Plenarprotokoll 18/53 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 53. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 24. Mittwoch 2014 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung 4835 A Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 4835 B Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4835 B Wolfgang Tiefensee (SPD) 4836 B Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4836 C Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4837 A Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4837 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4837 C Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4837 D Karin Binder (DIE LINKE) 4838 A Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4838 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 4838 D Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4839 A Daniela Kolbe (SPD) 4839 A Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4839 B Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4839 D Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4840 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4840 C Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4840 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 4841 B Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 4841 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/2567 4841 C Mündliche Fragen 1 und 2 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Sanktionsliste für Journalistinnen und Journalisten im Zusammenhang mit der Berichterstattung aus der Ukraine Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4841 D Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 4842 A Mündliche Frage 3 Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) Berufung des ungarischen Außenministers Tibor Navracsics zum neuen EU-Kommissar für Bildung, Jugend, Kultur und Bürgergesellschaft Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4843 A Zusatzfrage Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 4843 B Mündliche Frage 8 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Realisierung der diesjährigen Pride Parade in Belgrad und Einstufung Serbiens als -sicheres Herkunftsland Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4843 C Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4843 D Mündliche Frage 12 Andrej Hunko (DIE LINKE) Mögliche Unterstützung des „Islamischen Staats“ durch die Türkei Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4845 A Zusatzfragen Andrej Hunko (DIE LINKE) 4845 A Mündliche Frage 15 Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hilfsmaßnahmen für geläuterte Dschihadisten aus Syrien und dem Irak Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 4845 D Zusatzfragen Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4846 A Mündliche Frage 16 Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Offenlegung des Suchalgorithmus des -Unternehmens Google Inc. Antwort Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär BMJV 4847 A Zusatzfragen Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4847 B Mündliche Fragen 17 und 18 Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei §§ 177 und 179 StGB hinsichtlich der Strafbarkeit von nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 4848 B Zusatzfragen Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4848 C Mündliche Frage 19 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pauschale Reduzierung der Behördenausgaben bei Bundesämtern im Haushaltsjahr 2015 Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4849 A Zusatzfragen Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4849 A Mündliche Frage 27 Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Vereinfachung der passiven Leistungen im SGB II Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4849 D Zusatzfragen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 4850 A Mündliche Frage 28 Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Reform der Sanktionen im SGB II Antwort Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin BMAS 4850 B Zusatzfrage Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 4850 C Mündliche Fragen 29 und 30 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wartezeitunterschiede zwischen gesetzlich und privat krankenversicherten Personen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 4850 D Zusatzfragen Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4851 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4851 C Mündliche Fragen 33 und 34 Dr. Katarina Barley (SPD) Barrierefreier Aus- und Umbau von Verkehrsstationen gemäß der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Deutscher Bahn Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMVI 4852 D Zusatzfragen Dr. Katarina Barley (SPD) 4853 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4853 D Mündliche Frage 35 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steigerung des Preises für CO2-Emissionen zur Verbesserung des Klimaschutzes Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB 4854 A Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4854 B Mündliche Frage 38 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzielle Zusagen im Zusammenhang mit einem möglichen Export von AVR-Brennelementen aus Jülich in die USA Antwort Stefan Müller, Parl. Staatssekretär BMBF 4855 A Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4855 B Mündliche Frage 39 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Errichtung eines neuen erdbebensicheren Zwischenlagers auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich Antwort Stefan Müller, Parl. Staatssekretär BMBF 4855 D Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4856 B Mündliche Frage 43 Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausstieg aus der Kohleverstromung und Beendigung der Subventionierung von Kohlekraftwerken Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 4856 D Zusatzfragen Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4857 B Mündliche Frage 44 Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abkehr von der internationalen Kohle-finanzierung Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 4857 D Zusatzfragen Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4857 D Mündliche Frage 45 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Änderung der in der Europäischen Union verbreiteten Definition von Subventionen Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 4858 B Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4858 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte: Deutschlands Beitrag zur Eindämmung der Ebolaepidemie 4859 B Michael Roth, Staatsminister AA 4859 B Niema Movassat (DIE LINKE) 4860 B Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) 4862 A Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär BMZ 4862 B Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4863 D Michaela Engelmeier (SPD) 4865 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4865 D Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) 4866 C Dr. Georg Kippels (CDU/CSU) 4867 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4867 C Stefan Rebmann (SPD) 4868 C Charles M. Huber (CDU/CSU) 4869 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4870 B Frank Schwabe (SPD) 4871 B Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 4871 D Thomas Stritzl (CDU/CSU) 4872 D Niema Movassat (DIE LINKE) 4873 D Thomas Stritzl (CDU/CSU) 4874 A Nächste Sitzung 4874 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4875 A Anlage 2 Mündliche Frage 4 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitstellung eines Feldlazaretts und des dazugehörigen Personals zur Unterstützung Liberias bei der Bewältigung der Ebolaepidemie Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4875 C Anlage 3 Mündliche Frage 5 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weitere Unterstützung Westafrikas bei der Bekämpfung der Ebolaepidemie Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4875 D Anlage 4 Mündliche Frage 6 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung der in Bahrain inhaftierten Menschenrechtsaktivistin Maryam al-Chawadscha Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4876 A Anlage 5 Mündliche Frage 7 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berichte über Sexualdelikte von AMISOM-Soldaten in Somalia Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4876 C Anlage 6 Mündliche Frage 9 Heike Hänsel (DIE LINKE) Mögliche Waffenlieferungen aus NATO-Staaten an die Ukraine Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4876 D Anlage 7 Mündliche Frage 10 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Einfluss des ukrainischen Oligarchen Igor Kolomoiskij auf die ukrainische Regierung Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4877 A Anlage 8 Mündliche Frage 11 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Finanzierung der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ durch staatliche Behörden und Einzelpersonen Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin AA 4877 B Anlage 9 Mündliche Frage 13 Andrej Hunko (DIE LINKE) Überprüfung des „No-Spy-Erlasses“ hinsichtlich geltender Rechtsvorschriften Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 4877 C Anlage 10 Mündliche Frage 14 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zu ändernde Gesetze und Verordnungen zur Beseitigung von Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 4878 A Anlage 11 Mündliche Frage 20 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inanspruchnahme der Riester-Zulagenförderung Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4878 B Anlage 12 Mündliche Fragen 21 und 22 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verlängerung der Energiesteuerermäßigung für Erdgas und Autogas Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4878 D Anlage 13 Mündliche Frage 23 Richard Pitterle (DIE LINKE) Übergangsfrist bei der Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Lieferungen bestimmter Metalle und Elektronikprodukte Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4879 A Anlage 14 Mündliche Frage 24 Richard Pitterle (DIE LINKE) Zahlung von Kindergeld an Steuerpflichtige mit Kindern ohne Wohnsitz in Deutschland Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4879 C Anlage 15 Mündliche Frage 25 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Steuerliche Förderung der Bereitstellung von Wagniskapital Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4879 D Anlage 16 Mündliche Frage 26 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Ökonomische Wirkung von Patent- und Lizenzboxen sowie einer steuerlichen Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 4880 A Anlage 17 Mündliche Frage 31 Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einheitliches Honorarsystem für Ärzte im Rahmen einer Bürgerversicherung Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG 4880 B Anlage 18 Mündliche Frage 32 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen von Minderausgaben auf die Nutzung der vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie betriebenen Schiffe Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMVI 4880 D Anlage 19 Mündliche Frage 36 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufstockung der Mittel bei der Wohngeld-reform Antwort Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB 4881 A Anlage 20 Mündliche Frage 37 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kosten des Exports von Brennelementen aus dem AVR Jülich in die USA Antwort Stefan Müller, Parl. Staatssekretär BMBF 4881 B Anlage 21 Mündliche Frage 40 Jens Spahn (CDU/CSU) Haftung für Schäden aufgrund eines unkontrollierten Austritts von Öl aus einer Kaverne in Gronau Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 4881 D Anlage 22 Mündliche Frage 41 Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Probebohrungen für Schiefergas Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 4882 A Anlage 23 Mündliche Frage 42 Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Probe- und Erkundungsbohrungen zur Ausbeutung von Gaslagerstätten bzw. Erforschung des Fracking Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 4882 B Anlage 24 Mündliche Frage 46 Heike Hänsel (DIE LINKE) Sicherstellung der Nichtweitergabe von an die Peschmerga gelieferten Waffen Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 4882 C 53. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 24. September 2014 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Peter Hintze: Die Sitzung ist eröffnet. Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um eine Vereinbarte Debatte mit dem Thema „Deutschlands Beitrag zur Eindämmung der Ebolaepidemie“ zu erweitern und diese im Anschluss an die Fragestunde als Zusatzpunkt 1 mit einer Debattendauer von einer Stunde aufzurufen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann verfahren wir so. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Frau Iris Gleicke. – Bitte schön. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Schönen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute auf den Tag genau vor 25 Jahren, am 24. September 1989, wird die Botschaft der Bundesregierung in Prag zum Sammelpunkt für fast 900 DDR-Flüchtlinge; 200 Kinder waren darunter. Einen Tag später, am 25. September 1989, fordern mehrere Tausend Demonstranten auf der Montagsdemo in Leipzig demokratische Reformen und die Zulassung des Neuen Forums. Stasivizechef Mittig ruft am 26. September 1989 die Chefs der MfS-Bezirksverwaltungen zusammen und fordert, die „feindlich-oppositionellen Zusammenschlüsse“ mit dem Ziel der Zerschlagung „operativ zu bearbeiten“. Auf Grundlage eines Honecker-Befehls zur – ich zitiere – „Verhinderung von Provokationen unterschiedlicher Art“ zum 40. Jahrestag der DDR bringt Verteidigungsminister Keßler vorsorglich die NVA für den Einsatz in Ostberlin in Stellung. – So viel zu den Tagen im September vor 25 Jahren. Heute klingt das wie ein Bericht aus einer fernen Welt oder aus einem anderen Zeitalter. Der vorliegende Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit würdigt in besonderer Weise die mutigen Proteste und Demonstrationen im Herbst 1989 in Leipzig und in vielen anderen Städten der DDR. Die Demonstranten haben mit ihrer Zivilcourage den Grundstein für Freiheit und Demokratie in Ostdeutschland gelegt. Indem sie die Mauer niedergerissen haben, haben sie die Einheit unseres Landes ermöglicht. Die Aufarbeitung der Diktatur in der DDR, die Würdigung und Rehabilitierung der Opfer der Diktatur bleiben über den Tag hinaus auf der Tagesordnung. Die Annäherung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West in den letzten 25 Jahren ist weitgehend gelungen. Denken Sie an die Modernisierung der Infrastruktur, den Wiederaufbau vieler Innenstädte, die Verbesserung der Wohnsituation, die Beseitigung der verheerenden Umweltverschmutzung, den Aus- und Neubau eines modernen Verkehrsnetzes. Und: Die ostdeutsche Wirtschaft steht auf einem breiten Fundament. Aber wir müssen heute feststellen: Der wirtschaftliche Aufholprozess der neuen Länder im Verhältnis zu Westdeutschland ist in den vergangenen Jahren nur noch sehr langsam vorangeschritten. Deshalb ist die weitere Stärkung der Wirtschaftskraft unbedingt erforderlich. Denn das sichert und schafft Arbeitsplätze, verbessert die Steuerkraft der Länder und hat positive Auswirkungen auf die Länderhaushalte. 2019 läuft der Solidarpakt II aus. Vor diesem Hintergrund kommt der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen für die Zeit ab 2020 eine überragende Bedeutung zu. Eines ist klar: Eine reine Ostförderung kann und wird es ab 2020 nicht mehr geben. Wir müssen die bisherige Förderung weiterentwickeln zu einem System der Förderung strukturschwacher Regionen in ganz Deutschland. Wir brauchen ein festes Bündnis der strukturschwachen Regionen in Ost und West. Meine Damen und Herren, fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung brauchen wir endlich ein einheitliches Rentenrecht in ganz Deutschland. Hier soll entsprechend der Koalitionsvereinbarung mit Ende des Solidarpakts II, wenn die Lohn- und Gehaltsangleichung weiter fortgeschritten sein wird, in einem letzten Schritt eine vollständige Angleichung erfolgen. Die Bundesregierung wird 2016 prüfen, ob ein Zwischenschritt erforderlich ist. Zum Arbeitsmarkt. Im Jahresdurchschnitt 2013 wurde die niedrigste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung registriert. Aber auch hier gibt es ein großes „Aber“; denn gegenüber der Arbeitslosenquote West mit 6,0 Prozent ist die Arbeitslosenquote Ost mit 10,3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2013 noch immer unverhältnismäßig hoch. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Sie lag im Jahr 2013 in Ostdeutschland bei 9,6 Prozent und damit im europäischen Vergleich auf einem niedrigen Niveau. Auch die Binnenwanderungsverluste zwischen Ost und West sind in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Nach Projektionen des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerungszahl in den ostdeutschen Flächenländern allerdings weiter abnehmen. Dies wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Beim Umgang mit den dadurch verursachten Veränderungen vor Ort leisten die ostdeutschen Länder in Bezug auf intelligente Modelle der Daseinsvorsorge seit Jahren Pionierarbeit. Der Osten ist hier Avantgarde. Mein Damen und Herren, Sie finden in diesem Bericht einen Satz, der mir sehr wichtig ist: „Der ganz großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger“ der DDR „ging es darum, ein anständiges Leben zu führen.“ Dies gilt es zu erkennen, zu akzeptieren und in einem solidarischen Miteinander zu verbinden. Wir brauchen einen unverkrampften Umgang miteinander, wie ihn die junge Generation heute schon so erfreulich vorlebt. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Die erste Frage hat der Kollege Wolfgang Tiefensee, SPD-Fraktion. Wolfgang Tiefensee (SPD): Sehr verehrte Frau Staatssekretärin, ganz herzlichen Dank für den Vortrag und für die Vorlage des Berichtes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst konstatiere ich: Der Bericht trägt eindeutig die Handschrift des Vizekanzlers und seiner Beauftragten. Die Situation wird sehr kritisch beschrieben, es werden aber auch die Vorteile aufgezeigt. Vor allen Dingen wird erstmalig das Engagement der Bürgerinnen und Bürger vor 1989 dezidiert gewürdigt. Frau Staatssekretärin, wir haben eine gute Entwicklung bezüglich des Bruttoinlandsproduktes und der Arbeitslosigkeit, auch wenn wir hier sicherlich noch Nachholbedarf haben. Meine Fragen: Erstens. Es gibt Förderprogramme wie zum Beispiel INNO-KOM und ZIM. Ich wünschte mir, dass bei INNO-KOM nicht gekürzt wird. Warum kürzen wir da um 500 000 Euro, von 65,5 Millionen Euro auf 65 Millionen Euro? Zweitens. Sie haben die Angleichung der Rentensysteme angesprochen. Reden wir nach wie vor auch darüber, dass es einen Härtefallfonds geben könnte? Schließlich: Mich interessiert, wenn es um die Arbeitslosigkeit geht: Wenden Sie sich auch ganz besonders der Langzeitarbeitslosigkeit zu, und was ist dort geplant? Vielen Dank. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Schönen Dank. – Zum Thema Arbeitslosigkeit: Es ist so, dass die Bundesministerin für Arbeit und Soziales auch und gerade mit den ESF-Mitteln, die jetzt zur Verfügung stehen, ein Programm auflegen will, das in diesem Jahr beschlossen werden soll, damit im nächsten Jahr Förderungen ermöglicht werden, um gerade unter dem Aspekt der Altersarmut die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen und um den Menschen, die dem Arbeitsprozess schon lange nicht mehr zur Verfügung gestanden haben, eine Perspektive zu ermöglichen. Zu den verschiedenen Förderprogrammen. Sie wissen, dass wir die Förderkulisse der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ schon zu einer gesamtdeutschen umgestaltet haben. Die Präferenz ist aufgrund der Wirtschaftsdaten nach wie vor in Ostdeutschland gegeben. Es fließen also nach wie vor mehr Mittel nach Ostdeutschland. Programme wie das Zukunftsinvestitionsprogramm Mittelstand, INNO-KOM-Ost usw. liegen uns besonders am Herzen und entfalten eine besondere Wirkung für Ostdeutschland, die wir auch erhalten wollen. Deshalb haben wir beispielsweise beim Zukunftsinvestitionsprogramm 30 Millionen Euro draufgelegt, wir haben bei den IKT etwas draufgelegt, finanziert aus den Mitteln in Höhe von 3 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt zusätzlich für Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Zum Thema Rente. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen vereinbart, die Rentenangleichung bis zum Jahr 2019, also bis zum Auslaufen des Solidarpakts, zu schaffen. Sie kennen meine persönliche Meinung aus der Zeit, als ich noch auf der anderen Seite des Parlaments gesessen habe, und wissen, dass ich immer für die Einrichtung eines Härtefallfonds gestritten habe. Dieser ist aber in der Koalitionsvereinbarung nicht enthalten. Deshalb ist natürlich die Frage, ob und inwieweit sich die Koalitionsfraktionen zum Beispiel über einen solchen Mechanismus verständigen könnten. Aber ich bitte ganz herzlich um Verständnis: Das ist im Moment nicht vorderste Aufgabe der Bundesregierung, sondern eine Parlamentsangelegenheit. Vizepräsident Peter Hintze: Als Nächstem erteile ich das Wort dem Abgeordneten Stephan Kühn, Bündnis 90/Die Grünen. Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, auch ich möchte auf die Zeit zu sprechen kommen, als Sie auf der Abgeordnetenseite saßen. Da haben wir gemeinsam davor gewarnt, diesen Bericht zu einem reinen Routinebericht verkommen zu lassen, der sozusagen nur den Status quo beschreibt, und waren uns einig: Wenn man sich die Arbeit macht, einen solchen Bericht zu erstellen, dann muss er wirklich neue Ideen und Impulse enthalten. Da wir noch nicht die Gelegenheit hatten, den Bericht zu studieren, möchte ich die Frage stellen: Welche zentralen Impulse und Ideen enthält der Bericht? Die Frage, die sich daran anschließt, ist mit der Formulierung verknüpft, Ostdeutschland sei Avantgarde, oder anders ausgedrückt: Ostdeutschland ist für die Transformationsprozesse sozusagen das Labor. Ganz entscheidend ist die Frage der Rahmenbedingungen dafür, dass – so wurde es im letzten Bericht genannt – noch nicht genutztes Potenzial für bürgerschaftliches Engagement gehoben werden kann, sprich: welche Rahmenbedingungen die Leute vor Ort haben, um Eigeninitiative ergreifen und die zukünftige Entwicklung selber in die Hand nehmen zu können. Welche Instrumente schlagen Sie da in dem neuen Bericht jetzt vor? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Zunächst: Wenn ich über Modellprojekte oder darüber rede, dass Ostdeutschland an vielen Stellen Avantgarde ist, weil eben versucht wird, mit weniger Mitteln den gesetzlichen Vorschriften zur öffentlichen Daseinsvorsorge nachzukommen und sie auch aufrechtzuerhalten, dann denke ich dabei nicht zuerst an Labormäuse. (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch nicht!) Ich will einfach sagen: Es geht uns nicht darum, irgendeine Grundsicherung zu schaffen, sondern darum, Lebensqualität zu schaffen und dafür zu sorgen, dass es auch in strukturschwachen Regionen Perspektiven gibt. Das hat sehr viel mit dem zweiten Teil Ihrer Frage zu tun. Natürlich geht es uns darum, Menschen zu aktivieren, sodass sie sich zum Beispiel selbstständig machen. Wir fangen schon bei den Schülerinnen und Schülern an; wir wollen mit Projekten an Schulen tatsächlich den Gründergeist stärken. Wir versuchen, gerade auch die Potenziale von Frauen zu heben. Das ist insgesamt eine wichtige Aufgabe. Denn der Fachkräftemangel in Ostdeutschland wird aufgrund der demografischen Entwicklung und der Wanderungsverluste der letzten Jahre einen viel höheren Stellenwert bekommen. Es ist heute schon so, dass die ostdeutschen Unternehmen – die ostdeutsche Wirtschaft ist nach wie vor von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt – händeringend nach Führungspersonal suchen. Insofern wollen wir den Mittelstand unterstützen, damit er weiter wachsen kann. Dazu braucht er entsprechendes Führungspersonal. Wir wollen natürlich überall dafür werben. Sie kennen wahrscheinlich die Thüringer Initiative, die sich an Rückkehrer wendet: „Thüringen braucht dich.“ – Das sind Dinge, von denen ich glaube, dass sie wirklich zum Erfolg führen. An der Stelle wollen wir ansetzen. Dazu gehört aber auch eine ordentliche Wirtschaftsförderung – gar keine Frage –, damit das Größenwachstum der kleinteiligen ostdeutschen Wirtschaft weiter voranschreiten kann. Vizepräsident Peter Hintze: Nächste Fragestellerin die Abgeordnete Annalena Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Gleicke, für den kurzen Bericht. Es ist natürlich wirklich bedauerlich, dass die Koalitionsfraktionen schon einen Blick darauf werfen konnten, die Opposition aber nicht. Deswegen kommen wahrscheinlich auch mehr Fragen von unserer Seite. Ich knüpfe an das an, was mein Kollege Kühn schon zur Neustrukturierung des Berichts gesagt hat; Sie haben es ganz kurz angesprochen. Insbesondere über die finanzielle Ausstattung nach dem Auslaufen der Solidarpaktmittel haben wir mit Ihnen im Zusammenhang mit dem letzten Bericht intensiv diskutiert. Wir haben damals in der Debatte auch die Korb-II-Mittel angesprochen und gefragt, wo sie sich in der neuen Finanzgestaltung wiederfinden könnten. Könnten Sie vielleicht einen Satz dazu sagen, ob bereits entsprechende Überlegungen in dem Bericht enthalten sind? Die Investitionsmittel für Ostdeutschland werden ja nach wie vor noch anders bemessen. Wir hatten auch bereits gemeinsam festgestellt, dass insbesondere die Ausstattung der Kommunen – gerade viele ostdeutsche Gebiete haben ja strukturell eine andere Prägung – bisher nicht in den Berichten aufgetaucht ist. Daran anknüpfend möchte ich Sie fragen, inwieweit im jetzt vorliegenden Bericht ein Schwerpunkt auf die Situation der Kommunen gelegt wird und inwieweit auf Kassenkredite und weitere Fragen eingegangen wird. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Baerbock, die von Ihnen angesprochenen Themen kommen in dem Bericht in beschreibender Weise vor. Wir weisen dabei darauf hin, dass die Ausstattung der Kommunen von zentraler Bedeutung ist, wenn es darum geht, öffentliche Daseinsvorsorge auch in strukturschwachen Regionen zu erhalten. Sie finden dazu im Bericht ein paar kurze Ausführungen. Wir sagen allerdings ganz klar: In der Diskussion über die Bund-Länder--Finanzbeziehungen muss es uns auch darum gehen, eine entsprechende Ausstattung für die finanzschwachen Länder hinzubekommen, damit die öffentliche Daseinsvorsorge wirklich erhalten werden kann. Das ist mir ganz wichtig. Das ist im Endeffekt auch die Quintessenz des vorliegenden Berichtes. Wir brauchen in Ostdeutschland also auch nach 2019 eine besondere Förderung. Ich habe an dieser Stelle zwar hauptsächlich die Situation in Ostdeutschland im Blick, sehe aber auch die Probleme in den alten Bundesländern. Deshalb sage ich: Wir brauchen ein Fördersystem, durch das die strukturschwachen Regionen in Ost und West gleichermaßen gefördert werden, damit wir da vorankommen können. Vizepräsident Peter Hintze: Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Karin Binder, Fraktion Die Linke. Karin Binder (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Liebe Kollegin Gleicke, Sie haben die Annäherung zwischen Ost und West als weitgehend gelungen bezeichnet. Ich muss sagen: Da haben wir doch eine unterschiedliche Sicht der Dinge. Ich sehe nach wie vor Unterschiede bei der Rente, ich sehe nach wie vor unterschiedliche Löhne und Gehälter, ich sehe nach wie vor unterschiedliche Lebensstandards. Ich glaube, dass wir noch einiges zu tun haben. Was ich gar nicht verstehen kann, ist, dass auch 25 Jahre nach der deutschen Einheit von dieser Bundesregierung immer noch unterschiedliche Mütterrenten für Ost und West beschlossen werden. Wir erklären Sie das im Zusammenhang mit dem Bestreben, ein einheitliches Rentenrecht zu schaffen? Ich habe noch eine andere Frage: Wird in Ihrem Bericht endlich auch einmal die Rolle der Treuhand ordentlich beleuchtet? Ich glaube, dass die Treuhand eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit der meiner Auffassung nach noch nicht stattgefundenen Annäherung zwischen Ost und West spielt. Ich glaube schon, dass die Politik, die die Treuhand mit ihrem Ausverkauf der Ost-Bundesländer betrieben hat, in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung ist. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Kollegin Binder, zum Thema Mütterrente. Ganz klar: Die unterschiedlichen Werte bei der Mütterrente entstehen dadurch, dass wir ein unterschiedliches Rentensystem in Ost und West haben. Deshalb ist es das erklärte Ziel der Bundesregierung, ab 2019 gleiches Rentenrecht zu verankern. Es wurde also nicht beschlossen, die Mütterrente in Ost oder West unterschiedlich zu gestalten, sondern das resultiert aus den unterschiedlichen Rentenwerten. Im Bericht ist kein Kapitel explizit zur Treuhandanstalt enthalten. Es gab ja nach Abschluss der Arbeit der Treuhandanstalt einen Untersuchungsausschussbericht, dessen Länge, glaube ich, fast einen Meter im Bücherregal umfasst und der eine ganze Menge Hinweise enthält bzw. deutlich macht, was gut oder was weniger gut gelaufen ist. Wir sind darauf eingegangen, was die Deindustrialisierung Anfang der 90er-Jahre für das zukünftige Wachstum in Ostdeutschland bedeutete, nämlich dass eine Kleinteiligkeit bei den Unternehmen entstanden ist. Das ist ja im Kern das Problem, weil uns natürlich die Headquarters mit entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsabteilungen fehlen und eben auch die Konzernzentralen, die aufgrund der Wertschöpfungskette Steuereinnahmen für die Länder generieren würden. Insofern ist es an der Stelle unsere Hauptaufgabe, dass wir weiter am Transformationsprozess arbeiten. Ich bin auf die unterschiedlichen Renten eingegangen. Ich bin auch auf die unterschiedlichen Löhne eingegangen. Die Lohnhöhe ist nach wie vor ein großes Problem. Wir reden über einen durchschnittlichen Abstand von 20 Prozent zwischen den Löhnen in Ost und West. Wir wissen, dass der Abstand in einzelnen Branchen sehr viel größer ist, in anderen Branchen aber auch kleiner. Wenn wir uns das genau anschauen – damit komme ich noch einmal auf die Fragen von Herrn Kühn und Frau Baerbock zurück – und uns insbesondere dem -Aspekt Fachkräfte zuwenden, dann wird klar, dass das Thema Einkommen im Zusammenhang mit der Gewinnung von Fachkräften und Führungspersonal in Ostdeutschland ganz entscheidend ist. Wer gute Ingenieurinnen und Ingenieure in Ostdeutschland halten will, der wird sie auch gut bezahlen müssen. Insbesondere in der Großindustrie bzw. in größeren Betrieben manifestiert sich dieses Problem. Das Einkommensniveau liegt in diesem Bereich erst bei 73 Prozent des Westniveaus. Entscheidend ist, dass wir in diesem Bereich hinsichtlich der Angleichung der Einkommensverhältnisse weiter vorankommen. Ansonsten möchte ich noch einmal Folgendes betonen: Wenn ich mich in meiner Thüringer Heimat umschaue, sehe ich sehr wohl, wie sich der Lebensstandard aller Menschen und nicht nur der, die ein höheres Einkommen beziehen, an das Westniveau angeglichen hat. Ich glaube – das wird auch deutlich, wenn man sich die aktuellen Umfrageergebnisse ansieht –, dass die Ostdeutschen durchaus sehen und anerkennen, dass sich viel getan hat. Das heißt aber nicht, dass wir nicht weiter danach schauen, wo es nach wie vor die großen Abers und Probleme gibt. Gerade das tut diese Bundesregierung. Vizepräsident Peter Hintze: Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich will Sie ausdrücklich unterstützen. Ich finde es gut, dass Sie in Ihrem Bericht nicht nur die harten Fakten genannt haben, die natürlich wichtig sind – Arbeitslosigkeit, soziale Standards –, sondern auch auf das kulturelle Umfeld der Veränderungen aufmerksam gemacht haben. Das ist ein neuer Ton; den finde ich sehr gut. Finden Sie nicht auch, dass der Umstand, dass in Thüringen möglicherweise ein Mitglied der Linken zum Ministerpräsidenten gewählt wird, ein Ausdruck dafür ist, dass sich das kulturelle Umfeld in diesem Land im positiven Sinne entwickelt hat? Es handelt sich um ein westdeutsches Mitglied. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Mit Sicherheit nicht!) Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kollege Gehrcke, die Thüringer SPD wird sich in Sondierungsverhandlungen mit der CDU und auch mit den Linken und den Grünen unterhalten. Wenn Sie den – so sage ich es einmal – Zuwanderer Bodo Ramelow ansprechen, (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) sage ich: Wir freuen uns über Zuwanderung nach Ostdeutschland. Wir sind sehr froh darüber, dass sich außer den vielen Studentinnen und Studenten, die in den letzten Jahren gekommen sind, auch eine ganze Menge anderer aufgrund der verbesserten Lebensqualität Ostdeutschland zuwenden. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Danke!) Vizepräsident Peter Hintze: Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Daniela Kolbe, SPD-Fraktion. Daniela Kolbe (SPD): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Vielen Dank für die Vorlage des Berichts zum Stand der deutschen Einheit. Er kommt zum rechten Zeitpunkt. Er wird nicht nur rechtzeitig zu den 25-Jahr-Feiern vorgelegt, zum Beispiel anlässlich der Großdemonstration in Leipzig am 9. Oktober 1989, sondern auch in einer spannenden Phase der Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Ich denke, dass in dem Bericht einige spannende Fakten zur Steuerkraft der ostdeutschen Wirtschaft und zu den Steuereinnahmen sowie zur Wirtschaftskraft und Wirtschaftsstruktur in den neuen Bundesländern zu finden sind. Ich habe zwei Fragen: Erstens. Diese Bundesregierung hat einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt, der insbesondere in den neuen Bundesländern greifen wird. Können Sie mir darlegen, welche Auswirkungen dieser Mindestlohn Ihrer Einschätzung nach haben wird, womöglich auch auf die Angleichung der Rentensysteme in Ost und West? Meine zweite Frage stelle ich angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen: Inwiefern halten Sie Programme für eine lebendige Demokratie weiter für notwendig? Können Sie noch einmal darlegen, was diesbezüglich geplant ist? Vielen Dank. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Schönen Dank. – Was Programme für mehr Demokratie und Teilhabe angeht: Da wurde einiges auf den Weg gebracht. Verschiedene Häuser sind beteiligt und engagieren sich auf diesem Gebiet. Das Ministerium von Frau Schwesig zum Beispiel oder auch die BKM bemühen sich immer wieder, durch Programme deutlich zu machen, wie Demokratie und Teilhabe funktionieren. Der Engagementbericht hat ja gezeigt, dass sich immer mehr Menschen in Ostdeutschland engagieren und in den verschiedensten Vereinen einbringen. Ich glaube, auch das gehört ein Stück weit zur veränderten Lebensqualität dazu. Ich bin jetzt nicht in der Lage, im Einzelnen die Programme herunterzurattern, aber wir werden sicherlich im Ausschuss und in den Fraktionen Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Es gibt ja einiges, was an ganz verschiedenen Stellen schon auf den Weg gebracht wurde. Thema Mindestlohn. Natürlich wird der Mindestlohn in Ostdeutschland eine positive Wirkung haben. Denn überproportional viele Ostdeutsche, die bisher deutlich weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdient haben, werden davon profitieren. Ich glaube, dass sich dann auch der Lohnabstand in den normalen Tarifbereichen verringern wird. Dazu gehört, dass wir für eine größere und stärkere Tarifbindung in Ostdeutschland werben; sie ist dort deutlich geringer als in den alten Bundesländern. In diesem Zusammenhang muss ich auch sagen, dass das getrennte Rentenrecht an dieser Stelle von Vorteil für Ostdeutschland ist. Denn dadurch, dass mehr Ostdeutsche vom Mindestlohn profitieren, wird es in der Folge eine größere Steigerung der Renten in Ostdeutschland geben. Dadurch wird die Lücke ein Stück weiter geschlossen. Insofern profitieren auch die ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner vom Mindestlohn. Wir wollen natürlich trotzdem ein einheitliches Rentenrecht schaffen; aber im Moment sieht die Analyse so aus. Sie haben vollkommen recht: Löhne und Einkommen haben natürlich auch Auswirkungen auf die Länderhaushalte. Sie sprachen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen an. Man muss rekapitulieren, dass Ostdeutschland nur 62 Prozent der Steuerkraft der vergleichbaren finanzschwachen Flächenländer in Westdeutschland hat. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen, wenn man jetzt in die Verhandlungen geht. Uns muss es darum gehen, ein wirklich solidarisches System der Bund-Länder--Finanzbeziehungen zu schaffen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass Herr Schneider uns da helfen wird. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Der Abgeordnete Stephan Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, hat sich zu einer weiteren Frage gemeldet. Bitte. Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, ich wollte noch auf die Themen Engagementbereitschaft und Initiative vor Ort zu sprechen kommen. Wie kann man Eigeninitiative stärken, sozusagen eine Kultur der Selbstständigkeit entwickeln? Der vorletzte zuständige Minister, Thomas de Maizière, hatte in der zurückliegenden Legislaturperiode ja Regionalbudgets vorgeschlagen, um die Verantwortung ein Stück weit an die Regionen abzugeben; von Berlin aus wissen wir ja nicht, was das Beste und Richtige ist. Er wollte auch in diesem Bereich die Rahmenbedingungen so verändern, dass die Leute selber entscheiden können. Wie ist Ihre Position dazu? Gibt es in der Regierung Überlegungen dazu? Findet da in dieser Legislaturperiode noch Regierungshandeln statt? Die zweite Frage. Das Programm „Stadtumbau Ost“ läuft 2016 aus. Ob man 25 Jahre nach der Wende Stadtumbauprogramme noch nach Ost und West, also nach Himmelsrichtungen, benennen muss, sei dahingestellt. Aber klar ist: Die Aufgabe Stadtumbau steht unverändert an, Revitalisierung der Innenstädte, Rückbau etc. Das Thema ist also 2016 nicht erledigt. Daher frage ich: Was wird aus dem Programm, wenn es 2016 planmäßig ausläuft? Wird es verlängert? Wie geht es damit weiter? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Zunächst zum Thema Engagement. Ich glaube, dass die Finanzausstattung von Ländern und Kommunen eine zentrale Voraussetzung ist, um auch in ländlich struk-turierten Regionen, die nicht immer, aber sehr häufig strukturschwache Regionen sind, Engagement zu fördern. Deshalb ist für mich im Moment die zentrale Frage: Was passiert bei den Verhandlungen zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen? Schaffen wir es, an der Stelle für eine vernünftige Ausstattung zu sorgen? Ob sich Programme daraus entwickeln lassen, will ich dahingestellt sein lassen. Ich persönlich finde es spannend, über Regionalbudgets nachzudenken. Wir haben auch schon im Kulturbereich über solche Projekte nachgedacht. Dies muss sich aber noch ergeben. Herr Kühn, nehmen Sie es mir nicht übel, aber heute kann ich für die Bundesregierung keine Aussage dazu treffen, weil wir dies natürlich auch in unterschiedlichen Ressorts zu bewerten und zu entwickeln haben. Da bitte ich herzlich um Verständnis. Das Programm „Stadtumbau Ost“ hat seit 1999 – seitdem gibt es das Programm – eine gigantische Aufgabe erfüllt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich persönlich einen Anteil daran gehabt habe, dass es zu einem solch erfolgreichen Programm geworden ist. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen vereinbart, die Bezeichnungen „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ abzuschaffen – wir hatten das Programm ja später auch für Westdeutschland eingeführt – und die Benennung zu vereinheitlichen. Dabei werden wir aber eine besondere Förderung für Ostdeutschland, weil die Aufgaben dort noch größer sind, beibehalten. Wir haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass diese Vereinheitlichung unter Beibehaltung der Intention des Korbs II, also der überproportionalen Ausgaben, erfolgt. Wir werden sicherlich darüber zu reden haben – ich bin gespannt, was dazu in den Fachausschüssen diskutiert wird; es liegt ja nicht in unserem Ressort –, wie es weitergeht. Eine Aufgabe bleibt die, ich will es mal so sagen, Anpassung an veränderte Bedingungen, was die Zuwanderung bzw. die Abwanderung betrifft. Wir haben ja Städte, die Zuwanderung erfahren, Dresden zum Beispiel; diese Städte stehen unter einem ganz anderen Druck, was beispielsweise den Wohnungsneubau angeht. Auf der anderen Seite haben wir nach wie vor Regionen, die sich entleeren. Diesen Befund gibt es übrigens in Westdeutschland genauso. Deshalb muss man natürlich schauen, dass man entsprechende Förderinstrumentarien zur Verfügung stellt. Bei sich entleerenden Regionen ist der Anpassungsdruck sicherlich deutlich größer; denn dort muss die öffentliche Daseinsvorsorge von den wenigen Bürgern, die dann noch dort leben, -finanziert werden können. Darüber werden wir uns unterhalten müssen. Vizepräsident Peter Hintze: Die Abgeordnete Annalena Baerbock hat sich auch noch zu einer Frage gemeldet. – Bitte schön. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im letzten Bericht hat die Energiewirtschaft eine große Rolle gespielt, weil die ostdeutschen Länder hier Vorreiter waren, insbesondere beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir hatten schon damals festgestellt, dass es aufgrund der Änderungen im EEG vor allen Dingen im Bereich der Solarwirtschaft zu einem massiven Einbruch und auch zu einer Abwanderung von Firmen gekommen ist. Liegt Ihnen eine Analyse vor, wie sich die jetzigen Änderungen des EEG auswirken werden – wieder ist der Bereich Photovoltaik stark betroffen –, gerade im Hinblick auf die Arbeitsplätze in der Region? Der zweite Punkt. Die Stromkosten sind in Ostdeutschland tendenziell ein Stück höher, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben wurde und die Modernisierung der Energienetze vor allen Dingen über die Netzentgelte bezahlt wird. Es gibt Initiativen aus den Ländern – auch aus dem Bundesland, aus dem ich komme, aus Brandenburg –, über die Netzentgelte zu sprechen. In welcher Form greifen Sie das als auch dafür zuständiges Ministerium auf, und wie wollen Sie diesem aus meiner Sicht berechtigten Anliegen der ostdeutschen Länder nachkommen? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Baerbock, Sie haben vollkommen recht: Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien ist in Ostdeutschland ein ganz wichtiger Wirtschaftszweig geworden. In Brandenburg hat sich das Verhältnis zwischen Braunkohle und erneuerbaren Energien in den letzten Jahren zugunsten der erneuerbaren Energien verändert. Das ist ein positiver Befund, gar keine Frage. Wir sehen es nicht so, dass wir mit der Novelle des EEG den erneuerbaren Energien sozusagen den Stecker ziehen. Wir verhelfen den erneuerbaren Energien mit den klaren Vorgaben, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegt wurden, auch in Zukunft zu einem vernünftigen Ausbau. Wichtig ist aber auch, dass wir die Kostendynamik, die durch die EEG-Umlage entstanden ist, brechen mussten. Das ist nicht nur für die westdeutsche Wirtschaft wichtig gewesen, sondern gerade auch für die ostdeutsche Wirtschaft, die natürlich durch die hohen Strom- bzw. Energiepreise belastet wird. Nun haben Sie einen besonderen Punkt angesprochen: Tatsächlich sind die Netzentgelte in Ostdeutschland deutlich höher. Das hat etwas damit zu tun, dass Anfang der 90er-Jahre eine Sanierung der maroden In-frastruktur anstand. Diese Sanierungsleistungen werden nach wie vor auf die regionalen Stromkunden umgelegt. Hinzu kommt, dass das Mehr an Energie, das in Ostdeutschland produziert, aber nicht verbraucht wird und somit in andere Bundesländer transportiert werden muss, einen gewissen Netzausbau erforderlich macht, welcher auch hauptsächlich regionale Stromkunden trifft. Deshalb steht in dem Bericht auch ganz klar, dass das System der Netzentgelte überprüft werden soll und gegebenenfalls im Zuge der Energiewende an die gewandelten Rahmenbedingungen angepasst werden muss. Wir müssen nur – das ist auch ganz klar – darauf achten, dass Ostdeutschland an dieser Stelle nicht doppelt bezahlt; schließlich sind wir da einen ganzen Schritt vorangekommen. Ich glaube, dass die Aussagen im Bericht insgesamt zum EEG Ihr besonderes Interesse finden sollten. Vizepräsident Peter Hintze: Wir sind zwar schon fast am Ende der Befragung der Bundesregierung; aber ich lasse noch die Frage vom Kollegen Harald Petzold, Fraktion Die Linke, zu. – Bitte schön. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich würde gerne auf die gerade gestellte Frage zurückkommen. Denn eigentlich haben Sie nicht beantwortet, wie Sie mit den Vorschlägen der Bundesländer, was die Ungerechtigkeit der Umlage der Netzausbaukosten lediglich auf diejenigen Stromkunden betrifft, in deren Bereich das Netz ausgebaut wird, umgehen wollen. Die ostdeutschen Länder schlagen seit mindestens 2009 beispielsweise vor, dass die Kostenwälzung gesamtdeutsch erfolgen muss. Welche Position vertritt die Bundesregierung hier? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die Position der Bundesregierung steht auf Seite 33 des Berichtes. Da heißt es: Das System der Netzentgelte soll daher überprüft und ggf. an die im Zuge der Energiewende gewandelten Rahmenbedingungen angepasst werden. Es ist auch Aufgabe dieses Berichtes, dies zu dokumentieren. Wir kennen den Befund in Ostdeutschland natürlich; gleichwohl ist es nicht Aufgabe des Berichtes, Bundesratsverhandlungen sozusagen vorwegzunehmen. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Gibt es weitere Fragen zu anderen Themen der Kabinettssitzung oder sonstige Fragen an die Bundesregierung? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich diesen Tagesordnungspunkt. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/2567 Ich rufe die mündlichen Fragen in der üblichen Reihenfolge auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung steht Frau Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer bereit. Die Fragen 1 und 2 hat der Abgeordnete Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke, gestellt. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Gehrcke auf: Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu den, nach mir vorliegenden Informationen, auf der Beratung des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, AStV, am 10. September 2014 erhobenen Forderungen, dass die -Europäische Union mit einer Listung von Journalistinnen und Journalisten auf die neue „unkonventionelle Art der Kriegsführung“ antworten müsse? Frau Staatsministerin, bitte. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat sich in der genannten Sitzung im Rahmen einer allgemeinen Aussprache zur möglichen Listung von Journalisten und Propagandisten mit Blick auf Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Einschränkung der Meinungsfreiheit zurückhaltend geäußert. Eine Listung soll aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn einer Person die Beteiligung an Aktivitäten, die den EU-Listungskriterien entsprechen, gerichtsfest nachgewiesen werden kann. Dies betrifft beispielsweise die aktive Unterstützung der Destabilisierung der Ukraine. Eine Listung allein aufgrund der Tatsache, dass eine Person journalistisch tätig ist, schließt sich für die Bundesregierung aus. Die vollständige Übersicht der aktuellen Listungskriterien findet sich im EU-Ratsbeschluss vom 8. September 2014. Darf ich die Antwort auf die zweite Frage gleich anschließen? Vizepräsident Peter Hintze: Dann rufe ich auch die Frage 2 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung eine Listung von Journalistinnen und Journalisten nicht mit dem Verweis auf das Grundgesetz generell abgelehnt hat, sondern nur auf die Schwierigkeit einer „Unterscheidung zwischen Journalismus und Propaganda“ verwiesen hat? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Es handelte sich um eine grundsätzliche Aussprache zur möglichen Listung von Journalisten oder Propagandisten, die an Aktivitäten beteiligt sind, die den Listungskriterien der Europäischen Union entsprechen. Solche Aktivitäten betreffen beispielsweise die aktive Unterstützung der Destabilisierung der Ukraine, wie ich bereits ausgeführt habe. Die Einlassung Deutschlands erfolgte zu einem Zeitpunkt, als unter anderem der Vertreter des EAD bereits klargestellt hatte, dass eine Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht hinnehmbar sei – eine Position, zu der in der EU ohnehin Einigkeit besteht. Die Linie des EAD wurde im Raum allgemein unterstützt. Deutschland hat, wie andere Partner, ergänzend darauf hingewiesen, dass eine Differenzierung zwischen Journalisten und Propagandisten oft nur schwer möglich ist. Deutschland hat zudem betont, dass mit Blick auf eine mögliche Listung in jedem Fall eine Einzelfallprüfung und eine gerichtsfeste Listenbegründung erforderlich sind. Eine Listung allein aufgrund der Tatsache, dass eine Person journalistisch tätig ist, schließt sich aus Sicht der Bundesregierung aus. Vizepräsident Peter Hintze: Der Abgeordnete Gehrcke hat jetzt das Recht auf vier Nachfragen. Das heißt nicht, dass er sie alle stellen muss; aber er darf sie stellen. – Ihre erste Nachfrage, bitte. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herr Präsident, das konnte ich ja eben fast wie eine Aufforderung verstehen. Vizepräsident Peter Hintze: Das war ein Hinweis. (Heiterkeit) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herzlichen Dank. – Frau Staatsministerin, finden Sie es nicht in einem gewissen Umfang befremdlich, dass im 21. Jahrhundert in einem Leitungsgremium der Europäischen Union überhaupt über die Listung von Journalisten debattiert wird? Ich habe das Protokoll gelesen. -Einige haben sich ja sehr deftig für die Listung ausgesprochen. Ich stimme Ihnen zu: Die Bundesregierung war etwas zurückhaltend. Aber ich denke, es ist berechtigt, zu fragen: Passt das aus Sicht der Bundesregierung ins 21. Jahrhundert, oder passt das nicht? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Kollege Gehrcke, ich glaube, das hat nichts mit dem 21. Jahrhundert zu tun, sondern es geht um die entsprechenden Aktivitäten. Ich betone noch einmal sehr deutlich, dass die bloße Tätigkeit als Journalist auf keinen Fall ein hinreichendes Kriterium ist. Ein Journalist kann aber auch anders als journalistisch handeln, und darum geht es hier. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Genau für den Fall, dass zu Gewalt oder Ähnlichem aufgerufen wird, gibt es das Strafrecht. Das hat ja nichts mit diesem Bereich zu tun. Die Bundesregierung will, dass zwischen Propagandisten und Journalisten unterschieden wird. Eine solche Unterscheidung wäre übrigens, wenn man so manchen Artikel liest, zum Teil auch in der Innenpolitik gut. Welche Auswirkungen wird die Festlegung, dass eine solche Unterscheidung vorgenommen werden soll, nach Meinung der Bundesregierung auf osteuropäische Journalisten in Deutschland haben? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich wiederhole gerne das, was ich schon gesagt habe – auf Ihre Fragen habe ich Ihnen bereits eine Antwort gegeben –: Wir haben sehr deutlich gesagt, dass es Listungskriterien gibt, die sich im EU-Ratsbeschluss wiederfinden, und wir legen großen Wert darauf, dass entsprechende Aktivitäten auch gerichtsfest nachgewiesen werden können. Vizepräsident Peter Hintze: Sie haben noch zwei Zusatzfragen. Jetzt kommt die dritte. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ihr Kollege, Herr Staatsminister Roth, war heute im Auswärtigen Ausschuss sehr viel deutlicher. Er hat gesagt: Es kommt nicht infrage, dass Journalisten gelistet werden. – Ich will Ihre Antwort auch so verstehen. Weil ich möchte, dass die russischen und anderen Kollegen, die hier arbeiten, eine gewisse Rechtssicherheit haben – dafür muss die Bundesregierung sorgen –, frage ich aber noch einmal: Darf ich Ihre Antwort so verstehen, dass die reine journalistische Tätigkeit nicht zu einer Listung führen wird? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Es gibt zwischen meiner Auffassung und der des Kollegen Roth keinen Unterschied; die gesamte Bundes-regierung ist der gleichen Auffassung. Ob Sie jetzt das Wort „reine“ oder „bloße“ benutzen – ich habe es schon einmal gesagt –: Die bloße bzw. die reine Tätigkeit als Journalist ist auf keinen Fall ein hinreichendes Kriterium. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich habe eine letzte Frage zu diesem Bereich. Vizepräsident Peter Hintze: Bitte schön. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Wie würde man es Ihrer Ansicht nach in Deutschland einschätzen, wenn die russische Regierung über eine mögliche Listung deutscher Journalistinnen und Journalisten in Russland für den Fall, dass sie dieses oder jenes nicht beachten, überhaupt nur debattieren würde? Ich würde so etwas entsetzlich finden, und ich hoffe, die Bundesregierung auch. Vizepräsident Peter Hintze: Bitte, Frau Staatsministerin. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Wir legen selbstverständlich die gleichen Maßstäbe an. Vizepräsident Peter Hintze: Schönen Dank. – Wir kommen damit zur Frage 3 des Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Fraktion Die Linke: Begrüßt die Bundesregierung die geplante Berufung des ungarischen Außenministers Tibor Navracsics zum neuen EU-Kommissar für Bildung, Jugend, Kultur und Bürger-gesellschaft angesichts seiner „Verdienste“ um Demokratie-abbau, die Einschränkung der Pressefreiheit und die staatliche Bevormundung von Kunst und Kultur in seinem Heimatland Ungarn (bitte begründen)? Frau Staatsministerin, bitte. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich möchte Ihnen folgende Antwort auf Ihre Frage geben: Die Bundesregierung kommentiert die Nominierung anderer EU-Regierungen für das Amt eines Kommissars nicht. Vizepräsident Peter Hintze: Kollege Petzold, bitte. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Sie sind sich natürlich darüber im Klaren, dass damit jemand berufen wird, der gerade für die Themenbereiche, für die er verantwortlich sein soll, erhebliche Maßnahmen mit zu verantworten hat, die von der Bundes-regierung früher durchaus schon einmal kritisiert worden sind. Insofern interessiert mich hier noch einmal Ihre Stellungnahme dazu, inwieweit Sie sich wirklich darüber bewusst sind. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich bleibe dabei, dass wir das nicht kommentieren. Vizepräsident Peter Hintze: Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Kekeritz und die Fragen 6 und 7 des Kollegen Nouripour werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Volker Beck (Köln), Bündnis 90/Die Grünen, auf: Ist der Bundesregierung bekannt, ob der Belgrad Pride genehmigt bzw. mit der Begründung erneut abgesagt wird, dass die Polizei nicht willens oder in der Lage sei, die Teilnehmer vor Gewalt von Homosexuellenfeinden zu schützen, und wie rechtfertigt die Bundesregierung die Einstufung von Serbien als sicheres Herkunftsland, wenn der Staat nicht willens oder in der Lage ist, seine Bürger vor gewalttätigen Übergriffen zu schützen? Frau Staatsministerin, bitte. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ja, gerne. – Herr Kollege Beck, der Bundesregierung ist derzeit nicht bekannt, ob die für den 28. September 2014 geplante Pride Parade in Belgrad stattfinden können wird. In den vergangenen Jahren – das wissen Sie – erfolgte die Absage jeweils sehr kurzfristig. Die Bundesregierung hat gegenüber der serbischen Regierung in verschiedenen Gesprächen in den letzten Tagen klar die Erwartung formuliert, die Parade nicht zu verbieten und die Teilnehmer zu schützen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Herr Kollege Strässer, besuchte Belgrad vom 11. bis 14. September 2014 anlässlich einer LGBTI-Konferenz. Er hat dort mit dem Premierminister und dem Innenminister über das Thema Pride Parade gesprochen. Sie fragen auch nach sicheren Herkunftsstaaten. Bei sicheren Herkunftsstaaten wird vermutet, dass keine politische Verfolgung existiert. Dies ist im Einzelfall widerlegbar, schließt also eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung nicht aus, wenn der Asylbewerber im Einzelfall darlegen kann, dass er Verfolgungsmaßnahmen unterliegt. Dadurch wird eine bessere Fokussierung auf Verfolgungsschicksale ermöglicht. Bosnien und Herzegowina, Serbien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien haben deutliche Fortschritte beim Aufbau demokratischer Strukturen gemacht. Systematische Verfolgung politisch Andersdenkender oder gesellschaftlicher Minderheiten ist dort nicht gegeben. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie kennen die Begründung, warum die serbische Regierung seit 2011 alle Paraden untersagt hat: 2010 ist eine Parade in Chaos und in massiver Gewalt untergegangen. – Bislang hat die serbische Regierung die Nichtgenehmigung dieser Parade immer wieder damit begründet, sie könne – in Klammern: sie wolle – diese Veranstaltung nicht vor rechter Gewalt schützen und untersage sie deshalb. Sind Sie als Bundesregierung nicht auch der Auffassung, dass eine solche Argumentation, wenn sie erneut zur Einschränkung der Rechte serbischer Bürger durch ein Demonstrationsverbot führen würde, faktisch nichtstaatlicher Verfolgung nahekommt, da sozusagen die Grundrechte nicht gewährt werden und die Menschen, wenn sie die Grundrechte dennoch wahrnehmen, ungeschützt der rechtsradikalen Gewalt auf Belgrads Straßen ausgesetzt werden? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Beck, ich teile die Schlussfolgerung so nicht. Aber ich möchte Ihnen sehr deutlich sagen, dass wir uns vonseiten der Bundesregierung – das wissen Sie auch aus verschiedenen Gesprächen; wir haben uns darüber am Rande auch schon unterhalten – bei der serbischen Regierung sehr dafür einsetzen, dass diese Parade stattfinden kann. Ich bin dem Kollegen Strässer auch sehr dankbar dafür, dass er sich in Gesprächen immer wieder so intensiv darum bemüht. Auch vonseiten der Botschaft erfolgt dies. Die serbische Regierung sagt uns in Reaktion darauf immer wieder, sie werde nur kurzfristig aufgrund der Lageeinschätzung handeln können. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir auch vonseiten der Bundesregierung deutlich für das Stattfinden dieser Parade eintreten. Vizepräsident Peter Hintze: Zweite Zusatzfrage. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich kenne den Einsatz von Herrn Strässer gut. Wir waren nämlich gemeinsam auf derselben Veranstaltung in Belgrad. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Sehr schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diese Veranstaltung war weniger schön, – Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Das meinte ich damit nicht. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – weil ein deutscher Teilnehmer an dieser Veranstaltung auf den Straßen in Belgrad mit einem Aschenbecher angegriffen wurde, hinfiel und danach wegen einer Gehirnblutung nur durch eine Notoperation gerettet werden konnte. Er ist jetzt Gott sei Dank in einer Spezial-klinik in Deutschland, und wir wollen hoffen, dass er das Ganze ohne Schäden übersteht. Das ist aber überhaupt nicht gewiss. Die Reaktionen der serbischen Behörden waren, dass sie deutschen Stellen gegenüber im Hinblick auf die Parade argumentiert haben: Angesichts dieser Gewalt können wir niemanden schützen. Ich finde, ein Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger vor Gewalttaten nicht schützen will und sagt: „Bei Veranstaltungen auf der Straße kann kein hundertprozentiger Schutz gewährleistet werden“, erfüllt nicht die Kriterien eines sicheren Herkunftslandes. Deshalb würde ich Sie, weil ja Bundestag und Bundesrat auf Initiative Ihrer Regierung nun festgestellt haben, dass Serbien ein sicheres Herkunftsland ist, noch einmal fragen, wie Sie denn reagieren werden, sollten die Belgrader Behörden bzw. die serbische Regierung sich jetzt nicht entschließen können, diese Veranstaltung zu genehmigen. Ich finde, das können Sie jetzt eigentlich nicht mehr hinnehmen; denn Sie haben Verantwortung übernommen, indem Sie Bundestag und Bundesrat diese Einstufung vorgeschlagen haben, die nun auch vom Gesetzgeber vollzogen wurde. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Beck, Sie sprechen hier ja verschiedene Dinge an. Wenn ich eben sagte, wir hätten uns kurz ausgetauscht, dann stand das auch im Zusammenhang mit den Angriffen auf diesen jungen Mann. Ich war sehr betroffen, als ich von diesem Vorfall gehört habe. Ich habe mich in unserem Haus noch einmal sehr kundig gemacht, wie vonseiten der deutschen Botschaft vor Ort -reagiert worden ist. Sie wissen, dass der deutsche Botschafter persönlich den Betroffenen im Krankenhaus besucht hat. Wir haben uns also sehr intensiv gekümmert. Ich sage nicht, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, sondern es ist Ausdruck einer besonderen Achtung, dass man sich kümmert. Ich hoffe genauso wie Sie, dass er auf dem Weg der Besserung ist und dass keine bleibenden Schäden zurückbleiben. – Das ist das eine, was uns umtreibt. Das andere, worauf Sie mit Ihrer Frage eigentlich abzielen, ist die Sache mit den sicheren Herkunftsstaaten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist die Genehmigung dieser Veranstaltung! Ich finde, dass Sie dafür jetzt eine politische Verantwortung mit übernommen haben, weil Sie diese Einstufung vorgenommen haben! – Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) – Ich habe eben sehr deutlich gemacht, wie die Haltung der Bundesregierung hierzu ist. Ich betone noch einmal, dass wir uns immer wieder und sehr nachhaltig dafür einsetzen, dass diese Parade durchgeführt werden kann und auch durchgeführt wird. Aber ich will trotzdem noch einmal, weil das in Ihrer Frage mitschwingt – Stichwort „sicherer Herkunftsstaat“; Sie haben das eben mit angesprochen –, auf die Entscheidung des Bundesrates vom vergangenen Freitag verweisen; auch Sie diskutieren ja innerhalb Ihrer Partei mit dem Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg darüber. Ich möchte Ihnen, was die Frage eines sicheren Herkunftsstaates angeht, die sehr ausführlichen Erläuterungen der Bundesregierung in dem Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten ans Herz legen. Hier wird deutlich, dass diese Einstufung sehr, sehr gründlich geprüft wurde und nicht aus der Lamäng heraus entschieden worden ist. (Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Peter Hintze: Lieber Kollege Beck, es ist jetzt gut. Die Frage 9 der Abgeordneten Heike Hänsel und die Fragen 10 und 11 der Abgeordneten Sevim Da?delen werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Andrej Hunko, Fraktion Die Linke, auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Unterstützung des „Islamischen Staats“, IS, oder von mit dem IS verbündeten Kräften durch die Türkei (beispielsweise aktiv in Form von Waffenlieferungen, Rüstungsgütern, logistischer, medizinischer oder finanzieller Unterstützung oder passiv in Form von Durchreisemöglichkeiten oder Nichtverfolgung auf türkischem Staatsgebiet), wie dies kürzlich auch das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, Civaka Azad, in Frankfurt am Main berichtete (http://civaka-azad.org/ypg-hef tigste-angriffe-auf-kobane), und welche Konsequenzen zieht sie aus derartigen Erkenntnissen oder Berichten für die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei? Zur Beantwortung, Frau Staatsministerin, bitte. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Gerne. – Die Bundesregierung, Herr Kollege Hunko, hat diesbezüglich keine eigenen Erkenntnisse. Der türkische Außenminister versicherte bei seinem Besuch in Berlin am 18. September dieses Jahres, dass die Türkei potenziellen IS-Kämpfern die Einreise in die Türkei verwehre und bereits etwa 1 000 insoweit verdächtige Personen ausgewiesen habe. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage, Herr Kollege Hunko? Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Dr. Böhmer. Dieses sehr aktuelle Thema werden wir auch morgen hier diskutieren. – Vor einigen Tagen wurden türkische Geiseln aus den Händen des IS befreit – Gott sei Dank. Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse darüber, was der Deal hinter dieser Geiselbefreiung war, auf welcher Grundlage die Geiseln plötzlich freigekommen sind? Auch Erdogan hat angedeutet, dass es hier möglicherweise Absprachen gegeben hat. Haben Sie darüber irgendwelche Erkenntnisse? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich kenne, wie Sie auch, die Mutmaßungen dazu in der Presse. Aber ich kann Ihnen dazu nicht aus eigener Erkenntnis eine Antwort geben. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage, Kollege Hunko? Andrej Hunko (DIE LINKE): Ja, eine Zusatzfrage zum Thema der Flüchtlingslager in der Türkei. Ich selbst habe Flüchtlingslager an der -syrischen Grenze besuchen können, die, soweit sie zugänglich sind, vom humanitären Standpunkt einen guten Eindruck machen. Es ist eine große Leistung, so viele Flüchtlinge aufzunehmen. Allerdings hat man mir von quasioffizieller türkischer Seite signalisiert, dass es auch andere Lager gibt, die für uns nicht zugänglich sind und die auch für die Unterstützung von islamischen Dschihadisten genutzt wurden, zum Beispiel in Reyhanli in der Provinz Hatay. Haben Sie darüber irgendwelche Erkenntnisse? Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Mir ist darüber jetzt nichts bekannt. Aber wenn Sie konkreter werden könnten und nicht nur Vermutungen aussprechen, dann dürfen Sie uns das gerne direkt mitteilen. Vizepräsident Peter Hintze: Das darf er jetzt nicht mehr, aber er kann das sicherlich hinterher tun. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Frage 13 des Kollegen Hunko soll schriftlich beantwortet werden. Gilt das noch? – Ja. Dann verlassen wir diesen Geschäftsbereich und kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Hier stehen die Staatssekretäre Lange und Kelber zur Beantwortung zur Verfügung. Die Fragen 14, 15, 17 und 18 beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Lange, Frage 16 der Parlamentarische Staatssekretär Kelber. Die Frage 14 des Abgeordneten Volker Beck soll schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zur Frage 15 der Abgeordneten Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen: Wo und wie genau beabsichtigt der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, geläuterten Dschihadisten aus dem Irak und aus Syrien zu helfen (vergleiche Leipziger Volkszeitung vom 13. September 2014)? Herr Staatssekretär Lange, bitte. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Künast, der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hat in einem Interview vom 12. September 2014 zum Problem deutscher Dschihadisten im Irak und in Syrien erklärt – ich zitiere –: Wir haben es mit einem ganz neuen Phänomen zu tun. Fertige Antworten gibt es nicht. Unter den Rückkehrern sind vielleicht auch solche, die dem Terror abschwören wollen, weil sie erkannt haben, auf welchem Irrweg sie waren. Man wird sich darüber unterhalten müssen, wie diese wieder den Weg zurück in die Realität finden können. Denen muss man Angebote machen, Hilfe geben. Wer aber hierher zurückkommt mit der Absicht, Straftaten zu begehen, der wird die volle Härte des Strafrechts spüren. Zitatende. Der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz hat damit einen Denkanstoß für eine weitere gesamtgesellschaftliche Debatte gegeben, wie über bereits bestehende Ausstiegshilfen hinaus Rückkehrern speziell aus Irak und Syrien, die dem Terror abschwören wollen, geholfen werden und ihre Reintegration in die Gesellschaft vorbereitet werden kann. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Staatssekretär. – Ich nehme zur Kenntnis, dass an dieser Stelle wie auch an vielen anderen Stellen der Minister Denkanstöße gegeben oder Ankündigungen gemacht hat. – Das Mikro rutscht immer wieder nach unten. Vizepräsident Peter Hintze: Das ist absolut eine Einschränkung der Opposition – das sehe ich ein –, aber die Technik wird dafür sorgen, dass es bis zum nächsten Mal funktioniert. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut. Aber ich schaffe es noch so lange. Ich halte es einfach fest. Also, es gibt eine Menge von Ankündigungen. Manchmal vermisse ich, dass der Ankündigung dann auch die Umsetzung bzw. eine Vorlage folgt. Wenn jemand einen Denkanstoß gibt, dann wird der Denkanstoß doch sicherlich schon eine Idee beinhalten. Der Staat sollte ein Bündel an Maßnahmen für Aussteigerhilfen schnüren. Das habe ich, glaube ich, bei Spiegel Online als Aussage des Ministers gelesen. Deshalb frage ich: Was beinhaltet das? Beinhaltet das, dass man zum Beispiel wie früher bei anderen Terrorgruppen entsprechende Anlaufstellen bei Verfassungsschutzämtern und Polizeidienststellen hat? Beinhaltet das, dass es ein Aussteigerprogramm gibt wie das Programm Exit für den Bereich Rechtsextremismus, das dann dementsprechend entweder vom Justizministerium oder von anderen Stellen gefördert wird? Beinhaltet das, dass man sich gemeinsam mit den Familien und muslimischen Gemeinden, die sich teilweise auch um ihre Mitglieder sorgen – über die Ausnahmen unter ihren Mitgliedern, würde ich sagen –, Gedanken macht und vielleicht auch Ideen hat, wo man ansetzen kann? Ist das alles darin mit enthalten und führt es, weil es ein dringendes Problem ist, noch in der laufenden Haushaltsberatung zu Vorlagen oder Finanzierungsvorhaben für das Jahr 2015? Das muss schließlich irgendwie zu der angekündigten schwarzen Null passen. Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Zunächst einmal herzlichen Dank, Frau Kollegin Künast, dass Sie in Ihren Worten auf die seitherigen Aktivitäten der Bundesregierung hingewiesen haben. Diese möchte ich zunächst einmal darstellen. Die Bundesregierung hat verschiedene Ebenen, auf denen ein Gesprächsangebot an geläuterte Dschihad-Rückkehrer in Betracht kommen kann. Hier kommen die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund und Ländern zum Tragen. Aus Sicht meines Hauses kommt es hierbei auf ein gutes Zusammenwirken aller verantwortlichen Dienststellen an. Dazu gehört die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes für die konsularische Betreuung von geläuterten rückkehrwilligen Personen, die sich in den deutschen Auslandsvertretungen melden. Dazu gehört das Ausstiegsprogramm im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern. Das ist das Ausstiegsprogramm HATIF: „Heraus aus Terrorismus und islamistischem Fanatismus“. Schließlich gehören dazu auch die von den Ländern im Rahmen ihrer Zuständigkeit für den Strafvollzug anzustellenden Überlegungen für eine spezifische Vorbereitung der im Strafvollzug einsitzenden ehemaligen Dschihadisten auf ihre Reintegration in die Gesellschaft. Was das konkrete Nachdenken angeht, was über die bisherigen Möglichkeiten hinaus zu tun ist: Viele der aus Deutschland ausgereisten Dschihadisten sind jung und unerfahren und wissen wenig über die ganz sicherlich wenig romantische Realität in Syrien und im Irak. Diese Realität hat mit der im Internet verbreiteten Dschihadisten-Romantik wenig bis gar nichts zu tun. Der Bundesminister schließt es nicht aus – er hält es vielmehr für wahrscheinlich –, dass viele dieser jungen Dschihadisten durch ihre Erfahrungen in Syrien und im Irak ihre Illusionen verlieren, einsichtig werden und lernen, welches hohe Gut der Rechtsstaat mit seinem staatlichen Gewaltmonopol und seiner Rechtssicherheit tatsächlich für sie persönlich und ihre Familien darstellt. Der Rechtsstaat ist aus seiner Sicht gut beraten, den Lernprozess aus den Erfahrungen mit zynischen Machtkämpfen jenseits aller Ideologien und religiösen Bekenntnisse in Syrien und im Irak zur Kenntnis zu nehmen und unter anderem durch Gespräche und Hilfsangebote zu unterstützen, und die ersten, die wir bereits haben, habe ich Ihnen genannt. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage? Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Vizepräsident Peter Hintze: Bitte schön. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verstehe ich Sie richtig, dass es in den Haushaltsberatungen 2015 noch keine konkreten Ideen gibt, wenn es um die Frage geht, ob die Programme fortgesetzt bzw. ausgeweitet und entsprechend finanziell unterlegt werden sollen? Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Kollegin, ich habe Ihnen bereits gesagt, dass es sich hier um einen gesellschaftlichen Denkanstoß des Herrn Ministers handelt. Vizepräsident Peter Hintze: Wir kommen damit zu Frage 16 der Abgeordneten Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen. Wie genau beabsichtigt der Bundesjustizminister Heiko Maas zu erreichen, dass das Unternehmen Google Inc. in Deutschland den Algorithmus offenlegt, der die Suchergebnisse sortiert (vergleiche Financial Times vom 13. September 2014), und welche negativen Auswirkungen hat nach Ansicht der Bundesregierung der derzeitige Zustand, wonach der Suchalgorithmus nicht offengelegt wird? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Kelber bereit. – Bitte, Herr Staatssekretär. Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Herr Präsident! Werte Kollegin Frau Künast, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Gegenwärtig ist für die Nutzerinnen und Nutzer der Suchmaschine nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, welche Kriterien und Informationen für die Bestimmung der Reihenfolge der auf eine Anfrage hin angezeigten Suchergebnisse verwendet werden. Die Bundesregierung wird im Zuge der Digitalen Agenda prüfen, wie Nichtdiskriminierung durch Plattformbetreiber und diskriminierungsfreier Zugang zu Inhalten sichergestellt werden können. Die berechtigte Erwartung der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Kriterien nachvollziehen zu können, nach denen Internetplattformen ihnen Suchergebnisse anzeigen, wird hierbei einbezogen. Mehr Transparenz gegenüber ihren Nutzerinnen und Nutzern ist eine Möglichkeit, mit der Suchmaschinenbetreiber diesen Erwartungen entsprechen können. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, dass im Rahmen der Digitalen Agenda darüber beraten wird. Das dauert mir, ehrlich gesagt, zu lang. Schließlich geht es um die Frage, welche konkreten Maßnahmen jetzt ergriffen werden. Seit 2010 gibt es auf europäischer Ebene ein Wettbewerbsverfahren hinsichtlich der Suchergebnisse. Dabei wurde der Vorwurf erhoben, dass Dienste, die Google selbst betreibt, bei den Such-ergebnissen an viel prominenterer Stelle angezeigt werden als Dienste von Dritten, zum Beispiel bei Flugreisen und Shoppingdiensten. Man schien sich am Anfang des Jahres geeinigt zu haben. Dann ist aber aus Brüssel erneut Kritik geübt und die Forderung erhoben worden, wie das darzustellen ist. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Was konkret unternehmen Sie zusammen mit der Wettbewerbsbehörde auf Brüsseler Ebene, und gibt es Ihrerseits Überlegungen, hier gesetzliche Regelungen vorzunehmen? Algorithmen bereiten uns an vielen Stellen Probleme, zum Beispiel bei der Schufa; das betrifft das Bundesdatenschutzgesetz. Es ist nicht klar, wie die Schufa zu Ergebnissen und Bewertungen kommt. Daher stellt sich für mich die Frage, was jenseits der Debatte über die Digitale Agenda konkret unternommen wird. Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Frau Kollegin, die Bundesregierung hatte sich mit einem Brief an Kommissar Almunia, der diesen Bereich in der scheidenden Kommission verantwortet hatte, gewandt und dies auch öffentlich gemacht. Sie hat dabei darauf gedrängt, den von Almunia angekündigten Kompromiss mit Google nicht einzugehen, sondern stärker auf ein transparentes Verfahren hinzuwirken; das ist ein Schritt. Außerdem suchen wir – auch das haben wir in der Öffentlichkeit dargelegt – direkte Gespräche mit den Anbietern, um zu sehen, inwieweit die Bereitschaft zu einem transparenten Verfahren gegeben ist. Ansonsten ist die Digitale Agenda ein Prozess, der nicht nur am Ende ein Ergebnis zeitigen kann, sondern auch zwischendurch, wenn die entsprechenden Gespräche, Überlegungen und Einschätzungen abgeschlossen sind. Vizepräsident Peter Hintze: Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin? Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Herr Präsident. – Grundsätzlich soll Transparenz für die Nutzer solcher Suchdienste hergestellt werden. Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, mit jedem Betreiber einer Suchmaschine einzeln zu sprechen, nach dem Motto: Könntest du bitte bei dir etwas mehr Transparenz herstellen, bis hin zur Offenlegung des Algorithmus, also der Bewertung und der daraus entstehenden Reihenfolge der präsentierten Angebote? – Mich interessiert als Nutzerin, wenn ich beispielsweise eine Schiffsreise nach Alaska buchen möchte, in welcher Reihenfolge mir was angeboten wird. Dabei geht es um die entscheidende Frage, ob die Kriterien, die zur Bestimmung der Reihenfolge der angezeigten Suchergebnisse verwendet werden, für mich als Kundin nachvollziehbar sind. Wo ist für Sie die Deadline, ab der Sie darauf drängen, dass es eine entsprechende rechtliche Regelung gibt, wenn es State of the Art ist, dass nicht alle Betreiber ihre Algorithmen freiwillig veröffentlichen? Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär, bitte. Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Danke schön, Herr Präsident. – Frau Kollegin, parallel versuchen wir, Einfluss auf die Gesetzgebung und die Richtlinienentscheidungen auf europäischer Ebene auszuüben. Als Beispiel nenne ich die Datenschutz-Grundverordnung, die europaweite Regelungen vorsieht. Man kann hierbei auf unterschiedliche Weise vorgehen. Man kann auf nationaler Ebene entsprechende Erkenntnisse gewinnen, Druck aufbauen und zu Entscheidungen kommen. Aber man muss auch die Partnerinnen und Partner – bis hin zur Europäischen Kommission – überzeugen, entsprechend zu handeln. Es ist ein Irrglaube, zu glauben, dass es möglich ist, morgen eine rote Linie zu ziehen und dann schnell einen entsprechenden Gesetzentwurf durchzusetzen. Sie haben zum Beispiel bei der Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den Löschberechtigungen gemerkt, dass das zwar für die unmittelbar in Europa angedachten Webseiten durchgesetzt werden konnte, aber jeder Europäer, der unmittelbar auf die amerikanischen Angebote geht, bekommt dort die gleichen Informationen, die in Europa nach europäischem Recht gelöscht werden. Von daher sind gute Entscheidungen besser als schnelle Entscheidungen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Morgen ist nicht nötig! Nächste Woche würde mir reichen! Danke!) Vizepräsident Peter Hintze: Diese Zusatzbemerkung nehmen wir noch friedlich entgegen. Ich rufe die Frage 17 der Abgeordneten Ulle Schauws auf: Warum hat die Bundesregierung die Prüfung, ob und inwieweit sich aus der Umsetzung des Artikels 36 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (ETS 210 – -Istanbul-Konvention) gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei den §§ 177, 179 des Strafgesetzbuchs im Hinblick auf die Strafbarkeit nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen besteht, noch nicht abgeschlossen, obwohl, wie sich aus der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 17 auf Bundestagsdrucksache 18/1590 ergibt, diese Prüfung bereits seit Mai 2014 andauert? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Lange zur Verfügung. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Vielen Dank, Herr Präsident. – Wegen des Sachzusammenhangs möchte ich die Fragen 17 und 18 gerne gemeinsam beantworten. Vizepräsident Peter Hintze: Dann rufe ich auch die Frage 18 der Abgeordneten Ulle Schauws auf: Sieht die Bundesregierung jetzt doch Handlungsbedarf für eine Änderung der §§ 177, 179 StGB, nachdem dies die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits mit ihrem Antrag „Artikel 36 der Istanbul-Konvention umsetzen – Bestehende Strafbarkeitslücken bei sexueller Gewalt und Vergewaltigung schließen“ auf Bundestagsdrucksache 18/1969 vom 2. Juli 2014 gefordert hat und nun auch die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, am 17. Juli 2014 erklärt hat, dass die „… beim Vergewaltigungsparagrafen bestehende Gesetzeslücke dringend geschlossen werden muss“ sowie auch die Abgeordnete Eva Högl, SPD, in der Frankfurter Rundschau vom 12. September 2012 erklärt hat: „Für mich ist völlig klar, dass eine Reform noch diese Legislaturperiode kommt“? Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Die Bundesregierung wird sich unabhängig von der im Detail unterschiedlich beurteilten Frage, ob das genannte Europaratsübereinkommen tatsächlich konkreten Änderungsbedarf im Sexualstrafrecht auslöst, der Frage der Strafbarkeit nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen grundsätzlich und umfassend annehmen. Um eine möglichst weitgehende Übersicht über Regelungsnotwendigkeiten und Regelungsmöglichkeiten zu erhalten, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die Landesjustizverwaltungen gebeten, gegebenenfalls konkrete Beispiele aus der strafrechtlichen Praxis mitzuteilen, die auf Probleme bei der Anwendung der gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen hindeuten. Die Stellungnahmen der Landesjustizverwaltungen werden Ende nächsten Monats erwartet und müssen dann ausgewertet werden. Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin, Sie haben bis zu vier Nachfragen, weil die beiden Fragen zusammen beantwortet wurden. Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Sie haben die Fragen jetzt zusammen beantwortet. Meine Frage ist: Warum hat diese Prüfung so lange gedauert, und warum ist mir bisher noch keine Information zugegangen? Denn die Frage ist bereits im Mai gestellt worden. Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär, bitte. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir die Landesjustizverwaltungen um Stellungnahme gebeten haben. Wir müssen ihnen eine Frist einräumen. Diese Frist endet Ende nächsten Monats. Danach müssen wir auswerten. Wenn wir Auswertungen haben, können wir darüber berichten. Vorher können wir auch nicht informieren. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Schauws? Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich wüsste gerne, ob Sie dazu noch eine Stellungnahme der Frauenministerin Manuela Schwesig eingeholt haben und deren Stellungnahme in die Beurteilung einbeziehen. Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär. Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Wie Sie wissen, spricht die Bundesregierung immer mit einer Zunge. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie geht das denn bei so vielen Leuten?) Vizepräsident Peter Hintze: Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael Meister bereit. Ich rufe die Frage 19 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Wird die Bundesregierung im Haushaltsjahr 2015 die Praxis aus dem Jahr 2014 fortsetzen, nach der bei den Bundesämtern die Behördenausgaben pauschal um 5 Prozent reduziert werden und eventuell nicht verausgabte Mittel den jeweiligen Ämtern zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehen – bitte jeweils begründen? Herr Staatssekretär, bitte. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kollegin Wilms, im Regierungsentwurf zum Haushaltsgesetz 2015, der sich derzeit im parlamentarischen Beratungsverfahren befindet, ist eine vergleichbare Regelung nicht enthalten. Vizepräsident Peter Hintze: Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Wilms? – Bitte. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, es ist schön, zu hören, dass Sie diesen Fehler 2015 nicht wieder machen wollen. Zu welchen negativen Auswirkungen für die Behörden führte denn diese Praxis 2014 mit der pauschalen Begrenzung auf 95 Prozent des Haushaltsansatzes? Es interessiert mich insbesondere, welche Folgen das für das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie gehabt hat; denn darüber ist ausführlich in der Presse berichtet worden. Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Wilms, es steht mir als Mitglied der Bundesregierung nicht zu, den Deutschen Bundestag für seine Entscheidungen bei der Haushaltsgesetzgebung zu kritisieren. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in diesem Haushaltsvermerk seitens des Bundestages eine volle Deckungsfähigkeit zwischen den Haushaltsgruppen 5 bis 8 innerhalb des jeweiligen Kapitels vorgesehen haben, sodass die Möglichkeit gegeben ist, die gegenseitige Deckungsfähigkeit herbeizuführen. Zudem besteht für jedes Ressort, das von der Sperre betroffen ist, die Möglichkeit, einen Antrag beim Bundesministerium der Finanzen zu stellen, um eine Aufhebung zu erreichen, wenn erkennbar sein sollte, dass es sachlich oder zeitlich unabweisbar zu einer Überschreitung der gesetzlichen Obergrenze kommen würde. Ein solcher Antrag liegt uns nach meiner Kenntnis bisher nicht vor. Vizepräsident Peter Hintze: Frau Dr. Wilms, haben Sie noch eine Zusatzfrage? – Bitte. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Was mich noch interessieren würde – in einem Artikel im Hamburger Abendblatt wurde sehr deutlich gesagt, dass ein Kapitän mit seinem Schiff nicht auslaufen konnte, weil nicht genügend Kraftstoff und auch nicht genügend Rettungs-inseln da waren –: Was hat das wirklich für Auswirkungen auf die Sicherheit in der Nordsee und in der Ostsee gehabt? Gerade die Schiffe des BSH sind durchaus dem Havariekommando unterstellt. Hat man da hinsichtlich der Sicherheit nicht ein bisschen sehr nachlässig gehandelt? Insofern wundert es mich, dass Sie diesen Antrag noch nicht bekommen haben. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich habe in meiner vorherigen Antwort darauf hingewiesen, dass es mir als Vertreter der Bundesregierung nicht zusteht, den Deutschen Bundestag für seine Entscheidungen zu kritisieren. Insofern ist die Frage, wer nachlässig gehandelt hat, eine Frage, die Sie anderweitig adressieren müssen. Zum Zweiten habe ich darauf hingewiesen, dass es eine Festlegung des Parlaments bezüglich dieser Haushaltssperre gibt. Jedoch gibt es die Möglichkeit, innerhalb der Haushaltsgruppen durch eigene Bewirtschaftung Schwerpunkte zu setzen. Wenn man nicht zurechtkommt und der Meinung ist, dass weitere Haushaltsmittel notwendig sind, kann außerdem durchaus ein Antrag auf Anhebung der Haushaltsmittel gestellt werden. Das ist bisher nicht der Fall. Sehen Sie mir bitte nach, dass das Bundesfinanzministerium nicht im Einzelnen nachvollziehen kann, welches Schiff sachlich oder personell in der Lage ist, auszulaufen oder auch nicht. Vizepräsident Peter Hintze: Die Frage 20 des Abgeordneten Markus Kurth, die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Richard Pitterle sowie die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Dr. Axel Troost werden schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme bereit. Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Welche Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft zur Vereinfachung der passiven Leistungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, beabsichtigt die Bundesregierung in ihren Referentenentwurf aufzunehmen, und welche zusätzlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung in ihrem Referentenentwurf zur Vereinfachung der passiven Leistungen im SGB II? Frau Staatssekretärin, bitte. Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Strengmann-Kuhn, der Referentenentwurf für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist hausintern fertiggestellt. Wir befinden uns jedoch noch in weiteren internen Abstimmungsgesprächen, sodass ich zu einzelnen Inhalten – ich denke, das beantwortet sowohl Ihre Teilfrage eins als auch Ihre Teilfrage zwei – noch keine Stellung nehmen kann. Vizepräsident Peter Hintze: Eine Nachfrage, Herr Kollege Strengmann-Kuhn? – Bitte. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben gesagt: Der Referentenentwurf ist fertig. – Vielleicht können Sie schon zu der Frage Stellung nehmen, ob Bezug genommen wird auf die 36 Punkte aus dem Endbericht der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft oder ob einzelne Punkte davon aus politischen oder aus verfassungsrechtlichen Gründen gestrichen worden sind. Werden in dem Referentenentwurf Themen behandelt, die von diesen 36 Punkten nicht umfasst sind? Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich habe Sie bereits vorhin darauf hingewiesen, dass wir uns in internen Abstimmungsprozessen befinden. Das beinhaltet natürlich, dass einzelne Vorschläge wegfallen und dass andere Vorschläge hinzukommen können. Sie werden sich also leider noch etwas gedulden müssen. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie lange wird sich das Parlament da gedulden müssen? Wie ist der weitere Zeitplan? Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Es ist geplant, dass die Kabinettsbefassung bis Ende des Jahres erfolgen soll. Vizepräsident Peter Hintze: Ich rufe die Frage 28, ebenfalls von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, auf: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung bei der Reform der Sanktionen im SGB II, und sieht die Bundesregierung verfassungsrechtliche Probleme bei den derzeitigen Sonderregeln bei den Sanktionen im SGB II für die unter 25-Jährigen? Frau Staatssekretärin, bitte. Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Auch da kann ich nur auf den Koalitionsvertrag verweisen, in dem steht, dass das Sanktionsregime für die unter 25-Jährigen überprüft werden soll. In diesem Überprüfungsprozess, der natürlich auch Diskussionen beinhaltet, befinden wir uns derzeit. Vizepräsident Peter Hintze: Eine Zusatzfrage, Herr Kollege. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Nachfrage, die sich auf den zweiten Teil meiner Frage bezieht. Das BMAS hat sicherlich auch geprüft, ob die geplanten Regelungen verfassungsrechtlich problematisch sind. Das Ergebnis dieser Prüfungen können Sie uns vielleicht mitteilen, weil es ja jenseits des politischen Prozesses ist. Anette Kramme, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Zu dieser Frage haben wir Ihnen gegenüber bereits mehrfach Stellung bezogen. Insoweit ergibt sich kein neues Prüfergebnis. Es ist so, dass es bislang keinerlei gerichtliche Entscheidungen, die das Sanktionsregime beanstanden, gibt. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Es gibt keine weiteren Zusatzfragen dazu. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz bereit. Ich rufe die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun, dass zwei Drittel der privat Krankenversicherten bereits innerhalb von drei Tagen einen Facharzttermin erhalten, während mehr als zwei Drittel der gesetzlich Krankenversicherten erst innerhalb eines Monats einen Termin erhalten, wie unter anderem eine Erhebung von Bundestagsabgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus Nordrhein-Westfalen ergab? Sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf, wenn gesetzlich Krankenversicherte drei Wochen länger warten als privat Krankenversicherte, solange sie innerhalb eines Monats einen Termin erhalten? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, zur Frage unterschiedlicher Wartezeiten für gesetzlich Versicherte und Privatversicherte liegen verschiedene Untersuchungen vor. Unbestritten ist, dass eine angemessen zeitnahe Behandlungsmöglichkeit Ausdruck eines funktionierenden medizinischen Versorgungssystems ist und daher in Deutschland für alle Versicherten gewährleistet sein muss, unabhängig davon, ob sie gesetzlich oder privat versichert sind. Mit der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Regelung zur Reduzierung der Wartezeiten auf einen Facharzttermin sollen die Wartezeiten der gesetzlich Versicherten reduziert werden. Beabsichtigt ist, den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen insoweit zu konkretisieren, dass diese verpflichtet werden, Terminservicestellen einzurichten. Aufgabe dieser Terminservicestellen wird es sein, gesetzlich Versicherten, die eine Überweisung zu einem Facharzt haben, innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin bei einem Facharzt zu vermitteln. Die Wartezeit auf diesen Behandlungstermin darf im Regelfall vier Wochen nicht überschreiten. Kann die Terminservicestelle keinen Termin innerhalb der Vierwochenfrist vermitteln, ist sie – außer in medizinisch nicht begründeten Fällen – verpflichtet, dem Versicherten einen Behandlungstermin in einem Krankenhaus anzubieten. Damit kann sich der Versicherte darauf verlassen, dass er eine fachärztliche Behandlung innerhalb von vier Wochen erhält, sei es bei einem niedergelassenen Facharzt oder in medizinisch begründeten Fällen in einem Krankenhaus. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage, Frau Kollegin? Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Meine Frage war etwas genauer gestellt, weil wir in unserer eigenen Untersuchung, die wir kürzlich in NRW durchgeführt haben – eine solche hatten wir auch schon 2011 durchgeführt –, festgestellt haben, dass zwei Drittel aller Privatversicherten innerhalb von drei Tagen einen Termin beim Facharzt erhalten, während zwei Drittel aller gesetzlich Versicherten innerhalb von vier Wochen einen solchen Termin erhalten. Das ist eine sehr deutliche Diskrepanz, ein Unterschied von durchschnittlich 23 Tagen. Da frage ich Sie: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit gesetzlich Versicherte nicht so deutlich oder gar nicht benachteiligt werden? Vizepräsident Peter Hintze: Frau Staatssekretärin. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin, ich weise noch einmal darauf hin, dass angemessen zeitnahe Behandlungsmöglichkeiten und angemessene Wartezeiten insgesamt Ausdruck eines funktionierenden Versorgungssystems sind und daher für beide Patientengruppen, also gesetzlich Versicherte und Privatversicherte, zu gelten haben. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Unterschiede in den Wartezeiten unterschiedliche Ursachen haben können, was in den verschiedenen Untersuchungen nicht unbedingt zum Ausdruck kommt. Ursachen können tatsächliche Versorgungsengpässe sein. Da können wir Unterschiede insbesondere zwischen ländlichen und städtischen Regionen feststellen. Es kann von der Frequentierung des Arztes abhängen. Auch die Praxisorganisation kann eine Rolle spielen. Deshalb muss es uns insgesamt darum gehen, die Wartezeiten zu verkürzen. Das wollen wir in einem der nächsten Gesetzgebungsverfahren umsetzen. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage dazu? Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich habe noch eine Zusatzfrage. – Heißt das, dass Sie Wartezeiten von bis zu vier Wochen als zulässig im Sinne einer zeitnahen Behandlung ansehen? Das Verfahren mit den Terminservicestellen und der Termingarantie stellt ja auf vier Wochen ab. Wenn schon jetzt zwei Drittel aller gesetzlich Versicherten innerhalb von vier Wochen einen Termin erhalten, bleibt die große Frage: Ist es tatsächlich zeitnah, wenn die Wartezeit drei Wochen und mehr beträgt? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin, welche Wartezeit angemessen ist, ist sehr stark vom individuellen medizinischen Einzelfall abhängig. Deshalb sind pauschale Aussagen dazu nur sehr schwer möglich. Aus unserer Sicht bieten Terminservicestellen die Möglichkeit, eine solche Beurteilung vorzunehmen. Angesichts der insgesamt guten Versorgungssituation in Deutschland ist allerdings die Zugänglichkeit medizinischer Leistungen in unserem Land grundsätzlich auf einem hohen Niveau gewährleistet. Das gilt insbesondere auch für dringende medizinische Fälle. Vizepräsident Peter Hintze: Es gibt dazu eine Frage der Kollegin Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Widmann-Mauz, Ihren Antworten entnehme ich, dass die Bundesregierung bestreitet, dass es eine Diskrepanz zwischen den Wartezeiten von Privatversicherten und gesetzlich Versicherten gibt. Ich frage Sie, wie Sie das angesichts der vielen Untersuchungen und auch öffentlich immer wieder thematisierten Feststellungen, die in diesem Bereich getroffen wurden, weiterhin behaupten können. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin, ich verweise an dieser Stelle ausdrücklich auf die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und anderer, Fraktion Die Linke, worin wir deutlich machen, wie viele unterschiedliche Untersuchungen mit sehr unterschiedlichen Aussagen es zu diesem Thema gibt. Zum Beispiel können Sie dieser Kleinen Anfrage entnehmen, dass einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2013 zufolge 21 Prozent der GKV-Versicherten mehr als drei Wochen auf einen Termin warten. Das widerspricht den Aussagen, auf die Sie sich in Ihrer Fragestellung beziehen. Es ist uns wichtig, dass die Menschen, egal ob gesetzlich versichert oder privat versichert, möglichst schnell, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von höchstens vier Wochen, Zugang zu einem niedergelassenen Facharzt oder der Behandlung in einem entsprechenden Krankenhaus erhalten. Es muss uns gemeinsam daran gelegen sein, dass sich die Situation, unabhängig von der Region und der sonstigen Versorgungssituation, für alle Versicherten in unserem Land verbessert. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Da die Fragen 29 und 30 zusammen beantwortet wurden, stehen Frau Kollegin Klein-Schmeink noch zwei Zusatzfragen zu. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme jetzt noch einmal auf meine Frage zurück: Heißt das im Endeffekt, dass Sie eine Versorgung von gesetzlich Versicherten innerhalb von vier Wochen als zeitnah und angemessen betrachten, während Sie es als normal hinnehmen, dass Privatversicherte in der Regel innerhalb von drei Tagen einen Facharzttermin erhalten? Wollen Sie tatsächlich nichts gegen diese unterschiedliche Behandlung tun? Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, ich weise noch einmal darauf hin, dass die Frage, welche Wartezeit auf einen Arzt- oder Facharzttermin angemessen ist, aus der Situation des konkreten medizinischen Einzelfalls heraus zu beurteilen ist, da es sich einerseits um Notsitua-tionen und andererseits um planbare Facharztbesuche handeln kann, also eine sofortige Behandlung oder eine Behandlung innerhalb von wenigen Tagen nicht notwendig ist. Es kommt für uns darauf an, dass genau diese medizinische Einzelfallbetrachtung im Vordergrund steht. Wartezeiten auf einen Facharzttermin von mehr als vier Wochen sind für uns nicht akzeptabel, es sei denn, es handelt sich um routinemäßige Kontrollen; aber auch das kommt auf den Einzelfall an. In der Regel ist in einem Zeitraum von vier Wochen eine gute medizinische Versorgung möglich. Das schließt natürlich nicht aus, dass sie deutlich schneller erfolgen muss, wenn es sich um entsprechende Notfälle handelt. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie noch eine Zusatzfrage? Das wäre dann Ihre letzte. – Bitte schön. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben sowieso eine ganz klare Regelung, was in Notfällen zu passieren hat. Insofern reden wir jetzt nicht über akute Notfälle, sondern über die Regelversorgung. Dabei geht es zum Beispiel um einen Termin beim Radiologen oder Hautarzt, der eine Kontrolluntersuchung macht, die einen fraglichen Befund mit sich bringt, was für die Patienten mitunter sehr belastend sein kann. Ich frage Sie noch einmal: Wollen Sie als Maßstab für eine angemessene, zeitnahe Versorgung tatsächlich einen Zeitraum von vier Wochen hinnehmen? Das ist nämlich der Zeitraum, den ein gesetzlich Versicherter hinzunehmen hat, während sich nach etlichen Untersuchungen – im Übrigen auch der KBV selber – zeigt, dass Privatversicherte innerhalb kürzester Zeit – in der Regel innerhalb von drei Tagen; das ist in unserer Studie erneut unterlegt – einen Termin erhalten. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Klein-Schmeink, auch wenn Sie es mit einer vierten Nachfrage bei mir versuchen: Wir beurteilen keinen konkreten Zeitraum als Normzeitraum. Er ist vom individuellen medizinischen Einzelfall abhängig. Die Terminservicestellen, die wir in die Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen legen, können aufgrund einer Überweisung des Hausarztes für den Facharzt Beurteilungen vornehmen, inwieweit ein kurzfristiger Termin, zum Beispiel innerhalb einer Woche oder weniger Tage, für eine entsprechende Vermittlung erforderlich ist und wo aus medizinischen Gründen ein Zeitraum von bis zu vier Wochen durchaus akzeptabel sein kann. Längere Wartezeiten sind aus unserer Sicht nur in seltenen medizinisch begründeten Ausnahmefällen möglich. Deswegen wollen wir durch die Terminservicestellen insgesamt zu einer deutlichen Beschleunigung und zu mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten beitragen und generell zu einer Verkürzung von Wartezeiten kommen. Vizepräsident Peter Hintze: Schönen Dank. – Die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Harald Terpe wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Frage 32 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms wird schriftlich beantwortet. Ich rufe Frage 33 der Abgeordneten Dr. Katarina Barley, SPD-Fraktion, auf: Welche Rolle wird der barrierefreie Aus- und Umbau von Bahnhöfen in der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, LuFV, zwischen Bund und Deutscher Bahn AG spielen? Frau Staatssekretärin, bitte. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Fragen aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen. Vizepräsident Peter Hintze: Dann rufe ich zusätzlich Frage 34 der Abgeordneten Katarina Barley auf: Welche Voraussetzungen müssen nach der neuen LuFV gegeben sein, um zukünftig Mittel aus der LuFV für den barrierefreien Ausbau von Verkehrsstationen einsetzen zu dürfen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Die Verhandlungen zur LuFV II sind noch nicht abgeschlossen. Die DB Station & Service AG als Eigentümerin und Bauherrin der Verkehrsstationen wird durch die LuFV II ermächtigt sein, Bundesmittel aus der LuFV zur Finanzierung von Investitionen in die barrierefreie Ausgestaltung von Bahnstationen einzusetzen. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? Dr. Katarina Barley (SPD): Meine erste Zusatzfrage ist, ob es eine Erhöhung der Mittel für den barrierefreien Umbau von Bahnhöfen geben wird. Ist dies bereits absehbar? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Wir verhandeln gerade die LuFV II. Insoweit kann ich Ihnen zum konkreten Ausgang derzeit nichts sagen. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte. Dr. Katarina Barley (SPD): Gibt es ein mittel- oder langfristiges Ziel, bis wann wie viel Prozent der Bahnhöfe in Deutschland barrierefrei umgebaut werden sollen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Sie müssen in diesem Punkt zwischen Bahnhöfen mit Fernverkehr und solchen mit Regionalverkehr unterscheiden. Das Bundesverkehrsministerium kümmert sich gemeinsam mit der Bahn um den Fernverkehr. Wenn es um einen Ausbau von Bahnhöfen mit Regionalverkehr geht, sind die Länder mit im Boot und in der Pflicht. Wenn Sie einen konkreten Einzelfall vor Augen haben, müssten wir dies prüfen. Für unseren Bereich kann ich sagen, dass alle großen Bahnhöfe im DB-Fernverkehr barrierefrei umgebaut sind. Dies ist ein ganz wichtiges Ziel. Auch bei den Bahnhöfen mittlerer Größe sind wir sehr weit. Der Umbau von Bahnhöfen mit bis zu 1 000 Passagieren pro Tag hat begonnen. Noch einmal: Auch Mittel der LuFV II stehen dafür zur Verfügung. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte. Dr. Katarina Barley (SPD): Ja, ich habe tatsächlich einen konkreten Bahnhof vor Augen und habe eine Nachfrage zu der Messzahl von 1 000 Passagieren pro Tag. Ist es angedacht oder aus Ihrer Sicht denkbar, dass man von dieser willkürlich gegriffenen Größe von 1 000 Fahrgästen abweicht, wenn es in einem konkreten Ort zum Beispiel eine besondere Häufung von Einrichtungen für Senioren oder Menschen mit Behinderungen gibt? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Zahl von 1 000 Passagieren sicherlich nicht willkürlich ist. Es liefen bzw. laufen zwei Programme; einmal von 2005 bis 2010 und jetzt in der Periode von 2010 bis 2015. Es wurden erhebliche Fortschritte gemacht. Wenn Sie einen konkreten Bahnhof im Blick haben, würde ich Sie bitten, sich noch einmal an uns zu wenden, damit wir uns die Situation anschauen können. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage? Dr. Katarina Barley (SPD): Dann würde es mich interessieren, welche Indikatoren dazu geführt haben, die Zahl 1 000 festzulegen. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Man braucht wie in vielen Bereichen Größenordnungen, bis zu denen man prioritär baut; die Maßnahmen für darunter liegende Größenordnungen stellt man zurück. Die LuFV umfasst nicht nur Maßnahmen im Bereich des barrierefreien Ausbaus, der – das will ich noch einmal betonen – sehr wichtig ist; sie sieht Finanzinvestitionen in die gesamte Eisenbahninfrastruktur vor. Hier ist es sicherlich nicht unüblich, bestimmte Grenzen festzulegen –, was nicht heißt, dass unterhalb dieser Grenze gar nichts passiert. Vizepräsident Peter Hintze: Frau Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, hat eine Zusatzfrage dazu. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Reiche, ich kann mir nicht so richtig vorstellen, was es heißen soll, wenn Sie sagen, bei Bahnhöfen mittlerer Größe seien Sie schon relativ weit. Was soll das heißen? – Ich bitte Sie, das einmal dem Parlament zu erklären. Ich kann mir darunter nichts vorstellen. Wenn Sie nicht in der Lage sind, jetzt mündlich dazu Stellung zu nehmen, würde ich Sie bitten, uns eine Übersicht darüber zu geben, welche Bahnhöfe den Standards entsprechen bzw. umgebaut sind und welche noch nicht. Das würde sicherlich uns allen konkretisieren, was es heißt, wenn Sie sagen, Sie seien bei Bahnhöfen mittlerer Größe relativ weit. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Ich verstehe Ihre Frage als Bitte an die Regierung, eine solche Übersicht zu erstellen; ich bin mir sicher, dass sie im Haus vorhanden ist. Das war aber nicht Gegenstand der Fragen, die an uns gegangen sind. Wenn Sie das interessiert, werden wir Ihnen das Datenmaterial, das uns vorliegt, sicherlich zukommen lassen. Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Florian Pronold bereit. Ich rufe Frage 35 der Abgeordneten Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Deutsche-Bank-Experten Caio Koch-Weser, der einen CO2-Preis von 40 Euro als nötig erachtet (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/expertenbericht-vor-klimagipfel-studie-grue nes-wachstum-ist-moeglich-13154992.html), um der Wirtschaft effektive Signale für mehr Klimaschutz zu geben, und, wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für die anstehende Reform des Emissionshandels? Herr Staatssekretär, bitte. Florian Pronold, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Kollegin, die Frage bezieht sich auf eine Pressemitteilung zur Vorstellung des Expertenberichts im Vorfeld des Klimasondergipfels, der gerade in New York stattgefunden hat. In diesem Bericht beschreiben alle beteiligten Sachverständigen die zentralen Herausforderungen der kommenden 15 Jahre, um die langfristigen Klimaschutzziele und ein angemessenes Wirtschaftswachstum zu erreichen. Eine der zentralen Forderungen dieses Berichts ist die Schaffung eines internationalen Kohlenstoffmarktes mit robusten und vorhersehbaren Kohlenstoffpreisen Die Bundesregierung teilt die Vorstellung, dass es einen solchen robusten und vorhersehbaren Kohlenstoffpreis geben muss. Wir benötigen allerdings zuerst ein neues und verbindliches Klimaschutzabkommen auf internationaler Ebene. 2015 in Paris ist der Zeitpunkt, zu dem es dazu kommen soll und muss. Bei der Reform des europäischen Emissionshandels setzt sich die Bundesregierung für die frühzeitige Festlegung eines verbindlichen EU-Klimaschutzziels für 2030 ein: Minderung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990. Wenn wir das erreichen wollen, dann muss der Emissionshandel funktionieren. Im Hinblick auf die kurzfristige Stärkung des EU-Emissionshandels unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission, die wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise entstandenen Zertifikatsüberschüsse in eine Marktstabilitätsreserve zu überführen. Allerdings soll dieser Mechanismus nach unseren Vorstellungen und den Vorstellungen einiger anderer Mitgliedstaaten bereits deutlich früher und konsequenter eingeführt werden, damit er funktioniert. Vizepräsident Peter Hintze: Eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte schön. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Herr Staatssekretär. Einer der wesentlichen Gründe, warum wir momentan – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – viel zu hohe CO2-Emissionen haben, sind die Kohlekraftwerke. Deshalb gibt es eine Diskussion darüber, inwieweit der Bau von Kohlekraftwerken im Ausland weiter mit Hermesbürgschaften und durch die KfW unterstützt werden kann, wie es momentan noch der Fall ist. In diesem Zusammenhang hat Bundesumweltministerin Hendricks in der Presse angekündigt, dass sie eine Abkehr von der internationalen Finanzierung des Baus von Kohlekraftwerken – zum Beispiel durch die KfW, aber auch in anderen Bereichen – erreichen will. Das ist durch die Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums relativiert worden. Da hätte ich gerne gewusst: Gibt es jetzt eine verbindliche Position der Bundesregierung im Hinblick auf das Auslaufen der Finanzierung von ausländischen Projekten im Bereich des Kohlekraftwerksbaus? Welche konkreten Schritte sind da geplant, und wann? Florian Pronold, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Die Bundesumweltministerin hat in New York noch einmal bekräftigt, dass dies für die Frage der Förderung von Auslandsvorhaben durch die KfW gilt. Wir befinden uns dort in einem guten Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich interpretiere Ihre Antwort so, dass es doch keine gemeinsame Positionierung war, die Sie soeben vorgetragen haben. Sie haben den Ban-Ki-moon-Gipfel in New York angesprochen. Teilen Sie die Auffassung – Sie teilen ja nicht die der gesamten Bundesregierung –, dass die Kanzlerin auch deshalb nicht zu diesem Gipfel gefahren ist, weil sie nichts vorzuweisen hat? Deutschland wird sein Klimaziel einer CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020 nicht erfüllen können; das hat die Bundesumweltministerin bereits anklingen lassen. Auch sonst steht Deutschland schlecht da: mehr CO2-Emissionen in den letzten zwei Jahren als in den Jahren zuvor. Ist es richtig, dass die CO2-Bilanz so schlecht ist, dass die Kanzlerin entschieden hat, lieber zu einer im gleichen Zeitraum stattfindenden langweiligen BDI-Veranstaltung zu gehen? Florian Pronold, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Liebe Frau Höhn, Sie haben zusammen mit der Fraktion Die Grünen der Terminplanung der Kanzlerin zu diesem Zeitpunkt eine Kleine Anfrage gewidmet. Wir haben diese Kleine Anfrage ausführlich beantwortet. Ich darf darauf verweisen und Ihnen gleichzeitig auch den Hinweis geben – da ich wie auch Sie nicht in New York war, ist mir das nur schriftlich übermittelt worden –, dass insbesondere das Engagement Deutschlands – die Bereitschaft, in den Clean Climate Fund einzuzahlen, und viele andere Maßnahmen – von vielen Staaten und Nichtregierungsorganisationen sehr positiv bewertet worden ist. Das Engagement der Bundesrepublik Deutschland und unser Engagement im Zuge der Energiewende sind auf ein besonders positives Echo gestoßen. Vizepräsident Peter Hintze: Die Frage 36 des Kollegen Oliver Krischer wird schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Müller bereit. Die Frage 37 des Kollegen Oliver Krischer wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Welche finanziellen Zusagen wurden bisher vonseiten der Bundesregierung an das US-amerikanische Department of Energy im Zusammenhang mit einem möglichen Export der AVR-Brennelemente aus Jülich getroffen – bitte, wenn möglich, den Zeitraum angeben –, und für welche Zwecke wurden bzw. werden diese Mittel verwendet? Herr Staatssekretär, bitte. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat gegenüber dem Department of Energy der Vereinigten Staaten von Amerika im Zusammenhang mit einer möglichen Verbringung der AVR-Brennelemente und der damit verbundenen Rückführung des von den USA gelieferten Kernbrennstoffs bisher keine finanziellen Zusagen gegeben. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, das finde ich jetzt verwunderlich. Dem Savannah River Nation Lab, wohin diese abgebrannten Brennelemente verbracht werden sollen, falls der Option US-Export zugestimmt wird, wurden bereits 10 Millionen Dollar zugesprochen, die sich auch im Haushalt für das Jahr 2015 niederschlagen. Unter dem Titel „US-Option“ sind im Haushalt 65,4 Millionen Euro eingestellt. Für die Jahre 2016 bis 2018 sind noch einmal 170,9 Millionen Euro veranschlagt. Können Sie diesen Widerspruch aufklären? Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich will es gerne versuchen, Frau Kollegin. Die im Bundeshaushaltsplan entsprechend für die US-Option ausgewiesenen Gesamtausgaben des Bundes in Höhe von rund 246 Millionen Euro beruhen auf Informationen des Forschungszentrums Jülich zu einer vorläufigen Kostenabschätzung zwecks vorsorglicher Sicherung der Finanzierung einer möglichen Verbringung der AVR-Brennelemente in die USA. Diese vorläufig und vorsorglich veranschlagten Kosten betreffen Ausgaben für zum Beispiel die Prüfung der technischen und rechtlichen Machbarkeit einer Verbringung der hochangereicherten AVR-Brennelemente in die USA – übrigens das Herkunftsland dieses uranhaltigen Kernbrennstoffs – oder betreffen Ausgaben für die Räumung des Behälterzwischenlagers Jülich, den Transport der AVR-Brennelemente und eine schadlose Verwertung der AVR-Brennelemente in den USA. Im Falle einer Realisierung jener Transportoption wären die unmittelbar für das Forschungszentrum Jülich anfallenden Gesamtkosten von Bund und Land Nordrhein-Westfalen als Zuwendungsgeber entsprechend zu tragen. Vizepräsident Peter Hintze: Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kotting-Uhl? Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Herr Staatssekretär, ich bin immer noch verwundert über Ihre Aussage, es gebe keine Zusagen an die USA. Das Statement of Intent wurde sowohl von der Bundesregierung, vom zuständigen Ministerium in Nordrhein-Westfalen als auch von der US-Seite unterschrieben. Hier steht unter Punkt II.4: Forschungszentrum Jülich … is to bear the costs of the preparatory phase work and, if there is a de-cision to proceed with the project, the costs associated with the acceptance, processing, and disposition of the fuel. Also alles. Wie können Sie angesichts der Tatsache, dass das hier steht – Sie haben das alle unterschrieben – sagen, dass Sie keine Zusagen gemacht haben? Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, ich weise noch einmal darauf hin: Die Bundesregierung hat gegenüber dem Department of Energy der Vereinigten Staaten keinerlei Zusagen in finanzieller Hinsicht gemacht. Vizepräsident Peter Hintze: Schönen Dank. – Ich rufe die Frage 39 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen, auf: Welche konkreten Schritte bezüglich der Option der Errichtung eines neuen und erdbebensicheren Zwischenlagers auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich oder in unmittelbarer Nähe sind nach Kenntnis der Bundesregierung bisher unternommen worden, und welche Erkenntnisse haben diese Prüfungen erbracht? Herr Staatssekretär. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, Ihre Frage will ich gern wie folgt beantworten: Auf Bitten der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat der Aufsichtsrat der Forschungszentrum Jülich GmbH vor geraumer Zeit mit entsprechenden Beschlüssen den Vorstand gebeten, einen geeigneten Standort für den Bau eines neuen Zwischenlagers auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu identifizieren und eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung durchzuführen. Es konnte dabei seinerzeit ein potenziell geeigneter Standort ermittelt werden. Laut Auskunft des Vorstands der Forschungszentrum Jülich GmbH auf der 91. Aufsichtsratssitzung am 20. November 2013 ergaben sich aus dieser Umweltverträglichkeitsuntersuchung keine grundsätzlichen Bedenken gegen diesen ausgewählten Standort auf dem Gelände des Forschungszentrums. Seitdem hat es natürlich Änderungen gegeben. Mitte des Jahres 2014 ist bekannt geworden, dass nach der Einschätzung des Erdbebengutachtens von Professor -Savidis im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zur dreijährigen Verlängerung der Aufbewahrungsgenehmigung der AVR-Brennelemente bei der Annahme eines bestimmten Referenzerdbebens eine Bodenverflüssigung am Standort des AVR-Behälterlagers nicht ausgeschlossen werden kann. Dies und die nicht absehbaren Folgen für das Verlängerungsgenehmigungsverfahren hat die atomrechtliche Genehmigungsbehörde in Nordrhein-Westfalen, das Ministerium für Wirtschaft, Energie, -Industrie, Mittelstand und Handwerk, am 2. Juli dieses Jahres dazu veranlasst, die unverzügliche Räumung des AVR-Zwischenlagers in Jülich anzuordnen, und es hat das FZJ aufgefordert, ein Konzept hierzu vorzulegen. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage, Frau Kollegin? Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Danke schön, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, was Sie referiert haben, ist öffentlich bekannt. Auch den Inhalt des von Ihnen benannten Gutachtens kenne ich. Meine Frage war: Welche konkreten Schritte werden nach Ihrer Kenntnis unternommen, um die dritte Option zu prüfen? Der Auftrag des zuständigen Ministeriums in Nordrhein-Westfalen, das für die Atomaufsicht zuständig ist, war, drei Optionen zu prüfen, nämlich den Export in die USA, den Export nach Ahaus und die Option – das ist die dritte Option, die aus vielerlei Gründen die zu präferierende wäre –, auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich nach einem neuen geeigneten Standort zu suchen. Ich fragte nach konkreten Schritten; denn auf der Homepage des Forschungszentrums Jülich ist nur von der USA-Option die Rede. Von anderen Optionen liest man dort nichts. Ich gehe davon aus, dass der Bundesregierung, die mit 90 Prozent, also zum absolut überwiegenden Teil Inhaber des Forschungszentrums Jülich ist, weitere Kenntnisse vorliegen, und um die bitte ich. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sie haben recht. Es gibt drei Optionen, die zur Diskussion gestanden haben. Die erste Option ist die US-Option, über die wir schon geredet haben. Die zweite Option ist eine Verbringung der Brennelemente in das TBL Ahaus. Die dritte Option ist die Errichtung eines Zwischenlagers in Jülich. Insbesondere aufgrund der sicherheitsrechtlichen Veränderungen, die sich durch die Untersuchungen im Hinblick auf die Erdbebensicherheit des Standorts ergeben haben, wird die dritte Option derzeit nicht aktiv weiterverfolgt. Ich verweise diesbezüglich auch auf die Stellungnahme des Landesministers Duin vom vergangenen Montag in der Sitzung der Endlagerkommission. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Landesminister Duin hat in der Sitzung der Endlagerkommission, deren Mitglied ich ja bin, nicht eindeutig Stellung bezogen, sondern er hat die Fakten referiert. Dem ist auch gar nichts hinzuzufügen. Es bleibt aber die Frage offen, warum diese Option, die sowohl aus Sicherheitsgründen wie auch aus vielen anderen Gründen zu präferieren wäre, nicht verfolgt wird. Es erschwert uns die Arbeit in der Atomendlagersuchkommission extrem, wenn die Bundesregierung einen Atommüllexport ins Ausland vorbereitet, während wir versuchen, ein Verfahren zu entwickeln, um einen sicheren Standort für hochradioaktiven Müll in Deutschland zu finden, der auch von der Gesellschaft akzeptiert wird. Das ist eine ungeheure Erschwernis unserer Arbeit. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie noch einmal danach fragen, und ich möchte Sie, falls Ihre Antwort ähnlich ausfällt wie die gerade eben gegebene, auffordern, sich für eine ernsthafte Untersuchung dieser Option, die als einzige all diese Gefährdungen ausschließt, starkzumachen. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, ein mögliches Zwischenlager in Jülich setzt voraus, dass es aus sicherheitsrechtlichen Gründen keine Bedenken gibt. Diese Bedenken sind jedenfalls nach dem Gutachten zur Erdbebensicherheit am Standort Jülich nicht ausgeräumt. Vizepräsident Peter Hintze: Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries zur Verfügung. Die Frage 40 des Kollegen Jens Spahn sowie die Fragen 41 und 42 der Kollegin Dr. Julia Verlinden werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zur Frage 43 der Abgeordneten Annalena Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen: Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem in New York vorgestellten sogenannten Stern-II-Bericht und der darin formulierten Erkenntnis, dass der Ausstieg aus der Kohleverstromung und ein Ende der Subventionierung von Kohlekraftwerken einzuleiten ist, und welche konkreten Schritte will sie umsetzen (bitte mit Zeitangaben)? Frau Staatssekretärin, bitte. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Baerbock, die Frage befasst sich ja mit einem Thema, das gerade schon Gegenstand war. Die Bundesregierung unterstützt die internationalen Bestrebungen, sich auf solche einheitlichen Standards für die Finanzierung von Energietechnologien zu verständigen, die mit dem Ziel einer Begrenzung des globalen Klimawandels auf maximal 2 Grad Celsius vereinbar sind. Vor diesem Hintergrund muss jeder Neubau selbst der effi-zientesten Kohlekraftwerke kritisch geprüft werden. Eines der Hauptanliegen hierbei ist die Transformation der Energiesysteme von fossilen hin zu erneuerbaren Energien, um die globale Energieversorgung bis Mitte dieses Jahrhunderts fast vollständig zu dekarbonisieren. Weiterhin wird die Bundesregierung in der klima- und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit keine Finanzierung für den Neubau von Kohlekraftwerken mehr zur Verfügung stellen und die Modernisierung laufender Kohlekraftwerke in diesem Zusammenhang nur noch eingeschränkt nach klar definierten Kriterien finanzieren. Damit schließt sich die Bundesregierung der Initiative mehrerer Industriestaaten an. Die genaue Formulierung von Finanzierungskriterien ist essenzieller Bestandteil der laufenden Ressortabstimmung und wird, wie angekündigt, noch diesen Herbst im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt. Vizepräsident Peter Hintze: Schönen Dank. – Haben Sie dazu eine Zusatzfrage, Frau Kollegin? Bitte. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war jetzt zum Teil die Beantwortung der Frage 44. In Frage 43 geht es ja vor allen Dingen um die Schlussfolgerungen aus dem Stern-II-Bericht, also um ein Auslaufen der Nutzung der fossilen Energie und insbesondere um den Ausstieg aus der Kohleverstromung, auch national. Deswegen würde mich jetzt interessieren, was aus Sicht der Bundesregierung die Schlussfolgerungen des Stern-II-Berichtes sind und was sie gedenkt, hinsichtlich der nationalen Maßnahmen und des Ausstiegs aus der Kohleverstromung national zu tun. Denn das Bundesumweltministerium hat ja angekündigt, einen Vorschlag für den Kraftwerkspark zu machen. Aus Ihrem Hause hört man aber immer, dass sich an dem fossilen Kraftwerkspark mittelfristig nichts ändern wird. Was sind Ihre Antworten auf den Stern-II-Bericht konkret bei der nationalen Kohlefrage? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Das ist ja Teil der Abstimmung, um die es eben schon einmal ging. Deswegen kann ich eigentlich nur wiederholen, was ich eben schon einmal sagte. Wir werden eine Gesamtschau erarbeiten und im Ausschuss für Wirtschaft in diesem Herbst vorstellen. Vizepräsident Peter Hintze: Zusatzfrage? Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, also haben Sie derzeit nur die Auslandsfinanzierung im Blick? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Genau, generell. Die zwei unterschiedlichen Komponenten, Auslands- und Inlandsfinanzierung, werden beide bearbeitet. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Inland wird ja nichts direkt finanziert, sondern da geht es darum, den Ausstieg einzuleiten. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Erneuert. Vizepräsident Peter Hintze: Wir kommen zur Frage 44 ebenfalls der Abgeordneten Annalena Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen: Bis wann soll es nach Plänen der Bundesregierung einen verbindlichen Beschluss über die von der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, vor der Bundespressekonferenz am 17. September 2014 angekündigten Abkehr von der internationalen Kohlefinanzierung geben, und welche konkrete Positionierung hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu diesen Plänen? Frau Staatssekretärin. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Dabei geht es im Grunde um dieselben Anhörungen. Wir haben am 16. September eine Anhörung mit Umweltverbänden und am 21. August eine Anhörung mit der betroffenen Industrie durchgeführt. Wir sind jetzt im Abstimmungsprozess zwischen den Ressorts und werden nach Beendigung dieses Abstimmungsprozesses zwischen den Ressorts den Ausschuss informieren. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Haben Sie eine Frage dazu? Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Meine Nachfrage bezieht sich auf die Abstimmung der Ressorts. Es ist verwunderlich, dass das Bundesumweltministerium auf einer internationalen Konferenz schon das Ergebnis verkündet, während hier im Hause, sowohl vorhin im Umweltausschuss als auch jetzt hier von den beiden Staatssekretären, erklärt wird, man sei noch in der Abstimmung. International ist jetzt nachzulesen, man wolle aus der entwicklungspolitischen und klimapolitischen Kohlefinanzierung aussteigen. Dann bleibt da noch die wirtschaftspolitische Kohlefinanzierung, die zwei Drittel der entsprechenden Finanzierung durch die KfW ausmacht; der andere Teil macht nur ein Drittel aus. Deswegen stelle ich jetzt ganz konkret die Frage: Wird es bei der Ressortabstimmung auch um den IPEX-Teil der KfW gehen und um die Hermesbürgschaften, oder werden Sie sich nur um den Teil – er macht ein Drittel aus – der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit kümmern? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Wir haben mit diesen beiden Aktivitäten unter einem Dach, unter dem Dach der KfW, die Sie eben sehr anschaulich geschildert haben, ein internationales Novum; so etwas gibt es sonst nicht. Deswegen glaube ich schon, dass wir bei unserer Abstimmung beide Teile in den Blick nehmen müssen. Ob wir dann tatsächlich zu beiden Teilen Entscheidungen fällen, ist aber eine andere Frage. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Zusatzfrage? Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich habe noch eine Frage zu einem Punkt, über den es eine internationale Debatte gab. Die KfW hängt auch in der Finanzierung des Kohlehafens nahe des Great Barrier Reefs mit drin. Unter welchen Teil der KfW würde diese Finanzierung fallen, und würden Sie den mit berücksichtigen? Schließlich geht es hier auch um erhebliche umweltpolitische Auswirkungen. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Das muss ich Ihnen schriftlich beantworten, Frau Kollegin; das weiß ich schlicht nicht. Vizepräsident Peter Hintze: Schönen Dank. – Dann kommen wir zur Frage 45 der Abgeordneten Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen: Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die in der Europäischen Union verbreitete Definition, gemäß der Internationalen Energie-Agentur, IEA, von Subventionen, wonach eine Subvention auf der Nachfrageseite dann vorliegt, wenn das inländische Preisniveau den um Transport- und Distributionskosten bereinigten Weltmarktpreis unterschreitet, breiter zu fassen und auch steuerliche Begünstigungen als Subvention auszuweisen, und welche konkreten Schritte unternimmt sie – auch als Gastgeber des G-7-Gipfels 2015 – selbst, um der im Rahmen der G 20 getroffenen Übereinkunft zum Abbau fossiler Subventionen Nachdruck zu verleihen? Zur Beantwortung Frau Staatssekretärin Zypries bitte. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die G 20 haben in Pittsburgh im Jahre 2009 beschlossen, ineffiziente Subventionen für fossile Energieträger mittelfristig abzubauen. Dazu zählen die Hilfen für Anbieter fossiler Energieträger, aber eben auch Subventionen für Nachfrager von Energieträgern, mit denen die lokalen Preise unter das Weltmarktpreisniveau gedrückt werden. Der Großteil dieser Subventionen wird außerhalb der Industrieländer gewährt. Von den in Deutschland gewährten Subventionen fallen nur die Steinkohlebeihilfen in diese Kategorie. Wir verfolgen im Rahmen der Subventionspolitik eigene Leitlinien, die sich auch – selbstverständlich – an umweltpolitischen Wirkungen orientieren. Der Abbau von Subventionen für fossile Energieträger wird insbesondere in der Gruppe der G 20 diskutiert. Wir setzen uns auch auf dieser Ebene für den Abbau von Subventionen ein. Das gilt nicht nur für die generelle Diskussion in diesen Gremien, sondern auch für bilaterale Kooperationen mit anderen Ländern. Aber, Frau Höhn – weil das ein Teil Ihrer Frage war –, es gibt derzeit keine Initiative, diese Definition von Subventionen zu ändern. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Höhn? Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, habe ich. – Frau Staatssekretärin, das Wuppertal-Institut hat bekanntlich den Bereich Braunkohle untersucht und festgestellt, dass im Zusammenhang mit der Braunkohle eine Menge Kosten entstehen, welche die Gesellschaft zu tragen hat, indirekte Subventionen, die auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr hochgerechnet wurden. Somit hat, wenn man den Subventionsbegriff des Wuppertal-Instituts zugrunde legt, auch die Förderung von Braunkohle hier in Deutschland – es geht jetzt nicht international um Braunkohle – direkte oder indirekte Subventionen bekommen. Habe ich Ihre Antwort eben richtig verstanden, dass Sie genau diese Tatbestände, die das Wuppertal-Institut aufgelistet hat, nicht als Subventionen werten? Vizepräsident Peter Hintze: Frau Staatssekretärin. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Das ergibt sich aus der mir vorliegenden Antwort des Hauses. Aber auf diese konkrete Nachfrage möchte ich vorsichtshalber lieber sagen, dass wir das noch einmal überprüfen lassen und wir Ihnen dazu schriftlich antworten. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie noch eine Zusatzfrage? Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich habe noch eine zweite Zusatzfrage. – Wenn wir, auch im Rahmen des Ban-Ki-moon-Gipfels, jetzt über CO2-Reduktionen nachdenken und uns einmal anschauen: „Wer sind die größten Verursacher?“, dann stellen wir – das gilt auch für Deutschland – fest: Das ist insbesondere die Braunkohle, bei deren Nutzung zur Stromerzeugung ungefähr 1,5-mal mehr CO2 ausgestoßen wird als bei der Nutzung von Steinkohle. Die Bundesumweltministerin kämpft für Klimaschutz; aber die Instrumente, mit denen man Klimaschutz erreichen kann, liegen im Bundeswirtschaftsministerium. Wie weit will das Bundeswirtschaftsministerium hier auch Auflagen gegen die Braunkohle machen, um angesichts dieses besonders klimaschädlichen Produktionsverfahrens etwas für den Klimaschutz zu tun? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Auch diese Frage, Frau Kollegin, muss ich Ihnen schriftlich beantworten, weil sich das Haus nur mit der Frage der Steinkohle auseinandergesetzt hat; ich kann dazu schlicht nichts sagen. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Okay. Vizepräsident Peter Hintze: Die Frage 46 der Kollegin Hänsel wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Das ist ein bisschen schade für die vielen Besucherinnen und Besucher, die gerade auf die Besuchertribüne gekommen sind. Ich unterbreche nämlich jetzt die Sitzung des Deutschen Bundestages, bis wir um 15.35 Uhr zur gemeinsam vereinbarten Debatte über die Ebolaepidemie in Afrika kommen. (Unterbrechung von: 14.54 bis 15.35 Uhr) Vizepräsidentin Claudia Roth: Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Liebe Regierungsvertreterinnen und -vertreter! Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen für den Zusatzpunkt 1, den ich hiermit aufrufe: Vereinbarte Debatte Deutschlands Beitrag zur Eindämmung der Ebolaepidemie Zu dieser Debatte liegen uns ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD sowie je ein Entschließungsantrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Debatte und gebe dem Staatsminister Michael Roth das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserer politischen Arbeit begegnen wir immer wieder tragischen Situationen, die uns bewegen und so schnell nicht mehr loslassen. In diesen Momenten fällt es schwer, zur Tagesordnung zurückzukehren. Die Meldungen und Bilder, die uns derzeit aus der Krisenregion in Westafrika erreichen, haben auch mich sehr berührt und erschüttert. Das Ebolavirus breitet sich immer schneller aus. Fassungslos blicke ich auf die dramatisch wachsenden Op-ferzahlen in Liberia, Guinea und Sierra Leone. Viele Krankenstationen sind mittlerweile derart überfüllt, dass neue Patienten nicht mehr behandelt werden können. Bei diesen Zahlen und Bildern spüren wir alle: In Westafrika spielt sich derzeit eine humanitäre Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß ab. Für die Bundesregierung ist klar: Wir dürfen die Not leidenden Menschen in West-afrika in dieser dramatischen Lage nicht alleinelassen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Ebolaepidemie besitzt eine andere Qualität als die meisten Krisen, die die moderne Welt bislang gesehen hat; sie verlangt andere, neue Antworten. Dies macht die Reaktion auf Ebola eben auch so schwierig. Deswegen hat die Weltgemeinschaft im Kampf gegen das Virus viel Zeit verloren. Das will ich überhaupt nicht beschönigen. Wir sind derzeit mit einer Vielzahl von humanitären Großkrisen konfrontiert; Sie alle kennen sie: in Syrien, im Nordirak, in der Ostukraine. Hinzu kommen die Flüchtlingsströme im Libanon, in Jordanien und in der Türkei. Umso wichtiger ist es, dass wir auf diese Krisen koordiniert, zügig und entschlossen reagieren. Eine Blaupause zur Lösung der Ebolakrise haben wir nicht. Einfache Antworten gibt es ebenso wenig wie schnelle Erfolge; denn wir wissen: Trotz all unserer Bemühungen wird es noch Monate dauern, bis die Epidemie endlich unter Kontrolle ist, und unabhängig von der medizinischen und humanitären Lage wird uns auch der Wiederaufbau der Wirtschaft und der Gesundheitssysteme in den betroffenen Staaten noch lange Zeit fordern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ebolaepidemie in Westafrika ist weit mehr als nur eine humanitäre Katastrophe. Die Verbreitung der Krankheit hat sich auch zu einer massiven Bedrohung von Frieden und Sicherheit in der Welt entwickelt, wie der UNO-Sicherheitsrat kürzlich in seiner Resolution 2177 festgestellt hat. Die betroffenen Länder Liberia, Guinea und Sierra Leone werden in ihrer Entwicklung weit zurückgeworfen. Die jüngsten Fortschritte bei Friedenssicherung und Entwicklung drohen durch die Folgen der Epidemie auf einen Schlag zerstört zu werden. Deswegen hat sich die Staatspräsidentin Liberias kürzlich in einem dramatischen Appell an die Bundeskanzlerin gewandt. Über die Region Westafrika hinaus strahlt die Krise auf den gesamten Kontinent aus. Auch deswegen steht die internationale Gemeinschaft in der Verantwortung, zügig und entschlossen zu handeln. Mittlerweile bekämpfen wir Ebola mit zahlreichen Projekten. Wir sind bereits seit Monaten – insbesondere auch mein Haus – im Kampf gegen die weitere Verbreitung des Ebolavirus aktiv. Seit Ausbruch der Epidemie haben wir Sofort- und Entwicklungshilfe in Höhe von rund 17 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese Gelder fließen an erfahrene Helferinnen und Helfer, die direkt vor Ort die dringend notwendige Unterstützung leisten: die Weltgesundheitsorganisation, Ärzte ohne Grenzen, Welthungerhilfe, das Robert-Koch-Institut und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Ihnen danke ich im Namen der Bundesregierung für ihren unermüdlichen und herausragenden Einsatz. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Bundeswehr wird in den nächsten Tagen von einem Lufttransportstützpunkt in Dakar eine Luftbrücke in die Krisengebiete aufbauen. Die Bundesregierung wird das Deutsche Rote Kreuz sowohl finanziell als auch logistisch dabei unterstützen, ein mobiles Krankenhaus mit mehr als 200 Betten aufzubauen. Auch die Bundeswehr bereitet die Einrichtung einer Krankenstation für bis zu 50 Patienten in Liberia vor. Wir helfen. Viele Projekte sind angelaufen. Bis sie die Menschen in den Ebolagebieten erreichen, wird es allerdings noch Tage oder gar Wochen dauern. Dies liegt daran, dass zunächst qualifiziertes medizinisches Personal gewonnen und vorbereitet werden muss. Ebenso müssen wir sicherstellen, dass die Helferinnen und Helfer im Falle einer Infizierung mit Ebola schnell und sicher evakuiert werden können. Aber seien Sie versichert: Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck daran. Deutschland beteiligt sich an den internationalen Hilfsmaßnahmen mit aller Entschiedenheit. Es ist uns allen ein Herzensanliegen, so vielen Menschen wie möglich zu helfen. Dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, zählen wir insbesondere auf Ihre Unterstützung. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Michael Roth. – Nächster Redner in der Debatte: Kollege Movassat für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Niema Movassat (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor kurzem sagte Außenminister Steinmeier, Deutschland sei Motor im Kampf gegen Ebola. Das muss aber ein Motor sein, bei dem einige Schrauben locker sitzen. Bis letzte Woche ist er gar nicht angesprungen. Viel Starthilfe war nötig. Und heute bewegt er sich immer noch im Schritttempo. Viele Hilfsorganisationen weisen schon länger darauf hin, wie ernst die Lage in Westafrika ist, dass ganze Staaten wie Sierra Leone und Liberia vor dem Zusammenbruch stehen. Ärzte ohne Grenzen hat schon am 23. Juni das erste Mal davor gewarnt, dass die Lage außer Kontrolle zu geraten droht. Dennoch unternahm die Bundesregierung lange so gut wie nichts. Kollege Brand von der CDU/CSU, Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, hat recht, wenn er im Spiegel sagt: Wenn wir ehrlich zu uns sind, müssen wir eingestehen: Wir sind zu spät dran. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb ist nicht Eigenlob angebracht, sondern Selbstkritik. (Beifall bei der LINKEN) Als die Präsidentin Liberias letzte Woche ihren dramatischen Appell an Frau Merkel schrieb, hatte Deutschland bis dahin gerade einmal 2,7 Millionen Euro zugesagt. Die USA hatten da bereits über 140 Millionen Dollar bereitgestellt. Laut Weltgesundheitsorganisation hat den wertvollsten Beitrag zur Ebolabekämpfung das arme Kuba zugesagt, die Entsendung von 165 Ärzten und Pflegern. Deutschland aber, die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt, steht immer noch auf der Bremse. Vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung ihre konkreten Maßnahmen gegen die Ebolaepidemie vorgestellt. Ich lese einmal vor: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe kann bei Bedarf kurzfristig umfangreiche medizinische Ausrüstung zur Verfügung stellen. Das THW wird sich nach Bedarf an der logistischen Unterstützung der Hilfsmaßnahmen beteiligen. Liebe Bundesregierung, „bei Bedarf“ und „kann“ – in Westafrika tobt die größte Ebolaepidemie aller Zeiten. Über 2 800 Menschen sind schon gestorben. Die Helfer müssen Infizierte an den Türen der Krankenhäuser abweisen, weil es keine freien Betten mehr gibt. Pessimistische Schätzungen sprechen mittlerweile sogar von bis zu 1,4 Millionen Infizierten bis Januar 2015. Zudem droht eine Hungersnot. Die Weltgesundheitsorganisation vergleicht die Lage mit dem Tsunami 2004 und dem Erdbeben in Haiti. Bei beiden Katastrophen gab es Hunderttausende Tote. Welche Bedarfsprüfung brauchen Sie noch? Worauf warten Sie? Handeln Sie endlich! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen aber auch über die grundlegenden Ursachen dieser humanitären Katastrophe sprechen. Dass die Lage in Sierra Leone, Guinea und Liberia dermaßen außer Kontrolle geraten konnte, hat auch mit politischen Fehlern Deutschlands zu tun; (Lachen des Abg. Charles M. Huber [CDU/CSU]) denn auch deutsche Pharmaunternehmen forschen vor allem an profitträchtigen Medikamenten für reiche Industrieländer. Käme Ebola nicht nur in armen afrikanischen Staaten vor, es gäbe seit Jahren einen Impf- oder Wirkstoff gegen das Virus. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nur 10 Prozent der globalen Forschungsausgaben beziehen sich auf Krankheiten, die 90 Prozent zur globalen Krankheitslast beitragen. Die Pharmabranche investiert doppelt so viel Geld in Marketing wie in Forschung. Gesundheit ist aber keine Ware. Wir dürfen die Erforschung von lebenswichtigen Medikamenten nicht allein der Privatwirtschaft überlassen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zudem fördert Deutschland bis heute Privatisierungen im Gesundheitsbereich auch in Entwicklungsländern. Das erschwert aber den Aufbau funktionierender staatlicher Gesundheitssysteme. In Nigeria gab es Ebolafälle bereits in der Millionenstadt Lagos, wo eine Ausbreitung des Virus in den Slums eigentlich auf optimale Bedingungen trifft. Dennoch hat es sich dort bisher nicht weit verbreitet. Weshalb? Weil es in Nigeria ein wesentlich besseres staatliches Gesundheitssystem gibt als in Liberia und Sierra Leone. Deshalb: Schluss mit Privatisierungen im Gesundheitsbereich! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es fehlt auch an Geld. Seit Jahren gibt es die Forderung von Nichtregierungsorganisationen, mehr Geld für globale Gesundheit auszugeben. 0,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen reiche Staaten dafür aufwenden. Die Ausgaben für globale Gesundheit betrugen seitens Deutschlands zuletzt aber nur 0,03 Prozent. Das ist selbst im europäischen Vergleich nur absolutes Mittelmaß. Außerdem hat Deutschland seinen Finanzierungsbeitrag für die Weltgesundheitsorganisation WHO immer weiter zurückgefahren: von 33 Millionen Euro 2006 auf heute noch 24 Millionen Euro. Insgesamt hat die WHO in den letzten Jahren ein Fünftel ihrer Finanzmittel verloren. Die WHO hat deshalb für ganz Afrika nur noch drei Spezialisten für Epidemien im Einsatz. Die Zahl der Mitarbeiter für Notfälle in der Zentrale ist von 100 auf 34 geschrumpft. Wäre die WHO handlungsfähiger gewesen, hätte die Ebolaepidemie vielleicht rechtzeitig gestoppt werden können. Deutschland muss seinen WHO-Beitrag deutlich erhöhen. (Beifall bei der LINKEN) Die jetzige Krise sagt aber auch einiges über die Prioritätensetzung der Bundesregierung aus. Seit Monaten hören wir vom Bundespräsidenten und von Regierungsmitgliedern viel über die gewachsene internationale deutsche Verantwortung. Dass Sie diese Verantwortung vor allem als militärische verstehen, zeigt sich nun wieder; denn jetzt, im historischen Fall einer im 21. Jahrhundert nur wenige Tausend Kilometer von Europa eskalierenden Seuche, hätten Sie die Gelegenheit gehabt, wahrhaft internationale Verantwortung zu übernehmen: massenhaft Menschenleben zu retten, ohne die Gefahr einzugehen, dabei Unschuldige zu töten. Sie aber liefern lieber für 70 Millionen Euro Waffen in den Irak. Dort werden diese Jahrzehnte im Umlauf sein und Schaden anrichten. Für die Bekämpfung von Ebola haben Sie in den drei Monaten seit der ersten Katastrophenmeldung nicht einmal die Hälfte dieser Mittel bereitgestellt, und das auch erst nach langem Zögern. Bei den Waffenlieferungen ging alles ganz schnell. (Beifall bei der LINKEN) Solch eine Außenpolitik, die dem Militärischen den Vorrang vor dem Humanitären gibt, kann man nur noch als zynisch bezeichnen. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Sind Sie sicher, dass Sie diese Rede so halten wollten?) Nun ging ja der Aufruf an Bundeswehrangehörige, sich freiwillig für einen Hilfseinsatz zu melden. Aber wieso ging der Aufruf nur an Bundeswehrangehörige? Die Bundesregierung muss einen Aufruf an das gesamte in staatlichen Einrichtungen beschäftigte medizinische Personal richten; denn die Profis, die helfen können, sitzen in den Tropeninstituten. Es braucht schnell einsetzbares Personal; denn vor Ort gibt es zu wenig Ärzte und Pfleger. Als die Seuche ausbrach, gab es für die 10 Millionen Einwohner Liberias und Sierra Leones gerade einmal 170 Ärzte. Wer sich freiwillig meldet, braucht klare und sichere Rahmenbedingungen. Eine zeitlich begrenzte Freistellung und finanzielle Anreize sind wichtig, um die nötigen Kräfte zu mobilisieren, aber auch die Gewährleistung, ausgeflogen zu werden, falls man sich ansteckt; denn unzählige Helfer haben sich beim Versuch, Leben zu retten, mit Ebola angesteckt und sind selbst gestorben. Ich muss hier eine Selbstverständlichkeit deutlich sagen: Humanitäre Katastrophenhilfe ist nicht Aufgabe der Bundeswehr. Die Hilfsorganisation medico international hat vor kurzem erklärt, dass ziviles Personal leichter das Vertrauen der Bevölkerung gewinnt. Vertrauen ist ein ganz entscheidender Faktor bei einer Erkrankung wie Ebola, die die Menschen bisher nicht kennen und die so massiv Todesopfer fordert. Es kann nicht sein, dass bei humanitären Katastrophen immer der Ruf nach dem Militär kommt. Soldaten sind keine humanitären Helfer. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen deshalb endlich zivile Krisenreaktionskräfte, die über ausreichende Ressourcen verfügen, um jederzeit überall auf der Welt helfen zu können: mit eigenen mobilen Krankenhäusern, medizinischem Personal, Flugzeugen, Schiffen, Helikoptern, Räumgeräten und allem, was sonst noch dazugehört. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder bemerkung von Frau Pfeiffer? Niema Movassat (DIE LINKE): Ja, bitte schön. Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Kollege Movassat, ich habe nur eine kurze Frage: Meinen Sie nicht, dass es Ihnen, wenn Sie mit Ebola infiziert sind und dringend auf Hilfe warten, völlig egal ist, wer Ihnen hilft, ob das ein Bundeswehrsoldat ist oder ob er vielleicht aus einem Krankenhaus wie der Charité kommt? Mir persönlich wäre das, um ehrlich zu sein, ziemlich egal. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ein Arzt wäre schon nicht schlecht, an und für sich! – Zuruf von der LINKEN: Ärzte wären schon besser!) Niema Movassat (DIE LINKE): Frau Kollegin Pfeiffer, ich habe nichts dagegen gesagt, dass man den Aufruf in der Bundeswehr gestartet hat. Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, es wäre richtig, den Aufruf an das gesamte medizinische Personal in allen staatlichen Einrichtungen zu richten. An sie müsste der Appell gerichtet werden. Dann habe ich gesagt, dass in der Abwägung ziviles Personal, wenn möglich, immer besser ist als militärisches. Ich habe die Frage beantwortet. (Beifall bei der LINKEN) Zu dem, was akut zu tun ist, hat die Linke in ihrem Entschließungsantrag viele Vorschläge gemacht. Am wichtigsten ist es derzeit, nach kubanischem Vorbild medizinisches Fachpersonal zu entsenden, außerdem Isolierstationen zu liefern und zu betreiben und die Finanzzusagen auf 100 Millionen Euro zu erhöhen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit. Niema Movassat (DIE LINKE): Ja. – Wenn die pessimistischen Prognosen stimmen sollten, stehen wir vor einer Seuche, wie es sie seit Jahrhunderten nicht gegeben hat. Der Präsident von Ärzte ohne Grenzen sagte heute, dass es nicht mehr um Wochen und Monate, sondern um Stunden und Tage geht. Ich appelliere daher an die Bundesregierung: Handeln Sie jetzt! Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Movassat. – Nächster Redner in der Debatte: der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Silberhorn, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ausmaß dieser Ebolaepidemie hat in der Tat in Westafrika dramatische Züge angenommen. Nahezu 6 000 Menschen sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation bisher infiziert. Mehr als 2 800 Menschen sind bereits an dieser Krankheit gestorben. Das eigentlich Beunruhigende ist die hohe Ansteckungsrate. Es muss damit gerechnet werden, dass sich die Zahl der Ebolafälle etwa alle drei Wochen verdoppelt. Es kann also durchaus sein, dass sich in wenigen Monaten die Zahl der Infizierten auf mehr als 100 000 beläuft. Damit erleben wir den bei weitem schlimmsten Ausbruch dieses Virus seit seiner Entdeckung vor fast 40 Jahren. Jenseits all des menschlichen Leids, das mit dieser Epidemie verbunden ist, hat diese Krise auch eine Reihe weiterer gravierender Auswirkungen. Die Gesundheitssysteme in Liberia, Guinea und Sierra Leone als den am meisten betroffenen Staaten stehen vor dem vollständigen Zusammenbruch. Das bedeutet, dass dann auch andere Krankheiten nicht mehr behandelt werden können. Es drohen Versorgungsengpässe. Der Ausbruch dieser Epidemie fiel in die Erntezeit. Die Felder können jetzt nicht mehr bestellt werden. Die Versorgung ist unterbrochen, weil die Grenzen dicht und die Straßen gesperrt sind. Nahrungsmittel werden knapp. Die Preise steigen. Der Handel funktioniert nicht mehr. Es gibt auch soziale Auswirkungen dieser Ebolaepidemie, die wir noch gar nicht ganz absehen können. Es ist eine Reihe von Haushalten unter Quarantäne gestellt. Die Schulen sind geschlossen. Das Fußballspielen ist den Kindern aus Sorge vor Ansteckung verboten, wie wir heute Morgen im Ausschuss erfahren haben. Kranke drohen stigmatisiert zu werden. Viele Frauen bleiben auf sich allein gestellt. Viele Kinder werden zu Waisen. Die wirtschaftlichen und die sozialen Auswirkungen werden die betroffenen Länder noch lange spüren. Damit werden nicht nur die Erfolge unserer Entwicklungszusammenarbeit, die wir mühsam erreicht haben, wieder gefährdet, sondern es droht auch neues Konfliktpotenzial in einer ohnehin fragilen Region. Deshalb dürfen wir uns nicht abwenden von dieser Krise, sondern wir müssen uns hinwenden zur Bevölkerung. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen. Wir müssen das Virus isolieren, nicht die betroffenen Länder. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eine gute Nachricht ist, dass ein Übergreifen auf weitere Nachbarstaaten bislang weitgehend verhindert werden konnte. In Nigeria und im Senegal gibt es derzeit keine Neuinfektionen. Ein zweiter Ausbruch von Ebola in der Demokratischen Republik Kongo konnte eingedämmt werden. Er stand aber auch nicht im Zusammenhang mit der Epidemie in Westafrika. Es ist sehr deutlich geworden, dass es sich hier nicht um ein Problem einzelner Länder handelt. Vielmehr stehen wir vor der Frage, inwieweit die regionale bzw. sogar die globale Stabilität gefährdet ist. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat festgestellt, dass die Epidemie eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit -darstellt. Sie ist eine Herausforderung für die gesamte internationale Gemeinschaft. Wir müssen unsere Anstrengungen eng koordinieren. Deshalb begrüßt die Bundesregierung, dass die Vereinten Nationen am Samstag eine Sondermission eingerichtet haben als Antwort auf den Ebolanotfall, nämlich die United Nations Mission for Ebola Emergency Response. Erste Vorausteams sind vorgestern in der Region angekommen. Wir haben uns mit unseren europäischen Partnern darauf verständigt, dass die Europäische Union 170 Millionen Euro bereitstellt, um diese Ebolaepidemie zu bekämpfen. Der deutsche Anteil daran beträgt etwa 20 Prozent. Wir leisten zudem einen nationalen Beitrag mit den Fähigkeiten, die wir zur Verfügung stellen können. Das Auswärtige Amt unterstützt Hilfsorganisationen, die vor Ort humanitäre Nothilfe leisten können. Das Gesundheitsministerium unterstützt deutsche Forschungsinstitute, die bei der Diagnostik und der Ausbildung von Fachpersonal vor Ort helfen. Das Verteidigungsministerium beteiligt sich am Aufbau einer Luftbrücke und stellt medizinische Hilfe bereit, ebenso wie das Innenministerium. Ich finde, es ist ein bemerkenswertes Zeichen, dass sich bei der Bundeswehr innerhalb von 24 Stunden Hunderte Freiwillige gemeldet haben, die an der Ebolabekämpfung mitwirken wollen. Es melden sich täglich mehr. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist ein beeindruckendes Signal von Hilfsbereitschaft und praktizierter Nächstenliebe. Wir alle wissen, dass dieser Einsatz mit Risiken verbunden ist. Deswegen möchte ich allen, die hier helfen, unsere Hochachtung und unseren Dank aussprechen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich beziehe in diesen Dank ausdrücklich die vielen Helferinnen und Helfer von Rettungsorganisationen ein, wie dem Deutschen Roten Kreuz, Caritas und insbesondere Ärzte ohne Grenzen, deren Experten bis zur Erschöpfung arbeiten, um vor Ort Menschenleben zu retten. Vielen Dank für dieses Engagement! (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch das Entwicklungsministerium trägt mit seinen Instrumenten dazu bei, diese Epidemie zu bewältigen. Wir unterstützen den Krisenplan der Weltgesundheits-organisation mit 10 Millionen Euro. Diese Mittel werden eingesetzt, um die Bevölkerung über die Krankheit und die Ansteckungsgefahren aufzuklären, um Ärzte und Pflegepersonal weiterzubilden, um zusätzliche Behandlungsstationen für Ebolapatienten aufzubauen sowie um Schutzmaterial und Medikamente zu beschaffen. Wir bemühen uns, wo immer es möglich ist, in unseren laufenden Vorhaben vor Ort Mittel so einzusetzen, dass wir helfen können. Wir unterstützen auf diesem Weg unter anderem Ärzte ohne Grenzen. Ich verhehle nicht, dass wir mit den Partnerstrukturen, die wir vor Ort haben, und den Netzwerken zu lokalen Experten und Hilfsorganisationen durchaus noch mehr tun könnten. Wir sind zusammen mit unseren Partnern durchaus in der Lage, weitere 30 Millionen bis 35 Millionen Euro zügig und wirksam zu verwenden. Aber es wird Sie nicht überraschen, dass diese Mittel im Haushaltsentwurf noch nicht eingestellt sind; denn dieser stammt aus dem Sommer. Was überplanmäßig möglich ist, müssen wir im Kreis der beteiligten Ressorts besprechen und mit dem Deutschen Bundestag verhandeln. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit können wir jetzt unsere Erfahrungen und Strukturen nutzen, um schnell und wirksam zu helfen, denn jetzt geht es darum, Leben zu retten. Aber wir müssen auch jetzt schon überlegen, wie es danach weitergeht. Wir müssen jetzt schon die betroffenen Länder dabei unterstützen, die Folgen der Krise zu überwinden und Strukturen zu schaffen, die die nächste Katastrophe vermeiden helfen. Das Entwicklungsministerium investiert jedes Jahr 700 Millionen Euro in den Aufbau von leistungsfähigen Gesundheitssystemen. Diese Krise um Ebola zeigt, wie wichtig und überlebensnotwendig das ist; denn in den betroffenen Ländern fehlt es an funktionierenden Gesundheitsstrukturen, und es fehlt auch an Vertrauen in öffentliche Einrichtungen. Wir wollen einen Beitrag leisten, in Liberia, Guinea und Sierra Leone jetzt diese Krise zu überwinden, aber wir wollen auch einen Beitrag leisten, damit solche Krisen künftig gar nicht erst entstehen. Wir wollen mit den Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit Strukturen schaffen, damit Vertrauen wieder wachsen kann und damit nachhaltige Entwicklung gelingt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Silberhorn. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Kordula Schulz-Asche für Bündnis 90/Die Grünen. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit nunmehr einem halben Jahr wütet das Ebolavirus in Westafrika. Wir kommen gerade von dem gemeinsamen Gespräch mit Dr. Sambo, dem Regionaldirektor für Afrika der Weltgesundheitsorganisation, der uns nicht nur eindringlich geschildert hat, wie in den betroffenen Ländern die Situation ist, sondern auch zum wiederholten Male an Deutschland den Appell gerichtet hat, Hilfe zu leisten. Bereits am 8. August, also vor sechs Wochen, stufte die Weltgesundheitsorganisation die Ebolaepidemie als internationalen Gesundheitsnotfall ein, und spätestens ab da an war klar: Die betroffenen Länder können den Ausbruch mit ihren vorhandenen Mitteln und den personellen Ressourcen nicht mehr alleine stoppen. Was es braucht, ist eine massive Unterstützung von außen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Doch es vergingen verheerende Wochen, in der die internationale Gemeinschaft weitgehend untätig blieb. Auch Deutschland überhörte diese Hilferufe fahrlässig. Der Antrag, den uns die Regierungsfraktionen heute vorgelegt haben, zeigt: Sie haben das Problem immer noch nicht verstanden. Sie bleiben vage, Sie prüfen; aber darum geht es nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn man sich Ihren Antrag und das, was Sie vorhaben, anschaut, dann stellt sich für mich die Frage: Wo in Ihrem Antrag steht das Personal, das so dringend von diesen Ländern angefordert wird? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Das Einzige, was wir bisher wissen, ist, dass seit Montag Frau von der Leyen sozusagen persönlich Freiwillige anwirbt. Aber wo steht in Ihrem Antrag, wer sich um diese Freiwilligen kümmert, wer sie auswählt, wer schaut, wer geeignet ist, und wie diese Leute betreut werden, von denen Sie andauernd reden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Nichts dazu steht in Ihrem Antrag. Das ist ein Zeichen dafür, dass Sie einfach nicht zusammenarbeiten. Jeder macht seins. Jeder Gesundheitsdezernent in einer deutschen Kommune weiß, was im Falle einer Epidemie notwendig ist: erstens sofortiges Handeln – Sie haben ein halbes Jahr gewartet – und zweitens koordiniertes Handeln. Da sind Sie immer noch nicht angekommen. Ihr Antrag ist dafür der Beweis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da muss erst ein alarmierender Brandbrief der liberianischen Präsidentin an Frau Merkel kommen, damit das monatelange Vorsichhinwurtschteln in den Ministerien endlich mit dem Staatssekretärstreffen vom letzten Freitag beendet wird. Wenn man sich dann den Antrag anschaut, stellt man fest, dass das bestenfalls verbal der Fall ist. (Johannes Selle [CDU/CSU]: Anträge sind -immer verbal!) Schauen wir uns den Antrag an: Ankündigungen, nichts Konkretes, keine Geldsummen, keine konkreten Forderungen oder Beschreibungen, wer konkret was übernimmt. Es ist keine Systematik zu erkennen, es ist kein Konzept zu erkennen, wie die Epidemie gestoppt werden kann. Das können wir nicht länger zulassen. Deswegen möchte ich jetzt sagen, was aus meiner Sicht konkret zu tun ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, natürlich muss mit der Weltgesundheitsorganisation, mit der EU und auch mit der von der UN für den Ebolanotfall eingerichteten Mission kooperiert werden. Aber die Frage ist doch: Was können wir in Deutschland tun, um endlich ein gemeinsames, koordiniertes Vorgehen der verschiedenen Ministerien hinzubekommen? Erst am letzten Freitag, am 19. September, hat das erste Treffen auf Ebene der Staatssekretäre stattgefunden, und seitdem warten die Nichtregierungsorganisationen, aber auch die staatlichen und die staatsnahen Organisationen darauf, zu erfahren, was von ihnen jetzt eigentlich erwartet wird. Das geht doch so nicht weiter. Das ist doch ein Zeichen dafür, dass Sie offensichtlich überfordert sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Sie hätten längst, seit Wochen, eine Liste mit den logistischen und technischen Kapazitäten, die in Deutschland vorhanden sind, zum Beispiel beim Technischen Hilfswerk, fertigstellen können. Sie hätten längst ermitteln können, wo qualifiziertes Personal im Bereich der Seuchenbekämpfung in Deutschland vorhanden ist – in den zehn spezialisierten Zentren, aber natürlich auch in den Gesundheitsämtern – und wer sich für Hilfseinsätze zur Verfügung stellen würde. Wo ist die entsprechende Liste? Längst hätte gefragt werden können, welche in Entwicklungsländern erfahrenen und mit den dortigen Krankheiten vertrauten Ärzte, Krankenpfleger und Laboranten für Einsätze freiwillig zur Verfügung stehen. Viele von ihnen arbeiten in Nichtregierungsorganisationen. Ich denke an die Experten der GIZ, des ehemaligen DED. In diesem Bereich gibt es sehr viele versierte Kräfte. Es gibt natürlich auch versierte Kräfte in der Bundeswehr; das bestreite ich gar nicht. Aber warum haben wir keine Liste, aus der hervorgeht, welche Personen bereit sind, nach Afrika entsandt zu werden? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Seit Wochen weist das DRK darauf hin – und zwar völlig zu Recht –, dass man, wenn man Freiwillige anwirbt, ihnen für den Infektionsfall auch eine Rückholgarantie geben muss. Daran arbeiten wir jetzt. Das Problem, dass die weltweiten Kapazitäten nicht ausreichen, ist seit Monaten bekannt. Nichts haben Sie getan. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. Wir brauchen dringend Gesundheitspersonal, nicht nur zur Bekämpfung von Ebola, sondern auch im Kampf gegen Malaria, Durchfall und andere Krankheiten. Ich kenne bisher keine Antwort der Bundesregierung darauf. Wir hören, dass in Liberia bereits eine Hungersnot ausgebrochen ist; darüber wird -bereits seit Wochen gesprochen. Ich finde in Ihrem Entschließungsantrag keine Antwort auf die damit verbundenen Fragen. Wir wissen, dass wir diese Epidemie nur eindämmen können, wenn wir alle gemeinsam daran arbeiten. Ich fordere die Regierung auf: Machen Sie endlich etwas! Versuchen Sie, es auf die Reihe zu bekommen, zu koordinieren! Wir sind dabei; wir helfen Ihnen gerne. Aber bisher fehlen uns alle entscheidenden Antworten, die den Menschen vor Ort wirklich helfen würden. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Jetzt spricht die Abgeordnete Michaela Engelmeier. Michaela Engelmeier (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schulz-Asche, Sie haben gerade in Ihrer Aufzählung all der Dinge, die man nicht gemacht hat, vergessen, dass es seit Mitte Juli einen Krisenstab im Auswärtigen Amt gibt, und dieser Krisenstab arbeitet sehr wohl. Die Schärfe in dieser Debatte verstehe ich nicht ganz; denn so richtig getrieben von der Opposition werden wir bei unseren Maßnahmen nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir stehen heute hier, weil wir uns mit der Hilfe aus Deutschland zur Bekämpfung der Ebolaepidemie befassen. Es handelt sich um eine Katastrophe, die außer Kontrolle zu geraten droht und deren Folgen kaum absehbar sind. Dieses Problem wird sich nicht alleine lösen; vielmehr wird sich diese Epidemie vermutlich auf weitere Länder ausdehnen. Unsere Hilfe ist also gefragt, gefragter denn je. Bisher sind besonders Liberia, Guinea und Sierra Leone betroffen. Die Nachbarländer schotten sich ab, um ihrerseits eine Verbreitung der meist tödlich verlaufenden Krankheit zu verhindern. Das Dramatische an der Problemlage der Ebolaepidemie ist, dass sich keineswegs, wie in der Vergangenheit, eine Abschwächung der Krankheit im Laufe der Zeit ergibt. Ganz im Gegenteil: Die Lage der Menschen, besonders der Kinder, ist unverändert dramatisch; der Radius erweitert sich. Ebola hat besonders das Leben von Kindern radikal verändert. Die Schulen sind geschlossen – wegen der Gefahr der Ansteckung und weil auch Lehrkräfte ihre Dörfer nicht mehr verlassen, die Schulen für andere Zwecke genutzt werden. Angst und Misstrauen bringen das öffentliche Leben zum Erliegen. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist nicht mehr gewährleistet. Wie kann man helfen, damit die Kinder in Westafrika nicht ihrer Zukunft beraubt werden? Kinder, deren Eltern an dem Ebolavirus gestorben sind, bleiben allein zurück. Die Waisen werden von anderen Familien aus Angst vor Ansteckung zurückgewiesen, oft aus den Dörfern verjagt. Sie sind sich selbst überlassen und schutzlos der veränderten Lebenslage ausgeliefert. Kinder müssen Orte finden, wenn die Dorfgemeinschaften nicht mehr funktionieren. Hier müssen wir mit unseren Partnerorganisationen nach Hilfen für die Kinder suchen. Hier müssen wir unsere Partnerorganisationen unterstützen, die sich der Kinder annehmen und ihnen eine Zuflucht bieten. Wir brauchen auch Unterstützung für die Familien. Es gibt kaum Familien, die nicht betroffen sind. Entweder fallen Frauen durch eigene Erkrankung als Versorgerinnen für die Familien aus, oder sie müssen dem Sterben ihrer Kinder ohnmächtig zusehen. Wie geht es einer Mutter, die all ihr Geld zusammennimmt, um den erkrankten Sohn in ein Krankenhaus zu bringen? Sie weiß, dass ihr Kind eine Krankheit hat, die viele haben und die meist tödlich verläuft. Am Krankenhaus steht sie vor verschlossenen Türen; sie findet keinen Einlass, weil es auf der Isolierstation keine Kapazitäten mehr gibt. Sie ist hoffnungslos ausgeliefert, dem Sterben ihres Sohnes zuzusehen. – Viele Erkrankte werden von den Behandlungszentren wegen mangelnder Kapazitäten abgewiesen, und nicht selten sterben sie auf dem Heimweg zurück in ihre Dörfer. Es trifft keinen eine Schuld, weder die verzweifelten Mütter noch die Menschen, die am Krankenhaustor die Aufnahme verweigern. Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen haben Behandlungszentren aufgebaut, die eine gute Ebolaversorgung bieten; aber die Zahl der Erkrankten übersteigt die Kapazität der bisherigen Hilfe bei weitem. Viele Regelkrankenhäuser haben wegen Personalmangels geschlossen. Die Behandlung regulärer Erkrankungen wie Blinddarmentzündung und Malaria sowie die Schwangerenvorsorge finden nicht mehr statt. Daher muss genau hier unsere Hilfe ansetzen. Es stellt sich für uns nicht die Frage, ob, sondern eher, wie wir helfen, und zwar langfristig. Wir benötigen Informationsverbreitung betreffend einfache Hygiene-regeln zur Vermeidung von Ansteckung innerhalb der Familien. Wir benötigen die Entsendung von medizinischen Helfern und ärztlichem Fachpersonal, die auch vor Ort Pflegepersonal ausbilden und begleiten. Wir benötigen Aufnahmestationen für Kinder, die durch Ebola zu Waisen wurden. Wir benötigen Finanzen, Ausrüstungen, mobile Labore und logistische Unterstützung für die Versorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln. Wir benötigen Schutzkleidung, nicht nur für medizinisches Personal, sondern auch für Angehörige, die Kranke zu Hause versorgen. Wir benötigen Unmengen von Des-infektionsmitteln für die häusliche Versorgung. Und: Diese Hilfe brauchen wir sofort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Engelmeier. – Nächster Redner in der Debatte ist Uwe Kekeritz für Bündnis 90/Die Grünen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor ein paar Tagen hat die Präsidentin Liberias einen Hilfsappell an die Kanzlerin geschickt. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass das die Ursache dafür ist, dass die Regierung jetzt so langsam in die Puschen gekommen ist und aktiv wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Allerdings muss ich sagen: Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass so ein Brief diese Regierung in Bewegung setzt. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Diese Regierung reagiert doch erst, wenn auf internationaler Ebene ein Nichtreagieren einfach nicht mehr toleriert würde. Man wartet immer auf die USA, und wenn die USA reagieren, dann zieht man langsam nach. Frau Engelmeier, Sie haben uns gerade erklärt: Seit Juli gibt es einen Krisenstab. – Das macht es aber noch schlimmer. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!) Wir warten seit Monaten darauf, dass etwas passiert. Was hat denn der Krisenstab in den letzten zehn Wochen gemacht? Auf was hat er eigentlich gewartet? Das Blätterrauschen des Aktionismus hier hilft überhaupt nicht. Auch heute – darüber müssen wir uns im Klaren sein – geht es noch nicht um konkrete Taten. Auch heute noch, nachdem wir seit zehn Wochen einen Krisenstab haben, gibt es nur Ankündigungen. Wer glaubt, dass das ausreichend ist, der hat sich geirrt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir wissen, dass Ebolaausbrüche heutzutage überhaupt nicht mehr zur Katastrophe werden müssen. Das war vielleicht noch vor 40 Jahren der Fall; heute ist es nicht mehr der Fall. In Uganda und Ruanda gab es in den letzten Jahren permanent solche Ausbrüche. Es war überhaupt kein Problem, diese einzudämmen. Sogar der Senegal ist von dieser Krise direkt betroffen gewesen. Aber auch dieses Land war in der Lage, den Ausbruch einzudämmen. Warum? Weil es funktionierende Gesundheitssysteme gibt. Staatssekretär Silberhorn hat gerade noch gesagt, diese Regierung tue sehr viel für diesen Bereich, sie stelle 700 Millionen Euro jährlich für den Aufbau von Gesundheitssystemen zur Verfügung. Das freut mich ja. Ich muss mich allerdings fragen: Warum habe ich davon nichts gemerkt? Ich möchte einmal aufgeschlüsselt haben, wo diese 700 Millionen Euro zu finden sind. In dem Unterausschuss „Gesundheit in Entwicklungsländern“ haben wir vier Jahre lang über diese Thematik diskutiert; aber von 700 Millionen Euro speziell für den Aufbau von Gesundheitssystemen ist uns nichts bekannt geworden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist schön, dass der Gesundheitsminister jetzt da ist. Man könnte glauben, dass auch er nun aktiv wird. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder bemerkung von Frau Pfeiffer? Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selbstverständlich. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Pfeiffer, bitte. Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Kollege Kekeritz, wollen Sie hier allen Ernstes behaupten, dass, wenn Sie an der Regierung wären, jetzt Gesundheitssysteme zum Beispiel in Liberia oder im Senegal aufgebaut worden wären, ohne dass es eine Anfrage von den dortigen Regierungen gegeben hätte? Wären Sie einfach dahin gefahren und hätten gesagt: „So, Freunde, ihr habt noch kein Gesundheitssystem; wir bauen das jetzt für euch auf“? Das ist keine moderne Entwicklungspolitik. Moderne Entwicklungspolitik heißt, die Bedürfnisse und Prioritäten der Länder zu berücksichtigen und die Länder mit in die Verantwortung zu nehmen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin Pfeiffer, herzlichen Dank für die Frage. Ich muss mich allerdings wundern: Wenn das die Frage ist, die Sie nach meinen Ausführungen haben, dann stelle ich fest, dass Sie meinen Beitrag nicht verstanden haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Lassen Sie mich noch kurz in Bezug auf den Gesundheitsminister sagen: (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: War das schon Ihre Antwort?) Aktiv geworden ist er vermutlich nicht; ich habe es jedenfalls nicht gemerkt. Er beruft sich auf eine Hochglanzbroschüre, die aber nicht von ihm, sondern von seinem Vorgänger stammt. Darin steht: Das Ziel des universellen Zugangs zu Gesundheitsversorgung kann nur dann erreicht werden, wenn nationale Gesundheitssysteme ihre Dienstleistungen kompetent, effektiv, effizient und für alle gleichermaßen zugänglich anbieten. Jetzt kommt es: Daher ist der zentrale Förderansatz der deutschen Entwicklungspolitik die Stärkung der nationalen Gesundheitssysteme. Ich freue mich, dass der Gesundheitsminister diese Erkenntnis hat. Jetzt wäre es ganz wichtig, dass diese Erkenntnis auch noch bis zum Entwicklungsministerium durchdringt. Dann, glaube ich, könnte man in Zukunft solche Krisen vermeiden. Ich bedanke mich bei Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Kekeritz. – Nächster Redner in der Debatte Dr. Georg Kippels für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Welt – wir leben alle in einer Welt. Geografische Entfernungen haben sich im Zeitalter der Globalisierung und der Mobilität relativiert. Zwar liegt Westafrika immer noch 8 000 Kilometer entfernt; trotzdem findet die Katastrophe vor unserer Haustür statt. Man kann es fast körperlich spüren. Das hat auch der Weltsicherheitsrat mit seiner Resolution vom 18. September deutlich gemacht. Er bezeichnete den Ebola-ausbruch zu Recht als „Gefahr für Frieden und Sicherheit der Welt“. Denn Seuchen erschüttern auch heute noch die Staatssysteme in ihren Grundfesten, und das gilt grundsätzlich auch für den Westen. Westafrika war vor 20 Jahren weit weg von unserer Lebenswirklichkeit. Heute stellt die dortige Lage eine Herausforderung für die westliche Zivilisation dar, auch deshalb, weil solche Szenarien nicht einfach virtuell durchgespielt werden können. Die Lage erfordert unsere Solidarität und unseren Einsatz: personell, materiell, wissenschaftlich und organisatorisch. Die Triebfeder des Handelns muss der Respekt vor dem Individuum sein und nicht nur die Angst vor der eigenen Betroffenheit und natürlich erst recht nicht die Anzahl der Opfer. Am 18. September meldeten die Helfer vor Ort noch 2 622 Tote, bis heute waren es laut Mitteilung der WHO bereits 2 847. Bis zum 18. September waren es 5 335 Infizierte, bis heute 5 880. Diese Zahlen steigen fast stündlich und benennen nur die registrierten Fälle. Die Anzahl der namenlosen Opfer wird wahrscheinlich das Drei- oder Vierfache betragen. Prognosen von 20 000 Infizierten bis November stehen im Raum. Die Mortalität liegt bei 70 Prozent. Die Spirale des Grauens nimmt an Fahrt zu. Wir haben heute gehört: Ebola ist bisher nicht heilbar. Sierra Leone und Liberia sind an einem Punkt, an dem das Hilfssystem kollabiert und es fast nur noch darum geht, die Ausbreitung der Seuche zu verhindern. In den 40 Jahren seit seiner Entdeckung hat das Ebolavirus noch nie so gewütet wie heute. Die Länder drohen staatliche Strukturen zu verlieren und im Chaos zu versinken. Der Ausnahmezustand ist verhängt. Die Menschen misstrauen den Helfern, und es ist schon zu Angriffen und Todesopfern gekommen. Die Bedrohung einer weltweiten Ausbreitung des Virus ist greifbar. Ebola hat mit Westafrika einige der ärmsten Länder dieser Welt befallen. Ihre medizinische Infrastruktur ist bestenfalls als rudimentär zu bezeichnen. Es fehlt an Bildung, an Nahrungsmittelsicherheit und vor allem an Aufklärung und Prävention im Gesundheitsbereich. In den Ebolagebieten gehen laut Ärzte ohne Grenzen die nötigsten Hilfsmittel zur Neige, ja sogar die Seife in den Krankenhäusern, die dringend benötigt wird. Ebola zerrt auf furchtbare Weise die staatlichen Defizite ans Tageslicht, und dies in einer Geschwindigkeit, die die Reaktion dramatisch erschwert. Die akute Bedrohung durch noch nicht ausreichend erforschte Erreger und vor allen Dingen das latente Fehlen einer vorhandenen Gesundheitsstruktur lassen die Folgen explodieren. Unwissenheit in der Diagnose und fehlende Kommunikation über den Ausbruch der Erkrankung verzögerten vor Monaten die Reaktionsmöglichkeit. Die schlechte Bildungssituation der Bevölkerung führt zu irrationalen Reaktionen der Menschen. Man misstraut dem eigenen Staatssystem und schottet sich ab. Dies verschlimmert noch die Folgen. Die Hilfe muss daher mit Sofortmaßnahmen, aber auch mit langfristigen Strukturprojekten erfolgen. Schon jetzt muss auch die Zeit nach der Epidemie in den Blick kommen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Dr. Kippels, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Schulz-Asche? Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Ja. – Bitte schön. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Dr. Kippels, ich möchte Sie fragen, inwiefern der Vorstoß von Frau Ministerin von der Leyen am Montag im Morgenmagazin mit dem Aufruf an Freiwillige mit dem Krisenstab abgestimmt war. Wenn das der Fall ist: Wer ist das federführende Ministerium, und welche Kriterien sind für die Auswahl und die Betreuung dieser Freiwilligen vorgesehen? Es wäre schön, wenn Sie mir darauf antworten könnten. Wie Sie wissen, habe ich über zwölf Jahre im Gesundheitswesen in Afrika gearbeitet. Von daher interessiert mich, was hier geplant ist und welche Freiwilligen dorthin entsendet werden. Danke schön. Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Ich werde im Laufe meines Vortrags noch darauf eingehen. Zunächst einmal müssen wir unterscheiden, ob wir Sofortmaßnahmen in Form von personeller Leistung für die Organisation der Lazarette bzw. der Unterbringungsmöglichkeiten benötigen, also im logistischen Bereich, oder im medizinischen Bereich. Wie Sie sicher wissen, hat auch die Bundeswehr gut geschulte Versorgungskräfte, Pflegekräfte und Ärzte. Das alles muss letztendlich koordiniert werden. Der Aufruf war nur dafür vorgesehen, überhaupt notwendiges Personal aus dem Freiwilligenbereich zu generieren und die Bereitschaft dafür herzustellen, dass sich die Bevölkerung beteiligt. (Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War das mit dem Krisenstab abgestimmt?) – Ob das mit dem Krisenstab abgestimmt ist, kann ich Ihnen nicht beantworten, Frau Kollegin. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich gehe davon aus, dass es nicht abgestimmt war!) An dieser Stelle sind Deutschland, aber auch die Europäische Gemeinschaft und vor allen Dingen und an erster Stelle die WHO gefordert, die sich in ihrem Vorgehen intensiv vernetzen müssen. Federführend muss allerdings die WHO sein. Mit der Bereitstellung der Sofortmittel des AA, des BMZ und auch der Europäischen Union ist jedenfalls ein wichtiger Schritt gemacht. Elementare Bausteine der weiteren Maßnahmen sind die Lösung der logistischen Anforderung, vor allen Dingen die Sicherstellung ausreichenden Fachpersonals zur Umsetzung der Patientenbetreuung, die Diagnostik, die Einschätzung der Gefährdungslage und auch die Kontrolle der Infektionsherde durch ordnungsgemäße Bestattung der Toten und Desinfektion von Gegenständen, vor allen Dingen Fahrzeugen. Dies alles funktioniert aber nur im Zusammenwirken mit den staatlichen Institutionen und mit der Akzeptanz der betroffenen Regierungen. Hilfe setzt aber auch Vertrauen in den eigenen Staat, die ausländischen Helfer und die westlichen Behandlungsmethoden voraus. Dieses Vertrauen zu gewinnen, ist ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen die Ebolaepidemie. Bei dieser Mammutaufgabe dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass wir eine besondere Verantwortung für die freiwilligen Helfer haben, denen wir im Infek-tionsfall unverzügliche und effektive Hilfe garantieren müssen. Es stellt sich heute für uns die Frage, was wir weiter leisten können und müssen, um der Epidemie Einhalt zu gebieten. Zu den Leistungen gehören die finanzielle Nothilfe, die Hilfe bei der Logistik, die Bereitstellung freiwilliger Helfer, die Gewährleistung der Sicherheit der freiwilligen Helfer im Infektionsfall – sie müssen von der deutschen Regierung bzw. vom deutschen Staat Unterstützung und Schutz erhalten –, die Errichtung einer Luftbrücke sowie die Etablierung und der Ausbau von Gesundheitssystemen, um zukünftige Ausbrüche schnellstmöglich unter Kontrolle zu bringen. Die Gesundheitssysteme in diesen Ländern müssen dringend aufgebaut werden. Wir müssen zum einen gegen Seuchen gerüstet sein und uns zum anderen dauerhaft um die Gesundheit der Bevölkerung in den Entwicklungsländern kümmern. Die Bundesregierung hat ihre Hilfen kontinuierlich gesteigert und wird die Hilfsplanung mit ihrem Krisenstab intensiv begleiten. Unser Engagement kann durchaus einen entscheidenden Beitrag leisten. Aber auch wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir keinen Masterplan in der Schublade haben, mit dem wir ein Problem dieser Größenordnung bewältigen könnten. Auch die Krise nach der Krise darf nicht vergessen werden. Durch den Ausbruch der Ebolaepidemie wird das Wirtschaftswachstum enorm gebremst werden. Die Nahrungsmittelsicherheit ist gefährdet. In Liberia legt die Epidemie speziell den Reisanbau lahm. Hier müssen wir dringend den Blick auf den Zeitraum nach der Krise richten. Krisen wie die Ebolakrise führen uns zu der Erkenntnis, dass sich die Globalisierung auch auf Katastrophen auswirkt. Daraus müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen; darauf muss unser künftiges Handeln beruhen. Wir müssen uns klarmachen, dass globale Gesundheitsvorsorge uns alle angeht. Ich komme zum Schluss. Mein ausdrücklicher Dank gilt allen Fachleuten und freiwilligen Helfern vor Ort, vor allen Dingen den Ärzten ohne Grenzen. Sie alle handeln selbstlos, mutig und vor allen Dingen ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben, das sie mit ihrem täglichen und unermüdlichen Einsatz in Gefahr bringen. Ihnen gebührt unser Respekt. Wir müssen an dieser Stelle für alle Stunden, die dort geleistet worden sind, unseren Dank zollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege! Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Die neue Situation zeigt uns aber auch, dass es nur mit der Solidarität aller Bürgerinnen und Bürger gelingen wird, dieser Herausforderung gerecht zu werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Kippels. – Nächster Redner in der Debatte ist Stefan Rebmann für die SPD. (Beifall bei der SPD) Stefan Rebmann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kawusu Mansaray aus Sierra Leone und sehr geehrter Herr Dr. Sambo, Regionaldirektor der WHO für Afrika, herzlichen Dank, dass Sie unserer Debatte hier beiwohnen (Beifall) und Sie uns heute Morgen im Ausschuss und heute Mittag so umfassend informiert haben. Ich kann Ihnen sagen: Das war sehr beeindruckend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich zitiere auszugsweise aus einem Bericht des Journalisten Johannes -Dieterich aus Monrovia vom vergangenen Montag: Ein junger Mann in blauen Jeans und grünem T-Shirt wälzt sich auf dem vom Regen nassen Lehmboden vor dem John-F.-Kennedy-Hospital in Monrovia und stöhnt: „Ich sterbe.“ Seine Mutter flößt ihm aus einer Plastikflasche Wasser in den Mund. Das Eisentor zur größten Klinik des Landes will sich partout nicht öffnen. Mit 68 Patienten ist die für 38 Patienten ausgelegte Ebolastation hoffnungslos überfüllt. „Just for Killing“ nennen die Bewohner Monrovias ihr mit JFK abgekürztes Krankenhaus sarkastisch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, offiziell – wir haben es schon gehört – sind über 2 800 Menschen an Ebola gestorben, darunter zahlreiche Helferinnen und Helfer, und haben sich mehr als 5 800 Menschen infiziert. Die tatsächliche Zahl dürfte, wie wir wissen, weit höher liegen. Es wird noch lange dauern, bis wir die Epidemie im Griff haben und bekämpft haben. Die Zahl der Opfer wird weiter steigen. Wie wir vorhin gehört haben, geht die WHO von einem Bedarf an 59 000 Leichensäcken aus. Den Helferinnen und Helfern, dem Personal, den Medizinern vor Ort von Ärzte ohne Grenzen, von medico international, von Brot für die Welt und von Caritas, die sich wirklich bis zur Erschöpfung um die Menschen kümmern, gilt unser tief empfundener Dank, unser Re-spekt und unsere Anerkennung. (Beifall im ganzen Hause) Die Helfer – das haben wir heute schon ein paarmal gehört – sind leider auch gezwungen, Patienten abzuweisen, weil es an Personal, an Betten, an Equipment, weil es schlichtweg an allem fehlt. Es handelt sich bei dieser Epidemie um eine soziale, wirtschaftliche und humanitäre Katastrophe. Sie betrifft nicht nur Menschen, die sich angesteckt haben oder sich noch anstecken werden. Ebola bedroht rund 22 Millionen Menschen in der betroffenen Region direkt oder indirekt. Schulen sind geschlossen. Betriebe stehen still. In der Landwirtschaft wird in der Pflanzzeit nicht ausgesät und angepflanzt. Staatliche Strukturen kollabieren. Krankenhäuser werden geschlossen. Der Handel bricht so ein, dass die Menschen kaum noch an Nahrungsmittel kommen. Über 1,3 Millionen Menschen droht Hunger. Die Ausgangssperre, die in Sierra Leone verhängt wurde, und die Abschottung der Länder machen die Lage noch schwieriger. Helfer kommen nicht mehr ins Land. Hilfsmittel hängen zum Teil seit Wochen an Flughäfen oder Landesgrenzen fest. Deshalb sind unsere Hilfen, die wir zur Verfügung stellen – diese müssen und wollen wir anpassen –, und die Bereitstellung von Transportkapazitäten – bis hin zu einer Luftbrücke –, von Material und Personal so wichtig. Es gibt keine Standardlösung. Das macht die Aufgabe auch so schwierig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Es brennt in Afrika. Wenn wir diesen Brand nicht löschen, wird es bald zu einem Flächenbrand kommen, der auch vor Europa nicht haltmachen wird. Wenn es uns nicht gelingt, diesen Brand zu stoppen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu Unruhen, Aufständen und zum Wiederaufflammen von bewaffneten Konflikten kommt. Immer mehr Menschen werden flüchten. Es entstehen Wanderungsbewegungen. Wer will es ihnen verdenken? Viren lassen sich nicht von Landesgrenzen aufhalten. Ich bin froh, dass die Bundesregierung ihre Hilfe für die betroffenen Länder erheblich aufgestockt hat. Frank-Walter Steinmeier und Gerd Müller haben die Hilfen für Westafrika deutlich erhöht. Das ist richtig, und das ist notwendig. Unser Entschließungsantrag unterstreicht das. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ein robustes Gesundheitssystem ist gerade in den -Regionen notwendig, in denen Krankheiten wie Ebola, Malaria, Gelbfieber und andere vernachlässigte Krankheiten besonders verbreitet sind. Gute Entwicklungspolitik hat auch und gerade im Gesundheitsbereich einen präventiven Charakter. Wenn wir ein weiteres Ausbreiten verhindern wollen, dann müssen wir in die Gesundheitssysteme der ärmsten Länder investieren, auch über den Tag hinaus. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das bedeutet auch: Wir müssen Systeme der soziale -Sicherung aufbauen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Gute, nachhaltige Entwicklungspolitik verhindert Krisen, erschwert Epidemien, verhindert bewaffnete Konflikte und Flüchtlingsbewegungen. Sie schafft Gesundheit, Arbeit, Einkommen und Zukunft für die Menschen, und sie schafft Frieden. Wenn das endlich verstanden wird, dann müssen wir uns in Zukunft vielleicht auch nicht mehr anhören: Die Weltgemeinschaft – und damit sind auch alle hier Anwesenden gemeint – hat versagt. Ich möchte mit einem Zitat aus dem Bericht von Johannes Dieterich schließen: Erst Stunden später wird der inzwischen bewegungslos am Boden liegende Kranke … in die Klinik getragen – vermutlich viel zu spät. Hoffen wir, dass unsere Aktivitäten und unsere Hilfe nicht zu spät kommen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, Kollege Rebmann. – Nächster Redner in der Debatte Charles Huber für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Charles M. Huber (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gedacht, dass wir in Anbetracht des Elends anderer von einer parteipolitisch geführten Debatte hier im Bundestag verschont bleiben. Ich sehe, ich habe mich getäuscht. Ich möchte hier nicht im Detail die bereits bekannten Fakten und Zahlen wiederholen. Nur so viel: Die Bundesregierung hat bislang 17 Millionen Euro zur Ebola-bekämpfung freigegeben. Ob die Gesamtsumme, die die Weltgemeinschaft zur Verfügung stellt, ausreichen wird, um der Aufgabe gerecht zu werden, ist schwer einzuschätzen. Die Notwendigkeit einer Korrektur, wie sie Staatssekretär Silberhorn bereits angedeutet hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Ich möchte hier aber auch nicht unerwähnt lassen, dass eine Regierung wie die unsere nebst Ausschüssen und entsprechenden Durchführungsorganisationen eine Expertise braucht, um handeln zu können. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese Expertise (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist nicht da!) hatten wir nicht. Die Frage ist: Wer hat diese Expertise überhaupt in Bezug auf ein Krisenszenario, für das eine Seuche der Auslöser ist, und zwar eine Seuche, für die es bislang kein legitimiertes Gegenmittel gibt? (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht das Gesundheitsministerium?) Eigentlich müsste diese aufgrund der Erfahrungen beim Ausbruch der ersten Ebolaepidemie zumindest teilweise vorhanden sein. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Huber, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Kekeritz? Charles M. Huber (CDU/CSU): Auf alle Fälle. Wir lieben uns, Herr Kekeritz und ich. Vizepräsidentin Claudia Roth: Echt? (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Niema Movassat [DIE LINKE]: Das sind Geständnisse!) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Huber, Sie sollten nicht alles verraten. – Ich muss mich sehr darüber wundern, dass Sie hier die Frage stellen, wer eine solche Expertise hat. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass solche Ausbrüche eigentlich kein Problem mehr sind. (Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!) In Ruanda, in Uganda, im Senegal, in Nigeria – überall hat man mit der dortigen Expertise die Problematik eingegrenzt. Und jetzt tun Sie plötzlich so, als wenn diese Regierung ganz ohne Expertise ist. – Herr Silberhorn, keine Angst, ich verteidige Sie gegen diesen Angriff. – Danke schön. Charles M. Huber (CDU/CSU): Herr Kekeritz, wenn Sie meinen Ausführungen weiterhin zu folgen gewillt sind, werde ich Sie darüber aufklären. – Vielen Dank. Eigentlich müsste diese Expertise aufgrund der Erfahrungen beim Ausbruch der ersten Epidemie zumindest teilweise vorhanden sein. Es tut mir leid, dass meine afrikanische Höflichkeit es mir nicht versagt, die WHO in diese Schuldzuweisung einzubeziehen; denn man muss diese Expertise, wenn man sie schon besitzt, auch weitergeben. Diese Erfahrungen, die man im Zusammenhang mit dem ersten Epidemieszenario gesammelt hat, beziehen sich vor allen Dingen darauf, wie man das Verhalten von Menschen in so einer verzweifelten Lage vor dem Hintergrund soziologischer Phänomene einer anderen Kultur einschätzen kann und wie Menschen, welche seit einem längeren Zeitraum in extremer Armut leben, auf gewisse Vorgehensweisen reagieren, selbst wenn diese zu deren Hilfe eingeleitet werden. Ich habe Ärzte ohne Grenzen, deren Arbeit ich sehr schätze, angeboten, Ärzte bei ihrer Arbeit zu begleiten. Dies wurde jedoch von der Direktion abgelehnt. Ich finde das sehr schade. Ein unterstützender Bericht eines Parlamentariers wäre sicher keine schlechte Sache, zudem mir der Kontinent und das Empfinden der Menschen vor Ort nicht unbekannt sind. Zwei der von Ebola betroffenen Kernländer sind Länder, deren Bevölkerung in nicht zu ferner Vergangenheit mit einem langanhaltenden Bürgerkrieg konfrontiert war. Dass diese Länder neben den politischen und soziologischen Verwerfungen, unter anderem im Gesundheitswesen, schon vor dem Ausbruch der Seuche extrem schwache Strukturen aufwiesen, ist den meisten bekannt. Innere Vernunft braucht auch äußere Struktur, und die ist hier nicht vorhanden. Dieser Hintergrund birgt zusätzliche Risiken, was die Sicherheit der Helfer und auch die der Bevölkerung selbst anbelangt. Herr Movassat, vielleicht sind Sie darüber informiert, dass es auch Übergriffe auf Helfer gab, jüngst mit acht Toten am Freitag in Guinea. Eine massive und andauernde Aufklärungskampagne der Bevölkerung, egal durch wen, zum Beispiel durch die WHO, hätte der erste wesentliche Schritt sein müssen. Ich freue mich daher, dass mein Vorschlag im Antrag an die Bundesregierung zur Eindämmung der Ebolaepidemie, die Sicherheitskräfte vor Ort zu unterstützen, von der Koalition angenommen wurde, und danke denjenigen Kollegen, welche diesen aus meiner Sicht sehr wichtigen Punkt unterstützt haben. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch wen?) Es ist nur allzu leicht verständlich, dass jemand, der um sich herum nur Tod und Verderben erblickt, in der Regel in Panik gerät. Sie können sich auch sicher vorstellen, wie schwierig es dann sein wird, wenn diese -Panik durch Anordnung von Ausgangssperren und Isolationsverordnungen auf eine größere Menge übergreift. Die Erstellung eines unabhängigen Fonds auf supra-nationaler Ebene zur Entwicklung von Medikamenten, welche perspektivisch der Seuchenbekämpfung wie hier der Ebola dienen, wäre eine große Chance. Ich war vor ein paar Monaten im Senegal. Senegal ist ein direktes Nachbarland eines der betroffenen Länder, genauer gesagt: von Guinea. Am Flughafen hing ein Schildchen, das dem Schild, dass man keine Flüssigkeiten mit sich führen darf, sehr ähnlich war. Aber bei genauerem Hinschauen habe ich gemerkt, dass es dabei um eine ganz andere Sache ging, nämlich um hygienische Maßnahmen zur Vorbeugung von Ebola. Ich habe mich trotz dieses so besorgniserregenden Hinweises relativ sicher gefühlt, vielleicht aus Gewohnheit, da ich dieses Land gut kenne. Eine Woche später war ich bei einem Lokalpolitiker zum Essen eingeladen. Wir haben traditionell aus einem großen Familientopf gegessen. Das Essen war gut. Danach habe ich mir doch den einen oder anderen Gedanken gemacht, ob die Einhaltung dieser Tradition, eben des gemeinsamen Essens, in diesem Moment die richtige Entscheidung war. Diese Elemente sind ein weiterer schwieriger Faktor, weil die Menschen sich nur schwer von Traditionen und Gewohnheiten trennen. Dazu gehört auch in manchen Ethnien, dass man den Toten selber wäscht und zum Abschied auf die Stirn küsst. Der Gewohnheit entsprechend ist es meist so, dass man Schwerkranke versteckt, anstatt sie zum Arzt zu bringen. Zum einen möchte man dem Sterbenden aus traditionellen Gründen familiäre Nähe bieten, zum anderen ist in den meisten Ländern das Vertrauen in die medizinische Versorgung verständlicherweise gering. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit. Charles M. Huber (CDU/CSU): Ich komme zum Ende. Vielen Dank. – Ich finde es vorbildlich, dass sich die Bundesregierung auch durch die Präsenz mutiger Menschen vor Ort engagiert, durch unsere Bundeswehr, welche mit ihren Sanitätskolonnen und ihrem Know-how in der ABC-Abwehr-Ausbildung eine große Expertise hat und einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Ebola erbringen kann. Frau Ministerin von der Leyen – sie ist leider nicht anwesend –, ich würde die Bundeswehr gerne bei dem ersten Einsatz begleiten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Huber. – Nächster Redner in der Debatte Frank Schwabe für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frank Schwabe (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Stefan Rebmann hat gerade schon ein Bild aus den Medien in den letzten Tagen beschrieben. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Mir ist das Bild in Erinnerung geblieben, das ich bei Spiegel Online gesehen habe. Ich weiß gar nicht, ob das die ursprüngliche Herkunft des Bildes war. Auf dem Bild war ein kleines Mädchen zu sehen, vielleicht drei, vier oder fünf Jahre alt, das auf der Straße lag, ein paar Meter davon entfernt ein Helfer in Schutzkleidung und 50 bis 100 Meter entfernt eine Menschentraube. Dieses Bild hat sich jedenfalls bei mir eingeprägt. Das unterstützt noch einmal das, was hier deutlich geworden ist: Das große Problem ist am Ende nicht die Gefährlichkeit des Virus, sondern das Gefährliche ist, dass es keine funktionierenden Meldesysteme, Quarantänestationen und Ähnliches in den Ländern gibt. Die internationale Gemeinschaft hätte viel schneller helfen müssen. Das macht einen in der Tat ein Stück weit wütend, fassungslos, aber auch selbstkritisch bei der Frage, wie wir eigentlich darauf reagiert haben. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist so – ich will das noch einmal betonen –: Die Weltgemeinschaft hat versagt, weil sie die Dimension der Krise nicht schnell genug erkannt hat und nicht schnell genug reagiert hat. – Es bringt aber nichts, einseitige Schuldzuweisungen vorzunehmen; versagt hat ja nicht Deutschland allein – wo man vielleicht auch schneller hätte reagieren können –, sondern in der Tat die gesamte Weltgemeinschaft. Wir müssen alles tun, um jetzt in der Krise so schnell wie möglich zu helfen. Wir müssen diese Krise gleichzeitig nutzen, um zu verstehen: Was ist da eigentlich passiert, und wie können wir in zukünftigen Krisen schneller reagieren? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Meiwald? Frank Schwabe (SPD): Ja. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Kollege Schwabe. Ich bin sehr dankbar für die selbstkritischen Worte. Die Frage, die sich für mich noch anschließt, ist aber: In all den Konzepten, all den Anfragen vermisse ich bisher ähnliche präventive Gedanken, auch für die Nachbarländer der drei hauptbetroffenen Staaten. Ist daran gedacht – damit wir uns in vier Wochen nicht wieder vorwerfen müssen, dass wir zu spät sind –, in den Ländern Togo, Ghana, Burkina Faso, Senegal im Bereich Quarantäneeinrichtungen, zum Beispiel im Bereich „präventive Ausbildung von Personal“, jetzt schon tätig zu werden? Frank Schwabe (SPD): Ich nehme einmal an, dass daran gedacht ist; ich kann es Ihnen im Detail nicht sagen. Ich sage nur, dass auch wir in Deutschland angewiesen sind auf das, was die WHO – sie ist dafür zunächst einmal zuständig – uns an Empfehlungen gibt. Ich kann – das ist bei Herrn Huber gerade ein bisschen angeklungen – auch nicht helfen, zu sagen: Da muss auch eine gewisse kritische Auseinandersetzung mit der Politik der Weltgesundheitsorganisation stattfinden. Ich war letzte Woche in Genf. Auf den Fluren wird geraunt, dass es auch etwas damit zu tun haben könnte, dass bei der Vogelgrippe 2005 aus heutiger Sicht möglicherweise zu stark alarmiert wurde, hohe Kosten entstanden sind. Vielleicht war deswegen jetzt eine Neigung da, nicht zu früh zu alarmieren. Insofern wäre die Beantwortung Ihrer Frage: Wir müssen uns verlassen auf das, was die Weltgesundheitsorganisation macht. Nach dem, was ich höre, gibt es auch ein Konzept dafür, wie man mit den Nachbarländern umgeht; jedenfalls sind wir uns, glaube ich, darin einig, dass das dringend notwendig ist und dass wir das hier auch gemeinsam fordern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen ganz zweifellos sauber analysieren, was bei der Weltgesundheitsorganisation passiert ist und was da nicht passiert ist. Das hat natürlich etwas zu tun mit der Vielzahl der humanitären Krisen. Ich will wirklich verstehen: Was ist da passiert, welche Alarmmechanismen haben nicht entsprechend funktioniert? Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen der WHO und den Institutionen, die wir in der Bundesrepublik Deutschland und in der Europäischen Union haben? Wir haben in den letzten Wochen hier sehr intensiv über Waffenlieferungen diskutiert. Ich will auch an dieser Stelle noch einmal sagen – ich habe das schon angesichts der Nordirak-Debatte gesagt, in der ich mich für die Waffenlieferungen ausgesprochen habe –: Wir haben manchmal eine Neigung, sehr engagiert über militärische Einsätze zu diskutieren, verglichen damit aber eine fehlende Neigung, über humanitäre Hilfe zu diskutieren, weil das vielleicht irgendwie weniger spannend ist für die Öffentlichkeit; ich weiß es nicht. Das steht aber in keinem Verhältnis zu der Chance, Menschen auf dieser Welt zu helfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da muss sich in den nächsten Monaten und Jahren etwas ändern. Wir haben jetzt ein Hilfsniveau erreicht, das immer noch nicht ausreichend ist; aber ich glaube, wir sind uns jetzt einig: Die Weltgemeinschaft reagiert jetzt der Krise entsprechend angemessen. Ich will mich dem Dank natürlich anschließen, auch dem Dank an die 500 Freiwilligen – wahrscheinlich sind es während der Debatte schon wieder mehr geworden –, die sich gemeldet haben, will allerdings auch ausdrücklich sagen: Aus meiner Sicht muss sich das nicht auf die Bundeswehr beschränken – so habe ich es aber auch nicht verstanden –, sondern ein gemeinsames Nachdenken darüber, wie auch andere Freiwillige bewegt werden können, mitzuhelfen, das macht, glaube ich, Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn da die Federführung bei dem Vorgehen?) Ich will noch einmal ausdrücklich den vielen Hilfsorganisationen danken, die alle genannt worden sind, vorneweg natürlich den Ärzten ohne Grenzen. Sie haben eine gewisse Kritik geübt, auch an der Bundesrepublik Deutschland. Ich finde, wenn das jemandem zusteht, dann dieser Organisation, in der Menschen täglich wirklich ihr Bestes geben; viele sind im Einsatz gestorben. Ich will noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass man spenden kann. Es gibt da so eine Aktion, wo man sich Wasser über den Kopf schütten sollte. Vielleicht hat das noch nicht jeder getan. Wenn es also eine Organisation gibt, für die ich wirklich bitten würde, zu spenden, dann wären das, wie gesagt, die Ärzte ohne Grenzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Am Ende will ich noch einmal sagen – da müssen wir jetzt jede Debatte nutzen, auch wenn das ein bisschen nervt –: Es geht darum, in den Haushaltsdebatten dafür zu sorgen, dass der Titel für die humanitäre Hilfe mit mehr Mitteln ausgestattet wird. Die gegenwärtige Ausstattung ist nicht ausreichend. Ich habe in den Debatten der letzten Wochen wahrgenommen, dass auch der Finanzminister den Kopf gewiegt hat und ein bisschen auch genickt hat; er hat, glaube ich, verstanden, dass die Mittel für humanitäre Hilfe nicht ausreichen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich glaube – das ist etwas, was wir in diesem Hause wirklich einheitlich herstellen können –, dieses Parlament muss die Kraft haben, auf die Krise zu reagieren und den Titel für humanitäre Hilfe deutlich anzuheben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Schwabe. – Letzter Redner in der Debatte: Thomas Stritzl für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Stritzl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ausmaß der Katastrophe – so hat es der Herr Staatsminister vorhin zu Recht formuliert – macht fassungslos. In der Tat: Die Länder Westafrikas brauchen unsere Unterstützung, und wir werden sie leisten. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Opposition durch ihre Beiträge selbst dem Verdacht ausgesetzt hat, hierzu eigentlich kaum in der Lage zu sein. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Was?) Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Wer versucht, die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland mit den Vorwürfen zu überziehen, sie seien am Ausmaß der Katastrohe schuld oder hätten zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen, dient nach meiner festen Überzeugung nicht dem Anliegen dieser eigentlich ernsten Debatte in diesem Haus. (Beifall bei der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Haben Sie überhaupt zugehört? – Max Straubinger [CDU/CSU]: Genau! Das ist nur politisches Klein-Klein!) Sie dienen nicht den Menschen, um die es geht, und sie dienen nicht einmal Ihrer eigenen Partei. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ich habe den Eindruck, Sie hatten sich das vorher schon aufgeschrieben und haben dann gar nicht mehr zugehört!) – Gnädige Frau, Sie können gerne Ihr Recht, eine Zwischenfrage zu stellen, in Anspruch nehmen. Ich will ganz konkret hinzufügen: Wenn diese Bundesregierung sagt, sie sei – bei aller Anspannung, die die Bundeswehr zu tragen hat – bereit, mit den Transall vor Ort den Lufttransport sicherzustellen, dann geht es um Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr, die ihr Leben einsetzen, damit andere überleben können. Und da geht Ihr Sprecher hier hin und diffamiert diese Soldatinnen und Soldaten, indem er sagt, das stehe im völligen Gegensatz zu humanitärer Hilfe. Ich sage Ihnen: Das ist humanitäre Hilfe, wie sie besser gar nicht sein kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie haben überhaupt nichts verstanden! Falsche Vorwürfe! Das ist wirklich unwürdig, was Sie hier sagen! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sie haben ja überhaupt nicht zugehört! Unterirdisches Niveau!) Ich muss Sie ganz ehrlich auffordern: Nehmen Sie das zurück, und entschuldigen Sie sich bei unseren Soldatinnen und Soldaten! (Beifall bei der CDU/CSU) Alle, die sich vor Ort und unter Einsatz ihres Lebens Respekt erarbeitet haben, verdienen ihn. Ich finde, wir sollten ihn hier auch entsprechend zum Ausdruck bringen. Sie stemmen sich mit ihrer unermüdlichen Arbeit vor Ort gegen das dortige grausame Sterben. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch sind sie nicht da!) Sie wollen verhindern, dass sich die Zukunft verdunkelt, eine Zukunft, die wir mit der Begrifflichkeit „Kontinent der Chancen“ neu umschreiben wollen. Ebola hat in seiner jetzigen Ausformung nicht nur das Potenzial, in der Region verheerend zu wirken, sondern es löst auch in unseren Köpfen Angst und damit Distanz und Abstand aus. Das hier Geleistete und auf der anderen Seite auch das, was vor Ort in Liberia schon jetzt geleistet worden ist, machen deutlich: Die Strukturhilfe von außen ist unerlässlich, aber sie war es auch schon vorher. Das ist -übrigens auch der Sinn des Appells der Ministerpräsidentin, dieser tapferen Frau, aus Liberia. Sie sagt: Wir haben eure Hilfe gebraucht, und wir haben sie von dieser Bundesregierung – übrigens auch von Frau Merkel – in beeindruckendem Maße erfahren. Wir brauchen sie jetzt, aber wir brauchen sie insbesondere auch für die Zukunft. – Das ist auch eine Aufforderung an uns selber: hinschauen, nicht wegschauen, mutig bleiben und nicht verzagen. Die Menschen des Kontinents der Chancen haben uns gebraucht, brauchen uns und werden uns auch in Zukunft brauchen. Unsere Hilfe von heute wird also für die gemeinsame Zukunft von morgen entscheidend sein. Dabei kann jeder – auch aus unserem Kreis – seinen persönlichen Beitrag leisten, wie auch die Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gesagt hat; denn – das hat uns heute ja der Regional-direktor der WHO für Afrika, Herr Dr. Sambo, auch gesagt – vor Ort fehlt es an allem. Wir können also einen persönlichen Beitrag leisten, und weil ich es selber erfahren habe, will ich ausdrücklich sagen: Ich danke auch den Unternehmen der deutschen Gesundheitswirtschaft, die bereit sind, hier zu spenden und zu unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU) Eine Unterstützung wird insbesondere aber auch durch den Antrag von CDU/CSU und SPD geleistet. Das, was die Regierungsfraktionen heute vorlegen, dient dem Land, seinen Menschen und der gemeinsamen Zukunft im Sinne des Kontinents der Chancen. Stimmen Sie bitte zu, tragen Sie ihn mit! Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD] – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir stellen das heute gar nicht zur Abstimmung! Deshalb können wir gar nicht abstimmen! Sie bringen das durcheinander!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Stritzl. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Kollege Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kollege Stritzl, Sie haben hier einige Behauptungen erwähnt, die in meinem Redebeitrag nicht zu finden sind. Anscheinend haben Sie eine andere Rede verfolgt als die, die ich hier gehalten habe. Das kann natürlich passieren. (Beifall bei der LINKEN) Meine Kritik bezog sich auf den Zeitpunkt der Reaktion der Bundesregierung. Es gab im Juni einen dringenden Appell von Ärzte ohne Grenzen, dass die Situation außer Kontrolle zu geraten drohe. Auf diesen Appell hin erfolgte allenfalls eine Erhöhung der Geldmittel, aber schon damals wurde klargestellt, dass es nicht in erster Linie um mehr Geld, sondern um medizinisches Personal und Isolierstationen vor Ort ging. Vor Ort fehlen Ärzte und Betten. Erst jetzt hat die Bundesregierung angefangen, darauf zu reagieren; und das ist eben viel zu spät. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zur Lage vor Ort: Es ist natürlich völlig klar, dass ein Patient vor Ort lieber einen Arzt sieht, der ihm hilft, als einen Soldaten. Das liegt doch auf der Hand. (Beifall bei der LINKEN – Charles M. Huber [CDU/CSU]: Warum sind dann die Ärzte umgebracht worden?) Mein Dank und auch der Dank meiner Fraktion geht an alle, die vor Ort bereit sind, auch unter Einsatz ihres Lebens zu helfen: den zivilen Helfern und auch den Angehörigen der Bundeswehr, die bereit sind, dort zu helfen. Das ist doch völlig klar. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN – Charles M. Huber [CDU/CSU]: Afrika hat eine geringere Aversion gegen die Bundeswehr als die Linke!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Stritzl, wenn Sie mögen, dann können Sie antworten. Sie brauchen es aber nicht. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Es stellt sich die Frage, ob er zugehört hat!) Thomas Stritzl (CDU/CSU): Herr Kollege, ich bedanke mich bei Ihnen. Ich habe Ihnen zugehört, aber vielleicht nutzen Sie einmal die Chance, ins Protokoll zu schauen, um zu sehen, was Sie wirklich gesagt haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Ich kenne meine Rede! Das ist der Unterschied!) – Lesen hilft. Erster Punkt. Es ging um die Frage, was unsere Soldaten dort leisten können. Das, was sie dort leisten können, hat die Bundesregierung umschrieben. Es hat ja keiner gesagt, dass kein Sanitäter dorthin geht. Es gibt auch bei der Bundeswehr Ärzte. Sie insinuieren hier, Soldaten täten etwas Schlechtes. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Habe ich überhaupt nicht gesagt! Ich gebe es auf! Ist gut!) Unsere Soldaten vor Ort sind bereit, etwas Gutes zu tun. Das sollten Sie anerkennen und nicht umdrehen. Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweiter Punkt. Wir unterstützen in der Tat auch die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen. Es ist kein Geheimnis, dass diese Bundesregierung vor Ort aktiv war, aktiv ist, aktiv sein wird und das ausbauen will; das weiß jeder. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Zuhören würde helfen bei Ihnen!) Ich glaube, es ist das richtige Vorgehen, dass das jetzt in einen Antrag gegossen wurde, über den wir heute diskutieren und zu gegebener Zeit abstimmen werden. Das Parlament muss ja auch seine Meinung kundtun können. Das sollten wir heute tun. Leider haben Sie diese Chance etwas verpasst. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zu den Entschließungsanträgen. Über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 18/2607 wird nicht abgestimmt, sondern er soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und zur Mitberatung an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union, an den Ausschuss für Gesundheit, an den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, an den Auswärtigen Ausschuss, an den Haushaltsausschuss, an den Verteidigungsausschuss und an den Innenausschuss überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/2608. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt bei Ablehnung der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion, Zustimmung der Linken und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/2609. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen, Ablehnung von CDU/CSU- und SPD-Fraktion und Enthaltung der Linken. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, 25. September 2014, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen spannenden weiteren Tag. (Schluss: 17.00 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aken, Jan van DIE LINKE 24.09.2014 Alpers, Agnes DIE LINKE 24.09.2014 Beckmeyer, Uwe SPD 24.09.2014 Da?delen, Sevim DIE LINKE 24.09.2014 Dr. De Ridder, Daniela SPD 24.09.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 24.09.2014 Groth, Annette DIE LINKE 24.09.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 24.09.2014 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 24.09.2014 Dr. Hendricks, Barbara SPD 24.09.2014 Horb, Margaret CDU/CSU 24.09.2014 Korte, Jan DIE LINKE 24.09.2014 Kretschmer, Michael CDU/CSU 24.09.2014 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 24.09.2014 Dr. Malecha-Nissen, Birgit SPD 24.09.2014 Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 24.09.2014 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.09.2014 Radomski, Kerstin CDU/CSU 24.09.2014 Scheuer, Andreas CDU/CSU 24.09.2014 Dr. Steinmeier, Frank-Walter SPD 24.09.2014 Strässer, Christoph SPD 24.09.2014 Veit, Rüdiger SPD 24.09.2014 Weiss (Wesel I), Sabine CDU/CSU 24.09.2014 Anlage 2 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 4): Wann wird das von der Bundesregierung zugesagte Feldlazarett zur Unterstützung Liberias bei der Bewältigung der Ebolaepidemie geliefert, und erwägt die Bundesregie-rung – so wie es die Organisation Ärzte ohne Grenzen in ihrem offenen Brief an die Bundeskanzlerin sowie in Interviews (zum Beispiel am 18. September 2014 im Deutschlandfunk) fordert –, auch das zum Aufbau und Betrieb nötige qualifizierte Personal zur Verfügung zu stellen? Die Bundeswehr plant die Abgabe von Material zum Aufbau einer Behandlungseinrichtung mit einer Kapa-zität von 50 Betten. Dieses Material kann binnen 10 bis 14 Tagen bereitgestellt werden. Das Material soll zum Betrieb der Einrichtung an OCHA, das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen, die Weltgesundheitsorganisation WHO oder eine geeignete Nichtregierungsorganisation, gegebenenfalls Ärzte ohne Grenzen oder DRK, übergeben werden. Die Auswahl des Partners ist noch nicht abschließend geklärt. Der tatsächliche Lieferzeitpunkt wird in Absprache mit dem Partner festgelegt werden. Bei Bedarf kann der Partner auch beim Aufbau unterstützt werden. Überdies wird die Bundesregierung das Deutsche Rote Kreuz sowohl finanziell als auch logistisch dabei unterstützen, ein mobiles Krankenhaus mit mehr als 200 Betten sowie zwei Basisgesundheitsstationen in der Region aufzubauen und zu betreiben. Anlage 3 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 5): Welche Ergebnisse hat die Prüfung der Bundesregierung für weitere Unterstützung aus deutschen zivilen und staatlichen Kapazitäten ergeben (vergleiche www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/09/2014-09-17-ebola.html), um den von der Ebolaepidemie betroffenen Staaten Westafrikas kurzfristig zu helfen, und welche Ergebnisse hat die Konferenz am 15. September 2014 in Brüssel zur Koordinierung der Hilfsangebote der EU-Mitgliedstaaten ergeben? Die Bundesregierung wird ihre finanzielle Unterstützung für die Weltgesundheitsorganisation, internationale humanitäre Organisationen und Nichtregierungsorganisationen weiter aufstocken, von 12 auf 17 Millionen Euro. Die Verfügbarkeit weiterer Mittel zur Finanzierung von Materiallieferungen wird geprüft. Die Bundeswehr plant die Einrichtung einer Luftbrücke in die betroffenen Länder zum Transport von Hilfsmaterialien und Personal. Unterstützungsmöglichkeiten für die Ausbildung internationaler und lokaler medizinischer Helfer werden geprüft. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Kata-strophenhilfe kann aus vorhandenen Beständen bei Bedarf kurzfristig umfangreiche medizinische Ausrüstung zur Verfügung stellen. Das Technische Hilfswerk wird sich nach Bedarf an der logistischen Unterstützung der Hilfsmaßnahmen in Deutschland sowie in der Region beteiligen. Deutschland ist bereits stark engagiert bei der Bereitstellung medizinischer Diagnostik. Hier wäre bei Bedarf Aufstockung möglich. Bei der Konferenz vom 15. September in Brüssel ging es um die Klärung des Bedarfs und die Abstimmung von Hilfsleistungen. Dabei wurden als wichtige Fragen unter anderem die Rekrutierung von medizinischem Personal, die Evakuierung erkrankter Helfer und der Aufbau weiterer Behandlungszentren identifiziert. Die Lösung dieser Frage wird auch auf EU-Ebene geprüft. Anlage 4 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 6): Inwiefern hat die Bundesregierung Schritte unternommen, die in Bahrain zwischenzeitlich verhaftete, im Land festgesetzte Menschenrechtsaktivistin Maryam al-Chawadscha, die unter anderem wegen „Beleidigung des Königs in sozialen Medien“ angeklagt wird (vergleiche www.thetimes.co.uk/tto/news/world/middleeast/article4192532.ece), zu unterstützen, und welche Schlussfolgerung zieht sie aus dem Umgang der bahrainischen Regierung mit der Aktivistin für ihr Verhältnis zu Bahrain? Maryam al-Chawadscha ist nach sieben Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Bundesregierung setzt sich in Gesprächen mit bahrainischen Stellen immer wieder für die Garantie rechtsstaatlicher Verfahrensweisen ein. Sie fördert bahrainische Menschenrechtsinstitutionen wie die National Institution for Human Rights, die in ihrem kürzlich erschienenen Jahresbericht mehr Meinungsfreiheit und die Aufhebung von Beschränkungen in der Versammlungsfreiheit einforderte. In diesem Bericht wurde auch eine Neuregelung der Untersuchungshaft gefordert, die ihrer Einschätzung nach zu rasch und für zu lange Zeiträume verhängt wird. Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung. Das neu eingerichtete Büro des Ombudsmans, das ebenfalls von der Bundesregierung unterstützt wird, geht Beschwerden über Behandlung in der Haft nach. Die Familie Chawadscha hat hier bisher keine Beschwerde eingereicht. Anlage 5 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 7): Wie schätzt die Bundesregierung die in dem am 8. September 2014 im Papier „The Power These Men Have Over Us“ von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichen Berichte über Vergewaltigungen und andere Sexualdelikte durch Soldaten der AMISOM-Einheiten der Afrikanischen Union in Somalia ein, und welche Schritte hat sie im Rahmen der Europäischen Union, die die Gehälter der AMISOM-Soldaten bezahlt, unternommen, um diese Vorfälle zu ahnden und in Zukunft zu verhindern? Die Bundesregierung nimmt diesen erschütternden Bericht sehr ernst. Die darin gemachten Angaben werden als glaubwürdig eingeschätzt. AMISOM als Mission leistet ohne Zweifel einen entscheidenden Beitrag für die Sicherheit der Bevölkerung und die Zukunft Somalias. Aber auf der Ebene einzelner Soldaten ist es dem Bericht zufolge jedoch zu einer Reihe von äußerst bedrückenden Verfehlungen gekommen. Danach haben Soldaten unter Ausnutzung ihrer dienstlichen Machtstellung dem Schutzauftrag der Mission zuwidergehandelt, indem sie die Schwäche schutzbedürftiger somalischer Frauen und Mädchen missbrauchten. Diese Straftaten müssen aufgeklärt und geahndet werden. Nach den rechtlichen Rahmenbedingungen obliegt die straf- und disziplinarrechtliche Verfolgung derartiger Delikte den jeweiligen Truppenstellern. In Gesprächen im EU-Verbund vor Ort mit AU und AMISOM sowie mit den truppenstellenden Ländern wurden und werden die Vorwürfe thematisiert. Der EU-Botschafter in Kampala wird im ugandischen Außenministerium démarchieren und die Sorge über die im Human-Rights-Watch-Bericht niedergelegten Vorwürfe ausdrücken. Dabei wird ihn der deutsche Botschafter in Kampala begleiten. In Burundi wurde durch die EU-Delegation bereits in dieser Frage demarchiert. Die betroffenen Soldaten sind laut Aussage des Außenministers bereits unehrenhaft aus Somalia abgezogen worden. Es wird auf Lösungen gedrungen, um das Bewusstsein für diese Thematik zu stärken und künftig Vorfälle dieser Art zu verhindern. Anlage 6 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 9): Welche eigenen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Waffenlieferungen aus NATO-Staaten an die Ukraine (siehe http://orf.at/stories/2245718/), und kann die Bundesregierung dabei gegebenenfalls ausschließen, dass von NATO-Staaten auch Waffen aus deutschen Waffenexporten an die Ukraine weitergegeben werden? Im NATO-Rahmen ist vereinbart, dass Unterstützungsanfragen der ukrainischen Regierung bezüglich militärischer Ausrüstung rein bilateral zu behandeln sind. Die NATO hat keine sogenannte Clearinghouse-Funktion für Ausrüstungshilfen oder sonstige Unterstützungsmaßnahmen, die der Ukraine von NATO-Bündnispartnern zur Verfügung gestellt werden. Daher hat die Bundesregierung keinen Überblick über bilaterale Lieferungen einzelner NATO-Bündnispartner. Voraussetzung für Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in NATO-Staaten ist ebenso wie für diejenigen in andere Staaten in der Regel die Vorlage einer Endverbleibserklärung mit einer Re-Export-Klausel, nach der eine Weitergabe der Rüstungsgüter in Drittstaaten nicht ohne Zustimmung der Bundesregierung erfolgen kann. Anfragen bezüglich einer Weitergabe von Rüstungsgütern aus NATO-Staaten in die Ukraine wurden nicht gestellt. Anlage 7 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 10): Inwieweit kann die Bundesregierung bestätigen, dass der „finanzielle Einfluss (des ukrainischen Oligarchen) Igor Kolomoiskij auf die politische Riege der Ukraine (es ihm) erlaubt …, der neuen Führung des Landes praktisch seine Spielregeln zu diktieren“ (www.welt.de/wirtschaft/article 131480672/In-der-Ukraine-tobt-der-Krieg-der-Oligarchen. html), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Die Bundesregierung kann die aus den Medien zitierte Aussage, dergemäß der finanzielle Einfluss von Igor Kolomoiskyj es ihm erlauben würde, der neuen Führung des Landes seine Spielregeln zu diktieren, aus eigenen Erkenntnissen nicht bestätigen. Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 11): Welche Erkenntnisse  – auch nachrichtendienstliche – hat die Bundesregierung zur Finanzierung der Terrorgruppe „Is-lamischer Staat“, IS, bzw. „Islamischer Staat im Irak und in -Syrien“, ISIS, durch staatliche Behörden und/oder Einzelpersonen (www.standard.co.uk/news/world/qatari-minister-angrily-denies-claims-country-is-funding-isis-9741714.html)? Nach Erkenntnissen der Bundesregierung erfolgt die Finanzierung der Terrororganisation IS durch die Erpressung von Schutzgeldern sowie Einnahmen aus Ölfeldern, Enteignungen, Wegzoll und anderen Formen kriminellen Handelns sowie Spenden aus dem In- und Ausland. Der Bundesregierung liegen darüber hinaus keine Erkenntnisse zur Finanzierung der IS-Terrorgruppe oder gelisteter Einzelpersonen durch staatliche Behörden vor. Der Emir von Katar hat dies in seinen jüngsten Gesprächen mit dem Bundespräsidenten und der Bundeskanzlerin für Katar ausdrücklich ausgeschlossen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 13): Auf welche Weise hat das Bundesministerium des Innern bzw. das ihm unterstellte Beschaffungsamt geprüft, ob der im April 2014 herausgegebene und wegen des „öffentlichen Interesses“ auch publik gemachte „No-Spy-Erlass“ überhaupt rechtlich einwandfrei ist und nicht gegen Vergaberichtlinien verstößt, bitte auch mitteilen, wer die Überprüfung vornahm und auf welche Fundstellen einschlägiger Verordnungen oder Richtlinien sich diese stützt, und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus einem Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes (VK 2 – 39/14) vom Juni 2014, wonach der in den europäischen Richtlinien vorgegebene Katalog der zulässigen Eignungsanforderungen bzw. der Ausschlussgründe abschließend sei und nicht durch den Auftraggeber „beliebig erweitert werden“ kann, Bieterinnen und Bieter demnach „nicht für die allgemein geltende Rechtsordnung, der sie unterworfen sind, haftbar gemacht werden (können), ansonsten stünde die Eignungsprüfung nicht in Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen“? Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des an das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern gerichteten Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 30. April 2014 – Geschäftszeichen 11032/23#14 – erfolgte durch das Bundesministerium des Innern nach Konsultation des Beschaffungsamts des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur im Erlass enthaltenen Eigenerklärung und Vertragsklausel anhand der nachstehenden Rechtsgrundlagen: – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I Seite 1750, 3245), das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I Seite 1066) geändert worden ist, – Vergabeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 2003 (BGBl. I Seite 169), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom – 15. Oktober 2013 (BGBl. I Seite 3854) geändert worden ist, – Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A, Ausgabe 2009 vom 20. November 2009 (BAnz. Nummer 196a vom 29. November 2009) sowie – Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen, Ausgabe 2009 vom 18. November 2009 (BAnz. Num-mer 85a vom 8. Dezember 2009). Durch die genannten Vorschriften wird unter anderem das Vergaberecht der Europäischen Union umgesetzt, namentlich die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABI. EU L 134 vom 30. April 2004, Seite 114). Aus vergaberechtlicher Sicht stellt die Vertragsklausel kein Element dar, das im Rahmen der Prüfung der Eignung des Bieters oder Bewerbers zu berücksichtigen ist. Die Vertragsklausel ist eine sogenannte Ausführungsbedingung nach § 97 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die im Rahmen der Auftragsausführung zwingend vom Auftragnehmer zu berücksichtigen ist. Die diesbezüglich verlangte Eigenerklärung ist die ausdrückliche, schriftliche Bestätigung des Bieters/Bewerbers, diese Ausführungsbedingung später auch einzuhalten. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 14): Wann und wie – bitte zu ändernde Gesetze und Verordnungen enumerativ auflisten – wird die Bundesregierung den Satz „Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen“ aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD umsetzen? Die Meinungsbildung der Bundesregierung zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 20): Wie viele Personen mit Riester-Zulagenförderung haben seit dem Jahr 2002 ihren individuellen Zulagenanspruch in voller Höhe geltend gemacht – bitte nach Jahren und Geschlecht differenzieren –, und hält die Bundesregierung die Inanspruchnahme der Zulagenförderung durch Geringverdienerinnen und Geringverdiener für ausreichend? Zur genauen Anzahl der Personen, die ihren Zulageanspruch in den von Ihnen gefragten Jahren ab 2002 vollständig ausgeschöpft haben, kann ich Ihnen gern eine Tabelle nachreichen. Im Beitragsjahr 2011 haben 2 480 613 Männer und 3 939 388 Frauen ihren Zulagenanspruch vollständig ausgeschöpft. 2002 waren es 615 243 Männer und 847 134 Frauen. Werden die Zulageempfänger des zuletzt vollständig ausgewerteten Beitragsjahres 2010 nach ihrem Jahreseinkommen, das der Zulageberechnung zugrunde liegt, differenziert, so zeigt sich, dass 46,5 Prozent von ihnen ein Einkommen von weniger als 20 000 Euro erzielten. Daran zeigt sich, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Geringverdiener – wie auch kinderreiche Familien – beim Aufbau einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge im Rahmen der Riester-Rente von den zum Teil erheblichen Förderquoten pro-fitieren – je nach Fallgestaltung können diese über 90 Prozent betragen. Dies wurde auch durch die für den Alterssicherungsbericht 2012 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführte Personenbefragung zur „Verbreitung der Altersvorsorge 2011“ bestätigt. Unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter zwischen 25 und 65 Jahren besitzen Geringverdiener sogar etwas häufiger einen Riester-Vertrag als Besserverdiener. Während knapp 42 Prozent der Personen mit einem Bruttolohn von weniger als 1 500 Euro pro Monat angaben, über einen Riester-Vertrag für das Alter vorzusorgen, sind es insgesamt gut 35 Prozent der Beschäftigten. Im Übrigen hat der Gesetzgeber bereits Maßnahmen beschlossen bzw. wird sie noch ergreifen, die den weiteren Auf- und Ausbau der zusätzlichen Altersversorgung – Riester-Rente, betriebliche Altersversorgung – insgesamt stärken und von denen auch Geringverdiener profitieren werden. Dazu gehören im Bereich der Riester-Rente unter anderem die mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz eingeleiteten und nunmehr verordnungsrechtlich umzusetzenden Verbesserungen im Verbraucherschutz, wie etwa die Einführung eines Produktinformationsblatts und verschiedene Kostenbegrenzungen. Hintergrund: Tabelle (Stand 15. Mai 2014) Beitragsjahr Männer Frauen Gesamt 2011* 2 480 613 3 939 388 6 420 001 2010 2 209 355 3 570 247 5 779 602 2009 2 025 837 3 330 741 5 356 578 2008 2 027 162 3 264 649 5 291 811 2007 1 729 285 2 740 637 4 469 922 2006 1 289 363 2 013 059 3 302 422 2005 919 955 1 359 110 2 279 065 2004 689 368 1 041 309 1 730 677 2003 721 603 1 020 936 1 742 539 2002 615 243 847 134 1 462 377 * Es handelt sich hierbei um Zwischenergebnisse, da die Anträge auf eine Zulage noch bis Ende 2013 gestellt werden können. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Fragen des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Fragen 21 und 22): Beabsichtigt die Bundesregierung, noch dieses Jahr den Gesetzentwurf für die Verlängerung der bis Ende 2018 befristeten Energiesteuerermäßigung für Erdgas, CNG: Compressed Natural Gas, und Autogas, LPG: Liquefied Petroleum Gas, vorzulegen? In welcher Höhe und mit welcher Laufzeit soll die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verankerte Verlängerung der Energiesteuerermäßigung für Erdgas, CNG, und Autogas, LPG, über das Jahr 2018 hinaus erfolgen? Zu Frage 21: Dass bereits in diesem Jahr ein entsprechender Gesetzesvorschlag vorgelegt wird, halte ich für unrealistisch. Die Umsetzung bedarf einer gründlichen Vorbereitung, insbesondere, weil die Maßnahme unter Umständen erhebliche Steuerausfälle zur Folge haben kann. Laut -Koalitionsvertrag gilt der Grundsatz einer unmittelbaren, vollständigen und dauerhaften Gegenfinanzierung im gleichen Politikbereich. Zu Frage 22: In der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie vom Sommer 2013 wurde unter anderem festgelegt, dass im Falle einer Verlängerung der Steuerermäßigung für Erdgaskraftstoff und Autogas über das Jahr 2018 hinaus die Begünstigung degressiv gestaffelt und befristet ausgestaltet werden soll. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie infrage zu stellen. Auch der Koalitionsvertrag bekennt sich zur Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 23): Inwieweit plant die Bundesregierung Maßnahmen, um die durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften beschlossene Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Lieferungen von Edelmetallen und unedlen Metallen sowie von Tablet-Computern und Spielekonsolen mit einer zeitlichen Übergangsfrist zu versehen, sodass die gesetzlichen Änderungen nicht bereits zum 1. Oktober 2014 in Kraft treten, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit die Wirtschaft zeitliche Probleme bei der Umsetzung der Änderungen im Rahmen der Buchführung hat? Das Bundesministerium der Finanzen hat gemeinsam mit den obersten Finanzbehörden der Länder beschlossen, den in der Frage genannten Unternehmern, die von der Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers betroffen sind, eine längere Umstellungsfrist bis zum 31. Dezember 2014 zu ermöglichen. Unternehmern, denen es möglich ist, die Neuregelung anzuwenden, haben die Wahl und können beide Regelungen anwenden. Auch eine Reihe von betroffenen Wirtschaftsverbänden, insbesondere des Metall- und Stahlhandels, haben gefordert, die Anwendung der Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers zu verschieben. Diese Forderung wurde damit begründet, dass die Neuregelung für die Unternehmen wegen umfangreicher Umstellung der Abrechnungssysteme kurzfristig nicht umsetzbar ist. Diese von den Verbänden angesprochenen Probleme waren nachvollziehbar. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Richard Pitterle (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 24): In welcher Gesamthöhe wird derzeit Kindergeld an Steuerpflichtige für Kinder gewährt, die sich nicht in Deutschland aufhalten, und inwieweit plant die Bundesregierung Einschränkungen bei der Zahlung des Kindergeldes für die genannte Fallkonstellation? Nach der in Anhang A-18 auf Seite 88 des Abschlussberichts des Staatssekretärsausschusses zu „Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten“ vom 27. August 2014 abgebildeten Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit wurde zum 31. Dezember 2013 für 91 886 Kinder, die ihren Wohnsitz außerhalb von Deutschland haben, Kindergeld gewährt. Die daraus resultierenden Zahlungen können rechnerisch mit rund 200 Millionen Euro jährlich beziffert werden. Die Gewährung von Kindergeld an Kinder, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat wohnen, geht auf europarechtliche Vorgaben zurück, die von Deutschland auch eingehalten werden. Der oben genannte Abschlussbericht enthält einen Prüfauftrag zur Höhe des Kindergeldes für Kinder mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 25): Welche Maßnahmen strebt die Bundesregierung an, um die Bereitstellung von Wagniskapital steuerlich zu fördern, und welche Erkenntnis hat die Bundesregierung darüber, in welchem Umfang eine steuerliche Förderung die Bereitstellung von Wagniskapital erhöht? Die Bundesregierung prüft, wie die Vereinbarung des Koalitionsvertrags zur Förderung von Wagniskapital ausgefüllt werden können. Das Bundeskabinett hat heute beschlossen, Wagniskapital steuerlich durch die Einführung einer Steuerbefreiung für den INVEST-Zuschuss für Wagniskapital zu fördern. Die Steuerfreistellung ist im Entwurf des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften enthalten (§ 3 Nummer 71 EStG-E). Des Weiteren wird sich die Bundesregierung für die Beibehaltung der Steuerbegünstigung des Carried Interest (§ 18 Absatz 1 Nummer 4 in Verbindung mit § 3 Nummer 40a EStG) einsetzen, deren Aufhebung von einzelnen Ländern gefordert wird. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 26): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die ökonomische Wirkung von Patent- und Lizenzboxen, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die ökonomische Wirkung einer steuerlichen Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen? Die G-20-Finanzminister haben am vergangenen Wochenende in Cairns fristgemäß die ersten sieben Ergebnisse der Arbeiten zu international abgestimmten Standards gegen BEPS verabschiedet. Ein Teilbereich dieses Projekts sind die Arbeiten der OECD zu schädlichem Steuerwettbewerb. Dies betrifft insbesondere Regelungen, mit denen mobile Einkünfte wie Lizenzeinnahmen steuerlich privilegiert werden, sogenannte Patentboxen. Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass solche Vergünstigungen nur gewährt werden dürfen, wenn eine hinreichende wirtschaftliche Substanz zugrunde liegt. Hier sind noch weitere Gespräche erforderlich. Grundsätzlich kann innerhalb fairer Grenzen über steuerliche Maßnahmen zur FuE-Förderung nachgedacht werden. Diese müssen aber vor dem Hintergrund der bestehenden und sehr zielgerichteten direkten Förderinstrumente für Forschung und Entwicklung beurteilt werden. Diese Instrumente haben sich in Deutschland bewährt. Steuerliche Maßnahmen müssen sich außerdem in die notwendige Haushaltskonsolidierung einfügen. Eigene Studien über die ökonomische Wirkung von Patent- und Lizenzboxen hat die Bundesregierung nicht durchgeführt, allerdings werden die einschlägigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen in diesem Bereich sorgfältig verfolgt und analysiert. Regelmäßig stellt sich das Problem der Aktualität der den Studien zugrunde liegenden Datenbasen. Zeitverzögerungen ergeben sich, da die Steuerveranlagung ebenso wie die statistische Verarbeitung Zeit erfordert; hinzu kommen Zeitverzögerungen durch faktische Anonymisierungserfordernisse, demzufolge arbeiten viele Forscher mit Daten vor der Unternehmensteuerreform 2008. Hieraus können zwar Wirkungszusammenhänge, nicht aber fiskalische Wirkungen und präzise ökonomische Quantifizierungen hergeleitet werden. Der Erfolg der FuE-Aktivitäten deutscher Unternehmen zeigt jedenfalls, dass wir mit den derzeit praktizierten Förderinstrumenten einen guten Weg gehen. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 31): Warum packt die Bundesregierung das Problem der großen Wartezeitenunterschiede zwischen gesetzlich und privat Versicherten nicht an der Wurzel, indem sie für ein einheitliches Honorarsystem im Rahmen einer Bürgerversicherung sorgt? Die Gründe für Wartezeiten sind unterschiedlich: Neben möglichen Versorgungsengpässen kann insbesondere auch die besondere Frequentierung eines Arztes dazu führen, dass eine kurzfristige Terminvergabe nicht möglich ist. Die Einführung einer Bürgerversicherung würde diese Gründe für Wartezeiten nicht abstellen können. Eine gute, qualitativ hochwertige und gut erreichbare Versorgung überall in Deutschland mit Haus- und Fachärzten ist Voraussetzung, um diese Gründe für Wartezeiten zu beheben. Auch kann eine Terminservicestelle Abhilfe schaffen. Diese Punkte wird die Bundesregierung in einem Versorgungsstärkungsgesetz aufgreifen. Sofern unterschiedlich lange Wartezeiten – unabhängig von anderen Gründen, zum Beispiel Versorgungssituation, Beliebtheit, Praxisorganisation und Auslastung der Arztpraxen – auch durch eine Anpassung der Regeln bei der Verteilung der Gesamtvergütung vermieden werden können, ist dies Angelegenheit der ärztlichen Selbstverwaltung, die hierfür hinreichenden Gestaltungsspielraum hat. Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung und der damit einhergehende Systemwettbewerb hat sich im Hinblick auf die Qualität der Krankenversicherung in Deutschland bewährt. Das deutsche Gesundheitssystem hat im internationalen Vergleich eine hohe Versorgungsdichte und ermöglicht allen Patientinnen und Patienten einen einfachen Zugang zu medizinischen Leistungen. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 32): Inwieweit haben Minderausgaben im Jahr 2014 Auswirkungen auf die Nutzung der durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, BSH, betriebenen Schiffe – bitte Detailangaben zu den Einsatzzeiten der BSH-Schiffe in den Jahren 2013 und 2014 machen? Ob es im Jahr 2014 zu Minderausgaben kommen wird, kann erst nach Ende des Haushaltsjahres beurteilt werden. Zu den Einsatzzeiten der BSH-Schiffe wird auf die nachstehenden Tabellen verwiesen. 2013 Schiff Seever-messung Forschungs- und Erprobungsfahrten Ausfall: Wetter/Reparatur/ Hafen Gesamt VS Komet 168 / 92 260 VS Capella 162 / 88 250 VWFS Atair 139 60 49 248 VWFS Wega 155 47 44 246 VWFS Deneb 179 28 54 261 2014 bis einschließlich August Schiff Seever-messung Forschungs- und -Erpro-bungs-fahrten Ausfall: Wetter/Reparatur/ Hafen Gesamt VS Komet 46 / 120 166 VS Capella 97 / 80 177 VWFS Atair 91 42 33 166 VWFS Wega 99 40 21 160 VWFS Deneb 117 26 22 165 Der hohe Anteil der Liegezeiten für das VS „Komet“ und VS „Capella“ ergeben sich aus umfangreichen Werftaufenthalten der beiden Schiffe im 1. Quartal 2014. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Florian Pronold auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 36): Wie setzt sich die Aufstockung um 130 Millionen Euro auf nunmehr 630 Millionen Euro bei der Wohngeldreform im Bundeshaushalt 2015 (Kapitel 1606 Titel 632 01) konkret zusammen – hier insbesondere bei der Wiedereinführung der Heizkostenkomponente –, und welche klimapolitische Steuerungswirkung wird damit nach Ansicht der Bundesregierung erreicht? Bei der Bewertung der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB, konzipierten Wohngeldverbesserung ist zum einen zu berücksichtigen, dass ohne Wohngeldnovelle die Ausgaben weiter zurückgehen. Zum anderen spiegelt der Ansatz von 630 Millionen Euro die Planung wider, dass die Novelle etwa Mitte des Jahres 2015 in Kraft treten soll. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über die konkrete Ausgestaltung der Wohngeldnovelle ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stefan Müller auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 37): Wie setzen sich die im Bundeshaushalt 2014 genannten Kosten (Kapitel 30 04 Titelgruppe 80 Titel 685 80-641) für den Export der Brennelemente aus dem AVR Jülich für die „US-Option“ zusammen – bitte aufschlüsseln nach vorbereitenden Prüfaufträgen, Forschung, Transport, Lagerung, Aufarbeitung etc. –, und wer trägt die Gesamtkosten? Die im Bundeshaushaltsplan 2014 bei Kapitel 30 04 Titel 685 80 für die „US-Option“ ausgewiesenen Gesamtausgaben des Bundes in Höhe von rund 246 Millionen Euro beruhen auf Informationen des Forschungszentrums Jülich zu einer vorläufigen Kostenabschätzung zwecks vorsorglicher Sicherung der Finanzierung einer möglichen Verbringung der AVR-Brennelemente in die USA. Diese vorläufig und vorsorglich veranschlagten Kosten betreffen Ausgaben für: – die Prüfung der technischen und rechtlichen Machbarkeit einer Verbringung der hochangereicherten AVR-Brennelemente in die USA – als Herkunftsland des uranhaltigen Kernbrennstoffs – und ihrer dortigen schadlosen Verwertung, – eine Räumung des Behälterzwischenlagers Jülich, – einen Transport der AVR-Brennelemente, – eine schadlose Verwertung der AVR-Brennelemente in den USA. Im Falle einer Realisierung jeder Transportoption wären die – dann unmittelbar beim Forschungszentrum Jülich anfallenden – Gesamtkosten von Bund und Land Nordrhein-Westfalen als Zuwendungsgeber zu tragen. Die Erläuterung der unter Nummer 20 im Haushaltsplan ausgewiesenen Kosten im Hinblick auf die „US-Option“ beruht unter anderem darauf, dass die im Bundeshaushaltsplan 2014 erfolgte Veranschlagung von 10 Millionen Euro für das laufende Haushaltsjahr in erster Linie den Finanzierungsanteil des Bundes für die Prüfung der technischen und rechtlichen Machbarkeit einer Verbringung der hochangereicherten AVR-Brennelemente in die USA und ihrer dortigen schadlosen Verwertung betrifft. Diese Prüfungen dauern noch an. Anlage 21 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage des Abgeordneten Jens Spahn (CDU/CSU) (Drucksache 18/2567, Frage 40): Wer haftet nach Kenntnis der Bundesregierung für die durch den unkontrollierten Austritt von Öl aus einer Kaverne im westfälischen Gronau, in der Teile der gesetzlich festgelegten nationalen Ölreserve eingelagert sind, entstandenen Schäden, und für Schäden welchen Umfangs wird gehaftet? Nach allgemeinem Haftungsrecht sind die Betreiber von Untergrundspeichern (Kavernen) für die von ihnen verursachten Schäden verantwortlich. Daher haben Geschädigte zunächst Ansprüche im Sinne der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Zusätzlich enthalten das Bodenschutzrecht und das Wasserrecht Regelungen, die das verursachende Unternehmen zu Sanierungsmaßnahmen bzw. zum Schadensersatz verpflichten. Die konkreten Ersatzpflichten bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls zwischen den Beteiligten, zu denen die Bundesregierung nicht gehört. Allerdings hat nach Auskunft der zuständigen Bergbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen die Versicherung des hier betroffenen Unternehmens bestätigt, dass sie im Rahmen ihrer Haftungspflicht sämtlichen berechtigten Forderungen nachkommen wird. Das Unternehmen hat außerdem der Bergbehörde mitgeteilt, dass es Rückstellungen für Schadensersatz in ausreichender Höhe gebildet habe. Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 41): Nach welchen Kriterien will die Bundesregierung festlegen, wo es Probebohrungen für Schiefergas geben soll vor dem Hintergrund, dass die Ergebnisse des Gutachtens des Umweltbundesamtes zur Schiefergasförderung vom Juli 2014 darauf hinweisen, dass die Gegebenheiten eines möglichen Schiefergasfeldes nicht auf ein anderes übertragbar sind, und wie viele Probebohrungen sind aus Sicht der Bundesregierung notwendig, um im Jahr 2021 zu einer fachlich fundierten Neubewertung der Regelungen zum Fracking zu kommen? In Schiefer- und Kohleflözgesteinen oberhalb von 3 000 Meter wurde in Deutschland die Fracking-Technologie zur Gewinnung von Erdgas bisher noch nicht eingesetzt. Daher haben wir bisher keine umfassenden Erfahrungen über die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Umwelt – insbesondere auf den Wasserhaushalt und den Untergrund. Wissenschaftliche Erprobungsmaßnahmen zu Forschungszwecken sollen die Kenntnislücken schließen. Anlage 23 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/2567, Frage 42): In welchen Aspekten unterscheiden sich die von der Bundesregierung in den Eckpunkten zum Fracking angekündigten Probebohrungen von Erkundungsbohrungen zur Vorbereitung einer kommerziellen Ausbeutung von Gaslagerstätten, und wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die angekündigten Probebohrungen zur Erforschung des Fracking in Schiefer- und Kohleflözgaslagerstätten nicht dazu dienen, die kommerzielle Ausbeutung dieser Lagerstätten vorzubereiten? Die in den Eckpunkten des BMUB und des BMWi aufgeführten Erprobungsmaßnahmen sollen nur zulässig sein, wenn durch diese Maßnahmen die Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich erforscht werden. Anlage 24 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 18/2567, Frage 46): Wie genau will die Bundesregierung sicherstellen, dass Waffen, die an die Peschmerga geliefert werden, nicht weitergegeben werden trotz Endverbleibserklärung, wie bereits im Falle Sig Sauer mit Waffen für die USA geschehen, die trotz Endverbleibserklärung an die kolumbianische Polizei weitergegeben wurden? Den Fällen der Genehmigung der Waffenlieferung an die Regierung der autonomen Region Kurdistan im Irak und der Genehmigung zur Ausfuhr von Pistolen durch die Firma SIG SAUER liegen völlig unterschiedliche Sachverhalte zugrunde. Im Fall der Waffenlieferung an die Regierung der autonomen Region Kurdistan im Irak handelt es sich um eine politische Ausnahmeentscheidung aufgrund der akuten Bedrohung der Bevölkerung im Irak durch die Terrororganisation IS. Die Regierung der autonomen Region Kurdistan im Irak hat der Bundesregierung den Endverbleib der Waffen durch ihre Streitkräfte zugesichert. Die Bundesregierung hat keinen Grund zur Annahme, dass die kurdischen Behörden ihre Zusage nicht einhalten werden. Im Übrigen vertrauen auch unsere Bündnispartner, die ebenfalls die Regierung der autonomen Region Kurdistan im Irak beliefern, auf diese Zusicherungen. Was den Fall SIG SAUER angeht, liegt der Sachverhalt völlig anders. Hier gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das Unternehmen Genehmigungen für das unproblematische Empfängerland USA beantragt hat, obwohl es von Anfang an wusste, dass die Pistolen tatsächlich für Kolumbien bestimmt waren. Dies ist ein wesentlicher Unterschied. Im Übrigen ermitteln in dieser Angelegenheit seit Bekanntwerden der offensichtlichen Verstöße durch das in Rede stehende Unternehmen die zuständigen Staatsanwälte. Abschließend möchte ich in aller Klarheit auch darauf hinweisen, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gegen einen Missbrauch der von uns gelieferten Waffen gibt. Die Bundesregierung hat sich die Entscheidung nicht einfach gemacht und alle Handlungsmöglichkeiten abgewogen. Die Alternative, dem Wirken der IS weiter tatenlos zuzusehen, war für die Bundesregierung jedoch inakzeptabel. Anlagen II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 53. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 24.September 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 53. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 24.September 2014 4835 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 4880 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 53. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 24.September 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 53. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 24.September 2014 4879