen vielfältigen Aufgabenbereich. Die Absenkung in diesem Bereich ist im Vergleich zu anderen Aufgabenbereichen geringer ausgefallen, da wir durch Umschichtungen den Bereich „Festigung der IT-Struktur“ mit 12 Millionen Euro verstärken konnten. Der Großteil der Mittel wird naturgemäß für das Personal ausgegeben. Das Programm zur Hebung von rund 1 300 Stellen bei der Bundespolizei, das wir 2014 begonnen haben, werden wir 2015 fortsetzen. Das schafft Raum für verdiente Beförderungen, motiviert die Mitarbeiter und steigert die Attraktivität des Arbeitgebers. Im Rahmen des Machbaren, das heißt unter Wahrung der haushaltspolitischen Grundsätze, müssen wir aber auch – Stephan Mayer hat das vorhin angesprochen – über den Stellenplan nachdenken. Das gilt auch für andere Behörden des Bundes; ich denke insbesondere an das BSI. Das erfährt, glaube ich, jeder von uns in Gesprächen vor Ort. Das oberste Ziel muss aber immer der ausgeglichene Haushalt sein, ein Haushalt ohne Neuaufnahme von Schulden. Ich möchte an dieser Stelle gerne für die Solidarität mit unseren Polizeibeamten werben, die den Rechtsstaat vertreten und sich jeden Tag für ihn einsetzen. Vielen Dank für die tagtägliche Arbeit! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es ist unsere Aufgabe, für einen ausgewogenen Haushalt in Ihrem Einzelplan zu sorgen, Herr Minister. Ich glaube, dieser Entwurf bietet eine gute Grundlage dafür. Ich freue mich auf die kommenden Gespräche. Vielen Dank für das freundliche Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Fograscher für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gabriele Fograscher (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die krisenhaften Entwicklungen in der Welt haben ganz konkrete und spürbare Auswirkungen auch auf Deutschland. Deutlich wird das an den steigenden Zahlen von Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Terror und Vertreibung sind und bei uns Zuflucht suchen. Die Zahl der Asylanträge steigt, ebenso die Zahl der Bewilligungen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir Vorsorge getroffen haben und bereits im Haushalt 2014 für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 zusätzliche Stellen geschaffen haben und dass jetzt im Haushaltsjahr 2015 weitere 50 Stellen vorgesehen sind. Darüber, ob die im Haushalt vorgesehenen und im Vergleich zu 2014 konstanten Mittel für die Integrationskurse angesichts der rasch steigenden Zahlen anerkannter Asylbewerber ausreichen, müssen wir in den anstehenden Haushaltsberatungen ergebnisoffen diskutieren. Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt, wie Sie, Herr Bundesinnenminister, auch heute wieder gesagt haben. Doch die internationalen Krisen sind eine Herausforderung für die innere Sicherheit: die Radikalisierung junger muslimischer Männer, die Rückkehr von Extremisten aus Syrien und dem Irak, die meist deutsche Staatsangehörige sind, und die etwa 6 000 Salafisten, die in Deutschland die Scharia als islamisches Recht durchsetzen wollen. Wir sind hier doppelt gefordert: Auf der einen Seite müssen wir die Dschihadisten stärker überwachen, Aus- und Einreise mehr kontrollieren, Pässe einziehen, alle bestehenden Möglichkeiten der deutschen Gesetze nutzen. Auf der anderen Seite dürfen wir aber keinen Generalverdacht gegen die große Mehrheit der Muslime, die friedlich in unserem Land lebt, schüren. Wir brauchen einen Spagat zwischen Härte gegenüber den Feinden von Demokratie, Freiheit und Vielfalt sowie Solidarität mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir sind dankbar für das vielfältige ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, zum Beispiel beim THW, bei den Feuerwehren, bei Projekten gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, bei Initiativen für Toleranz und Integration. Dieses Engagement kann sich nur entfalten, wenn auch der Bund und vor allem das BMI weiterhin finanzielle Unterstützung leisten. Wir müssen Lösungen finden, damit sich der Bund weiterhin aktiv am Zivilschutz beteiligt und der Zivilschutz mit dem Bevölkerungs- und Katastrophenschutz besser vernetzt wird. Eine rechtskonforme Lösung für die Ausstattung der Feuerwehren zu finden, wäre besser für die Motivation von Ehrenamtlichen als Kürzungen oder gar ein kompletter Ausstieg des Bundes. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auch zivilgesellschaftliche Projekte im Bereich der Demokratieförderung, Toleranz und Gewaltprävention müssen besser ausgestattet werden; denn aktuelle Ereignisse zeigen, dass im Bereich der Demokratieförderung und Toleranz gegenüber Andersdenken in Deutschland nicht alles zum Besten bestellt ist. Ich erinnere an die Demonstrationen in Berlin. Wütende Menschen arabischer Herkunft haben wegen des Gazakonflikts anti-semitische Parolen bei Demonstrationen in Deutschland gebrüllt. Das ist beschämend. Leider – auch das ist beschämend – griff die Polizei nicht ein. Seit Jahren zeigen mehrere Studien konstant, dass circa 20 Prozent aller Deutschen – diese hohe Zahl ist besorgniserregend – antisemitische Einstellungen haben. Ein weiteres Beispiel: Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat festgestellt, dass ein Großteil der Deutschen Sinti und Roma nicht als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger wahrnimmt. Die Vorurteile gegen diese Bevölkerungsgruppe sitzen tief. Auch die sinkende Wahlbeteiligung, die ihren traurigen Tiefpunkt bei der vergangenen Landtagswahl in Sachsen hatte, zwingt uns zum Handeln. Die Wahlbeteiligung betrug nur 49,2 Prozent. Nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten hat also den Weg zur Urne gefunden oder ihre Stimme per Briefwahl abgegeben. Welche Legitimation hat ein Parlament, wenn nur wenige zur Wahl gehen? Welche Legitimation haben Entscheidungen und Gesetze, wenn sie von Parlamenten beschlossen werden, die von weniger als der Hälfte der Wahlberechtigten gewählt sind? Ich begrüße daher die Initiative von Sigmar Gabriel, ein Bündnis aller demokratischen Parteien ins Leben zu rufen, um die Wahlbeteiligung zu steigern. Die SPD hat bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die entsprechende Vorschläge erarbeiten und diese dann mit allen anderen interessierten Parteien diskutieren soll. Wir müssen weiter für unsere Demokratie werben. Wir müssen die wichtige Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung stärken, in den Kitas und Schulen altersgerecht über Demokratie aufklären, zum Mitmachen einladen, Vorurteile abbauen, Wissen über andere Reli-gionen und Kulturen vermitteln. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt 2015 wird der erste Haushalt seit 46 Jahren sein, bei dem keine neuen Schulden aufgenommen werden. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist der Satz ja wieder!) Der Haushalt des BMI trägt seit Jahren zur Konsolidierung bei. Wenn sich durch den künftigen Schuldenabbau neue Handlungsspielräume ergeben, dann muss davon auch das BMI mit seinen zahlreichen Aufgaben wie der inneren Sicherheit, der Prävention, der Integration, der Förderung des Ehrenamtes und der politischen Bildung profitieren. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Einen schönen Nachmittag von mir Ihnen allen! (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das klang so, als ob wir jetzt gehen können!) – Nein. Ich sagte nur: Guten Tag bzw. einen schönen Nachmittag von mir! Nein, Herr Beck, Sie können jetzt nicht gehen. Sie lauschen jetzt Herrn Gienger. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es denn auch Kuchen heute Nachmittag?) Eberhard Gienger hat das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eberhard Gienger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich auch einen schönen Nachmittag von mir! Ich freue mich, dass auch der Sport hier zur Sprache kommt. Schließlich ist der Sport ein zentraler Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das zeigt sich insbesondere an den 27 Millionen Mitgliedschaften im Deutschen Olympischen Sportbund und nicht zuletzt auch an den über 90 000 Sportvereinen in Deutschland. Sport ist somit die größte Bürgerbewegung in unserem Land. Dass der Sport auch zu einem Imagegewinn bzw. zu einer Veränderung der Wahrnehmung auch im Ausland führen kann, hat zuletzt die Fußballweltmeisterschaft 2006 unter Beweis gestellt. Dies ist auch der Grund, weshalb der Bund und hier das Bundesministerium des Innern den Sport fördern, und zwar in diesem Jahr mit 139 Millionen Euro und im kommenden Jahr mit 140 Millionen Euro. Angesichts der gewachsenen Konkurrenz bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften und anderen internationalen Wettbewerben wollen wir durch eine gezielte Sportförderung dazu beitragen, dass wir weiterhin zur Weltspitze gehören. Dies wollen wir durch verschiedene zentrale Maßnahmen erreichen. Dazu gehört die Grundförderung der Bundessportfachverbände, unter anderem für Stützpunkttraining oder Lehrgänge. Dazu gehören aber auch Maßnahmen zur gezielten Olympiavorbereitung im Rahmen der Top-Team-Förderung. Eine solide finanzielle Basis muss auch für das Leistungssportpersonal bereitgestellt werden. Eine weitere tragende Säule des Spitzensports besteht schließlich aus den Olympiastützpunkten und den Bundesleistungszentren. Der gesamte Umfang der Fördermaßnahmen beläuft sich auf immerhin fast 85 Millionen Euro. Spätestens seit den Olympischen Spielen 2008 in Peking erfährt auch der Behindertensport in der internationalen Aufmerksamkeit zunehmende Bedeutung. Dies begrüßen wir natürlich sehr. Wir unterstützen den Leistungssport von Menschen mit Behinderungen. Dies gilt sowohl für die Bundesstützpunkte im Behindertensport, die wir mit 3,5 Millionen Euro unterstützen, als auch für das notwendige Leistungssportpersonal, für das wir 1,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Im Übrigen werden von der Bundesregierung schon seit langem die gleichen Förderkriterien zugrunde gelegt, und es wird in Relation zur Kaderstärke die anteilig gleiche Unterstützung gewährt wie auch bei den nichtbehinderten Athletinnen und Athleten. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft und das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten wären wir im internationalen Wettbewerb kaum so erfolgreich und konkurrenzfähig. Die komplexe Trainings- und Wettkampfforschung sowie die Technologieentwicklung tragen wesentlich zum Erfolg unserer Athletinnen und Athleten bei. Die Nachfrage bei den Instituten ist nach wie vor sehr hoch. Deswegen werden wir auch im kommenden Jahr in diese Forschungseinrichtungen 13 Millionen Euro investieren. Dabei stehen die Kooperationen von IAT und FES mit zum Teil über 20 Spitzensportverbänden weit oben; über 30 dieser speziellen Projekte sind enorm vielschichtig und anspruchsvoll. Auch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft nimmt – mit einer ganzheitlichen und problembezogenen Perspektive – im wissenschaftlichen Verbundsystem eine zentrale Stellung ein. Auch hier wollen wir durch die verschiedenen Forschungsprojekte Unterstützung einbringen, deren Relevanz weit über den Spitzensport hi-nausgeht. Hier ist exemplarisch das Forschungsprojekt „Rückenschmerz“ zu nennen. Den Aufwuchs im Haushalt des BMI für 2015 um 1 Million Euro für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft begrüßen wir daher sehr. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir die Sportförderung unter die Lupe nehmen wollen. Zusammen mit dem organisierten Sport wollen wir zu einer Optimierung und einer Effizienzsteigerung kommen. Deswegen werden wir unter anderem, Frau Lazar, am 13. Oktober 2014 eine Anhörung im Sportausschuss durchführen, (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist mir bewusst!) wo Sie sich dann entsprechend einbringen können. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir tun!) Viele weitere sportpolitische Ziele fallen ebenfalls in die Zuständigkeit des BMI, zum Beispiel die Förderung der internationalen Sportbeziehungen. Dies ist besonders wichtig im Hinblick auf die derzeitigen Herausforderungen und Konflikte. So konnte zum Beispiel in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China, mit Israel und mit den palästinensischen Gebieten verbessert und ausgebaut werden. Auch auf europäischer Ebene haben wir viele zentrale Wegmarken erreicht, zum Beispiel die Förderung von Fair Play sowie die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Diskriminierung und Gewalt im und durch den Sport. Erfolge im Spitzensport und die Förderung durch den Bund machen nur dann Sinn und haben ihre Berechtigung, wenn sie auf eine saubere Art und Weise erstritten werden. Der nationale und grenzüberschreitende Kampf gegen Doping im Sport zählt daher zu den wichtigsten Aufgaben. Dafür wollen wir über 5 Millionen Euro bereitstellen. Die Dopingprävention fällt darunter, die Dopingforschung und -analytik, die Europäische Beobachtungsstelle für neue Dopingsubstanzen, die Beratungsstelle des Vereins doping-opfer-hilfe und schließlich auch Maßnahmen zur direkten Dopingbekämpfung; aber auch der Zuschuss an die Anti-Doping-Weltagentur wird weitergeführt. Entsprechend den Zusagen im Koalitionsvertrag werden wir die Zuwendungen an die Nationale Anti Doping Agentur in Deutschland um 1,25 Millionen Euro erhöhen. Auch planen wir ein Antidopinggesetz. Aber wie schwierig es ist, ein solches Antidopinggesetz einzuführen, sieht man schon allein daran, dass offensichtlich vonseiten der Grünen die Freigabe von Haschisch gefordert wird (Lachen der Abg. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Von uns auch!) und im Antidopinggesetz dann der Konsum von Haschisch zu einer Straftat werden soll. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Hintze will Gift zum Sterben verteilen, da nehme ich doch lieber Haschisch! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haschisch ist eher nicht leistungssteigernd!) Sie sehen daran, wie schwierig es ist, ein solches Gesetz überhaupt durchzusetzen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege – – Eberhard Gienger (CDU/CSU): Ich bin gleich fertig. In jedem Falle darf ich sagen, dass von uns ein sehr solider Sporthaushalt vorgelegt wurde. Wir schreiben die Kontinuität in der Sportförderung fest. Ich möchte mich an dieser Stelle beim Bundesinnenminister, beim Bundesfinanzminister und schließlich auch bei den Haushältern bedanken, die für uns Überschläge und Klimmzüge gemacht haben und dies natürlich mit harter Arbeit unterlegt haben. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Gienger. – Nächster Redner für die SPD: Matthias Schmidt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gienger, ich danke Ihnen, dass Sie wenigstens überwiegend in Ihrer Rede Ihren Schwerpunkt auf den Bereich des Sports gelegt haben. Daran möchte ich nahtlos anschließen. Der Sport ist bei uns ein Politikfeld, das wir oftmals unterschätzen. Herr Minister, ich verstehe, dass Sie die Sportpolitik und die Olympiabewerbung in Ihrer Rede nur in der Überschrift erwähnen konnten, weil Sie noch viele andere Felder zu beackern haben. In der Bundesrepublik sind – Kollege Gienger hat darauf hingewiesen – 27 Millionen Menschen Mitglieder eines Sportvereins. Darüber hinaus gibt es weitere, die Sport treiben, ohne in einem Verein zu sein, indem sie einfach joggen oder in ein Fitnessstudio gehen. Daneben gibt es natürlich auch viele Menschen, die Sport passiv konsumieren, indem sie sich zum Beispiel am Samstagabend die Sportschau angucken. Für all diese müssen wir etwas tun, Herr Minister. Zunächst einmal herzlichen Dank an den Bundes-innenminister und die Kolleginnen und Kollegen der Sportabteilung für die Erstellung dieses Haushaltsentwurfs. Die Kolleginnen und Kollegen dort sind in keiner leichten Situation, trotzdem haben sie uns eine gute Entscheidungsgrundlage vorgelegt. Wenn man den Haushaltsentwurf 2015 in die Hand bekommt, dann legt man ihn erst einmal neben den Haushalt 2014, bildet Salden und schaut, was beim Sport unter dem Strich herauskommt. Sie wissen natürlich, dass im Haushalt das, was unter dem Strich herauskommt, oben steht; man muss also gar nicht nach unten schauen. Ganz oben steht, dass die Sportförderung von 139,5 Millionen Euro auf 140,1 Millionen Euro angehoben wird, und das, Herr Minister, ist ein sehr gutes Zeichen. Herzlichen Dank! (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Gigantische Steigerung!) – Herr Kollege Hahn, Sie sagen „gigantische Steigerung“. Sie müssen sehen: Wenn man versucht, im Gesamthaushalt keine Schulden mehr anzuhäufen, dann ist es aller Ehren wert, dass die Mittel für einzelne Felder, wie für den Sport, noch angehoben werden. Ich finde, das sollten wir auch entsprechend würdigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die nackten Zahlen des Haushalts sind Ausdruck der Politik, die wir betreiben wollen. Wenn wir uns die einzelnen Titel anschauen und diese den entsprechenden Titeln im Haushalt 2014 gegenüberstellen, dann stellen wir an einigen Stellen einen Zuwachs und an anderen Stellen eine Kürzung fest. Wir haben uns sehr gefreut, dass es einen Zuwachs an Mitteln bei „Jugend trainiert für Olympia“ und bei „Jugend trainiert für Paralympics“ gibt, sodass hier das Niveau aus dem Jahre 2013 wieder erreicht wird, und wir freuen uns, dass die Universiade durchgeführt wird und das Deutsche Turnfest und die Europäischen Makkabi Spiele gefördert werden. Zu IAT und FES hat Kollege Gienger schon etwas gesagt. Auch hier bin ich sehr froh, dass wir das Niveau des letzten Jahres fortschreiben können. Das ist sehr wichtig für den Sport. Ähnlich wichtig ist die Förderung der NADA. Dort haben wir im letzten Jahr 1 Million Euro draufgelegt, um auf ungefähr 4,3 Millionen Euro zu kommen. Diese Million ist fortgeschrieben und um noch einmal eine Viertelmillion Euro erhöht worden. Frau Kollegin Lazar, Sie hatten sich ein bisschen darüber beklagt, dass das von 10 Millionen Euro noch zu weit entfernt sei. Die Förderung der NADA ist eben nicht alleine Aufgabe des Bundes, (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch nicht gesagt!) sondern hier gibt es auch noch andere Beteiligte. Wir wollen die Länder und auch den organisierten Sport nicht aus der Verantwortung entlassen. Ich stelle aber fest: Der Bund ist hier seiner Verpflichtung nachgekommen, und das ist auch gut so. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zu den Kürzungen, die uns natürlich nicht so gut gefallen: Hier ist zum einen das Leistungssportpersonal zu nennen. Die Mittel dafür werden um 1,27 Millionen Euro verringert. Darüber müssen wir im Ausschuss sicherlich noch einmal ausführlich reden. Eine Sache, die uns besonders wehtut und zufällig 350 000 Euro ausmacht, ist die Kürzung beim Posten „Jahresplanungen der Behindertensportverbände“. Ich hoffe, dass es hier keinen Zusammenhang mit den Posten „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“ gibt. Genau darüber wollen wir im Ausschuss noch einmal ausführlich diskutieren, um zu schauen, was wir anschließend daraus machen. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Schmidt. – Der letzte Redner in dieser Debatte: Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Jetzt spricht Bayern Klartext!) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen zuerst einmal der Regierung dafür danken, (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das macht sich immer gut!) dass sie wesentliche Anliegen, die uns im Parlament beim letzten Haushalt, beim Haushalt 2014, gemeinsam beschäftigt haben, bereits im Haushalt 2015 verankert hat. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er bedankt sich bei der Regierung und bei Ihrer Majestät Angela I.!) – Herr Kollege Beck, ich glaube, solche Anliegen wie Integrationskurse – 40 Millionen Euro mehr – und (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind da 40 Millionen Euro mehr?) die humanitäre Aufnahme syrischer Flüchtlinge – 9 Millionen Euro mehr – oder ein erhöhter Ansatz für das Technische Hilfswerk (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) haben uns gemeinsam beschäftigt, und die Regierung hat dies fortgeschrieben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Beck? Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Beck, bitte. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Er will sich bei der Regierung bedanken!) – Das freut mich. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch ich will jederzeit Ihrer Majestät und der Regierung meinen Dank aussprechen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Es geht doch!) Damit ich das in voller Inbrunst tun kann, will ich Sie fragen, wo die 40 Millionen Euro stehen. Unter dem Haushaltstitel 684 12-219 – Durchführung von Integrationskursen – steht unter „Soll 2014“ 244 077, also 244 Millionen Euro, und unter „Soll 2015“ findet sich die identische Zahl: 244 077. Wo sind da die 40 Millionen Euro geblieben? Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Kollege Beck, das kann ich ganz einfach erklären. Sie müssen überlegen, was Sie vergleichen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Haushalt 2014 und den Haushalt 2015 logischerweise!) Im Haushaltsentwurf 2014 waren diese 40 Millionen Euro im Titel für die Integrationskurse nicht enthalten. Dann haben wir als Parlament hier in diesem Haus beschlossen, diesen Titel um 40 Millionen Euro zu erhöhen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das weiß ich alles!) Was die Regierung dann gemacht hat, ist, den Beschluss, den wir hier gefasst haben, im Haushalt 2015 nachzuzeichnen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja toll!) Dafür habe ich mich bedankt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja toll! Die Regierung hält sich an die Beschlüsse des Parlaments! Wahnsinn!) – Natürlich hält sich die Regierung im Haushalt 2014 an die Beschlüsse des Parlaments. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber toll! Die wählen wir noch einmal!) Aber was sie für das Jahr 2015 gemacht hat, ist, die Beschlüsse des Parlaments proaktiv nachzuzeichnen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Großartig!) Ich hoffe, dass wir diese Form der Zusammenarbeit auch in diesem Haushalt an der einen oder anderen Stelle fortsetzen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Taschenspielertricks!) Meine Damen und Herren, Sie werden sich nicht wundern, dass wir als Koalition den Regierungsentwurf grundsätzlich mittragen können. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Nein, das wundert mich nicht!) Aber wir müssen feststellen, dass seit der Aufstellung des Haushalts im Frühsommer die Welt nicht stehen geblieben ist. Verschiedene Vorredner haben bereits den Anstieg der Asylbewerberzahlen genannt. Dieser Herausforderung müssen wir im Haushalt und im parlamentarischen Verfahren begegnen. Wir werden auch prüfen, ob wir zum Beispiel im Bereich des Einzelplans 06 sinnvolle Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine mitfinanzieren können. Deutschland hat eine internationale Verantwortung. Wir werden dieser Verantwortung gerecht werden. Wir werden dabei die Regierung im Haushaltsausschuss aktiv unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Martin Gerster [SPD]) Die verschiedenen Krisenherde in der Welt sind auch eine latente Bedrohung für unsere Sicherheit im Inland. Es wurde ebenfalls angesprochen: Im Moment sind über 400 Inländer, Deutsche oder aus Deutschland stammende Bürger, in den Dschihad bzw. nach Syrien gereist. Möglicherweise wollen sie zurückkommen und den Kampf in Deutschland und in Europa fortsetzen. Wir werden uns deswegen in den Haushaltsberatungen intensiv mit der Ausstattung der verschiedenen Sicherheitsbehörden des Bundes beschäftigen und überprüfen, ob sie dieser Herausforderung mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, in ausreichender und guter Form gerecht werden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Gelegenheit nutzen, ein Thema anzusprechen, das uns im Haushaltsausschuss sehr beschäftigt, das heute aber noch nicht Gegenstand der Debatte war, nämlich die IT des Bundes. Die IT des Bundes kann man natürlich unter Kriterien wie Kosten und Leistungsfähigkeit messen. Aber man muss sie auch unter dem Kriterium der Sicherheit messen. Im Grundgesetz ist die Eigenverantwortlichkeit der Ressorts verankert. Das hat sich bewährt. Das hat aber im Bereich der IT dazu geführt, dass es innerhalb der Bundesverwaltung eine Vielzahl von kleinen und kleinsten IT-Inseln mit eigenen Netzen und Rechenzentren gibt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: IT-Seychellen!) Das hat Folgen. Es wird für die Ressorts und für die Behörden immer schwieriger, die gestiegenen Sicherheitsanforderungen zu gewährleisten. Die Haushaltsmittel und das Fachpersonal sind knapp. Synergiepotenziale, die man zum Beispiel durch eine gemeinsame Beschaffung heben könnte, werden nicht oder nur kaum genutzt. Die Handlungsfähigkeit der Regierung, zum Beispiel im Fall einer großen IT-Krise, ist durch diese verstreuten Zuständigkeiten eingeschränkt. Die Bundesregierung hat am 20. August – der Minister hat es erwähnt – die Herausforderungen und die erforderlichen Maßnahmen in ihrer Digitalen Agenda sehr eindrucksvoll und prägnant beschrieben. Ich verweise in diesem Zusammenhang vor allem auf das Kapitel „Innovativer Staat“. Dieses vom Kabinett beschlossene Dokument unterstreicht den Willen dieser Koalition, den digitalen Wandel aktiv zu gestalten, und es eröffnet im Bereich der Bundesverwaltung die Chance, bei einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit, beim Betrieb und Aufbau von Netzen und Rechenzentren endlich voranzukommen. Wir werden einen solchen ressortübergreifenden Ansatz im Haushaltsausschuss unterstützen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss der Debatte als Hauptberichterstatter noch ein paar allgemeine Bemerkungen zum Haushalt machen. Mit diesem Haushalt macht der Bund keine neuen Schulden mehr. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wurde schon von einem Vorredner gesagt!) – Das ist eine historische Zäsur, auf die man nicht oft genug hinweisen kann, Herr Beck. – Strukturell ist bereits der Haushalt 2014 ausgeglichen. (Zurufe von der LINKEN) Meine Damen und Herren, das ist nicht nur ein Saldo, der sich aus der Haushaltsrechnung ergibt, sondern der ausgeglichene Haushalt ist ein Versprechen, das wir den Menschen und den kommenden Generationen gegeben haben. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ausgeglichene Verschleiß!) Wir dürfen dieses Versprechen auch nicht leichtfertig brechen, wenn wir das Vertrauen der Menschen in den Staat insgesamt nicht gefährden wollen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch nicht bei der Straße und bei der Schiene!) Dieses Versprechen einzulösen, ist nicht ganz einfach. Wir können nicht jeden Wunsch, der an uns herangetragen wird, erfüllen. Schwierig ist es vor allem, wenn er ohne Gegenfinanzierungsvorschlag geäußert wird. Wir müssen uns immer auf die vorsichtige Seite stellen. Es kann zum Beispiel sein, dass sich im Haushaltsverlauf Tatsachen, Sachverhalte ergeben, mit denen man bei der Aufstellung noch nicht gerechnet hat. Früher hätte man dann neue Schulden gemacht. Das geht jetzt nicht mehr. Der damit verbundene Vertrauensverlust wäre gigantisch. Meine Damen und Herren, ich führe das deswegen aus, weil das der Kern der Begründung ist, warum wir im Haushalt 2014 vorsorglich eine Haushaltssperre mitbeschlossen haben. 5 Prozent der Ausgaben sind für den Notfall erst einmal gesperrt. Erst wenn absehbar ist, dass bei den Einnahmen und Ausgaben alles nach Plan läuft, wird das Geld freigegeben. Ich hoffe, dass dies in wenigen Wochen – nach Auswertung der August-Zahlen – der Fall ist und die Behörden, insbesondere auch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, wieder voll auf ihre Ansätze und Ausgabenreste zugreifen können. In der Zwischenzeit haben wir mit dem Bundesfinanzministerium das gute Einvernehmen erreicht, dass unabweisbare Ausgaben auch in diesem Fall genehmigt und geleistet werden können. Ich weiß, dass man für Maßnahmen wie Haushaltssperren keinen großen Applaus erntet. Aber sie dienen einem großen Ziel: die Zeiten der immer weiter steigenden Schulden zu beenden. Unter dieser Maßgabe werden wir in den nächsten Wochen verhandeln. Wir werden versuchen, die zahlreichen Anliegen, die heute in der Debatte von den Fach-politikern geäußert worden sind, mit unterzubringen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit bei den Haushaltsberatungen 2015. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brandl. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Einzelplan 07. Ich eröffne die Debatte. Das Wort hat der Bundesminister Heiko Maas. Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im Haushaltsjahr 2015 stellt unser Ministerium, das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, einen doppelten Rekord auf. Wir haben zum einen die geringsten Ausgaben, zum anderen aber prozentual die höchsten Einnahmen. 73 Prozent unserer Ausgaben sind durch eigene Einnahmen gedeckt. Der Dank geht insbesondere an eine gut geordnete nachgeordnete Behörde, das Bundesamt für Justiz, genauso wie an das Patent- und Markenamt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden aus dem Ministerium in den kommenden Wochen, ja teilweise sogar in den kommenden Tagen wichtige Gesetzgebungsvorhaben abschließend im Kabinett behandeln, um sie dann dem Parlament zur weiteren Beratung und schließlich auch zur Beschlussfassung vorzulegen. Ein Gesetzentwurf, der eben beim Einzelplan 06 schon von Herrn de Maizière angesprochen wurde, nämlich zur Umsetzung der Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses, liegt Ihnen bereits vor. Ich will insbesondere drei Gesetzentwürfe erwähnen, die wir Ihnen in Kürze zuleiten wollen. Das ist zum einen das Gesetz zur Änderung des Sexualstrafrechtes. Es geht um das Gesetz, in dem unter anderem die Verjährung beim sexuellen Missbrauch erst ab dem 30. Lebensjahr des Opfers einsetzen soll, weil wir festgestellt haben, dass viele Missbrauchte erst sehr spät beginnen können, darüber zu reden. Wir verschärfen die Regelungen zur Strafbarkeit der Herstellung und Verbreitung von kinderpornografischen Erzeugnissen. Auch da wissen wir, dass Strafrecht nicht allein helfen kann. Wir haben die Mittel für die Prävention schon im letzten Haushaltsjahr ganz wesentlich angehoben. Aber wir sind auch der Auffassung, dass gerade in diesem Bereich Strafbarkeitslücken nicht akzeptabel sind, und deshalb wollen wir sie schließen. Wir werden uns zum Dritten in dem Gesetzentwurf mit dem Thema Cybermobbing auseinandersetzen und auch hier Strafbarkeitsregeln einführen, weil wir selber darüber erschrocken sind, dass junge Menschen darunter so sehr leiden, dass sie bis hin in den Selbstmord getrieben werden. Ein zweiter wichtiger Gesetzentwurf, den wir innerhalb der Regierung beraten und auch demnächst vorlegen wollen, betrifft die Mietpreisbremse. Ich will noch einmal darauf hinweisen: Bereits seit 2009 steigen in Deutschland zumindest in den Ballungsgebieten die Mieten. Ich nenne einige aktuelle Zahlen: Münster hat ein Plus von 34 Prozent zu verzeichnen, in Hamburg beträgt der Mietpreisanstieg 28 Prozent sowie in München und Berlin jeweils 20 Prozent. Deshalb ist die Einführung einer Regelung überfällig, dass die Miete bei Wiedervermietung nur noch insoweit steigen kann, dass sie um 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Ich will noch auf einen anderen Punkt hinweisen, der immer wieder angesprochen worden ist: Die Mietpreisbremse ist keine Investitionsbremse, weil sie für Neubauten gar nicht gilt. Es gibt aber viele Tausend Menschen, die darauf warten, dass die Mietpreisbremse endlich Realität wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir werden den Gesetzentwurf zur Frauenquote in der Bundesregierung endberaten. Der Teil, den das Justiz- und Verbraucherschutzministerium dazu beisteuert, nämlich die Änderung des Aktiengesetzes, also die Einführung einer gesetzlichen Quote in den Aufsichtsräten, ist ein überfälliger Schritt. Ich will auch hierzu aktuelle Zahlen nennen. Bei den Top-200-Unternehmen ist die Entwicklung in den Aufsichtsräten rückläufig. Nur 15 Prozent der dortigen Mandate sind mit Frauen besetzt. Bei den DAX-Unternehmen ist die Entwicklung in den Vorständen ebenfalls rückläufig. Der Anteil von Frauen in den Vorständen beträgt 6,3 Prozent. Wir werden nur die Quote für die Aufsichtsräte gesetzlich festlegen. Aber wenn eine britische Studie aktuell zu dem Ergebnis kommt, dass von 45 untersuchten Wirtschaftsnationen Deutschland bei der Vertretung von Frauen in Führungspositionen den letzten Platz einnimmt, dann ist es wirklich Zeit, dass wir dieses Gesetz jetzt auf den Weg bringen. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, auch im Verbraucherschutz sind bereits nicht unwesentliche Dinge auf den Weg gebracht worden. Aber wir haben uns insbesondere für die kommende Zeit einiges vorgenommen. Ich will nur aktuelle Dinge kurz ansprechen. Fast 50 Prozent aller Ausgaben in Deutschland werden heute ohne Bargeld abgewickelt. Überweisungen, Lastschriften und Bankkarten: Für all dies braucht ein Mensch ein Girokonto. Trotz mancher Anstrengung in der Vergangenheit bleibt es aber bedauerlicherweise eine Tatsache: Noch immer wird zu vielen Menschen in Deutschland ein eigenes Bankkonto verweigert. Die Betroffenen geraten dabei – das erkennen wir immer wieder – in einen Teufelskreis. Wer kein eigenes Konto hat, erweckt Misstrauen und hat es schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden und eine Wohnung anzumieten, und ist auch bei vielen anderen lebenswichtigen Dingen eingeschränkt. In der kommenden Woche tritt nun die EU-Richtlinie in Kraft, mit der das Girokonto für jedermann endlich Wirklichkeit werden soll. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir diese Initiative unterstützen. Die Bundesregierung beginnt nun mit der Umsetzung und verfolgt dabei das klare Ziel, die Diskriminierung beim Zugang zum Girokonto grundsätzlich zu beenden. Ich finde, dass das ein guter Anlass ist, vertieft in die Arbeit einzusteigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ein eigenes Konto eröffnet die Chance, am Finanzleben teilzuhaben. Aber es ist für viele Verbraucherinnen und Verbraucher auch zu einem Risiko geworden. Das hängt vor allen Dingen mit den hohen Zinsen für Überziehungskredite zusammen. Wir müssen sicherstellen, dass die Dispozinsen in Zukunft nicht, wie es in der Vergangenheit und der Gegenwart noch viel zu häufig der Fall ist, zu einer Schuldenfalle für Verbraucherinnen und Verbraucher werden. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es Kreditinstitute gibt, die darauf bereits mit vernünftigen Maßnahmen reagieren. Aber ich will auch in aller Deutlichkeit sagen: Wenn ich mir die eine oder andere Begründung der Banken für ihre hohen Überziehungskreditzinsen anschaue, dann komme ich zu dem Schluss, dass eine Bank, deren Geschäftsmodell auf Überziehungszinsen von bis zu 14 Prozent angewiesen ist, kein wirkliches Geschäftsmodell hat. Niemand kann mir erzählen, dass dem nicht so ist. Deshalb werden wir hier tätig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Wir wollen zukünftig die Banken in dieser Sache stärker in die Verantwortung nehmen. Die Zinsen und die Höhe der Zinssätze müssen offengelegt werden. Das schafft mehr Transparenz als bisher. Wir wollen außerdem eine Beratungspflicht schaffen. Wenn ein Verbraucher über lange Zeit tief in den roten Zahlen steckt, dann soll die Bank künftig ihren Kunden ansprechen. Sie soll ihm aufzeigen, welche Alternativen es zu den teuren Dispokrediten gibt und wie er zum Beispiel durch eine Umschuldung aus der Schuldenfalle herauskommen kann. Ich finde, dass das eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, erst recht dann, wenn man der Werbung der Banken im Fernsehen glauben darf. Da die Realität leider anders ist, wollen wir mit einer Beratungspflicht der Entwicklung auf die Sprünge helfen. Das ist nach wie vor bitter nötig. (Beifall bei der SPD) Das ist weder eine Bevormundung noch eine Überregulierung. Ich bin der Auffassung, dass moderne Verbraucherpolitik insbesondere dann sinnvoll ist, wenn sie verbraucherfreundliche Entwicklungen anstößt. Sie ersetzt sicherlich nicht die Eigenverantwortung der Verbraucher. Aber wir wollen mit solchen Maßnahmen Rechte und vor allen Dingen den Rahmen schaffen, in dem die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Eigenverantwortung wahrnehmen können. Die Politik tut gut daran, gute Ideen – das ist in den bereits erwähnten Fällen auch so gewesen – aus Wissenschaft, NGOs und der Zivilgesellschaft noch stärker als bisher zu berücksichtigen. Wir werden dies in meinem Ministerium auch tun. Im Herbst nimmt der neu eingerichtete Sachverständigenrat für Verbraucherfragen seine Arbeit auf. Wenn es seit Jahrzehnten selbstverständlich ist, dass die sogenannten Wirtschaftsweisen der Bundesregierung Ratschläge geben, dann ist es vielleicht sogar überfällig, dass es einen vergleichbaren Sachverständigenrat gibt, der der Bundesregierung Hilfestellung und Hinweise gibt, wenn es darum geht, die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen und auch ihnen eine starke Stimme zu geben. Das tun wir jetzt. Wir werden das Projekt der Marktwächter auf den Weg bringen, wenn uns die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dieses Projekt ist außerordentlich wichtig. Wir wollen mit den Finanzmärkten beginnen und es dann im Internetbereich fortsetzen. Die verbraucherschutzrelevanten Maßnahmen, die wir in der digitalen Welt auf den Weg bringen müssen, werden uns sicherlich noch viel Arbeit bereiten. Sie sehen, wir sind außerordentlich dankbar dafür, dass die Arbeit, die wir uns vorgenommen haben, auch mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wird. Dazu wollen wir in den anstehenden Beratungen unseren Teil beitragen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Heiko Maas. – Nächster Redner in der Debatte ist Roland Claus für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Traditionsgemäß lässt die Opposition bei der Beratung über den Justizhaushalt immer eine gewisse Milde walten. Das hat zum einen den Grund darin, dass es eine ganze Reihe von Vorhaben, die Sie soeben angekündigt haben, gibt, die durchaus unsere Unterstützung finden, das hat zum anderen aber auch damit zu tun, dass die Opposition natürlich ihrerseits an einer leistungsfähigen Justiz interessiert ist, sind es doch häufig erst die Gerichte, die parlamentarischen Mehrheiten oder auch Verwaltungen Einhalt gebieten, wenn diese zuweilen geltendes Recht brechen oder in Einzelfällen dagegen verstoßen. Dass das vorkommt, haben Sie jüngst bei den Kommentierungen von Beobachtungen von Bundestagsabgeordneten meiner Fraktion wahrgenommen. Daraus folgt: Die Opposition wird dem Justizminister zuweilen helfen, und deshalb sollte umgekehrt gelten: Der Justizminister sollte es sich mit der Opposition nicht verscherzen. Ich denke, da können wir Einigkeit erzielen. (Beifall bei der LINKEN) Es gibt eine Reihe von Gründen, die diesen Haushalt umso vieles wichtiger machen, als er es bisher schon war. Zwei davon heißen NSU, Nationalsozialistischer Untergrund, und NSA, die amerikanische Sicherheitsbehörde, und die Enthüllungen Edward Snowdens. Ich denke, da geht es nicht mehr mit einem Weiter-so, da sind neue Ansätze gefragt. Wir müssen uns doch nur einmal eines vor Augen halten: Während wir in diesen Minuten diesen Etat beraten, werden erneut Daten von Handys und von PCs auch aus der Mitte des Parlaments auf US-amerikanischen Servern gesammelt. Jetzt ist doch die Frage: „Wollen wir uns daran gewöhnen, oder wollen wir uns dagegen zur Wehr setzen?“, wobei wir für Letzteres wären. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Gefahr besteht doch darin, dass mit einer schleichenden Unterwanderung des Rechtsstaates bisherige Standards der Vergangenheit angehören. Deshalb, denke ich, müssen wir die Idee des Rechtsstaates neu denken, um die Idee vom Rechtsstaat zu bewahren. (Beifall bei der LINKEN) Ich würde in dem Zusammenhang gern die Bundeskanzlerin zitieren, die am 23. Februar 2012 auf der Gedenkveranstaltung für die Opfer des NSU zu den Hinterbliebenen gesagt hat: Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären, um die Helfershelfer und -Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck. Es sind seitdem zweieinhalb Jahre vergangen. Die Untersuchungsausschüsse im Bundestag, im Thüringer Landtag und in anderen Landtagen brachten zutage, dass dieses Versprechen der Kanzlerin schon deshalb nicht erfüllt werden kann, weil nach dem Tod der beiden NSU-Terroristen Böhnhardt und Mundlos ungezählte Akten vernichtet wurden. Ich frage mich, ob aus dem Versprechen der Bundeskanzlerin einerseits und den massiven Vorwürfen der Untersuchungsausschüsse an Verfassungsschutz, Polizei und auch die Justiz andererseits nicht der Schluss zu ziehen wäre, auch im Haushalt des Ministeriums die Vorsorge zu treffen, um hier zu anderen Ansätzen zu kommen. Wo bleibt beispielsweise ein Titel „Aufarbeitung von Justizversagen beim NSU“, wo bleiben die Ansätze zur besseren Fort- und Weiterbildung von Juristinnen und Juristen auf diesem Gebiet? Wir haben festgestellt: Nichts ist wirklich aufgeklärt. Es waren Prozesse, die mit den Begriffen Schreddern, Vertuschen, Korpsgeistverhalten und Kompetenzwirrwarr zu beschreiben sind. Nur eine Frage: Konnte V-Leuten bei den Nazis Geld und Straffreiheit wirklich ohne staatsanwaltschaftliche Beteiligung zugesichert werden? Ich denke, wer Zivilcourage will, muss hier auch Justizcourage zeigen. (Beifall bei der LINKEN) Ich meine natürlich eine Justizcourage, die den Leuten Mut und nicht Angst macht. Bekanntlich irrt Justitia manchmal. Den Bundestag und damit uns alle erreichen viele Vorschläge, so etwas wie einen Justizopferfonds einzuführen. (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Ich denke einmal, Sie werden das ganz sicher anders nennen. Aber so etwas auf den Weg zu bringen, wäre schon ein wichtiger Schritt; denn es gibt viele Betroffene, und für sie wäre schon die nächste Instanz eine In-stanz zu viel. Herr Minister, ich will noch ein paar Worte zum Bereich des Verbraucherschutzes sagen. Da haben wir es mit einer Einzigartigkeit, ja mit einem Kuriosum zu tun. Wir haben ein Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, und wir haben ein Bundesamt für Verbraucherschutz. Wenn man das so hört, geht man wie selbstverständlich davon aus, dass dieses Bundesamt im Geschäftsbereich dieses Ministeriums angesiedelt ist. Ist es aber nicht! Angesiedelt ist dieses Bundesamt im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Ich glaube, da haben Sie sich ganz schön über den Tisch ziehen lassen, Herr Bundesminister. Wir wollen, dass dort, wo Verbraucherschutz draufsteht, auch Verbraucherschutz drin ist. Dass das klar ist! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dass die Linke in Regierungsverantwortung gute Dinge auf den Weg bringen kann, können Sie auch daran sehen, dass die Regierung in Brandenburg mit der Verbraucherschutzministerin Anita Tack den von Ihnen schon genannten Bundesratsbeschluss zur Begrenzung von Dispozinsen initiiert und dann auf den Weg gebracht hat. Wenn die Bundesregierung diesem Vorschlag jetzt zustimmen will, haben wir einiges erreicht. (Beifall bei der LINKEN) Wir werden Ihnen in den Beratungen erneut einige Vorschläge unterbreiten, wie wir mit dem Deutschen Patent- und Markenamt in München noch besser umgehen können. Sie wissen, da sind wir immer für Vorschläge gut. Erfreulich ist, dass die Bundesregierung den Vorschlägen aus der Opposition diesmal schon im Ansatz ein Stück weit gefolgt ist – ein viel zu kleines, wie wir meinen; aber wir bleiben dran. Insofern stehen wir vor spannenden Beratungen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Claus. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Finanzminister haben es versucht und haben es auch beherzt angekündigt, aber unser Finanzminister, Dr. Schäuble, schafft es jetzt. Ich möchte deshalb an den Anfang meiner Rede mein Lob, meinen Dank und meine Anerkennung an die Haushälter der Fraktionen und der Koalition richten, dass sie dazu beigetragen haben, dass zum ersten Mal der Entwurf eines Haushaltes ohne Neuverschuldung vorgelegt wird. Ich denke, wir werden uns alle sehr darum bemühen, dass dieser Entwurf das Gesetzgebungsverfahren übersteht, sodass am Ende ein ausgeglichener Haushalt stehen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Nicht nur als Rechtspolitikerin, sondern auch als Mutter von drei Kindern, Großmutter eines kleinen Enkelkindes und als Nordrhein-Westfälin freue ich mich sehr darüber. In Nordrhein-Westfalen sind wir im Moment anderes gewohnt: Da trinkt die Regierung nur noch Leitungswasser und kann sich noch nicht einmal Sprudel leisten, (Burkhard Lischka [SPD]: Na ja!) weil man dort eben nicht so talentiert im Umgang mit Geld ist. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich trinke auch Leitungswasser, obwohl ich mir Sprudel leisten kann!) Ich möchte auf den Justizhaushalt eingehen, der der kleinste aller einzelnen Haushalte ist. Er umfasst 0,16 Prozent des Gesamtvolumens der Einnahmen und 0,22 Prozent des Gesamtvolumens der Ausgaben. Durch Gebühren und Einnahmen in seinem Geschäftsbereich liegt die Deckungsquote aber bei immerhin 73 Prozent. Das sind natürlich Zahlen, mit denen wir Rechtspolitiker uns beim Finanzminister beliebt machen können. Unser Schwerpunkt liegt eben nicht im Verteilen von Geld, sondern in guten Regeln, in guter Rechtspolitik. Aber so ganz ohne Geld geht es natürlich auch nicht. Aus dem Einzelplan Justiz und Verbraucherschutz werden zum Beispiel die Bundesgerichte finanziert. Herr Minister, wir waren am vergangenen Freitag beim Bundesverwaltungsgericht, als dort die Amtseinführung seines neuen Präsidenten und seines neuen Vizepräsidenten stattfand. Es wurden Reden gehalten, und es wurde auch die Bedeutung des Bundesverwaltungsgerichtes herausgehoben. Sie selber haben Gustav Radbruch zitiert, der gesagt hat: Gerade die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Schlussstein des Rechtsstaats, weil sie den Bürgern die Möglichkeit gibt, gegen Eingriffe seitens des Staates und der Verwaltung vorzugehen. Es war gerade 25 Jahre und einen Tag her, dass die erste Montagsdemo stattgefunden hat, bei der die Menschen genau darum gekämpft und dafür demonstriert haben. Ich denke, wir haben da einem sehr würdigen Akt beigewohnt. Aber im gleichen Atemzug, Herr Minister, nehmen Sie dort eine Stelle weg. Sie streichen eine Richterstelle und ziehen die Stelle praktisch ins eigene Haus, geben das Geld also für zusätzliche eigene Ministerialbeamte aus. Das, denke ich, geht nicht. Wir können nicht das Bundesverwaltungsgericht, Teil der dritten Staatsgewalt, hier behandeln wie eine nachgeordnete Behörde. Da nimmt man Geld aus dem einen Haushalt und verleibt es dem eigenen ein. Dazu ist das Bundesverwaltungsgericht zu wichtig. Wir haben einige große Planungsvorhaben. Bei denen ist es nicht untypisch, dass sich Gerichtsverfahren anschließen. Die dürfen nicht deshalb länger dauern, weil wir weniger Richter und mehr Ministerialbeamte haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben in der Rechtspolitik ein sehr breit gefächertes Feld von Themen. Man kann nicht alles beleuchten. Ich möchte heute vor allem auf das eingehen, was wir in der Rechtspolitik gerade vonseiten der Union tun wollen, um den Mittelstand, den wirtschaftlichen, aber auch den gesellschaftlichen Mittelstand, zu stärken, weil er das Rückgrat unserer Wirtschaft und auch der Gesellschaft ist. Er ist es deshalb wert, dass man sich hier besonders um ihn kümmert. Wir haben in diesem Zusammenhang vor der Sommerpause bereits das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr beschlossen und damit den exorbitanten Zahlungsfristen, die es teilweise gab, ein Ende gesetzt. Wir haben uns da ganz bewusst gemeinsam für die mittelstandsfreundliche Variante entschieden. Wir wollen nicht dabei stehen bleiben, sondern viele Punkte, die der Koalitionsvertrag enthält, jetzt auf die Agenda setzen. Als erstes Beispiel nenne ich das Insolvenzrecht. Hier brauchen wir mehr Planungssicherheit für Unternehmen. Wir haben in der Vergangenheit verstärkt Fälle geschildert bekommen, in denen Insolvenzverwalter hohe Forderungen an Unternehmer oder typischerweise an kleine Handwerker gestellt haben, die Jahre zuvor ihrem Geschäftspartner, der später in Insolvenz gegangen ist, Kredite gegeben, Zahlungsfristen eingeräumt haben – völlig geschäftstypische Vorgänge, auch gewünschte Vorgänge, gerade in Branchen, die saisonabhängig sind. Diese Unternehmer, diese Handwerker wurden dafür bestraft, dass sie ihrem Geschäftspartner solche Fristen eingeräumt haben. Wir denken, es kann nicht sein, dass so etwas im Nachhinein bestraft wird, nämlich dadurch, dass noch Jahre später das Geld, das man für erbrachte Leistungen bekommen hat, in die Konkursmasse zurückgeholt werden kann. Hier müssen wir trennen zwischen geschäftstypischem und gewünschtem Verhalten auf der einen Seite und missbräuchlichen Fallgestaltungen auf der anderen Seite, die es natürlich auch gibt und bei denen eine Anfechtung berechtigt ist. Hier müssen wir uns um Kriterien kümmern, die das eine vom anderen trennen. Wir haben das vereinbart. Sie haben es auch versprochen. Ich hoffe, dass wir bald eine gute Beratungsgrundlage bekommen und das dann auch noch in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Konzerninsolvenzrecht einbeziehen können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein zweiter Punkt ist das Gewährleistungsrecht, auch gerade für Handwerker ein wichtiger Punkt. Da gibt es eine Unwucht zulasten mittelständischer Unternehmen, gerade in den Fällen, in denen die Produkte, die verwendet werden, die zum Beispiel eingebaut werden, unerkannte Mängel haben. Nehmen Sie als Beispiel den Handwerker, der Fliesen einbaut, die äußerlich makellos sind, aber dann schnell brüchig werden! Dann kann sein Kunde ihn in Anspruch nehmen. Er muss alles wieder herrichten, kann seinerseits natürlich seinen Lieferanten in Anspruch nehmen, bleibt aber auf den Kosten des Einbaus oder Umbaus sitzen, obwohl sein Lieferant möglicherweise schuldhaft schlechtes Material geliefert hat. Da wollen wir einen Regressanspruch etablieren, damit derjenige haftet, der den Mangel auch zu verantworten hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ein weiterer Punkt, um es unseren mittelständischen exportorientierten Firmen einfacher zu machen: Wir diskutieren im Moment auch auf europäischer Ebene über die Etablierung einer neuen Gesellschaftsform, die es erleichtern soll, in verschiedenen europäischen Staaten unternehmerisch tätig zu sein. Im Moment liegt ein Richtlinienvorschlag zur SUP, Single Member Company, auf dem Tisch, der sich am angelsächsischen Vorbild orientiert. Aus unserer Sicht gibt es Nachteile beim Vertrauensschutz, was notariell geprüft wird oder nicht. Wir haben sehr schwache Vorgaben beim Haftungskapital, und wir haben – auch das ist relevant – deutlich schlechtere Rahmenbedingungen bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im jeweiligen Kontrollgremium. Das ist nicht unsere Vorstellung von einer neuen europäischen Gesellschaftsform. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollen einen besseren Ansatz. Den gibt es auch schon. Die SPE, eine andere Gesellschaftsform, orientiert sich mehr an unserem System. Hier habe ich die herzliche Bitte – ich glaube, wir sind uns hier einig; das entnehme ich Ihrer Reaktion –, dass wir uns auf europäischer Ebene rechtzeitig aufmachen, um bei anderen Ländern Verbündete zu suchen; denn nicht jeder findet automatisch das deutsche System besser als das angelsächsische. Ich bin davon überzeugt, dass unser System maßgebliche Vorteile hat und dass es sich lohnt, es auch auf europäischer Ebene zu etablieren. Der nächste Punkt bezieht sich auf die Frauenquote. Ich freue mich sehr, dass wir in dieser Legislaturperiode maßgebliche Schritte machen werden, damit es letztlich auch in den Führungspositionen nur noch auf die Qualifikation und nicht mehr auf das Geschlecht ankommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich bin auch dankbar, wenn wir in dieser Phase darauf achten, wie das Ganze praktikabel umgesetzt werden kann; und wir sollten ein offenes Ohr dafür haben, wo es in der Praxis Umsetzungsschwierigkeiten gibt. Sie sind naturgemäß da am größten, wo die Gremien kleiner sind oder auch die Familienbindung eines Unternehmens größer ist. Für ein familiengebundenes Unternehmen – anders ist die Situation in einem nichtfamiliengebundenen Unternehmen – ist es schwierig, die Frauenquote zu erfüllen, wenn es nur Söhne gibt. Ich bin sehr dankbar, dass wir die Freiheit und die Flexibilität haben, darauf einzugehen; denn davon wird die Akzeptanz der Frauenquote abhängen und damit auch die Frage, wie sehr sie funktioniert. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Widerspruch hinweisen. Maßgebliche Impulse für diese Frauenquote kamen aus Europa. Die Justizkommissarin Viviane Reding hat Druck gemacht und unsere Diskussion ein Stück weit mitbestimmt. Jetzt haben wir den Befund, dass gerade bei der Europäischen Gesellschaft, der SE, diese Quote nicht verbindlich gilt, sondern nur für Aktiengesellschaften. Das ist letztendlich ein Paradoxon; das muss man wirklich sagen. Von Europa kam diese Vorgabe, und jetzt ist die europäische Gesellschaftsform geradezu der Ausweg, um sich der verpflichtenden Vorgabe zu entziehen. Das betrifft Firmen, die eigentlich klare Kandidaten für diese Quote wären: BASF, SAP, Allianz usw. usf. Ich rege an, dass wir auf europäischer Ebene vorschlagen, dass dieser Widerspruch aufgehoben wird. Ich lege dem Minister ans Herz, dies in Brüssel anzusprechen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die letzten Sekunden nutze ich für ein Thema, das zunehmend wichtiger wird. Das betrifft die Situation der Syndikusanwälte. Es gibt ein aktuelles, viel beachtetes Urteil des Bundessozialgerichtes, das sich auf die gesetzliche Rentenversicherung bezieht und auf die Frage, unter welchen Bedingungen Syndikusanwälte davon befreit werden können. Es gibt eine langjährige Praxis: Angestellte Syndikusanwälte können dann, wenn sie weisungsungebunden, rechtsgestaltend und beratend für ein Unternehmen tätig sind, im Versorgungswerk der Rechtsanwälte bleiben. Das ist bisher die Grundlage für berufliche Verläufe, die sehr flexibel sind, die von den Unternehmen erwartet werden und die einen Mehrwert an Erfahrung bieten. Wenn das unterbunden wird, dann führt das zu sehr viel Verunsicherung und zu schlechteren Ergebnissen. Es ist klar: Wer durch einen beruflichen Wechsel aus seiner gewohnten Altersversorgung aussteigen muss, wird sich den Wechsel dreimal überlegen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Wir sind daran interessiert, an einer flexiblen und sachgerechten Lösung zu arbeiten, und haben uns das auch fest vorgenommen. Die ersten Vorschläge und Überlegungen liegen bereits vor. In diesem Sinne werden wir weiter dafür sorgen, dass gute Rahmenbedingungen für unseren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mittelstand gegeben sind. Ich wünsche uns weiterhin gute Beratungen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahrlich, wir diskutieren hier einen besonderen Etat. Der Kollege Roland Claus sprach von Milde der Opposition. Keine Sorge: Ich werde sparsam damit umgehen. Der Minister und Sie, Frau Winkelmeier-Becker, haben erwähnt, dass wir über den mit Abstand kleinsten Etat eines Ministeriums in der Bundesregierung reden. Ich will den Zuschauerinnen und Zuschauern ein illus-tratives Beispiel geben: Allein die Kürzung, die die Große Koalition im letzten Haushalt in der Nacht der Bereinigungssitzung an den Mitteln für das Verteidigungsressort vorgenommen hat – das waren 400 Millionen Euro –, entspricht fast den Ausgaben, die Heiko Maas im Jahr 2015 tätigen können soll, nämlich 414 Millionen Euro. Man könnte versucht sein, zu denken, wir würden hier über einen Geschäftsbereich der Bundesregierung reden, der unbedeutend wäre. In dieser Debatte – das will ich auch als Hauptberichterstatter für diesen Etat sagen – ist bereits deutlich geworden: Es geht nicht nur um Geld. Wir alle – egal von welcher Fraktion – haben Interesse an einem funktionierenden Justizsystem. Natürlich braucht es hier vor allem kluge und gut gemachte Regeln. Ich will der Koalition an einer Stelle entgegenkommen: Man braucht im Bereich des Verbraucherschutzes sogar kluge Regeln und Normen. Jetzt kommt das große Aber. In einem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dessen Teile erst noch zusammenwachsen müssen, ist Geld vielleicht nicht alles, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, da geht ohne Geld manchmal auch nichts. Da reicht es nicht aus, dass nur ein Drittel der Mittel für den Verbraucherschutz bei dem Neuzuschnitt der Ministerien in das BMJV gelangt ist. Der Verbraucherschutz ist, wie auch im Haushalt 2014, leider immer noch chronisch unterfinanziert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will dies an zwei Themen deutlich machen. Die Marktwächter wurden bereits angesprochen. Im letzten Haushalt hat die Koalition Mittel für eine Anschubfinanzierung für einen Marktwächter im Bereich des Finanzmarkts in Höhe von 2,5 Millionen Euro eingestellt. Sie haben sich in Ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, Marktwächter für den Finanzmarkt und für die digitale Welt zu schaffen. Damit Sie mich richtig verstehen: Das ist auch bitter notwendig. Wenn wir eine Lehre aus der Finanzkrise ziehen sollten, dann ist es, dass wir die Lobby der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken müssen. Heute Morgen sprach Wolfgang Schäuble über die Industrie 4.0, über die Digitalisierung unserer Wirtschaft und über neue Geschäfts- und Nutzungsmodelle. Wenn wir auch daraus eine Lehre ziehen wollen, dann muss die Lehre heißen, dass die Lobby, die Interessenverbände und die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Bereich unbedingt gestärkt werden müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es reicht eben nicht aus, wenn Sie die Mittel im Etatansatz nur um 800 000 Euro erhöhen wollen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband selbst spricht von einem Bedarf für eine Anschubfinanzierung in Höhe von 7 Millionen – und nicht von 3,3 Millionen Euro, die es dann eigentlich wären. Wenn beide Marktwächter dann hoffentlich aktiv sind, kommt mittelfristig ein Finanzbedarf von insgesamt etwa 14 bis 15 Millionen Euro auf uns zu. Bevor die geschätzten Kollegen Gröhler und Rohde mir später entgegnen, dieses Geld sei in Zeiten einer schwarzen Null nur schwer im Einzelplan zu finden, will ich schon jetzt erwidern: Was Sie eben nicht tun können, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, ist, einen Koalitionsvertrag zu verabschieden und zu sagen: Alle nicht prioritären Vorhaben müssen aus den Einzelplänen finanziert werden. – Dann schneiden Sie die Ministerien neu zu – das können Sie ja tun; es gibt durchaus Gründe dafür, das so zu sehen, wie Sie es sehen –, statten dann die Häuser aber nicht mit den Mitteln aus, die erforderlich sind, um diesen Koalitionsvertrag umsetzen zu können. Nein, ich will es viel deutlicher sagen: Sie haben ein Ministerium geschaffen, auf das Ihr eigener Koalitionsvertrag nicht anwendbar ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will einen zweiten Punkt im Bereich des Verbraucherschutzes erwähnen: die institutionelle Förderung. Jetzt steht zwar ein Grüner vor Ihnen, aber ich habe mich in meinem Studium viel mit Ludwig Erhard und den Vätern der sozialen Marktwirtschaft befasst. (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Ich habe mich lange gefragt: Was würde wohl Ludwig Erhard in einer Situation wie der heutigen sagen, (Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Sehr guter -Ansatz!) in der wir es zunehmend mit Lobbyinteressen, Digitalisierung und Internationalisierung unserer Wirtschaft zu tun haben? – Wenn man in Schriften von Erhard und -Eucken schaut, dann sieht man, dass dort sehr wohl davon gesprochen wird, dass wir mündige Konsumentinnen und Konsumenten brauchen, dass wir das abbauen müssen, was der Fachmann oder die Fachfrau als Informationsasymmetrie bezeichnet. Wenn wir mündige und mächtige Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann geht es eben nicht, was Sie in Ihrem Haushaltsentwurf bei den Mitteln für den Verbraucherzentrale Bundesverband und die Stiftung Warentest vorsehen. Die Mittel für den Verbraucherzentrale Bundesverband erhöhen Sie nur in sehr geringem Maße; damit kann man nicht einmal Tarifsteigerungen auffangen. Bei der Stiftung Warentest toppen Sie das noch: Sie setzen nicht nur das, was in Ihrem Koalitionsvertrag auf Seite 125 steht, nämlich dass die Zuwendungen erhöht werden sollen, nicht um – nein, Sie kürzen die Mittel sogar. Das ist ein Widerspruch zu dem, was Sie vor einem Jahr verabredet haben. Da werden wir Grüne Ihnen in den Haushaltsberatungen aufzeigen, was wir anders machen würden und wie wir die institutionelle Förderung der Arbeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher stärken würden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Ich will zum Schluss kommen. Als Hauptberichterstatter freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, im Haushaltsausschuss, mit Roland Claus, Dennis Rohde und Klaus-Dieter Gröhler; ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Ministerium. Ich hoffe, dass wir am Ende dieser Haushaltsberatungen nicht nur – wie heute – irgendwie fröhlich sind, dass wir einen Haushaltsplan ohne neue Schulden vor uns haben, sondern dass wir in ein paar Wochen auch einen Verbraucherschutz- und Justizetat endberaten werden, der den Herausforderungen der Zeit wirklich gerecht wird und ein wirklicher Etat für den Verbraucherschutz ist. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Lindner. – Nächster Redner in der Debatte: Dennis Rohde für die SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dennis Rohde (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist das Land der Ideen und Innovationen: Ingenieurskunst, medizinischer Fortschritt, Logistik, Transport und zukunftsweisende Entwicklungen im Internet (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und im Fußball!) stehen exemplarisch für eine führende Rolle auf dem Markt der Ideen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen, dass das auch so bleibt. Denn unsere Wirtschaft verdankt einen guten Teil ihrer Stärke und Robustheit eben gerade dem Erfindungsreichtum von Unternehmern, von Wissenschaftlern und von Tüftlern. Diese Stütze unserer Wirtschaft wollen wir schützen und noch weiter verstärken: schützen zum einen durch ein Urheberrecht, das auf der Höhe der Zeit ist, schützen aber auch – ich möchte das zum Hauptgegenstand meiner Rede zum Entwurf des Einzelplans 07 machen – durch eine Stärkung der Arbeit des Deutschen Patent- und Markenamtes. Das deutsche Patent genießt nicht von ungefähr im internationalen Kontext den Ruf, ein goldenes Patent zu sein. Auch darum geht beim Deutschen Patent- und Markenamt eine beeindruckend hohe Zahl von Patentanträgen ein. Allein im Jahr 2013 wurden über 60 000 Patente angemeldet, darunter auch ein großer Teil von ausländischen Antragstellern: Antragsteller aus den Vereinigten Staaten von Amerika, aus Japan, der Republik Korea, aus Österreich, Schweden oder Taiwan. Das zeigt deutlich: Das deutsche Patent genießt Wertschätzung in aller Welt. Aber gerade dieser Stellenwert des deutschen Patents bringt Herausforderungen mit sich, die wir nicht auf die lange Bank schieben können, sondern die wir jetzt anpacken und lösen müssen. Zu den genannten über 63 000 Patentanmeldungen, die das DPMA 2013 erreichten, kommen nämlich noch 15 500 Gebrauchsmusteranträge, 60 000 Anträge auf Eintragung einer Marke und 55 000 Beantragungen zum Schutz eines Designs hinzu. Die Quantität der Prüfungen allerdings ist nur die eine Seite der Medaille. Modernste Elektronik, Informationstechnologie, Biotechnologie, aber auch die Globalisierung – das alles fordert immer größeres Fachwissen, eine immer größere Wissenstiefe auch in Bezug auf Details, und das immer auf dem aktuellsten Stand von Forschung und Technik und insbesondere von bereits vergebenen Patenten. Derzeit gibt es im DPMA etwa 170 000 offene Vorgänge. Dass eine gewisse Zahl von Patentanträgen immer in Bearbeitung ist, liegt in der Natur der Sache; aber der Rückstau wächst Jahr für Jahr. Die Anzahl der nicht bearbeiteten Anträge steigt jährlich um circa 5 000 an. Ich möchte an dieser Stelle dem Koalitionskollegen Klaus-Dieter Gröhler danken. Lieber Herr Kollege, Sie haben bereits im Juni betont, dass wir die Personalstruktur des DPMA einer kritischen Betrachtung unterziehen müssen. Dem kann ich nur beipflichten. Das vorhandene Personal und das Antragsaufkommen müssen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Wir wollen in der Großen Koalition, dass das deutsche Patent weiterhin attraktiv und ein goldenes Patent ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das wollen wir aus guten Gründen, nämlich weil es garantiert, dass unser Land seinen Erfindern auch weiterhin den bestmöglichen patentrechtlichen Schutz bietet, und weil es damit der Absicherung der Innovationskraft unserer Republik dient, einer Innovationskraft, die es zu bewahren gilt. Meine Damen und Herren, egal wer seinen Zeigefinger mahnend erheben wird: Die Große Koalition will, dass das DPMA vernünftig ausgestattet ist und seinen Auftrag, das intellektuelle Eigentum zu schützen, vernünftig angehen kann. Aber ich sage auch deutlich – das unterscheidet uns von Teilen der Opposition; das wird auch durch einen Blick auf Ihren Antrag, Kollege Claus, aus dem letzten Haushaltsjahr deutlich –: Wir werden ganz bestimmt nicht irgendwelche Fantasiezahlen für zusätzliche Personalstellen in den Haushalt einstellen. Wir werden nicht einfach ohne Sachverstand Veränderungen vornehmen, deren Umfang planlos und deren Nachhaltigkeit zweifelhaft ist. Nein, wir wollten und werden keinen Blindflug ohne Navigationsgeräte betreiben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das müssen wir auch nicht. Das Patent- und Markenamt hat nunmehr eine Personalbedarfsermittlung vorgelegt. Diese werden wir in der Koalition kritisch begutachten und dann die sich daraus ergebenden richtigen Schritte einleiten – im Sinne der Innovationskraft unseres Landes, aber eben auch mit Blick auf gestaltende Führung eines ausgeglichenen Haushalts. Der Schutz der Wirtschaftskraft ist übrigens auch Bestandteil unseres Verständnisses von Verbraucherschutz. Nein, das ist kein Widerspruch – ganz im Gegenteil: Eine gute Verbraucherpolitik schützt und stärkt nämlich auch diejenigen Unternehmer, die ihr Geschäft redlich betreiben. Für diejenigen, die schon in der Vergangenheit zum Beispiel ihre Angebote im Internet deutlich als kostenpflichtig ausgewiesen haben, waren klarere Regelungen zur Kennzeichnung kein Verlust an Gestaltungsmöglichkeiten, sondern ein Gewinn an Wettbewerbsgleichheit. Das gilt übrigens auch für andere Bereiche. Die Einführung des Bestellerprinzips bei den Immobilienmaklern schafft Wettbewerbsgleichheit und schützt diejenigen, die bereits heute die Kosten durch den Besteller des Auftrags bezahlen lassen und dadurch eine schwierigere Wettbewerbsposition vorfinden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unsere Reform im Bereich des Anlegerschutzes und die Einrichtung eines Finanzmarktwächters sorgen dafür, dass seriösen Akteuren auf dem Finanzmarkt nicht von windigen Anbietern, die sich durch die Täuschung von Kleinanlegern bereichern wollen, der Rang abgelaufen wird. Und indem wir uns für Fahrgastrechte einsetzen, sei es in der Bahn, im Flugzeug oder im Fernbus, belohnen wir die Beförderungsunternehmen, die schon jetzt die Rechte der Passagiere achten, statt sich vor ihren Pflichten zu drücken. Meine Damen und Herren, ich habe deutlich gemacht, dass auch im Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz nicht nur über scheinbar trockene Rechtssetzungs- und Rechtsdurchsetzungsakte entschieden wird. Eine gute Justizpolitik und ein weitsichtiger Verbraucherschutz sind auch wirtschaftspolitisch wichtige Aufgaben. Sie bestimmen über unser Zusammenleben, aber eben auch über die Frage der Wirtschafts- und Innovationskraft unseres Landes. In diesem Sinne wird die Große Koalition weiterhin gestaltend die vor uns liegenden Herausforderungen angehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Rohde. – Nächster Redner in der Debatte: Harald Petzold für Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Besuchertribünen! Vielleicht hatte die eine oder der andere von Ihnen im vergangenen Jahr Gelegenheit, sich den Dokumentarfilm Nach Wriezen anzugucken. Für diejenigen von Ihnen, die bis jetzt noch nicht Gelegenheit dazu hatten, sage ich ganz kurz etwas zum Inhalt: Der von mir hochgeschätzte brandenburgische Nachwuchsdokumentarfilmregisseur Daniel Abma hat in dem Film die Lebensgeschichte von – so würde man umgangssprachlich sagen – drei ganz harten Jungs aufgezeigt, von drei jungen Männern, die ziemlich harte Straftaten begangen haben und dafür lange Haftstrafen absitzen mussten. Aber es ging ihm nicht so sehr um die Straftaten an sich oder um den Alltag in der JVA Wriezen, sondern sehr viel stärker um den Weg dieser drei jungen Männer wieder zurück in die Gesellschaft und damit um die Resozialisierung von Tätern und um die Wichtigkeit eines funktionierenden gesellschaftlichen und sozialen Umfelds. Wenn ich als neu gewählter Obmann meiner Fraktion für den Ausschuss Justiz und Verbraucherschutz heute zum ersten Mal zu diesem Haushalt spreche, dann möchte ich das nicht gleich mit einer Breitseite von Kritik tun – Herr Claus hat ja Milde der Opposition angekündigt –, sondern auf ein positives Beispiel für gelungene Justizpolitik hinweisen. Denn im Land Brandenburg ist unter gemeinsamer Regierungsverantwortung von SPD und Linken eine gute Justizpolitik betrieben worden. (Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Herr Kollege von Notz; Sie haben an der Stelle ja mitgemacht. – In Brandenburg hat ein Neudenken von Justizpolitik stattgefunden. Dort wird vor allen Dingen auf Resozialisierung gesetzt, und es wurde ein Justizvollzugsgesetz auf den Weg gebracht, das genau diesen neuen Schwerpunkt setzt. (Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Justizminister Maas, ich möchte Sie einladen, wenn sich die Rauchwolken der Landtagswahlen verzogen haben, mit mir und mit den Mitgliedern des Rechtsausschusses einmal gemeinsam nach Brandenburg zu fahren und sich dort mit dem erfolgreichen Justizminister Helmuth Markov zu treffen und über genau diese Resozialisierungspolitik im Rahmen der Justizpolitik des Landes Brandenburg zu sprechen; (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denn ich denke, dass die Justizpolitik dort einen erfolgreichen Weg darstellt. Wie gesagt, die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen brauchen das Atmen nicht zu vergessen. Sie sind ja möglicherweise ab dem Wochenende mit uns und der SPD in Thüringen mit dabei. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Braunkohle! Sie haben vergessen, von der Braunkohle zu erzählen!) Dann können wir zusammen auch nach Thüringen fahren und uns dort alles anschauen. (Beifall bei der LINKEN) Es gibt weitere Gemeinsamkeiten zumindest mit linker Justizpolitik, die ich ansprechen möchte. Das ist zum einen die Frage der Zinsbremse. Sie haben dieses Vorhaben angesprochen, Herr Justizminister Maas. Brandenburg hat hier eine Initiative im Bundesrat auf den Weg gebracht. Auch in der Frage der Rehabilitierung von nach § 175 StGB verurteilten schwulen Männern haben Sie das Land Brandenburg und mich an Ihrer Seite. Es lohnt sich, auch darüber zu sprechen. Ich möchte aber auch auf Dinge hinweisen, die wir noch als Manko benennen müssen. So hat Justizminister Markov sehr stark betont, dass das Ziel der Resozialisierung durch die bislang nicht erfolgte Einbeziehung von Gefangenen in die Renten- und Sozialversicherung konterkariert wird. Ich erlaube mir, Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung, den Minister zu zitieren. Er hat gesagt: Dass die von Gefangenen geleistete Arbeit derzeit nicht bei der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt wird, hat verheerende Auswirkungen auf die Zeit nach der Haftentlassung. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Die entstandenen Versicherungslücken führen zu sehr niedrigen Altersrenten, die selbst die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung als Rentner in Frage stellen. Denn Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung oder auch auf Erwerbsminderungsrente können nur bei Einhaltung bestimmter Vor- bzw. Mindestversicherungszeiten geltend gemacht werden. Die Bundesregierung, in deren Zuständigkeit das Sozialversicherungsrecht liegt, weigert sich jedoch beharrlich, die überfällige Änderung des Renten- und Sozialversicherungsrechts in Angriff zu nehmen. Das ist inakzeptabel! Wie gesagt, auch deswegen, Herr Minister Maas, gilt meine Einladung, hier mit Brandenburg ins Gespräch zu kommen. (Beifall bei der LINKEN) Zweiter Punkt. Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist eigentlich etwas, bei dem wir inhaltlich übereinstimmen. Aber wir müssen feststellen: Diese Stelle, die zuständig ist für die Überprüfung von Strafvollzugs- und Untersuchungshaft, von Jugendstrafvollzug, Jugendarrest usw., ist unterfinanziert und kann gegenwärtig ihre Aufgabe, nämlich Misshandlungen durch regelmäßige unangemeldete Besuche in allen Haft- und Gewahrsamseinrichtungen in Deutschland vorzubeugen, nicht annähernd erfüllen. An dieser Stelle verweise ich auf Ihren eigenen, also von der Koalitionsmehrheit beschlossenen Entschließungsantrag, der besagt, dass der Finanzanteil des Bundes auf 180 000 Euro zu erhöhen ist. Dies findet sich bislang nicht im Haushaltsentwurf wieder. Diesen Punkt werden wir nicht akzeptieren. Hier melden wir Änderungsbedarf an. (Beifall bei der LINKEN) Dritter Punkt: die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Herr Minister, Sie waren am letzten Donnerstag mit mir gemeinsam auf dem Charity-Dinner dieser Stiftung, auf dem Spendengelder eingeworben wurden. Sie selbst haben in Ihrem Grußwort die zentralen neuen Projekte gewürdigt. Ich möchte Sie an dieser Stelle in Ihren Bemühungen bekräftigen, die beiden großen Projekte „Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie“ und „Archiv der anderen Erinnerungen“ tatsächlich so zu unterstützen, dass die Stiftung diese umfangreiche Arbeit auch leisten kann. Die Erhöhung des Stiftungskapitals, die wir im Frühjahr beschlossen haben, ist inzwischen geflossen. Aber auch damit ist es nach wie vor nicht möglich, die Stiftung so auszustatten, dass Bildung und Forschung und die wissenschaftliche Arbeit in auskömmlicher Art und Weise ausfinanziert werden können. Hier fordern wir ebenfalls entweder eine Aufstockung des Stiftungskapitals oder – aus unserer Sicht wäre das sogar noch viel besser – eine institutionelle Förderung in Höhe von 250 000 Euro. Wir fordern darüber hinaus – Frau Präsidentin, ich sehe, dass es hier vorne blinkt – (Vereinzelt Heiterkeit) die Aufstockung des Fonds „Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“. Abschließend: Unsere Unterstützung wäre Ihnen auch sicher, wenn Sie tatsächlich einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Mietpreisbremse einbringen würden. Im Moment verdient der vorgelegte Gesetzentwurf den Namen noch nicht. Wir werden an dieser Stelle Nachbesserungen einfordern. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Patrick Sensburg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister Maas, Sie haben ja eine nüchterne und trockene Haushaltsrede gehalten. (Burkhard Lischka [SPD]: Eine gute! Vor allen Dingen eine gute!) Aber sie hat es in sich gehabt. (Burkhard Lischka [SPD]: Ja, genau!) In der Sache hat sie es in sich gehabt. Ich glaube, diese Rede hat gezeigt, dass das Justizressort zwar den kleinsten Einzeletat hat, dass die Justizpolitik in der Sache aber sehr stark aufgestellt ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Von daher begrüße ich die Justizpolitik, wie sie sich bei uns im Parlament im Rechtsausschuss widerspiegelt – Frau Künast, schön, dass Sie hier sind – (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) und wie sie von Minister Maas heute vorgetragen worden ist. Sie haben ein großes Vorhaben gar nicht besonders pointiert betont, nämlich die Reform der Strafprozessordnung. Sie ist für mich einer der wesentlichen Punkte dieser Legislaturperiode. Es geht um eine umfassende Überarbeitung der StPO, wesentlicher Paragrafen des Strafgesetzbuches, und um eine Reform vom Ermittlungsverfahren über das Zwischenverfahren bis hin zum Hauptverfahren. In den einzelnen Kommissionen, die Sie gebildet haben, werden das Rechtsmittelverfahren und das Vollstreckungsverfahren überarbeitet werden. Sie werden grundlegend darüber diskutieren, wie der Beschuldigtenstatus definiert werden muss. Sie werden darüber diskutieren, wie es mit dem Richtervorbehalt, zum Beispiel im Hinblick auf § 81 a der StPO, etwa bei der Blutentnahme, aussieht. Es wird auch um die Regelungen zu Befangenheitsanträgen gehen, wenn sie verspätet kommen. Von ihnen ahnt oder weiß man frühzeitig; sie werden dann aber doch nicht gestellt, um das Verfahren zu verzögern. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Na, na, na!) Wir werden darüber diskutieren, ob solche Befangenheitsanträge nicht als verspätet gestellt anzusehen sind und dann zurückgewiesen werden müssen. Wir werden auch darüber diskutieren, ob es nach den §§ 407 ff. der StPO beim Strafbefehl nicht einen höheren Strafrahmen geben muss. Ich muss sagen: Wir haben hier ein Projekt, das mit viel Sorgfalt angegangen werden muss. Sie haben eine Kommission eingesetzt, die Sachverstand hat. Ich würde mir wünschen, dass das Parlament frühzeitig beteiligt wird und wir nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern intensiv und von Anfang an mitdiskutieren können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In einem zweiten Punkt, sehr geehrter Herr Minister, muss ich Sie auf eine Situation hinweisen, die nicht neu ist, die aber durch das, was wir jetzt als „Scharia-Polizei“ erleben, medial gegenwärtig wird. Aber das ist ein Thema, das, wie gesagt, alt ist. Wir haben bereits in unseren Reden zum Haushalt 2011/2012 eine eigene Stelle im Bundesjustizministerium gefordert, um das Phänomen des Scharia-Rechts näher zu beleuchten. Sie haben in Ihrem Ministerium eine Stelle, die sich ausschließlich damit beschäftigt, Licht in das Dunkel des Scharia-Rechts und dieser Paralleljustiz zu bringen, eine Stelle, für die wir im Haushalt A 13 bis B 3 vorgesehen haben, also eine wirklich solide Stelle. Sie soll dieses Phänomen erst einmal beleuchten, damit wir aufgrund solider Kenntnisse Schlussfolgerungen ziehen können und nicht Spekulationen oder Vermutungen anstellen müssen. Seit zwei Jahren ist diese Stelle besetzt. Ich bitte Sie, in Ihrem eigenen Ministerium zu überprüfen, wie der Sachstand ist und was da herausgekommen ist. Wir sollten keine wilden Diskussionen über einen Sachverhalt führen, über den wir zu wenig wissen. Sie müssen hier für Aufklärung sorgen. Ich glaube, wir haben frühzeitig darüber diskutiert, und Sie haben die notwendigen Voraussetzungen in Ihrem Ministerium. Auch da erwarten wir Aufklärung. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein weiterer Punkt – die Kollegin Winkelmeier-Becker hat ihn angesprochen – ist das Thema Insolvenzordnung, hier die Änderung der §§ 133 und 142. Es gibt in vielen Gewerben und vielen Handwerksbereichen, insbesondere im Baustoffhandel, immer wieder Fälle von ganz normalen Stundungen. Die aktuelle Rechtsprechung führt dazu, dass man sich bis zu zehn Jahre nach einer Stundung nicht sicher sein kann, ob möglicherweise der gestundete und dann gezahlte Betrag in die Insolvenzmasse fällt. Das führt zu großer Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen. Es geht hier für die Wirtschaft um einen zwei-, teilweise wird sogar gesagt, dreistelligen Millionenbetrag. Hier müssen wir etwas tun. Hier fällt auseinander, was der Gesetzgeber mit der Insolvenzanfechtung meinte und was die Rechtsprechung inzwischen immer öfter in Einzelfallentscheidungen darunter versteht. Wir sind es der Wirtschaft schuldig, dass wir hier zügig handeln. Ich freue mich, dass die Union sich gemeinsam mit der SPD jetzt dieses Themas annimmt. Ich glaube, das könnte etwas sein, wo die Opposition mit einsteigt; denn dieses Thema ist wichtig für unsere Wirtschaft insgesamt. Ich würde mich freuen, wenn wir Rechtspolitiker uns dessen gemeinsam annehmen könnten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein weiteres Thema, auch angesprochen von Frau Winkelmeier-Becker, ist das Thema Syndikusanwälte. Syndikusanwälte gibt es in Deutschland seit dem Mittelalter; das ist nichts Neues. In der Bundesrechtsanwaltsordnung stehen sie seit 1959. Jetzt kam im April 2014 eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes, die die Verhältnisse auf den Kopf stellt, weil Syndikusanwälte ihr zufolge nicht mehr im Versorgungswerk rentenversichert sein können. Das geht nicht, meine Damen und Herren. Hier müssen wir Klarheit schaffen! Rund ein Viertel der deutschen Anwälte sind Syndikusanwälte, 30 000 bis 40 000. In der gegenwärtigen Situation haben diese Anwälte keine Klarheit mehr bezüglich der Rentenversicherung bei den Versorgungswerken. Das müssen wir angehen. Diese Entscheidung des Bundessozialgerichtes ist eine Einzelentscheidung, die schwerst nachvollziehbar ist. Wenn Unklarheit herrscht, ist die Politik in der Pflicht, Klarheit zu schaffen, und das werden wir in der Koalition angehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte nur noch auf zwei Punkte eingehen. Einer liegt mir am Herzen als Berichterstatter für Mediation. Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit allen Fraktionen einstimmig ein Mediationsgesetz verabschiedet. Nach langem Ringen, auch mit dem Bundesrat, im Vermittlungsausschuss, ist es uns gelungen, zu einem guten Ergebnis zu kommen. Dieses Mediationsgesetz wird in der Fachwelt positiv angenommen. Jetzt geht es um die Umsetzung, um die Rechtsverordnung, die das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 31. Januar dieses Jahres zur Diskussion gestellt hat. Ich bin mir sicher, dass diese Rechtsverordnung in den nächsten Wochen und Monaten auch verabschiedet wird; das Bundesjustizministerium arbeitet mit Hochdruck daran. Ich glaube, dass wir den Bereich der Mediation stärken können, wenn wir nun auch durch diese Rechtsverordnung Klarheit bezüglich der Ausbildung haben. Das Gesetz ist in Kraft; aber die Rechtsverordnung muss noch kommen. Bald zwei Jahre nach Veröffentlichung des Gesetzes ist die Zeit reif, durch die Rechtsverordnung eine Abrundung der Mediation zu schaffen, insbesondere weil uns neue Bereiche, ODR und ADR, eine Verordnung und eine Richtlinie aus Europa, beschäftigen. Die Richtlinie müssen wir umsetzen. Konsistenz im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung muss Ziel unserer Rechtspolitik sein. Dafür müssen wir jetzt gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium die richtigen Weichen stellen. Letzter Punkt. Kollege Lindner, ich war begeistert von Ihrer Rede; ich kannte Sie so gar nicht als Unterstützer und Freund der sozialen Marktwirtschaft. Das freut mich, muss ich ganz ehrlich sagen. (Zuruf des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie müssen jetzt nur mal überlegen, ob Sie in Ihrer Partei richtig sind; denn um Sie herum sind nicht gerade die Unterstützer der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll das jetzt ein Abwerbungsversuch sein, oder wie? – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Die Grünen können ja noch lernen!) Was Sie gesagt haben, war gut; aber man muss sich hin und wieder schon fragen, ob man sich in der eigenen Fraktion mit den Thesen, die man aufstellt, noch wiederfindet. Herr Kollege, Sie haben das Leitbild des mündigen Bürgers betont. Der mündige Bürger muss natürlich auch da im Vordergrund stehen, wo es um Datenschutz, Datensicherheit geht. Wir haben nicht nur die Magnus-Hirschfeld-Stiftung – Herr Petzold hat diese Stiftung angesprochen –, wir haben auch die Bundesstiftung Datenschutz. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wickeln Sie ab, die Bundesstiftung Datenschutz!) Ich würde mir sehr wünschen, dass wir den Fokus auch einmal auf die anderen Bereiche, die im Bereich des Etats des Bundesministeriums der Justiz liegen, richten. Ich glaube, dass es keine glückliche Überlegung ist, die Bundesstiftung Datenschutz in die Stiftung Warentest zu überführen und sie damit aufzulösen. Wenn man überlegt, was allein im Bereich „NSA, Ausspähen von Daten, Datenkriminalität durch Organisierte Kriminalität“ in Deutschland passiert, dann steht es uns gut an, eine Stiftung Datenschutz zu haben, sie zu stärken und sie nicht völlig ohne Mittel dastehen zu lassen. Die -Magnus-Hirschfeld-Stiftung hat damals den höchsten Einzelposten im Einzelplan 07 – Bundesjustizministerium – gehabt. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode vereinbart, dass es keine weiteren Einzelzahlungen mehr gibt. Jetzt haben wir wieder 1,75 Millionen Euro bereitgestellt. Für die Bundesstiftung Datenschutz haben wir das nicht gemacht. Wir müssen uns schon Gedanken machen, wie wir auch diesen Bereich stärken und der Bundesstiftung Datenschutz alle Möglichkeiten geben können, für uns Bürger da zu sein. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!) Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und für die Toleranz der Präsidentin, – Vizepräsidentin Claudia Roth: Sie kennen sie nicht. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): – mich eine knappe Minute länger reden zu lassen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Das ist die Milde heute im Raum. (Roland Claus [DIE LINKE]: Ist das so, wenn man die Grünen lobt?) Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Minister Maas, bevor ich zum rechtspolitischen Tagesgeschäft komme, will ich an dieser Stelle ein paar Worte zum Thema der Sondersitzung in der letzten Woche sagen. Waren Sie als Justizminister eigentlich in irgendeiner Weise in die Entscheidung eingebunden, Kriegswaffen an die kurdischen Peschmerga zu liefern? Nicht, dass ich eine Verfechterin des Bundessicherheitsrates bin – im Gegenteil: ich halte die gängige Praxis sogar für verfassungswidrig, weil Artikel 26 des Grundgesetzes für Waffenexporte die Entscheidung des gesamten Kabinetts vorsieht –; (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) aber selbst der Erfinder des Bundessicherheitsrates, Franz Josef Strauß, hat das Justizressort dabei berücksichtigt. Ist es wirklich so, dass die Kanzlerin den Kreis der Einbezogenen jetzt weiter beliebig verkleinert hat? Ich finde, das sollten Sie nicht einfach so hinnehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Eine Waffenlieferung an nichtstaatliche Kampftruppen ohne eindeutige Anfrage der Zentralregierung halte ich schlicht für völkerrechtswidrig. Daran ändert auch eine Zwischenlandung in Bagdad nichts. Ein Kollege wollte mir sogar erklären, die Peschmerga seien quasi ein Teil der irakischen Armee. Das ist nun wirklich völlig absurd, da Bagdad selber gerade keine Waffen an die Peschmerga liefert. Besonders bedenklich finde ich es, wenn einige das Völkerrecht als kleinkarierte Förmelei abtun; denn die Einhaltung des Rechts ist national wie international die Grundlage für Frieden und Freiheit. Daran zu erinnern, sollte unter anderem die Rolle des Justizministers sein. Eine Verteidigungsministerin, die stolz darauf ist, ein Tabu zu brechen, kann Sie in dieser Rolle jedenfalls nicht ersetzen. Echte Friedensförderung ist das, was die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit seit Jahren leistet: die Beratung von Ländern, die einen demokratischen Rechtsstaat aufbauen wollen. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Kinkel-Stiftung!) Leider fehlen diesen Programmen oft die Richter und Staatsanwälte. Hier sollte dringend das Dienstrecht angepasst werden, damit diejenigen, die sich in Auslandsmissionen engagieren, nicht um ihre Inlandskarrieren gebracht werden. Zu Recht fördern Sie rechtsstaatliche Entwicklungen in anderen Ländern wie beim Rechtsstaatsdialog mit China und der Kampagne „Law – Made in Germany“. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, wir könnten im Inland auch bald so eine Kampagne gebrauchen. Zu viele halten unseren funktionierenden Rechtsstaat für so selbstverständlich, dass sie vergessen, dass man dieses System auch hegen und pflegen muss, um es zu erhalten. Wenn Richterinnen und Richter darunter leiden, dass es nur noch um Schnelligkeit und Erledigungszahlen geht und die Qualität der Urteile immer weniger wertgeschätzt wird, dann haben wir insgesamt ein Problem und dann braucht es auch den Bundesminister der Justiz, um gegenüber dem Finanzressort, aber auch gegenüber den Ländern deutlich zu machen, welche Bedeutung das Vertrauen in die Rechtsprechung für das Funktionieren unserer Gesellschaft hat. Sie sind deswegen auch gefordert, die unsäglichen Schiedsgerichte in TTIP und CETA zu verhindern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vor der Sommerpause hatten Sie laut und deutlich gesagt, dass es so etwas mit Ihnen nicht geben wird. Jetzt lese ich auf www.tagesschau.de, dass bei CETA genau diese Klagerechte bereits im Vertragstext stehen. Was unternehmen Sie denn jetzt dagegen? (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nichts!) Vertrauen kann auch dadurch aufs Spiel gesetzt werden, dass wir als Gesetzgeber immer schneller immer neue Reformgesetze verabschieden. Das ist nicht nur für die Rechtsanwender eine Zumutung. Nehmen wir als Beispiel das Insolvenzrecht. Statt jetzt eine mittelmäßig gelungene Neuregelung zum Konzerninsolvenzverwalter auf den Weg zu bringen und im nächsten Jahr das Anfechtungsrecht zu reformieren, sollten Sie den Gesetzentwurf vielleicht noch einmal zurücknehmen und dann ein Gesetz auf den Weg bringen, das die drängenden Probleme miterfasst. (Beifall der Abg. Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]) – Vielen Dank. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch der Gesetzentwurf zur Kinderpornografie sollte noch einmal überdacht werden, besonders hinsichtlich des missglückten Vorschlags zur Strafbarkeit bloßstellender Bilder. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Die überfälligen Anpassungen an die EU-Richtlinie sind sicherlich angebracht. Es gibt aber Überlegungen, wie das Sexualstrafrecht grundsätzlich neu geordnet und entschlackt werden könnte. Ich denke hier an den Vorschlag des Deutschen Juristinnenbundes zu einer systematischen Neuordnung der §§ 174 bis 177 Strafgesetzbuch, der es wert ist, bedacht zu werden. Es gibt aber auch Fälle, bei denen die Belastung der Menschen gerade durch eine Verzögerung des Gesetzesverfahrens gravierend ist. Sie haben zum Beispiel angekündigt, den steigenden Mieten durch die Mietpreisbremse einen Riegel vorzuschieben. Das ist ja gut gemeint; aber wenn diese Mietpreisbremse noch Monate auf sich warten lässt, dann war das ein Bumerang, da Sie allen die Gelegenheit geben, vorher schnell noch einmal herauszuholen, was herauszuholen ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Auch bei der Frauenquote, die angeblich bis Ende des Jahres verabschiedet sein soll, erleben wir, dass die zeitliche Verzögerung leider nicht der Verbesserung des Entwurfes dient, sondern den Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern. Sie wissen ja, dass Ihr Vorschlag uns Grünen längst nicht weit genug geht. Wenn Ihr Koalitionspartner jetzt noch weitere Aufweichungen verlangt, kann ich nur sagen: Standhaft bleiben, sonst bleibt von der Quote gar nichts mehr übrig. Dann gibt es da noch sinnvolle Projekte, die schon so lange in der Diskussion sind, dass ich nicht verstehe, warum sich da gar nichts mehr tut. Ein Stichwort hier ist der Whistleblower-Schutz bzw. – auf Deutsch – der Schutz der Hinweisgeber. Wir Grünen haben bereits in der letzten Legislatur nach umfangreichen Fachgesprächen einen Entwurf vorgelegt, den die Mehrheitsfraktionen abgelehnt haben. Von Ihnen haben wir dazu immer noch nichts gesehen. Wir können den Entwurf gerne noch einmal vorlegen. Sie können aber auch, wenn Sie nächste Woche auf dem Deutschen Juristentag in Hannover sind, Herr Minister, den Parlamentarischen Abend der Grünen-Bundestagsfraktion besuchen. Dort werden wir den Entwurf noch einmal zur Diskussion stellen. Wenn Sie dann überzeugt sind, können Sie den Gesetzentwurf selber einbringen und ihm so die erforderliche Mehrheit verschaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Bis dahin erst einmal vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. Falls Sie sich wundern, dass es hier bei uns etwas unruhig ist: Das liegt daran, dass wir heute – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – Probleme mit dem Sound haben. (Heiterkeit) Manche klugen Reden – das gilt fraktionsübergreifend – sind sehr schlecht zu verstehen. In der laufenden Debatte können wir das nicht mehr ändern; aber wir werden versuchen, den Ton heute Abend neu einpegeln zu lassen. Es wäre ja schade, wenn diese großartigen Beiträge nicht für alle zu hören wären. Das ist heute wirklich extrem schwierig. Wenn ich blöd gucke, dann hat das nichts mit Ihrer Rede zu tun, sondern mit meinem eingeschränkten Hörvermögen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sind wir ja beruhigt!) Nächste Rednerin ist Elvira Drobinski-Weiß für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle reden von TTIP, wir auch. Aber im Moment finde ich CETA viel wichtiger. Seit 2009 verhandeln die EU und Kanada über ein umfassendes Handelsabkommen. Das Abkommen soll, ähnlich wie TTIP mit den USA, Handelshemmnisse senken und Kooperationen bei der Standardsetzung entwickeln. Sowohl die EU als auch Kanada versprechen sich davon ein gesteigertes Wirtschaftswachstum und einen Zuwachs an Arbeitsplätzen. So weit, vielleicht so gut. Aber schauen wir einmal genauer hin. Ich möchte es deutlich sagen: Es gibt mehrere Passagen – das ist eben schon kurz angeklungen –, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr kritisch sehen. Aber raus muss auf jeden Fall das Kapitel über die außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren, auch bekannt als Investorenschutzabkommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es kann doch nicht sein, dass zwischen zwei Staaten mit entwickelten Rechtssystemen Investoren die Möglichkeit haben, die EU oder ihre Mitgliedstaaten direkt auf Entschädigung für entgangene Gewinne oder sogenannte indirekte Enteignung zu verklagen. Lange hieß es: Am 25. September soll der formelle Abschluss der Verhandlungen durch Paraphierung des Vertragstextes erfolgen. Letzte Woche folgte dann die Botschaft: Die EU-Behörde will die Verhandlungen zu CETA für abgeschlossen erklären, ohne den Text vorher paraphiert zu haben. Die Paraphierung ist vielleicht „nur“ eine Formalie, aber eine mit Symbolcharakter. Hier wird doch der Versuch unternommen, die Kritik des Parlamentes zu umgehen. Das müssen wir verhindern. Die Regelung zum Investorenschutz muss raus, sowohl aus CETA als auch aus TTIP. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was bewegt die Menschen derzeit, verbraucherpolitisch betrachtet, in Deutschland? Einige Punkte hat der Herr Bundesjustizminister, der auch für den Verbraucherschutz zuständig ist, genannt. Ein kurzer Blick durch die Schlagzeilen der letzten Tage: „EZB senkt Leitzins auf 0,05 Prozent“. Die Frage der Verbraucherinnen und Verbraucher: Geht die Enteignung weiter? Wälzen die Banken den EZB-Strafzins auf mein Konto ab? – Oder: „Tricksen leicht gemacht! Sind Hotelbewertungen im Internet verlässlich?“ Oder: „Millionen Deutsche werden online abgezockt“. Die Frage der Verbraucherinnen und Verbraucher: Tappe ich nach der Button-Lösung, die eine Verbesserung gebracht hat, in eine neue Falle? Ich nenne hier als Stichworte die Hausaufgabenhilfe gerade für unsere jüngeren Zuhörerinnen und Zuhörer und den Rezeptzugang. Oder: „Umstrittener Fahrdienst Uber: Legal, illegal – sch(…)egal“. Die Frage der Verbraucherinnen und Verbraucher: Ist das Unternehmen Uber mit den offensichtlich akzeptierten Mitfahrgelegenheiten vergleichbar? Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dies ist natürlich eine kleine, zugegeben auch provokante Auswahl. Wir wissen: Das Themenspektrum ist viel größer, und die Reaktionen der einzelnen Konsumenten auf solche Schlagzeilen sind sicherlich sehr verschieden. Klar ist: Folgt man den Ergebnissen der Verbraucherforschung und erkennt an, dass es sowohl den verletzlichen wie den vertrauenden als auch den verantwortungsvollen Verbraucher gibt, bedarf es verschiedener Arten der Ansprache und Unterstützung dieser Gruppen seitens der Politik. Herr Kollege Lindner, nochmals als Hinweis für Sie: Den mündigen Verbraucher, die mündige Verbraucherin gibt es nicht. Antworten auf bzw. Lösungen für die sehr vielfältigen Fragen und Probleme am Finanzmarkt oder in der digitalen Welt zu finden, steht in dieser Legislaturperiode klar im Vordergrund unserer Verbraucherpolitik. Das spiegelt sich auch im Haushalt des Bundesministeriums wider. Wir werden zukünftig verschiedene Verbraucherzentralen in den Bereichen Finanzmarkt und digitale Welt mit einer Marktwächterfunktion ausstatten, um die Konsumenten in die Lage zu versetzen, sich am Markt sicherer zu bewegen. Zudem wollen wir weitere im Koalitionsvertrag festgeschriebene Projekte voranbringen wie zum Beispiel die Einsetzung des Sachverständigenrats; der Herr Bundesminister hat bereits darauf hingewiesen. Nicht neu im Koalitionsvertrag und bereits über mehrere Jahre bezuschusst ist etwa die Stiftung Warentest. Als unbestechliches Portal für Produktbewertung, aber auch als Informationsplattform verdient sie weiterhin unsere größte Anerkennung und finanzielle Unterstützung. Wir sehen aber auch die europäische Dimension des Verbraucherschutzes. Das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren – hier vor allem das Europäische Verbraucherzentrum in Kehl – leistet seit Jahren hervorragende, grenzüberschreitende Dienste. Diese Funktionsfähigkeit muss unbedingt weiter sichergestellt werden. Mit Blick auf die eben zitierten Schlagzeilen müssen wir uns aber auch die Fragen gefallen lassen: Haben wir schon alle Problembereiche im Blick? Investieren wir genug unserer Mittel in die Forschung der Verbraucherpolitik? Wie können wir die aktuell zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel optimal verteilen? Der Herr Minister hat die Stichpunkte Mietpreisbremse und Bestellerprinzip im Maklerrecht bereits angesprochen. Weitere Stichpunkte sind ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht; gesetzliche Regelungen über die Höhe der Dispozinsen und das wichtige „Konto für jedermann“ wurden genannt. Diese Arbeitsvielfalt im Bereich Verbraucherpolitik erfordert jedoch auch in unserem Ministerium die entsprechende Man- und Womanpower. Ich unterstütze den Ausbau der personellen Ausstattung und fordere, die räumliche Trennung von Justiz- und Verbraucherpolitik im BMJV im Sinne einer effektiven Arbeitsatmosphäre schnellstmöglich zu beenden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion, aus Augsburg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ereignisse der letzten Wochen haben uns den Wert eines funktionierenden Rechtsstaats vor Augen geführt. Der Schutz der Würde des Menschen und die Gewährleistung von Recht und Gerechtigkeit sind zentrale Aufgaben der Politik. Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht, um gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel zu kämpfen. Die Ergebnisse der Gespräche, die bislang geführt worden sind, sind vielversprechend, aber noch nicht zufriedenstellend. (Beifall der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU]) Wir haben bei zahlreichen Punkten noch keine Einigkeit erzielt, die wir aber eigentlich erzielen müssten, wenn wir es mit dem Schutz der Opfer wirklich ernst meinen. Wir sind in der Frage des Weisungsrechtes beim Prostitutionsgesetz nicht weitergekommen. Die Fragen des Mindestalters, der Gesundheitsuntersuchungen und der verpflichtenden Beratungen stehen noch im Raum. Es ist auch nicht absehbar, wann das Bundesjustizministerium, gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium, endlich den Gesetzentwurf vorlegt. Wir dürfen nicht mehr zögern. Wir werden uns langsam für unser Zögern verantworten müssen, wenn wir hier nicht endlich zu einer politischen Entscheidung kommen. Es gilt: Wenige Frauen haben einen gesetzlichen Schutz; viele Frauen, die jetzt Hilfe benötigen, haben keinen gesetzlichen Schutz. Das müssen wir ändern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Metin Hakverdi [SPD]) Es sei in dieser Debatte auch auf die Ereignisse der letzten Tage in Sachen Scharia-Polizei hingewiesen. Es gilt der Satz, dass die Scharia nicht mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Einklang zu bringen ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Wer die Scharia und die Dschihadisten unterstützt, der will nichts anderes, als die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Ich glaube, dass wir darüber debattieren sollten, weil die Frage nicht erlaubt ist, ob es noch harmlos ist, wenn es nur 10 sind, oder ob es zu tolerieren sei, wenn es 100 sind. Wo fangen wir an, und wo hören wir auf? Wenn unser Rechtsstaat angegriffen wird und Meinungen geäußert werden, die mit der Würde des Menschen nicht vereinbar sind, dann hat der Staat gemäß dem Motto „Wehret den Anfängen“ sofort zu handeln. Um diese Umtriebe zu verhindern, brauchen wir gesetzliche Grundlagen, die über das reine Versammlungsrecht hinausgehen. Der Rechtsstaat muss wehrhaft sein. Wehret den Anfängen! (Beifall bei der CDU/CSU) Wir brauchen auch härtere Gesetze für diejenigen, die für Terrorbanden wie ISIS Sympathie haben und internationale Dschihadisten unterstützen. Wer für radikale Salafisten und Unterstützer von ISIS Sympathie zeigt, geht nichts anderes als eine Art geistige Komplizenschaft mit Tod und Terror ein. Dem muss mit Mitteln des Strafrechts begegnet werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, die Frage der Wirksamkeit des Rechtsstaats wird auch durch das Verfahren bestimmt. Vertrauen in den Rechtsstaat kann nur wachsen und gleichbleiben, wenn die Verfahren zügig abgeschlossen werden und Überlastungsvorkommnisse an unseren Gerichten minimiert werden oder gar der Vergangenheit angehören. In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen – das ist eine gute Leistung –, dass trotz eines ausgeglichenen Haushaltes der Justizetat in diesem Jahr leicht ansteigt und es im Großen und Ganzen keine Stellenkürzungen bei den Gerichten gibt, die dem Bund obliegen. Ganz anders sieht es in einigen Ländern aus. Frau Kollegin Keul, ich verstehe Ihre Irritation über Verfahrensfehler nicht, wenn in den Ländern, wo die Grünen in der Regierung sind, wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei der Justiz gespart und Stellen abgebaut werden. Sie können sich nicht hier beklagen, wenn dort, wo die Grünen Verantwortung tragen, die Justiz totgespart wird. Das ist kein redliches Verhalten. (Beifall bei der CDU/CSU) In Baden-Württemberg werden 2015 30 Millionen Euro und 2016 40 Millionen Euro bei der Justiz eingespart. In Rheinland-Pfalz fallen in den nächsten zwei Jahren 86 Stellen in der Justiz weg. Ich glaube, wir sollten den Kolleginnen und Kollegen in den Ländern signalisieren: Es gibt nur ein einheitliches Funktionieren unseres Rechtsstaates. Die Gesetze, die der Bund beschließt, müssen durch eine funktionierende Justiz in den Ländern angewandt werden. Wenn die Länder in diesem Bereich kürzen, gefährden sie Stück für Stück das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Funktionsfähigkeit. Dagegen sollten wir uns alle gemeinsam wenden. (Beifall bei der CDU/CSU) Bei allen Detailfragen zu vielen Themen, über die wir rechtstechnisch debattieren und die wir in vielen Punkten angehen, bleibt eines unsere vordringlichste Aufgabe: der Schutz der Würde des Menschen und die Geltung des Rechts und der Gerechtigkeit. Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam über den Justizhaushalt beraten und die Beratungen zu einem guten Abschluss bringen! Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Ullrich. – Nächster Redner in der Debatte ist Metin Hakverdi für die SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Metin Hakverdi (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die sozialdemokratische Fraktion freut sich, dass mit dem Einzelplan 07, über dessen Entwurf wir gerade diskutieren, die Verbraucherpolitik in unserem Sinne konsequent und adäquat weiterentwickelt wird. Das betrifft die zielgerichtete weitere Stärkung der Verbraucherzentralen. Geld, das wir in diesen Bereich investieren, ist doppelt gut investiert. Erstens sparen wir den Bürgerinnen und Bürgern wertvolle Zeit, indem wir die Verbraucherzentralen so ausstatten, dass sie im Bereich der Finanzmärkte und der Banken eine Marktwächterfunktion übernehmen. Zweitens hat die bloße Existenz von Marktwächtern eine positive Auswirkung auf den Markt selbst. Die Anbieter von Finanzprodukten werden in Kenntnis der Marktwächter bei der Entwicklung und dem Vertrieb ihrer Produkte in Zukunft vorsichtiger sein; und das ist auch gut so. Besonders wichtig ist, dass auch im Bereich der digitalen Welt eine weitere Stärkung des Verbraucherschutzes stattfinden wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal die AGB-Änderungen bei Facebook, Amazon, iTunes oder anderen Internetanbietern gelesen haben. Wer möchte auch seine Lebenszeit darauf verwenden, dies wöchentlich zu tun? Wir finden es richtig, dass sich einzelne Verbraucher nicht mit den AGB herumschlagen müssen. Wir müssen unsere Verbraucherzentralen befähigen, als Anwälte der Verbraucherinnen und Verbraucher zu agieren. Das tun wir nun, indem wir ihnen die finanziellen Mittel geben, um für die Verbraucher einzutreten. Wir werden aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessern. Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, das hört sich kompliziert an, ist aber in der Sache ganz einfach. In Zukunft müssen Internetdienstleister, die mit den Daten ihrer Kunden nicht sorgfältig umgehen, damit rechnen, dass nicht nur einzelne Kunden gegen sie vorgehen werden. In Zukunft werden wir dafür sorgen, dass diese Dienstleister es mit den Verbraucherzentralen zu tun bekommen, die wir entsprechend finanziell ausstatten. Das ist Waffengleichheit. Das ist sozialdemokratische Politik, und das macht den konkreten Unterschied für jede einzelne Verbraucherin und jeden einzelnen Verbraucher aus. (Beifall bei der SPD) Zu einer Debatte über den Haushalt gehört aber auch, dass die Rechtspolitik in einem breiten Sinne aufgegriffen wird. Ein Thema, dessen Beratungen wir in den nächsten Monaten aufnehmen und im nächsten Jahr intensiv fortführen werden, ist die Sterbehilfe. Dieses Thema treibt die Menschen in unserem Land um. Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass wir nicht eine entkoppelte Gesinnungsethikdebatte führen, die die Nöte und Sorgen der betroffenen Menschen aus den Augen verliert. Menschenwürdiges Sterben ist kein abstrakter Gegenstand einer Ethikdebatte. Menschenwürdiges Sterben ist eine sehr konkrete Angelegenheit. Es kommt auf die konkrete Situation der betroffenen Menschen an. Da sind der Suizidwillige, die behandelnden Ärzte und die Angehörigen. Diese müssen im Fokus bleiben. Die eine gute und richtige Entscheidung wird es in dieser Frage wohl nicht geben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber am Ende werden wir eine vertretbare Entscheidung treffen müssen. Eine gute und richtige Entscheidung werden wir bei der Einführung der Mietpreisbremse treffen. Mir ist sie besonders wichtig. In Wilhelmsburg, einem Hamburger Stadtteil, in dem der Wahlkreis liegt, in dem ich gewählt wurde, hat im letzten Jahr eine Internationale Bauausstellung stattgefunden. Diese soll eine Aufwertung bewirken, die ich übrigens sehr unterstütze. Die Menschen haben aber Angst, verdrängt zu werden. In vielen Einzelgesprächen haben sie mir ihre Ängste geschildert. Sie wollen nicht den Stadtteil verlassen, in dem sie aufgewachsen sind. Ich möchte nicht, dass die Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger wegziehen müssen, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Wohnraum muss bezahlbar bleiben, in Wilhelmsburg genauso wie in Bergedorf und Harburg, genauso wie in Berlin, München, Frankfurt oder an anderen Orten Deutschlands. (Beifall bei der SPD) Die Bürgerinnen und Bürger müssen, nachdem sie die Miete gezahlt haben, noch genug im Portemonnaie haben, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Um das zu erreichen, brauchen wir die Mietpreisbremse. Auch wenn wir mit den Kolleginnen und Kollegen von der Union noch Einzelfragen klären müssen, sage ich den Bürgerinnen und Bürgern in Wilhelmsburg, Harburg und Bergedorf: Die Mietpreisbremse wird kommen, und sie wird gut, und sie wird helfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Abschließend möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf ein weiteres Gerechtigkeitsproblem lenken. Es geht um die Frauenquote in Aufsichtsräten. Zitat: Solange Selbstregulierung erfolgversprechend ist, bedarf es gerade keiner gesetzlichen Quoten. Diese Annahme von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat sich als falsch erwiesen. Die beschlossene Selbstverpflichtung von 2001 hat eben nicht zu Chancengleichheit der Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschaft geführt. Der Minister hat in seiner Eingangsrede die Zahlen genannt. Dieser Diskriminierung der Frauen – machen wir uns nichts vor; um nichts anderes handelt es sich – muss gesetzgeberisch entgegengetreten werden. Ich bin überzeugt, dass die Frauenquote in Aufsichtsräten ein erster Schritt ist. Gelingt es der Wirtschaft nicht, auch in Vorständen eine deutliche Erhöhung des Anteils von Frauen zu erreichen, wird der Gesetzgeber wieder tätig werden müssen. Alle sind gut beraten, es nicht darauf ankommen zu lassen. Glück auf! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Mechthild Heil für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! In allen Debatten zu verbraucherpolitischen Fragen wird immer der gleiche Gegensatz zwischen der Wirtschaft und den Verbrauchern konstruiert. Für meinen Geschmack haben sich leider viel zu viele mit diesem Feindbild gut angefreundet. Ja, es gibt viel zu viele, die das sogar befeuern. Die Wirtschaft auf der einen Seite ruft dann immer: Lasst uns doch in Ruhe. Je weniger Eingriffe, umso besser. – Die Verbraucherverbände und die NGOs auf der anderen Seite sagen uns: Wir brauchen mehr Regeln, wir brauchen ein härteres Durchgreifen bis hin zum Totalverbot von bestimmten Produkten. Nur so können wir die Verbraucher richtig schützen. Auch heute hören wir Ähnliches. Wir hören, die Dispozinsen müssten gedeckelt werden. Das, Herr Minister Maas, ist nicht Gegenstand unseres Koalitionsvertrags, auch wenn Sie das heute hier so gesagt haben. Wir hören, vermeintlich ungesunde Lebensmittel sollten mit Warnfarben gekennzeichnet werden und dürften nur noch beschränkt beworben werden. Das Gleiche gilt für manche Finanzanlageprodukte. Der Kreativität sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Der Politik wird ein ganz langer Wunschzettel vorgelegt: Es soll gebremst, gedeckelt und verboten werden. Das Misstrauen gegenüber der Wirtschaft wird geschürt. Auf der anderen Seite wird die moralische Überlegenheit der eigenen Position nicht mehr infrage gestellt. Ein Beispiel aus dem großen Forderungskatalog möchte ich Ihnen geben. Wir alle – ich glaube, das ist unstrittig – essen zu süß, zu fettig und zu salzig. Da wir alle unbelehrbar sind, soll das verboten werden. Gefordert wird alles Mögliche – von der Fettsteuer über die Verbannung von Süßigkeiten aus den Regalen bis hin zur Verringerung der Abfüllmenge von Limonaden. Aber glaubt jemand, auch hier von uns, wirklich ernsthaft, dass diese Verbote uns am Ende alle weniger krank, weniger dick oder weniger unglücklich machen? Und: Will irgendjemand von uns in einem solchen Verbotsstaat leben? Ich kann die Frage beantworten: Ich will das nicht. Deshalb kann unsere Antwort nur heißen: Beide Seiten tragen Verantwortung, auf der einen Seite die Wirtschaft, auf der anderen Seite die Kunden. Wir als Koalition entlassen keinen der beiden Partner aus seiner Verantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU) Wirtschaft und Verbraucher sind keine Gegensätze oder sogar Feinde. Sie bedingen einander. Aber ihr Umgang miteinander braucht bestimmte Regeln. Ich möchte, wenn ich darf, an der Stelle die Verbraucherzentrale Bundesverband zitieren, die wunderbar formuliert: Die Idee des Verbraucherschutzes ist so eng mit dem Schutz des Gemeinwohls verbunden, dass der Staat es sich nicht leisten kann, die Verbraucherpolitik nur als … Kontrapunkt der Wirtschafts- und Industriepolitik zu betrachten. Verbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik von der Nachfrageseite. Wir können es uns deshalb nicht leisten, die Dinge anders zu sehen, weil es den Verbrauchern schaden würde. Ich möchte das an einigen Beispielen verdeutlichen: Am 1. August 2014 ist das neue Honoraranlageberatungsgesetz in Kraft getreten. Neben der klassischen Beratung auf Provisionsbasis können sich nun die Verbraucher auch gegen ein Honorar beraten lassen. So weit, so gut. Ja, es können bei Beratern auch Fehlanreize bestehen. Sie können mehr an ihren eigenen Geldbeutel denken als an den Geldbeutel ihrer Kunden. Aber das gilt für einen Honorarberater genauso wie für einen Berater, der auf Provisionsbasis arbeitet. Nun hören wir immer wieder Forderungen, die provisionsbasierte Beratung solle komplett abgeschafft werden. Ich finde, das ist völliger Unsinn. Denn wir müssen an die Menschen denken, die sich kein 50- bis 100-Euro-Beratungshonorar pro Stunde leisten können, um zum Beispiel eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Was würde denn mit ihnen passieren? Wir sind nicht gewählt, um immer neue Regulierungs- oder Verbotsorgien zu betreiben. Das wäre meist sicherlich der einfachere Weg; aber es ist fast immer der falsche Weg. Mit Verboten, mit Deckeln, mit Bremsen werden wir die verbraucherpolitischen Fragen unserer modernen Zeit nicht beantworten – nachhaltig schon gar nicht. Ich plädiere für eine wissenschaftliche, empirisch fundierte Verbraucherpolitik. Sie greift auf das Sachverständnis von Experten zurück, auf Erkenntnisse aus der Verbraucherforschung und auf die Ergebnisse der Marktbeobachtung, zum Beispiel durch die spezialisierten Verbraucherzentralen. Wir werden einen Sachverständigenrat einrichten. Die Pläne liegen schon, das haben wir eben gehört, in der Schublade des Verbraucherministeriums. Herr Minister, ich würde mich wirklich freuen, wenn sie, wenn sie bei Ihnen schon vorliegen, auch das Licht der Öffentlichkeit erblicken würden, zumal die Arbeit schon im Oktober aufgenommen werden soll. Wir stellen erneut Gelder für die Verbraucherforschung, nämlich 637 000 Euro, und für die Finanzierung einer Stiftungsprofessur Verbraucherrecht, nämlich 225 000 Euro, zur Verfügung. Außerdem sorgen wir für eine intensivere Marktbeobachtung durch die Verbraucherzentralen. Wir hatten bereits im letzten Haushaltsjahr, im Jahre 2013, dem vzbv 2,5 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für den Finanzmarktwächter zur Verfügung gestellt. Mit diesem Geld können die Verbraucherzentralen erstmals die wertvollen Erkenntnisse, die sie aus ihrer flächendeckenden Beratung erhalten, systematisch erfassen, und die Daten können dann erstmals ausgewertet, analysiert und am Ende auch uns als Politikern zur Verfügung gestellt werden. Diese 2,5 Millionen Euro sind bis jetzt im Haushaltsentwurf 2015 ebenfalls veranschlagt. Ich als Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion würde diese Summe natürlich gerne auf die von uns angedachten 4,5 Millionen Euro erhöhen, vorausgesetzt, dass das Modell des Finanzmarktwächters wirklich trägt und wir es in andere Bereiche ausweiten wollen. Außerdem erhöhen wir die institutionelle Förderung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und stärken damit „die Stimme der Verbraucher“, wie sich dieser Verband selber nennt. Darüber hinaus gibt es viele Bereiche, in denen wir Verbraucherpolitik gestalten, ohne dass es sich im Haushalt widerspiegelt. Einige Beispiele: Wir wollen Verbraucherinformationen verständlicher gestalten, zum Beispiel bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder bei den Beratungsprotokollen. Wir wollen eine Diebstahlsperre für Handys durchsetzen. Wir wollen eine transparente Kennzeichnung von homöopathischen Mitteln. Wir sorgen für sichere Lebensmittel, klare Kennzeichnung, artgerechte Tierhaltung und dafür, dass die Bevölkerung bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht frühzeitig und realistisch gewarnt wird. Wir fördern einen gesunden Lebensstil, indem wir die Menschen zu einer gesunden Ernährung, aber auch zu ausreichend Bewegung motivieren. – Das sind nur einige Beispiele. Wir wissen alle, dass Verbraucherschutz eine Querschnittsaufgabe ist und fast alle Politikbereiche betrifft. Mit unserer Verbraucherpolitik schauen wir aber wirklich über den Tellerrand Deutschlands und auch Europas hinweg. Wir erkennen, dass es Produkte gibt, die eben nicht unter so fairen und nachhaltigen Bedingungen wie bei uns in Deutschland hergestellt werden. Ich denke da zum Beispiel an den Bereich Kleidung. Unser Entwicklungsminister Gerd Müller hat dieses Thema aufgenommen. Gemeinsam mit der Wirtschaft werden Mindeststandards entwickelt. Am Ende soll ein Label stehen, das den Verbrauchern die Entscheidung für einen nachhaltigen Konsum erleichtert. Das ist ein gutes Beispiel. Wir, die CDU/CSU, die Koalition, sind die verbindende Kraft zwischen den Kunden und der Wirtschaft, und deshalb ist unsere Verbraucherpolitik auch so erfolgreich. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Als letztem Redner zu dem Einzelplan gestatten Sie mir vielleicht eine allgemeine Einleitung. Der Kollege Lindner wartet schon darauf; das ist sehr gut. Ich will Sie noch einmal ein Momentchen zurückführen. Heute vor einem Jahr standen wir alle auf der Straße und haben fleißig Wahlkampf gemacht. Damals passierte es mir, dass ich in meinem Wahlkreis in Berlin am Rüdesheimer Platz ein älteres Ehepaar traf. Auf meine Frage: „Darf ich Ihnen das Regierungsprogramm der CDU/CSU mitgeben?“, antworteten sie mir: Wir haben nicht viel Zeit. – Ich dachte: Typisch Pensionäre. Aber dann sagte der Mann zu mir: Nennen Sie mir drei Gründe, warum wir Sie wählen sollen! – Ich erwiderte: Erster Punkt. Damit Angela Merkel Kanzlerin bleibt! (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das reicht schon!) Zweiter Punkt. Damit es keine Steuererhöhungen gibt! (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, wieder „Angela Merkel“!) Dritter Punkt. Damit es in Zukunft keine neuen Schulden mehr gibt. (Beifall bei der CDU/CSU) Daraufhin sagte der Mann zu mir: Okay, über die Merkel kann man nicht meckern. – Originalton Berlin. Das ist, glaube ich, mit das höchste Lob, das ein Berliner verteilen kann. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das höchste Lob, ja!) – Ich sehe vom Kollegen Luczak Zustimmung an der Stelle. – Der Mann fuhr fort: „Junger Mann,“ – ich weiß nicht, ob das seine Distanz zur Politik darstellen sollte oder für mich ein Lob sein sollte – „das mit den Schulden glauben Sie doch selbst nicht. Die Politik ist doch viel zu verliebt in immer neue Projekte, und Sie werden aus dieser Spirale nie rauskommen. Gucken Sie sich einmal die Geschichte der Republik an! Sie haben immer neue Schulden gemacht.“ Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob dieser Bürger sich an das Gespräch erinnert, wenn er jetzt in der Zeitung von der schwarzen Null liest – vielleicht guckt er ja auch Parlamentsfernsehen; bei dem schönen Wetter aber eher nicht –, (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bestimmt! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Vielleicht ruft er an und sagt: Er war es!) aber ich will ihm Pars pro Toto zurufen: Wir haben dieser Versuchung widerstanden. Dieser Haushalt ist ausgeglichen. Warum erzähle ich diese kleine Geschichte, meine Damen und Herren? (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das würde ich auch gerne wissen!) Weil sie auch bei den Haushaltsberatungen für einen so kleinen Etat wie den von Minister Maas leitend sein muss, weil wir auch bei einem so kleinen Etat in Zukunft der Versuchung widerstehen müssen, immer noch was obendrauf zu packen. Wir als Haushaltsgesetzgeber haben in zwei Dritteln der Zeit der Existenz des Bundestages – fast auf den Tag genau vor 65 Jahren war die erste Sitzung des Bundestags – einfach nur etwas obendrauf gepackt und in den Haushaltsberatungen gesagt: Wenn hier noch etwas fehlt und da noch etwas fehlt, weiten wir einfach den Etat aus. Damit ist jetzt Schluss. Das ist für uns eine größere Herausforderung, auch für die Arbeit der jeweiligen Berichterstatter. Wenn wir in Zukunft an der einen oder anderen Stelle feststellen: „Da fehlt etwas“, dann werden wir einen Deckungsvorschlag machen müssen. Das ist für die Politik vielleicht eine zusätzliche Hürde, aber das macht es auch ein Stück weit spannender. An drei Punkten des Haushalts, glaube ich, lohnt es sich, noch einmal vertieft hinzuschauen: Erstens. Die Rechtsweggarantie aus Artikel 19 unseres Grundgesetzes – das klang bei meinen Vorrednern eben schon so ein bisschen an – muss natürlich mit Leben gefüllt sein. Ich hatte vor einigen Tagen eine Gruppe chinesischer Schülerinnen und Schüler zu Besuch. Sie fragten mich: Wie funktioniert in Deutschland ein Strafprozess? – Dann habe ich versucht, ihnen das in wenigen Minuten darzustellen. Sie bekamen ganz leuchtende Augen. Was ich ihnen natürlich nicht gesagt habe, ist, dass der eine oder andere Bürger, der einen Zivilprozess führt, was die Länge der Verfahren angeht, am Rechtsstaat schon ein ganz klein wenig zweifelt. Wenn man sich die Situation bei den Verwaltungsgerichten als Eingangsinstanz anschaut, dann weiß man, dass zwischen dem Moment, wo man zum Gericht geht, und dem Moment, wo man tatsächlich Recht bekommt, viele Jahre liegen können. Das Abziehen einer Stelle aus dem Bundesver-waltungsgericht zugunsten des Ministeriums – Frau Winkelmeier-Becker hat hier darauf hingewiesen – ist an der Stelle aus meiner Sicht das falsche Signal, auch das falsche Signal an die Länder. Darüber werden wir reden müssen. Wenn im Koalitionsvertrag steht, wir wollen das Rechtsprechungsmonopol des Staates stärken, illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden, dann werden wir an dieser Stelle entsprechend handeln müssen. (Beifall bei der CDU/CSU) Mein Kollege Rohde hat seine Ausführungen zu Recht weitestgehend auf das Patentamt beschränkt. Lassen Sie mich sagen: Auch das ist eine Frage effektiven gewerblichen Rechtsschutzes. Der Laden muss vernünftig laufen, wenn ich das zusammengefasst sagen darf. Dass es lange dauert, bis man sein Patent bekommt, hängt nicht nur mit der Personalsituation, sondern auch mit der erfreulichen Situation zusammen, dass die Zahl der Anträge inzwischen von 59 000 Patentanträgen im Jahr auf inzwischen 63 000 gestiegen ist. Es gibt heute 13 Prozent mehr Patentanträge als noch vor vier Jahren. Es gibt in den Patentämtern eine Menge offener Stellen. Insofern ist es nicht die richtige Argumentation, vom Ministerium zusätzliche Stellen für die Patentämter zu fordern. Wir werden uns in den nächsten Tagen vertieft anschauen müssen, ob die Mitarbeitergewinnung im Amt vernünftig läuft, ob die Anforderungen an Neueinstellungen vielleicht zu hoch sind. Eines kann ich unterstreichen, lieber Kollege Rohde, die Koalition wird keinen Blindflug ohne Navigationsgerät machen. Wir sind nicht die Opposition. Wir sind die Koalition. Das unterscheidet uns nicht nur an dieser Stelle ganz besonders. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie das noch einmal erwähnen, ich hätte es sonst vergessen!) Stichwort „Verbraucherschutz“. Hierfür geben wir nur aus dem Etat von Minister Maas 29 Millionen Euro aus; 4,5 Millionen Euro mehr. Durch die Einführung der sogenannten Marktwächter – zu dieser Begrifflichkeit sage ich gleich noch etwas – dürfen die bisherigen Aufgaben des Verbraucherschutzes nicht vernachlässigt werden. Es darf kein Ungleichgewicht geben. Darauf hat die Verbraucherzentrale Bundesverband hingewiesen. Mich stört aber der Begriff „Marktwächter“. Auf diesen sollten wir es auf Dauer nicht verkürzen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag!) – Ja, das ist durchaus richtig. Aber wenn wir darüber intensiver sprechen, auch fachlich, lieber Herr Kollege, dann müssen wir berücksichtigen, dass es um die verbraucherorientierte Beobachtung des Finanzmarktes geht. Wir sollten bei den Leuten auf Dauer nicht den Eindruck erwecken, dass der Wächter der ist, der auch Strafen kann, sondern er beobachtet erst einmal. Dementsprechend sollten wir ihn auch ausstatten. Die eigentliche Bearbeitung der Vorgänge ist nachher eine hoheitliche Aufgabe, die sicherlich nicht der Bundesverband oder die einzelnen Landesverbraucherzentralen wahrnehmen können. Insofern sollten wir an dieser Stelle vorsichtig mit der Begrifflichkeit sein. Ein letztes Wort. Erfreulich ist das Präventionsprojekt Dunkelfeld, meine Damen und Herren, also der Schutz vor pädophilen Männern. Die Mittel für dieses Projekt werden von früher 250 000 auf nun 560 000 Euro im Jahr erhöht. Ich finde das sehr erfreulich. (Abg. Roland Claus [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Ich sehe, der Kollege Claus möchte meine Redezeit verlängern. Gerne. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Der Kollege Claus möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. Ich gehe davon aus, dass Sie zustimmen. – Bitte schön, Herr Kollege Claus. Roland Claus (DIE LINKE): Vielen Dank. – Da unsere Vorschläge nun zum zweiten Mal mit dem Begriff „Blindflug“ geadelt wurden, bleibt mir nichts weiter übrig, als Sie zu fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir diese Vorschläge unter den Berichterstattern für den Einzelplan 07 in der vorigen und in der vorvorigen Beratung in diversen BE-Gesprächen bei mehreren Besuchen beim Patentamt erarbeitet haben. Der Kollege Rohde hätte bestimmt nichts dagegen, wenn Sie den Kollegen Binding in unserem Parlament als Kronzeuge für die solide Erarbeitung dieser Vorschläge zurate ziehen könnten. Ich frage: Können Sie zur Kenntnis nehmen, dass es sich bei den Vorschlägen nicht um Blindflüge handelt, sondern um solide durchdachte Überlegungen? (Beifall bei der LINKEN) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Herr Kollege Claus, wenn ich in einem Patentamt fast 10 Prozent aller vorhandenen und im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen immer wieder unbesetzt habe, dann stellt sich aus meiner Sicht erst einmal die Frage: Wie bekomme ich die Stellen besetzt? Es stellt sich für mich dann nicht die Frage, ob man zusätzliche Stellen in den Haushaltsplan einstellen muss. Insofern haben wir offensichtlich eine unterschiedliche Auffassung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich verstehe, dass man aus Oppositionssicht sagt, dass der Haushaltsansatz falsch sei. Aber vielleicht stimmen Oppositionssicht und tatsächliche Situation nicht überein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Roland Claus [DIE LINKE]: Dann gehen Sie doch einmal zum Kollegen Binding!) Ich bin aber sehr zuversichtlich, wenn ich dies abschließend sagen darf – die letzten Berichterstattergespräche waren über Fraktionsgrenzen hinweg konstruktiv –, dass wir auch in dieser Frage miteinander zu einem guten Ergebnis kommen werden. Die Opposition wird sehen, dass sie nicht Milde walten lassen muss, weil ein anständiger Bundeshaushalt vorgelegt wurde, sowohl mit Blick auf Einzelplan 07 als auch darüber hinaus. Ich bin sicher, dass wir den Haushalt im Spätherbst beschließen können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht mehr vor. Wir kommen damit zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15. Das Wort hat Bundesminister Hermann Gröhe. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gesundheitliche Versorgung in unserem Land ist gut, ja sogar sehr gut. Eine Befragung des Allensbach-Instituts vom April dieses Jahres hat ergeben, dass acht von zehn Befragten erklärten, (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wer hat das Gutachten in Auftrag gegeben?) sie seien grundsätzlich sehr zufrieden mit dem Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Das sollte uns ein Ansporn sein, ein Ansporn, die Zufriedenheit weiter zu steigern, aber auch ein Ansporn, die Herausforderungen anzugehen, vor denen unser Gesundheitswesen steht. Das ist zuallererst die demografische Entwicklung, das ist aber auch unser Anspruch, medizinischen und medizintechnischen Fortschritt allen Menschen in diesem Land zugutekommen zu lassen. Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen sollten wir uns alle an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und ihnen nachhaltige Hilfe zuteilwerden lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir alle wissen, dass eine wachsende Zahl älterer Menschen in unserem Land viele aktive Seniorinnen und Senioren bedeutet, die sich mit Lebensfreude in das gesellschaftliche Leben einbringen. Zugleich werden wir aber auch immer mehr Menschen unter uns haben, die in hohem Alter schwer mehrfach erkranken oder der Pflege bedürfen. Eine gute und umfassende Versorgung für jeden ist deshalb eine zentrale politische Aufgabe. Bereits in diesem Jahr haben wir wichtige politische Entscheidungen getroffen; ich nenne nur das Stichwort „Stärkung der Hausarztverträge“. Diesen Weg werden wir fortsetzen. Was haben Bundesregierung und Koalition vor? Erstens die Schaffung zukunftsstarker Pflegestrukturen. Eine spürbare Ausweitung der Leistungen, die wir im ersten Pflegestärkungsgesetz nun auf den Weg bringen, ist nur der erste Schritt. Sie wissen, dass es auch darum geht, den Menschen verstärkt genau die Hilfe zuteilwerden zu lassen, die sie persönlich auch benötigen. Zweitens die Sicherung zukunftsfester Versorgungsstrukturen. Diese brauchen wir flächendeckend, in guter Qualität, bedarfsgerecht, in Stadt und Land. Drittens exzellente Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation. Denn für eine zukunftsfähige Versorgung sind Innovationen nicht nur bei Medikamenten oder einzelnen Behandlungsmethoden, sondern auch bei den Versorgungsstrukturen insgesamt unverzichtbar. Und viertens und nicht zuletzt den Ausbau der Prävention. Sie sollte bereits in Kita und Schule beginnen, aber eben auch nicht im Berufsleben, ob im Betrieb oder im Büro, enden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen, meine Herren, lassen Sie mich etwas zu diesen einzelnen Punkten ausführen. Die Pflege steht in den nächsten Jahren ganz oben auf der Agenda dieser Bundesregierung. Bereits vor der Sommerpause haben wir in der ersten Lesung das erste von zwei Pflegestärkungsgesetzen beraten. Es sieht ab 1. Januar des nächsten Jahres spürbare Verbesserungen für Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und auch wichtige Verbesserungen im Alltag der Pflegekräfte vor. Und wir -sorgen gleichzeitig vor. Mit dem Pflegevorsorgefonds wollen wir künftige Beitragsanstiege dämpfen. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz werden wir den Weg zu einer verbesserten Qualität in der pflegerischen Versorgung fortsetzen. So soll die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken der Vergangenheit angehören und es zu einer besseren, individuellen Bewertung der Pflegebedürftigkeit kommen. Dies ist uns, dies ist auch mir persönlich ein wichtiges Anliegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Seit April dieses Jahres läuft die Erprobung des neuen Begutachtungssystems. In über 4 000 Fällen werden Pflegebedürftige nach dem bisherigen und dem neuen Begutachtungssystem bewertet. Die so gewonnenen Erfahrungen wollen wir dann gleich zu Beginn des nächsten Jahres in die Erarbeitung des Gesetzes zur Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs einbringen. Meine Damen, meine Herren, der zweite Schwerpunkt: zukunftsfeste Versorgungsstrukturen. Gerade für eine älter werdende Gesellschaft ist eine gut erreichbare medizinische Versorgung, ambulant wie stationär, von besonderer Bedeutung. Das gilt für Stadt und Land in gleicher Weise. Ältere Menschen brauchen oftmals eine andere medizinische Versorgung. Sie leiden aufgrund des hohen Alters häufig unter chronischen oder unter Mehrfacherkrankungen. Menschen mit demenziellen Erkrankungen können weniger selbst Partner im Prozess der Behandlung sein, brauchen andere pflegerische und ärztliche Zuwendung. Das sind nur einige Beispiele, die deutlich machen, vor welchen Herausforderungen unser Versorgungssystem steht. Deshalb brauchen wir auch hier das Versorgungsstärkungsgesetz, das ich noch im Herbst dieses Jahres vorlegen werde. Ich möchte die gesundheitliche Versorgung der Menschen im Kontext des demografischen Wandels weiterentwickeln und um neue Instrumente ergänzen. Dabei liegt mir die Sicherstellung der Versorgung gerade im ländlichen Raum besonders am Herzen. Fest steht: Wir brauchen eine bessere Verteilung der Ärztinnen und Ärzte. So haben wir gerade in manchen Großstädten immer wieder eine ärztliche Überversorgung; in einigen ländlichen Regionen fehlen aber bereits Ärztinnen und Ärzte oder drohen angesichts des Durchschnittsalters der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte alsbald zu fehlen. Deswegen sollten wir mit gezielten Maßnahmen sowohl die Überversorgung abbauen als auch der Unterversorgung rechtzeitig begegnen. Dabei geht es nicht zuletzt um die hausärztliche Versorgung. Der Hausarzt bzw. die Hausärztin ist der erste Ansprechpartner für Menschen, wenn es um ihre Gesundheitsfragen geht. Deshalb werden wir die Regelungen zur Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin erweitern und die Anzahl der zu fördernden Stellen erhöhen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zu einer guten Versorgung gehört auch, dass die Versicherten nicht wochenlang auf einen Facharzttermin warten müssen. Mit Terminservicestellen der kassenärztlichen Vereinigungen werden wir hier Abhilfe schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Auch möchte ich die Verzahnung zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor weiter verbessern, um eine gut abgestimmte Versorgung gerade der chronisch und mehrfach erkrankten Menschen zu gewährleisten. Um möglichst frühzeitig Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung in einer Region ergreifen zu können, schlage ich vor, die Regelungen für die Bildung sogenannter Strukturfonds dahin gehend zu ändern, dass sie in Zukunft eingerichtet und tätig werden können, schon bevor eine akute Unterversorgung droht, um angesichts der Altersstruktur der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Schließlich werden wir Krankenhäusern zunehmend die Möglichkeit zur Teilnahme an der ambulanten ärztlichen Versorgung eröffnen müssen, wenn der Landesausschuss einen entsprechenden Versorgungsbedarf festgestellt hat, der von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nicht abgedeckt werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Klar ist, dass wir in Zukunft Krankenhäuser brauchen, die gut aufgestellt sind und sich einer qualitätsgesicherten Versorgung verpflichtet fühlen. Qualität ist für mich das entscheidende Kriterium einer patientenorientierten Krankenhausplanung. Es gilt, gut erreichbare Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung zu sichern und zugleich die Spitzenmedizin, wie sie zum Beispiel an den Universitätskliniken und auch in ihren Ambulanzen angeboten wird, angemessen zu honorieren. In diesem Sinne arbeiten wir seit Mai mit Vertretern der Bundesländer in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe an einer Krankenhausreform. Ich will mich an dieser Stelle – am Montag war die jüngste Sitzung – bei allen Vertretern der Bundesländer ausdrücklich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Unser Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres Eckpunkte zu erarbeiten, die dann im nächsten Jahr in einem entsprechenden Gesetz umgesetzt werden. Der Stärkung der Versorgung und der besseren Vernetzung der Sektoren dient auch das E-Health-Gesetz, das ich Ihnen noch in diesem Herbst vorstellen möchte. Mit ihm sollen Anreize für eine schnellere Nutzung medizinischer Daten, wie zum Beispiel die Nutzung von Notfalldaten mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte, geschaffen werden. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wer’s glaubt!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sagte bereits: Wir brauchen auch im Gesundheitswesen verstärkt Forschung und Innovation, wenn es um Versorgungsstrukturen geht. Mit einem Innovationsfonds, zu dem wir ebenfalls im Versorgungsstärkungsgesetz gesetzliche Regelungen verankern werden, wollen wir 300 Millionen Euro jährlich in die innovative Entwicklung von Versorgungsstrukturen und in die Versorgungsforschung investieren. Schließlich wird alsbald das bereits gesetzlich verankerte Qualitätsinstitut mit seiner Aufbauarbeit beginnen, um mit verlässlichen Kriterien und Transparenz zur Qualitätssicherung beizutragen. Auch in unserem Haushalt sollen die Aufwendungen im Bereich Forschung nach unserem Vorschlag deutlich erhöht werden, auf nunmehr 25,5 Millionen Euro. Dabei geht es um Strategien zur Bekämpfung von Krebs, aber auch um eine bessere Versorgung von Menschen, die an seltenen Erkrankungen leiden. Ich denke zum Beispiel an den Förderschwerpunkt der Bildung eines zentralen Informationsportals über seltene Erkrankungen. Schließlich werden wir noch in diesem Jahr den Entwurf eines Präventionsgesetzes vorlegen, mit dem wir das Ziel verfolgen, gesundheitsförderndes Verhalten von der Kita über die Schule und den Arbeitsplatz bis hinein in die Altenpflege bzw. die Altenhilfe zu fördern. Hinsichtlich der Zahlen darf ich darauf hinweisen, dass im Einzelplan 15 auch der Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung für das Jahr 2015 um 1 Milliarde Euro steigen soll und wir damit die Zusagen aus dem Haushaltssicherungsgesetz einhalten. Das möchte ich unterstreichen. Lassen Sie mich angesichts der guten medizinischen Versorgung in unserem Land und der Herausforderungen, die wir bewältigen wollen, damit dies so bleibt, bewusst den Blick auf einen Krisenherd richten, auf die Region Westafrika, auf die Herausforderung durch die Ebola-Erkrankung. Die betroffenen afrikanischen Staaten sind mit der Bekämpfung dieser Epidemie überfordert. Sie haben weder die Infrastruktur noch ausreichend medizinisches Personal, um diese todbringende Krankheit in den Griff zu bekommen. Sie brauchen die Solidarität der Staatengemeinschaft. Sie brauchen auch unsere Solidarität. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das Robert-Koch-Institut und das vom Bundesgesundheitsministerium institutionell geförderte Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin haben bereits im März zur Bekämpfung der Epidemie Expertinnen und Experten nach Afrika und zur WHO entsandt. Derzeit arbeiten acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts und fünf Mitarbeiter des Bernhard-Nocht-Instituts in Guinea und in Nigeria. Ihnen, aber auch allen anderen Helferinnen und Helfern der unterschiedlichen Hilfsorganisationen sei an dieser Stelle ausdrücklich für ihren eindrucksvollen Einsatz gedankt. (Beifall im ganzen Hause) Darüber hinaus hat das Kompetenz- und Behandlungszentrum Nord in Hamburg, Universitätsklinikum Eppendorf, im vergangenen Monat einen an Ebola erkrankten senegalesischen WHO-Mitarbeiter zur Behandlung aufgenommen. Auch den Ärztinnen und Ärzten sowie den Pflegekräften dort gilt mein herzlicher Dank für die ihm zuteilwerdende Behandlung. Wir wünschen ihm natürlich von Herzen ein Gelingen dieser Behandlung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden alsbald Mittel für ein Trainingsprogramm des Robert-Koch-Instituts zum Umgang mit Ebola-Verdachtsfällen zur Verfügung stellen. Es soll einen Beitrag dazu leisten, Helferinnen und Helfer zu trainieren, damit sie sich bei der Behandlung der Erkrankten und der einer Erkrankung Verdächtigen selbst schützen können, indem sie die Schutzmaßnahmen beachten. Oft hält die Angst vor der Ansteckung die Hilfspersonen davon ab, zu helfen. Dieses Trainingsprogramm wird alsbald auf den Weg gebracht werden. Wir leisten also auch in diesem Bereich unseren Beitrag in enger Zusammenarbeit mit dem Entwicklungshilfeministerium, dem Außenministerium und dem Forschungsministerium. Dafür bin ich dankbar. Ich freue mich nun auf die vor uns liegenden Debatten, natürlich in Sonderheit auf die Debatten mit den Berichterstatterinnen und Berichterstattern im Haushaltsausschuss. In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schmidt, wieder haben Sie bei einem Gesundheitsthema die Leitung. Wer weiß, vielleicht bereiten Sie sich ja auf neue Aufgaben vor; aber ich will meine Zeit damit nicht vertrödeln. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren! Der Bundesrechnungshof hat uns gerade darauf hingewiesen, dass die Ausgaben für den Gesundheitsfonds in den letzten Jahren fast doppelt so schnell gestiegen sind wie die Einnahmen. Die Lösung kann aber nicht darin bestehen, immer weiter die Krankenkassenbeiträge zu erhöhen. Meine Fraktion findet: Wir müssen grundsätzlicher an die Dinge herangehen. Wir müssen hier im Bundestag über krankmachende Arbeit sprechen und gemeinsam etwas dagegen tun. (Beifall bei der LINKEN) Die Chefs mehrerer Krankenkassen haben den deutschen Arbeitgebern pauschal eine Mitschuld am dramatischen Anstieg der sogenannten Burn-out-Erkrankungen und Depressionsfälle in deutschen Unternehmen zugesprochen. Deutsche Arbeitnehmer leisten nach Erkenntnissen der EU-Kommission im Durchschnitt mehr Überstunden als ihre Kolleginnen und Kollegen in den europäischen Nachbarländern. In keinem Land der Eurozone gibt es einen so großen Unterschied zwischen der tarifvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit und der tatsächlichen Wochenarbeitszeit wie in Deutschland. Das stellte der zuständige EU-Kommissar fest. Ich finde, das sollte uns zu denken geben. (Beifall bei der LINKEN) In Deutschland entstehen durch arbeitsbedingte psychische Belastungen volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 6,3 Milliarden Euro im Jahr. Laut aktueller Studie der Betriebskrankenkassen sind darin 3 Milliarden Euro direkte Kosten für die Krankheitsbehandlung und 3,3 Milliarden Euro Produktionsausfallkosten enthalten. Die Vorstandsvorsitzenden mehrerer Krankenkassen forderten nun eine Stärkung der Gesundheitsvorsorge in den Betrieben. Sie, Herr Minister Gröhe, haben diesen Appell der Krankenkassen unterstützt. Das ist gut, aber Appelle reichen nicht. Ich finde, wir müssen handeln. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Art und Weise, wie wir in unserer Gesellschaft leben und arbeiten, macht immer mehr Menschen krank. Wer auf knallharte Konkurrenz, maximale Arbeitsverdichtung und 24-Stunden-Flexibilität setzt, der überfordert jeden einzelnen Menschen, aber auch unser Gesundheitssystem. Darum, finde ich, muss es uns gelingen, unsere Arbeits- und Lebenswelt solidarischer und gerechter zu gestalten. Dann könnten auch die Gesundheitskosten bzw. Krankheitskosten rapide sinken. (Beifall bei der LINKEN) Vielleicht sollten wir auch einmal ernsthaft darüber diskutieren, wie wir die Arbeitgeber stärker an den Gesundheitskosten beteiligen, die sie direkt verursachen. Man könnte zum Beispiel für jede geleistete Überstunde den Krankenkassenbeitrag des Arbeitgebers um 50 Prozent erhöhen. Ich glaube, eine solche Maßnahme würde mit Sicherheit mehr Wirkung zeigen als alle mündlichen Appelle. (Beifall bei der LINKEN) Damit der Finanzminister mit einer „schwarzen Null“ in die Geschichte eingehen kann, hat er sich vorgenommen, ab 2015 ohne neue Schulden auszukommen. Das ist ja heute sehr oft erwähnt worden. An dieser Stelle möchte ich allerdings den Kollegen Norbert Brackmann von der Union – ich glaube, er ist gerade nicht im Saal – aus dem Haushaltsausschuss besonders lobend hervorheben. Er war, glaube ich, der Einzige, der heute darauf verwiesen hat, dass wir noch jede Menge alte Schulden haben. Das sollte bei aller Euphorie über die „schwarze Null“ nicht vergessen werden. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Mit euch hätten wir noch mehr Schulden!) – Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen, gehe ich gerne darauf ein; ansonsten geht es auf meine Redezeit. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ich habe keine Frage gestellt, ich habe eine Feststellung getroffen!) Wie wird der Bundeshaushalt vom Bundesfinanzminister entlastet? Dies gelingt mit willkürlichen Hin- und Herschiebungen. Zum Beispiel wird der Zuschuss für den Gesundheitsfonds um insgesamt 6 Milliarden Euro für zwei Jahre gekürzt. Ab 2017 soll der Zuschuss dann wieder auf 14,5 Milliarden Euro steigen. Ich finde, mit diesem Hin- und Herschieben wird kein einziges Problem wirklich gelöst. (Beifall bei der LINKEN) Die Verschiebung in die Sozialsysteme geht natürlich vor allen Dingen auf Kosten der Geringverdiener, die durch höhere Krankenkassenbeiträge für diese Art der kreativen Buchführung zahlen müssen. Das finde ich ungerecht. Das lehnen wir Linke ab. (Beifall bei der LINKEN) Zum Abschluss möchte ich noch auf zwei Kürzungspositionen, die vorgeschlagen sind – wir beschließen den Haushalt ja erst Ende des Jahres –, eingehen, die ich für nicht sachgerecht halte. Zum einen soll bei der gesundheitlichen Aufklärung gekürzt werden und zum anderen bei internationalen Aufgaben. Für die gesundheitliche Aufklärung steht ein Posten, der sowieso nicht übertrieben groß ist, zur Verfügung. Ich will daran erinnern, dass immer mehr Menschen krank werden, weil sie sich zum Beispiel falsch ernähren. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir alle!) Darum ging es gerade auch beim Thema Verbraucherschutz. Die Lebensmittelindustrie steckt ein Vielfaches in die Werbung für versalzene, überzuckerte und fettige Produkte. In dieser Situation ist es, glaube ich, nicht richtig, die Mittel für die Aufklärung zu kürzen. Es wäre geradezu absurd. (Beifall bei der LINKEN) Letzter Punkt. Herr Gröhe, Sie haben sehr eindrucksvoll berichtet, wie sich die Bundesrepublik, insbesondere das Robert-Koch-Institut, in der Ebola-Frage engagiert. Darum ist es umso verwunderlicher, dass gerade die Mittel für die internationalen Aufgaben gekürzt werden sollen. Denn in Zeiten einer globalisierten Welt muss auch ein Gesundheitsminister global denken und schnell handeln. Ich glaube, das gelingt nicht mit einer Kürzung auf genau diesem Gebiet. Der Haushaltsentwurf bedarf aus Sicht der Linken einer grundsätzlichen Überarbeitung. Aber dafür haben wir ja bis November Zeit. Wir werden mit Elan und vielen Vorschlägen an die Sache gehen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist Dr. Karl Lauterbach. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Karl Lauterbach (SPD): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst kurz auf die Einlassungen von Frau Lötzsch zu sprechen kommen. Sie erwähnten – das stimmt auch –, dass wir am Arbeitsplatz immer mehr Stress haben. Das ist richtig, und dagegen unternehmen wir etwas. Ich hoffe daher, dass wir Ihre Unterstützung bekommen, wenn Andrea Nahles hier die Antistressverordnung verabschieden will. Dann werde ich Sie an Ihre Worte erinnern. Denn es hilft nichts, ein Problem zu benennen, aber nicht konstruktiv mitzuarbeiten, wenn es um die Lösung geht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Gleiche gilt auch für die Vorbeugemedizin. Es ist richtig, dass wir in den Betrieben mehr Prävention brauchen. Es ist aber auch richtig – das hat der Minister eben in seiner Rede angekündigt, und wir haben es hier schon mehrfach vorgetragen –, dass wir noch in diesem Jahr ein Präventionsgesetz vorlegen werden, das eine bessere Vorsorgemedizin in den Betrieben zum Ziel hat. Somit hoffe ich dann ebenfalls auf Ihre Unterstützung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Und schließlich: Sie sagten, Sie würden beklagen, dass wir alte Schulden haben. Das höre ich mit großem Interesse. Das steht nämlich im Widerspruch zu den Vorschlägen, die wir in fast jeder Plenardebatte von Ihnen hören und deren Umsetzung darauf hinauslaufen würde, dass wir sogar neue Schulden machen müssten. Das ist ein Widerspruch. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist sozialistische Dialektik!) Ich glaube, wenn man auf die erste Phase dieser Regierungszeit zurückschaut, kann man mit Blick auf die Gesundheitspolitik – ohne sich zu Unrecht zu loben oder die Dinge zu selbstgerecht darzustellen – sagen: Wir haben eine Menge geschafft. Zum Beispiel ist es uns trotz stetig steigender Bedarfe, neuer, innovativer Produkte und zum Teil auch sehr teurer Produkte gelungen, die Kosten im Bereich der Arzneimittelversorgung im Wesentlichen zu begrenzen. Wir haben das Preismoratorium fortgesetzt. Wir haben den Herstellerrabatt mit 7 Prozent auf einem Niveau gehalten, das passt. Wir haben mit den Hausarztverträgen Anreize für eine evidenzbasierte Generikabehandlung geschaffen; das funktioniert gut. Außerdem haben wir die Qualitätssicherung durch die Chronikerprogramme und die Disease-Management-Programme verbessert. Mittlerweile bekommt der größte Teil der Patienten in Deutschland eine wissenschaftlich gut gesicherte Medizin, dort, wo möglich, in Form von Generika, und dort, wo nicht in Form von Generika möglich, auf der Grundlage von unter Berücksichtigung der Kosten-Nutzen-Relation verhandelten Preisen. Vor Jahren ist das nicht möglich gewesen. An diesen Reformen arbeiten wir gemeinsam seit vielen Jahren. Diese Arbeit wurde in der ersten Phase dieser Legislaturperiode fortgesetzt. Da gab es also keinen Bruch, sondern eine kontinuierliche Weiterentwicklung, für die wir im Ausland gelobt werden. Hier müssen wir gemeinsam weiter an einem Strang ziehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Zweiten. Ich weise darauf hin: Wir haben eine große Ungerechtigkeit in unserem System beseitigt, und zwar gemeinsam – hierfür möchte ich mich ausdrücklich auch bei den Kolleginnen und Kollegen von der Union bedanken –: Wir haben die Gesundheitsprämie bzw. die kleine Kopfpauschale abgeschafft. Sie hätte für unsere Rentner eine nicht unerhebliche Belastung dargestellt; denn es ging um einen Sozialausgleich, der von der Steuer abhängig gewesen wäre. Jetzt gibt es einkommensabhängige Zusatzbeiträge, die für einen Geringverdiener gering und für einen Gutverdiener entsprechend höher ausfallen. Arbeitslose, die Arbeitslosengeld I oder II empfangen, müssen gar keinen Zusatzbeitrag bezahlen. Ich sage es einmal so: Das ist zwar nicht ganz die Bürgerversicherung – das räume ich hier ein; sie wäre mir zu jedem Zeitpunkt lieber –, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aber ein wichtiger Fortschritt. Angesichts dieses wichtigen Fortschritts sage ich: Dafür muss man der Union danken. Das ist eine Richtungsänderung, ein ganz gezielter Schritt in Richtung von mehr Solidarität. Die Pflegereform wurde von Minister Gröhe schon angesprochen. Auch sie ist eine Reform mit Augenmaß. Klar ist: Wenn wir in der Lage wären, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff jetzt einzuführen – flächendeckend, in ganz Deutschland, sofort –, dann müssten wir das tun, und dann wäre es verantwortungslos, das nicht zu tun. Die Wahrheit ist aber: Ein so großes Experiment – den Pflegebedürftigkeitsbegriff, der für so viele Menschen, für mehr als 2 Millionen zu Pflegende, die Organisation und Bezahlung ihrer Versorgung regelt, auf einen Schlag zu verändern – wäre nicht verantwortbar. Zuvor müssen wir mit den Projekten, in die wir 4 000 zu Pflegende einbeziehen, erst einmal schauen, wie der neue Pflegebegriff funktioniert. Bis dahin dynamisieren wir die Leistungen. Auch da wäre mehr möglich gewesen; aber 4 Prozent sind 4 Prozent. Wir bringen im Prinzip so etwas wie ein flexibles Budget bei der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege; das ist etwas, was an der Basis immer wieder gewünscht wurde. Das ist auch ein Vertrauensbeweis gegenüber den Angehörigen, die das Geld dann besser disponieren können, ohne dass jeder Euro genau dokumentiert werden muss. Wir schaffen etwa 20 000 bis 25 000 zusätzliche Betreuungsstellen. Die Betreuungsstellen – sowohl bei der teilstationären als auch bei der stationären Pflege – sind von absoluter Bedeutung: Das sind die Stellen, die dafür sorgen, dass die Menschen, die Pflege benötigen, auch wirklich gepflegt werden können, dass die gut ausgebildeten Pflegekräfte nicht die ganze Zeit mit, ich sage einmal, Beobachtungsleistungen wie „Läuft er hierhin, dorthin?“ verbringen, die auch einmal Gespräche führen können, Zeit haben, sich einfach hinzusetzen und mit den zu Pflegenden etwas zu machen. Daher sind die Betreuungsleistungen von allergrößter Bedeutung. Dass wir durch die Veränderung des Schlüssels mindestens 20 000 zusätzliche Stellen schaffen, ist eine große Leistung. Das wird paritätisch bezahlt. Damit wird unser Sozialstaat in eine Richtung ausgedehnt, wo der größte Bedarf besteht. Dafür möchte ich mich bei allen, die daran mitgewirkt haben, ganz ausdrücklich bedanken. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich selbst stehe zu der Schaffung einer Rücklage von 1,2 Milliarden Euro; unsere gesamte Fraktion steht zu diesem Beschluss. Das ist keine unsinnige Verwendung. Wir sehen durchaus Bedarf, für die Babyboomer-Generation, die irgendwann als Kollektiv in die Pflegebedürftigkeit übertreten wird, Geld zurückzulegen. Jetzt kann man sagen: „Das Geld verzinst sich nicht so gut“; aber es ist besser, man hat auch bei niedriger Verzinsung etwas zurückgelegt, als dass man, wenn man Geld braucht, gar nichts zurückgelegt hat. Somit haben wir diese Rücklage zum „Entsparen“ im Jahr 2035. Das ist etwas, wozu wir gemeinsam stehen; das ist etwas Sinnvolles. Gepaart mit den Verbesserungen der Pflegeleistungen und Investitionen in die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit durch eine bessere Hausarztmedizin, durch bessere Prävention und durch eine bessere Integration der Leistungen machen wir unser Pflegesystem langfristig bezahlbarer und auch leistungsgerechter. Ich komme zum Abschluss auf den Krankenhaussektor zu sprechen; da haben wir vieles vor. Wir müssen im Krankenhaussektor aus meiner Sicht in allererster Linie ein Problem lösen, das mittelfristig größer sein wird als jedes andere Problem dort. Dieses Problem ist damit zu beschreiben, dass wir in der Qualifikation und auch in der Zahl in den Krankenhäusern in Deutschland mittelfristig viel zu wenige Pflegekräfte haben werden. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Insbesondere in der Stationspflege werden wir zu wenige Pflegekräfte haben. Die Funktionspflege wird noch einigermaßen funktionieren; aber an der Stationspflege haben die Krankenkassen meistens kein großes Interesse, weil sich das in den Gesamtausgaben nicht widerspiegelt. Wie die Krankenhäuser die Mittel verwenden, ist der Krankenkasse egal. In den Krankenhäusern sind es oft die Ärzte, die mit den Pflegekräften um Einkünfte konkurrieren und somit im Prinzip den Kuchen dort noch kleiner machen. Es ist auch so, dass sehr häufig kurzfristig Gewinne gemacht werden, indem in der Pflege gespart wird. Dieses Sparen bei der Pflege ist für die Patienten sehr gefährlich, (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) weil es einer der wichtigsten Gründe für vermeidbare Krankenhausinfektionen ist. Vermeidbare Krankenhausinfektionen, das bedeutet, dass man an etwas erkrankt, was mit der Indikation, wegen der man in die Klinik gekommen ist, nichts zu tun hat. Hier werden zum Teil Menschen schwer krank und versterben nach Routine-eingriffen, bei denen niemals mit einer solchen Komplikation zu rechnen gewesen wäre. Langfristig werden die Stationen und die Kliniken, wenn wir hier nicht gegensteuern, zu einem Sicherheitsrisiko für die Patienten. Das müssen wir vermeiden. Bei allen Manövern, die wir bei der Krankenhausreform machen – das sind eine ganze Menge –, wird das ein wichtiges Ziel sein müssen. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, dann gewinnen wir die jungen Leute nicht, die wir für die Pflege brauchen. Man kann heute nämlich junge Leute mit einer guten Qualifikation, die sich eine Stelle aussuchen können, nicht für einen Beruf gewinnen, der unterbezahlt ist, bei dem man sehr stark gestresst und sozusagen vom Burn-out bedroht wird und bei dem man in der Hierarchie ganz unten steht. Daher brauchen wir hier die Unterstützung aller im Haus, und ich bin mir sicher, dass wir sie zum Schluss auch bekommen werden. In diesem Sinne danke auch ich Ihnen für die vorzügliche Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir den Etat 2015 des Gesundheitsministeriums anschaue, dann sehe ich vier große Baustellen: Die erste ist sicherlich die Pflegereform, die zweite ist die globale Minderausgabe, die dritte sind die verschiedenen Modellmaßnahmen im Drogenbereich, und die vierte – das ist die größte Baustelle überhaupt – ist der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds. Durch die Senkung des Beitragssatzes in der GKV fehlen den Kassen schlicht und einfach mehrere Milliarden Euro. Die Versicherten werden das ausgleichen müssen. Immer mehr Kassen – das ist ein großes Thema bei diesem Haushalt – kündigen schon jetzt an, dass sie Zusatzbeiträge erheben müssen. Zusatzbeiträge bleiben -Zusatzbeiträge. Man kann sie nicht sozial begründen, sondern das sind zunächst einmal Kosten für die Versicherten. Zusätzlich kommen die 2,5 Milliarden Euro hinzu, um die die Regierung den Bundeszuschuss kürzen will, wodurch das Gesundheitssystem noch mehr belastet wird, und das bei gleichzeitigem Anstieg der Ausgaben für Gesundheit und Behandlung in dieser Gesellschaft, die auch vom demografischen Wandel betroffen ist. Das kann man nicht einfach übergehen, und vor allem kann ich nicht aufhören, immer wieder zu sagen: Dieser Bundeszuschuss ist keine Gefälligkeitszahlung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Er drückt die Solidarität der Steuerzahler mit den Erziehenden, den Familien und den Kindern in einem gesetzlichen Versicherungssystem aus. Es geht hier um die berühmten versicherungsfremden Leistungen. Deshalb ist das auch keine Großtat. Weil Sie mit der Kürzung des Bundeszuschusses die Mehrbelastung der Versicherten schlicht und einfach von vornherein geradezu mit anlegen und nochmals steigern, werden wir hierzu einen Änderungsantrag stellen, um den Bundeszuschuss auf die gesetzlich vorgesehene Summe aufzustocken. Wer sind die Versicherten? Das will ich auch noch einmal dazu sagen: Nach der Statistik 2010 hat die Hälfte der Versicherten im gesetzlichen Versicherungssystem ein Monatsbrutto von unter 1 500 Euro, selbst wenn ich die ALG-II-Empfänger herausnehme. Für diese Familien sind diese Kosten schlicht und einfach real vorhanden. Sie müssen sie tragen. Das ist nicht sozial gerecht. Sozial gerecht wäre eine Entlastung und nicht eine stärkere Belastung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich wünschte mir, Sie hätten gerade in einer solchen Phase, in der es uns gut geht, den Mut, die Haushaltskonsolidierung nicht auf Kosten der Versicherten, sondern durch strukturelle Reformen anzugehen. Dazu gehört auch die Bürgerversicherung. Mir fallen hier noch ein paar andere Einzelpläne ein, an die wir sehr wohl herangehen könnten, zum Beispiel an den Subventionsabbau außerhalb Ihres Haushaltes. Diesen Mut vermissen wir aber leider im gesamten Haushalt, durchgehend in allen Einzelplänen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir uns das Beispiel Pflege an. Ja, Herr Minister, wir unterstützen Sie absolut, dass wir hier Leistungsverbesserungen brauchen und dass wir die Belange der Pflegebedürftigen und der Angehörigen ernst nehmen müssen. Wir sind komplett bei Ihnen, dass es an der Zeit ist, das Ganze zu überdenken. Sie gehen hier ein paar Schritte an, die wir durchaus mittragen können. Die wichtigen Fragen lassen Sie aber unbeantwortet. Wir brauchen hier eben gerade keine kleinen Schritte, sondern wir brauchen auch hier einen Systemwechsel hin zu einer Pflegebürgerversicherung, und wir brauchen auch den neuen Pflegebegriff, weil das die Grundlage des Wandels ist und nicht am Ende dieses Prozesses stehen kann. Deshalb wünschte ich mir, dass Sie hier ein bisschen schneller vorangehen würden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das, was Sie mit dem Pflegevorsorgefonds vorschlagen, halte ich für schwierig. Hier will ich als Haushälterin argumentieren. Natürlich sagen Sie: Damit bauen wir dem demografischen Wandel ein Stück weit vor. Auf das, was kommt, müssen wir uns vorbereiten.  – Das wird aber nicht funktionieren. Warum wird das nicht funktionieren? Irgendwann einmal wird der Anteil der Menschen, die versichert sind, zurückgehen. Das gilt aber auch für den Anteil der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Dadurch kommt weniger Geld in die Kasse. Der Beitragssatz wird aber konstant bleiben oder vielleicht sogar steigen. Damit haben Sie nicht das erreicht, was eigentlich erreicht werden sollte. Ihre Idee ist ja, Geld anzusparen, um eine Rücklage zu bilden. Aus den anderen Bereichen in der Politik lernen wir, dass angespartes Geld in öffentlicher Hand -Begehrlichkeiten weckt. Diese Begehrlichkeiten werden kommen. Die Frage ist, ob Sie das angesparte Geld bis zu dem Zeitpunkt, an dem es gebraucht wird, halten können, ohne den Begehrlichkeiten nachzugeben. Diese Kritik am Pflegevorsorgefonds kommt nicht nur von den Grünen, sondern sie kommt auch aus Ihren eigenen Reihen und von vielen Sachverständigen in den Anhörungen. Ich finde, mit dieser Kritik müssen Sie sich auseinandersetzen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, dann darf eine solche Kritik nicht einfach beiseitegewischt werden, sondern sie muss ernst genommen werden. So wie Sie es machen, wird es nicht funktionieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will noch drei weitere Punkte nennen. Der erste Punkt ist die globale Minderausgabe von 6,5 Millionen Euro in Ihrem Haushalt. Das klingt erst einmal nach wenig Geld, ist es aber nicht. In diesem Haushalt haben Sie wenig Spielraum. Um dieses Geld zu erwirtschaften, müssen Sie irgendwo kürzen. Wird das bei der Krebsforschung sein? Werden das die Mittel für die chronisch Kranken sein? Wird die Kürzung womöglich andere Modelle treffen? Wie auch immer: Irgendwo wird es schmerzen. Ich hoffe, wir finden einen Weg, wie wir gemeinsam damit umgehen können. Der zweite Punkt sind die seltenen und vernachlässigten Krankheiten. Ich bin froh, dass wir Grüne das Thema bereits im Haushalt für 2014 angesprochen haben, und wir werden an diesem Thema konsequent dranbleiben. All das, was über die Ebolaepidemie ausgeführt wird, bestätigt mich darin, dass wir dieses Thema nicht geringschätzen dürfen. Es ist auch unsere Pflicht als Haushälter, Antworten auf diese Herausforderungen zu finden und zu sehen, was im Bundeshaushalt 2015 dazu möglich ist. Der dritte Punkt sind die Drogenmodellmaßnahmen. In den letzten Haushaltsberatungen war es ein Anliegen der Grünen, dass die Mittel für diese Projekte nicht gekürzt werden. Ich danke Ihnen, Herr Minister, dass Sie unsere Anregungen aufgenommen haben, im Bereich Crystal Meth aktiver zu werden und Projekte zu fördern. Die öffentliche Debatte zeigt, dass die Zeit dafür gekommen ist. Aber – jetzt kommt das große Aber – Sie haben keine neuen Mittel bereitgestellt, sondern sie mit den Mitteln für die Infoknotenstelle im Bereich Sucht zusammengelegt. Das ist wirklich mehr als bedauerlich. Deshalb werden wir an diesem Punkt dranbleiben. Mir fallen noch ein paar weitere Punkte auf. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Deligöz, bitte kommen Sie zum Schluss. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, mein letzter Satz. – Bei den ersten beiden Punkten, Bundeszuschuss und Pflege, besteht politischer Dissens; das wird auch so bleiben. Bei allen anderen Punkten hoffe ich auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Rudolf Henke, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Rudolf Henke (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Worum geht es eigentlich, wenn wir einen solchen Haushalt wie den des Bundesgesundheitsministeriums diskutieren? Es geht um genau die Aufgaben, die die Menschen im Gesundheitsbereich, denen wir für ihre Leistung danken, übernommen haben: Leben retten, Gesundheit erhalten, Krankheit heilen, Leiden lindern und Sterbenden helfen, so gut es geht. Die Erfüllung dieser Aufgaben zu ermöglichen: Das genau ist der Grund dieser Haushaltsberatung. Das genau ist der Zweck der Arbeit des Ministeriums. Das genau ist unsere Aufgabe, wenn wir über diesen Haushalt diskutieren. An diesen Zielen können und müssen wir uns messen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich weiß, dass wir natürlich mit Recht eine Debatte über Wartezeiten im Gesundheitswesen führen. Aber ich will auch sagen, dass in kaum einem anderen Land der Welt die Wartezeiten auf einen Termin für eine notwendige Operation so kurz sind wie bei uns. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will auch sagen, dass in kaum einem anderen Land der Welt die Eigenbeteiligung an den Kosten für Gesundheit niedriger ist als hier. Ich will auch sagen, dass in kaum einem anderen Land der Welt die Versorgung der Kranken, die auf der Schattenseite der Gesellschaft leben, so zuverlässig wie in Deutschland ist. (Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Nein!) Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, dass das in Zukunft so bleibt. (Beifall bei der CDU/CSU) Damit das in Zukunft so bleibt, müssen wir in den Rahmenbedingungen einen Dreiklang herstellen. Dieser Dreiklang besteht aus einer guten wirtschaftlichen Entwicklung – gute wirtschaftlicher Entwicklung nützt der Leistungskraft im Gesundheitswesen –, einer guten Beschäftigungslage – eine gute Beschäftigungslage nützt der Finanzkraft der gesetzlichen Krankenkassen – und stabilen öffentlichen Finanzen. Stabile öffentliche Finanzen helfen uns dabei, kein Geld mehr in Zinszahlungen zu verbrennen und so zu mehr Spielräumen zu kommen. Weil wir uns dieses Zusammenhangs bewusst sind – stabile öffentliche Finanzen, Wachstum und Beschäftigung –, beraten wir heute zum ersten Mal seit 1969 einen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung, eine Punktlandung. Dass das ohne steigende Steuern geht und wir damit ein wesentliches Versprechen erfüllen, ist schon ein Grund zur Genugtuung. Ich bin kein Anhänger von Stolz, aber Genugtuung darf in einem solchen Moment, glaube ich, sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD]) Wir halten die nationale Schuldenregel mit großem Sicherheitsabstand ein. Bis zum Ende des Jahres 2015 wird die tatsächliche Neuverschuldung kumuliert um rund 100 Milliarden Euro unter der nach Schuldenregel zulässigen Neuverschuldung liegen. Das ist auch vorbildlich für andere in Europa. Wenn ich mir als „verflossener“ Abgeordneter des Landtags von Nordrhein-Westfalen einen kleinen Blick darauf erlauben darf, wie man sich in meinem Heimatland, wo morgen eine Haushaltsdebatte stattfindet und ein Nachtragshaushalt beraten wird, quält, dann stelle ich fest: Alleine durch diesen Nachtragshaushalt, der für 2014 vorgelegt worden ist, steigt die Neuverschuldung dort von 2,4 auf 3,2 Milliarden Euro. Und mit dem Haushalt 2015 kommen nach der Schätzung des dortigen Finanzministers weitere 2,3 Milliarden Euro hinzu. Lieber Herr Kollege Lauterbach: Ja, natürlich mag man in Zeiten, in denen sich nicht jede Kostenentwicklung im Gesundheitsbereich in den Vergütungen beispielsweise in den Krankenhäusern abbildet, davon sprechen, dass manche Krankenhäuser in der Tat auf Mehrleistungen, die sie im Zusammenhang mit Arztstellen erbringen müssen, reagieren, indem sie in der Pflege nicht das tun, was notwendig ist. Aber gestatten Sie mir als jemandem, der das lange mitverfolgen konnte, doch den kleinen Hinweis: Der Hauptgrund dafür, dass es Krankenhäusern finanziell schlecht geht, ist nicht die Tatsache, dass wir hier auf Bundesebene Stop-and-Go-Betrieb bei der Finanzierung der Krankenhäuser haben – das ist auch die Wahrheit, das haben wir ja –, sondern ist das Versagen etlicher Bundesländer – Nordrhein-Westfalen gehört leider trotz dieser Schuldenentwicklung dazu – bei der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser. Wenn man sich anguckt, dass heute bei einem Bedarf von 6 Milliarden Euro 2,7 Milliarden Euro von den Ländern bereitgestellt werden und die Krankenhäuser eben nicht die Betriebskosten durch Abschreibungen für die Investitionen ausgleichen können, dann ist das, finde ich, eine Aufgabe, der wir uns dann, wenn im Dezember die Vorschläge aus der Bund-Länder-Kommission kommen, widmen müssen. Das werden wir sicherlich auch tun. Ich bin froh, dass die Durchsetzungsstärksten von uns und diejenigen, die am besten unterrichtet sind – dazu gehören ja auch Sie, Herr Lauterbach –, dort mitwirken. Das ist sehr gut. (Beifall bei der CDU/CSU) Zehn Jahre nach dem Rekordschuldenstand in Höhe von damals 8,3 Milliarden Euro steht die gesetzliche Krankenversicherung, verehrte Frau Deligöz, weiter auf einem sehr soliden finanziellen Fundament. Und der Gesundheitsfonds und die Krankenkassen verfügen am Ende des ersten Halbjahres über Reserven in einer Größenordnung von insgesamt rund 26,6 Milliarden Euro – 16,2 Milliarden Euro bei den Krankenkassen und 10,4 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds. Ich habe zwar Verständnis dafür, dass Sie versuchen, immer wieder an etwas zu mäkeln, aber in Wirklichkeit sind doch der Gesundheitsfonds und die Liquiditätsreserve so ausgestattet, dass es nicht etwa wegen der Haushaltstechnik zu steigenden Beiträgen kommt, sondern das führt lediglich zu einem Schwanken der vorhandenen Reserve. Das zeigt die Stabilität einer Finanzarchitektur, für die wir alle gemeinsam sehr viel getan haben. Ich finde, Sie streuen den Menschen an dieser Stelle ein bisschen Sand in die Augen und locken sie auf einen Irrweg. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, unser Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe, hat auf Vorhaben hingewiesen, die wir als Gesetzgeber im nächsten Jahr und schon beginnend im nächsten halben Jahr diskutieren werden. Dabei geht es um die Frage der Versorgungsstruktur, die Frage des Megathemas Krankenhaus, die aktuell wird, wenn die Bund-Länder-Kommission ihre Ergebnisse vorlegt, und die E-Health-Thematik. Ich will auf einen Punkt aufmerksam machen, der mir besonders am Herzen liegt. Das ist das Thema Prävention; denn Prävention, und zwar sowohl Verhaltensprävention als auch Verhältnisprävention, ist von einer zentralen Bedeutung. Vielleicht ist sie die einzige Chance, künftige Kostenbelastungen, die wir sonst hätten, zu vermeiden – wenn es uns gelingt, die Menschen für Prävention zu gewinnen und sie ihnen so zu organisieren, dass sie sie tatsächlich nutzen. Ich glaube, das ist der eigentliche Auftrag, wenn wir über das Präventionsgesetz sprechen. Meine letzte Bemerkung. Wir werden im Laufe der kommenden Monate auch über das Thema der Suizid-assistenz sprechen. In der Debatte zum Justizhaushalt heute hat jemand gesagt: Wenn wir dieses Thema bekommen, dann soll man das nicht mit ethischen Grundsatzfragen überladen. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wie denn sonst?) Das mag zwar alles so sein, aber ich glaube, es ist trotzdem wichtig, sich auch darauf zu besinnen, ob das Leben in des Menschen Hand gegeben ist, ob wir das Leben erwerben wie ein Gut, das in unser Eigentum rückt. Niemand verdankt sein Leben sich selbst. Weil das so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, glaube ich auch nicht, dass das Leben – weder das eigene noch das fremde – in unsere eigene Verfügung gegeben ist. Deswegen, finde ich, gehört auch das zu einer solchen Debatte. Ich bedanke mich sehr, dass Sie mir zugehört haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Pia Zimmermann, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Pia Zimmermann (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich selber habe viele Jahre in der Pflege gearbeitet, und ich habe in den letzten Wochen und Monaten viele Pflegeeinrichtungen besucht und mit den Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit den Pflegebedürftigen und den Angehörigen gesprochen. Drei ganz gravierende Punkte sind mir dabei immer wieder aufgefallen: Erstens klagen alle über zu wenig Zeit für gute Pflege und zweitens darüber, dass es einen Mangel an Selbstbestimmung darüber gibt, was mit dem zu Pflegenden oder der zu Pflegenden getan wird. Der dritte Punkt war die unzureichende und unübersichtliche gesamte Pflegeinfrastruktur in unserem Land. Herr Minister Gröhe, Sie müssen, denke ich, Ihren pflegepolitischen Leitsatz überdenken. Sonst wird es weiter so sein, dass diese Bundesregierung die Probleme, die wir in der Pflege haben, nicht anpackt. Denn Ihr sogenanntes Pflegestärkungsgesetz ist eine Mogelpackung. (Beifall bei der LINKEN) Die Leistungen der Pflegeversicherung werden nämlich faktisch nicht erhöht, sondern nur an die Kostenentwicklung der letzten Jahre angepasst, und das auch noch schlecht. Das, was Sie jetzt machen, ist ein Nachholen dessen, was in den letzten Jahren versäumt wurde. Eine qualitative Verbesserung der Pflege ist dabei nicht herausgekommen. Das, Herr Minister Gröhe, ist eine Pflegepolitik, die ziemlich fahrlässig ist. (Beifall bei der LINKEN) Ich bin auch der Meinung, dass die Alarmsignale, die wir haben, längst bei Ihnen angekommen sein müssen. Denken Sie doch an die vielen Überlastungsanzeigen von Pflegekräften. Ihre Zahl steigt, und sie zeigt, wie überlastet die Menschen in diesem Beruf sind. Oder nehmen Sie die Verweildauer in den Pflegeberufen, die sieben Jahre kaum übersteigt. Das muss uns doch deutlich machen, dass die Menschen, die in der Pflege arbeiten, am Limit sind, weil Personal fehlt, der Arbeitsdruck steigt und sie ihre Arbeit nicht mehr so machen können, wie sie es in der Ausbildung gelernt haben. Hinzu kommt noch, dass sie am Ende schlecht bezahlt werden. In diesem Zusammenhang möchte ich ganz ausdrücklich meine wirklich starke Empörung darüber zum Ausdruck bringen, dass der Betreiber des Seniorenheimes „Haus der Geborgenheit“ im Kreis Recklinghausen, die Mantra Sozial GmbH, elf Pflegerinnen gekündigt hat, die eine Überlastungsanzeige geschrieben haben. So geht es nun wirklich nicht. (Beifall bei der LINKEN – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja! Das ist eine Sauerei!) Aber solange Pflege dem Wettbewerb und dem Profitstreben ausgesetzt ist und Wohlbefinden und gute Versorgung nicht zählen, wird sich hier nichts ändern. Der Zusammenhang zwischen der Personalsituation und der Versorgungsqualität ist bekannt. Somit ist eines klar: Wir benötigen endlich höhere Pflegesätze für eine bessere Finanzierung der professionellen Pflege. Das allein aber reicht nicht. Wir benötigen ebenso eine bundeseinheitliche, verbindliche Personalausstattung in der stationären Altenpflege. Die bestehende massive Unterdeckung darf nicht länger zulasten der Angestellten, der Pflegenden, der Patienten und der Menschen mit Pflegebedarf gehen. Viele Pflegebedürftige haben mir gesagt, dass sie ihr Selbstbestimmungsrecht in ganz vielen Fällen nicht mehr wahrnehmen können. Ich will das an dem Beispiel einer 92jährigen Heimbewohnerin, die ich getroffen habe, deutlich machen. Mit Unterstützung wäre sie sehr wohl in der Lage, ihren Toilettengang allein zu bewältigen. Das kann sie aber nicht, weil die persönliche Assistenz, die sie dazu benötigt, aus Zeitgründen fehlt. Wie wird nun verfahren? Es wird auf Inkontinenzeinlagen ausgewichen. Damit kann die Frau im Bett bleiben und braucht nicht mehr zur Toilette gebracht zu werden. Das sind skandalöse Zustände. Das sind Auswirkungen einer verfehlten Pflegepolitik der letzten Jahre. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Gute Pflege achtet die Würde der Pflegebedürftigen. Dieser Grundsatz muss endlich Eingang in Ihre Politik finden. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, am 21. September jährt sich der Welt-Alzheimertag zum 20. Mal. An diesem Tag soll auf die schwierige Situation von Menschen mit demenziellen Erkrankungen und ihren Familien aufmerksam gemacht werden. Dieser Tag soll auch darauf aufmerksam machen, dass diese Situation veränderbar ist. Sie ist veränderbar durch politisches Handeln. Die etwa 1,5 Millionen an Demenz erkrankten Menschen werden aber weder in diesem Jahr noch im nächsten Jahr in der Pflege mehr Unterstützung erfahren, jedenfalls nicht so viel Unterstützung, wie sie tatsächlich brauchen, um ihr Leben würdevoll zu gestalten. Ob überhaupt noch etwas in dieser Legislaturperiode geschieht, steht infrage. Denn wenn es Ihnen mit einer vollumfänglichen Pflege tatsächlich ernst wäre: Warum haben wir dann nicht schon die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung des neuen Pflegebegriffs, der den demenziell Erkrankten gerecht wird und sie angemessen erfasst? Ich will Ihnen gleich die Antwort darauf geben. Das passiert nicht, weil diese grundlegende Neuausrichtung der Pflege zu teuer ist. Herr Minister Gröhe, eines ist doch klar: Gute Pflege kostet nun einmal Geld; es gibt sie nicht zum Nulltarif. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Richtig!) Die geplante Erhöhung der Beitragssätze reicht bei weitem nicht aus. (Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Unser Konzept der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung schafft eine gute Finanzierungsgrundlage und entlastet zudem Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen und nimmt gleichzeitig Bezieher hoher Einkommen in die Verantwortung. Haben Sie endlich den Mut, mit einer gerechten Pflegefinanzierung die bestehenden Missstände aufzuheben und zu einer guten, auskömmlichen Pflege zu kommen! Haben Sie den Mut, die Chefärztin und die Pflegekraft entsprechend ihren Einkommen an der Finanzierung der Pflegeversicherung zu beteiligen! Kommen wir also zu einer Ausweitung der Beitragspflicht auf alle Einkommen und Einkommensarten! Wir sollten zusätzlich zu den Löhnen die Unternehmensgewinne und die Kapitalerträge einbeziehen und die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen. Das wäre eine gerechte Angelegenheit. Zudem dürfen wir die Integration der privaten Versicherung in die soziale Pflegeversicherung nicht vergessen. Dass das möglich ist, haben wir schon bei einer anderen Versicherungsart gelernt. Sie brauchen also nicht zu behaupten, dass das nicht möglich sei. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Zimmermann, bitte kommen Sie zum Schluss. Pia Zimmermann (DIE LINKE): Ich komme zu meinem letzten Satz. – Wir, die Linke, sind die Partei der Pflegegerechtigkeit. Wir fordern Sie auf, Herr Minister Gröhe: Packen Sie das Problem der Pflege endlich ernsthaft an; denn gute Pflege ist ein Menschenrecht. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD hat jetzt das Wort Petra Hinz. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Petra Hinz (Essen) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Gröhe! Liebe Frau Staatssekretärin und Beauftragte des Ministeriums! Ich fange fast jedes Mal meine Rede gleich an, zumindest in diesem Jahr, weil wir zwei Haushalte zu beraten haben. Ich bin immer wieder sehr erstaunt darüber, dass, obwohl wir hier fast gebetsmühlenartig erklären, welche Auswirkungen der Gesundheitsfonds hat und was wir im Bereich der Pflege auf den Weg gebracht haben, dieses nicht positiv zur Kenntnis genommen wird. Es geht mir nicht darum, dass uns recht gegeben wird, sondern in diesem Fall muss man zur Kenntnis nehmen, was richtig ist. Frau Zimmermann, ich beziehe mich jetzt auf Sie, ich könnte mich aber auch auf Frau Deligöz von den Grünen beziehen. Etwas einfach nur zu skandalisieren oder Dinge zu überzeichnen, halte ich für falsch. Sie wollen die Dinge nicht positiv würdigen. Sie haben gesagt, die Pflegepolitik sei fahrlässig, und Sie haben noch anderes kritisiert. Das hat eine fatale Wirkung, weil Sie all das mit Ihrer Kritik überdecken, was von uns tatsächlich auf den Weg gebracht worden ist, was den Menschen Chancen eröffnet, und zwar denen, die gepflegt werden, und denen, die pflegen. Diese Menschen werden in Zukunft darüber informiert, welche Möglichkeiten sie haben und welche Rechte sie bekommen. Bringen Sie sich bitte in den parlamentarischen Dialog ein, wenn es auch negative Einzelfälle gibt, die zu kritisieren sind. Nehmen Sie aber auch zur Kenntnis, dass die Pflegepolitik, die diese Koalition auf den Weg bringt, weder fahrlässig noch sonst irgendetwas in dieser Art ist. (Pia Zimmermann [DIE LINKE]: In den Einrichtungen hören Sie was anderes!) Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Einrichtung des Gesundheitsfonds nicht dazu führen wird, dass die Kassen geplündert werden. Ganz im Gegenteil: Das Geld, das jetzt nicht benötigt wird, wurde in den Haushalt eingestellt, um in anderen Bereichen investieren zu können. Das ist auch richtig so. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich habe im Rahmen der Haushaltskonsolidierung meiner Stadt, Essen, etwas sehr deutlich gemacht – das mache ich jetzt auch hier –, nämlich dass Konsolidierung, Einsparung oder der Verzicht auf Neuverschuldung nicht das oberste Ziel sind. Das ist auch nicht unbedingt das, was gute Politik ausmacht. Aber Geld einzusparen und auf Neuverschuldung zu verzichten, ergibt doch dann Sinn, wenn man die eingesparten Mittel für andere Projekte verwendet und damit zur Schaffung von sozialer Gerechtigkeit beiträgt. Gerade im Gesundheitsbereich geht es oft um Querschnittsthemen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir mehr in die Bildung investieren. Wir haben es in dieser Koalition geschafft, das Programm „Soziale Stadt“ wieder mit mehr Geld auszustatten. Wir investieren Geld, um Umweltschäden zu verhindern. Ich nenne als Beispiel die Sanierung von Bahnschienen zur Lärmreduzierung oder andere Maßnahmen, die vor Verkehrs- oder Fluglärm schützen. Warum sage ich das? Investitionen in Bildung haben gerade im Gesundheitsbereich große Auswirkungen. Es gibt einschlägige Literatur, die deutlich macht, dass gerade die Menschen, die ausgebildet, informiert und aufgeklärt sind, wesentlich gesundheitsbewusster als andere Menschen sind und mehr für ihre Gesundheitsvorsorge tun. Insofern ist die Investition in Bildung und Aufklärung genau die richtige Investition. Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, dass die Pflegepolitik fahrlässig sei. Frau Zimmermann, es ist gerade von meinen Fachkollegen sehr ausführlich, aber auch vom Minister deutlich dargelegt worden, welche Dinge in diesem Jahr noch angegangen werden sollen. Wir als Haushälter haben die Aufgabe, all das, was die Fachpolitiker und auch das Ministerium im Laufe des Jahres auf den Weg bringen, nachzuvollziehen und dafür zu sorgen, dass das auch tatsächlich im Haushalt umgesetzt wird. Weil das inhaltlich schon diskutiert wurde, belasse ich es jetzt bei der Aufzählung von Spiegelstrichen. Den Alltag der zu Pflegenden und der Pflegerinnen und Pfleger zu verbessern – das wird auf den Weg gebracht. Die Pflege muss genauer bzw. auf den Punkt abgestimmt werden – auch das sieht das Gesetz vor. Wir werden die Leistungen verbessern; auch das steht im Gesetz, und das ist mehrfach hier beschrieben worden. Wie gesagt, werden auch die pflegenden Angehörigen gestärkt. Jeder, der schon einmal Angehörige gepflegt hat, mitbekommen hat, wie Familienmitglieder gepflegt werden, oder schon einmal Pflegeheime aufgesucht hat, um sich zu informieren, weiß, was dort geleistet wird. Deswegen ist dieser Punkt ganz besonders wichtig. Diejenigen, die pflegen, ob es nun Angehörige oder Mitarbeiter in Pflegeheimen sind, brauchen – auch darüber ist schon berichtet worden – wesentlich mehr Zeit. Auch dem wird im Gesetzentwurf Rechnung getragen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Einzelplan 15, Gesundheit, ist ein Querschnittshaushalt: Er umfasst den Bereich Pflege und Ausbildung sowie die Veränderung des Berufsbildes. Dabei geht es nicht nur um das Berufsbild des Pflegers, sondern auch um die medizinischen Veränderungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Ausbildung. Durch den Einzelplan 15, aber auch durch den Einzelplan 30, Bildung und Forschung – er betrifft das Ressort von Frau Wanka –, wird vieles auf den Weg gebracht. Zu den Eckdaten des Regierungsentwurfs, über welchen wir in den nächsten Wochen und Monaten zu beraten haben: Der Haushaltsentwurf umfasst für den Gesundheitsetat Gesamtausgaben von rund 12,1 Milliarden Euro. Für gesundheitspolitisch relevante Maßnahmen sind rund 78,3 Millionen Euro veranschlagt. Das ist eigentlich die Summe, über die wir im Einzelnen zu sprechen haben. Da geht es um Forschungsvorhaben. Da geht es um Modellprogramme. Da geht es um Maßnahmen zur gesundheitlichen Aufklärung. Gerade in diesem Bereich muss weiter investiert werden. Es geht um Kampagnen zur Information der Bevölkerung. Außerdem geht es um folgenden wichtigen Punkt – ich bin dem Herrn Minister sehr dankbar dafür, dass er es angesprochen hat; ich denke, ich sage das stellvertretend für viele von uns –: um die Frage Ebola und darum, inwieweit das Robert Koch-Institut hierbei international gefragt ist. Es sei an dieser Stelle allen Helferinnen und Helfern dankgesagt. Eins werde ich Ihnen als Hauptberichterstatterin für den Einzelplan des Ministeriums für Gesundheit zusagen: Das Protokoll dieser Sitzung, das heute angefertigt wird – mit allen Vorwürfen, mit allen unzutreffenden, aber auch zutreffenden Hinweisen und Anregungen –, werden die Berichterstatter in ihrem nächsten Gespräch gerne auswerten. Alle aufgeworfenen Fragen werden wir schlussendlich klären. Ich habe die Hoffnung, dass in der abschließenden Plenardebatte gegen Ende des Jahres nicht wieder Dinge behauptet werden, die eindeutig nicht stimmen. Wir haben im zurückliegenden Haushalt 2014, den wir erst vor kurzem verabschiedet haben, zum Beispiel Modellmaßnahmen zur Förderung der Kindergesundheit berücksichtigt. Wir haben den entsprechenden Betrag im Haushaltsentwurf 2015 auf 1 Million Euro angehoben. Wir müssen genau nachfragen, was im Einzelnen vorgesehen ist. Insgesamt erwarte ich vom Ministerium, dass uns bezüglich der Modellmaßnahmen wirklich im Detail dargelegt wird, welche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden sind, welche Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, welche Evaluierungen vorliegen, sodass wir bzw. der Fachausschuss dann tatsächlich mitarbeiten können. Im zurückliegenden Haushalt haben wir gewährleistet – das war mir ein sehr wichtiges Anliegen –, dass die finanzielle Unterstützung von durch Blutprodukte HIV-infizierten Personen – es geht also um Menschen, die unverschuldet in eine lebensbedrohliche Situation gekommen sind – mit 10 Millionen Euro zumindest bis zum Jahr 2017 in der bisherigen Form fortgeführt wird. Das heißt nicht, dass darüber hinaus Finanzierungen von uns gewährleistet werden. Sie haben zugesagt, dass Sie sich mit den Vertretern der Länder, des DRK und der Wirtschaft weiterhin an einen Tisch setzen, um zu einer zufriedenstellenden Regelung zu kommen. Ich möchte Sie bitten, darauf im Berichterstattergespräch aufmerksam zu machen und darüber zu informieren. Auch internationale Beziehungen sind hier angesprochen worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die WHO verweisen, zu deren Finanzierung wir als drittgrößter Beitragszahler einen nicht gerade unerheblichen Beitrag leisten. Um einmal zu zeigen, wie nah uns die WHO ist: Im Oktober trifft sich das Gesunde-Städte-Netzwerk; Vertreter von Kommunen und Städten verschiedener Länder treffen sich, um sich auszutauschen. Zwei Themen stehen dabei eigentlich im Vordergrund. „Pflege und Gesundheit“ ist auch ein kommunales Thema. Insofern müssen auch wir hier darauf achten, dass wir die Kommunen in den Bund-Länder-Beziehungen mitnehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jetzt liegt der Gesetzentwurf vor. Wir können mit der Arbeit beginnen. Ich habe von den Fachkolleginnen und -kollegen meiner Fraktion schon einige Hinweise bekommen, welche Punkte im Einzelplan jetzt offensichtlich nicht zu finden sind, obwohl sie gesellschaftsrelevant sind und in verschiedenen Organisationen übergreifend diskutiert werden. Auch hier werden wir natürlich sehen, inwieweit wir dies im Haushaltsgesetz entweder explizit erwähnen oder aber neu veranschlagen werden. Ich habe gerade die WHO genannt. Die Frage ist: Wie definiert man Gesundheit? Gesundheit kann ja nicht nur die Abwesenheit von Krankheit sein. Die WHO hat bereits 1948 den Begriff „Gesundheit“ ganz klar definiert: Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. In diesem Sinne wünsche ich uns eine gute Beratung, auf dass die Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, sich in unserem Einzelplan, in unserem Haushalt wiederfinden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Harald Terpe, Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Trotz kranker Krankenhäuser heilt der Gesundheitsfonds den Bundeshaushalt.“ So könnte eine Ihrer gesundheitspolitischen Botschaften zur ersten Lesung des Bundeshaushalts lauten. Frau Hinz, Sie haben gesagt, wir skandalisierten. Das muss ich in aller Form, jedenfalls für die Bündnisgrünen, zurückweisen, zumal unsere Kollegin Deligöz gesagt hat, auf welchen Feldern wir zusammenarbeiten. Ich möchte an der Stelle auch Kollegen Henke ansprechen, der zu uns gesagt hat, wir würden den Menschen Sand in die Augen streuen, wenn wir sagen, dass 2,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds genommen werden; denn diese würden doch nur aus der Rücklage genommen. Aber wenn die Rücklage zu groß ist, gehören die Rücklagegelder zunächst einmal der Gesundheitspolitik, und man kann sie für Verbesserungen in den Gesundheitsstrukturen verwenden. Man kann auch sagen: Es sind Beitragsgelder; sie gehören den Beitragszahlern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE]) Insofern kann man nicht einfach sagen, wir würden den Menschen Sand in die Augen streuen. Ich werde am Beispiel der Krankenhäuser nachzuweisen versuchen, wo wir das Geld gut verwenden können. Nicht jedes Krankenhaus, aber zunehmend mehr Krankenhäuser sind finanziell und/oder personell oder strukturell erkrankt. Es ist beileibe nicht so, dass für alle diese Sachen die Bundespolitik zuständig ist. Das klang auch bei Herrn Henke schon an, der gefragt hat: Wie ist denn das mit der Investitionsfinanzierung? – Darauf werden wir zurückkommen. Jedenfalls ist es so, dass wir uns in der Problem-analyse wahrscheinlich gar nicht so groß unterscheiden. Es ist auch richtig, dass unter Leitung des Gesundheitsministers eine Arbeitsgruppe für die Krankenhäuser ins Leben gerufen worden ist, in der solche Probleme hoffentlich angesprochen werden. Es war hier die Rede davon, dass die durchsetzungsstärksten Parlamentarier daran teilnehmen. Wir sind nicht daran beteiligt, aber das ist auch nicht so schlimm, wenn denn die durchsetzungsstärksten, die daran beteiligt sind, auch die richtigen sind. (Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wenn die das richtig durchsetzen!) Die Problemanalyse zeigt, dass in den Krankenhäusern Betriebsmittel zweckentfremdet werden, beispielsweise für die Investitionsfinanzierung. Was hat das zur Folge? Das hat zur Folge, dass ein Druck auf die Personalstellen bei der Pflege entsteht. Das wissen wir alle: Es gibt viel zu wenig Pflegestellen. Der Kollege Lauterbach hat es auch berichtet. Ich stimme ihm ausdrücklich darin zu, dass wir ein Problem haben werden. Es ist aber nicht so, dass das Problem dadurch entsteht, dass letztendlich eine Konkurrenz zwischen ärztlichen und Pflegestellen vorhanden ist, was die Bezahlung betrifft, sondern es ist auch an dieser Stelle wieder die Investitionsfinanzierung, die den Krankenhäusern fehlt. (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Genau!) Es gibt mehrere namhafte Beispiele aus der Bundesrepublik dafür, dass direkt gesagt wird: Wenn wir weiter investieren, wird das bei uns auf Kosten von Pflegestellen passieren. – Ich nenne da einmal den Fall Freiburg, wo das anschaulich wurde. Wir haben einen Investitionsstau von 3 Milliarden Euro oder sogar mehr pro Jahr. Seit mindestens sieben Jahren wird das diskutiert. Schon in der letzten Großen Koalition war das der Fall. Da müssen wir Abhilfe schaffen. Wir haben Unter-, Über- und Fehlversorgung im Krankenhausbereich. Ich bin dem Minister dankbar, dass er das Problem für den ambulanten Bereich schon angesprochen hat. Aber das gilt natürlich auch für den Krankenhausbereich. Ich sage Ihnen voraus: Versicherte wollen nicht Über- und Fehlversorgung subventionieren und dann vielleicht sogar von Unterversorgung betroffen sein. An der Stelle muss etwas geschehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist auch eine Folge unserer Krankenhauspolitik, dass wir eine Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern haben. Es sind nicht nur die Pflegekräfte, die eine Arbeitsverdichtung haben. Wir treffen zunehmend auch junge Kollegen, denen es wirklich reicht. Ärztliche Kolleginnen und Kollegen sagen: Jeden Tag wird etwas von der Leistungsstatistik in den Krankenhäusern erzählt, damit die Defizite, die in den Krankenhäusern bestehen, ausgeglichen werden. Ich möchte bei dem Beispiel der Unterversorgung bleiben. Hier könnte der Schlüssel für die dringend benötigte Reform der Versorgungsstruktur liegen, allein schon aus der Not geboren. Stationäre und ambulante Versorgung dürfen nicht mehr isoliert betrachtet werden. Deswegen wundert es mich, dass das Strukturgesetz schon im Herbst kommt, obwohl die Gespräche über die Krankenhausversorgung noch nicht abgeschlossen sind. Für uns gehört das im Grunde genommen zusammen. In Ihrem Koalitionsvertrag wurde es noch isoliert betrachtet. Ich höre jetzt aber auch vom Minister die Einschätzung, dass man das zusammen sehen muss. Wir Bündnisgrünen schlagen eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung vor, und zwar nicht zum ersten Mal. Dazu wollen wir das gemeinsame Gremium nach § 90 a SGB V aufwerten. Im ersten Schritt, vielleicht als Modell gedacht, könnte das bedeuten, dass der Sicherstellungsauftrag bezüglich der medizinischen Versorgung in unterversorgten Regionen oder von Unterversorgung bedrohten Regionen auf dieses Gremium übergeht. Das wäre insofern gut, als dann schon die Kommunikation geübt würde, die man beispielsweise zur Beantwortung der Frage braucht: Beteiligt sich die gesamte bundesrepublikanische Gesellschaft an der Investitionsfinanzierung? Da würden wir niemals einen Blankoscheck ausstellen wollen, damit nur die Länderhaushalte entlastet werden, sondern mit diesen Mitteln wollen wir auch die Strukturreform vorantreiben, die Überversorgung in den Griff bekommen und eine gemeinsame Versorgungsplanung aufgrund konkreter Bedarfsplanung in den Regionen installieren. Aus diesem Grund sagen wir: Wir müssen Gremien schaffen, die verantwortungsvoll mit den Mitteln umgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE]) Hier schließt sich der Kreis, und wir sind wieder beim Bundeshaushalt; denn es sollen Gelder aus dem Gesundheitsfonds zur Haushaltssanierung verwendet werden. Das macht aber Versicherungsgelder zur Verschiebungsmasse; denn sie sollen genutzt werden, um Steuerlöcher zu stopfen. Das darf man nicht wegdiskutieren. Darüber hinaus stellen wir Gesundheitspolitiker nicht sicher, dass die Investitionsquote gesteigert wird, sondern sie bleibt genauso gering wie im Bundeshaushalt insgesamt. Das müssen wir ändern. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion, auch im Zusammenhang mit dem Haushalt. Wir betonen noch einmal, dass wir auf jeden Fall konstruktiv mitarbeiten werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Irlstorfer, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Erich Irlstorfer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf des Haushaltsgesetzes 2015. Mit dem Entwurf, den Bundesfinanzminister Dr. Schäuble heute Vormittag eingebracht hat, setzen wir auch in Europa ein Zeichen, indem wir in 2015 ohne Neuverschuldung auskommen werden. Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass ein ausgeglichener Haushalt keine Selbstverständlichkeit darstellt und naturgemäß eine starke Wirtschaftsleistung voraussetzt. Aus diesem Grunde möchte ich unterstreichen, dass wir uns strukturell auch weiterhin auf die wandelnden Bedingungen auf dem Weltmarkt, in der Informationstechnologie, in Wissenschaft und Forschung vorausschauend einstellen müssen. Wissenschaft und Forschung sind Kernbereiche einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik, aber auch einer sich ständig entwickelnden Gesundheits- und Pflegepolitik. Ausreichende Mittel für diese Bereiche müssen auch weiterhin einen Eckpunkt unserer Haushaltspolitik darstellen. Im Gesundheitsbereich sind zur Verbesserung der Versorgung, aber auch zur Begrenzung der Kostensteigerungen weitergehende Anstrengungen in der Versorgungsforschung und die Förderung von Innovationen nötig. Der geplante Innovationsfonds hat zwar viele Begehrlichkeiten geweckt; aber unter der Bedingung einer umsichtigen Mittelvergabe bin ich zuversichtlich, dass er ein zielführendes Instrument für die wissenschaftlich fundierte Ausgestaltung des künftigen Gesundheitswesens darstellt. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit dem für die nächsten Monate geplanten Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstruktur werden wir hierfür die Voraussetzungen schaffen. In der gesetzlichen Krankenversicherung steigen die Ausgaben bekanntlich schneller als die Einnahmen. Dies ist vor allem auf den demografischen Wandel, aber auch schlicht und ergreifend auf Leistungsverbesserungen zurückzuführen, (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Auf die Gesundheitssituation!) die wir alle natürlich wollen und auch befürworten. Eine, wenn auch nur vorübergehende, Kürzung des Bundeszuschusses 2014 und 2015 ist vor dem Hintergrund der Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens auch Ausdruck einer erfolgreichen Gesundheitspolitik. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir mit dem Haushaltsentwurf für 2015 eine Reihe moderater Mittelerhöhungen planen, etwa für Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs sowie für Modellmaßnahmen und Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet. Wir wollen den im Haushalt 2014 erstmals eingesetzten Betrag von 3 Millionen Euro für Pflegekampagnen in derselben Höhe auch 2015 für die Mobilmachung nutzen. (Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nicht!) Mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz haben wir nicht nur den Grundstein für das neue Qualitätsinstitut gelegt, sondern wir haben auch den Krankenkassen das Recht zurückgegeben, die Höhe ihrer Beitragssätze festzulegen. Mit den Pflegestärkungsgesetzen werden wir auch in der Pflegeversicherung substanzielle Änderungen vornehmen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Erhöhungen des Beitragssatzes zunächst um 0,3 und dann um 0,2 Prozentpunkte stecken den finanziellen Rahmen unserer ambitionierten Pflegepolitik in dieser Wahlperiode ab. Mit dem Pflegevorsorgefonds streben wir bekanntermaßen eine Abmilderung der finanziellen Konsequenzen des demografischen Wandels in der Pflegeversicherung an. Wir werden das Leistungsvolumen der Pflegeversicherung in dieser Wahlperiode also um insgesamt 5 Milliarden Euro pro Jahr – das heißt um mehr als 20 Prozent – erhöhen, und wir beginnen damit nicht irgendwann, sondern sofort zum 1. Januar 2015. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz wird eine Reihe notwendiger Schritte unternommen: Wir werden Unterstützungsleistungen wie Kurzzeit-, Verhinderungs-, Tages- und Nachtpflege erweitern und sie besser miteinander kombinierbar machen. Damit werden Pflegebedürftige und pflegende Angehörige gleichermaßen entlastet. Menschen in der Pflegestufe 0, vor allem Demenzkranke, erhalten erstmals Anspruch auf Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege. Wir werden die Rahmenbedingungen der sogenannten niedrigschwelligen Angebote verändern. Es werden neue zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen eingeführt, etwa für Hilfe im Haushalt oder Alltagsbegleiter und ehrenamtliche Helfer. Besonders wichtig ist aber auch folgender Punkt: Der Zuschuss für Umbaumaßnahmen steigt von bisher 2 557 Euro auf jetzt 4 000 Euro pro Maßnahme. Mit einem rechtzeitigen Umbau können die Menschen der Notwendigkeit der stationären Pflege oftmals vorbeugen und länger in ihren eigenen vier Wänden bleiben. In einer Pflege-WG zum Beispiel kann sogar ein Betrag von bis zu 16 000 Euro eingesetzt werden. Für Pflegehilfsmittel des täglichen Verbrauchs steigen ebenfalls die Zuschüsse. Die Bedeutung dieser Zuschüsse dürfen wir nicht unterschätzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit der zweiten Stufe der Pflegereform werden wir dann bis 2017 einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen. Dies ist notwendig, da der bisherige Pflegebedürftigkeitsbegriff rein somatisch ausgerichtet war, nun aber auch andere wesentliche Aspekte wie Kommunikation und soziale Teilhabe berücksichtigt werden. Damit werden insbesondere Verbesserungen für Menschen mit Demenz oder psychischen Problemlagen einhergehen. Ich möchte im Rahmen der Finanzdebatte allerdings daran erinnern, dass zwischen Bund und Ländern gerade in Finanzierungsfragen noch Diskussionsbedarf in zwei Bereichen besteht: erstens in der Krankenhausfinanzierung und zweitens in der Finanzierung der Reform der Pflegeausbildung. Wir als Union und gerade auch als CSU sind der Überzeugung, dass unsere Antwort auf Fachkräftemangel in den Pflegeberufen nicht Schulgeld, sondern Schulmittelfreiheit und attraktive Rahmenbedingungen heißen muss. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sehr gut!) Wir werden in den nächsten Wochen darüber diskutieren, wie wir die Pflegeberufe modernisieren und zukunftsfähig machen, damit wir der täglich steigenden Zahl an Pflegebedürftigen in den privaten Haushalten, aber auch in den stationären Einrichtungen sowie in unseren Kliniken bestmöglich qualitativ begegnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte auch ganz klar sagen: Ob diese Maßnahmen jetzt Generalistik, integrierte Ausbildung oder Pflege 2030 heißen, (Mechthild Rawert [SPD]: Generalistik!) ist mir völlig egal. Klar muss sein, dass Krankenpflege und Altenpflege ein gemeinsames Wissens- und somit Ausbildungsfundament benötigen. Ein Dreiklang in der Pflege aus Stärkung der Pflegebedürftigen, Stärkung der Angehörigen und Stärkung der Pflegekräfte durch verbesserte Ausbildung ist unser großes Ziel. Denn die Verbesserungen müssen am Bett, in der Familie, aber auch bei unseren 950 000 in der Pflege beschäftigten Menschen ankommen – das ist unser Kompass, das ist unser Anspruch. In diesem Sinne: Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Burkhard Blienert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Burkhard Blienert (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Gesundheitsfonds ist in dieser Debatte schon vieles gesagt worden; manches war richtig, manches war nicht ganz so richtig. Mein Kollege Karl Lauterbach hat das Ganze für unsere Fraktion insgesamt sehr richtig eingeordnet. Ich kann mich ihm nur anschließen; er hat die richtigen Bemerkungen zum Gesundheitsfonds gemacht. Der Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums umfasst jedoch weitere Bereiche. Der zweite wesentliche Bereich sind die in der Verantwortung des Bundes liegenden Einrichtungen wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information – wie die BZgA in Köln ansässig –, das Paul--Ehrlich-Institut, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn sowie das meistens – auch heute schon – genannte und bekannte Robert-Koch-Institut in Berlin. Diese Einrichtungen des Bundes sind der interessierten Öffentlichkeit aufgrund ihrer Aufgabenstruktur mehr oder weniger bekannt. An dieser Stelle ist es jedoch einmal geboten, sich bei den dortigen Beschäftigten für ihren bisherigen Einsatz und ihre Arbeit zu bedanken. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gleiches gilt natürlich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsministerium, die – es ist schon gesagt worden – eine Menge Aufgaben vor sich haben; denn wir müssen jetzt viele dringende Sachen auf den Weg bringen. Die Zuständigkeit für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie für den Bereich der Drogen- und Suchtpolitik spiegelt sich ebenfalls im Haushalt wider. Daher ist auch das eindeutig festzustellen: Mit diesem ersten eigenen Haushalt der Großen Koalition gehen wir nun konsequent unseren eingeschlagenen Weg weiter: Vorsorge stärken und Hilfe ausbauen, und dies alles im Zusammenspiel mit einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik. Mit diesem Haushalt sind wir in der Lage, die Bedeutung der wichtigen gesundheitspolitischen Kampagnen der schwarz-roten Gesundheitspolitik zu unterstreichen. Wir reagieren auf die gesellschaftlichen Herausforderungen einer alternden Bevölkerung, indem wir die Pflegeleistungen ausbauen und zukunftssicherer machen. Wir sorgen vor, indem wir Beratungsstellen und Modellprojekte auskömmlich finanzieren. Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind nicht klein. Pflege, Krankenhaus und Prävention sind nur einige der riesigen Aufgabenblöcke in der Gesundheitspolitik, die es in den nächsten Wochen und Monaten zu bewerkstelligen gilt. Wir lesen, sehen und hören tagtäglich, an welchen Stellen in diesen Bereichen Handlungsbedarf besteht. Exemplarisch möchte ich auf den komplexen Bereich der Suchtprävention hinweisen. Nach wie vor ist hier Crystal Meth das große Thema. Fast wöchentlich gibt es hierzu neue Meldungen, die schockieren. Die betroffenen Regionen fordern zu Recht Antworten auf die Frage, wie der Problematik nun endlich Einhalt geboten werden kann. Insbesondere Sachsen und Bayern haben hier massive Probleme, die endlich angegangen werden müssen. Die Bilder der von Crystal gezeichneten Menschen müssen aus den Medien verschwinden. Wir müssen vor Ort insbesondere gefährdete Jugendliche und junge Erwachsene schützen und vor den schrecklichen Folgen des Drogenkonsums warnen. Hierzu braucht es ausreichend Anlaufstellen und Beratungsangebote in den Regionen. Aber nicht alles hat zunächst etwas mit Geld zu tun. Ein zweiter Themenkomplex, den ich nennen möchte, ist der Bereich Tabak. Nichtraucher- und Passivraucherschutz darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss nun konsequent in allen Bereichen verankert werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU] und Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nichtraucherschutz hängt immer auch eng mit Kinder- und Jugendschutz zusammen. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: So ist es!) Vor diesem Hintergrund muss das Tabakwerbeverbot nun endlich auch in der Bundesrepublik umgesetzt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE] und Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) In diesem Zuge müssen wir auch den Boom von E-Shishas und E-Zigaretten bei jugendlichen Konsumenten stoppen. E-Shishas und E-Zigaretten haben in den Händen von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Um dafür zu sorgen, braucht es nicht viel Geld. Dafür braucht es lediglich die Entschlossenheit, das Jugendschutzgesetz zu ändern und damit den Jugendschutz zu stärken. Auch im Bereich des Alkohols muss, insbesondere wegen des mancherorts leider verbreiteten Komasaufens bei Jugendlichen, im Sinne einer präventiven Gesundheitspolitik gehandelt werden. Ich begrüße es außerordentlich – das möchte ich an dieser Stelle sagen –, dass Bundeswirtschaftsminister Gabriel endlich eine Novellierung der Spielverordnung einleiten will. Das von der Automatenindustrie praktizierte System der Spiele ist im eigentlichen Sinne krank. Hier muss gehandelt werden. Manches Bundesland hat im Rahmen seiner Möglichkeiten schon gehandelt. Das Land Berlin hat es vorgemacht, der Bund kann nachziehen. Einiges ist also ohne viel Geld, sondern vielmehr mit sinnvoller und konsequenter Gesetzgebung zu erreichen. Aber natürlich müssen wir für den gesamten Suchtbereich und die damit verbundenen Probleme auch entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Laut dem vorliegenden Regierungsentwurf sind wir hierbei gemeinsam auf einem guten Weg. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese Regierung hat den Irrsinn des ehemaligen liberalen Gesundheitsministers, im Bereich des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs zu kürzen, gestoppt. Es hat nichts mit Liberalismus zu tun, wenn man die Menschen mit ihren Süchten alleinlässt. Liberal ist es vielmehr, jenseits des Strafrechts Wege aus der Sucht zu finden. Hier müssen der Staat und die Gesellschaft Lösungen für die betroffenen Menschen finden. Der Entwurf sieht in diesem Bereich Steigerungen vor, insbesondere bei den so wichtigen Modellmaßnahmen und Forschungsvorhaben. Das ist richtig und wichtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Ende möchte ich noch auf ein in den nächsten Wochen anstehendes sehr wichtiges Gesetzgebungsverfahren eingehen. Es geht um das Präventionsgesetz. Erst ein sorgsam ausformuliertes Präventionsgesetz, in dem insbesondere auch die oben genannten Aspekte ihren Niederschlag finden, stellt einen notwendigen Überbau für die Ziele einer vorsorgenden Gesundheitspolitik dar. Hier müssen neben vielen anderen Themen Aspekte der Suchtprävention verankert werden. Nur wenn dies gelingt, können die bereitgestellten Finanzmittel ihre gesamte Wirkung entfalten. Anderenfalls werden nur Symptome behandelt, die Wurzel des Problems bleibt dann jedoch verschont. Insofern bleibt uns allen noch viel zu tun. Ich bin guter Dinge, dass die konstruktive Zusammenarbeit der Vergangenheit zwischen uns Fachpolitikern, den Haushältern und dem Ministerium auch dieses Mal erfolgreich verlaufen wird. Dies ist der zweite Haushalt, den wir innerhalb weniger Wochen beraten. Insofern müssen wir stark darauf achten, ob die Programme und Projekte greifen. Diese müssen wir evaluieren, um eine gezielte und wirkungsvolle Förderung zu erreichen, um die richtigen Fragen zu stellen, zum Beispiel, warum die soziale Situation immer noch unmittelbar auf die gesundheitliche Situation wirkt und wo Prävention sinnvollerweise ansetzt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Herausforderung wird wieder einmal sein, das vorhandene Geld gerecht und nachhaltig an den entscheidenden Stellen für die Gesundheit der Bevölkerung gewinnbringend einzusetzen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen gute Beratungen in den nächsten Wochen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Der Kollege Monstadt ist jetzt der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Da ich fast am Schluss dieser Debatte zum Einzelplan 15 spreche, darf ich mir erlauben, auf einige mir besonders wichtige Aspekte hinzuweisen. Gesundheitspolitik ist von ihrem Selbstverständnis her immer daran ausgerichtet, Probleme anzugehen und langfristige Entwicklungen möglichst positiv zu beeinflussen. Dabei haben wir es uns in dieser Koalition zum Ziel gesetzt, dass der Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land unabhängig von Alter, Geschlecht, Wohnort und Geldbeutel gesichert ist und auch in Zukunft gewährleistet sein muss. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen mit einer guten Gesundheitspolitik auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen positiv beeinflussen. Zudem sollen und müssen wir auch die Belastungen der kommenden Generationen im Blick behalten. (Beifall bei der CDU/CSU) Dies alles geschieht vor dem Hintergrund zunehmend schwieriger werdender Rahmenbedingungen. Das Statistische Bundesamt hat berechnet, dass in Deutschland die Zahl der Personen, die 80 Jahre oder älter sind, zwischen 2011 und 2050 von 4,3 Millionen auf 10,2 Millionen steigen wird. Damit wird es fast so viele Menschen in diesem hohen Alter geben wie unter 20-Jährige, die dann gerade noch 15,6 Prozent der Bevölkerung ausmachen werden. Das ist aus meiner Sicht eine nachhaltig schwierige Prognose, auf die wir unabhängig vom jeweiligen politischen Lager gemeinsam reagieren müssen. Denn konkret bedeutet dies weniger Einnahmen und mehr Ausgaben. In diesem Zusammenhang kann die Arbeit der Haushälter und der an der Erarbeitung des Bundeshaushalts 2015 Beteiligten nicht oft genug gewürdigt werden. Ein Stopp für neue Schulden ist die Investition in die Zukunft, ist Gerechtigkeit für unsere Kinder und Enkel. (Beifall bei der CDU/CSU) An dieser Stelle drücke ich meinen ausdrücklichen Dank auch an unseren Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe, aus, der mit der Kürzung des Bundeszuschusses für den Gesundheitsfonds für die Jahre 2014 und 2015 ein Signal in Richtung Haushaltskonsolidierung auch und insbesondere mit Blick auf die Zukunft gesetzt hat. Herr Minister, das war und bleibt die richtige Entscheidung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich einen weiteren Punkt auch im Hinblick auf Generationengerechtigkeit ansprechen: den geplanten Pflegevorsorgefonds. Meine Damen und Herren von der Opposition, eines möchte ich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit unterstreichen: Der Pflegevorsorgefonds ist das geeignete Instrument, um die Belastung durch die sogenannte Babyboomer-Generation in der Zukunft teilweise aufzufangen. Mit einem Kapitalvolumen in Höhe von rund 40 Milliarden Euro ist er geeignet, die Spitzenbelastung ab dem Jahr 2035 abzufedern. Damit geben wir schon heute ein Signal für das, was uns wichtig ist: Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft auch in der Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU) Die CDU-geführte Bundesregierung erweist sich somit als finanzieller und konjunktureller Stabilitätsanker. Das ist vor allen Dingen gelebte und tatsächlich umgesetzte Generationengerechtigkeit. Wir sollten diese angesprochenen Aspekte in fast -allen Bereichen der Gesundheitspolitik beachten. Das durch den Minister angekündigte Präventionsgesetz bietet ebenfalls die Chance, hier nachhaltige Impulse zu setzen. Ziel muss es sein, das Bewusstsein jedes Einzelnen für die Früherkennung und den Ausbau gesundheitsfördernder Maßnahmen wieder vollumfänglich zu schärfen. Nur so kann die Teilhabe der Betroffenen an der Arbeitswelt und Gesellschaft in Gesundheit positiv beeinflusst werden. Für mich als Berichterstatter meiner Fraktion für Diabetes und Adipositas, den größten nicht übertragbaren Volkskrankheiten in unserem Land, muss hier die Forderung nach mehr Eigenverantwortlichkeit in den Fokus rücken. Ich weiß mich dort einig mit unseren Verbraucherpolitikern. Mechthild Heil hat auch in der Vordebatte überzeugend eine gesunde Ernährung und mehr Bewegung eingefordert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Zahlen belegen: Diabetes und Adipositas werden wie ein Tsunami auf unsere Bevölkerung und uns als verantwortliche Politiker zurollen. Schon heute leiden rund 8 Millionen Menschen an Diabetes. Es ist von einer zusätzlichen Dunkelziffer in Höhe von 2 bis 3 Millionen auszugehen. Rund 60 Prozent aller Frauen und Männer sind übergewichtig. Ein Viertel der Bevölkerung ist adipös, mit schwerwiegenden Folgeerkrankungen, die zu hohen Belastungen der Betroffenen und des Systems führen. Erschreckend ist, dass die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen kontinuierlich und drastisch ansteigt. Aufgrund dieser starken Zunahme führt dies für unser Gesundheitssystem zu Belastungen, die nur unter allergrößten Anstrengungen zu schultern sein dürften. Diabetes und seine Folgeerkrankungen belasten unser Gesundheitssystem mit direkten Kosten in Höhe von circa 48 Milliarden Euro jährlich. Die durchschnittlichen Kosten der Versorgung sind bereits von 4,9 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf heute 6,3 Milliarden Euro gestiegen. Neuere Zahlen dürften noch höher liegen. Daher halte ich die für den Bereich Prävention und Aufklärung vorgesehenen 43 Millionen Euro für den richtigen Impuls, Herr Minister, um ein Umdenken in der Zukunft auf den Weg zu bringen. Durch gezielte Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen können wir die Entwicklung von Krankheiten wie Diabetes verlangsamen oder gar verhindern. In diesem Zusammenhang ist nach meiner Auffassung ein Konzept erforderlich, das dezidierte Präventionsstrategien sowie Früherkennungs- und Versorgungsmaßnahmen beschreibt. Eine nationale Diabetesstrategie könnte solch ein Konzept darstellen. Darüber muss in den nächsten Wochen auch mit den Ländern intensiv diskutiert werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum -Abschluss noch kurz auf das bevorstehende Versorgungsgesetz II eingehen. Für mich als Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern mit einem Wahlkreis, der überwiegend im ländlich geprägten Raum liegt, ist die Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung eine der zentralen Herausforderungen. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz der vergangenen Legislatur haben wir bereits wichtige Reformen in diesem Bereich auf den Weg gebracht. Aber die Umsetzung durch die Selbstverwaltung ist in manchen ländlichen Regionen – auch in der Region, die ich hier vertrete – nach wie vor nicht ausreichend, um die Probleme vor Ort, die an Geschwindigkeit zunehmen, in den Griff zu bekommen. Deshalb ist es zwingend notwendig, die bereits eingeführten Reformen nun weiterzuführen, sie an die fortschreitenden Veränderungen anzupassen und noch zukunftsfähiger zu machen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! Meine Damen und Herren, ich kann für mich sagen, dass ich über das bisher Erreichte froh bin. Wenn man sich als Gesundheitspolitiker im Jahr 2010 mit einem Defizit von circa 10 Milliarden Euro konfrontiert sah und jetzt über Reserven von insgesamt circa 26 Milliarden Euro sprechen kann – auch Rudolf Henke hat das angesprochen –, ist dies ein klares Zeichen dafür, dass die Union mit ihren Partnern über Jahre hinweg mit Augenmaß die richtigen Entscheidungen getroffen hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt fördert die Generationengerechtigkeit, und er geht die Probleme der Zukunft in unserem Land entschlossen an. Ich werbe deshalb um Ihre Zustimmung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt der Kollege Heiderich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Helmut Heiderich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer am heutigen späten Nachmittag! Auch wenn es eben schon mehrfach angesprochen worden ist, will ich es wiederholen: Wir beraten mit dem Haushalt 2015 zum ersten Mal einen Haushalt, der in sich ausgeglichen ist. Ja, es ist richtig: Dieser Gesundheitsetat trägt dazu ein Stück weit bei. Aber ich meine, wir Parlamentarier sollten darüber froh sein, dass es uns mit diesem Haushalt zum ersten Mal gelingt, das eigene Leben selbst und nicht auf Kosten unserer Kinder zu finanzieren. Deswegen ist das, was wir mit diesem Haushalt machen, ein deutlicher Schritt nach vorn. Es ist nicht richtig, wenn die Opposition an dieser Stelle den Eindruck zu erwecken versucht, als würden hier zulasten der Patienten oder anderer Sparmaßnahmen umgesetzt. Ich habe eben wieder gehört, dass es hieß, aufgrund dieser Kürzung würden bei den Kassen Milliarden Euro fehlen. Oder es heißt – um aus der letzten Haushaltsdebatte zu zitieren –: Mit jeder Kürzung provozieren Sie Beitragssatzsteigerungen. – Oder: Wenn an der einen Stelle gekürzt wird, dann wird an anderer Stelle Geld fehlen, und die Beiträge werden steigen. Wie sieht denn die Realität aus? Als Haushälter, der sich mit den Zahlen ja immer ein wenig mehr beschäftigen muss, habe ich mir das einmal etwas genauer angesehen. Nehmen wir den Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds hatte vor genau einem Jahr, in der Mitte des Jahres 2013, einen Bestand von 11,1 Milliarden Euro. Am Ende des Jahres 2013 waren es dann 13,6 Milliarden Euro. In der Mitte dieses Jahres waren es 10,4 Milliarden Euro. Das heißt, der Bestand sank von 11,1 Milliarden Euro auf 10,4 Milliarden Euro. Es hat sich also nicht besonders viel verändert. Ich glaube, da können Sie nicht sagen, durch diese Kürzung sei an anderer Stelle Negatives hervorgerufen worden. (Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wem gehört denn das Geld?) Nehmen wir die Krankenkassenrücklagen. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das Geld da eingezahlt?) Mitte des Jahres 2013 hatten wir einen Bestand von 16,6 Milliarden Euro. Am Ende des Jahres 2013 hatten wir einen Bestand von 16,8 Milliarden Euro. Wir haben jetzt, nach der Hälfte des Jahres 2014, einen Bestand von 16,2 Milliarden Euro, und jeder weiß, dass sich zum Ende des Jahres diese Entwicklung durch höhere Einnahmen noch weiter verbessert. Also, wenn Sie hier vortragen, es sei durch massive Kürzungen irgendwo ein Nachteil für die Versicherten entstanden, dann ist das schlicht und einfach nicht richtig. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wem gehört das Geld?) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist eben schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass für die zukünftigen Ausgaben die Frage der Prävention eine bedeutende Rolle spielt, und das ist richtig. Wir haben für Prävention und Aufklärung etwa 45 Millionen Euro in diesem Haushalt und können damit eine Reihe von Maßnahmen umsetzen. Aber ich will einmal ganz konkret auf das eingehen, was Minister Gröhe am Anfang gesagt hat: Insbesondere in Kita und Schule müssen wir ansetzen. – Ich habe mir einmal zwei Maßnahmen herausgesucht, die Pilotcharakter haben: Es gibt aus Baden-Württemberg, von der Universität Ulm ausgehend, von einem Professor Steinacker ein Pilotprogramm an den Schulen, das inzwischen 50 000 Kinder erfasst, über fünf Jahre läuft und mit ganz hervorragenden Ergebnissen bei den Kindern und in den Schulen angekommen ist. Ich glaube, wir müssen schauen, was wir aus solchen Beispielen lernen können, und sie dann auch entsprechend weiter unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) Ein zweites Beispiel, das wir selbst im eigenen Hause seit vielen Jahren betreiben, ist die sogenannte Klasse2000. An der Klasse2000 sind mithilfe eines Trägervereins 2013/2014 insgesamt etwa 18 000 Schulkinder beteiligt. Die Evaluierung dieses Projektes und -dieser Maßnahmen kommt ebenfalls zu positiven Ergebnissen: Auch in späteren Schuljahren haben die Kinder aus dieser Betreuung in der Grundschule etwas fürs Leben mitgenommen und stehen in Fragen der Gesundheit deutlich besser da als andere Kinder. Aber ich wundere mich etwas, wenn ich dann lese – Zitat –: Nach wie vor wollen mehr Schulen mitmachen, als finanzierbar ist. Mit weiteren Finanzmitteln könnten wir noch deutlich mehr Schulen in Deutschland einbeziehen. – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn ich dann auf Rückfrage höre, dass es hier – bei einem Haushalt von 12,1 Milliarden Euro – um einen Betrag von 220 000 Euro geht, muss ich sagen: Ich glaube, dass wir in der Fachdebatte und in der Haushaltsdebatte der nächsten Wochen und Monate an diesen beiden Stellen noch einmal ansetzen und dies positiv weiterentwickeln sollten, damit wir mehr Schulen, mehr Schüler und mehr Projekte bedienen können. Denn Minister Gröhe hat vollkommen recht: Wenn wir in der Schule ansetzen, haben Präventionsmaßnahmen die besten Effekte. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Eine kleinere Summe ist manchmal schwerer zu kriegen als eine große!) – Deswegen sollten wir uns gemeinsam bemühen, Frau Kollegin, und ich bin sicher, dass wir das gemeinsam hinbekommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt kurz ansprechen. Wir sagen immer: Alle sollen den gleichen Zugang zum Gesundheitssystem haben. – Der wesentliche Zugang – da sind wir uns auch einig – ist der Hausarzt, ist das Hausarztsystem. Da gab es nun in der letzten Woche zwei Presseveröffentlichungen, aus denen ich hier zitieren möchte. Die eine betrifft eine Studie – die Fachleute kennen sie –, die gemeinsam mit der Universität Trier durchgeführt worden ist. Der Artikel trägt die Überschrift „Deutschland droht der große Hausarztmangel“. Dort heißt es: Gegenwärtig sind noch 40 Prozent aller niedergelassenen Ärzte Allgemeinmediziner. Doch nur elf Prozent aller Mediziner entscheiden sich, Facharzt für Allgemeinmedizin zu werden. Wenn man das so weiterrechnet, kommt man tatsächlich zu dem Ergebnis, das die Welt hier als Überschrift gewählt hat. Es gibt dann, auch aus der letzten Woche, vom 4. September, eine weitere Veröffentlichung, vom Verband der Ersatzkassen, wo er sagt: Trotz all der Maßnahmen, die wir gemeinsam schon gemacht haben, um das Hausarztsystem zu verbessern, sind wir dort noch nicht wesentlich vorangekommen. – Ich will auch hier zwei Beispiele nennen: Auf der einen Seite würden momentan etwa 750 Hausärzte fehlen, auf der anderen Seite seien 5 500 – sie -nennen das hier „überzählige“ – Hausärzte in den Überversorgungsgebieten vorhanden. Auch hier müsse ein besserer Ausgleich geschaffen werden. Dann kommt er noch auf die von uns geschaffene Möglichkeit des freiwilligen Aufkaufs überflüssiger Arztsitze zu sprechen. Hierzu wird zitiert, das sei in drei Jahren nur ein einziges Mal passiert. Wenn das wirklich so sein sollte, dann müssen wir uns hier gemeinsam bemühen, mit dem Versorgungsstrukturgesetz II, das Minister Gröhe ja schon angekündigt hat, an dieser Stelle noch etwas mehr nachzuarbeiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will noch darauf verweisen, dass wir im Koalitionsvertrag gemeinsam einen Masterplan Medizinstudium 2020 verankert haben. Dieser Masterplan soll dafür sorgen, dass bis 2020 ein Ausgleich zwischen den unterversorgten und den überversorgten Gebieten stattgefunden hat. Da ich davon ausgehe, dass ein Medizinstudium mindestens fünf Jahre dauert, müssen wir mit dem Haushalt 2015 die Grundlagen dafür legen, dass wir 2020 dort besser dastehen, als das hier vom vdek und von der Studie prognostiziert wird. Darum bitte ich Sie in den Beratungen des Haushaltes. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, vielen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da der Kollege Heiderich der letzte Redner zum Einzelplan 15 war, sind wir am Schluss der heutigen Tagesordnung angekommen. Morgen findet hier im Plenarsaal um 9 Uhr eine Gedenkstunde aus Anlass des 75. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges statt. Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages berufe ich auf morgen, Mittwoch, den 10. September 2014, 10.30 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend. (Schluss: 18.01 Uhr) Berichtigung 48. Sitzung, Seite 4447 B, Anlage 1: Der Name „Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU“ ist aus der Liste der entschuldigten Abgeordneten für den 01.09.2014 zu streichen. Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 09.09.2014 Dr. Barley, Katarina SPD 09.09.2014 Bartol, Sören SPD 09.09.2014 Beckmeyer, Uwe SPD 09.09.2014 Bleser, Peter CDU/CSU 09.09.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 09.09.2014 Connemann, Gitta CDU/CSU 09.09.2014 Da?delen, Sevim DIE LINKE 09.09.2014 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 09.09.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 09.09.2014 Färber, Hermann CDU/CSU 09.09.2014 Gerdes, Michael SPD 09.09.2014 Gleicke, Iris SPD 09.09.2014 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 09.09.2014 Heil (Peine), Hubertus SPD 09.09.2014 Kipping, Katja DIE LINKE 09.09.2014 Krüger, Dr. Hans-Ulrich SPD 09.09.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 09.09.2014 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 09.09.2014 Dr. Reimann, Carola SPD 09.09.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 09.09.2014 Vogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 09.09.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 09.09.2014 Anlagen 4552 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 4553 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 4556 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 9. September 2014 4555