Plenarprotokoll 18/68 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 68. Sitzung Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) (Drucksachen 18/2000, 18/2002) 6411 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 (Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826) 6411 B I.1 Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsi-dialamt (Drucksachen 18/2823, 18/2324) 6411 B I.2 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 18/2802, 18/2823) 6411 C I.3 Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 18/2823, 18/2824) 6411 D I.4 a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 18/2808, 18/2823) 6411 D b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 18/2818, 18/2823) 6411 D Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 6412 A Norbert Barthle (CDU/CSU) 6413 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6416 C Johannes Kahrs (SPD) 6418 C Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 6420 B Dr. Axel Troost (DIE LINKE) 6423 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) 6424 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6425 D Norbert Brackmann (CDU/CSU) 6426 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) 6428 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) 6429 C Cansel Kiziltepe (SPD) 6430 D I.5 Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 18/2814, 18/2823) 6432 A Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 6432 B Helmut Heiderich (CDU/CSU) 6433 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6435 A Petra Hinz (Essen) (SPD) 6436 B Hermann Gröhe, Bundesminister BMG 6438 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) 6440 D Burkhard Blienert (SPD) 6441 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6443 A Hubert Hüppe (CDU/CSU) 6444 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 6445 D Birgit Wöllert (DIE LINKE) 6446 C Hilde Mattheis (SPD) 6447 B Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6448 A Reiner Meier (CDU/CSU) 6449 A I.6 a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Drucksachen 18/2807, 18/2823) 6450 D b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 18/2817, 18/2823) 6450 D Roland Claus (DIE LINKE) 6451 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV 6452 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6453 D Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) 6455 C Dennis Rohde (SPD) 6457 C Caren Lay (DIE LINKE) 6459 B Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) 6460 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6462 D Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 6464 A Mechthild Heil (CDU/CSU) 6465 A Metin Hakverdi (SPD) 6466 C Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 6467 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6469 B I.7 Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 18/2806, 18/2823) 6470 A Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 6470 B Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 6472 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6474 A Martin Gerster (SPD) 6475 B Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI 6476 D Dr. André Hahn (DIE LINKE) 6479 C Rüdiger Veit (SPD) 6481 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6482 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 6483 D Dr. Eva Högl (SPD) 6486 A Dr. André Berghegger (CDU/CSU) 6487 C Susanne Mittag (SPD) 6489 C Michaela Engelmeier (SPD) 6490 D Nächste Sitzung 6491 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6493 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nina Warken (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (25. BAföGÄndG) (Drucksache 18/3181) (66. Sitzung, Tagesordnungspunkt 13 a) 6493 C Inhaltsverzeichnis 68. Sitzung Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 Beginn: 10.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Haushaltswoche und hoffe, dass wir sie mit der geübten Verbindung von Ernsthaftigkeit und Gelassenheit bis Freitagmittag hinter uns bringen. Es gibt keine amtlichen Mitteilungen, sodass wir gleich in unsere Tagesordnung eintreten können. Ich rufe die Tagesordnungspunkte I mit den Buchstaben a und b auf: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksachen 18/2000, 18/2002 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826 Wir kommen nun zur Beratung der Einzelpläne, und zwar zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt I.1 auf: Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksachen 18/2823, 18/2824 Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dietmar Bartsch und Ekin Deligöz. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dem zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Einzelplan einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag Drucksachen 18/2802, 18/2823 Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen Johannes Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland Claus und Anja Hajduk. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Einzelplan in der Ausschussfassung. Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch dieser Einzelplan ist damit einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf: Einzelplan 03 Bundesrat Drucksachen 18/2823, 18/2824 Berichterstatter sind die Abgeordneten Ulrich Freese, Kerstin Radomski, Dietmar Bartsch und Tobias Lindner. Ich lasse über diesen Einzelplan in der Ausschussfassung abstimmen. Wer stimmt dafür? – Möchte jemand dagegen stimmen? – Oder sich der Stimme enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch der Einzelplan 03 einstimmig angenommen. Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten I.4 a und I.4 b: a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen Drucksachen 18/2808, 18/2823 b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof Drucksachen 18/2818, 18/2823 Berichterstatter für den Einzelplan 08 sind die Abgeordneten Norbert Brackmann, Hans-Ulrich Krüger, Gesine Lötzsch und Tobias Lindner. Berichterstatter für den Einzelplan 20 sind die Abgeordneten Michael Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn und Tobias Lindner. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dietmar Bartsch. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich der erste Redner in der Haushaltswoche bin, will ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Haushaltsausschusses sowie bei den vielen fleißigen Mitarbeitern in den Ministerien, insbesondere bei jenen, die für Haushaltsfragen zuständig sind, zu bedanken. Das war eine wertvolle Unterstützung für die Regierung und auch für die Opposition. Herzlichen Dank! Es war wieder toll mit Ihnen. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir hatten sehr interessante Haushaltsberatungen. Da wurde ein erster Haushaltsentwurf vorgelegt, der im Ergebnis genau eine schwarze Null vorsah. Dann hatten wir intensive Beratungen. Es gab gewaltige Veränderungen. Es gab auch gewaltige Veränderungen bei den Rahmenbedingungen; zum Beispiel ist die Prognose zum Wachstum des -Bruttoinlandsprodukts im nächsten Jahr von Herrn Gabriel nach unten korrigiert worden – von 2,0 Prozent auf 1,5 Prozent. Die EU-Kommission sieht das alles noch problematischer: Sie geht von einem Wachstum von 1,1 Prozent aus. Die Steuereinnahmen sind rückläufig. Ich könnte jetzt viele Beispiele für dunkle Wolken, die am Himmel sind, aufzählen. Dazu kommen die Krisenherde im Nahen Osten, in der Ukraine usw. Doch wie von Zauberhand haben wir nach Monaten wieder einen Entwurf, der genau eine schwarze Null vorsieht. Das ist aber ein Zufall! – Das ist keine seriöse Haushaltspolitik; das kann keine seriöse Haushaltspolitik sein. Das ist der Versuch, sich ein Denkmal zu setzen. Herr Schäuble, sagen Sie bitte laut und deutlich, dass Sie sich kein Denkmal zulasten künftiger Generationen setzen wollen. Denn das ist in diesem Haushalt angelegt. Ich will einige Punkte nennen. Zunächst: Wir haben eine blamable Investitionsquote. Wir als Opposition – die Grünen genauso – haben bereits bei den letzten Haushaltsberatungen darauf hingewiesen. Sie versuchen jetzt, dies zu überdecken, indem Sie sagen: In den Jahren 2016 bis 2018 legen wir 10 Milliarden Euro drauf. – Beim Gipfel der G-20-Staaten wurde beschlossen, dass in den nächsten Jahren zusätzlich 1,6 Billionen Euro investiert werden sollen. Die 10 Milliarden Euro, die Deutschland investieren will, würden dabei 0,5 Prozent ausmachen. Na, das ist ja mal eine Investitionsquote! – Das ist blamabel, meine Damen und Herren! Angesichts der Situation unserer Straßen, unserer Brücken und der digitalen Infrastruktur muss im Investitionsbereich deutlich mehr getan werden. Experten schätzen den jährlichen Bedarf allein im Bereich der Verkehrsinfrastruktur auf 7 Milliarden Euro. Das DIW – wahrhaftig nicht links – schätzt die inzwischen in Deutschland aufgelaufene Investitionslücke auf jährlich 75 Milliarden Euro in den Jahren 1999 bis 2012. Und Sie halten an diesem Progrämmchen mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro fest – obwohl wir nicht einmal wissen, wer 2018 die Regierung stellt. Nötig wäre ein grundlegender Kurswechsel, nicht nur in der Haushaltspolitik. Wir haben die Große Koalition, aber wo sind denn die großen Reformvorhaben? – Fehlanzeige, meine Damen und Herren! Stattdessen bewegen Sie sich in politischer Geschäftigkeit auf dem Niveau der Dobrindt-Maut; diese sollten Sie nicht ernsthaft versuchen umzusetzen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese Regierung hat weder Lösungen für die entscheidenden tagespolitischen Herausforderungen noch für die Zukunftsfragen. Sie reden darüber, die Märkte zu beruhigen, das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Notwendig wäre aber, an der Gestaltung einer besseren Gesellschaft zu arbeiten. Es darf in diesem Lande niemand mit Existenzangst leben. (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) 1 Million Langzeitarbeitslose: Was geschieht denn mit denen? – Da gibt es nur ein Miniprogramm von Frau Nahles. Jedes Kind in Armut ist eines zu viel, jeder Rentner in Armut ist einer zu viel in diesem reichen Land. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eine Gesellschaft, in der es zwischen den Generationen, zwischen Ost und West und auch bei den Vermögen und Einkommen gerechter zugeht, wäre notwendig. Frau Merkel, gestatten Sie mir eine Bemerkung: Wir haben jetzt zu Recht gemeinsam 25 Jahre Mauerfall gefeiert. Aber wir haben immer noch die Situation, dass wir bei den Renten ein geteiltes Land sind. Jemand, der das Glück hatte, im Osten 25 Jahre zu arbeiten, hat 25 Jahre lang einen niedrigeren Rentenwert erworben. Das ist 25 Jahre nach dem Mauerfall ein Riesenskandal, und im Haushalt wird nichts getan, daran etwas zu ändern. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Stimmt nicht!) Bei der Mütterrente vertiefen Sie diese Spaltung sogar. Das ist inakzeptabel, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Ich will den Kolleginnen und Kollegen der SPD zurufen: Haben Sie Mut! Stehen Sie zu Ihren Wahlkampfversprechen des Jahres 2013. Da war auch manch Kluges dabei, zum Beispiel der Satz: Die finanziellen Mittel für die Rückkehr zu einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik dürfen … nicht durch neue Schulden aufgebracht werden, sondern durch … gerechte Besteuerung … Das ist doch völlig richtig. Dieses Land braucht eine Umkehr der jahrzehntelangen Umverteilung von unten nach oben. Das ist notwendig, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben als Linke konkrete Vorschläge dazu vorgelegt, wie wir die Einnahmen erhöhen wollen. Wir wollen 45 Milliarden Euro mehr einnehmen, und das ausdrücklich nicht durch allgemeine Steuererhöhung. Vielmehr wollen wir diejenigen stärker beteiligen, die leistungs-fähig sind und die über große Vermögen verfügen. Die 500 reichsten Familien in Deutschland besitzen ein Vermögen von 615 Milliarden Euro. Das sind zwei Bundeshaushalte. Das ist doch nicht normal! Da muss man doch etwas tun! Warum ziehen Sie nicht die Einführung einer Millionärsteuer in Erwägung? Warum reformieren Sie nicht die Erbschaftsteuer, wie das noch im Wahlprogramm der Sozialdemokraten stand? In Großbritannien ist die Erbschaftsteuer fünfmal so hoch wie in Deutschland, in Frankreich ist sie viermal so hoch, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch ein Paradebeispiel!) Und in den Vereinigten Staaten ist sie zehnmal so hoch wie in Deutschland. Warum haben Sie nicht den Mut, hier zu reformieren? Niemand will enteignen, aber da muss mehr für das Gemeinwohl abgeschöpft werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) An dieser Stelle will ich Ihnen noch eines sagen: Das vor kurzem aufgedeckte Steuervermeidungsmodell in Luxemburg ist einer der größten Skandale, die man sich überhaupt vorstellen kann. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Da waren die Sozialisten mit dabei, Herr Bartsch! Das war der Juncker nicht allein!) Wer hat Herrn Juncker mit seinen Erfahrungen auf diesem Gebiet eigentlich zum Chef der EU-Kommission gemacht? Wer war in dieser Zeit an der Regierung in unserem Land? Wer hat denn ausgerechnet Herrn Juncker unterstützt? Wie war denn das? Allein die deutschen Großkonzerne haben von 2002 bis 2010 durch diese Modelle 90 Milliarden Euro eingespart – ob sie legal sind, das werden wir erst noch feststellen. Und wir? Wir machen gar nichts. Doch da müsste einmal Druck gemacht werden. Ich will auch ein bisschen an die Moral der Unternehmer appellieren, dass so etwas doch nicht sein kann: Die fleißigen Menschen in unserem Land zahlen Steuern und die Unternehmer suchen sich Modelle wie in Luxemburg, um das zu umgehen. Das, meine Damen und Herren, ist wirklich ein Riesenskandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist der falsche Weg, Haushaltskonsolidierung und Haushaltssanierung zulasten von Zukunftsgestaltung zu betreiben. Auch das Zu-Tode-Sparen der Zukunft ist falsch und geht auf Kosten der jüngeren Generation. Diverse Einzeletats – wir werden darauf zu sprechen kommen – sind chronisch unterfinanziert. Der vorliegende Haushalt zeigt einmal mehr: Die CDU und die unionsgeführte Regierung sind eben nicht der haushaltspolitische Stabilitätsanker. Im Gegenteil: Ihr Kurs ist untauglich für die Gegenwart und stellt eine Fortschrittsbremse dar. Längst ist Handeln angesagt! Ich will mit Molière schließen, der gesagt hat: Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach, wie originell!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Norbert Barthle (CDU/CSU): Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Bartsch, die Linke hat in den Haushaltsberatungen Mehrausgaben von sage und schreibe 54 Milliarden Euro gefordert. Sie haben nur zum Teil darüber gesprochen, wem Sie dieses Geld wegnehmen wollen. Ich finde, Sie sollten einmal genau sagen, wem Sie die 54 Milliarden Euro wegnehmen wollen; (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Gerne!) denn auch für die Linke fällt das Geld nicht vom Himmel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Doch!) Seriös wirtschaften sieht anders aus. Deshalb spreche ich jetzt über unseren Haushalt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Scherz!) Wir, die Große Koalition, schreiben mit dem Bundeshaushalt 2015 Geschichte. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist der erste Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, der einen Haushaltsentwurf ohne neue Schulden vorlegt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir, der Deutsche Bundestag, werden am Freitag erstmals einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden beschließen. Das ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Für uns ist die schwarze Null kein Fetisch. Für uns ist die schwarze Null keine Monstranz oder heilige Kuh, oder, um es mit Wowereit zu sagen, das ist für uns nicht besonders sexy. Vielmehr machen wir das schlicht und einfach, meine Damen und Herren, weil wir der Auffassung sind: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir mit dem Geld auszukommen haben, das uns die Bürgerinnen und Bürger über ihre Steuern, über Gebühren zur Verfügung stellen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Schulen verrotten! Die Brücken verrotten und die Straßen!) Deshalb finanzieren wir die Ausgaben in Höhe von 299,1 Milliarden Euro in diesem Haushalt ohne zusätzliche, ohne neue Schulden. Wir steigen aus aus dem ewigen Kreislauf ständig neuer Verschuldung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Etwas Weiteres beweisen wir damit: Die schwarze Null gefährdet nicht das Wachstum. Im Gegenteil: Das schrittweise Zurückfahren der Verschuldung über die vergangenen Jahre hinweg endet im vorliegenden Haushalt, aber wir haben dennoch Wachstum, wir können dennoch in Zukunft investieren. Beides gehört für uns zusammen. Der zentrale Satz im Haushaltsgesetz 2015 lautet: Im Haushaltsjahr 2015 nimmt der Bund keine Kredite zur Deckung von Ausgaben auf. Das war übrigens, wie ich bereits gesagt habe, lange Zeit nicht so. Selbst 1969 unter Franz Josef Strauß waren im Entwurf noch Schulden in Höhe von 3,6 Milliarden DMark vorgesehen. Im Ist war dann sogar ein Überschuss da. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wer war da dann Finanzminister?) Kompliment also auch an die CSU. Aber dennoch ist dies etwas Neues, was es bisher nicht gab. 1969 gab es also zuletzt einen ausgeglichenen Haushalt. Das war das Jahr, in dem Neil Armstrong den Mond betreten hat und in dem der Berliner Fernsehturm eröffnet wurde – das zur Erinnerung daran, was damals alles passiert ist. Wir haben im Rahmen der parlamentarischen Beratungen den Haushalt nochmals verbessert. Der gute Entwurf des Finanzministers ist noch besser geworden, indem wir die Ausgaben um weitere 400 Millionen Euro abgesenkt und gleichzeitig die Investitionen um 360 Millionen Euro gesteigert haben. Ich möchte nur einige Beispiele für die politischen Schwerpunkte, die wir während der Haushaltsberatungen gesetzt haben, nennen: Wir haben sehr viel für die innere Sicherheit getan. Die Bundespolizei wird mit gut 400 neuen Stellen ausgestattet und bekommt auch mehr Mittel zur Verbesserung der Personalstruktur. Wir geben zusätzliches Geld für moderne Schutz- und Einsatzbekleidung und für Fahrzeuge aus. Wir stellen das THW und auch die Feuerwehren besser. Wir stärken das Bundesamt für Verfassungsschutz; (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist keine gute Idee!) denn das hat derzeit mit der Observation von Salafisten schwierige Aufgaben zu erfüllen. Der Etat wird um 10 Prozent aufgestockt. Das ist für die innere Sicherheit in diesen Tagen dringend notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir kommen aber auch unserer humanitären Verantwortung nach und erhöhen die entsprechenden Mittel im Etat des Auswärtigen Amts und im Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im BMZ, um insgesamt fast 280 Millionen Euro, um damit den aktuellen Entwicklungen in den Krisengebieten Rechnung tragen zu können. Wir erhöhen den Etat für die Kultur wie schon in den Vorjahren deutlich und können damit auch das Denkmalschutzprogramm für national bedeutsame Kulturgüter wiederauflegen. Wir haben das Bauhaus-Jubiläum berücksichtigt. Wir schaffen Vorsorge für die Errichtung eines Museums für die Kunst des 20. Jahrhunderts in Berlin. An dieser Stelle gratuliere ich unserer Staatsministerin Monika Grütters ganz besonders zu diesem wegweisenden Schritt. Das wird für die Zukunft bedeutsam sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Außerdem statten wir die Deutsche Welle besser aus. Gerade die Deutsche Welle hat angesichts der Tatsache, dass andere Sender, die weltweit informieren, mehr Geld ausgeben – dazu gehören zum Beispiel Russia Today und al-Dschasira –, zunehmend Aufgaben zu erfüllen. Es ist nicht einfach, dagegenzuhalten. Wir stocken auch den Verkehrsetat auf. Entsprechende Mittel für Lärmschutzmaßnahmen stehen zur Verfügung, und zwar mehr als bisher. Insbesondere tun wir etwas für die Deutsche Flugsicherung, indem wir ein 500-Millionen-Euro-Programm bis 2019 aufgelegt haben. Das verhindert unverhältnismäßig hohe Gebührenerhöhungen für die Fluggäste und stärkt somit den Luftfahrtstandort Deutschland. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiges Signal. Außerdem hat die Koalition ein Herz für den Sport. Wir erhöhen den Sportetat um 15 Millionen Euro, (Beifall des Abg. Carsten Träger [SPD]) allerdings mit der klaren Aussage an die Organisationen und an den DOSB, dass wir im kommenden Jahr Vorschläge für Strukturreformen erwarten, die es ermöglichen, die Mittel effektiver einzusetzen und somit die Spitzensportförderung in den Zustand zu versetzen, dass wir international wieder wettbewerbsfähiger werden. Sportverbände, Trainer und der Kampf gegen Doping sollen insbesondere profitieren. Wir haben den Personalbestand des Bundes trotz teilweise erheblicher Personalverstärkungen – zum Beispiel 350 zusätzliche Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für die Asylbewerberverfahren – insgesamt reduziert. Im Vergleich zum Jahr 2014 gibt es insgesamt 1 100 Stellen weniger. Der Personalbestand des Bundes umfasst insgesamt 248 400 Stellen. Das sind deutlich weniger als noch im Jahr der Wiedervereinigung. Damals hatten wir 301 500 Stellen allein in den westlichen Bundesländern. Lassen Sie mich zwei Worte zur Kritik der Opposition sagen, die bereits im Vorfeld vorgetragen wurde. Da war immer von Tricksereien und von Schattenhaushalten die Rede usw. usf. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt!) Meine Damen und Herren, davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Da wird nirgendwo getrickst. Wir haben nicht nur eine sehr gute Fassade, sondern auch die Substanz dieses Haushalts stimmt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider eben nicht!) Wir sparen auch nicht an der Zukunft dieses Landes. Das Gegenteil haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Wir haben nicht nur die strukturelle Verschuldung sukzessive zurückgeführt, sondern wir haben auch die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive zurückgeführt. Bei der Neuverschuldung kommen wir von 80 Milliarden Euro, die für das Jahr 2010 vorgesehen waren – am Ende waren es 44 Milliarden Euro –, und haben dann die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive in gleichmäßigen Schritten zurückgeführt. Ich bin zuversichtlich, dass wir ebenso wie in den vergangenen Jahren, als wir jeweils besser abgeschnitten haben, als im Soll vorgesehen war, auch in diesem Jahr besser abschneiden werden und am Jahresende hoffentlich unter der vorgesehenen Nettokreditaufnahme von 6,5 Milliarden Euro bleiben können. Wir halten die Schuldenbremse nicht nur ein; wir bleiben sogar deutlich unter der Grenze der Schuldenbremse. Wir haben die Kriterien bereits 2012 erfüllt, und auch dieses Mal bleiben wir deutlich unter den Vorgaben der Schuldenbremse. Der Abbau der Neuverschuldung hat uns nicht geschadet, meine Damen und Herren. Trotz des Abbaus der Neuverschuldung haben wir ein ordentliches Wirtschaftswachstum. Eine solide und verlässliche Haushaltspolitik schafft Vertrauen, und Vertrauen ist die Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum. Genau diese Formel geht bei uns auf. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die derzeitige Situation ist also nicht irgendeinem glücklichen Umstand zu verdanken und uns einfach in den Schoß gefallen. Natürlich sind die Umstände günstig, natürlich haben wir das Glück niedriger Zinsen; keine Frage. Aber dieses Glück trifft nicht nur uns in Deutschland; die niedrigen Zinssätze der EZB gelten für alle. Man muss sein Glück also auch nutzen, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!) und wir nutzen unser Glück, indem wir richtig haushalten, indem wir richtig wirtschaften. Demzufolge können wir konsolidierte Haushalte vorlegen. Wir haben in diesem Land glücklicherweise eine Beschäftigungsquote, die so hoch ist wie noch nie, und eine Arbeitslosenquote, die so niedrig ist wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union. Aber auch das ist uns nicht in den Schoß gefallen, sondern das muss man sich erarbeiten. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt ja im Haushalt gar nicht gearbeitet!) Somit hat das nur wenig mit Glück zu tun, aber viel mit solider Politik. (Beifall bei der CDU/CSU) Jetzt komme ich zu einem weiteren Vorwurf der Opposition. Die Opposition behauptet immer wieder, wir würden in die sozialen Sicherungssysteme eingreifen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, falsche Richtung!) Meine Damen und Herren, die Deutsche Rentenversicherung verfügt derzeit über Rücklagen in Höhe von gut 33 Milliarden Euro, und wir leisten einen Steuerzuschuss an die Rentenversicherung von jährlich gut 80 Milliarden Euro. Es ist also doch nur vernünftig, damit neue Belastungen zu finanzieren, anstatt die Rücklage noch stärker wachsen zu lassen. Zum Gesundheitsfonds: Wir haben im vergangenen Jahr versprochen, dass wir den Zuschuss an den Gesundheitsfonds, der abgesenkt wurde, sukzessive wieder erhöhen. Das tun wir. In diesem Jahr wird der Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds um 1 Milliarde Euro erhöht. Auch an dieser Stelle lösen wir also unser Versprechen ein. Auch der Gesundheitsfonds verfügt über ordentliche Rücklagen. Das werden am Ende dieses Jahres rund 13 Milliarden Euro sein – zusätzlich zu den Rücklagen, über die die Krankenkassen verfügen. Daher muss kein Versicherter Sorge haben, dass seine Leistungen gekürzt werden. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die zahlen aber Zusatzbeiträge! Das haben fast alle Kassen angekündigt!) – Wenn irgendwo Zusatzbeiträge erhoben werden sollten, Herr Kollege Kindler, dann liegt das an der jeweiligen Kasse, nicht am Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds ist gut gefüllt. Deshalb lautet mein Appell an die Opposition auch an dieser Stelle: Bleiben Sie bei der Wahrheit, und bauen Sie keinen Popanz auf! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nebenbei bemerkt: Die exorbitant niedrigen Zinsen, die, wie gesagt, auf die Zinspolitik der EZB zurückgehen, schlagen sich selbstverständlich auch in den exorbitant niedrigen Zinssätzen für unsere Staatsanleihen nieder. Aber auch diese sehr niedrigen Risikoaufschläge – zehnjährige Staatsanleihen rentieren derzeit mit 0,8 Prozent – muss man sich erarbeiten. Wir haben uns das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte erarbeitet. Auch das ist nichts, was einem in den Schoß fällt. Das ist vielmehr zurückzuführen auf die solide Politik der vergangenen Jahre. Deshalb erlaube ich mir folgenden Hinweis, meine Damen und Herren: Wer sich im europäischen Raum umschaut, stellt sehr schnell fest, dass die gute Situation, in der wir uns befinden, nicht nur mit Zufall und Glück zu tun hat, sondern mit der Politik der vergangenen Jahre zu tun hat. Die Situation in Frankreich ist so, dass Frankreich seine Staatsausgaben in den vergangenen Jahren, zwischen 2010 und 2014, ordentlich erhöht hat: Im Haushaltsentwurf für 2014 waren Ausgabenzuwächse von 2,3 Prozent vorgesehen, für das kommende Jahr sind 1,8 Prozent vorgesehen, obwohl Frankreich unter dem Konsolidierungsdruck seitens der Europäischen Union steht. Wir haben einen Ausgabenzuwachs von 0,9 Prozent. Wenn Sie sich die Entwicklung der Lohnstückkosten anschauen, werden Sie sehr schnell feststellen, dass sie bei uns stabil sind, dass sie in Spanien, in Portugal, in Griechenland deutlich zurückgegangen sind, dass sie aber in Frankreich und Italien gestiegen sind. Das Glück der guten Begleitumstände dieser Zeit trifft also nicht nur Deutschland; es trifft alle. Deshalb ist es bemerkenswert, dass die Staatsquote in anderen Ländern steigt – in Frankreich in dieser Zeit von 56,4 auf 57,9 Prozent –, während wir bei uns in Deutschland eine rückläufige Staatsquote haben. Das ist Ausweis klarer, solider Politik und einer Haushaltspolitik, die Wachstumskräfte möglich macht, anstatt sie zu behindern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Lassen Sie mich abschließend sagen, meine Damen und Herren: Der Haushalt 2015 und die mittelfristige Finanzplanung markieren den Beginn einer neuen und besseren Ära in der Haushaltspolitik des Bundes. Wir werden diesen Weg erfolgreich weiter beschreiten. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Kindler das Wort. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bring uns in Stimmung, Sven!) Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, keine Panik. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nicht vergessen: Liebe Freundinnen und Freunde!) Herr Minister Schäuble, ich will am Anfang zugestehen: Mit Ihrem Haushalt verfolgen Sie eine gute Marketingstrategie. Doch leider ist er die Fortsetzung der alten Schuldenpolitik. Sie verkaufen ihn nur besser als andere. Sie leihen sich zwar das Geld nicht mehr bei der Bank, aber Sie greifen in den Gesundheitsfonds, Sie nehmen bei der Rentenkasse Schulden auf, und Sie fahren die Infrastruktur auf Verschleiß. Die Investitionsquote in diesem Haushalt sinkt rapide. Herr Schäuble, Sie verstecken Ihre Schulden nur in Schattenhaushalten. Das ist unehrlich. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Bei diesem Haushalt steht in der Bilanz ein dickes, fettes Minus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Er lernt einfach nicht dazu!) Zur Wahrheit gehören die versteckten Schulden bei den Sozialkassen. Rund 10 Milliarden Euro verstecken Sie in Schattenhaushalten bei den Sozialkassen, 7 Milliarden Euro bei der Mütterrente, und Sie greifen 2,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds. Und warum? Alles nur, weil die Union zu feige war, eine gerechte Finanzpolitik zu machen, und weil die Union zu feige war, auch hohe Einkommen, hohe Vermögen he-ranzuziehen. Dabei ist jedem hier im Bundestag klar – das sagt auch die Deutsche Rentenversicherung –: Für die Mütterrente darf nicht die Rentenkasse geleert werden. Sie muss aus Steuermitteln bezahlt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch das Projekt der SPD, die Rente mit 63, wird klar teurer; das wird jetzt deutlich. Das ist aber sowieso die falsche Antwort. Die Rentenkasse ist 2018 leer. Insgesamt machen Sie im Rahmen des Rentenpaketes nichts gegen Altersarmut. Das ist nicht nur unverantwortliche Finanzpolitik, sondern auch ein krasses Versagen bei diesem zentralen Gerechtigkeitsthema. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Plünderung des Gesundheitsfonds führt übrigens dazu, dass fast alle gesetzlichen Krankenkassen jetzt schon angekündigt haben, 2015 Zusatzbeiträge zu erheben. Wozu führt Ihr Griff in die Sozialkassen? Große Einkommen werden geschont, und kleine und mittlere Einkommen, die Beitragszahler, werden die Zeche für Ihren Haushalt zahlen. Ich sage Ihnen: Das ist extrem ungerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Ich finde einfach, Herr Schäuble, Sie handeln fahrlässig, ignorant und zukunftsvergessen. Sie setzen weiterhin auf das Prinzip Hoffnung. Machen wir uns doch einmal ehrlich: Bei der Steuerschätzung gab es viele glückliche Einmaleffekte. Ohne diese Einmaleffekte wäre sie doch eine Katastrophe für Sie geworden. Zu den Einmaleffekten gehören: 1,3 Milliarden Euro weniger bei den Zinsen, Sie bekommen 2015  2,2 Milliarden Euro von der Europäischen Union zurück, und 2015 gibt es einen Sondereffekt bei der Postbeamtenversorgungskasse in Höhe von 560 Millionen Euro. Das macht Einmaleffekte in Höhe von 4 Milliarden Euro. Das ist viel Glück! (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Glück hat nur der Tüchtige! Das wissen Sie!) Sie machen am Haushalt aber nichts Strukturelles. Diese Arbeitsverweigerung, dass Sie nichts Strukturelles machen, wird uns später noch teuer zu stehen kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Ich finde, angesichts der historisch niedrigen Zinsen, der extrem großen Einmaleffekte 2015, Ihres Glückes und der gleichzeitig in den Sozialkassen versteckten Schulden ist dieser Haushalt kein Grund, um sich auf die Schulter zu klopfen. Diesen Haushalt mit seinen versteckten Schulden hätte jeder Bundesfinanzminister irgendwie hingebogen; (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eben nicht! Das ist es ja!) diesen Haushalt hätten auch Theo Waigel und Hans Eichel hingebogen. Aber mit Ehrlichkeit und Leistung hat dieser Haushalt nichts zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Sie trauen sich nicht, strukturell etwas an diesem Haushalt zu ändern. Sie schichten nicht um, Sie entrümpeln nicht, es gibt keinen Subventionsabbau und keine Verbesserung bei den Einnahmen. Dabei gibt es in Bezug auf den Haushalt genug zu tun. Es gibt kaum Investitionen; die Investitionsquote im Finanzplan sinkt. Investitionen in den Klimaschutz und die Energiewende muss man mit der Lupe suchen, Investitionen in das Breitband sind 2015 Fehlanzeige. Sie verschlafen Investitionen in gute Bildung und gute Kitas und bauen lieber neue Autobahnen, statt jetzt bestehende Straßen und Brücken zu erhalten. Das heißt, Sie fahren diese Gesellschaft auf Verschleiß. Dieser Haushalt lebt von der Substanz, und das ist einfach total zukunftsvergessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch Sie, Herr Schäuble, haben jetzt gemerkt, dass die Kritik an den Investitionen gesessen hat. Statt aber substanziell zu arbeiten, machen Sie weiter mit Ihrer Marketingstrategie. Zu dem 10-Milliarden-Euro-Paket, das Sie bei der Steuerschätzung verkündet haben, haben Sie im Haushaltsausschuss selbst gesagt, es gehe Ihnen hier vor allen Dingen um eine gute Kommunikationsstrategie. Das sieht man leider auch an diesem Paket. Es hat nur wenig Substanz, und das Ergebnis ist ziemlich ernüchternd: In 2015 gibt es nichts, diese 10 Milliarden Euro werden über drei Jahre verteilt, sodass es pro Jahr nur etwas über 3 Milliarden Euro sind, und im Finanzplan sowie im Haushalt ist bisher nichts gegenfinanziert. Insgesamt ist das leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben daneben noch eine zweite Marketingstrategie. Seit Monaten höre ich von Herrn Schäuble und Herrn Gabriel, dass sie mehr privates Kapital für Investitionen aktivieren wollen. Das hört sich erst einmal gut an. Mir wird aber angst und bange, wenn ich höre, wie. Sie wollen nämlich einen neuen Vorstoß für öffentlich-private Partnerschaften. Dabei zeigt der Bundesrechnungshof am Beispiel Straßenbau schon jetzt, dass dies zu Mehrkosten in Milliardenhöhe führt. Durch die höheren Zinskosten und die hohen Renditeerwartungen der Unternehmen führt dies dazu, dass die Schuldenbremse umgangen wird, dass es teuer wird und dass Schattenhaushalte aufgebaut werden. Insgesamt ist das ein Ausverkauf von öffentlicher Infrastruktur mit gravierenden Folgen. Ich sage Ihnen: Diese ÖPP-Strategie ist ein gefährlicher und teurer Irrweg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Stattdessen sollten Sie im Haushalt lieber klare Prioritäten bei den Investitionen setzen, und das muss man auch solide gegenfinanzieren. Da muss man am Haushalt auch einmal arbeiten, indem man zum Beispiel umschichtet und entrümpelt. Da muss man das Betreuungsgeld streichen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) und Milliarden bei Rüstungsdesastern einsparen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das nehmen Sie aber zurück! Der hat Nerven!) Da muss man bei den Ausgaben für neue Autobahnen kürzen und dafür den Erhalt von Straßen finanzieren, und da muss man auch einmal an die Subventionen he-rangehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Der Staat verbrennt durch umweltschädliche Subventionen jedes Jahr 50 Milliarden Euro. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Oje!) Davon könnte man 2015 schnell rund 9 Milliarden Euro abbauen: bei den Subventionen für die Flugindustrie, das Erdöl, den Agrardiesel und die schweren Dienstwagen. Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie mit dieser klimaschädlichen Subventionspolitik auf! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Staat ist strukturell unterfinanziert. Deswegen muss man auch die Einnahmeseite verbessern, weswegen wir zum Beispiel dafür sorgen wollen, dass Kapitaleinkommen genauso wie Arbeitseinkommen wieder progressiv besteuert werden und die ungerechte Abgeltungsteuer abgeschafft wird; denn wir brauchen in Deutschland endlich mehr Steuergerechtigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Durch Entrümpeln, Umschichten, Subventionsabbau und Einnahmeverbesserungen können wir in diesem Haushalt pro Jahr einen Spielraum von mehr als 10 Milliarden Euro schaffen: für Innovationen, für Investitionen und für Gerechtigkeit. Wir Grüne haben hier viele Änderungsanträge eingebracht. Ich will nur einmal drei Schwerpunkte nennen: Erstens wollen wir, dass die Energiewende wieder an Fahrt gewinnt. Wir wollen mit einem Energiesparfonds im Umfang von 3 Milliarden Euro dafür sorgen, dass Wohnungen und Gebäude saniert werden, und so das Klima schützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen zweitens dafür sorgen, dass es überall schnelles Internet gibt: von Stralsund bis Konstanz. Deshalb wollen wir 1 Milliarde Euro für den Breitbandausbau einsetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Drittens wollen wir noch mehr für Flüchtlinge tun: im Nordirak und in Syrien, aber auch hier vor Ort in Deutschland, in den Kommunen. Der Winter steht jetzt vor der Tür. Wer nach Deutschland flieht, darf hier nicht in Zelten oder Turnhallen schlafen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Deswegen wollen wir die humanitäre Hilfe in Ländern wie Syrien und dem Irak und deren Nachbarländern deutlich erhöhen, und wir wollen 1 Milliarde Euro in Deutschland zur Unterstützung von Flüchtlingen und Kommunen einsetzen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Mehr Geld ausgeben, aber weniger Steuern!) Diese 1 Milliarde Euro haben jetzt ja auch Sigmar Gabriel und die SPD angekündigt. Ich finde es schön, dass Sie jetzt Verantwortung übernehmen wollen. Schauen Sie deswegen nicht mehr weg, und stimmen Sie unserem Antrag am Freitag bitte zu, liebe SPD! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja keinen eigenen!) Ich bin sehr gespannt. Man muss sagen: Dieser Haushalt hat eine schillernde Fassade, aber dahinter bröckelt es gewaltig. Es gibt in diesem Haushalt viele Verlierer: das Klima und die Energiewende; die Flüchtlinge; Kinder und Jugendliche, denen es an Bildung fehlt; Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen Sie in die Tasche greifen und die die Zeche für Ihren Haushalt zahlen. Herr Schäuble, Ihr Haushalt enthält viele versteckte Schulden, und es wird kaum investiert. Sie finanzieren diesen Haushalt auf dem Rücken von vielen Menschen: hier in Deutschland und im Rest der Welt. Deswegen werden wir diesen Haushalt ablehnen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Johannes Kahrs ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt heute ein Haushalt vor, der bemerkenswert ist. Er ist deswegen bemerkenswert, weil wir seit ewigen Zeiten das erste Mal keine neuen Schulden machen. Das ist ein Grund, sich parteiübergreifend zu freuen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja leider nicht so!) Wenn man aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt hat, dass es immer gute Gründe gibt, mehr Geld auszugeben, dann weiß man, dass es nicht leicht ist, keine neuen Schulden zu machen. Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, aber das ist leider keine. Der Kollege Norbert Barthle hat gesagt, dass es eigentlich selbstverständlich sein müsste, keine neuen Schulden zu machen. Da hat er eigentlich recht. (Zuruf von der CDU/CSU: Eigentlich!) Auf der anderen Seite haben wir das noch nie so gehalten. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt auch nicht!) Weil wir das noch nie so gemacht haben, ist diese Debatte an diesem Tag so bedeutsam. Wir müssen einfach einmal verinnerlichen, dass wir heute etwas Selbstverständliches machen, was wir in den letzten Jahren aber nicht getan haben. Das wirklich Gute an diesem Haushalt ist nicht, dass wir es einmal geschafft haben, keine neuen Schulden zu machen, sondern es ist die Bereitschaft bei, wie ich glaube, allen Parteien in diesem Hause, das nicht nur in diesem Haushalt zu schaffen, sondern auch in den Haushalten der nächsten Jahre. Sinn macht diese Veranstaltung nämlich nur, wenn wir dauerhaft keine neuen Schulden machen. Das ist der Punkt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir als Sozialdemokraten haben zusammen mit der Union in der letzten Großen Koalition dafür gesorgt, dass die Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen wird. Wir haben auch auf unseren Parteitagen immer beschlossen: Wir wollen keine neuen Schulden machen. Ich bin mir sicher, auch die Union hat immer Ähnliches gemacht. Jetzt aber wird es getan. Wichtig ist, dass wir über diese Linie die Schuldenbremse erreichen. Es ist gut, dass uns das so gelungen ist. Herr Minister Schäuble, ich bin dankbar, dass dies in guter Zusammenarbeit mit Ihrem Hause gelaufen ist. Im Gegensatz zu dem Kollegen Bartsch glaube ich auch nicht, dass es ein Zufall war, dass wir als Ergebnis langer Haushaltsberatungen – dabei waren wir durchaus unterschiedlicher Ansicht – keine neuen Schulden gemacht haben, sondern das war harte Arbeit, lange, harte Arbeit. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?) – Herr Kollege, das ist schlicht und einfach so. Seien Sie doch einfach einmal glücklich darüber, dass uns das gelungen ist. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt euch gestritten, aber nicht gearbeitet!) Es gibt immer viele Möglichkeiten und gute Gründe, mehr Geld auszugeben. Hier ist es uns einfach gelungen, das nicht zu tun. Wichtig ist für uns alle das Vorhaben, dass das nicht nur für 2015 gilt, sondern auch für 2016, 2017, 2018, 2019, 2020. Das ist nachhaltige Politik. Das ist genera-tionengerechte Politik. Das heißt, dass man nachfolgenden Generationen keine Schuldenberge hinterlässt. Es heißt aber auch, dass man mit dem vorhandenen Geld auskommen muss, dass man also, wenn es Wünsche und Bedarfe gibt, auch einmal innerhalb eines Etats und zwischen Etats umschichten muss. Das haben wir in der Vergangenheit alle nicht geschafft, weil wir immer lieber mit frischem Geld neue Schulden gemacht haben, statt uns an bestehenden Besitzständen abzuarbeiten und damit die eine oder andere Interessengruppe, die eine oder andere Lobby in diesem Land gegen uns aufzubringen. Davor haben wir immer Angst gehabt. Deswegen haben wir immer mehr Geld ausgegeben. Eigentlich aber wissen wir alle, dass es natürlich Bereiche gibt, wo gespart werden kann. Ehrlich gesagt: In Zeiten, in denen es uns gut geht, in Zeiten, in denen wir hohe Steuereinnahmen haben, in denen wir eine geringe Arbeitslosigkeit haben, ist das, was wir hier machen, keine Atomphysik; das gebe ich zu. Aber sollte sich das einmal wieder ändern, sollten die Zeiten wieder schwieriger werden, ist das eine große Herausforderung. Wir haben das, was die Risiken angeht, schon angesprochen. Wenn die Zinsen wieder auf ein halbwegs normales Niveau steigen, wie es sich jeder deutsche Sparer oder jeder, der eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, wünscht, und bei 3 oder 4 Prozent liegen, dann zahlen wir nicht mehr wie jetzt 25 Milliarden Euro jährlich an Zinsen. Dann sind es 45 Milliarden, 50 Milliarden oder, wenn wir Pech haben, 60 Milliarden Euro. Dann in diesem Haushalt keine neuen Schulden zu machen, das ist die eigentliche Herausforderung. Das wird man bei jedem Etat beachten müssen. Damit wiederum werden sich Haushaltspolitiker relativ unbeliebt machen. Dann werden Fraktionssitzungen nicht so charmant sein wie jetzt, wo man als Haushälter – Kollege Barthle hat es angesprochen – noch die eine oder andere vernünftige Sache umsetzen kann, sondern dann muss man erklären, warum man die eine oder andere eigentlich gute Sache nicht mehr macht. Das wird die Herausforderung werden. Deswegen sind diese Haushaltsberatungen meines Erachtens nicht das, was die Opposition zum Besten gibt, wenn sie von einer Nullnummer oder versteckten Schulden spricht. Wenn wir alle gemeinsam sagen: „Das ist ein Anfang, der auch Konsequenzen haben muss, und das muss über die Jahre durchgezogen werden“, dann ist das ein wichtiger Haushalt. Dann ist es auch ein historischer Haushalt, und dann haben wir alle wirklich etwas geleistet. Deswegen ist das nicht nur Glück – deswegen ist es auch nicht nur ein Zufall, Herr Bartsch –, sondern es ist harte Arbeit, die man durchzieht. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt nicht! Jetzt ist es nicht harte Arbeit!) Das kann man dann auch in der mittelfristigen Finanzplanung sehen. Ich glaube, Herr Kindler, dass es keine Geschenke sind, wenn man einen Mindestlohn oder die Rente mit 63 durchsetzt, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!) die das Pendant zur Rente mit 67 ist. Denn all diejenigen, die wie ich erst sehr spät ins Arbeitsleben eingetreten sind, weil sie studiert haben, können gerne bis 67 arbeiten, während diejenigen, die mit 15, 16, 17 oder 18 Jahren angefangen haben, zu arbeiten, und das körperlich nicht länger können, gerne mit 63 in Rente gehen können. Das ist vernünftig, richtig und vor allen Dingen gerecht. Deswegen ist das kein Geschenk. (Beifall bei der SPD) Das Gleiche gilt übrigens auch für die Mütterrente, die wir auch mitgetragen haben. Sie ist richtig und vernünftig. Das sind keine Geschenke. Man muss nur darauf achten, dass sie entsprechend finanziert werden. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber ihr habt sie nicht richtig finanziert!) Wenn man sie jetzt beschließt, dann muss man sie auch dauerhaft finanzieren. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das habt ihr aber nicht gemacht!) Denn das ist der Sinn dieser Veranstaltung. Deswegen ist es richtig, dass man sich darüber Gedanken macht, was man steuerpolitisch tut. Kollege Barthle hat es schon gesagt: Wir haben etwas im Bereich der Flugsicherung getan. Wir haben es leider nicht geschafft, uns die Luftverkehrsteuer zu schenken, die von Schwarz-Gelb in der letzten Legislaturperiode als Steuererhöhungsmaßnahme eingeführt worden war. Gut, das hat nicht geklappt. Aber im Ergebnis hat dieser Haushalt, glaube ich, gezeigt, dass man beides machen kann: keine neuen Schulden und gleichzeitig auch noch ein paar vernünftige Sachen. Ob beim THW, der Bundespolizei oder der Bundeszentrale für politische Bildung – du hast es schon erwähnt, Norbert Barthle –: Ich glaube, das sind Maßnahmen, die man durchführen muss, damit man in dem einen oder anderen Punkt vernünftige und gerechte Zustände hinbekommt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber das, was diesen Haushalt wirklich auszeichnet, ist, dass die beiden großen Volksparteien in diesem Land sich geschworen haben, dass wir keine neuen Schulden machen wollen. Wenn die Zeiten schlechter werden, dann muss hart gespart werden. Wenn wir das durchziehen, dann haben wir etwas geleistet. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das könnt ihr ja nicht! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ihr was durchziehen würdet, dann hättet ihr was geleistet! Das ist ja nicht so! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Guckt einfach zu!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister, Dr. Wolfgang Schäuble. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat nach der Wahl beschlossen, dass wir ab 2015 den Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung fahren wollen. Dieses Versprechen halten wir ein und setzen wir heute um. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Das hat mit einem Denkmal wenig zu tun; machen Sie sich keine Sorgen, Herr Kindler. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er falsch gesagt!) – Das ist offenbar sogar Ihnen peinlich. Aber von dem, was Sie gesagt haben, ist Ihnen manches auch peinlich. Das war auch nicht Ihr bester Beitrag heute, mit allem Respekt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Schäuble, das muss doch jetzt nicht sein!) Ich kann ja verstehen, dass es für Sie, nachdem Sie in Meinungsumfragen gesehen haben, dass es sogar die Anhänger der Oppositionsparteien in großer Mehrheit für richtig halten, dass wir keine neuen Schulden machen, (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Aber auf welchem Weg?) ein bisschen schwierig ist, hier dagegen zu polemisieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber entscheidend ist etwas anderes. Eine nachhaltige, verlässliche und berechenbare Finanzpolitik, die Wort hält, ist ein Anker für Vertrauen. Vertrauen ist in einer Zeit, wo die wirtschaftliche Lage hochfragil und nervös ist, ein ganz wichtiges Kapital für eine nachhaltige, stabile wirtschaftliche Entwicklung. Es ist übrigens nicht ganz von alleine gekommen, dass die breite Mehrheit des wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstands in Deutschland diese Finanzpolitik für richtig hält. Die Wirtschaftsforschungsinstitute der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose haben sich in ihrem aktuellen Herbstgutachten klar für diese Finanzpolitik ausgesprochen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich ebenfalls klar für diese Finanzpolitik ausgesprochen. Sie reden gegen die breite Überzeugung der Bevölkerung wie des wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstands in Deutschland, wenn Sie diese Finanzpolitik kritisieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Natürlich ist das wirtschaftliche Umfeld seit der Einbringung des Bundeshaushalts ein Stück weit schwieriger geworden. Im ersten Halbjahr konnten wir uns vor Prognosen kaum retten, die jede Woche die wirtschaftliche Entwicklung für die nächsten Jahre noch positiver eingeschätzt haben. Die Bundesregierung war eher auf der zurückhaltenden Seite. Im dritten Quartal dieses Jahres ist es dann plötzlich gekippt. Nun sind jeden Tag Meldungen zu lesen, dass es ein bisschen schlechter wird als im Frühjahr vorhergesehen. Das wird gleich als schlechte Nachrichten verstanden. Aber wir sind nicht in einer Rezession und auch nicht in einer Wirtschaftskrise. Die Wachstumsentwicklungen sind nicht ganz so gut wie im Frühjahr vorhergesehen. Aber wir sind nahe an der Normalauslastung unserer wirtschaftlichen Kapazitäten. Wir haben ein höheres Wachstum als in den zurückliegenden Jahren. Deswegen wäre es ein schwerer Fehler, wenn wir die Krise jetzt durch unbedachtes Gerede geradezu herbeireden würden. Davor kann ich nur warnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Herr Kollege Kindler, wenn ich den Versuch einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem, was Sie als Marketingstrategie bezeichnet haben, unternehmen darf: Ich bin gar nicht so anspruchsvoll. Ich wollte bewusst vermeiden – das habe ich so im Haushaltsausschuss und bei vielen anderen Gelegenheiten öffentlich bekannt –, dass eine Meldung, dass die Steuereinnahmen ein bisschen langsamer wachsen als noch vor fünf oder sechs Monaten geschätzt, erneut als eine negative Nachricht verstanden wird; denn wenn wir noch ein paar Missverständnisse dieser Art haben, dann entsteht die Krise einfach nach dem Prinzip der Selffulfilling Prophecy. Wir reden sie dann herbei. Genau das dürfen wir nicht machen. Deswegen habe ich gesagt: Nein, wir haben eine ordentliche wirtschaftliche Auslastung in einem schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Umfeld. Aber damit wird sich die Bundestagsdebatte vermutlich morgen in der Generalaussprache stärker beschäftigen. Darum muss ich mich heute nicht kümmern. Aber es ist völlig klar, dass sich das wirtschaftliche bzw. geopolitische Umfeld auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Einschätzungen und die Erwartungen auswirkt. Dass das etwas schwächer gewordene wirtschaftliche Umfeld in Europa auch für Deutschland als das Land, das am meisten von der wirtschaftlichen und politischen Integration Europas profitiert, Auswirkungen hat, ist auch nicht zu bestreiten. Deswegen ist es für uns entscheidend und wichtig, dass wir in Europa Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive und zugleich Anker von Verlässlichkeit und Vertrauen bleiben. Wenn wir uns nicht an die Regeln in -Europa halten, können wir es auch nicht von anderen erwarten. Schließlich haben wir es leichter als andere. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Damit es da gar keinen Zweifel gibt: Wir haben nach wie vor eine gesamtstaatliche Schuldenstandsquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von annähernd 75 Prozent. Wir werden sie in den nächsten Jahren auf unter 70 Prozent zurückführen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja, das sollten wir nicht vergessen!) Wir erfüllen damit – und nur damit – die Verpflichtung des europäischen Regelwerks, dass wir bis in die 2020er-Jahre unsere Schuldenstandsquote auf 60 Prozent unserer gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft zurückführen. Deswegen sage ich noch einmal: Wenn wir uns nicht an die europäischen Regeln halten, wie sollen wir es dann von anderen, die es aktuell schwerer haben, verlangen? Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Finanzpolitik machen, auch als Beitrag zur Überwindung der Schwierigkeiten in Europa. Weil Sie den G-20-Gipfel in Brisbane und anderes angesprochen haben, will ich folgende Bemerkung machen: Auf dem G-20-Gipfel haben wir wieder und wieder erklärt – am Ende ist das von den Staats- und Regierungschefs in Brisbane genau so in der Gipfelerklärung beschlossen worden –: Für ein nachhaltiges Wachstum sind Strukturreformen, mehr Investitionen und eine nachhaltige Finanzpolitik entscheidend. Eine nachhaltige Finanzpolitik wird immer vergessen. Wie man sagen kann, wir könnten mehr für die Infrastruktur tun, indem wir die Ausgaben für den Autobahnbau kürzen – auch das haben Sie in Ihrer Rede gesagt –, hat sich mir nicht ganz erschlossen. Wenn wir Probleme bei der Verkehrsinfrastruktur haben, sollten wir vielleicht mehr dafür tun, dass wir dort, wo Bedarf ist, zum Beispiel bei den Bundesfernstraßen, investieren. Man kann doch nicht sagen, wir müssten dort kürzen. Da mussten Sie Ihren Kotau vor der umweltpolitischen Komponente Ihres Parteitages, der gerade stattgefunden hat, machen. Das sei Ihnen verziehen, aber Sie verlieren ein bisschen Seriosität mit dieser Argumentation. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Schäuble! Das ist doch Umschichten im Haushalt! Das wissen Sie doch!) Es gilt auch in Europa: nachhaltige Finanzpolitik. Natürlich muss das in jedem Land nach den jeweiligen Möglichkeiten erfolgen. Diesen Zusammenhang wird die Europäische Kommission, die sich neu gebildet hat, berücksichtigen, wenn sie die Haushalte der Mitgliedstaaten jetzt beurteilt. Sie wird zu allen ihre Kommentare abgeben, und wir werden darüber in den europäischen Räten zu beraten und zu befinden haben. Das geschieht auf der Grundlage der Entscheidungen der Europäischen Kommission. Aber kein Zweifel kann daran bestehen, dass wir alle, wo notwendig, Strukturreformen fortsetzen müssen. Wenn Europa nicht insgesamt daran arbeitet, wettbewerbsfähig zu bleiben oder wieder zu werden, dann wird Europa insgesamt irrelevant werden. Wir wollen, dass Europa insgesamt stark wird. Dazu leistet die deutsche Finanzpolitik einen Beitrag, nicht mehr, aber auch nicht weniger. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deswegen werden wir auch im Rahmen dieser Finanzpolitik, aber eben nicht anstelle einer soliden und nachhaltigen Finanzpolitik, alle Spielräume für zusätzliche Investitionen nutzen. Vielleicht ist es doch manchmal ganz nützlich, das Jahresgutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Darin ist wieder einmal – das tun andere Stellen auch; die Bundesbank schreibt es in jedem Monatsbericht – dieses Gerede von der angeblichen Investitionslücke in Deutschland ein ganzes Stück weit relativiert worden. Sie sollten nicht irgendjemandem nachplappern. Wir haben, Bezug nehmend auf die Vereinten Nationen – deswegen erfolgte übrigens die Berichtigung in den europäischen Haushalten, die in anderen Mitgliedsländern zu großer Erregung geführt haben –, endlich im Rahmen der Revision der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in die Investitionsausgaben einbezogen. Mit dieser Neuberechnung stehen wir im internationalen Vergleich ausgesprochen gut da. Ich will auch auf die Investitionen der privaten Wirtschaft hinweisen. Deutschlands 45 größte Unternehmen haben ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung allein zwischen Juli 2013 und Juli 2014 um 11,3 Prozent erhöht. Weltweit ist der Trend rückläufig. Es ist auch in der privaten Wirtschaft nicht so, dass es dort eine Investitionslücke gäbe. Einer plappert die falsche Nachricht des anderen nach. Das stimmt überhaupt nicht. Man muss im Übrigen in Europa an Folgendes erinnern: Wenn man zu den Investitionen nur Bauinvestitionen rechnet, dann dürften wir eigentlich in einigen Ländern keine Probleme haben. Wenn ich mir manche Investitionsruinen, die auch durch europäische Programme finanziert wurden, anschaue, dann muss ich sagen: Die Reduzierung von Infrastruktur und Investitionen nur auf Beton macht nicht unbedingt Sinn. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hat ja keiner gesagt!) Das kann man in manchen Teilen Europas besichtigen. Entscheidend ist, dass wir vor allen Dingen mehr für Forschung und Entwicklung tun. Indem diese Ausgaben in die Investitionsquote einbezogen werden, liegen wir in Deutschland über dem europäischen Durchschnitt und nicht darunter. Das muss wenigstens einmal zur Kenntnis genommen werden. Im Übrigen sind wir uns darüber einig – Sie werden es spätestens bei den Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sehen –, dass die Hauptträger öffentlicher Investitionen die Länder und vor allem die Kommunen sind. Die haben den größten Bedarf. Gesamtstaatlich sind die Investitionen in Deutschland stark gestiegen; die Investitionen von Bund, Ländern und Kommunen sind insgesamt massiv gestiegen. Die Kommunen haben im ersten Halbjahr ihre Investitionen um insgesamt 17 Prozent erhöht. Die darin enthaltenen Bauinvestitionen sind um 15 Prozent gestiegen. Auch der Bund wird in dieser Legislaturperiode über die zusätzlichen 5 Milliarden Euro für öffentliche Verkehrsinfrastruktur hinaus, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, investieren. Wir haben immer gesagt: Soweit wir Spielräume haben, werden wir zusätzlich investieren. Gemeint sind nicht die großen Programme; das habe ich auch nicht behauptet. Wir werden an dieser Finanzpolitik festhalten und die zusätzlichen Spielräume für die Verstärkung der Investitionen nutzen, wie es auch der Haushaltsausschuss in den letzten Jahren immer wieder beschlossen hat. Aber entscheidend ist, dass wir in Forschung und Entwicklung investieren. Keine Regierung hat jemals mehr Ausgaben für Forschung, Bildung und Entwicklung getätigt als die von der Bundeskanzlerin Angela Merkel geführten Regierungen. Das ist der Schlüssel für den Erfolg unseres Landes. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir, der Bund, haben die Kommunen durch die vollständige Übernahme der Grundsicherung im Alter entlastet. Vieles ist ja schon vergessen. In den Jahren 2012 bis 2017 findet eine Entlastung der Kommunen um über 25 Milliarden Euro statt. Das ist die Grundlage für mehr Investitionen. Wir haben dafür gesorgt, dass sämtliche Ausgaben für das BAföG vom Bundeshaushalt übernommen werden. Die Länder haben zugesagt – ich hoffe, dass sie diese Zusage nicht vergessen haben –, dass sie die Mittel, die sie dadurch sparen, zusätzlich in Schule und Hochschule investieren. So fördert der Bund nicht nur seine eigene Investitionstätigkeit, sondern auch die von Ländern und Gemeinden. Diesen Weg werden wir fortsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen – Kollege Kahrs hat es eben gesagt –: Einmal die Null zu präsentieren – der Moment ist für manche sicherlich schön; ich habe schöne Momente wie diesen fast hinter mir –, ist überhaupt nicht relevant. Entscheidend ist, dass wir daran festhalten: Wir werden die Finanzpolitik als einen Schlüssel für eine Politik nachhaltigen Wirtschaftswachstums nur fortsetzen können, wenn wir das tun, Herr Kollege Kahrs, was Sie gerade gesagt haben – ob es ein bisschen schwieriger wird oder ob es einfacher wird –: daran festhalten, eine berechenbare, verlässliche Finanzpolitik zu betreiben. Sie ist ein Anker für die wirtschaftliche Entwicklung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns doch in dieser Debatte nicht unterschlagen, dass diese Politik einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland besser ist als in allen europäischen Ländern, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) dass wir eine Lage am Arbeitsmarkt haben, wie wir sie niemals in den letzten 25 Jahren, seit dem Fall der Mauer, hatten, dass die Realeinkommen der Beschäftigten in diesem Jahr stärker gestiegen sind – es kommt also etwas bei den Menschen an – als in den letzten Jahren. Das heißt, die Menschen haben etwas von einer soliden Finanzpolitik. Deswegen bitte ich Sie, dass wir genau daran festhalten. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Die Linke erhält nun der Kollege Troost das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfinanzminister ist nicht nur für den Bundeshaushalt zuständig, sondern bundesseitig auch für den Prozess des Länderfinanzausgleichs. Dazu möchte ich meine Rede heute halten. Bis 2019 laufen zentrale Elemente des Länderfinanzausgleichs aus und müssen neu verhandelt werden – eine große Aufgabe, weil Länderfinanzausgleich heißt, einen Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern und ihren Gemeinden zu schaffen. Die Gemeinden sind in diesem Zusammenhang immer ganz wichtig; die kommunalen Finanzen hängen vom Länderfinanzausgleich zentral ab. Das Ganze ist eine große Aufgabe. Alle hatten eigentlich erwartet, dass man zu ihrer Erfüllung wieder eine Föderalismuskommission, die Föderalismuskommission III, einsetzt. Die Große Koalition ist einen anderen Weg gegangen. Sie hat gesagt: Wir brauchen keine neue Föderalismuskommission; wir regeln das irgendwie so. – Dann haben auf einmal die Bundeskanzlerin und der -Finanzminister gemeinsam mit den Ministerpräsidenten im Sommer gesagt: Wir machen das jetzt ganz schnell; wir versuchen bis zum 11. Dezember dieses Jahres, das in Geheimverhandlungen schnell zustande zu bringen. Dies ist im völligen Chaos geendet und muss jetzt erst einmal neu angegangen werden. Wir haben bereits bei der Föderalismuskommission II kritisiert, dass die Länderparlamente und Kommunen nicht mit am Tisch waren, obwohl sie zentrale Elemente sind. Diesmal ist es so: Der Bundestag ist außen vor, die Länderparlamente sind außen vor, die Kommunen werden überhaupt nicht gefragt, und dies ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Ergebnis, das jetzt vorliegt, ist, dass wir eine völlige Zerstrittenheit zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern haben und das Ganze erst einmal, wie eine Zeitung geschrieben hat, im Abklingbecken hängt. Das ist aber natürlich auch eine Chance, weil nach wie vor der Artikel 72 des Grundgesetzes die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse vorschreibt, und das heißt eben nicht „Ellenbogenprinzip“ – jedes Bundesland kämpft für sich selbst –, sondern das heißt, gemeinsam ein Konzept zu entwickeln: Wie könnte ein solidarischer Finanzausgleich aussehen? (Beifall bei der LINKEN) Dazu sind faire und transparente Verhandlungen notwendig. Die Linke hat sich sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt, hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet und dort ein sehr gutes, so glaube ich, Konzept ausgearbeitet. Alle, die das interessiert, können das auf meiner Internetseite einsehen. Es gibt eine Langfassung. Es gibt eine Kurzfassung. Es gibt eine relativ populär gehaltene Broschüre, in der dargestellt ist, nach welchen Prinzipien man eigentlich vorgehen müsste. Da ich lediglich fünf Minuten Redezeit habe, will ich hier an dieser Stelle nur vier Punkte einbringen: Erstens. Die reichen Bundesländer mit reichen Kommunen können sich insofern nach wie vor armrechnen, als ein Teil der kommunalen Steuereinnahmen nicht in den Länderfinanzausgleich einfließt. Es gibt sogar Positionen, die sagen: Das soll noch stärker der Fall sein. Wir sind der Ansicht: Die kommunalen Einnahmen müssen zu 100 Prozent mit berücksichtigt werden. Das führt dazu, dass die strukturschwachen Länder in Ost und West deutlich besser dastehen, als es jetzt der Fall ist. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Zweitens. Auf der Kostenseite – das ist auch ganz zentral – muss die Strukturblindheit aufhören. Wir haben arme Kommunen, die durch die Sozialausgaben immer mehr in Bedrängnis geraten sind. Deswegen sagen wir: Alle bundeseinheitlich geregelten Sozialleistungen müssen im Länderfinanzausgleich Berücksichtigung finden, dazu zählen die Ausgaben nach dem Sozialgesetz-buch II, für Arbeitslose, Asylsuchende, sozial benachteiligte Kinder und vieles andere mehr. Das entspricht nur dem Konnexitätsprinzip. Das ist vom Bund so beschlossen worden, und der Bund soll die Ausgaben dann auch entsprechend übernehmen. Man kann über Ausgleichszahlungen nachdenken, aber die Situation, dass strukturschwache Regionen immer weiter abstürzen, wird damit geheilt. Drittens. Wir glauben, dass auch die Zinszahlungen in Zeiten der Schuldenbremse vergemeinschaftet werden müssen, und fordern deswegen einen bundeseinheit-lichen Länderaltschuldenfonds, in den auch die Schulden der Kommunen mit einfließen, um die entsprechenden Zinszahlungen gemeinsam zu tragen. Viertens. Wir brauchen weiterhin einen Solidarpakt III als Ergänzung, als Erweiterung des Solidarpakts II, nicht mehr bezogen auf Ost und West, sondern auf alle strukturschwachen Regionen. Wer den Soli abschaffen will, schafft Solidarität ab. Das, was die Ministerpräsidenten von SPD und Grünen jetzt beschlossen haben, nämlich „Wir legen das einfach auf die Länder und Kommunen um“, heißt: Da, wo viel Geld ist, kommt noch viel mehr dazu, und da, wo wenig ist, kommt auch nur wenig dazu. – Deswegen: Der Solidarpakt muss sozusagen verlängert werden. Der Soli muss für gemeinschaftliche Ausgaben weiter genutzt werden. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Carsten Schneider das Wort. (Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Bravo! Guter Mann!) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir 2009 hier im Bundestag die Schuldenbremse beschlossen haben, waren wir in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Wir hatten bei der Wirtschaftsleistung Deutschlands einen Rückgang um knapp 5 Prozent, das heißt den stärksten Konjunktureinbruch, den es jemals gab. Wir haben 2010 einen Haushalt aufgestellt, der auf diese schlechte wirtschaftliche Lage mit einem Konjunkturprogramm und einer Neuverschuldung von über 80 Milliarden Euro reagiert hat. Heute geht es um den Haushalt 2015, und wir befinden uns in der Situation, dass wir das erste Mal seit vier Jahrzehnten einen Haushalt ohne Neuverschuldung aufgestellt haben. Das ist ein gewaltiger Akt. Ich hätte mir 2009, als wir das Vorgenannte hier im Bundestag beschlossen haben, nicht vorstellen können, dass wir dieses Ziel in der Kürze der Zeit erreichen. Das verdient Anerkennung. (Beifall bei der SPD) Das ist vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass wir – im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern – mittlerweile wieder ein Niveau der Wirtschaftsleistung erreicht haben, das deutlich über dem vor der Krise liegt. Damit gehen natürlich die gute Steuerbasis, höhere Abschlüsse bei den Löhnen und geringere Sozialausgaben einher. Ganz entscheidend ist – darauf ist hier schon hingewiesen worden –, dass aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation in vielen anderen europäischen Ländern, der Anpassungsprozesse, die dort stattfinden, das Zinsniveau extrem niedrig, ja, unnatürlich niedrig ist. Davon profitieren auch wir. Man kann nicht auf der einen Seite die EZB dafür kritisieren, dass sie die Zinsen auf ein Niveau senkt, das auf die – ich will nicht sagen – Deflationstendenzen, aber doch die Gefahr reagiert und somit versucht, die Wirtschaft in der EU insgesamt wieder in Gang zu setzen, während wir auf der anderen Seite dadurch Gewinne verzeichnen, dass wir geringere Zinsausgaben haben. Das geht nicht. Ich finde, man muss dort kohärent sein. Das heißt, wir brauchen auf europäischer Ebene nicht nur die EZB als einzig handelnden Akteur, sondern wir müssen auch als nationale Regierung, als nationale Parlamente unserer Verantwortung gerecht werden. Dazu gehört dann auch ein Blick in die geänderten europäischen Rechtsvorschriften. Hier wird zu Recht auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien in ihrer Form durch die sogenannten Twopacks und Sixpacks hingewiesen. Wir haben die Konsequenzen daraus gezogen, dass es nicht nur um die starre Einhaltung dieser Kriterien, maximal 3 Prozent Neuverschuldung und maxi-maler Schuldenstand von 60 Prozent des BIP – da sind wir deutlich darüber – geht, sondern wir haben auch makroökonomische Fragen mit in den Blick genommen, so etwa die Frage von Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen. Wenn wir wegen der Haushaltsdefizite mit dem Finger auf Frankreich zeigen, mahne ich auch an: Ja, Frankreich muss sich strukturell reformieren und zusehen, dass alle Steuereinnahmen, die möglich sind, auch generiert werden. Ich sage das auch mit voller Unterstützung dafür, dass das französische Parlament berechtigterweise unserer Forderung jetzt entgegengekommen ist, die Bankenabgabe nicht steuerlich abzugsfähig zu machen. Es ist ein großer Schritt, wenn zwei europäische Länder das nicht tun und die Kosten der Finanzkrise quasi nicht den Steuerzahlern angelastet werden. Aber ein weiterer Blick auf Deutschland gehört dazu. Dieser weitere Blick zielt auf den Leistungsbilanzüberschuss. Wir haben uns im Rahmen der Veränderung des Stabilitätspaktes durch das Sixpack verpflichtet, dass der Leistungsbilanzüberschuss maximal 6 Prozent betragen soll. Selbst das geht auf Dauer nicht, sondern wir brauchen eigentlich einen Ausgleich. Nun sind wir in Deutschland im vergangenen Jahr bei 7,5 Prozent gewesen. In diesem Jahr wird der Überschuss wahrscheinlich noch höher sein. Das alles muss uns in Alarmstimmung versetzen; denn die Schuldscheine, die wir für das bekommen, was wir heute exportieren – ich sage einmal: den Porsche oder den BMW –, werden wir nur zurückgezahlt bekommen, wenn die anderen Länder tatsächlich wieder auf die Beine kommen. Das werden sie nur, wenn wir unsere Binnennachfrage und unsere Investitionen in Deutschland stärken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich als Sozialdemokrat sage – Minister Schäuble, da haben wir einen Dissens –, die Investitionen in Deutschland sind zu niedrig, sowohl im öffentlichen Bereich als auch im privatwirtschaftlichen Bereich. Ich habe mir das sehr genau angesehen. Ich beziehe mich auf den Präsidenten des ZEW – er ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums –, Herrn Fuest. Er hat gesagt, wir müssten jetzt theoretisch sogar eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen, um mehr zu investieren. Wir folgen an dieser Stelle seinem Rat nicht. Aber ich finde das bemerkenswert. Schauen wir uns die Zahlen des DIW an. Sie zeigen, dass die Infrastrukturlücke bei fast 80 Milliarden Euro liegt. Wir müssen also deutlich mehr in den Erhalt unserer Infrastruktur investieren. Es ist richtig, dass wir mehr in Forschung investiert haben. Ich bin auch froh, dass die Unternehmen dies tun. Das ist ein großer Unterschied zu Italien zum Beispiel, wo die Unternehmen fast nicht in den Forschungsbereich investieren. Gerade als Transitland müssen wir eine exzellente Infrastruktur zur Verfügung stellen. Da nagt der Zahn der Zeit. Das ist nicht so sehr in meinem Heimatbundesland Thüringen der Fall; da ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr viel investiert worden. Aber wenn ich den Blick auf Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder andere Bundesländer werfe, dann sehe ich den Nachholbedarf. Wir werden zusätzliche Mittel in die Hand nehmen müssen, um die Infrastruktur in Deutschland auf dem exzellenten Niveau zu halten, das wir als entwickelte Volkswirtschaft letztendlich brauchen. (Beifall bei der SPD) Der erste Schritt dazu ist, dass wir zusätzlich 10 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen. Ich halte das für absolut richtig. Wir werden in den nächsten ein bis zwei Monaten entscheiden, wie wir diese Mittel einsetzen werden. Der zweite Schritt ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Unternehmen mehr investieren. Wir haben derzeit die Situation, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen Beschäftigung aufbauen und dass sie zusätzliche Investitionen in Deutschland voranbringen, dass es aber gerade im Bereich der Großunternehmen keinen Anstieg bei den Nettoinvestitionen gibt. Das hat viel damit zu tun, dass diese Unternehmen im Ausland neue Fabriken aufbauen. Beispielsweise investiert BASF fast 1 Milliarde Euro in den USA. Unternehmen wie VW gehen verstärkt auf die ausländischen Märkte. Wir müssen aufpassen, dass der Markt in Deutschland für die großen Unternehmen wichtig bleibt. Deswegen sind Themen wie das Freihandelsabkommen und die Energieversorgung ganz zentral für die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie auch leistungsfähig bleibt, damit sich die positive Lohnentwicklung, die wir jetzt haben und die sich in den nächsten Jahren aufgrund des gesetzlichen Mindestlohns noch verstärken wird, fortsetzt. Es ist ja nicht nur so, dass der gesetzliche Mindestlohn für über 4 Millionen Menschen – da zitiere ich Thomas Oppermann – die größte Lohnerhöhung sein wird, die sie je bekommen haben, sondern auch die anderen Löhne werden nachziehen und zu einer höheren Binnennachfrage führen. Das unterstützen wir; denn das ist richtig. Ich hoffe, dass die Gewerkschaften auch höhere Löhne durchsetzen werden. (Beifall bei der SPD) Der Kollege Troost – das ist meine letzte Bemerkung – hat die Bund-Länder-Finanzbeziehungen angesprochen. Darüber verhandeln wir gerade in der Koalition. Ich glaube, dass die Union klären muss, was sie tatsächlich will. Man kann nicht sagen, dass es sich bei unseren Vorschlägen um eine Steuererhöhung handelt – eine entsprechende Äußerung des bayrischen Finanzministers habe ich heute in der Zeitung gelesen –, wenn die Summe der Steuereinnahmen gleich bleibt. Das erschließt sich mir nicht. Das ist bayrische Mathematik; vielleicht wird Mathematik in Bayern anders gelehrt. Ich kann das jedenfalls nicht erkennen. Wir sind der Auffassung: Wir brauchen einen leistungsfähigen Staat. Wir brauchen die Mittel, die durch den Soli eingenommen werden. Das sind 19 Milliarden Euro. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit der Gießkanne!) Die frei verfügbare Finanzmasse des Bundeshaushalts sind jährlich etwa 30 Milliarden Euro. Die 20 Milliarden Euro, die wir im Jahr 2020 zur Verfügung haben – 2019 sind es 19 Milliarden Euro –, können also gar nicht wegfallen; es sei denn, man würde die Mütterrente, die in 2019 6 Milliarden Euro pro anno kostet und die wir im Moment noch nicht aus dem Haushalt finanzieren, wieder rückgängig machen – Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Schneider. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): – oder man würde die Ausgaben für die sozialen Sicherungssysteme kürzen. Aber das wollen wir Sozialdemokraten nicht. Herr Präsident, Sie wollen das sicherlich auch nicht. Ich komme zum Schluss und sage: Ich hoffe auf einen zügigen Klärungsprozess und darauf, dass wir diese wichtige Frage der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zügig und schnell in dieser Legislaturperiode klären können. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss sich die SPD aber ein bisschen anstrengen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich verstehe ja, dass alle Haushaltspolitiker die Positionen im Bundeshaushalt möglichst alle der Reihe nach einzeln erläutern wollen. Das wird aber im Rahmen der verfügbaren Beratungszeit technisch nicht machbar sein. Deswegen werden wir uns immer wieder ein bisschen zwischen dem Erläuterungsbedürfnis und dem verfügbaren Zeitrahmen disziplinieren müssen. Nun hat der Kollege Lindner das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hört ja in dieser Debatte alle möglichen Begriffe: Es ist die Rede vom Beginn einer neuen Ära oder von einer historischen Leistung. Da muss man sich doch mal im Detail anschauen – ich bin dem Kollegen Kahrs für seine entlarvende Ehrlichkeit fast schon dankbar –, was denn tatsächlich passiert: Sie haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausgaben und damit im Wesentlichen die Struktur dieses Haushalts konstant gehalten – man könnte auch sagen: Sie haben nichts gemacht –; gleichzeitig haben Sie auf steigende Steuereinnahmen gewettet. Deswegen kommen Sie bei ökonomischem Schönwetter, in Zeiten, wo es diesem Land gut geht, am Ende bei null neuen Schulden heraus. Eine Großtat, meine Damen und Herren, ist das nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Wenn wir über ökonomisch gute Zeiten reden, dann sollten vor allem Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion, bedenken, warum es Deutschland heute ökonomisch so gut geht. Das liegt nämlich im Wesentlichen an den mutigen Entscheidungen vieler mutiger Frauen und Männer vor zehn Jahren hier in diesem Plenarsaal, die mit wichtigen Reformen in diesem Land einige Strukturen verändert haben, das liegt nicht an der Arbeitsverweigerung der CDU/CSU, die seit 2005 in diesem Land Verantwortung trägt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lieber Herr Schäuble, Sie haben hier heute Morgen versucht, einen Disput aufzumachen, der so gar nicht besteht. Es geht nicht darum, dass Sie keine neuen Schulden wollen und die Opposition, wir Grüne, etwa neue Schulden machen würden. Ganz im Gegenteil, wir haben Ihnen in diesen Haushaltsberatungen dezidiert dargelegt, wie wir unsere Schwerpunkte finanzieren würden: wo wir Ausgaben streichen würden, wo wir priorisieren würden, wo wir umweltschädliche Subventionen kürzen würden. Es geht darum, wie Sie zu null neuen Schulden kommen. In der Tat befindet sich in Ihrem Haushalt eine ganze Menge an Nullen: Es gibt null Fortschritt dabei, dass wir bei den Bildungs- und Forschungsausgaben irgendwie einmal aus dem Bereich unterhalb des OECD-Durchschnitts herauskommen. Das ist eine Null, die Sie in Ihrem Haushalt haben. Es gibt null Fortschritt, wenn es darum geht, den Verfall unserer öffentlichen Infrastruktur zu verhindern. Das ist eine Null, die Sie in Ihrem Haushalt haben. Und es gibt null Anstrengungen -dafür, sicherzustellen, dass es den Menschen in Deutschland auch noch in 10, 15 oder 20 Jahren ökonomisch gut geht. Das sind die Nullen in Ihrem Haushalt, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Heute Morgen wurde an Franz Josef Strauß erinnert, an die Zeit vor über 40 Jahren. So sieht, muss man ehrlich sagen, leider auch die Energiepolitik aus, die sich in Ihrem Haushalt manifestiert: Sie halten mit Ihren Entscheidungen an Kraftwerken fest, die zu einem Zeitpunkt in Betrieb genommen wurden, als Sepp Herberger noch Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft war. Das ist es, was Ihren Haushalt unter anderem auch zukunftsvergessen macht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Oppermann [SPD]: Nichts gegen Sepp Herberger!) – Nichts gegen Sepp Herberger, da haben Sie voll und ganz recht, Herr Kollege Oppermann; aber ich habe etwas gegen eine Energiepolitik aus der Zeit von Sepp Herberger, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und leider haben Sie mit diesem Haushalt, was eine andere Energiepolitik betrifft, nicht geliefert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, wenn ich mir Ihren Haushaltsplan so anschaue, dann fühle ich mich fatal an ein Projekt der letzten Großen Koalition erinnert, an den Versuch, die Deutsche Bahn an die Börse zu bringen. Da hat man nicht nach links und nicht nach rechts geschaut und dieses Unternehmen auf Rendite optimiert und dabei das Schienennetz fast verrotten lassen. Was machen Sie mit dem Bundeshaushalt 2015? Sie schauen in Ihrem Haushalt auf den Fetisch Nettokreditaufnahme und fahren dabei dieses Land auf Verschleiß. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Lieber Wolfgang Schäuble, in gewisser Art und Weise sind Sie der Hartmut Mehdorn der deutschen Finanzpolitik. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Ich glaube, das lässt sich auch an Ihren eigenen Ansprüchen nicht messen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Wir Grüne haben in diesen Haushaltsberatungen gezeigt, dass eine Haushaltspolitik ohne neue Schulden möglich ist, mit den richtigen Schwerpunkten. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: 8 Milliarden Euro neue Ausgaben!) Wo wir diese setzen würden, das werden wir mit Ihnen in den kommenden Tagen noch Ressort für Ressort durchgehen. Vielleicht verbessert sich dann bis Freitag auch noch etwas an Ihrem Haushalt; wir geben Ihnen zumindest die Möglichkeit dazu. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Norbert Brackmann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Lindner, es bleibt dabei: Die schwarze Null ist eine historische Leistung. Sie ist es, weil wir das erste Mal seit 46 Jahren so haushalten, dass sich Einnahmen und Ausgaben decken. Wir machen endlich Schluss damit, Schuldenmachen für normal zu halten. Jahrzehntelang wurde geglaubt, dass Demokratie und Schulden zusammengehören. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kommen Sie darauf, dass das geglaubt wurde? Das haben wir einfach so praktiziert!) Noch immer meinen einige Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft, Schuldenmachen sei nötig, um das politische Leben und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, beweisen wir das genaue Gegenteil. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir demonstrieren, dass eine Demokratie ohne neue Schulden auskommen und gleichzeitig eine leistungsfähige Wirtschaft organisieren kann, und das, ohne in die Taschen der Bürger zu greifen oder auf Kredite angewiesen zu sein. Wir haben tatsächlich gespart. Der Haushalt 2015 sieht Ausgaben von 299,1 Milliarden Euro vor. Lieber Herr Kollege Lindner, ich weise darauf hin: Das ist uns nicht zugefallen. Wir haben 2012 noch 306,8 Milliarden Euro ausgegeben, 2013 noch 307,8 Milliarden Euro, und trotz aller Preissteigerungen, Tarifsteigerungen usw. geben wir 2015 nur 299,1 Milliarden Euro aus. Das ist der Beleg für eine aktive Sparpolitik, die von dieser Regierung betrieben wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Situation ist günstig. Die Beschäftigung – darauf wird, wie ich meine, viel zu wenig eingegangen – ist die höchste, die wir in der Bundesrepublik je hatten. Wer, wenn nicht wir in dieser Großen Koalition, wann, wenn nicht jetzt, soll ohne neue Schulden auskommen? Wir sind mit dieser Politik glaubwürdig. Wir halten Wort. Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise führen wir die Neuverschuldung des Bundeshaushalts Jahr für Jahr zurück. 2009 lag sie noch bei 44 Milliarden Euro, 2011 bei 17,3 Milliarden Euro, 2012 bei 22,5 Milliarden Euro, 2013 bei 22,1 Milliarden Euro. In diesem Jahr erreichen wir hoffentlich eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro, und 2015 schreiben wir die Null. Keine Neuverschuldung mehr – das ist der klare Kurs des Bundesfinanzministers Schäuble und der Großen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Damit sind wir Vorbild für ganz Europa. Im Koalitionsvertrag haben wir 2013 das Ziel vereinbart, die Staatsverschuldung in den nächsten Jahren auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen und damit die -europäischen Verpflichtungen aus dem Fiskalvertrag zu erfüllen. Bis 2017 wollen wir die Staatsverschuldung auf unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bringen. Mit einer Staatsverschuldung von 82 Prozent des Brutto-inlandsprodukts sind wir 2010 gestartet, 2011 waren es 80 Prozent, 2012 81 Prozent, 2013 78,4 Prozent; in diesem Jahr werden es 75,1 Prozent sein, und im nächsten Jahr wird die Zahl noch weiter sinken. Wir sind also auf dem richtigen Weg. Die schwarze Null ist der nächste Schritt, um diesen Weg erfolgreich weiterzugehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit diesem Haushalt schaffen wir Vertrauen in Investitionen. Bei der Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2009 wurde ihre konjunkturelle Unverträglichkeit kritisiert; angeblich würde sie das Wirtschaftswachstum begrenzen. Deutschland hat sich seitdem zur Wachstumslokomotive in Europa entwickelt. Die Wirtschaft zeigt sich nach wie vor stabil. Bis 2016 sollte das strukturelle Defizit auf 0,35 Prozent des BIP zurückgeführt werden. Schon 2015 soll das strukturelle Defizit minus 0,01 Prozent betragen. Damit wäre der Haushalt strukturell schon mehr als ausgeglichen. Wir befinden uns auf einem vernünftigen Zukunftsweg. Die Finanzplanung sieht bis 2018 jedes Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vor. Das bringt der Wirtschaft, den Bürgern, den Ländern und Kommunen gleichermaßen Stabilität und Planungssicherheit. Es gilt noch immer: Ohne Vertrauen gibt es keine Investitionen. Die schwarze Null bedeutet aber nicht nur keine Schulden und Solidität. Sie ist vielmehr Voraussetzung für die Finanzierung wichtiger Zukunftsausgaben, und das gleich zweifach. Zum einen müssen Zinsen natürlich nur für Schulden bezahlt werden. Keine neuen Schulden bedeuten also: keine neuen Zinsen. Zum anderen hat die allgemeine Zinsentwicklung, aber mehr noch das Vertrauen in den Standort Deutschland dazu geführt, dass uns Investoren zu sehr günstigen Konditionen – das weltweit geringste Zinsniveau, deutlich besser als in den anderen Ländern Europas – Geld gegeben haben. Insgesamt muss der Bund 2015 rund 25,6 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben, 2009 waren es noch 38,1 Milliarden Euro. Die gesunkenen Zinsausgaben verdanken wir unserer soliden Haushaltspolitik. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch richtiger Quatsch!) Allein gegenüber 2009 sparen wir jährlich über 12,5 Milliarden Euro an Zinsausgaben. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!) Das ist das Ende der Schuldenpolitik. Das ist der Neu-anfang einer soliden Zukunftspolitik. Das ist der Erfolg dieser Großen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!) Wir stärken Deutschland als Wissenschaftsstandort durch Investitionen in Bildung und Forschung; denn wir müssen an die Zukunft denken. 13,3 Milliarden Euro haben wir in den Jahren 2010 bis 2013 zusätzlich in Bildung und Forschung investiert. In dieser Legislaturperiode werden wir noch einmal 3 Milliarden Euro zusätzlich investieren. Allein im Haushalt 2015 steigern wir die Ausgaben dazu um zusätzlich 1 Milliarde Euro auf knapp 15,3 Milliarden Euro. Damit steht Deutschland derzeit mit an der Spitze der internationalen Forschungsinvestitionen. Wenn Sie hier etwas anderes behaupten, Kollege Lindner, dann haben Sie eine selektive Wahrnehmung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden auch die berufliche Bildung in den Vordergrund stellen; denn Innovationen alleine reichen nicht aus, sie müssen in der Wirtschaft auch kompetent umgesetzt werden. Das macht den Wirtschaftsstandort Deutschland aus. Deshalb ist es vernünftig, unsere Stärken weiter zu stärken. Neben Bildung und Forschung werden wir in die digitale Infrastruktur investieren. Mit der schnellen Breitbandtechnologie werden wir zukünftig unsere Infrastruktur weiter stärken und unsere Wirtschaft besser vernetzen. Wir investieren heute klug in die Bereiche, die unsere wirtschaftliche Zukunft und damit Steuereinnahmen garantieren. Im Haushalt 2014 lagen die Investitionen noch bei 25,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 werden die Investitionen auf 26,453 Milliarden Euro angehoben. Das 10 Milliarden Euro schwere Investitionspaket wird ab 2016 weiterhin finanziellen Spielraum für Investitionen geben: für Investitionen in Infrastruktur und in die wichtigen Bereiche Energieeffizienz in Gebäuden und energieoptimiertes Bauen. Wir haben damit den Haushalt nachhaltig konsolidiert, ohne die notwendigen Investitionen zu vernachlässigen. Die schwarze Null ist Realität und wird in den kommenden Jahren zur Normalität. Das ist Ausdruck unserer Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen und unserer Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Hans-Ulrich Krüger erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Gestalten und verantwortungsbewusst sparen“, dieses Motto haben wir uns zu Beginn der Haushaltsberatungen gegeben. Wir haben es bis zum heutigen Tage eingehalten. 299,1 Milliarden Euro, das ist die Summe, die wir im nächsten Jahr ausgeben wollen; 400 Millionen Euro weniger als noch im Regierungsentwurf enthalten. Das Investitionsvolumen beträgt 26,45 Milliarden Euro. Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein Investi-tionsprogramm von weiteren 10 Milliarden Euro angekündigt, welches die Haushälter in ihrer Bereinigungssitzung auf den Weg gebracht haben. Wir gehen davon aus, dass Energieeffizienz, Gebäudesanierung und Anreize für zusätzliche private Investoren hier die Kernpunkte sein werden. Der Haushalt 2015 stellt die Weichen in die richtige Richtung. Allerdings muss – Carsten Schneider sprach es schon an – in den nächsten Jahren darauf geachtet werden, dass diese Haushaltsentwicklung bei den Menschen ankommt, und zwar auch in Form steigender Reallöhne, damit auch diese an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung teilhaben können und sehen: Es lohnt sich, verantwortungsbewusst mit Finanzen umzugehen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]) Wir werden mit der Bereitstellung von zusätzlichen 5 Milliarden Euro die Verkehrsinfrastruktur weiter stärken. Insgesamt steigen die Investitionen in diesem Bereich bis 2017 auf 12 Milliarden Euro. Wir werden die Förderung von Forschung und Entwicklung mit weiteren 3 Milliarden Euro unterstützen, was beispielsweise der Exzellenzinitiative und den Hightech-Strategien zugutekommt. Auch das sollte an dieser Stelle nicht vergessen werden: Wir haben durch die BAföG-Reform den Ländern und Kommunen 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die diese frei werdenden Mittel nunmehr in Schule und Hochschule investieren können; (Zuruf des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]) daneben haben wir auch die BAföG-Sätze erhöht – beides richtige Maßnahmen, die, denke ich, ihren Segen werden entfalten können. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nur in Nordrhein-Westfalen leider nicht!) Wir haben das Bundesteilhabegesetz im Koalitionsvertrag verankert und dort 5 Milliarden Euro zugunsten der Kommunen festgeschrieben. 2015 und 2016 wird je 1 Milliarde Euro kommen. Ich gehe davon aus, dass wir 2017, wenn wir dieses Gesetz verabschiedet haben werden, nicht bei 1 Milliarde Euro, sondern bei mindestens 3 Milliarden Euro stehen werden. Wünschenswert wäre es natürlich auch, wenn wir im Jahre 2017 bereits die 5 Milliarden Euro erreicht hätten. Schau’n wir mal. Wir werden dafür arbeiten und kämpfen. (Beifall bei der SPD) Auch der Ausbau der Kinderbetreuung liegt uns am Herzen. Wir haben 5,4 Milliarden Euro für die Kommunen für die Betreuung der unter Dreijährigen zur Verfügung gestellt. Das alles sind Summen, die sich sehen lassen können, Summen, die man sich nicht kleinreden lassen sollte, Summen, deren man sich nicht zu schämen braucht. Es gibt natürlich noch andere Punkte, gerade auch im Bereich der Sicherheit. Bei der Bundespolizei werden neue Stellen geschaffen. Besseres Equipment und Fahrzeuge werden zur Verfügung gestellt. Das alles sind Punkte, von denen wir sagen müssen: Sie kosten Geld, aber es ist gut angelegtes Geld im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger, in unser aller Interesse: für unsere Sicherheit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Im Haushalt 2014 haben wir gemeinsam schon einige Akzente zugunsten der Hilfsorganisationen – ich spreche hier insbesondere vom THW – gesetzt. Diese Akzente haben wir verstärkt. Ich sehe es als eine große Leistung von uns SPD-Haushältern an, dass wir noch einiges oben draufgelegt haben. Das war zwar im Jahre 2014 schon beabsichtigt, ist aber bei den Organisationen – ich sage das einmal ein wenig euphemistisch – nicht in dem gewünschten Umfang angekommen. Wir werden dafür sorgen, dass künftig keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des THW mehr in Unterkünften ihren Dienst tun müssen, in denen das Wasser von der Decke tropft. Anders ausgedrückt: Das Wasser soll auch bei THW-Unterkünften aus dem Wasserhahn und nicht durchs Dach kommen. – 27 Millionen Euro sind vorgesehen, um marode Bausubstanz in einem kontinuierlichen Prozess in einen vernünftigen Zustand zu versetzen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir alle haben in unseren Wahlkreisen Denkmäler, die den unterschiedlichsten Eigentümern und Institutionen gehören, die erhaltenswert sind und ein Kulturerbe darstellen. Diese können allerdings nicht immer in dem gebotenen Umfang mit dem entsprechenden Geld finanziert werden. Dass wir hierfür 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, zeigt, dass wir uns unserer Tradition und unseres Erbes bewusst sind und dieses auch für die Zukunft erhalten wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Noch einige Sätze zum Haushalt des Bundesfinanzministers. Er ist, wie Sie alle wissen, ein verwaltungs-orientierter Haushalt. 56 Prozent des Etats betreffen Personalausgaben. Hier haben wir gegenüber dem Haushalt 2014 einen Stellenzuwachs von 916 Stellen zu verzeichnen. Da dies eine hohe Zahl ist, lassen Sie mich etwas dazu sagen: Diese 916 Stellen mehr sind die Folge der Übernahme der Verwaltung der Kfz-Steuer zum 1. Juli 2014 durch den Zoll. Durch diese Übernahme werden 170 Millionen Euro nicht mehr zu zahlen sein, die wir bislang im Wege der sogenannten Organleihe an die Länder zu leisten hatten. Hier ist es also gelungen, ein Plus von 30 bis 40 Millionen Euro für den Bundeshaushalt zu generieren – getreu dem Motto: verantwortungsbewusst sparen. Wir haben noch eine große Aufgabe: die Kontrolle der Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns. Diese Aufgabe werden wir auch weiterhin beim Zoll etatisieren. Wir werden dafür sorgen, dass das entsprechende Personal zur Verfügung gestellt wird, um den Mindestlohn nicht zu einem zahnlosen Tiger werden zu lassen. Wir brauchen ein effizientes Instrument zur Kontrolle der gesetzlichen Vorgaben. Das wird passieren. Dieses Vorhaben wird vom Finanzministerium durch ein eigens dafür zuständiges Referat flankiert, das dafür sorgen soll, dass durch Rechtsverordnungen und effiziente Begleitung der Mindestlohn das wird, was wir wollen, nämlich ein großer Erfolg – getreu dem Motto: verantwortungsbewusst sparen und gestalten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Barthl Kalb für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auskommen mit dem, was man einnimmt – eigentlich sollte das selbstverständlich sein, (Johannes Kahrs [SPD]: Genau!) war es aber nicht. Die Große Koalition hat es sich zum Ziel gesetzt, die heute als historisches Ereignis gefeierte schwarze Null wieder zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Die schwarze Null wurde oft ins Auge gefasst. 1999 sagte Hans Eichel: Die Bundesregierung will so schnell wie möglich einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen. – 2008 Peer Steinbrück: Ab dem Haushaltsjahr 2011 wird der Bund keine neuen Schulden aufnehmen. – Es ist immer anders gekommen. Wir kennen die Gründe dafür; das ist keine Schuldzuweisung. Ich weiß auch, dass Theo Waigel 1989/90 knapp davor war, einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können. Dann kam aber – ich sage: Gott sei Dank – die Wiedervereinigung. Sie hat uns vor neue, große Herausforderungen gestellt. Ich sage hier 25 Jahre später freimütig: Ich empfinde es noch immer als Glück und als Segen, dass die Teilung unseres Landes mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl friedlich überwunden werden konnte. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ab 2015 wollen wir auf Dauer mit dem auskommen, was wir einnehmen, und das ohne Steuererhöhungen. (Johannes Kahrs [SPD]: Genau!) Sicher hat die Opposition recht, wenn sie sagt, dass wir Glück haben, weil wir weniger Zinsen zahlen müssen usw.; aber – das ist vorhin schon dargestellt worden – auch das drückt aus, dass die internationale Finanzwelt Vertrauen hat in die deutsche Wirtschaft und die deutsche Politik. Insofern ist auch das ein Ertrag unserer guten Arbeit, die in Deutschland geleistet wird – neben der guten wirtschaftlichen Entwicklung, die wir vorzuweisen haben, neben dem Höchststand an versicherungspflichtig Beschäftigten und Erwerbstätigen. Dies alles macht aber noch keinen ausgeglichenen Haushalt. Dazu gehört auch die Ausgabendisziplin. Dazu wiederum gehört, dass man der Versuchung widersteht, dass man dem Druck widersteht, der aufgebaut wird mit dem Ziel, dass man an anderer Stelle großzügig ist. Die unionsgeführten Bundesregierungen haben in den vergangenen Jahren bei steigenden Einnahmen konsequent strikte Ausgabendisziplin gewahrt. Diese Ausdauer wird nun belohnt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Wir können am Freitag dieser Woche einen ausgeglichenen Haushalt verabschieden, ohne dass Investitionen in die Zukunft unseres Landes auf der Strecke bleiben. In der mittelfristigen Finanzplanung bereits haben wir alle zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrags berücksichtigt: Wir stärken Bildung und Forschung, wir investieren mehr in Infrastruktur, und wir entlasten unsere Kommunen und schaffen auch dort Investitionsspielräume. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Darüber hinaus treffen wir bereits im Bundeshaushaltsplan 2015 die Vorkehrungen für zusätzliche Investitionsmaßnahmen in den Jahren 2016, 2017 und 2018; dafür ist Vorsorge getroffen. Das ist auch ein Ausdruck von Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Zentrale Zukunftsvorhaben wie die Steigerung der Energieeffizienz, die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und der Breitbandausbau werden dadurch beschleunigt vorangebracht. Der Bundeshaushalt 2015 schafft Vertrauen: Vertrauen der Bevölkerung und der Wirtschaft in die Politik der Bundesregierung, aber auch Vertrauen unserer europäischen Partner in die Bundesrepublik Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sollten die Wirkung dieses Vertrauens auf die gesellschaftliche Stabilität und das wirtschaftliche Wachstum nicht unterschätzen. Vertrauen und öffentliche Investitionen sind wichtige Grundlagen für wirtschaftliches Wachstum, aber nicht die einzigen. Wir müssen ein innovationsfreundliches Klima erhalten und es weiter stabilisieren. Dazu wollen wir verstärkt Mut zur Gründung und zum Unternehmertum vermitteln und die dafür nötigen Rahmenbedingungen weiter verbessern. Eine zentrale Aufgabe ist dabei die Stärkung der Versorgung mit Wagniskapital. Ich weiß, wir haben hier etwas andere Verhältnisse als in den Vereinigten Staaten von Amerika; auch das gilt es zu berücksichtigen. In Kürze werden wir den öffentlichen Investitionszuschuss – dem dient ein Gesetzgebungsvorhaben – von der Steuer befreien. Weitere Maßnahmen zur Unterstützung von Wachstumsunternehmen werden folgen. Eine weitere Herausforderung für unsere Wirtschaft ist der demografische Wandel. Auch hier müssen wir die entsprechenden politischen Antworten geben: Erhöhung der Flexibilität des Arbeitsmarktes und Steigerung der Beschäftigungsquote; keine Frage. Ab sofort müssen wir wieder verstärkt Anreize setzen, damit das Arbeitskräftepotenzial erhöht werden kann. Um für Fachkräfte -attraktiv zu bleiben, muss Deutschland bei der Steuerbelastung der Leistungsträger – ich nenne hier insbesondere die Mittelschicht – eine Neujustierung des Systems vornehmen; das Stichwort lautet: Abmilderung der Wirkung der kalten Progression. Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir unsere Kräfte bündeln und uns in den nächsten Jahren einen Spielraum erarbeiten, damit wir eine strukturell angelegte Steuerreform – Stichwort: Mittelstandsbauch – angehen können. Ich weiß, das ist eine gewaltige Herausforderung, weil es hier um enorm große Summen geht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch international erhebliche Fortschritte und Erfolge dank des enormen Einsatzes unseres Bundesfinanzministers erzielen können – auf europäischer Ebene, aber auch im Rahmen der G 20 –, insbesondere wenn es um Gewinnvermeidung und Gewinnverlagerung geht; ich meine die sogenannte BEPS-Initiative. Herr Bundesfinanzminister, ganz herzlichen Dank für Ihren unermesslichen Einsatz auf diesem Gebiet! Ich weiß, wie schwierig und hart das alles ist. Wir müssen es schaffen, dass Steuern dort gezahlt werden, wo ein Unternehmen tatsächlich wirtschaftlich tätig ist. Ich hätte gerne noch zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gesprochen. Das geht leider nicht mehr, weil meine Redezeit nicht reicht; sonst würde mir der Herr Präsident den Saft abdrehen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein, er würde freundlich an die abgelaufene Redezeit erinnern. (Heiterkeit) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Ja, Herr Präsident. Wir in Bayern reden da immer etwas deutlicher und kommen auch mit etwas kräftigeren Ausdrücken gut voran. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zum Abschluss sagen: Der Bundeshaushalt ist sehr solide; das ist von meinen Vorrednern schon dargestellt worden. Er ist nicht künstlich schöngeredet. Die Politik der unionsgeführten Bundesregierung steht für Vertrauen, Gerechtigkeit und Verantwortung. Das spiegelt sich im Haushalt 2015 wider. Wir werden ihm gerne und aus Überzeugung zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzte Rednerin zum diesem Einzelplan ist die Kollegin Kiziltepe für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Cansel Kiziltepe (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Minister Schäuble! Die heutige finanzpolitische Debatte ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: Einerseits sieht man, wenn man in die Geschichte des Bundeshaushalts schaut, die erste schwarze Null seit 1969. Dabei ist, wie Bundesfinanzminister Schäuble in der ersten Haushaltslesung sagte, die schwarze Null keineswegs Selbstzweck. Deshalb wollen wir auch in die Zukunft blicken: auf die künftigen Herausforderungen. Mit einem ausgeglichenen Haushalt sind nicht alle Probleme verschwunden. Nein, es stellen sich auch weiterhin die Fragen: Wie fördern wir das Wirtschaftswachstum? Wie verteilen wir unseren Wohlstand gerechter? Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch Auswirkungen auf Deutschland. Wir sind nun einmal keine Insel der Glückseligen. Deshalb haben wir immer wieder mit schwachen Konjunkturdaten und auch mit einem sich eintrübenden Wirtschaftswachstum zu kämpfen. Will man in solch einer Situation die Finanzkraft des Staates und den Sozialstaat sichern sowie die Wirtschaft am Laufen halten, dann muss der Staat seine Investitionstätigkeit ausweiten. Das sagt die SPD schon seit langem, und endlich haben wir dafür gesorgt, dass genau das in diesem Haushalt und auch in den kommenden Haushalten berücksichtigt wird. (Beifall bei der SPD) Die 10 Milliarden Euro, die innerhalb des Investi-tionspakets für die Jahre 2016 bis 2018 kommen, werden einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den anhaltenden Substanzverzehr, den wir in Deutschland schon seit Jahren erleben, aufzufangen. Das Geld wird auch für Wachstumsimpulse sorgen, und in den nächsten Jahren wird es vor allen Dingen darauf ankommen, diese Investitionsleistung zu verstetigen und auszubauen. (Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Sache! – Gegenruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tropfen auf den heißen Stein!) Verschiedene Studien rechnen uns immer wieder vor, welchen Investitionsrückstand wir haben. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau geht allein im kommunalen Bereich von einem Investitionsstau von 118 Milliarden Euro aus. Andere Institute sagen, dass die Investitionslücke beim Bestand jährlich um 10 Milliarden Euro steigt. Was zeigt uns das? Das zeigt uns, was zu tun ist. Die Finanzpolitik auf Bundesebene ermöglicht uns Mehrausgaben für Investitionen – das ist auch gut so – bei gleichzeitig ausgeglichenem Haushalt. Von dieser Situation können viele Kommunen nur träumen; sie schaffen das nicht. Deshalb ist es richtig, die Städte und Gemeinden zu entlasten, wie es dieser Haushaltsentwurf auch tut. Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes werden die Kommunen jährlich um rund 1 Milliarde Euro entlastet. Weitere Entlastungen – auch für die Länder – sind ebenfalls vereinbart worden, zum Beispiel – das wurde hier auch genannt – durch die Übernahme des BAföG durch den Bund, (Johannes Kahrs [SPD]: Richtig und gut!) durch ein stärkeres Engagement beim Kitaausbau und, und, und. (Beifall bei der SPD) Die gesamte Haushaltswoche steht unter dem Oberbegriff „schwarze Null“. Auch wenn ich keine schwäbische Hausfrau bin, finde ich es schon beachtlich, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das kann ja noch kommen! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Keine Drohungen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) die Neuverschuldung von 44 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf nun 0 Euro zu senken. Damit das aber so bleibt, dürfen wir nicht nachlassen; denn der Staat ist strukturell unterfinanziert. Wir müssen die Einnahmen stabil halten. Wenn wir die richtigen Lehren aus dem hohen Investitionsbedarf ziehen, dann werden wir nicht einfach darauf hoffen, dass die Steuereinnahmen weiterhin wachsen. Die aktuelle Steuerschätzung hat auch schon gezeigt, dass diese leicht rückläufig sind. In der steuerpolitischen Debatte hören wir immer wieder den Begriff der kalten Progression. Natürlich gibt es sie bei Inflation, und wir müssen uns überlegen, wie das an anderer Stelle kompensiert werden kann. Keiner in diesem Haus wird mir widersprechen, wenn ich sage, dass wir untere und mittlere Einkommen entlasten müssen. Wenn wir dies tun wollen, dann dürfen wir aber auch über die Besteuerung großer Einkommen und Vermögen nicht schweigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wer Wohlstand gerechter verteilen will, der darf über die Vermögensbesteuerung nicht schweigen, (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!) sonst wird die schwarze Null ganz schnell wieder verschwinden. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!) Wenn wir uns die Besteuerung großer Einkommen und Vermögen anschauen, also den Spitzensteuersatz, die Erbschaftsteuer und auch die Vermögensteuer, dann müssen wir auch da hinschauen, wo es diesen enormen Reichtum gibt. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eine aktuelle Studie der UBS, Union de Banques -Suisses, zeigt, dass in Deutschland fast 20 000 Multimillionäre, also Menschen mit einem Vermögen von 24 Millionen Euro und mehr, leben. Die Zahl an sich ist noch nicht aussagekräftig. Aber wenn man sie ins Verhältnis setzt, erkennt man: Es sind 0,02 Promille der Bevölkerung, die 22,6 Prozent des Vermögens in Deutschland besitzen. Das ist schon bemerkenswert. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie diese Vermögen zustande kommen, nämlich 28 Prozent ausschließlich durch Erbschaften und 31 Prozent zum Teil aus Erbschaften. Diese superreichen Deutschen geben jährlich mehr als 3 Milliarden Euro alleine für Schmuck und Jachten aus. Die Ausgaben für Kaviar und Champagner sind da noch nicht eingerechnet. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Investitionen sind das! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ist denn Konsum schlecht?) Alleine der Konsum dieser beiden Luxusgüter beträgt ein Drittel der Höhe des jährlichen Investitionsstaus in Deutschland. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Genau! – Max Straubinger [CDU/CSU]: In welcher Welt leben Sie?) Dieser Vergleich soll zeigen, dass mehr Investitionen – da sind wir uns ja mit Bundesminister Schäuble einig – und das gleichzeitige Festhalten an der schwarzen Null nur mit einer gerechteren Besteuerung gelingen können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Rede!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den Einzelplan 08 – Bundesministerium der Finanzen – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung des Ausschusses zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Einzelplan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Ich rufe auf die Abstimmung über den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof –, ebenfalls in der Ausschussfassung. Wer stimmt dem zu? – Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Auch niemand. Dann ist das einvernehmlich so beschlossen. Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt I.5: Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Drucksachen 18/2814, 18/2823 Berichterstatter sind die Abgeordneten Petra Hinz, Helmut Heiderich, Gesine Lötzsch und Ekin Deligöz. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Entschließungsantrag werden wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen. Auch für diese Aussprache sind interfraktionell 96 Minuten vorgesehen. – Das ist offensichtlich unstreitig. Dann können wir so verfahren. Inzwischen haben offenkundig alle, die an dieser Debatte teilnehmen wollen, einen der wenigen freien Plätze gefunden. Dann erteile ich der Kollegin Gesine Lötzsch das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Gröhe, Ihr Einzelplan ist mit 12 Milliarden Euro nun wirklich nicht der größte im Bundeshaushalt. Aber auch hier greift der Finanzminister zu, nur damit er mit der schwarzen Null in die Geschichte eingehen kann. Wie macht er das? Er greift dazu ganz tief in die Trickkiste. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Eijeijeijei!) Der Gesundheitsfonds wird über zwei Jahre hinweg um 6 Milliarden gekürzt, allerdings in diesem Jahr etwas weniger als im vergangenen Jahr, sodass das fast wie eine Erhöhung aussieht. Das ist keine seriöse Politik. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: 1 Milliarde mehr!) Was passiert? Die Krankenkassen holen sich das fehlende Geld bei den Versicherten. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die Kassen haben doch Rücklagen!) Ab 1. Januar 2015 – das ist schon angekündigt und auch in dieser Debatte angesprochen worden – verlangen die meisten gesetzlichen Krankenkassen von ihren Mitgliedern Zusatzbeiträge. Zwar sinkt der allgemeine Beitragssatz von 15,5 auf 14,6 Prozent, aber das wird nicht ausreichen, um die Kosten zu decken. Was passiert? Die Versicherten müssen zahlen; die Arbeitgeber werden entlastet. Das können wir nicht akzeptieren. Das ist ungerecht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Es ist doch kein Geheimnis, dass immer mehr Beschäftigte durch die Art und Weise, wie wir heute arbeiten und arbeiten müssen, krank werden. Die Zusatz-beiträge sind dabei ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung der Gesellschaft. Was wir jetzt brauchen, was wir wirklich brauchen, ist endlich eine solidarische Bürgerversicherung: eine Versicherung, in die alle einzahlen und in der die Gesundheitskosten gerechter verteilt werden. (Beifall bei der LINKEN) Neulich kam in meine Bürgersprechstunde ein ehemaliger Selbstständiger – ich denke, ein Kleinselbstständiger; über 55 –, der nach langer Zeit endlich wieder eine Anstellung gefunden hatte. Als sein Arbeitgeber ihn nach der Krankenversicherung fragte, marschierte er frohgemut zur AOK und wollte aufgenommen werden. Dort wurde ihm die Rechtslage erklärt, und er wurde natürlich nicht aufgenommen. Wir wissen das, aber für ihn war das alles völlig unverständlich. Denn eine private Krankenversicherung kann er sich mit einem Halbtagsjob nicht leisten. Herr Gröhe, Sie haben sich doch so viele Gesetze vorgenommen. Sie haben ausführlich dargestellt, was Sie alles anstoßen wollen. Ich finde, wir sollten endlich für alle Menschen in unserem Land die Möglichkeit schaffen, sich zu versichern. Das Statistische Bundesamt spricht von 137 000 Nichtversicherten. Ich schätze allerdings, die Dunkelziffer ist weitaus höher. Ich kann es nur noch einmal betonen: Der beste Weg, diesen Zustand zu beenden, ist die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung. Das ist das Gebot der Stunde, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte noch drei unserer Änderungsvorschläge hervorheben. Die Linke will den Investitionsstau in den Krankenhäusern auflösen. Dafür schlagen wir einen Ansatz von 2,5 Milliarden Euro für das kommende Jahr vor. Wer in letzter Zeit einmal ein Krankenhaus besucht hat, weiß, wie nötig das ist. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kriegt ihr das Geld her?) Nun hat auch der Finanzminister erkannt, dass wir in Deutschland mehr investieren müssen. Allerdings will er das erst ab 2016 tun, um die berühmte schwarze Null, über die es inzwischen schon unendlich viele Kalauer gibt, zu retten. Ich finde, in Anbetracht einer drohenden Rezession ist eine solche Verschiebung nicht weitsichtig, sondern fahrlässig. (Beifall bei der LINKEN) Wir wollen auch die nichtkommerzielle Pharmaforschung fördern und einen Krisenfonds Ebola einrichten. Der Chef der Weltbank hat auf einen wichtigen Fakt aufmerksam gemacht: In Nigeria haben die Behörden sehr schnell auf den Ausbruch des Ebolavirus reagiert. Mit 13 Millionen Dollar konnten sie die Epidemie eindämmen. In Liberia, Sierra Leone und Guinea gelang das nicht. Dort gibt es bereits über 5 000 Tote, und die Kosten für den Kampf gegen diese Krankheit schnellen in die Höhe. Hinzu kommt, dass die ökonomische Situation für viele Länder in Afrika dramatisch ist. Felder werden nicht bestellt, und Experten gehen von einer Hungersnot im nächsten Jahr aus. Der Weltbankchef sagte: Jedes Land kann mehr tun – und sollte mehr tun. Diese Aufforderung hat die Linke aufgenommen, indem sie einen Ebolakrisenfonds mit einem Volumen von 50 Millionen Euro fordert. Ich glaube, das reiche Deutschland kann und muss mehr tun, um den Menschen in Westafrika zu helfen. Ohne die bisherigen Bemühungen der Menschen in unserem Lande geringschätzen zu wollen: Wir müssen aber alle gemeinsam etwas tun. Wir wissen, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die das wollen. Wir sollten diesen Willen aufgreifen. (Beifall bei der LINKEN) Wir wissen, dass Ebola seit 1976 regelmäßig in afrikanischen Ländern ausbricht. Trotzdem gibt es kein Medikament gegen diese Krankheit. Das hat einen ganz einfachen Grund: Es gibt keine kaufkräftige Nachfrage. Die Linke ist der Überzeugung: Es darf nicht dem Markt überlassen werden, ob und welche Krankheiten bekämpft werden. Deshalb fordern wir in einem Antrag die Förderung der nichtkommerziellen Pharmaforschung. (Beifall bei der LINKEN) Wir können dem Gesundheitshaushalt nicht zustimmen. Ich will es noch einmal betonen: Wir können nicht akzeptieren, dass für eine Obsession, die schwarze Null, die Versicherten ihre Gesundheitskosten zunehmend selber tragen müssen. Das ist der falsche Weg. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Helmut Heiderich, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Helmut Heiderich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Schön, dass Sie pünktlich zur Gesundheitsdebatte präsidieren. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt umfasst rund 300 Milliarden Euro. Davon entfallen auf den Gesundheitsetat gut 12 Milliarden Euro. Darüber entscheiden neben dem Minister im Wesentlichen die Haushälter und die Fachpolitiker. Aber Sie dürfen nicht übersehen, verehrte Frau Kollegin Lötzsch, dass die Gesamtausgaben des Gesundheitsbereichs weit über 300 Milliarden Euro betragen, also weit höher sind als der gesamte Bundeshaushalt. Wenn Sie das alles zusammen betrachten, dann stellen Sie fest: Das Gesundheitswesen ist ein wesentlicher Baustein unserer Gesellschaft. Darüber entscheiden wir hier in diesem Hause. Wir haben in den letzten Jahren erfolgreiche Arbeit geleistet. Nach einer Allensbach-Studie von April – darauf hat der Minister schon bei der Einbringung des Haushalts hingewiesen – sind mehr als 80 Prozent der Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung in Deutschland zufrieden. In einer Umfrage der Techniker Krankenkasse von Oktober wurde ermittelt, dass sich seit 2006 das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Gesundheitssystem verdoppelt hat. Vertrauen ist einer der wesentlichen Bausteine. Deswegen können wir zu Recht sagen, dass wir in den letzten Jahren – unter Beteiligung vieler anderer – erfolgreiche Arbeit geleistet haben. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An Ihnen hat das nicht gelegen!) Wir wollen uns aber auf dem Erreichten nicht ausruhen; denn 90 Prozent der Bürger erwarten, dass wir unser Gesundheitssystem weiter verbessern. Deswegen haben wir in den Berichterstattergesprächen nicht nur mit dem Ministerium und den nachgeordneten Behörden gesprochen, sondern auch mit dem Beauftragten der Bundes-regierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie dem Bevollmächtigten für Pflege und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. An dieser Stelle möchte ich der Hauptberichterstatterin ein Dankeschön für die Vorbereitung und Durchführung dieser Gespräche sagen. Wir haben dabei viele Erfahrungen gemacht. Wir haben den Schwerpunkt auf die Prävention gesetzt. Wir haben den schon im Regierungsentwurf verbesserten Ansatz in Höhe von rund 45 Millionen Euro noch einmal deutlich erhöht. Die erste Initiative gilt dem Aufbau einer Präventionsstrategie gegen die Droge Crystal Meth. Wir haben darüber bereits bei der Haushaltseinbringung debattiert. Inzwischen hat uns die Schlagzeile aufgeschreckt, dass diese Droge auf den Schulhöfen angekommen ist. Oder um einen der führenden Suchtmediziner Deutschlands, Roland Härtel-Petri, zu zitieren: Der Konsum von Crystal Meth ist extrem gestiegen. … Es ist definitiv eine der gefährlichsten Drogen der Welt … Prävention ist deshalb ein ganz wichtiges Thema. Wir wollen durch Prävention die Nachfrage reduzieren und gleichzeitig Delikte stärker verfolgen. Wir haben deshalb gemeinsam mit der Fraktion Die Grünen einen neuen Haushaltsansatz bei der Drogenbeauftragten geschaffen. Wenn es eine Bestätigung dafür gebraucht hätte, dann war es die vor etwa zwei Wochen durch die Presse gehende Meldung, dass in Leipzig rund drei Tonnen Rohstoff zur Herstellung dieser Droge sichergestellt wurden. Das zeigt, wie nötig unsere Initiative ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die zweite Verstärkung bei der Drogenbeauftragten dient der Prävention bei unseren Jüngsten in der Grundschule. Hier gibt es seit Jahren das erfolgreiche Programm „Klasse 2000“. Es sticht dadurch hervor, dass es das in Deutschland am weitesten verbreitete Programm zur Sensibilisierung von Kindern gegenüber Gewalt und einem gesunden Leben ist. Dieses Programm setzt früh ein, es ist nachhaltig, breit aufgestellt, wissenschaftlich positiv evaluiert worden und wird von den Schülern und den Schulen gerne angenommen. Deswegen wollen wir dieses Programm weiter verstärken. Um einmal den Mediziner Dietrich Grönemeyer zu zitieren: Leider steckt die Prävention bei Kindern zu oft noch in den Kinderschuhen. Nur wenn sie erkennen, wie wichtig gute Ernährung und Bewegung sind, können sie auch danach handeln. Seine aktuelle Feststellung lautet: Insgesamt sind 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig, 6 Prozent aller Kinder sogar krankhaft. Deshalb wird, nachdem wir bereits bei der Haushaltseinbringung die Mittel für die Förderung der Kindergesundheit erhöht haben, für den Kampf gegen das Übergewicht bei Kindern noch einmal deutlich mehr Geld bereitgestellt. Das passt auch sehr gut mit der Forderung der Fachpolitiker zusammen, den Kampf gegen Diabetes II deutlich zu verstärken und eine gemeinsame Präventionsstrategie zu entwickeln. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) Sie sehen also: Einiges von dem, was noch bei der Haushaltseinbringung unter uns als wünschenswert diskutiert wurde, ist nach den Beratungen der Haushälter jetzt finanziell fixiert worden. Bei der Pflege – die Pflegeversicherung wird im kommenden Jahr die größte Verbesserung seit ihrer Einführung erfahren – haben wir eine personelle Verstärkung ermöglicht. Es geht um die besondere Aufgabe der Ausbildung und Gewinnung neuer Pflegekräfte. Karl-Josef Laumann hat sehr häufig darauf hingewiesen, dass wir einem Fachkräftemangel vorbeugen müssen. Wir schaffen im Hause zusätzliche Stellen, um die Reform der Pflegeausbildung und ein neues Pflegeberufsgesetz zu entwickeln. Ebenso gibt es eine personelle Verstärkung im Rahmen der Entwicklung eines Gesetzes zur Hospiz- und Palliativversorgung. Wir schaffen zudem die Möglichkeit, die Überwachung der Arzneimittelsicherheit zu verbessern, indem wir auch in diesem Bereich eine personelle Verstärkung vornehmen. Ich glaube, dies alles zeigt, dass wir dem Thema Prävention sehr viel Aufmerksamkeit widmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will das Thema Prävention noch ein wenig ausdehnen. Der Kollege Henke hatte bei der Haushaltseinbringung so schön gesagt: Vielleicht ist Prävention die einzige Chance, künftige Kostenbelastungen zu vermeiden. Das Problem ist allerdings, die Menschen für Prävention zu gewinnen und das Ganze so zu organisieren, dass sie sie auch tatsächlich nutzen. – Dazu passt die gerade zitierte Umfrage der Techniker Krankenkasse. Danach sind rund 60 Prozent der Deutschen der Ansicht, jeder sei für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Aber rund 70 Prozent von denen, die zu dieser Erkenntnis gekommen sind, sagen selbst, dass sie aus ihrer eigenen Erkenntnis nicht genügend Konsequenzen ziehen. Das heißt, hier ist ein breites Feld, um die Bürger dazu zu bewegen, sich selbst gesund zu halten und präventive Angebote wahrzunehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) Dabei sind wir in diesem Bereich bisher nicht inaktiv. Ich will einige kurze Beispiele darstellen, solange es meine Zeit erlaubt: Wir haben zum Beispiel im eigenen Haus bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das Programm „Älter werden in Balance“, das mit 3 Millionen Euro von den privaten Krankenversicherungen finanziert wird. Wir haben seit über zehn Jahren das in Deutschland wohl bekannteste Projekt von Barmer GEK, ZDF und Bild mit dem Titel „Deutschland bewegt sich“. Inzwischen sind viele andere Unternehmen in diese Initiative eingestiegen, sodass es inzwischen eine relativ breite Unterstützung dieser Bewegung gibt. Wir machen gemeinsam mit dem Agrarministerium das Projekt „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ und sind damit jetzt in der zweiten Projektphase. Ich denke, dass wir das weiter ausbauen sollten. Verschiedene Unternehmen beteiligen sich an der Plattform Ernährung und Bewegung mit demselben Ziel: Übergewicht zu vermeiden. Es gibt außerdem die Initiative „Zeit für Bewegung! Partnerschaften für Familien in der Kommune“, die vom Familienministerium und vom Deutschen Olympischen Sportbund durchgeführt wird. Darüber hinaus gibt es das Deutsche Netzwerk für Schulverpflegung, in dem inzwischen – das habe ich überraschend festgestellt – 20 Sterneköche versammelt sind, um diesem Projekt weitere Bedeutung zu geben. – Ich glaube, wir haben genügend Punkte, um mit dem neuen Präventionsgesetz Kräfte zu koordinieren, Begeisterung zu wecken und bei der Bevölkerung insgesamt ein Bewusstsein für Prävention zu entwickeln. Zum Schluss will ich noch kurz die ganz neuen technischen Anwendungen ansprechen, die gerade durch die Presse gehen. Das beginnt beim Fitnessarmband und geht über den Training Tracker, die I-Watch bis hin zu HealthKit und ähnliche Produkte. Ich glaube, auf uns wird eine neue Diskussion über Prävention, gesundheitliche Solidarität und Nutzung moderner Anwendungen zukommen. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was hat das mit Prävention zu tun? Gar nichts!) Prävention wird auch in den nächsten Jahren ein spannendes Thema sein. Wir können gemeinsam daran arbeiten, es positiv weiterzuentwickeln. Wir werden uns weiterhin für die Gesundheit der Bevölkerung einsetzen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Klein-Schmeink. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anders als meine Vorredner möchte ich als Erstes sagen: In einer Haushaltsdebatte reden wir im Kern über Finanzen. Im Bereich des Gesundheitsministeriums, Einzelplan 15, geht es im Wesentlichen über den Zuschuss zum Gesundheitsfonds. Dieser Zuschuss macht 95 Prozent aller Mittel aus. Es ist doch bezeichnend, dass das bei den bisherigen Rednern der Koalition noch keine Rolle gespielt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das verwundert uns auch nicht; denn diese Zwangsanleihe, diese Zwangsspende, die Sie kurz vor Weihnachten wieder einmal bei den Beitragszahlern erheben, ist eine, die sich deutlich bemerkbar macht: im nächsten Jahr mit 2,5 Milliarden Euro. Betrachtet man die gesamte Regierungszeit der Großen Koalition, wird es sich um 8,5 Milliarden Euro handeln. Das entspricht etwa 0,1 Prozentpunkten der Beitragssätze. Das ist viel Geld für jeden einzelnen Beitragszahler. Man muss sich klarmachen: Die Mehrheit der Beitragszahler hat einen Verdienst von nicht mehr als 1 500 Euro brutto. Bei ihnen statt bei den Steuerzahlern mit breiten Schultern holen Sie sich das Geld, um Ihren Haushalt zu sanieren. Das kritisieren wir aufs Schärfste, und das machen wir nicht mit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das sind im Übrigen Gelder, die als Rücklage im Gesundheitsfonds fehlen werden, um den Anstieg bei den Zusatzbeitragssätzen, die Sie eingeführt haben, abzufedern, was dazu führen wird, dass allein die Beitragszahler den Kostenanstieg im Gesundheitswesen bezahlen müssen. Wir reden mit Blick auf das nächste Jahr von über 9 Milliarden Euro Mehrbelastung, die auf den Beitragszahler zukommen. Diese Summe könnte durch einen Zuschuss zum Gesundheitsfonds natürlich erheblich abgefedert werden; denn dann könnte sie geringer ausfallen. Insofern sprechen wir von einer echten Zwangsspende, die Sie hier kurz vor Weihnachten bei den Beitragszahlern erheben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist ganz klar: Das ist ein Verschiebebahnhof. Dieser Verschiebebahnhof hat Methode. Das Verschieben von staatlichen Aufgaben hin zum Beitragszahler vollzieht sich auch bei der Rentenversicherung. Das erleben wir aber auch bei den kommenden Gesetzen, die schon als Referentenentwürfe vorliegen. Auch damit sind Kosten von etwa 350 Millionen Euro verbunden, die erneut dem Beitragszahler zugeschoben werden. Das machen wir nicht mit; das halten wir für eine unsoziale Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Politik ist aber nicht nur unsozial, sondern auch unseriös. Den Weg einer unseriösen und unzuverlässigen Politik – immerhin hat der Zuschuss zum Gesundheitsfonds im Gesetz immer als Zuschuss für versicherungsfremde Leistungen gestanden – setzen Sie fort, und das finden wir falsch. Wir meinen, dass man Verlässlichkeit darstellen muss und zu den Aussagen, mit denen man in die Öffentlichkeit gegangen ist, auch stehen muss. Da spreche ich Sie ganz direkt an, Herr Minister. Sie haben versprochen, dass es zu einer breiten Entlastung der Beitragszahler zum 1. Januar 2015 kommen wird. Sie haben versprochen, dass 20 Millionen Versicherte weniger zahlen werden als heute. Das ist ersichtlich nicht der Fall; davon kann man nicht reden. Das war ein leeres Versprechen, und es zeigt sich: An der Stelle sind Sie extrem unseriös. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zudem wird es in sehr schnellen Schritten dazu kommen, dass der Zusatzbeitragssatz bis 2017 auf mindestens 1,5 Prozent ansteigen wird. Das sind Kosten, die nur die Beitragszahler tragen. Außerdem haben Sie mit Ihrer Gesetzgebung dazu beigetragen, dass es zu einem massiven Beitragswettbewerb kommen wird. Die Kassen werden sich überbieten bzw. beim Zusatzbeitragssatz unterbieten, was dazu führen wird, dass die Solidarität im Gesundheitswesen unterhöhlt wird. Sie legen die Axt an unser System der Solidarität an. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist kurzsichtig, das ist zukunftsvergessen; das ist letztendlich aber auch unverantwortlich. Sie machen die Versorgerkasse zum Auslaufmodell, das Callcenter zum Standard – und das ausgerechnet für eine Zeit, in der wir mehr hochbetagte Versicherte haben werden, in der wir Kassen brauchen, die vor Ort präsent sind, die ansprechbar sind, die gute Versorgung anbieten und darin investieren. Das werden wir brauchen. Das wollen wir als Kassenmodell. Da gehen Sie den völlig falschen Weg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kommen wir zu einer weiteren großen Herausforderung. Wir wissen alle, dass wir derzeit einen massiven Zuzug von Flüchtlingen haben. Es sind Menschen in höchster Not, Menschen, die zum Teil wirklich schwerwiegende Erfahrungen gemacht haben, oft auch Kinder und Jugendliche. Wir wissen, dass es da um die gesundheitliche Versorgung ausgesprochen schlecht bestellt ist. Es ist ein humanitäres Armutszeugnis, dass wir in Deutschland diesen Schutzsuchenden nur eine minimale Gesundheitsversorgung bieten, dass nur die Behandlung im Notfall und bei Schmerzzuständen vorgesehen ist, dass wir für diese Menschen keine reguläre Grundversorgung im medizinischen Bereich haben. Das müssen wir dringend ändern. Das ist eine humanitäre Aufgabe, die vor uns steht und die wir angehen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Genau für diesen Zweck stellen wir in unserem Haushaltsmodell 490 Millionen Euro bereit. Wir wollen, dass wir eine gute gesundheitliche Versorgung für die Flüchtlinge haben. Wir wollen die Einbeziehung in unser System der gesetzlichen Krankenversicherung möglich machen. Zusätzlich wollen wir für die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge 3,15 Millionen Euro bereitstellen. So sieht unsere Art von Gesundheitspolitik aus: solidarisch und nach vorn gerichtet, menschlich. Das, denke ich, wäre die Aufgabe, der wir uns alle zusammen stellen müssten. Wir müssten schauen: Was müssen wir tun, um den Kitt zu erhalten, der unsere Gesellschaft zusammenhält, nämlich Solidarität und Menschlichkeit? Darin können wir investieren. Wir zeigen mit unserem Haushalt, der gut gerechnet ist, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: 8 Milliarden Mehrausgaben! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: So wie die Steuervorschläge!) dass das auch möglich ist und zu stemmen ist. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Petra Hinz, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Petra Hinz (Essen) (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Man setzt sich hin, bereitet sich auf die zweite und dritte Lesung vor, schreibt einige Eckpunkte oder Schwerpunkte zum Haushalt auf, zu dem, was wir in der Zeit von der ersten Lesung über die gemeinsame Beratung in den Fachausschüssen und in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses bis zur zweiten und dritten Lesung beschlossen haben, um es heute hier im Plenum vorzutragen, um deutlich zu machen, dass wir als Große Koalition in diesem Jahr in der Tat eine ganze Menge auf den Weg gebracht haben. Was dann kommt, wiederholt sich gebetsmühlenartig; das ist nachzulesen. Wir haben in diesem Jahr viermal über den Haushalt gesprochen, und viermal begann ich meine Rede mit der Richtigstellung zum Thema Gesundheitsfonds. Ich werde es nicht leid, und ich werde auch nicht müde, dies auch jetzt wieder zu tun: Diejenigen, die uns die Argumente im Rahmen der Anhörung geliefert haben, haben sehr deutlich gemacht, dass die Reduzierung auf ein Zeitfenster bis 2016 nie dazu führen wird, dass die Beitragssätze ansteigen werden. Mir ist klar: Ob ich Ihnen das noch einmal sage oder nicht, Sie hören meine Worte nicht, und Sie hören meine Argumente nicht. Ich möchte den Punkt jedoch nicht einfach übergehen, sondern schon mit Bedauern feststellen, dass Sie selbst das Urteil von Sachverständigen nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wie heißt es so schön? Die Wiederholung von unwahren Tatsachen ergibt noch lange nicht die Wahrheit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Richtig ist, dass wir bei den Beratungen zum Haushalt 2014 angekündigt haben, dass wir den Gesundheitsfonds dauerhaft bis 2016 auf 14,5 Milliarden Euro aufstocken. Dadurch – ich sage es noch einmal – wird kein Beitragssatz gekürzt. Alles andere, was Sie angesprochen haben, was Zwangsspenden und Beitragsbetrug – welche Worte Sie da auch gewählt haben – angeht, ist nicht richtig. Ich verstehe ja, dass man Dinge, die man politisch nicht mag, auf den Punkt bringen muss. Aber ich verstehe nicht, warum Sie das in dieser Form vortragen, weil es eindeutig nicht richtig ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Bei den Gesamtausgaben – das ist schon angesprochen worden – reden wir über 12 Milliarden Euro. Einen sehr großen Teil macht die steuerfinanzierte Umlage im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Wir werden in der Tat sehr genau hinsehen, welche Maßnahmen, welche Projekte und Aufgaben wir aus dem Parlament, aus dem Fachbereich dorthin überführen. Die werden dann nämlich dauerhaft unserer Kontrolle entzogen. Ich bitte die Fachkolleginnen und -kollegen, wirklich ein Auge darauf zu haben. Es mag zwar im ersten Augenblick richtig erscheinen. Aber manchmal ist es wichtig, dass Dinge bei uns im Parlament bleiben. Einen Hinweis, den ich bereits in der Bereinigungssitzung gegeben habe, möchte ich heute noch einmal vortragen, und zwar zum Pflege-Bahr. Ich verstehe Ihr Ministerium, Herr Gröhe, dass bei der staatlichen Zulage, beim sogenannten Pflege-Bahr, im Rahmen des Schätztitels ein Aufwuchs bzw. eine Anmeldung von 52 Millionen Euro vorgesehen ist. Ich verstehe allerdings nicht das Finanzministerium, das nach den Erfahrungen in 2014 in dem Bereich nicht die errechnete tatsächliche Summe etatisiert hat, sondern einen höheren Betrag. Wir haben gemeinsam in der Bereinigungssitzung darum gebeten, dass diese Schätzzahl im nächsten Haushalt dem Bedarf entsprechend dargestellt wird. Ich möchte da meine Kollegin Ekin zitieren. Wir wollen den Pflege-Bahr nicht streichen oder ihn aufgeben – inhaltlich diskutieren wir das jetzt gar nicht –, sondern wir wollen, dass die Versicherungsnehmer sich auf unser Wort verlassen können. Deshalb muss in diesem Bereich der tatsächliche Wert dargestellt werden. Wie mein Kollege möchte ich meine Ausführungen unter drei Überschriften setzen: Pflege, Prävention und Aufklärung, Kindergesundheit. Für diesen Bereich haben wir rund 78 Millionen Euro zur Verfügung. Da gilt es in der Tat, sehr genau hinzusehen. Der Pflegebereich ist eine Querschnittsaufgabe. Nicht nur im Bereich Gesundheit diskutieren wir darüber. Auch die Kollegin Manuela Schwesig und die Kollegin Andrea Nahles haben im Pflegebereich mit der Ausbildung von Pflegekräften und dem Thema „Familie und Pflege“ zu tun; wir tun das im gesundheitlichen Bereich. Ich denke, das, was wir mit der ersten Pflegestufe im Rahmen der Umsetzung auf den Weg gebracht haben, ist genau der richtige Schritt. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten jetzt im Bereich der zweiten Stufe an der weiteren Umsetzung. Zur Pflegeinformation. In der ersten Lesung ist von unseren Fachkollegen sehr deutlich dargelegt worden, wie wichtig gerade die Pflegeinformationen für die Bürgerinnen und Bürger sind. In dem Bereich stellen wir 3 Millionen Euro zur Verfügung, die wir dann auch verstetigen. Das heißt: Da wird nicht gekürzt; es wird bei dem Betrag bleiben. Wenn Mehrbedarf besteht, sollen die Mittel aufgestockt werden. Die Versorgung Pflegebedürftiger haben wir mit 2,9 Millionen auf den Weg gebracht. Kommen wir zur internationalen Zusammenarbeit. Hier ist schon mehrfach das Thema Ebola angesprochen worden. Der Haushaltsausschuss hat einen entsprechenden Bericht vorgelegt bekommen. Herr Minister Gröhe hat für alle Fachbereiche sehr ausführlich die Kooperation und Zusammenarbeit dargelegt. Ich bin dem Außenminister Frank-Walter Steinmeier dankbar, dass er -gemeinsam mit den Fachkollegen einen Sonderbeauftragten, Walter Lindner, eingesetzt hat. Jetzt können die Maßnahmen gebündelt und konzentriert werden. Wir haben für diesen Bereich weitere 3,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Man könnte natürlich einwenden, dass man mit dieser Summe nicht viel bezwecken kann. Das Geld muss in einem Haushaltsjahr aber auch ausgegeben werden können. Schauen wir uns einmal im Einzelplan 15 an, wofür diese 3,1 Millionen Euro eingesetzt werden: für klinische Studien, für Ausbildungsprogramme, für medizinisches Personal usw. Genau da ist das Geld richtig eingesetzt. In anderen Bereichen wie dem der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gibt es einen wesentlich höheren Ansatz. Das gilt genauso für den Bereich des Auswärtigen. Auch die Flüchtlingsgesundheit ist hier mehrfach angesprochen worden. Wir haben in der Tat 500 000 Euro zusätzlich eingestellt; denn wir sehen, dass den Kommunen dringend geholfen werden muss, wenn es um die gesundheitliche Aufklärung der Flüchtlinge geht. Hier ist die Frage zu klären, wer wofür zuständig ist. Uns ist deutlich gemacht worden, dass in unserem föderalen System eigentlich die Länder dafür zuständig sind. Wir haben gemeinsam mit unseren Fachkollegen eine Möglichkeit gefunden, die Gelder bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu etatisieren, sodass für die gesundheitliche Aufklärung der Flüchtlinge, wie gesagt, 500 000 Euro zur Verfügung stehen. Die Haushaltsmittel für den Bereich „Förderung der Kindergesundheit“ – machen wir uns da nichts vor – wären eigentlich 2014 ausgelaufen. Wir haben die Gelder für diesen Bereich neu etatisiert. Mein Kollege Heiderich hat für die Koalition schon sehr deutlich gemacht, dass Kindergesundheit und Prävention ein Schwerpunkt für uns sind. Schon der Volksmund sagt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wir hoffen, dass wir in den Bereichen Gesundheitsvorsorge und gesundheitliche Aufklärung von der Kita bis zur Schule Fortschritte erzielen. Die entsprechenden Mittel haben wir nicht nur verstetigt, sondern auf 1,5 Millionen Euro aufgestockt. Es geht auch um die Aufklärung bei Adipositas, also Fettleibigkeit, von Kindern. Hier müssen wir genau schauen, wie die Kommunen ihre Finanzmittel einsetzen. Denn wer Schwimmbäder schließt, darf sich nicht wundern, dass unsere Kinder nicht schwimmen können und dementsprechend auch keinen Sport treiben. Das eine bedingt das andere. Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt in unserem Haushalt ist der Bereich Forschung. Hier werden für Ressortforschung 25,5 Millionen Euro angesetzt: für die Begleitung von Gesetzesvorhaben, für Strategien zur Bekämpfung von Aids und für die Optimierung der Pa-tientensicherheit, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein spezieller Punkt der Forschung ist die Aidsforschung. Seit 1981 ist Aids als Krankheit anerkannt. Seitdem investieren wir in die Forschung, aber auch in die Aufklärung. Ich erinnere daran, dass wir 2014 10 Millionen Euro in die Aids-Stiftung eingezahlt haben, sodass sie bis 2017 in der Lage ist, den Menschen, die sich durch Blutübertragung infiziert haben, zu helfen. Jetzt geht es darum, zu klären, wie es nach 2017 mit der Stiftung weitergeht. Für diesen Bereich haben wir 11,9 Millionen Euro angesetzt, 1,6 Millionen Euro für die Forschung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein kleiner Betrag, der trotzdem erwähnt werden muss, ist der für die World Transplant Games. Hier werden wir die Reisekosten für die deutschen Teilnehmer übernehmen, schon zum zweiten Mal. Es ist zwar nur ein kleiner Betrag; aber daran wird deutlich, mit welch komplexen Themen wir uns im Zuge der Haushaltsberatung beschäftigen müssen. Aus dem Fachbereich wurde auf die Kaiserschnittgeburten hingewiesen. Es ist richtig, dass die Zahl derer zunimmt. Wir wissen, dass es auf diesem Gebiet zahlreiche Evaluierungen gibt. Trotzdem haben wir 250 000 Euro für eine Studie eingesetzt, mit der untersucht werden soll, in welcher Weise sich dieser Bereich verändert hat. Beim Drogen- und Suchtmittelmissbrauch – mein Kollege Heiderich hat gerade noch einmal darauf aufmerksam gemacht – haben wir die Mittel weiter aufgestockt, auf 1,5 Millionen Euro. Sehr wichtig war uns die Frage von weiteren Programmen gegen Glücksspielsucht, losgelöst aus den übrigen Programmen, damit die einzelnen Punkte, die in diesem Bereich zur Umsetzung kommen und etatisiert sind, für die Fachkolleginnen und Fachkollegen entsprechend nachvollziehbar sind, damit man sehen kann, welche Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, welche Evaluierung und welche Forschungsmittel eingesetzt werden. Es wird weitere Veränderungen geben: Es wird neue Mitarbeiter bzw. Geschäftsführer für das Robert-Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geben, die im nächsten Jahr ihre neue Aufgabe antreten werden. Auch in diesem Bereich haben wir – so sage ich einmal – nicht nur national, sondern auch international einen sehr guten Namen. Immer wieder werden Know-how und Kapazitäten des Robert-Koch-Instituts abgefragt, gerade im Zusammenhang mit Ebola. Ich möchte mich bei all denen, die dazu beigetragen haben, dass der Haushalt für 2015 aufgestellt werden kann, und die noch eine deutliche Aufstockung in den Bereichen Pflege, Prävention und Aufklärung sowie Kindergesundheit möglich gemacht haben, herzlich bedanken. Dies ist eigentlich der erste Haushalt der Großen Koalition. Wir haben noch eine ganze Menge an Arbeit auf den Weg zu bringen. Ich möchte mich bei allen ganz herzlich bedanken: beim Minister, beim Bundesrechnungshof, beim Finanzministerium, vor allem aber bei den Fachkolleginnen und Fachkollegen, die uns in dieser Frage sehr deutlich unterstützen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herzlichen Dank. – Für die Bundesregierung erhält jetzt das Wort Bundesminister Hermann Gröhe. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gerne greife ich zu Beginn den Dank auf und erwidere ihn herzlich. Nach intensiven Beratungen in diesem Jahr – der Haushalte 2014 und 2015 – ist es in der Tat angemessen, der Hauptberichterstatterin, den Berichterstattern und dem Haushaltsausschuss als Ganzes Dank zu sagen. Ich denke, wir haben in umfänglichen, in engagierten Beratungen ein Ergebnis vorgelegt, das uns auf dem wichtigen Feld der Gesundheitspolitik nach vorne bringt; dafür bin ich dankbar. Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun ist es völlig normal, dass die Haushaltsdebatte der Opposition Gelegenheit zur Kritik bietet. Was uns allen nicht weiterhilft, ist allerdings, wenn mit bewussten Verzerrungen und Verdrehungen die Verunsicherung der Versicherten gleichsam im Rahmen einer versuchten Märchenstunde zum Ziel der Politik gemacht wird. So dienen Sie keinem Menschen, meine Damen und Herren von der Opposition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Darüber hinaus zeigt Ihre Polemik gegen einen ausgeglichenen Haushalt, (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt aber mal zur Sache!) Ihre Polemik dagegen, dass wir die Liquiditätsreserve einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten lassen, Ihre Polemik gegen das Festschreiben des Arbeitgeberbeitrags, dass Sie ein entscheidendes Grundprinzip eines solidarischen Gesundheitswesens überhaupt nicht verstanden haben: Es ist eine gute Wirtschaftslage, es sind sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze, die dazu beitragen, dass sich die Menschen in unserem Land auf ein solidarisches Gesundheitswesen verlassen können, und dies muss so bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Insofern ist es richtig, dass wir die Liquiditätsreserve einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten lassen. Ein Haushalt ohne Neuverschuldung, das ist ein Signal der Generationengerechtigkeit, er stärkt aber eben auch die wirtschaftliche Entwicklung und pflegt damit gleichsam die Grundlagen, auf denen dann auch prall gefüllte Sozialkassen für die Sicherheit der Menschen in diesem Land einstehen. Sie wissen sehr genau – Kollegin Hinz hat es noch einmal unterstrichen –, dass keinerlei Abstriche an gesundheitlichen Leistungen, keinerlei Abstriche bei den Zuweisungen an die Krankenkassen erfolgen. Es ist gewissermaßen so: Wie in den Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise durch Unterstützung des Steuerzahlers, ja unter Inkaufnahme von Staatsverschuldung, die Beiträge stabil gehalten wurden, damit Arbeitsplätze nicht vernichtet werden, leistet jetzt eine prall gefüllte Liquiditätsreserve ihren Beitrag zu einer wachstumsfördernden Konsolidierungspolitik. Gleiches gilt für das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch das soll und wird dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land stabil zu halten und damit die solidarische Gesundheitspolitik dauerhaft abzusichern. Die damit verbundene Verpflichtung, mit dem Geld der Versicherten besonders sparsam umzugehen, nehmen wir ernst. Das haben wir unter Beweis gestellt, indem wir im Rahmen einer der ersten Gesetzgebungen dieser Großen Koalition die Arzneimittelpreise angepackt haben. Hiermit stellen wir Sparsamkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung sicher. Das ist entscheidend und wird uns weiterhin leiten. Wir sind auch der Überzeugung, dass ein guter Wettbewerb um Qualität und Effizienz in der Leistungserbringung im Interesse der Versicherten ist. Die Versicherten sind schlau genug, zu wissen, ob sie allein auf den Preis schauen oder auch die Frage stellen: Ist da eine Ansprechpartnerin, ein Ansprechpartner vor Ort? – Sie vergleichen Leistungspakete und Preise, und das ist richtig so. Es führt zu einem Bemühen um Effizienz in der Leistungserbringung. Das liegt im Interesse der Versicherten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben eine Reihe von Dingen unmittelbar im ersten Jahr dieser Koalition angepackt. Vieles ist derzeit in Arbeit; vieles haben wir uns noch vorgenommen. Wir haben die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt zukunftsfest gemacht: Einerseits ermöglichen wir einen vernünftig gestalteten Wettbewerb, andererseits stärken wir das Qualitätsbewusstsein, indem wir die Grundlagen für ein Qualitätsinstitut geschaffen haben, das schon im nächsten Jahr seine Arbeit aufnehmen wird. Wir haben schließlich – das wurde bereits in diesem Jahr gesetzlich abgeschlossen – die Rolle der Hausärzte gestärkt. Erst unlängst haben wir an dieser Stelle das erste Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Damit werden wir am 1. Januar des nächsten Jahres – gleichsam zum 20. Geburtstag der Pflegeversicherung – zu einer deutlichen Ausweitung der Leistungen für Pflegebedürftige, für ihre Angehörigen und damit auch im Interesse der Pflegenden in den verschiedenen Einrichtungen gelangen: wirksamere Unterstützung zu Hause, passgenauere, besser an die individuellen Bedürfnisse angepasste Unterstützung in der Pflege und mehr Betreuungskräfte in unseren stationären Altenpflegeeinrichtungen. Zugleich – auch das ist ein Stück Generationengerechtigkeit – legen wir einen Vorsorgefonds an, den wir in Zukunft mit gut 1 Milliarde Euro pro Jahr anfüllen. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass Pflegeversicherungsleistungen ohne dramatischen Beitragsanstieg erbracht werden können, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in höherem Umfang darauf angewiesen sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber es geht weiter: Mit einem zweiten Pflegestärkungsgesetz werden wir den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen und ein individuelleres Begutachtungssystem umsetzen. In diesem Sommer und Herbst wurde in umfangreichen Studien die Anwendung dieses Systems getestet. Dies wird nun ausgewertet. Das Jahr 2015 wird das Jahr der gesetzlichen Umsetzung sein, sodass wir alsbald zu einer umfassenden Implementierung eines neuen, individuelleren Begutachtungsverfahrens kommen. Wir wollen die Verbesserungen in der Pflege mit Verbesserungen in der hospizlichen und palliativmedizinischen Versorgung in unserem Land verbinden, mit Verbesserungen dieser notwendigen Aktivitäten unserer Pflegeeinrichtungen; sie haben hier schon eine intensive Debatte geprägt. Ich bin sicher: Wenn es darum geht, Schwerstkranken und Sterbenden einen Anspruch auf menschliche Zuwendung und bestmögliche medizinische und hospizliche Betreuung einzuräumen, dann sind wir uns in diesem Hause sehr einig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) 2015 wird uns insgesamt das Thema Versorgung beschäftigen: Wie sichern wir gute Versorgung stationär und ambulant? Das geschieht auch vor dem Hintergrund veränderter Herausforderungen durch den demografischen Wandel: eine älter werdende Gesellschaft, mehr chronisch und mehrfach erkrankte Menschen. Da liegt mir, da liegt vielen von uns die gute medizinische Versorgung im ländlichen Raum besonders am Herzen. Wir werden voraussichtlich noch im Dezember mit dem Entwurf eines Versorgungsstärkungsgesetzes wichtige Weichen stellen. Dazu gehört beispielsweise, dass man mithilfe von Strukturfonds in Gebieten mit drohender oder vorhandener Unterversorgung tätig werden kann, dass Anreize für eine Niederlassung geschaffen werden. Zukünftig haben die kassenärztlichen Vereinigungen damit die Möglichkeit, mit vielfältigen Maßnahmen, vom Stipendium bis hin zur Niederlassungshilfe, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Unterversorgung erst gar nicht entsteht und auch im ländlichen Raum angemessene, gute Verhältnisse im Hinblick auf die Niederlassung geschaffen und gestärkt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dabei tragen wir auch den Wünschen junger Studierender oder junger Ärztinnen und Ärzte Rechnung, etwa wenn wir die Formen gemeinschaftlicher Berufsausübung – von der Gemeinschaftspraxis über das in Zukunft pflichtweise zu fördernde Netzwerk bis hin zu erweiterten Möglichkeiten von Zentren zur medizinischen Versorgung – stärken. Wie gesagt: Dies trägt gerade den Wünschen junger Medizinerinnen und Mediziner Rechnung. Ich sage auch: Wir brauchen eine bessere Verteilung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten. Das ist allemal kein Grund zur Panikmache. Selbstverständlich kann dazu auch der Abbau von Überversorgung beitragen. Dafür sollen die Verantwortlichen vor Ort zuständig sein, die die jeweilige Versorgungslage im Blick haben. Das kann einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung in unserem Land insgesamt zu verbessern. Es wird auch darum gehen, dass dort, wo niedergelassene Ärzte den Bedarf an ambulanter Versorgung nicht gewährleisten können, die Krankenhäuser für die ambulante ärztliche Versorgung geöffnet werden. Nun komme ich zur Krankenhausplanung, zur Krankenhausversorgung in unserem Land. Sie wissen: Dazu tagt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die aller Voraussicht nach ebenfalls im Dezember ihre Arbeit abschließen und Eckpunkte vorlegen wird, die dann Grundlage einer Gesetzgebung im nächsten Jahr sein werden. Ohne den einzelnen Ergebnissen vorgreifen zu wollen – die Beratungen dauern ja noch an –: Es wird darum gehen, die Länder bei der Krankenhausplanung darin zu unterstützen, Qualität zu einem weiteren entscheidenden Kriterium in der Krankenhausplanung zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist entscheidend, um dann zu einem angemessenen, wenn Sie so wollen, auch neuen, guten Miteinander von gut erreichbaren Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung einerseits und der Spezialisierung in besonderen Zentren, in Häusern der Maximalversorgung in den Universitätskliniken andererseits zu kommen. Ein verbesserter Sicherstellungszuschlag wird dazu beitragen, das notwendige Angebot in der Fläche zu erhalten. Dazu wird aber auch beitragen, dass wir die besonderen Leistungen, die in einzelnen Zentren, aber auch in den Universitätskliniken erbracht werden, etwa bei seltenen oder besonders schweren Erkrankungen, angemessen vergüten. Schon im Versorgungsstärkungsgesetz werden wir uns des Themas Hochschulambulanzen annehmen, weil auch hier angesichts des Beitrages, den unsere Hochschulambulanzen gerade bei der Betreuung Schwerstkranker bzw. besonders schwerer Fälle leisten, eine Verbesserung notwendig ist . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bei der Verknüpfung von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung, von Spezialeinrichtungen und nicht zuletzt von Universitätskliniken, kommt dem Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in der Krankenhausversorgung große Bedeutung zu. Ich habe neulich in der Universitätsklinik Dresden erlebt, wie dort die Zusammenarbeit mit kleinen Krankenhäusern in Ostsachsen organisiert ist: über die Nutzung des Teletumorboards, über die Nutzung der Expertise bei der Behandlung von Schlaganfallpatientinnen und -pa-tienten. Dies sind eindrucksvolle Beispiele. Wir werden durch die Nutzung solcher Technologien die Selbstständigkeit von Menschen gerade im hohen Alter, die unter Herzinsuffizienz, Diabetes oder anderen Krankheiten leiden, verbessern. Es geht um ein selbstbestimmtes, aber eben mithilfe von Informations- und Kommunika-tionstechniken ärztlich begleitetes Leben. Wir werden mit einem E-Health-Gesetz die Anwendung dieser modernen Informations- und Kommunikationstechniken in unserem Land vorantreiben. Schließlich freue ich mich, dass wir alsbald in diesem Hause den Entwurf eines Präventionsgesetzes werden beraten können. Das Thema ist heute verschiedentlich angesprochen worden. Der Haushalt trägt im Einzelplan 15 durch den Titel für das „Nationale Kompetenzzentrum für Prävention“ bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung diesem Gedanken bereits Rechnung. Wir wollen eine nationale Präventionsstrategie, an der alle Akteure mitwirken und ihren Beitrag für eine lebens- und gesundheitsfördernde Lebensweise – von der Kita über die Schule und den Arbeitsplatz bis in die Altenpflege hinein – leisten. Was die gesetzliche Krankenversicherung angeht, werden wir über die entsprechende Gesetzgebung die erforderlichen Mittel bereitstellen. Wir werden aber auch die Einbeziehung der übrigen Sozialversicherungsträger, der privaten Kranken- und Pflegeversicherungen, in eine gemeinsame Kraftanstrengung einbinden. Zum Stichwort Prävention. Ich bin dem Haushaltsausschuss ausgesprochen dankbar für seine Arbeit im Bereich der Sucht- und Drogenprävention. Denn verschiedene Nachrichten aus dem Görlitzer Park in Berlin, die Entdeckung von knapp 3 Tonnen Grundstoff für die Herstellung von Crystal Meth und andere Meldungen beunruhigen uns. Dieser Fund zeigt die Wichtigkeit der Arbeit von Marlene Mortler, für die ich ausgesprochen dankbar bin. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Thema Ebola ist bereits angesprochen worden. Wir haben im Haushaltsausschuss intensiv darüber gesprochen. Deutschland stellt sich ohne Wenn und Aber seiner Herausforderung in diesem Bereich. Wir haben bereits erhebliche Mittel außerplanmäßig zur Verfügung gestellt und werden das weiter vorantreiben. Das gilt zum Beispiel für den Bereich der Impfstoffe, konkrete Forschungsprojekte, Training in der Region und in der Nachbarschaft, in der auswärtigen humanitären Hilfe und auch in der Entwicklungshilfe. Mir ist es wichtig, heute allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Freiwilligen der Nichtregierungsorganisationen, des Roten Kreuzes, des THW und der Bundeswehr für ihren dringend benötigten und nicht risikolosen Einsatz herzlich zu danken. Sie bekommen selbstverständlich materiellen Rückenwind und die notwendigen Ressourcen aus dem Bundeshaushalt. Ihnen gilt unser aller Dank. Sie haben das verdient. Wir werden dieses Engagement weiter ausbauen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das Wort hat jetzt Kathrin Vogler, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das mit der Märchenstunde würde ich nun gerne zurückgeben, Herr Minister. Denn an manches, was Sie da erzählt haben, muss man ein Fragezeichen anhängen. Es ist nicht so, auch wenn es unsere Aufgabe als Opposition ist, dass wir nur Kritik üben. (Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist ja was ganz Neues, Frau Kollegin!) Allerdings ist der von Ihnen vorgelegte Haushalt durchaus kritikwürdig, und zwar gerade an dem Punkt der Einschnitte beim Steuerzuschuss für den Gesundheitsfonds. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht. (Tino Sorge [CDU/CSU]: Was ist denn mit der Gegenfinanzierung?) Ihnen würde sicherlich kein Zacken aus der Krone brechen, wenn Sie nur einen unserer guten Vorschläge, die wir in den Änderungsanträgen vorgelegt haben, aufnehmen und umsetzen würden. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte einmal beispielhaft den Ebolakrisenfonds nennen. Es kann nicht sein, dass wir im Vagen gelassen werden, wenn es darum geht, was da nächstes Jahr auf uns zukommt. Weiterhin wollen wir den Kampf gegen den Drogen- und Suchtmittelmissbrauch mit Forschungsvorhaben unterlegen. Wir haben einen konkreten Vorschlag dahin gehend gemacht. Auch darauf haben wir keine positive Resonanz Ihrerseits erhalten. (Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Machen Sie doch eigene Vorschläge!) Wir wollen die nichtkommerzielle Pharmaforschung ausbauen. Das ist dringend nötig. Wir sehen zum Beispiel an der Ebolasituation, dass es da große Defizite gibt. Wir laden Sie dazu ein. Unterstützen Sie das, und machen Sie das mit! Mit dem umfangsreichsten unserer Änderungsanträge, was die Höhe der Mittel angeht, wollen wir auch dieses Jahr wieder den Finger in eine große Wunde unseres Gesundheitswesens legen: Wir wollen den Investi-tionsstau bei den Krankenhäusern abbauen. Jährlich fehlen den Kliniken 2 bis 3 Milliarden Euro für notwendige Bauten und technische Erneuerungen. Insgesamt sind das etwa 50 Milliarden Euro. Ja, wir wissen auch, dass eigentlich die Länder dafür verantwortlich sind. Doch diese wälzen angesichts von Schuldenbremsen diese Last auf die Kranken ab. Das können wir nicht hinnehmen. Darum fordert die Linke, dass sich der Bund zur Hälfte an den notwendigen Investitionen im Krankenhausbereich beteiligt (Tino Sorge [CDU/CSU]: Dann machen Sie doch einen Gegenfinanzierungsvorschlag!) und damit den Krankenhäusern Unterstützung in Höhe von circa 2,5 Milliarden Euro im Jahr leistet. (Beifall bei der LINKEN – Reiner Meier [CDU/CSU]: Wie sieht die Gegenfinanzierung aus?) – Unsere Gegenfinanzierung haben wir doch längst dargelegt. Die legen wir Ihnen jedes Mal wieder dar, aber Sie ignorieren das einfach. (Tino Sorge [CDU/CSU]: Realistisch und -seriös!) Alle Koalitionen der letzten Jahre haben sich geweigert, diese überaus notwendige Debatte zu führen und den Krankenhäusern an dieser Stelle zur Seite zu stehen. Die Folge ist, dass so manches Krankenhaus inzwischen als ökonomisch untragbar gilt und geschlossen werden soll. Das droht zum Beispiel auch dem Marienhospital in meiner Heimatstadt Emsdetten, einem Krankenhaus, das im AOK-Krankenhausnavigator von den Patientinnen und Patienten regelmäßig hervorragende Noten erhält. Die Qualität, über die wir oft sprechen, scheint hier nicht der Grund zu sein. Tausende Bürgerinnen und Bürger haben bereits Petitionen unterschrieben und sind auf die Straße gegangen, um ihr Krankenhaus zu erhalten. Ich finde es unerträglich, dass Krankenhäuser allein aus ökonomischen Erwägungen geschlossen werden, ohne dass die Kommune, der Kreis oder die betroffenen Bürgerinnen und Bürger mitreden können. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen dringend die politische Verantwortung übernehmen. Dazu rufe ich Sie auf. Markt und Wettbewerb sind keine geeigneten Mechanismen, um die Krankenhausversorgung in diesem Land zu steuern. Deswegen bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Änderungsantrag der Linken zu. Lassen Sie die kleinen Krankenhäuser leben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Burkhard Blienert, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Burkhard Blienert (SPD): Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem in dieser Woche zu beschließenden Haushalt 2015 zeigt die Große Koalition, dass sie verantwortungsbewusste und solide Haushaltspolitik mit effektiver, verlässlicher und erfolgreicher Gesundheitspolitik in Einklang bringt. (Beifall bei der SPD – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Hört sich an wie Pfeifen im Wald!) Wir setzen das um, was wir vorher gesagt haben. Wie angekündigt erhöhen wir die Mittel für den Gesundheitsfonds wieder auf 11,5 Milliarden Euro und somit die Gesamtausgaben für das Gesundheitssystem insgesamt um knapp 10 Prozent auf über 12 Milliarden Euro. Für uns gilt: Das eingesetzte Geld muss den Menschen zugutekommen und darf nicht im System versickern. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Genau das ist der Punkt!) Daher ist es nicht per se richtig, immer mehr Geld in das System zu pumpen, sondern es ist vielmehr auf die Effizienz der eingesetzten Gelder zu achten. Nach wie vor sind die finanziellen Spielräume begrenzt. Unter diesen Voraussetzungen stellen wir die gesundheitliche Versorgung sicher, geben die richtigen Signale für die Zukunft und reagieren auf neue Herausforderungen. Ich möchte zwei Beispiele geben, die zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind – sie wurden bereits erwähnt –: Ebola in Westafrika und die gesundheitliche Situation der Flüchtlinge aus den Krisengebieten. Wir müssen Antworten geben und handlungsfähig sein; und das sind wir, ohne an anderer Stelle zu kürzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Mit diesem Haushalt zeigen SPD und Union genau diese Handlungsfähigkeit. Aktuell erarbeiten wir mit vielen verschiedenen Akteuren eine Krankenhausreform: das Präventionsgesetz und das Versorgungsstärkungsgesetz. Punkt für Punkt gehen wir die unterschiedlichen Bereiche an und sorgen für Lösungen, die den Menschen helfen. Es hilft nicht, Anträge vorzulegen, die nicht gegenfinanziert sind und die nicht mit einem Konzept hinterlegt sind, während gleichzeitig zusammen mit den Ländern an Konzepten gearbeitet wird. Anstatt mit Blick auf die Krankenhausfinanzierung Panik zu machen, muss man sich über Konzepte und Inhalte verständigen; denn das ist der richtige Weg. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir setzen im Koalitionsvertrag Beschlossenes wie die Pflegereform um und verbessern damit die Situation vieler Pflegebedürftiger. Es ist uns gelungen, die Haushaltsmittel für die Pflegekampagne zu verstetigen und gleichzeitig die Gelder für Pflegebedürftige auf knapp 3 Millionen Euro zu steigern. Das sind gute Beschlüsse. Sie gehören nicht in die Schublade eines parteipolitischen Klein-Klein. Nicht zuletzt im mir sehr wichtigen Bereich der Drogen- und Suchtbekämpfung haben wir es geschafft, die zur Verfügung gestellten Finanzmittel weiter zu erhöhen. Für das, was wir machen, nun einige Beispiele: Endlich ist es gelungen, Geld zur Bekämpfung der Glücksspielsucht im Haushalt einzustellen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Eine halbe Million Euro ist realisiert worden. Der Aufwuchs im Bereich der Modell- und Forschungsvorhaben hilft, eine Vielzahl von Unterstützungsangeboten fortzuführen und somit Hilfesuchenden eine Anlaufstelle zu geben. Mit der Ausweitung des Schulbusprojekts kann der Crystal-Ausdehnung ein erfolgversprechendes Projekt für Jugendliche entgegengestellt werden. Auch die Mittel für das Klasse-2000-Projekt werden helfen, Kindern Wege in ein selbstbestimmtes und gesundes Leben zu zeigen. Es ist ein großer Schritt, wenn wir die Finanzierung dieses Projekts an zusätzlich bis zu 2 000 Schulen ermöglichen. An dieser Stelle muss festgestellt werden, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an vielen Stellen und in vielen Programmen die gesundheitliche Prävention bei Kindern in den Haushaltsberatungen gut durchsetzen konnten. (Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Na, na, na! Da waren wir aber vorneweg! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Nicht nur die Sozialdemokraten! Die Koalition!) Die Mittel für die Kindergesundheit steigen von 500 000 Euro auf insgesamt 2 Millionen Euro; das ist ein gutes Zeichen. Ein Teil davon sind Gelder für die wichtige Adipositasforschung. Übergewicht ist in unserer Gesellschaft leider ein weit verbreitetes Problem. Umso wichtiger ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Prävention setzt immer am Beginn an, Prävention umfasst alle Bereiche und sozialen Lebenslagen, Prävention vermeidet Folgekosten. Das ist in den kommenden Jahren unsere Hauptaufgabe. Mit den Beschlüssen zum Haushalt des Einzelplanes 15 dürfen wir daher ganz zufrieden sein. Die Haushälter haben, glaube ich, gut verhandelt und so dafür gesorgt, dass das, was eingebracht wurde, besser -geworden ist und wir somit heute einen guten Einzelplan 15 verabschieden können. Danke insbesondere an die zuständigen Berichterstatter für ihre Arbeit! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eingangs habe ich bereits darauf hingewiesen: Es gibt Situationen, die unerwartet Handeln unsererseits erforderlich machen. Ebola ist ein Beispiel; über 3 Millionen Euro stellen wir hier für klinische Studien zur Verfügung. Die große Herausforderung der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen ist ein weiteres Beispiel. Dort greifen wir den Kommunen unter die Arme. Sie sind an der Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit. Ich bin froh darüber, dass wir dafür auch im Haushalt des BMG 500 000 Euro zur Verfügung stellen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 500 000! Tausend, nicht Millionen!) Wir können somit eindeutig feststellen: Die Schwerpunktsetzungen dieser Koalition stimmen. Wir reden nicht nur, wir zerreden nicht, wir handeln. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Und das in kleinsten Schritten!) Vor gut einem Jahr wurde Schwarz-Gelb abgewählt. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Na ja, aber Schwarz ist ja wohl immer noch dran, oder? – Gegenruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU]: Ja, und das bleibt auch so! Schwarz wirkt!) Dies ist nun der erste ureigene Haushalt, den diese Große Koalition in dieser Legislatur vorlegt und abschließend berät. Wir haben einiges erreicht: Schritt für Schritt, durchdacht und fachlich untermauert, abgewogen und sozial, verlässlich und solide. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte? Sozial? Verlässlich?) Das macht erfolgreiches politisches Handeln aus. Insofern: Marktschreierische Forderungen und illusorische Gedankenspiele sind nicht unsere Sache. Wir sind – Punkt für Punkt – an der Sache orientiert. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja ein toller Beitrag!) Wir fordern nichts Unerreichbares. Es muss das Machbare angegangen werden. Auf diesem Weg befinden wir uns. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben unsere Arbeit für diesen Haushalt getan: gründlich, solide, erfolgreich. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und leidenschaftlich!) Die Bürgerinnen und Bürger können sich sicher sein, dass unser Haushaltsentwurf die richtige Medizin für die Herausforderungen in der kommenden Zeit sein wird. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Gröhe, ich möchte Ihnen für die Rede, die Sie hier gerade gehalten haben, ausdrücklich danken. Denn einen besseren Beweis für das Motto dieser Großen Koalition, was den Gesundheitshaushalt angeht, konnte es gar nicht geben. Ihr Motto lautet „Verwalten statt gestalten“. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Dann haben Sie nicht zugehört! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: So ein Quatsch! – Das ist ja frech!) Wie soll die Gesundheitsversorgung in Zeiten des demografischen Wandels in Zukunft aussehen? Wie kann diese solidarisch finanziert werden? Den Ehrgeiz zu großen, längst überfälligen Reformen bleiben Sie leider schuldig. Diese Koalition verschleppt nahezu alles, was den Patienten und ihren Angehörigen, den Versicherten und den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen würde. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen: Die Koalition packt das Pflegestärkungsgesetz, die Probleme des wachsenden Bedarfs an guter Pflege – ich betone: an guter Pflege –, nicht an der Wurzel. So ist die Einführung des neuen Pflegebegriffs wieder einmal verschoben worden. Das Problem einer langfristigen und gerechten Finanzierung bleibt ungelöst. (Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Was ist denn damals bei Rot-Grün passiert?) Stattdessen verschwendet Schwarz-Rot das Geld der Versicherten an einen völlig unsinnigen Pflegevorsorgefonds, (Tino Sorge [CDU/CSU]: Dass Vorsorge für Sie unsinnig ist, haben wir ja schon mitbekommen!) und der schwarz-gelbe Pflege-Bahr, der erwiesenermaßen schon ein totaler Reinfall ist, wird nicht etwa abgeschafft, sondern fortgeführt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, mit dem sogenannten Versorgungsstärkungsgesetz – das ist im Moment offensichtlich Ihr Lieblingswort – verliert sich Minister Gröhe hingegen im Klein-Klein. Altbekannte Akteure im Gesundheitswesen werden mit Geschenken und Detailverbesserungen bei Laune gehalten, notwendige Strukturreformen aber werden auf die lange Bank geschoben. Konkrete Regelungen zur Reform der Krankenversorgung, also zur Bedarfsplanung, zur besseren Kooperation der Gesundheitsberufe, zur Stärkung der Verantwortung in den Bundesländern und Kommunen zur Sicherstellung der Versorgung in Stadt und Land, fehlen völlig. Bei dem geplanten Präventionsgesetz bedient sich die Große Koalition bei den Vorschlägen aus den dunklen Zeiten der Gesundheitspolitik von Schwarz-Gelb. Hier hilft ein bisschen SPD-Prosa überhaupt nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Hilde Mattheis [SPD]: Hallo!) Im Gegenteil: Schwarz-Rot verpasst die Möglichkeit, Prävention und Gesundheitsförderung als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen, zu finanzieren, zu organisieren und umzusetzen. Wir brauchen eine echte Investition in die Erhaltung und die Förderung der Gesundheit, und zwar mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam. Das gelingt aber nur, wenn insbesondere Kinder und Jugendliche sowie die wachsende Zahl älterer Menschen nicht nur kompetent im gesunden Verhalten werden, sondern im Alltag tatsächlich auch die Möglichkeit haben, diese Lebensweise umzusetzen. Das scheitert nicht an fehlenden Kenntnissen, sondern es fehlt an den notwendigen Möglichkeiten Einzelner – übrigens auch den finanziellen Möglichkeiten – und an den Gelegenheiten im Alltag: im Kindergarten, in der Schule, im Betrieb, im Stadtteil. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Deshalb machen wir neue Gesetze! Sie müssen einmal lesen, was wir machen!) Deshalb setzen wir Grüne auf eine Gesundheitsförderung, die auch die Verbesserung dieser Alltagswelten zum Gegenstand hat und alle – vor allem die Menschen vor Ort – an der Gestaltung dieser Alltagswelten beteiligt. Wenn wir es schaffen, beispielsweise Kindertagesstätten unter Mitwirkung der Kinder, der Eltern, der Erzieherinnen und Erzieher und der Träger zu gesunden Spiel-, Lern- und Arbeitsorten weiterzuentwickeln, dann steigt die Zufriedenheit, und das wäre eine echte Investition in die Zukunft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie bleiben aber nicht nur bei der Ausrichtung hinter Ihrem eigenen Koalitionsvertrag zurück, sondern auch bei der Finanzierung. Wo bleibt die angekündigte breite Finanzierungsbasis, die Einbeziehung der Arbeitslosenversicherung und der privaten Kranken- und Pflegever-sicherung? Prävention kann nicht die alleinige Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Auch hier versagen Sie leider völlig. Die Einbeziehung der Kommunen in die Gestaltung der Alltagswelten kommt bei Ihnen gar nicht vor. Das ist ein besonders wichtiger Punkt. Deshalb erneuern wir heute unseren Appell: Die Zukunft der Prävention und Gesundheitsförderung kann nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Kommunen gestaltet werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dazu braucht man aber den Mut für einen Paradigmenwechsel. Sehr geehrter Herr Minister Gröhe, wenn Sie die Gesundheitsförderung wirklich ernst nehmen, dann müssen Sie diese momentane Irrfahrt beenden. Legen Sie ein Präventionsgesetz vor, das diesen Namen auch verdient und eine echte Investition in die Zukunft ist! In der Gesundheitspolitik wurde lange genug herumgedoktert. In Zeiten des demografischen Wandels und im Interesse der Gerechtigkeit für alle Generationen brauchen wir endlich eine auf Dauer angelegte bürgerorientierte und soziale Gesundheitspolitik – von der Finanzierung über die Prävention bis hin zu einer guten Krankenversorgung. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Hubert Hüppe, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Hubert Hüppe (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schulz-Asche, eigentlich wollte ich nichts dazu sagen, aber ich habe manchmal das Gefühl, Sie waren nicht immer dabei, wenn wir die entsprechenden Dinge im Gesundheitsausschuss diskutiert haben; (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie auch nicht!) denn was wir für die Menschen geleistet und auf den Weg gebracht haben, sind Vorteile. Das alles kann man kritisieren. Sie haben gerade aber den Pflege-Bahr und die Vorsorge kritisiert und gleichzeitig gesagt, wir würden dieses System nicht sichern. Hier stimmt irgendetwas nicht, und ich finde es schade, dass wir hier nicht sachlicher über diese Dinge sprechen können. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte jetzt allerdings noch zu einigen anderen Themen kommen. Wir hatten in der letzten Sitzungswoche eine fünfstündige und viel beachtete Debatte über die Frage organisierter Suizid, Beihilfe zur Selbsttötung. Dabei haben wir sehr viele Dinge diskutiert. Es gab ganz unterschiedliche Meinungen quer durch die Fraktionen. Aber alle waren sich einig – zumindest ich habe keine andere Stimme gehört –: Wir wollen eine ausreichende medizinische, auch schmerzmedizinische Versorgung für ein würdiges Leben. Wir brauchen gute Pflege. Wir wollen ebenso – auch das ist sehr wichtig – die menschliche Betreuung sicherstellen. Ich glaube, dass diese Punkte, wenn wir sie weiterentwickeln und die Versorgung verbessern und sichern, die beste Prävention sind, um dem Wunsch nach vorzeitigem Sterben entgegenzutreten. Deswegen ist es gut, dass vor zwei Wochen eine Initiative des Bundesgesundheitsministers Gröhe und der Gesundheitspolitiker der Koalition – sie sind hinsichtlich der Sterbehilfe durchaus unterschiedlicher Meinung – vorgestellt worden ist, in der dargelegt wird, wie die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland verbessert werden soll. Es sollen Lücken in der Versorgung geschlossen werden. Auch soll die Hospizarbeit finanziell stärker gefördert werden. Es soll vor allen Dingen auch finanzielle Anreize für die ambulante Palliativversorgung geben. Es ist wichtig, dass Menschen gerade in ihrer letzten Phase am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, dass sie mitten in unserer Gesellschaft sind und da leben und auch sterben können, wo sie es wollen. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum wir eine solche Debatte führen: Wir haben den Tod mehr und mehr in Einrichtungen verbannt und damit die Angst vor dem Tod gesteigert. Deswegen ist es notwendig, diese Ideen gerade für die ländlichen und strukturschwachen Gebiete tatsächlich aufzunehmen. Ich lade die Opposition ein, hier mitzumachen. Ich bin sicher, dass wir uns guten Vorschlägen nicht verschließen werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wichtig ist dabei – das darf ich auch einmal sagen –, dass die Hospiz- und Palliativversorgung in den Pflegeheimen verbessert wird. (Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Immerhin sterben jedes Jahr 340 000 Menschen in sta-tionären Pflegeeinrichtungen. Es ist notwendig, dass diese Menschen nicht vergessen werden und sie Zugang zu Hospiz- und Palliativleistungen haben; denn es ist wichtig, dass die Menschen keine Angst haben, in diesen Heimen ohne die Möglichkeit, solche Leistungen und auch menschliche Zuwendung in Anspruch zu nehmen, zu sterben. Auch muss gewährleistet sein, dass die Hospizdienste und die Ärzte zusammenarbeiten und den Menschen in ihrer letzten Phase helfen. (Beifall bei der CDU/CSU) Gerade weil sich alle einig waren, dass die Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung Vorrang hat, sollten wir darüber als Erstes sprechen. Das sollten wir schnell tun, bevor wir die anderen rechtlichen Fragen regeln, damit diese Hilfe zügig ankommt. Es darf nicht sein, dass wir zwar eine rechtliche Frage klären, aber die Hilfe, die die Menschen brauchen, noch nicht geregelt haben. Deswegen sollten wir hier zügig handeln und diese Maßnahmen umsetzen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben aber noch nichts getan!) Wenn wir über Teilhabe von kranken, behinderten und alten Menschen sprechen, dann müssen wir auch über Pflege reden. Wenn wir über Inklusion in die Gesellschaft sprechen und über die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, dann denken wir meistens an gemeinsame Kindergärten, Schulen, vielleicht auch an Werkstätten und andere Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung. Aber ganz wichtig ist, dabei nicht zu vergessen, dass auch alte und pflegebedürftige Menschen ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe haben. Deswegen ist das Pflegestärkungsgesetz ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe für pflegebedürftige Menschen. Auch in diesem Bereich wollen wir den Menschen so lange wie möglich ein Leben mitten in der Gesellschaft ermöglichen. Wir sehen deswegen zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und für Pflegekräfte vor. Wir flexibilisieren in Zukunft die Kurzzeit- und Verhinderungspflege. Wir machen die Tages- und Nachtpflege leichter zugänglich. Auch die stärkere Förderung ambulanter Wohngruppen und die Erhöhung der Zuschüsse für Umbaumaßnahmen tragen dazu bei, dass Menschen dort leben können, wo sie gerne leben wollen, auch wenn sie pflegebedürftig sind. Wir wollen die Voraussetzungen schaffen bzw. verbessern, dass Menschen mit Pflegebedarf und/oder Behinderung möglichst so leben können, wie sie es wollen. Gesellschaftliche Teilhabe darf nicht in stationären Einrichtungen enden. Deswegen bin ich sehr dankbar, Herr Minister Gröhe, und finde es hervorragend, dass wir bei den Betreuungskräften in diesen Einrichtungen eine erhebliche Aufstockung vornehmen konnten. Wie Sie wissen, konnte bisher pro 24 pflegebedürftigen Bewohnern eine Betreuungskraft eingestellt werden. Aber dafür zählten nur Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, also vor allem demente Menschen. Jetzt ist der Schlüssel verbessert worden. Es gibt eine Betreuungskraft pro 20 Pflegebedürftigen, und zwar unabhängig davon, ob sie dement sind oder nicht. Das wird bedeuten, dass zu diesem Zweck Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende Betreuungskräfte in diesen Einrichtungen eingestellt werden könnten, die den Menschen mehr geben als Pflege. Sie dürfen zwar keine körperliche Pflege leisten. Wichtig ist aber auch, jemanden zu haben, der mit einem spricht, der einen begleitet und mit einem spielt. Das ist Inklusion. Das ist Teilhabe, und das schaffen wir mit diesem Gesetz. (Beifall bei der CDU/CSU – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird aber von den Versicherten bezahlt und nicht aus dem Haushalt!) Im Übrigen schafft das vielleicht auch die Möglichkeit, Menschen einen Arbeitsplatz zu geben, die bisher diese Chance nicht hatten. Es gibt zum Beispiel ein Modellprojekt der Lebenshilfe, in dem man versucht, Menschen mit Lernbehinderung eine Qualifikation und einen Arbeitsplatz außerhalb einer Behindertenwerkstatt zu ermöglichen. Auch das wäre eine sehr schöne Nebenwirkung. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, alle diese Leistungen kosten Geld. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das der Beitragszahler!) Gute Pflege gibt es nicht umsonst. Deswegen nehmen wir die Anhebung des Beitrages in Kauf, auch wenn wir das nicht gerne tun und bei den Lohnnebenkosten ansonsten auf Stabilität achten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Verhaltener Beifall!) Wichtig ist es auch, Barrieren im Gesundheitssystem abzubauen. Deswegen sehen wir beim Versorgungsstärkungsgesetz vor, dass bei Ausschreibungen eines nachzubesetzenden Arztsitzes erstmals die Belange von Menschen mit Behinderungen gezielt berücksichtigt werden können. Übrigens loben uns fast alle Selbsthilfeverbände dafür. Es wäre richtig, auch das anzuerkennen, statt nur zu sagen, wir hätten nichts gemacht. Im Gegenteil: Das ist nur einer der Punkte, um die wir uns kümmern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein weiterer wichtiger Punkt ist meines Erachtens der Begriff „Transition“. Damit können vielleicht nicht alle etwas anfangen. Es geht darum – das ist im Koalitionsvertrag festgelegt worden –, dass für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen die Möglichkeit geschaffen wird, sich in medizinischen Behandlungszentren behandeln zu lassen. Diese Notwendigkeit gibt es aus meiner Sicht schon seit geraumer Zeit. Es war notwendig und es ist richtig, dass wir das, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, jetzt anpacken. Bislang sind Menschen mit einer Behinderung oder Erkrankung wie zum Beispiel einer Muskeldystrophie oder Mukoviszidose in sozialpädiatrischen Zentren behandelt worden. Viele sind schon im Kindesalter gestorben. Deswegen hat man auch keine Folgeeinrichtungen geschaffen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Hüppe, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klein-Schmeink? Hubert Hüppe (CDU/CSU): Ja, meinetwegen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Gut. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Hüppe, wenn Sie schon die Haushaltsrede dazu nutzen, um auf das als Nächstes geplante Gesetz überzuleiten, möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Da Sie zu Recht auf Maßnahmen für Menschen mit Behinderung hingewiesen haben, ist natürlich erklärungsbedürftig, warum in der letzten Legislaturperiode das Zentrum zur medizinischen Behandlung von Menschen mit Mehrfachbehinderung von Ihrer Fraktion abgelehnt wurde; ein entsprechender Antrag hat hier im Bundestag vorgelegen. Als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen hatten Sie einen umfangreichen Katalog von notwendigen Verbesserungen in der gesundheitlichen Versorgung vorgelegt. Nun sehe ich aber, dass der Referentenentwurf für Menschen mit Behinderung gerade einmal drei Punkte enthält, die als notwendig erachtet wurden. Daher frage ich Sie: Beabsichtigen Sie, nach dem geplanten Versorgungsstärkungsgesetz ein eigenständiges Versorgungsstärkungsgesetz für Menschen mit Behinderung zu machen? Wenn ja, dann sind Sie auf dem richtigen Weg. Ansonsten befürchte ich, dass Sie leider bei den ersten Schritten stehen bleiben. Sechs Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention wäre es in der Tat notwendig, eine vollständige Anpassung der Regelungen vorzunehmen. Beabsichtigen Sie das? (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wo ist die Frage?) – Die Frage lautet, ob es ein eigenständiges Gesetz für Menschen mit Behinderung geben wird, da das andere Gesetz quasi nur Bruchteile enthält. Hubert Hüppe (CDU/CSU): Es wird in der Tat verschiedene Gesetze geben, im Rahmen derer dieses Thema behandelt wird. Wir diskutieren bereits über ein Teilhabegesetz, auch in der Koalition. Dabei werden nicht nur die Belange behinderter Menschen, sondern auch der Pflegebereich berücksichtigt werden, da die Pflege nicht nur durch die Pflegeversicherung, sondern auch im Rahmen des SGB XII finanziert wird. Ich bin sicher, dass verschiedene Punkte aufgenommen werden, die die Umsetzung der UN--Behindertenrechtskonvention verstärken. Aber ich bin der Meinung, dass sowohl das Pflegegesetz als auch das geplante Versorgungsstärkungsgesetz bereits wichtige Schritte nach vorne darstellen; ich habe noch nicht alle aufgezählt. Dazu gehört unter anderem die zahnärztliche Betreuung. Ich bin dankbar, dass die Belange der Menschen mit Behinderung nicht in einem gesonderten Gesetz berücksichtigt werden. Vielmehr haben diese Menschen genauso wie jeder andere nicht behinderte Mensch – das bedeutet Inklusion – das Recht auf Versorgung bzw. ortsnahe Versorgung, soweit es möglich ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist wichtig, dass Jugendliche und Kinder mit Behinderung bzw. Mehrfachbehinderung die Kontinuität einer Behandlung erfahren. Ich nenne ein Beispiel. Es reicht nicht aus, allein einen Urologen hinzuzuziehen, wenn ein Mensch mit Spina bifida Probleme mit der Blase hat. Ein solcher Mensch braucht zusätzlich einen Neurologen, der feststellen kann, ob dieses Problem beispielsweise mit dem Rückenmark zu tun hat. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass solche Menschen eine umfängliche Beratung bekommen, die nicht nur auf den medizinischen Bereich ausgerichtet ist, sondern auch Hilfsmittel, Versorgung und vieles andere umfasst. Wenn wir diese Kontinuität erreichten, dann wäre das ein wichtiger Schritt nach vorne. Letzter Punkt. Eine gute Gesundheits- und Pflegepolitik garantiert in der Tat keine Inklusion und keine gesellschaftliche Teilhabe. Aber eines ist sicher: Wenn wir sie nicht haben, dann wird es auch nicht zu einer gesellschaftlichen Teilhabe kommen. Deswegen bedanke ich mich beim Minister für die eingeleiteten Maßnahmen. Wir werden noch vieles für die betroffenen Menschen erreichen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Herr Kollege Hüppe. – Nächste Rednerin ist Birgit Wöllert, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Birgit Wöllert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Herr Minister Gröhe! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Heiderich und auch Sie, Herr Minister Gröhe, haben recht viel zur Prävention gesagt. Um es deutlich zu machen: Bei Prävention und Gesundheitsförderung trennen uns nicht nur Welten, sondern wahrscheinlich genau die Lebenswelten, die in Ihrem Entwurf fehlen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Der große Wurf mit dem angekündigten lebenswelt-orientierten Ansatz ist leider nicht gelungen, und auch der tatsächliche Neuigkeitswert ist gering. Nach der 1986 verabschiedeten Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung versteht man Lebenswelten als einen Ort, an dem Gesundheit von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt wird, dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Das heißt nichts anderes, als die Menschen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld anzusprechen und das Umfeld selbst zum Gegenstand gesundheitsfördernden Verhaltens zu machen. Das bedeutet nicht, die Menschen mit Plakaten, Informationsbroschüren und Tipps zur Lebensweise zu überschütten. (Beifall bei der LINKEN) In dem Beschluss der 87. Gesundheitsministerkonferenz zur Gesundheitsförderung und zum Präventionsgesetz haben die Länder gefordert, die finanziellen Grundlagen und die Kooperationen der wesentlichen Akteure solide und wirkungsvoll zu gestalten. Sie hatten Erwartungen an eine Stärkung der Gesundheit im Sinne der Verlängerung der gesunden Lebensjahre in Deutschland, insbesondere auch bei sozial benachteiligten Menschen. Prävention, die an den Lebenswelten anknüpft, ist also weder nur Sache der Krankenkassen noch nur eine Sache von Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen. Statt Steuermittel für die Gesundheitsausgaben immer weiter zu kürzen, gehören sie richtig eingesetzt. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb brauchen wir einen Fonds für Gesundheitsförderung und Prävention mit einem Titelansatz in Höhe von 1 Milliarde Euro. Das schlägt meine Fraktion vor. (Beifall bei der LINKEN) Daraus könnte auch künftig die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung finanziert werden. Auch die vier Punkte der Deutschen Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten zeigen, dass Prävention in Lebenswelten wesentlich mehr bedeutet, nämlich Sport und Bewegung in Kitas und Schulen, Zucker- und Fettsteuer auf ungesunde Lebensmittel, Qualitätsstandards für Kita- und Schulessen und ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet. (Beifall bei der LINKEN) Ich könnte noch hinzufügen: Ausstattung von Schulen mit Möbeln, die dem im Wachstum befindlichen Körper des Kindes entsprechen, aber nicht nach Kassenlage der Kommunen. (Beifall bei der LINKEN) Ganz vorne stand bei einem Besuch von Kindern einer sechsten Klasse im Bildungsausschuss in Spremberg der Wunsch an die Politik, E-Books einzuführen. Der Grund: leichtere Schultaschen. Auch das ist Prävention. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Wöllert, ich muss Sie jetzt bitten, zum Schluss zu kommen, nicht nur weil Ihre Redezeit abgelaufen ist, sondern auch angesichts Ihrer Heiserkeit wegen des Präventionsgedankens. (Heiterkeit) Birgit Wöllert (DIE LINKE): Deshalb stimmen Sie unserem gesamten Antrag zu. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Nächste Rednerin ist Hilde Mattheis, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hilde Mattheis (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier heute um den Einzelplan 15, aber wie es in der Politik so ist: Alles hängt mit allem zusammen. Deswegen schauen wir uns alles zusammen an; denn wir als SPD-Bundestagsfraktion sehen natürlich gerade die Daseinsvorsorge im Gesundheitsbereich als einen ganz wesentlichen Punkt an, und die Zugänge zur medizinischen Versorgung und die Teilhabe am medizinischen Fortschritt stehen im Zentrum unserer Politik. (Beifall bei der SPD) Deswegen sind wir auch froh, dass im Einzelplan 15 viele Maßnahmen genau dieses Anliegen erfüllen. In der Vernetzung und gemeinsam mit dem, was wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, ist dieser Ansatz zu erkennen. Ich sage gerne „ist zu erkennen“, weil klar ist: Wir als Gesundheitspolitiker der SPD wollen immer mehr, wir sind unersättlich. Das ist richtig. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Ich mache das an einzelnen Beispielen fest. Ich bitte alle, die die Metapher der Märchen benutzt haben, weiterzudenken; denn im Märchen siegen immer die Guten. Wie heißt der nette Schlusssatz in vielen Märchen? „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Vielleicht blüht uns das. Der Koalitionsvertrag, den wir geschlossen haben, ist im Gesundheitsbereich sehr konkret. Ich wage zu behaupten: So wie in keinem anderen Bereich haben wir, geleitet von den Zielen Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität, ganz konkrete Projekte und auch ganz konkrete Maßnahmen beschlossen und eine solche Vereinbarung getroffen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deswegen ist es so wichtig, auch an diesem Punkt, bei dem es um den Einzelplan 15 geht, immer wieder darauf hinzuweisen: Ja, wir wollen noch einmal 5,9 Millionen Euro für alles, was in den Bereich Pflegeberatung und Unterstützung gehört, zusätzlich ausgeben. Aber unser zentraler Punkt ist, in dieser Legislaturperiode das Pflegestärkungsgesetz zu verabschieden. Dabei geht es insbesondere um die Reform des Pflegebedürftigkeits-begriffs. Auch im Einzelplan 15 schimmert das durch. Wir arbeiten vernetzt und gemeinsam an der Erreichung unseres Ziels: an der Verbesserung der Daseinsvorsorge und der Teilhabe am medizinischen Fortschritt. Ein weiteres Beispiel für gelungene Prävention ist das, was ich gerne das Präventionsgesetz nenne. Das Programm „Klasse 2000“ ist ein gutes Beispiel. Aus einem anderen Bereich könnte ich als Beispiel das Programm „Soziale Stadt“ nennen. Wo kommt Prävention an, wenn nicht in Lebenswelten? (Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir müssen noch ein bisschen daran feilen, wie „Lebenswelten“ zu definieren sind. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel feilen, nicht ein bisschen!) Für uns sind Lebenswelten vor Ort im Zusammenspiel mit den Kommunen und mit all den Menschen, die da Verantwortung tragen: von Erzieherinnen über Lehrerinnen und Pädagogen – die ganze Palette – bis hin zu anderen Angehörigen der Arbeitswelt. Dass wir jetzt die Mittel für Prävention mehr als verdoppeln, ist doch ein guter, wichtiger Hinweis. Da könnten Sie alle klatschen, finde ich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Genau für den Bereich der Prävention ist auch im Einzelplan 15 sehr viel zu finden. Dass wir mit 12,1 Milliarden Euro für den Einzelplan 15 natürlich nur einen ganz kleinen Teil dessen investieren, was wir im Gesundheitsbereich insgesamt verausgaben, wurde hier schon mehrfach erwähnt. Es ist doch klar: Wir als Politik haben den Auftrag, die Versichertengelder sehr zielgenau und effektiv, Stichwort „Qualität“, einzusetzen. Das ist unser Auftrag. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Prävention ist und bleibt also ein wichtiger Ansatz. Zu allem, was mit Versorgungsstrukturen zusammenhängt: Im Koalitionsvertrag steht etwas zur Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema Krankenhausfinanzierung. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Mattheis, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schulz-Asche? Hilde Mattheis (SPD): Ja. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte eine Zwischenfrage zum vorherigen Punkt, Gesundheitsprävention, stellen. Hilde Mattheis (SPD): Kein Problem. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was die Betonung der Lebenswelten, die gemeinsame Gestaltung in den Kommunen angeht, bin ich voll bei Ihnen. Sie haben aber auch darauf hingewiesen, dass der größte Teil aus der gesetzlichen Krankenversicherung -finanziert wird. Deswegen will ich fragen, inwieweit Sie vorsehen, die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen stärker als bisher gerade in die Finanzierung der Förderung der Lebenswelten einzubeziehen und es dort nicht bei der Freiwilligkeit zu belassen. – Danke schön. Hilde Mattheis (SPD): Ich danke Ihnen herzlich für die Frage. – Es gelingt vielleicht, die kleinen, aber feinen Unterschiede in einer Großen Koalition ein Stück weit dadurch zu verdeutlichen, dass ich darauf hinweise, dass unser Herz einfach dafür schlägt, in größerem Maße eine gleiche Teilhabe zu gewährleisten und zu ermöglichen, dass sich die privaten Versicherungen beteiligen. Das dürfte auf der Hand liegen. Wir müssen eine Debatte darüber führen, ob uns das, was im Entwurf des Eckpunktepapiers vorgesehen ist, ausreicht. Ich sage – da darf ich auch für unsere Position sprechen –, dass wir da eine Teilhabe auf Augenhöhe möchten und fordern. Es wird eine Debatte geben. Wir haben ein Anhörungsverfahren. Und kein Gesetz – so lautet das Struck’sche Gesetz – geht so aus dem Parlament hinaus, wie es hereingekommen ist. Wir debattieren, und ich glaube, es ist auch eine Qualität von Parlament, dass hier zwischen Opposition und Koalitionsfraktionen debattiert wird. Von daher: Wir freuen uns über jede Unterstützung. Ein wichtiger Punkt – auch für uns in der Großen Koalition; da sind wir uns völlig einig – ist natürlich die Versorgungsstruktur und damit all das, was die Bund-Länder-Kommission im Bereich der Krankenhausfinanzierung regeln möchte. Dass wir uns da ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt haben, wurde hier schon ausgeführt. Wir wollen innerhalb dieses Jahres, also bis Jahresende, Eckpunkte vorlegen und ein Ergebnis präsentieren, wie wir gemeinsam mit den Ländern genau das erreichen können, was unser aller Anliegen ist, nämlich dass die Krankenhausfinanzierung gesichert ist und dass die Versorgungsstrukturen, egal wo man lebt, und die Zugänge, egal ob man im ländlichen oder städtischen Bereich lebt, einigermaßen gleichwertig sind. Zum Versorgungsstrukturgesetz. Das neue Versorgungsstrukturgesetz, das wir jetzt schon sehr intensiv debattieren und uns natürlich mit der ganzen Problematik der Versorgung konfrontiert, die wir nicht erst seit heute kennen – schon seit etlichen Jahren versuchen wir immer wieder, das zu regulieren –, wird Punkte enthalten, zu denen wir nicht nur ein Nein der Opposition zu hören wünschen. Wenn wir in den ländlichen Räumen bei den Versorgungsstrukturen eine Verbesserung haben wollen, bedeutet das schlicht und ergreifend, dass wir auch eine Debatte über Überversorgung brauchen. Diese Debatte werden wir miteinander führen müssen. Ich glaube schon, dass es wichtig ist – nicht nur im Hinblick auf die Akzeptanz der Gesetze, die sich die Große Koalition als wichtige Ziele vorgenommen hat –, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, insbesondere, so denke ich, für die Gebiete, in denen die Versorgung noch großer Unterstützung bedarf. Da geht es nicht nur um die ärztliche Versorgung, um die Krankenhauslandschaft; da geht es auch um die Versorgung von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, da geht es um die Arzneimittelversorgung. Es ist eine ganze Palette. Dieses ambitionierte Ziel im Zusammenhang mit dem Einzelplan 15 ist, glaube ich, eines, das uns nach vier Jahren, in denen es nicht gelungen ist, Gesundheitspolitik zu machen, als diejenigen auszeichnet, die etwas für die Menschen erreichen, die nicht eine Märchenstunde abhalten, sondern ganz knallharte Tatsachen schaffen und Step by Step – vielleicht will der eine oder andere zwei Stufen überspringen; wir aber sagen: Step by Step – die Versorgungsqualität und die Versorgungssicherheit für die Menschen verbessern. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Reiner Meier, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Reiner Meier (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Entwurf des Bundeshaushalts 2015. Auch wenn es manche immer noch nicht glauben wollen: Der Bund wird nächstes Jahr ohne Neuverschuldung auskommen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Finanziert durch die Beitragszahler!) Der erste ausgeglichene Bundeshaushalt seit Franz Josef Strauß im Jahre 1969 zeigt eines: 45 Jahre später braucht es mit Wolfgang Schäuble wieder die Union im Finanzministerium, um dieses Ziel zu erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo wart ihr denn in der letzten Legislaturperiode?) Frau Kollegin Schulz-Asche, wenn Sie dem amtierenden Gesundheitsminister vorwerfen, er verwalte nur und gestalte nicht, dann möchte ich Ihnen sagen: Dieser Gesundheitsminister hat im ersten Jahr so viele Reformen durchgebracht zum Wohle der Patienten und der Bevölkerung wie kein anderer Bundesminister. (Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lag vielleicht an seinen beiden Vorgängern!) Deshalb möchte ich von Ihnen weder verwaltet werden, noch möchte ich Ihnen die Gestaltung der Gesundheitspolitik in Deutschland überlassen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Lieber gut verwaltet als schlecht gestaltet!) Indem wir einer unkontrollierten Schuldenpolitik eine klare Absage erteilen, bewahren wir uns und unseren Kindern Handlungsspielräume für die Zukunft. Die gesetzliche Krankenversicherung steht heute wieder auf einem soliden finanziellen Fundament. Im ersten Halbjahr 2014 haben die gesetzlichen Krankenkassen über Prämien und freiwillige Leistungen insgesamt 517 Millionen Euro an die Versicherten zurückgegeben. Wenn man diese Ausschüttungen berücksichtigt, sind die Finanzen der GKV strukturell nahezu ausgewogen. Mit 16,2 Milliarden Euro Rücklagen bei den Kassen und weiteren 10,4 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds verfügt die gesetzliche Krankenversicherung über hohe Reserven. Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz haben wir dafür gesorgt, dass die Kassen den umständlichen Weg über Ausschüttungen künftig gar nicht mehr gehen müssen. Ab dem kommenden Jahr können die Krankenkassen die Höhe des Zusatzbeitrags selbst festsetzen und ihren -Finanzierungsbedarf eigenverantwortlich justieren. Damit, meine Damen und Herren, stärken wir den Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung. Jeder Versicherte kann künftig für sich selbst entscheiden, ob er lieber kostenlose Zusatzleistungen oder niedrige Beiträge haben will. In den nächsten Wochen werden wir sehen, wie die Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge für das kommende Jahr gestalten. Ich gehe davon aus, dass viele Kassen ihre Versicherten auch deutlich entlasten werden. Meine Damen und Herren, unser deutsches Gesundheitssystem gehört zu den modernsten und leistungsfähigsten Systemen weltweit. (Beifall bei der CDU/CSU) Wegen der Vielfalt der Leistungsangebote und der Akteure kann es aber auch manchmal etwas kompliziert werden: Welche Leistungen übernimmt die Kasse? Was sind die Voraussetzungen für Kuren? Oder: Was muss ich im Ausland beachten? – Genau hier ist die Unabhängige Patientenberatung eine wertvolle Ergänzung zu den bestehenden Angeboten (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür habt ihr lange gebraucht, um das zu begreifen!) und unterstützt die Versicherten seit Jahren dabei, sich im Gesundheitssystem zu orientieren, und, wo es nötig ist, auch dabei, ihre Rechte zu verwirklichen. Ich freue mich deshalb besonders, dass es uns gelungen ist, die Unabhängige Patientenberatung finanziell besser auszustatten. Von gut 5 Millionen Euro auf 9 Millionen Euro jährlich konnten wir das Budget erhöhen. Das ist eine wichtige Stärkung der Patientenrechte; denn künftig erhalten die Versicherten nicht nur die schon heute hervorragende Beratung, sondern sie bekommen diese Beratung schneller und idealerweise auch ohne Wartezeiten. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein kranker Mensch interessiert sich nicht für Kennziffern oder Bürokratie, sondern alleine dafür, wie schnell er zum nächsten Arzt oder in das nächste Krankenhaus kommt. Wir haben deshalb mit dem Pflegestärkungsgesetz I den Versorgungszuschlag für Krankenhäuser in Höhe von 0,8 Prozent und damit in voller Höhe um ein weiteres Jahr verlängert. Das ist mir wichtig; denn das kommt vor allem kleineren und ländlichen Krankenhäusern zugute, von denen viele für die Versorgung in der Fläche unentbehrlich geworden sind. Ich wohne in der nördlichen Oberpfalz und kenne aus eigener Erfahrung die Probleme, die sich in manchen Orten durch die Landflucht stellen. Erst gehen die Banken und die Fachgeschäfte, dann die Supermärkte und am Ende die Krankenhäuser, Ärzte und Apotheker. Im Bereich der Daseinsvorsorge, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das für mich schlichtweg inakzeptabel. Wir haben uns deshalb im Koalitionsvertrag ausdrücklich zu einer flächendeckenden ambulanten Versorgung, einer flächendeckenden Krankenhausversorgung und einer flächendeckenden Apothekenversorgung bekannt. Genau an diese Ziele des Koalitionsvertrags halten wir uns, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit dem Referentenentwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz unseres Gesundheitsministers Hermann Gröhe sind wir dabei auf einem guten Weg, und ich danke ihm für diese hervorragende Leistung. Weil wir gerade beim Thema Ärzte sind: Ich freue mich, dass viele Kassenärztliche Vereinigungen schon heute das Thema Unterversorgung offensiv angehen. Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz werden wir an dieser Stelle die Instrumente der Selbstverwaltung noch weiter ausbauen. Kern der ambulanten Versorgung ist und bleibt für uns aber der niedergelassene Arzt als freier Berufsträger. Weisungsunabhängig und in seiner Diagnose und Therapie nur dem Wohl des Patienten verantwortlich, bleibt er auch weiterhin absolut unverzichtbar. Wir müssen dennoch die Rahmenbedingungen für den Ärzteberuf weiter optimieren. Besonders junge Ärzte tragen häufig den Wunsch an mich heran, Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Pflege!) Ebenso müssen wir sehen, dass es Ärzte gibt, die zwar in der Stadt wohnen wollen, aber durchaus bereit sind, auf dem Land zu arbeiten. Hier brauchen wir noch mehr praktikable und flexible Modelle, damit wir trotz Ärztemangels eine bestmögliche Versorgung der Patienten gewährleisten können. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam mit der Selbstverwaltung hier gut vorankommen. Meine Damen und Herren, zum Ende meiner Redezeit möchte ich noch kurz auf ein Thema eingehen, das mir persönlich sehr wichtig ist. In der letzten Sitzungswoche haben wir eingehend über das Thema Sterbehilfe gesprochen. Bei allen unterschiedlichen Meinungen zu diesem Thema treffen wir uns fast alle immer wieder an einem Punkt: nämlich der Überzeugung, dass wir die Hospiz- und Palliativversorgung auch finanziell stärken müssen. (Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht das im Haushalt? – Zuruf von der LINKEN: Wo steht das im Haushalt?) Eine menschliche und menschenwürdige Begleitung bis zum Ende ist die mindeste Grundlage für jede weitere Diskussion. Meine Damen und Herren, wir haben heute viele Gedanken gehört. Wenn Einzelne von uns das eine oder andere Argument nicht so überzeugend gefunden haben, so bitte ich um Verständnis dafür, dass die Positionen für uns klar und deutlich definiert sind. Eines ist aber doch im Grunde unumstritten: Wir müssen aus der Schuldenspirale ausbrechen, damit am Ende nicht unsere Kinder die Zeche für uns alle bezahlen müssen. (Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE]) Dieser Haushalt ist ausgewogen und realisiert dieses Ziel. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3272? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3273? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3274? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3275? – Wer stimmt dagegen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 15 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.6 a und I.6 b auf: a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Drucksachen 18/2807, 18/2823 b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Drucksachen 18/2817, 18/2823 Berichterstattung zu Einzelplan 07: Abgeordnete Dr. Tobias Lindner, Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde, Roland Claus. Berichterstattung zu Einzelplan 19: Abgeordnete Carsten Körber, Dennis Rohde, Dr. Dietmar Bartsch, Manuel Sarrazin. Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Roland Claus, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Maas, unsere Kritik am Justizetat fällt traditionell maßvoll aus, aber sie fällt natürlich nicht gänzlich aus. Wesentlich kritischer sehen wir dann schon den Bereich Verbraucherschutz. Dem Haushalt für das Bundesverfassungsgericht werden wir zustimmen. Herr Minister, Sie strahlen es ja ganz deutlich aus, dass für Sie die Koalition so etwas wie eine Zwangsehe ist. Wir nehmen natürlich wahr, dass Sie mit sehr viel konservativem Justiz- und Rechtsverständnis umgehen müssen. Deswegen begleitet Sie hin und wieder auch unser Respekt; aber wir meinen, da ist noch sehr viel Luft nach oben. (Beifall bei der LINKEN) Ein Jahr Große Koalition ist nun um. Ihre Probezeit, Herr Minister, ist also längst vorüber. Deshalb sagen wir: mehr Justizcourage an den Tag legen, aber immer in dem Sinne, den Leuten Mut und nicht Angst zu machen. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb sagen wir auch: Rechtsstaatlichkeit ist uns wichtiger als Kabinettsdisziplin. (Beifall bei der LINKEN) Im Dezember dieses Jahres soll Edward Snowden der Alternative Nobelpreis verliehen werden; das ist gut so. Seine nach Stuttgart übertragene Rede vom Sonntag ist, glaube ich, für uns alle ein Lehrstück in Sachen Rechtsverständnis. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Seine Story, der Film Citizenfour, läuft zeitweilig im Kino. Zeitlos verläuft weiterhin die Beobachtung durch die amerikanische Sicherheitsagentur, auch während dieser Debatte, meine Damen und Herren. Ich sehe hier zahlreiches technisches Gerät, und mit Ausnahme der Bundeskanzlerin sind wir ja alle Gegenstand dieser Observierung. Und wie verhält sich die Regierung? Wie in dem berühmten Bild: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. – Wir sagen Ihnen dazu: Unterwürfigkeit hat in einer Partnerschaft noch nie Nutzen gebracht. Das muss beendet werden. (Beifall bei der LINKEN) Herr Minister, Sie haben einen Gesetzentwurf mit dem Ziel vorgelegt, die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ rechtlich umzusetzen. Für die Linke hat meine Kollegin Martina Renner den Gesetzentwurf in der Debatte als eine „gefährliche Symbolpolitik“ charakterisiert, also als sehr unzureichend. Gegenüber dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ haben bekanntlich viele versagt; aber es war auch ein gigantisches Justizversagen. Wir müssen daraus endlich Schlussfolgerungen ziehen. Den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses, Herr Minister, haben Sie allenfalls buchstabengerecht, nicht aber dem Geiste nach entsprochen. (Beifall bei der LINKEN) Jüngste Umfragen zum Jahrestag des Mauerfalls haben übrigens eines ergeben, nämlich dass das Vertrauen in das Funktionieren des Rechtsstaates besonders im Osten unserer Republik erschüttert ist. Das muss uns allen doch zu denken geben. Ich glaube, wir alle wollen die Idee vom Rechtsstaat bewahren. Ich glaube aber auch: Wer die Idee vom Rechtsstaat bewahren will, muss diese Idee neu denken. (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Es bedarf daher endlich einer Justizreform, die diesen Namen auch verdient, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Ich will zum Abschluss einen Vorgang beschreiben, der zeigt, wie eine wundersame parlamentarische Arbeitsteilung zwischen Koalition und Opposition in Einzelfällen funktionieren kann. Zu dem Etat des Justizministers gehört auch das Patentamt mit seinem Hauptstandort in München und einem kleineren Standort in Jena. Ich habe hier in der ersten Lesung den Vorschlag unterbreitet, für das Patentamt mehr Mittel in den Haushalt einzustellen, ihm mehr Geld zu geben, damit es mehr Leistungen erbringen kann, was letztendlich wiederum zu mehr Einnahmen führt. Ich fand das ausgesprochen plausibel. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir auch!) Die Reaktion der Koalition war, wie ich sie schon erwartete: Alles Mist, was die Opposition hier erzählt! (Dennis Rohde [SPD]: Wir haben das Gleiche gesagt wie Sie!) Danach ist die Koalition intern aber ins Grübeln gekommen und hat vielleicht festgestellt: Es war ja nicht alles schlecht, was die Opposition da gesagt hat. – Was konnte sie jetzt tun? Sie konnte natürlich nicht den Antrag der Linken eins zu eins übernehmen. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ernsthaft? Oder ist das eine Märchenstunde?) – Das ist ernsthaft passiert. Das ist eine ernsthafte Beschreibung eines parlamentarischen Vorgangs. Sie müssen es jetzt aushalten, dass ich Ihnen das erkläre. (Beifall bei der LINKEN) Die Koalition hat also ihren ganzen Mut zusammengenommen und sogar noch mehr Mittel, als die Linke gefordert hat, eingestellt. Darüber freuen wir uns. (Beifall bei der LINKEN) Das Fazit ist doch einfach toll: Dem Ministerium wurde geholfen, die Koalition hat ihr Gesicht gewahrt, die Linke ist hochzufrieden, aber nicht aufgrund von Rechthaberei, sondern wegen der Wirkung; denn die -Gewinnerinnen und Gewinner dieser Entscheidung sind junge Erfinder, Start-up-Unternehmen, kleine und mittelständische Unternehmen, weil ihr Patent schneller und sicherer zur Vermarktung kommt. Ich stelle deshalb nicht ganz selbstlos fest: Innovation, Mittelstand, kleine und mittelständische Unternehmer und Linke passen gut zusammen. Wenn sich das herumspricht, meine Damen und Herren – aber dann! (Beifall bei der LINKEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Meinen Sie das wirklich?) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Bundesregierung erhält jetzt das Wort Bundesminister Heiko Maas. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Claus, ein Satz hat mir in Ihrer Rede ganz besonders gefallen, der da lautete: „Das Fazit ist doch einfach toll.“ – Aufgrund Ihrer Schlussbemerkung gehe ich davon aus, dass Sie dem Justizetat in diesem Jahr möglicherweise zustimmen können, wenn wir das alles so gut gemacht haben. Meine Damen und Herren, es ist noch kein Jahr her, dass die Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat. Wir haben uns auch für den Bereich Justiz und Verbraucherschutz eine ganze Menge vorgenommen. Und vieles von dem, was wir uns vorgenommen haben, ist schon auf den Weg gebracht, teilweise auch schon umgesetzt worden. Ein neues Adoptionsrecht für Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, ist bereits in Kraft getreten. Die Mietpreisbremse wird nächste Woche im Rechtsausschuss beraten und kann im kommenden Jahr bereits in Kraft treten. Damit wird Wohnraum für Familien, Rentner und vor allen Dingen Normalverdiener auch bezahlbar bleiben. Die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses setzen wir ebenfalls zügig um. Der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. Damit setzen wir ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Gewalt und auch dafür, dass wir uns nicht damit abfinden wollen, dass Behörden in unserem Land so gnadenlos versagt haben. Wir reformieren auch das Sexualstrafrecht, um die Schwächsten der Gesellschaft vor Missbrauch und vor Kinderpornografie besser zu schützen. Dieses Gesetz haben wir intensiv beraten, und es kann bereits in wenigen Wochen in Kraft treten. Ich finde, es ist schon eine ganze Menge, was wir in nicht einmal einem Jahr auf den Weg gebracht haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Was das Strafrecht angeht, will ich auch noch einmal betonen – wie immer an diesem Punkt –: Prävention bleibt der beste Opferschutz. Das gilt auch, wenn es um den sexuellen Missbrauch von Kindern geht. Wir haben bereits in diesem Jahr die Mittel für das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ um 40 Prozent erhöht. Wir werden diesen Zuschuss auch weiter steigern, weil wir überzeugt sind: Die beste Kriminalpolitik bleibt die, die dafür sorgt, dass es gar nicht erst zu neuen Straftaten kommt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, auch der Verbraucherschutz ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv auseinandersetzen. Wir sind dabei, vieles auf den Weg zu bringen, und haben auch schon vieles auf den Weg gebracht. So haben wir etwa nach dem Insolvenzantrag der Firma Prokon sofort einen besseren Schutz von Kleinanlegern angepackt. Mit mehr Transparenz, verständlicheren Informationen und mehr Aufsichtsbefugnissen sorgen wir für faire Spielregeln auch auf dem grauen Kapitalmarkt, der dies ganz besonders notwendig hat. Der Gesetzentwurf zum Kleinanlegerschutz ist bereits im Kabinett beschlossen worden und wird uns demnächst hier beschäftigen. Für eine bessere Orientierung der Verbraucherinnen und Verbraucher werden auch die sogenannten Marktwächter sorgen. Der Marktwächter für den Finanzmarkt wird Anfang kommenden Jahres bereits seine Arbeit aufnehmen. Der Marktwächter für die digitalen Märkte, der genauso notwendig ist, wird bald folgen. Beides ist vor allen Dingen auch dank der Mittel aus dem Haushalt, der heute hier beraten wird, möglich geworden. Deshalb sage ich dem Bundestag und insbesondere den Berichterstattern für unseren Einzelplan ein ganz herzliches Dankeschön dafür, dass das möglich gemacht wurde. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, wir haben uns viel vorgenommen. Auch für die Zukunft bleibt noch viel zu tun. Zurzeit berät – das ist ein ganz aktuelles Thema – die Koalition noch einmal über die Frauenquote in den Aufsichtsräten. Sie wissen, dass das Justiz- und Verbraucherschutzministerium eine entsprechende Vorlage für die Änderung des Aktiengesetzes eingebracht hat. Ich sage nur das, was alle sagen: Der Koalitionsvertrag gilt. Das bedeutet: Die Frauenquote wird kommen. Vielleicht kommen wir heute schon einen ganz entscheidenden Schritt weiter. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Kunde höre ich wohl!) Dabei geht es nicht darum, wer politisch obsiegt. Nein, wir setzen mit der Frauenquote, wie ich finde, auch den Gleichstellungsauftrag aus dem Grundgesetz um. Sie ist vor allen Dingen – das soll noch einmal gesagt werden – wirtschaftlich sinnvoll. Wir wollen, dass Deutschlands Unternehmen die vorhandenen Potenziale stärker nutzen. Frauen in Führungsetagen der deutschen Wirtschaft sind keine Belastung, sondern ein Gewinn. Deshalb wird die Frauenquote kommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Viel Erfolg!) Meine Damen und Herren, es stehen weitere Themen auf unserer Tagesordnung. Wir haben zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesinnenministerium, also dem Ministerium von Herrn de Maizière, einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Doping vorgelegt. Wir sind nämlich der Auffassung, dass Profisportler – um die geht es –, die dopen, zum einen den Wettbewerb verzerren und zum anderen vor allen Dingen die Integrität des Sportes beschädigen. Sie sind damit als Vorbilder in der Gesellschaft, vor allem für Kinder, ein kompletter Totalausfall. Deshalb bringen wir diesen Gesetzentwurf auf den Weg. Seit vielen Jahren wird über Doping diskutiert. Es ist höchste Zeit, dass endlich gehandelt wird. Dieser Gesetzentwurf ist ein Statement für sauberen Sport und eine Kampfansage an alle dopenden Betrüger. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir werden uns in den kommenden Wochen und Monaten außerdem mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir Frauen besser vor sexueller Gewalt schützen können. Wir haben uns, auch in Abstimmung mit den Bundesländern und den Justizbehörden vor Ort, mit Fallgestaltungen auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass der Vergewaltigungsparagraf, so wie er heute gilt, das Unrecht, das bedauerlicherweise Realität ist, nicht in allen Fällen erfasst. Es gibt Schutzlücken. Das Recht muss aber tatsächlich alle Situationen abdecken, in denen sexuelle Übergriffe stattfinden. Wenn das heute nicht der Fall ist – so ist das leider –, werden wir diese Schutzlücken schließen müssen. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf vorlegen, durch den die Gesetzeslücken und die Schutzlücken, die es bedauerlicherweise bei Vergewaltigungen gibt, in Zukunft geschlossen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine moderne Rechtspolitik nimmt nicht nur die Herausforderungen der Zukunft an, sondern stellt sich auch der Vergangenheit. Wenn es um die deutsche Justiz und den Nationalsozialismus geht, dann mag persönliche Schuld verjährt sein; aber die Verantwortung, die wir alle haben, bleibt bestehen. Deshalb müssen wir erstens die historische Aufarbeitung dieses Themas weiter vorantreiben. Ich meine das Projekt des Bundesjustizministeriums, das schon unter meiner Vorgängerin auf den Weg gebracht wurde, das Rosenburg-Projekt. Wie Sie wissen, untersucht eine unabhängige wissenschaftliche Kommission den Umgang des Ministeriums mit der NS-Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg, also in den 50er- und 60er-Jahren. Ende des kommenden Jahres soll der Abschlussbericht vorliegen. Es zeichnet sich bereits heute ab: Die NS-Verstrickung der Nachkriegsjustiz und unseres Ministeriums war noch weitaus tiefer als bekannt. Das müssen wir aufarbeiten, und das tun wir auch vorbehaltlos. Zweitens müssen wir unsere Gesetze, wie ich finde, auch von den letzten Überresten des nationalsozialistischen Rechtsdenkens befreien. Deshalb – auch wegen anderer praktischer Probleme, aber auch deshalb – haben wir eine Reform des Mordparagrafen in Angriff genommen. Drittens schließlich darf die Vergangenheit nie vergessen werden. Ich habe deshalb in diesem Jahr den Fritz-Bauer-Studienpreis gestiftet. Er ist benannt nach dem Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses, über den es mittlerweile sogar Kinofilme gibt und über den weitere gedreht werden. Mit diesem Preis wollen wir gerade junge Juristinnen und Juristen ermuntern, sich mit den Verbrechen und dem Versagen der deutschen Justiz wieder stärker zu beschäftigen, weil wir finden: Diese Erinnerung ist kein Selbstzweck, nein, sie stärkt unseren Rechtsstaat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN) Wie wichtig ein entschlossenes Vorgehen gegen Antisemitismus, Rassismus und Neonazis ist, das haben die Verbrechen des NSU erneut gezeigt. Wir sind deshalb überzeugt: Eine Justiz, die die Schattenseiten ihrer Geschichte kennt, wird den Herausforderungen der Gegenwart viel besser gerecht. Auch deshalb bleibt die Erinnerung an die Vergangenheit so wichtig für die Zukunft. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Maas, ich muss zugeben, dass ich letzte Woche, am Vorlesetag, an Sie gedacht habe. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immerhin!) Ich habe überlegt, was ich in der Grundschule vorlesen soll. Am Ende habe ich es nicht vorgelesen, aber mir kam Das tapfere Schneiderlein in die Finger: Sieben auf einen Streich. Das tapfere Schneiderlein stickt sich auf seinen Gürtel, es habe sieben auf einen Streich erledigt, und fortan halten die Leute es für einen Helden. (Dietrich Monstadt [CDU/CSU]: Ist heute Märchenstunde?) Das ist ganz klar ein Beispiel für gelungene PR-Arbeit. So ähnlich machen Sie es auch, Herr Maas: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der ganz große Macher. Sie haben ganz viel erzählt, aber im Ergebnis haben Sie, wie ich finde, nur ganz wenige Erfolge vorzuweisen. Sie haben vieles versprochen und angekündigt: Die gesetzliche Frauenquote war Ostern 2014 schon fast in trockenen Tüchern; eine Mietpreisbremse haben Sie angekündigt; den Mordparagrafen wollten Sie modernisieren – gut, Sie haben eine Kommission –; das Urheberrecht wollten Sie den Erfordernissen des digitalen Zeitalters anpassen und die Datenschutz-Grundverordnung voranbringen. Bei TTIP haben Sie verbal so richtig zugeschlagen: TTIP soll endlich eine breite demokratische Legitimation bekommen, und bestimmte Bereiche sollen ausgeklammert werden. – Das alles und noch viel mehr haben Sie sich auf den kleinen Gürtel gestickt. Gefühlt haben Sie jedes Wochenende jedes dritte Thema noch einmal verkauft. Herausgekommen ist aber, finde ich, relativ wenig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Schauen wir uns das an: Sie haben die Sachen zu einem Gutteil überhaupt nicht wirklich angepackt. Sie haben gerade als Erfolg verbucht, dass die Sukzessivadoption jetzt auch bei Homosexuellen möglich ist. Natürlich, aber nur in dem minimalen Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidung bis spätestens 30. Juni dieses Jahres gefordert hat. Sie hätten gar nicht anders gekonnt. Insofern geht mein Lob an der Stelle an Karlsruhe, nicht an Sie. Sie sind keinen Millimeter weiter gegangen; trotzdem muss man zwei Verfahren hintereinander absolvieren. Sie haben gesagt, dass Sie großartig angepackt haben. Nehmen wir doch einmal den Fall Edathy. Natürlich mussten Sie dieses Thema anpacken angesichts der Vorfälle und der Frage, wer in der alten Koalition oder während der Koalitionsverhandlungen wem was erzählt hat; das hatte ja auch juristische Nachspiele. Dann haben Sie eine Vorlage gemacht, sind aber gleich so weit vorangeschritten, dass in der Anhörung, soweit ich mich erinnere, alle sieben Sachverständigen gesagt haben: Das wollen wir nicht; das ist nicht richtig. – Selbst der Praktiker, der Oberstaatsanwalt aus Gießen, sagte: Das haben wir nicht gewollt. – Daraufhin mussten Sie an der Stelle nochmals Änderungen vornehmen. Sie haben hier auch manch andere Vorschläge gemacht, zum Beispiel zu den Marktwächtern und zum Sachverständigenrat. Das sind ja gute Sachen, die auch wir durchaus gefordert haben. Aber es kommt darauf an, ob die guten Vorschläge, die gemacht werden, auch in der Praxis umgesetzt werden. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Lassen Sie uns doch erst mal abwarten!) – Nun denn, meine Liebe, Sie sagen: „Mal abwarten!“ Die Legislaturperiode hat bekanntlich vier Jahre. Davon ist eines bald um. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ja, und drei sind noch da!) Der Justizminister hat sich mit Frau Schwesig hingesetzt und ganz klar gesagt, was alles kommen wird. Dann wollen wir es auch sehen, und zwar zum versprochenen Zeitpunkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Beispiel Mietpreisbremse. „Jetzt kommt die große Bremse“, haben Sie noch am 8. April dieses Jahres hier angekündigt. Sie haben sogar gesagt, die Wohnungswirtschaft solle nicht das neue Eldorado der Profitmaximierung werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Große kapitalismuskritische Worte eines SPDlers, des tapferen Schneiderleins. Dann hat es sich aber doch vom Riesen überwältigen lassen, der am Ende nicht ganz so tumb war wie im Märchen. Eifrige Lobbyisten haben Papiere geschrieben, die Zeit schritt immer weiter voran, und der Lobbyismus nahm immer mehr zu. Am Ende haben Sie sich die Sache zerreden lassen. Da Sie hier gerade gesagt haben, die Menschen würden in Zukunft bezahlbare Mieten haben, frage ich Sie: Herr Maas, geht es auch ein bisschen kleiner? Das ist ein bürokratisches Monster. Da ist nicht einmal eine wirkliche Bremse drin. Man muss erst die Bürokratie überwinden, um Mietsteigerungen im Hinblick auf einen Teil der Wohnungen – das gilt nämlich nicht für die Neuvermietung, sondern nur für Bestandswohnungen – für die Dauer von fünf Jahren auf 110 Prozent zu begrenzen. So sorgt man nicht für bezahlbare Mieten, schon gar nicht, wenn das Begleitprogramm fehlt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Oder nehmen wir die Frauenquote. Auch sie wurde am 8. April dieses Jahres groß angekündigt. Sie haben sogar mit Frau Schwesig zusammen in der Bundespressekonferenz gesessen und gesagt: Die anderen haben in der letzten Legislaturperiode nur geredet. Wir handeln jetzt. – Da sage ich als Frau, die auch in der letzten Legislaturperiode Abgeordnete war – vielleicht im Sinne aller Frauen, die beim letzten Mal dabei waren –: Das ist schon starker Tobak, wenn man nicht mehr durchbekommt als das, wofür wir in der letzten Legislaturperiode gekämpft haben. Zugegeben, am Ende ist die Union umgefallen. Aber die CDU-Frauen haben dafür im Wahlprogramm eine 30-Prozent-Quote durchgesetzt. Mehr bekommt man heute auch gar nicht durch. Also: Mein Dank an die Frauen der letzten WP! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie hätten an dieser Stelle besser nicht aufgerüstet und besser nicht so viele Sachen aufgenommen, dass CDU und CSU am Ende noch lange an der Geschichte herumfuhrwerken können. Die Frauen haben keine Geduld mehr, Herr Maas! Wir wollen endlich etwas sehen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich sage – auch in Ihre Richtung –: Ich trauere ein bisschen Rita Pawelski aus der letzten Legislaturperiode nach; denn die wäre jetzt auf der Zinne, wenn sie Frau Hasselfeldt hören würde. Frauen schaden der Wirtschaft, hat Frau Hasselfeldt faktisch gesagt, indem sie formulierte: Jetzt hat die Wirtschaft Vorrang und nicht die Frauenquote. – Ich kann nur sagen: Schade, dass sie heute nicht da ist. Wer solche Kolleginnen wie Frau Hasselfeldt im Bundestag hat, braucht keine altmodischen Männer mehr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Herr Kauder – schade, dass er nicht da ist und nicht hier sitzt –, der Umgangston in der Koalition geht mich ja nichts an, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Der ist fantastisch!) und auch ich bin für harte Sätze bekannt. Aber in der Sache ist es so: Herr Kauder hat über Frau Schwesig gesagt, sie sei weinerlich. Das ist eine Abwertung. So etwas sagt er über Männer nicht. Ich finde, das ist eine Entschuldigung wert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ach was! Männer werden noch ganz anders angegangen! Viel härter!) Nun zu Ihnen, Herr Maas. Ich würde Sie bitten, in Zukunft vernünftige Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen, kein Hopplahopp. Auch dafür müsste ein Justizminister eintreten. Es kann nicht sein, dass wir dienstagnachmittags geänderte Vorlagen für Mittwoch, 9 Uhr, vorgelegt bekommen. Bei der Istanbul-Konvention sind Sie, was § 177 StGB angeht, auf Druck der Justizministerinnen der Länder glücklicherweise umgefallen; erst wollten Sie ja keine Änderung. Ich würde mir wünschen, dass wir hier gemeinsam eine Lösung finden. Ich würde mir auch wünschen, dass wir dazu eine ordentliche Beratung im Rechtsausschuss durchführen. Wir haben für den 28. Januar nächsten Jahres eine Anhörung beantragt. Ich weiß nicht, warum die Union das abgelehnt hat – vielleicht um sich vorher intern zu einigen. Ich würde mir wünschen – – Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Künast, Sie können sich das alles wünschen. Ich muss Sie bloß darauf aufmerksam machen: Ihre Kollegin hat dann weniger Zeit. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Darf ich den letzten Satz noch sagen? – Ich würde mir wünschen, dass Sie rechtspolitisch und verbraucherpolitisch in vielen Bereichen Ihre Stimme erheben. Um nur einige Dinge zu nennen: Anti-Doping soll der Sport und nicht das Strafgesetzbuch regeln, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) die Verbraucherkennzeichnung hat Herr Müller gerade versemmelt, und Sie sind für nachhaltigen Konsum zuständig. Setzen Sie die Dinge endlich auf die Tagesordnung – nicht nur verbal und in Interviews, sondern auch in der Realität Ihres ministeriellen Handelns! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Herr Minister Maas! Frau Künast, zu Renates Märchenstunde nur eine Anmerkung: (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bundesweite Märchenstunde!) Eine Partei, die die erste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland stellt, braucht keine Belehrung zum Thema „Frauen in Führungspositionen“. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nur die Kanzlerin, weil alle Männer bei der Spendenaffäre versagt haben! – Gegenrufe von der CDU/CSU: Oh! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So war es doch! Der FAZ-Text ging über den CDU-Spendenskandal, weil Kohl bis heute gegen das Parteiengesetz verstößt!) Bevor ich auf den Einzelplan 07 konkret eingehe, erlauben Sie mir bitte zwei persönliche Bemerkungen: Die erste möchte ich gerne als Berliner Abgeordneter machen. Für Berlin enthält dieser Bundeshaushalt insgesamt sehr viel Gutes. Ich will nur einmal drei Stichworte nennen: Museum der Moderne, Humboldt-Forum, Martin-Gropius-Bau. Ich könnte jetzt noch viele weitere Beispiele nennen, aber dann wären die Kollegen aus den anderen Bundesländern vielleicht neidisch. Ich muss sagen, der Bund kommt hier seiner Verantwortung für die Bundeshauptstadt sehr engagiert nach. Als Berliner möchte ich hier ein herzliches Dankeschön in Richtung Bundesregierung – insbesondere in Richtung von Monika Grütters –, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht unser Haushalt!) aber auch in Richtung der Kollegen aus den anderen Bundesländern dafür sagen, dass sie die Bundeshauptstadt durch diesen Haushalt so solidarisch unterstützen. Meine zweite Vorbemerkung: In § 2 Absatz 1 Satz 1 Haushaltsgesetz 2015 heißt es: Im Haushaltsjahr 2015 nimmt der Bund keine Kredite zur Deckung von Ausgaben auf. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon habe ich ja noch nie gehört!) – Diesen Satz haben wir heute schon öfter gehört, aber er ist leider noch nicht bei allen Kollegen in der notwendigen Intensität angekommen, lieber Herr Kollege, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) insbesondere nicht bei den Kollegen Bartsch und Kindler, was ich feststellen konnte, als ich heute Morgen sehr intensiv zugehört habe. Ich sage es einmal so: Wenn diese beiden Bundesminister der Finanzen wären – was wir nicht hoffen wollen – und es schaffen würden, einen Haushalt ohne Schulden vorzulegen, dann – das prophezeie ich Ihnen – würden bei dem einen Banner mit der Aufschrift „Ohne Schulden leben heißt siegen lernen“ aus den entsprechenden Häusern hängen, und bei dem anderen würden wahrscheinlich Graffiti an der Wand stehen. Dort hieße es: Schuldenfrei – Spaß dabei. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dies ist übrigens noch nicht die Schlussrunde!) Wir von der Union gehen mit diesem Erfolg nicht so überschwänglich um, sondern wir arbeiten solide und verlässlich weiter, damit es den Menschen in unserem Land weiterhin gut geht – auch in späteren Generationen. Dass uns unser sozialdemokratischer Koalitionspartner bei der Umsetzung dieses wichtigen Ziels verlässlich begleitet, ist, glaube ich, ein gutes Zeichen für das Land und darüber hinaus. Mich als Mitglied des Haushaltsausschusses erfüllt es jedenfalls mit Freude, gerade zu dem Zeitpunkt Mitglied im Haushaltsausschuss zu sein, in dem wir eine Überzeugung von Ludwig Erhard, nämlich „Maß halten“ – das hat jetzt weniger mit dem Herrn Minister zu tun –, im Haushalt tatsächlich erfolgreich umsetzen können, sodass Wohlstand für alle wirklich machbar wird. Ich komme nun im Einzelnen zum Einzelplan 07 – Justiz und Verbraucherschutz –: Der Etat ist in der Tat sehr klein, aber auch sehr wichtig, um den Rechtsstaat erfolgreich zu sichern und fortzuentwickeln. Wir haben verstanden, dass Rechtsstaatlichkeit und Rechtsgewährung Standortvorteile sind, wenn das auch noch nicht in allen Teilen Osteuropas komplett angekommen ist. Um nur einmal eine Relation klarzumachen: Herr Minister Maas, mit Ihrem Haushalt käme Ihre Kollegin Frau Nahles gerade einmal zwei Tage aus. So groß ist der Unterschied zwischen dem Sozialhaushalt und dem Justizhaushalt. Trotz dieses geringen Umfangs – vielleicht aber auch gerade deshalb – haben wir unsere Beratungen, wie ich glaube, sehr intensiv geführt. Herr Minister Maas, bitte bestellen Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses, aber auch bei den Gerichten und in den Ämtern, unser herzliches Dankeschön. Lieber Steffen Kampeter, das Gleiche gilt für das Finanzministerium. Ohne die Zuarbeiten von diesen Stellen könnten wir unserer Kontrollaufgabe und der Haushaltsgesetzgebung letztlich nicht nachkommen. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sehr deutlich sagen. Wir haben uns mehrheitlich zurückgehalten, was zusätzliche Ausgaben angeht. Trotzdem haben wir – wohlbegründet – 32 Millionen Euro obendrauf gepackt, wenn ich das einmal so flapsig sagen darf. Insbesondere haben wir einen Schwerpunkt beim Deutschen Patent- und Markenamt gesetzt; der Kollege Claus hat darauf hingewiesen. Herr Kollege Claus, Sie sagten, die Koalition habe ihren ganzen Mut zusammengenommen, um diese Mittel zur Verfügung zu stellen. (Roland Claus [DIE LINKE]: Das war ein Kompliment!) Ich sage Ihnen einmal etwas: Es bedarf nicht Mut, um bessere Politik als die Linken zu machen. Es bedarf Werte und Köpfchen, und das hat diese Große Koalition. (Zurufe von der LINKEN: Oh!) Deshalb haben wir an dieser Stelle entsprechend draufgesattelt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Mann! Wo haben Sie denn diese Rede gefunden?) Nun stehe ich der Bereitstellung zusätzlicher Stellen in Ämtern immer sehr skeptisch gegenüber, weil das meistens mehr Verwaltung und mehr Bürokratie bedeutet. Aber an dieser Stelle ist das sehr gut investiertes Geld. Lassen Sie mich einmal zwei, drei Zahlen nennen. 65 000 Patentanmeldungen werden in 2014 beim Patentamt eingehen, 75 Prozent davon stammen aus Deutschland, 10 Prozent aus den USA. In Frankreich ist die Zahl der Patentanmeldungen nicht einmal halb so groß wie in Deutschland, in Großbritannien ist es gerade einmal ein Viertel. Mit diesen Zahlen will ich deutlich machen, wie wichtig Patentanmeldungen für unser Land sind. Die Nachfrage beim Patentamt hat sich in den letzten drei Jahren um fast 10 Prozent gesteigert. Auf diese Belastung müssen wir reagieren, nicht nur um das Personal zu entlasten und die Leistungsfähigkeit des Amtes zu erhalten, sondern auch um Einzelanmeldern, kleinen Erfindern, Mittelständlern und Großunternehmern den nötigen staatlichen Schutz für ihr geistiges Eigentum zu geben und auch die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit ihrer Erfindung zu gewährleisten. Das gilt übrigens genauso für den Schutz von Markendesigns und Gebrauchsmustern. 2 000 Patentanmeldungen jährlich betreffen den Bereich regenerative Energien, 6 000 Anmeldungen die Sparte Kfz-Abgastechnologien. Die Stärkung des Patentamtes ist wichtig für das Erfinderland Deutschland, für uns als Exportnation, für die Energiewende, für den Mittelstand und für qualifizierte Arbeitsplätze. Zusätzliche Prüferinnen und Prüfer sorgen für zusätzliche Einnahmen. Insofern ist das insgesamt eine sehr gute Verstärkung. Die Arbeitsbelastung beim Patentamt wird trotzdem hoch bleiben. Wir werden im nächsten Jahr genau hinschauen müssen – der Kollege Rohde wird da sicherlich sehr eng an meiner Seite sein –, um sicherzustellen, dass das Amt dauerhaft leistungsfähig ist. Einen zweiten Schwerpunkt haben wir beim Thema Verbraucherschutz gesetzt: mehr Personal für den Schutz digitaler Kundenbeziehungen und besonderer Verbrauchergruppen, mehr Geld für Verbraucherzentralen und Marktwächter. Den Grünen ist das immer noch nicht genug. Es ist nun einmal das Los der Opposition, immer noch mehr zu wollen. Aber ich sage einmal: Das Haus, Herr Minister, ist beim Verbraucherschutz meiner Meinung nach gut ausgestattet, stark aufgestellt und wird ordentlich arbeiten können. Dabei sollten wir eines nicht aus dem Auge verlieren: Im Mittelpunkt des politischen Handelns steht meiner Auffassung nach die mündige Bürgerin, der mündige Bürger, die mündige Konsumentin, der mündige Konsument. Verbraucherschutz heißt nicht, dass Vater Staat die Kinder an die Hand nimmt und sie durchs Leben führt, auf dass sich keiner an einem Stein stoße. Verbraucherschutz heißt, sich dort einzusetzen, wo es zu Verwerfungen kommt, wo der Verbraucher nicht mehr durchblicken kann oder wo die Gefahr besteht, dass er nicht als gleichberechtigter Partner im Rahmen der Privatautonomie handeln kann. Nur dann darf der Staat eingreifen. Der wichtigste Aspekt des Verbraucherschutzes muss immer noch sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher fitzumachen, um am Markt eigenständig entscheiden und agieren zu können, um auf Augenhöhe zu verhandeln. Dabei wollen wir die Wirtschaft, die Anbieter, als Partner verstehen, nicht als Gegner der Verbraucher. (Beifall bei der CDU/CSU) Gestatten Sie mir abschließend, auf ein Thema hinzuweisen – Herr Minister Maas hat es schon kurz angesprochen –: auf das Präventionsprojekt Dunkelfeld „Kein Täter werden“. Finanziell ein ganz kleines Anliegen im Haushalt, aber in seiner Wirkung sehr wichtig. 560 000 Euro gibt der Bund in 2015 für dieses Projekt aus, fast das Doppelte gegenüber 2013 und noch einmal mehr als 2014. Wir werden in Zukunft dafür sorgen müssen, dass dieses Projekt auf eine andere finanzielle Basis gestellt wird; denn die Projektfinanzierung wird nicht ewig aus Mitteln des Justizministeriums kommen können, weil es ein Projekt ist. Wir werden nach Mitteln suchen müssen, aber ich bin sicher: Auch dieses Geld ist gut angelegt. Ich kann die Bundesländer, die bisher für dieses Projekt noch kein Geld bereitgestellt haben, nur auffordern, zu überlegen, ob das Projekt nicht dieses Geld wert ist. Lassen Sie mich zwei, drei Zahlen aus Berlin nennen, wo der Schwerpunkt dieses Projekts liegt. In den letzten zehn Jahren haben dort fast 2 000 Männer anonym Kontakt aufgenommen, weil sie Sorge hatten, dass sie Straftaten im Bereich pädophiler Neigungen begehen könnten. Bei 846 dieser Männer hat es abgeschlossene klinische Diagnosen gegeben, und 412 Männer haben sich entschlossen, in eine Therapie zu gehen. 6 Prozent stammten übrigens aus der Region Berlin/Brandenburg; der Rest kam aus der übrigen Bundesrepublik oder gar aus dem Ausland. Insofern ist das ein deutlicher Appell an die anderen Bundesländer, die noch nicht aktiv sind, in dieser Frage ihre Position zu überdenken. Ich glaube, auch diese gute halbe Million Euro ist gut angelegtes Geld, so wie dieser Haushalt insgesamt solide ist. Auch der Einzelplan 07 – Justiz und Verbraucherschutz – ist nachhaltig und zukunftsorientiert. Ich glaube, auch die Opposition kann ihm am Ende der Debatte guten Gewissens zustimmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dennis Rohde hat für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dennis Rohde (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin froh und stolz, dass ich als Fazit zu den Verhandlungen zum Einzelplan 07 festhalten kann, dass wir unsere Versprechungen gehalten haben. Ich möchte das an drei Punkten näher darlegen. Ich beginne mit dem Punkt, den auch Sie gerade angesprochen haben, Herr Kollege Claus: mit dem Deutschen Patent- und Markenamt. Ich war sehr verwundert über Ihre Worte. Das, was Sie in Bezug auf die erste Lesung des Haushalts 2015 hier ausgeführt haben, können Sie eigentlich nur aus dem Märchenbuch von Frau Künast haben. Alle Kolleginnen und Kollegen haben damals gefordert, dass beim DPMA etwas passiert. Alle Haushälter haben gesagt: Das müssen wir angehen. – Das waren nicht nur die Linken, sondern alle Kolleginnen und Kollegen. Ich finde, man sollte zumindest im Plenum die Wahrheit sagen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber zu welchem Zeitpunkt?) Wir haben alle gesagt, dass das Deutsche Patent- und Markenamt eine vernünftige Ausstattung braucht. Heute können wir feststellen: Es gibt einen massiven Personalaufwuchs. Es gibt eine bessere finanzielle Ausstattung des DPMA. Versprochen und gehalten, meine Damen und Herren. Meine Kollegin Eva Högl hat am 26. Juni 2014 zum Haushalt im Bereich innere Sicherheit gesagt: „Ein wichtiger Punkt ist die Stärkung des Generalbundesanwalts.“ Heute werden wir sechs zusätzliche R-besoldete Stellen beschließen und dem Generalbundesanwalt über 700 000 Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Versprochen und gehalten. Meine Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat in derselben Haushaltsberatung gesagt: Neben Ideen und Konzepten benötigen wir für den Verbraucherschutz auch Geld. – Heute können wir sagen: Seit Regierungsübernahme haben sich die Mittel für den wirtschaftlichen Verbraucherschutz um mehr als 20 Prozent erhöht. Versprochen und gehalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber lassen Sie mich auf die Punkte im Einzelnen eingehen. Wir wussten zu Beginn der Haushaltsverhandlungen um die Situation beim Deutschen Patent- und Markenamt. Wir wussten, dass es dort einen Antragsstau von gut 170 000 Anträgen gibt. Ich habe ungefähr drei Viertel meiner Rede dafür genutzt, die Wichtigkeit des Patents für unsere Wirtschaft herauszustellen. Ich bin sehr froh, dass wir als Koalition den Vorschlag des Deutschen Patent- und Markenamtes heute eins zu eins umsetzen. Wir werden 58 neue Patentprüferstellen schaffen und eine bessere finanzielle Ausstattung zur Verfügung stellen. Ich freue mich wirklich, dass bei diesem überlegten Vorgehen auch die Opposition mitgehen kann. Wir haben bei der Absicherung der Innovationskraft unseres Landes Ernst gemacht. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Wir haben beim Schutz des geistigen Eigentums Ernst gemacht. Wir haben beim Deutschen Patent- und Markenamt keine halben Sachen gemacht, sondern klare Kante gezeigt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein zweites Thema: Die nationale Sicherheit kostet Geld. Das merken insbesondere die Kolleginnen und Kollegen, die mit dem Haushalt des Bundesinnenministeriums befasst sind und mit der Bundespolizei, dem Zoll, aber auch dem Bundeskriminalamt zu tun haben. Aber auch die Judikative steht vor neuen Herausforderungen. So gibt es erhebliche Mehrbelastungen beim Generalbundesanwalt. Diese stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bedrohung durch die Terroristen des „Islamischen Staates“ und gewaltbereite Dschihadisten. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: Im Jahr 2012 gab es beim Generalbundesanwalt in diesem Bereich einen Prüfvorgang, ein Ermittlungsverfahren und vier Beschuldigte. Im Jahr 2014 – Stand: 30. Oktober – waren es 162 Prüfvorgänge und 41 Ermittlungs- und Strafverfahren mit insgesamt 80 Beschuldigten. Meine Damen und Herren, das sind dramatische Entwicklungen, und diesen dramatischen Entwicklungen müssen wir Rechnung tragen. Wir tragen ihnen Rechnung, indem der Generalbundesanwalt 720 000 Euro mehr zur Verfügung gestellt bekommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Die Sicherheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus ist in Geld nicht zu beziffern. Sicherheit hat kein Preisschild. Es ist unsere Verantwortung, in Gewahrsam genommene Terroristen einem rechtsstaatlichen Verfahren zuzuführen und sie für ihre Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen und die Bevölkerung vor ihnen zu schützen. Darum werden wir weiterhin genau prüfen und beobachten, was wir an Unterstützung für den Generalbundesanwalt werden leisten können. Ein drittes Thema. Es war die richtige Entscheidung, den wirtschaftlichen Verbraucherschutz im Bundesjustizministerium einzugliedern. Wir gehen diesen Schritt konsequent weiter und stellen den Verbraucherschutz heute auf eine breitere finanzielle wie personelle Basis. So haben wir überhaupt erst zum zweiten Mal in seiner Geschichte der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Erhöhung seiner institutionellen Förderung zugedacht. Ich weiß, dass das nicht allen gefällt, auch nicht allen Kolleginnen und Kollegen; denn der vzbv ist auch gegenüber den gewählten Politikerinnen und Politikern manchmal unbequem und nimmt sich das Recht zu Kritik heraus. Aber genau das soll er auch: mit lauter Stimme einzig und allein für die Verbraucherinnen und Verbraucher sprechen. Das kann er nur, wenn er unabhängig von der Wirtschaft agiert. Darum sind die staatlichen Mittel so wichtig. Wir wollen und brauchen starke und unabhängige Verbraucherzentralen, eine starke Lobby für die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Darum werden wir eines der zentralen Projekte dieser Koalition und der Verbraucherzentralen mit mehr finanziellen Mitteln hinterlegen. Im kommenden Jahr werden die Marktwächter mit 5,5 Millionen Euro weiter angeschoben. Die Große Koalition richtet ihre Politik übrigens nicht nach dem Irrglauben aus, man müsse nur vom mündigen Verbraucher sprechen, und alle Probleme lösten sich dann in Wohlgefallen auf. So unterschiedlich wie Menschen, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse und die Herausforderungen für die Verbraucherpolitik. Dem tragen wir Rechnung, indem wir im Bundesjustizministerium ein Referat „Besondere Verbrauchergruppen“ installieren werden. Da geht es zum Beispiel um die Herausforderungen junger Menschen sowie der Seniorinnen und Senioren, aber auch der Migrantinnen und Migranten. Dabei geht es ganz besonders darum, dass auf die Dinge, die wir nicht gleich auf dem politischen Radar haben, aufmerksam gemacht wird. Ein Beispiel: So deckten im Oktober dieses Jahres die Verbraucherzentralen Hamburg, Berlin und Bremen erhebliche Missstände bei den sogenannten Ethnomobilfunktarifen auf. Das sind Tarife, die bevorzugt Migrantinnen und Migranten nutzen, um Kontakt zu ihrer Heimat zu halten. Mit diesen Tarifen erhält man verbilligte Konditionen bei Anrufen in einigen Ländern. Kaum einer von uns wird diese Tarife intensiv nutzen. Aber gerade weil Migrantinnen und Migranten diese Tarife intensiv nutzen, gehen zusätzliche Herausforderungen zum Beispiel bei der Sprache und der Vertragsgestaltung damit einher. Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass das ein Bereich ist, an den wir nicht zuvorderst denken, wenn wir uns die gesamte große TKBranche anschauen. Es ist aber wichtig, dass sich eine Institution mit einer spezifischen Sicht genau solcher Themen annimmt. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Verbraucherpolitik, die wirklich alle Menschen in unserem Land einschließt. (Beifall bei der SPD) Wir stellen uns auch der Herausforderung der Digitalisierung unserer Gesellschaft mit der Einrichtung eines neue Referats „Digitale Kundenbeziehungen“. Heutzutage schließen wir Onlineverträge ab. Wir kaufen ein, erledigen unsere Post und informieren uns über Angebote online. Kurzum: Ein guter Teil der traditionellen Beziehungen zwischen Verbrauchern und Anbietern ist ins Netz gewandert. Dabei ist insbesondere der Schutz der Kundendaten unheimlich wichtig. Wir hoffen, dass wir mit diesem Referat neue Erkenntnisse diesbezüglich gewinnen. Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz ist in der Großen Koalition in guten Händen. Wir haben einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Wir nehmen den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ernst. Wir wollen eine aktive und keine reagierende Verbraucherpolitik. Diesen Weg gilt es in den kommenden Jahren konsequent fortzusetzen, ohne einen Rückfall in vergangene Zeiten. Wir gehen mit dem vorliegenden Haushalt die Herausforderungen der Judikative, des Schutzes des geistigen Eigentums und der Verbraucherpolitik an. Wir haben einen guten Regierungsentwurf noch besser gemacht. Hierfür werbe ich um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Caren Lay für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Verbraucherarbeit und den Verbraucherschutz in diesem Haushaltsentwurf anbelangt, komme ich leider zu einer völlig anderen Einschätzung als beispielsweise mein Vorredner. Wenn wir uns die Zahlen anschauen, stellen wir fest, dass die Verbraucherpolitik im Gesamthaushalt wirklich ein Schattendasein fristet. Gerade einmal 31 Millionen Euro sind für die Verbraucherpolitik vorgesehen. Das ist im Vergleich zum Gesamthaushalt ziemlich wenig. Alleine der Schützenpanzer Puma beispielsweise ist der Bundesregierung 19-mal mehr wert als die Verbraucherpolitik. Das nenne ich eine falsche Prioritätensetzung. (Beifall bei der LINKEN) An diesem Beispiel sieht man auch, dass es nicht so ist, dass kein Geld da ist oder die Opposition dauernd Geld ausgeben möchte; es sitzt einfach an der falschen Stelle. Auf dieses Kriegsgerät zu verzichten und das Geld für die Verbraucherarbeit einzusetzen, das wäre zum Beispiel eine gute Lösung. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie da nicht mitgehen können, will ich Ihnen einen anderen Vorschlag machen und eine Idee der ehemaligen Verbraucherministerin Frau Aigner aufgreifen, die bekanntlich nicht der Linken angehört, sondern der CSU. Sie hatte vorgeschlagen, dass man die Mittel, die dem Bundeskartellamt aus Bußgeldern zufließen, also die Kartellstrafen aufgrund illegaler Preisabsprachen, für die Verbraucherarbeit zur Verfügung stellen könnte. Alleine bis zum Oktober dieses Jahres waren es Bußgelder für illegale Preisabsprachen in Höhe von 1 Milliarde Euro, die in den Bundeshaushalt fließen. Das ist Geld, das den Verbrauchern unrechtmäßig aus der Tasche gezogen wurde und das man für sinnvolle Projekte einsetzen könnte. Selbst wenn wir nur 20 Prozent dieser Gelder nehmen würden, wären das 200 Millionen Euro. Dann müsste man, um ein Beispiel zu nennen, nicht bei der Stiftung Warentest kürzen – und das ausgerechnet im 50. Jubiläumsjahr. Da frage ich mich ehrlich gesagt, wie das nächste Woche beim feierlichen Festakt ablaufen soll und ob dann die Kanzlerin sagt: Liebe Stiftung Warentest, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Sie leisten eine wertvolle Arbeit, und als Geburtstagsgeschenk werden wir Ihnen gleich die Mittel kürzen. – Nein, bei diesen Geburtstagsgeschenken kann man sich die Sonntagsreden sparen. (Beifall bei der LINKEN) Wir könnten von diesem Geld beispielsweise 1 000 Schuldner- und Finanzberatungsstellen finanzieren. Das wäre auch angemessen. Sie haben es selber gesehen: Die Anzahl der verschuldeten Haushalte ist erneut gestiegen. Die durchschnittlichen Wartezeiten betragen sechs Monate, in einzelnen Kommunen können es auch einmal eineinhalb Jahre sein. Damit vergeht viel zu viel Zeit, in der sich die Schuldenspirale weiter dreht, anstatt dass den Betroffenen geholfen würde. Wir müssen bei der Finanz- und Schuldnerberatung deutlich mehr zulegen. Deswegen werden wir als Linke das auch beantragen. (Beifall bei der LINKEN) Man könnte mit einem Bruchteil des Geldes aus den Kartellstrafen beispielsweise auch die Marktwächter auskömmlich finanzieren, um tatsächlich und wirkungsvoll den Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten, aber auch in der immer komplizierter werdenden digitalen Welt zu stärken. Wir freuen uns, dass eine langjährige Oppositionsforderung nach solchen Marktwächtern aufgegriffen wurde, aber wir, die wir uns damit beschäftigt haben, wissen auch: Diese 6,5 Millionen Euro sind zu wenig. Da hilft es auch nichts, dass die ursprünglich veranschlagten Kosten von 12 Millionen Euro auf Wunsch nach unten korrigiert wurden. Hier müssten wir eigentlich viel mehr Geld in die Hand nehmen. (Beifall bei der LINKEN) Es wird gerne gesagt, das gehe gar nicht und man könne die Bußgelder dafür nicht einsetzen. Die ganzen Vorschläge, die ich gemacht habe, fallen einfach deswegen weg, weil das Geld, das den Verbrauchern eigentlich zustehen würde, nicht etwa in den Haushalt des Verbraucherministers fließt, sondern weil es in den Haushalt des Wirtschaftsministers fließt. Da frage ich mich, warum das Geld, um das die Verbraucher betrogen wurden, am Ende ausgegeben wird, um die Wirtschaft zu unterstützen. Das ist doch wirklich völlig absurd. (Beifall bei der LINKEN) Ein beliebtes Argument in diesen Debatten ist, das sei der kleinste Haushalt. Okay, 31 Millionen Euro sind im Vergleich zum Gesamthaushalt nicht besonders viel. Es wird angeführt, es gehe auch darum, gute Gesetze zu machen. Na, bitte schön, dann machen Sie doch gute Gesetze. Ich möchte Ihnen einige aktuelle Beispiele nennen. Eines hat schon eine Rolle gespielt. Nehmen wir die Mietpreisbremse. Das, was Sie, Herr Minister, hier vor kurzem in den Bundestag eingebracht haben, lässt zu, dass die Länder selber entscheiden können, ob sie Ihr Gesetz umsetzen. Die Länder haben viel zu viel Zeit für die Umsetzung, sodass die Vermieter schön an der Preisspirale drehen können. Es gibt viel zu viele Ausnahmen und Bedingungen, und der Deckel, den Sie gewählt haben, ist überhaupt nicht sachgerecht und wird die Mieten nicht deckeln. Nein, meine Damen und Herren, diese Mietpreisbremse ist bestenfalls eine Handbremse, und da müssen wir dringend nachbessern. (Beifall bei der LINKEN) Oder nehmen wir die gesetzliche Deckelung der Dispozinsen; sie lässt ebenfalls auf sich warten. Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben selber gesagt, Verbraucherschutz sei kein Thema von Appellen. Dann möchte ich Sie hier, ehrlich gesagt, an Ihre eigenen Worte erinnern: Haben Sie bitte den Mut, sich mit der Bankenlobby anzulegen! Belassen Sie es nicht einfach bei mehr Transparenz, und führen Sie endlich einen gesetzlichen Deckel ein! (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte zum Schluss noch auf das Projekt der Frauenquote zu sprechen kommen. Dieses Projekt begrüße ich natürlich prinzipiell. Aber Ihre Behauptung, dass mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs der im Grundgesetz verankerte Gleichstellungsauftrag umgesetzt werde, ist, glaube ich, ein bisschen übertrieben. Die feste Quote soll tatsächlich nur 108 Unternehmen betreffen. Davon würden also gerade einmal 160 Frauen tatsächlich profitieren. Dazu muss ich einfach sagen: Vor diesen 160 Frauen muss die CSU nicht zittern, und der Herr Fraktionsvorsitzende Kauder muss angesichts dessen nicht so weinerlich werden. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, da müssen Sie keine Angst haben. Die Männerbündelei in Deutschlands Vorstandsetagen würde auch nach Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs weitergehen. Wir als Linke finden, es ist dringend an der Zeit, dass wir das endlich beenden. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Hendrik Hoppenstedt hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rechtspolitik wird bekanntlich nicht mit dem Scheckbuch gemacht. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist in erster Linie ein Gesetzgebungs- und Beratungsministerium. Aber Rechtspolitik ist natürlich auch nicht zum Nulltarif zu haben. Mein Kollege Gröhler ist als Haushälter schon auf viele Details des Einzelplans 07 eingegangen. Auch ich möchte noch einmal auf den erheblichen Aufwuchs im Personalhaushalt des Deutschen Patent- und Markenamtes hinweisen. Mit weit über 50 neuen Stellen wird es in die Lage versetzt, Patentanmeldungen schneller zum Abschluss zu bringen. Damit können Erfindungen zügiger auf den Markt gebracht werden, und das sichert und schafft Arbeitsplätze in Deutschland. Dieses Beispiel zeigt, dass wir nach einem Jahr erfolgreicher Großer Koalition neben den Verbesserungen im Bereich Opferschutz, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, viel für die Wirtschaft und den deutschen Mittelstand getan haben und zukünftig auch noch tun werden. Lassen Sie mich das anhand der Nennung von drei Beispielen unterstreichen: Beispiel Nummer eins. Wir haben das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr beschlossen und damit die EU-Zahlungsverzugsrichtlinie umgesetzt. Wenn insbesondere kleinere mittelständische Unternehmen wochenlang auf die Begleichung einer Rechnung warten und die Materialkosten vorfinanzieren müssen, dann kann sie das schnell in den Ruin treiben, und das vernichtet Arbeitsplätze. Deshalb haben wir zur Sicherstellung der Liquidität von kleineren und mittleren Betrieben den bisweilen vorhandenen exorbitanten Zahlungsfristen ein Ende gesetzt. Die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Zahlungsfristen werden grundsätzlich auf 30 Tage begrenzt. Die Vereinbarung einer Zahlungsfrist von mehr als 60 Tagen ist nur dann wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen ist und im Hinblick auf die Gläubigerbelange nicht grob unbillig ist. Bei den öffentlichen Auftraggebern, die ja bekanntlich nicht immer die beste Zahlungsmoral haben, darf auch in Ausnahmefällen die 60-Tage-Frist nicht überschritten werden. Regelmäßig wird auch hier die Frist bei 30 Tagen liegen. Beispiel Nummer zwei. Die Beseitigung der Haftungsfälle für Handwerker im Mängelgewährleistungsrecht. Worum geht es hier? Kauft ein Handwerker, ohne dies zu wissen, mangelhaftes Material und baut dies bei einem Kunden ein, zum Beispiel Parkettstäbe, dann hat der Kunde aufgrund der werkvertraglichen Beziehungen einen Nachbesserungsanspruch. Der Handwerker muss die fehlerhaften Parkettstäbe auf seine Kosten ausbauen und fehlerfreie Parkettstäbe einbauen. Der Handwerker seinerseits hat gegen seinen Verkäufer aber nur Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache, das heißt, mangelfreier Parkettstäbe. Den wegen der hohen Lohnkosten zumeist viel teureren Ausbau und den anschließenden Einbau muss er aber selber tragen. Der Handwerker arbeitet also zweimal, bekommt aber nur einmal sein Geld. Deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag richtigerweise darauf verständigt, die Haftungsfalle für Handwerker im Mängelgewährleistungsrecht zu beseitigen. Handwerker und andere Unternehmer sollen nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln sitzen bleiben, die der Lieferant oder Hersteller zu verantworten hat. Wir wollen das Verursacherprinzip im Gewährleistungsrecht stärken. Wir streben dabei eine Lösung an, die sich bestmöglich in das Gewährleistungsrecht des BGB und damit in dessen Systematik einfügt und die auch die berechtigten Interessen der übrigen Beteiligten, insbesondere die Interessen des Handels, angemessen berücksichtigt; der Handel ist normalerweise nicht für Produktionsfehler verantwortlich. Zu dieser Frage wird das Bundesministerium der Justiz gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Verbraucherrecht der Uni Bayreuth im nächsten Frühjahr ein Symposium durchführen. Danach werden wir uns erst mit dem Koalitionspartner, dann mit dem Ministerium und im Anschluss selbstverständlich mit dem gesamten Ausschuss über die konkrete rechtstechnische Umsetzung austauschen und uns hoffentlich einigen. Beispiel Nummer drei. Wir möchten bei der Bewältigung von Konzerninsolvenzen zu Erleichterungen kommen. Es geht darum, die Sanierungsmöglichkeiten von Unternehmen zu verbessern. Das ist im Interesse der Gläubiger, aber ausdrücklich auch im Interesse der Arbeitnehmer. Das geltende Insolvenzrecht ist auf die Bewältigung der Insolvenz einzelner Rechtsträger zugeschnitten. Wenn in einem Konzern mehrere Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, muss für jeden Unternehmensträger ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt werden. Diese zwangsweise Dezentralisierung kann zu Nachteilen führen, wenn die zu dem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügbaren Ressourcen, die bislang durch die Ausübung der Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmt war, wird auf mehrere Insolvenzverwalter verteilt. Es wird damit schwieriger, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubiger zu realisieren. Ziel des Gesetzentwurfs ist es daher, die im Fall einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden Einzelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger Unternehmen besser aufeinander abzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, neben diesen mittelstandsfreundlichen Regelungen geht es auch noch um den Schutz derer, die schwere Zeiten durchmachen, sei es, weil sie Opfer von Straftaten wurden, oder sei es, weil sie besonderes Leid erfahren haben. Auch hier möchte ich drei Beispiele geben: Beispiel Nummer eins. Wir haben durch die Novelle im Sexualstrafrecht – das klang heute schon an – insbesondere Kinder und Jugendliche vor Missbrauch besser geschützt. Der Fall Edathy hat einmal mehr gezeigt, dass ein Markt für Kindernacktfotos existiert. Wir haben dem Handel mit Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen einen Riegel vorgeschoben, um so die Würde der Kinder und der Jugendlichen zu schützen. Kinderfotos für das Familienalbum bleiben erlaubt. Der Handel und der Tausch von Kindernacktfotos ist kriminelles Unrecht und muss auch entsprechend bestraft werden. Der Schutz in Obhutsverhältnissen wird ebenfalls verbessert. Für die Strafbarkeit sexueller Kontakte zwischen Lehrern und Schülern ist es künftig völlig unerheblich, ob der Lehrer nun Klassenlehrer oder Vertretungslehrer ist. Sexuelle Kontakte zu Schülern werden für alle Lehrer einer Schule strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Kinder und Jugendliche müssen besser vor Erwachsenen geschützt werden, die sich im Internet und sozialen Netzwerken als Kinder ausgeben. Deswegen verschärfen wir das Strafrecht im Bereich des sogenannten Cybergroomings. Als Union hätten wir uns durchaus noch gewünscht, dass auch der untaugliche Versuch unter Strafe gestellt wird; Täter, die auf Lockvogelangebote von Ermittlern eingehen, bleiben aber leider weiterhin straflos. Beispiel Nummer zwei. Wir gehen das Angehörigenschmerzensgeld an. Wir werden einen eigenständigen Schmerzensgeldanspruch für Menschen schaffen, die einen nahen Angehörigen durch Verschulden eines Dritten verloren haben. Anders als viele andere europäische Rechtsordnungen sieht das deutsche Recht einen solchen Angehörigenschmerzensgeldanspruch nicht vor. Bislang ist Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch des nahen Angehörigen, dass die Schwelle zum Schock und damit zu einer Gesundheitsverletzung des trauernden Angehörigen überschritten wurde. Das ist aber nicht besonders häufig der Fall. Das, meine Damen und Herren, führt zu Wertungswidersprüchen: Leichte Schleudertraumata werden entschädigt, nicht aber das viel schwerwiegendere, zum Teil jahrzehntelange Leid bei Verlust eines nahen Angehörigen. Auch im Falle der Ehrverletzung und selbst für den Nutzungsausfall eines Pkw sowie für entgangene Urlaubsfreude wird Schadenersatz gezahlt. Man könnte deswegen den Eindruck gewinnen, dass umso eher -finanzielle Kompensation geschuldet wird, je banaler die Rechtsverletzung ist, und umso weniger, je gravierender die Rechtsverletzung ausfällt. Diese Rechtslage empfinden wir als unbefriedigend. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) Selbstverständlich kann die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes den Verlust eines nahen Menschen niemals ersetzen. Aber der Schmerzensgeld-anspruch wäre ein Symbol der Solidarität der Gesellschaft und zeigt, dass die Rechtsgemeinschaft das seelische Leid auch entsprechend anerkennt. Und ein letztes Beispiel: die Vorratsdatenspeicherung. Offen ist auch dieses Projekt. In manchen Bereichen ist die Speicherung von Verbindungsdaten erforderlich, um schwere Straftaten aufzuklären und Terrorakte verhindern zu können. Um häufigen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, dass Korrespondenzen regelmäßig mitgelesen oder Gespräche mitgehört werden. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur gespeichert werden!) Die Telekommunikationsanbieter sollen lediglich sogenannte Metadaten speichern, das heißt: Wer hat mit wem wann und wie lange telefoniert? Im Bedarfsfalle würde so auf diese Kommunikationsdaten zugegriffen werden können. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, dass die Vorratsdatenspeicherung nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen soll. Richtig ist, dass der EuGH die konkrete Richtlinie der EU zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt hat. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hält Sie aber nicht davon ab, dasselbe noch einmal zu machen!) Nachdem nun die konkrete Richtlinie gescheitert ist, geht es darum, eine europa- und verfassungsrechtlich konforme Regelung für die Vorratsdatenspeicherung zu finden. Ich bin besonders dankbar, dass die SPD-Innenminister in ihrer Berliner Erklärung vom 10. April 2014 zum Ausdruck bringen, dass sie das genauso sehen. Ich zitiere: Verbindungsdaten müssen unter größtmöglicher Beachtung der Grundrechte und des Datenschutzes zur Verfolgung von Kinderpornographie, schwerster Fälle von Cybercrime und organisierter Kriminalität für eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung stehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich selber habe mich bei meinem Besuch beim BKA in Wiesbaden davon überzeugen können, wie wichtig diese Vorratsdatenspeicherung auch für unsere Ermittlungsbehörden sind, die wir an dieser Stelle gerne unterstützen möchten. Daher wünsche ich mir, dass wir als Koalition dieses Thema noch deutlich beherzter aufgreifen als in der Vergangenheit, auch wenn ich weiß, dass das rechtlich schwierig ist. Aber auch hier gilt der Satz: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Meine Damen und Herren, die genannten Beispiele zeigen, dass wir auf dem Gebiet der Rechtspolitik schon viel erreicht haben, aber noch eine gute Wegstrecke vor uns haben. Nach einem Jahr Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag kann ich für mich jedenfalls feststellen, dass die Koalition gute Gesetzentwürfe auf der Grundlage der Arbeiten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz beschlossen hat, dass es in der Rechtspolitik zwischen den Koalitionsfraktionen eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt und dass es auch mit den Oppositionsfraktionen (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt hört es aber auf!) trotz inhaltlicher Differenzen im Ausschuss ein zumindest nach meinem Dafürhalten sehr manierliches und ordentliches Miteinander gibt. Ich habe das ja schon in meiner letzten Rede gesagt. Da kam von der Opposition der Zwischenruf: „Warten Sie es mal ab!“ Ich habe jetzt eine ganze Weile gewartet, und ich muss sagen: Ich fühle mich in meiner Aussage durchaus bestätigt und freue mich deswegen auf die zukünftige Zusammenarbeit in diesem Ausschuss. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Nicole Maisch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Dr. Hoppenstedt, ich habe vernommen, dass Sie mit Anlauf zweimal gegen dieselbe Wand laufen wollen, nämlich bei der Vorratsdatenspeicherung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich kann nur sagen: Hier hört für uns Grüne der Spaß auf. Wenn Sie einen Angriff auf unsere Bürgerrechte fahren, dann wird es hier in der Debatte durchaus ungemütlich. Das möchten wir nicht zulassen. Wir halten Ihr Vorhaben hier für völlig falsch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber wir sind ja heute zusammengekommen, um über den Haushalt zu reden. Man kann sagen, dass die Beratungen im Haushaltsausschuss durchaus erfolgreich waren. Herr Maas, Sie haben viel Kritik eingesteckt. Aber es gibt auch Dinge, die man loben kann. Wir finden es als Grüne gut, dass der Bundesverband Verbraucherzentralen mehr Geld bekommt. Wir finden es gut, dass Sie endlich Geld für die Marktwächter in den Bereichen Finanzen und Digitales eingestellt haben. Wir finden es auch gut, dass Sie endlich einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen benannt haben und den auch finanzieren wollen. Aber – damit ist die lobende Vorrede vorbei – wenn man so etwas Schlaues macht wie Marktwächter, was wir lange gefordert haben, dann muss man auch den Mut haben, alles zu tun, damit das Projekt ein Erfolg wird. So wie Sie das angelegt haben, sieht es ein bisschen so aus, als ob Sie sich eigentlich gar nicht trauen, dass die Marktwächter erfolgreich werden. Warum ist das so? Sie wollen weiter mit Projektförderungen operieren. Sie wissen so gut wie ich, dass der Bundesrechnungshof die Projektitis nicht gerne sieht. Hier kann man schon fragen: Ist es vor allem ein Ansinnen der Union, die Marktwächter nach kurzer Zeit in Schönheit sterben zu lassen, oder warum finden sie nicht eine längerfristige, eine institutionelle Finanzierung? Wenn man will, dass die Marktwächter auch wirklich beißen und bellen können, dann brauchen sie auch die strukturellen Voraussetzungen dafür. Dann brauchen sie ein formales Beschwerderecht gegenüber der BaFin. Wir müssen außerdem darüber nachdenken, ob wir nicht bessere Möglichkeiten der kollektiven Rechtsdurchsetzung finden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Geld allein, so wichtig es ist, macht noch keinen guten Verbraucherschutz. Das gilt insbesondere für den -Finanzbereich. Hier haben Sie noch einige Versprechungen einzulösen. Sie haben Maßnahmen zur Begrenzung von Dispozinsen angekündigt. Ich habe akzeptiert, dass es erst einmal keinen gesetzlichen Deckel geben wird. Aber Sie haben andere Möglichkeiten angedeutet und entsprechende Gesetze versprochen. Darauf warten wir noch. Weil wir gerade beim Thema „Knietief im Dispo“ sind, will ich noch auf den Kollegen Klaus-Dieter Gröhler eingehen. Er hat hier eine allgemeine Haushaltsrede gehalten, hat sich für die schwarze Null und eine solide Haushaltsführung gerühmt und hat dann auf die Linken und die Grünen geschimpft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Da hat er recht! Das hat er gut gemacht! Das gibt es bei den Grünen nie!) Da muss ich Ihnen Folgendes sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer so tief wie Sie in die Rentenkasse, in den Gesundheitsfonds und in den Topf für die Finanzierung der Infrastruktur fasst, der hat keine schwarze Null aufzuweisen, sondern der steckt knietief im Dispo bei den kommenden Generationen. Das lassen wir Ihnen so nicht durchgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie haben doch gesagt, die Mittel müssten noch gekürzt werden!) Wenn wir uns den Haushalt für den Verbraucherschutz anschauen, dann finden wir dort hinsichtlich des nachhaltigen Konsums eine Leerstelle. Verbraucher sind nicht nur schutzbedürftig, sondern sie sind auch mächtige Akteure, wenn es um mehr Tierschutz, mehr Umweltschutz und nachhaltigeren Konsum geht. Aber dafür braucht man eben auch die strukturellen Voraussetzungen: vor allem verlässliche Label und Siegel – zum Beispiel für grüne Geldanlagen, echten Ökostrom, aber auch für faire Kleidung. Hier, finde ich, ist der Verbraucherschutzminister in der Verantwortung, den Kollegen Müller nicht scheitern zu lassen (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er könnte es sogar besser machen!) und dieses Textilsiegel zum Erfolg zu führen. Hier sollten Sie Ihren Kollegen unterstützen, damit das Ganze zu einem Erfolg wird; denn so, wie es im Moment angelegt ist, ist es eher dazu geeignet, ein Rohrkrepierer zu werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte, dass Sie sich weiterhin dafür einsetzen, dass wir bessere Informationsansprüche im VIG haben und dass Sie Kampagnen für nachhaltigere Konsummuster und für bessere Produkte fahren. Grüner und nachhaltiger Konsum ist eine große Macht bei der Transformation der Wirtschaft. Hier kann der Verbraucherschutzminister einfach noch mehr tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Maas, ich wundere mich schon, dass es beim Thema TTIP um Sie sehr ruhig geworden ist. Vor einigen Monaten hörte sich das noch sehr mutig an. Da haben Sie den Bürgern in unterschiedlichsten Zeitungs-interviews viel versprochen. Ihr erstes Versprechen war: keine Absenkung von Standards. Sie stehen in der Verantwortung, zu erklären, wie regulatorische Kooperationen mit einem System – nämlich dem der USA – möglich sein sollen, welches das Vorsorgeprinzip nicht kennt. Wie soll es eine regulatorische Kooperation und gleichzeitig den Erhalt des Vorsorgeprinzips geben? Vielleicht ist das möglich. Aber Sie sind in der Verantwortung, es zu erklären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben auch gesagt: keine Investor-Staats-Schiedsgerichte. Das heißt, Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern versprochen, dass es keine undemokratische Konzernjustiz gibt. In dieser Deutlichkeit – das muss ich ganz offen sagen – habe ich das von Ihnen lange nicht mehr gehört. Das mag damit zusammenhängen, dass sich Ihr Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel von der Forderung „keine Investor-Staats-Schiedsgerichte“ klammheimlich verabschiedet. Jetzt sind Sie als Verbraucherschutzminister gefragt, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Ihr Versprechen zu halten: kein Ausverkauf von Verbraucher- und Datenschutz und keine Sonderjustiz für Konzerne. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Hier steht nicht nur der europäische Standard für Verbraucher- und Datenschutz auf dem Spiel, sondern auch Ihre Glaubwürdigkeit als Minister. Ich bedanke mich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Maisch, ich bitte Sie, einfach mal in den Beschluss unseres Parteikonvents zu schauen. Dann wissen Sie, was unsere und die Position des Wirtschaftsministers zum Thema TTIP ist. Ich denke, damit ist alles gesagt. Wenn in den vergangenen Jahren im Rahmen der Haushaltsberatung über die Politik des Verbraucherschutzministeriums gesprochen wurde, dann musste ich leider immer Begriffe wie Placebo oder Etikettenschwindel benutzen. Das ist heute zum Glück anders; denn dieser Haushalt zeigt: SPD wirkt. (Lachen der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben es zusammen mit unserem Koalitionspartner in diesem Haushalt geschafft, wichtige Weichen für eine wirksame Verbraucherpolitik zu stellen. Wir haben einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen eingerichtet, der jetzt seine Arbeit aufgenommen hat. Frau Künast, das ist jetzt gerade einmal drei Wochen her. Ich denke, dann ist es auch recht, dass er jetzt noch keine Ergebnisse zeitigen kann. – Unser Ziel ist eine effektive, eine empirisch fundierte Verbraucherpolitik, also keine Placebos mehr. Die Verbraucherforschung kann viel dazu sagen, welche Instrumente effektiv sind, welche Informationen Verbraucherinnen und Verbraucher in der konkreten Entscheidungssituation nutzen und welche Gesetze wie verbessert werden müssen. Der Sachverständigenrat wird uns genau dabei unterstützen. Welche Weichen haben wir noch gestellt? Der Startschuss für die Marktwächter ist im Oktober gefallen. Wir haben in der Bereinigungssitzung zum Haushalt 2015 noch einmal 1,135 Millionen Euro draufgesattelt. Insgesamt stehen den Marktwächtern rund 5,6 Millionen Euro in 2015 zur Verfügung – wie ich finde, ein toller Erfolg. (Beifall bei der SPD) Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz – ich würde hier gerne vom Sparerschutzgesetz sprechen – sorgen wir dafür, dass die BaFin als Behörde nun auch die Marktaufsicht im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes wahrnehmen kann. Einzelne Verletzungen des AGB-Rechts und rechtswidrige Bankgebühren werden der vzbv und die Verbraucherzentralen in ihrer Marktwächterfunktion weiterhin durch Abmahnungen und Klagen abstellen. Die verbraucherpolitischen Herausforderungen nehmen weiter zu, auch bei der Interessenvertretung der Konsumentinnen, dem Verbraucherzentrale Bundesverband: Datenschutz, digitale Welt, Onlinehandel. Seit Jahren hat der vzbv darauf aufmerksam gemacht, dass er mehr Personal braucht, um diesen Herausforderungen gerecht werden zu können. Mit dem Haushalt werden die hierfür nötigen Mittel bereitgestellt. Beispielsweise wird das vzbv-Büro in Brüssel nun auf Dauer eingerichtet. Angesichts der gewachsenen Aufgaben erhält der vzbv im Jahr 2015  865 000 Euro zusätzlich; auch das ist schon erwähnt worden. Damit können tatsächlich die Fachleute für die eben genannten Bereiche der digitalen Welt eingestellt werden. Welche Weichen haben wir noch gestellt? Im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden zwei neue Referate eingerichtet, um auch hier den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden: ein Referat „Besondere Verbrauchergruppen“ – Dennis Rohde hat es bereits ausgeführt – und ein Referat „Kundenbeziehungen in der digitalen Welt“. Hier geht es darum, unsere Daten zu schützen, die sonst nur gesammelt werden. Neulich titelte die Berliner Zeitung: „Sicher sind nur Stempelkarten“. Das sind die Karten, die bei einem Einkauf in einem bestimmten Geschäft, in dem man öfter einkauft, gelocht oder abgestempelt werden. Diese Daten kann man nicht erfassen. Aber wenn man heute beim Einkauf eine Plastikkarte nutzt – man kennt die Frage an der Kasse: „Haben Sie eine Payback-Karte?“ –, dann werden natürlich die Daten gesammelt. Dies geht inzwischen auch über Apps auf dem Smartphone. Das ist leider Standard. Eine Firma hat einmal festgehalten: Nach drei Käufen kennt das Computernetzwerk des Unternehmens das Kaufverhalten des Kunden mindestens in den Grundzügen, nach zehn Einkäufen weiß man schon sehr gut Bescheid. Für ein wenig Rabatt oder müheloses Bezahlen nutzt man die Karten bzw. Apps, und niemand weiß, was mit den Daten passiert. Hier ist es wichtig, zu analysieren und zu reglementieren, was mit unseren Daten passiert. Transparenz ist also notwendig: Wer sammelt welche Daten, wer nutzt sie wofür, und wer gibt sie eventuell an wen weiter? – Die Wahrung der Privatsphäre und der Schutz der informationellen Selbstbestimmung müssen sichergestellt werden. Das, Frau Maisch, ist auch ein Anliegen der Großen Koalition. Wir wollen also eine Verbraucherpolitik, die wirkt. Wie Sie sehen, haben wir im Haushalt 2015 die Weichen dafür gestellt. Aber es gibt noch einige andere Themen, um die wir uns kümmern müssen, beispielsweise um das Thema Rechtsdurchsetzung oder aber um das Thema – auch das ist schon angesprochen worden – der Abschöpfung von Kartellstrafen. Wir alle sind davon überzeugt, dass das Kartellamt gute Arbeit leistet. Tatsächlich sind in diesem Jahr fast 1 Milliarde Euro Bußgelder zusammengekommen. Wir fordern auch hier, dass ein Teil davon – da bin ich mir mit der Frau Kollegin Lay einig – für Verbraucherpolitik eingesetzt wird. Wir müssen darauf achten, dass Kartellsünder unrechtmäßig erwirtschaftete Gewinne nicht behalten; denn ich glaube, das würde falsche ökonomische Anreize setzen. Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Die wenigen von mir genannten Punkte – darüber hinaus gibt es noch weitere – stellen die Weichen für eine solide Verbraucherpolitik. Ich danke unserem Haushälter Dennis Rohde und auch Herrn Gröhler von der CDU/CSU für ihre Unterstützung. Ich wünsche unserem Minister Maas und auch unserem Staatssekretär Kelber viel Erfolg bei der Umsetzung aller unserer Vorhaben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Mechthild Heil hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Verbraucherpolitik, die Verbraucherpolitik der CDU/CSU, basiert auf fünf Säulen: erstens Verbraucherforschung, zweitens Verbraucherbildung, also gezielte Förderung der Verbraucherkompetenz, drittens Transparenz und gute Informationen für Verbraucher, viertens ein klarer Rechtsrahmen und fünftens wirksame Rechtsdurchsetzung. Zur ersten Säule, der Verbraucherforschung. Gute Verbraucherpolitik orientiert sich an den Realitäten der Verbraucher. Unsere politischen Entscheidungen müssen sich stets am Alltag der Verbraucher orientieren und dort erfolgreich sein. Um ein möglichst realistisches Bild der Verbrauchersorgen zu erhalten, stellen wir im Haushalt 2015 erneut Geld ein: 637 000 Euro für die Verbraucherforschung und für die Finanzierung einer Stiftungsprofessur für Verbraucherrecht immerhin 225 000 Euro. Aber damit nicht genug. Wir tun noch mehr. Wir haben auch einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen eingerichtet, der sich bereits im November dieses Jahres konstituiert hat. Der Sachverständigenrat soll das Bundesministerium beraten, und er soll Gutachten erstellen und Empfehlungen abgeben. Wichtig dabei ist, dass der Sachverständigenrat unabhängig ist. Wir haben auch Gelder für die Finanzierung einer Geschäftsstelle dieses Sachverständigenrates bereitgestellt. Ich kämpfe für eine Verbraucherpolitik, die empirisch fundiert und wissenschaftlich reflektiert ist. Eine solche Politik greift auf den Sachverstand von Experten zurück und auf Erkenntnisse aus der Verbraucherforschung. Aber damit nicht genug. Wir gehen noch viel weiter. Wir sorgen auch für intensive Marktbeobachtung durch spezialisierte Verbraucherzentralen. Wir stellen über 5 Millionen Euro zur Verfügung, damit diese spezialisierten Verbraucherzentralen ihre Funktion als Beobachter wahrnehmen können, und zwar besonders in zwei Bereichen: zum einen im Bereich des Finanzmarktes und zum anderen in der digitalen Welt. Damit die Erkenntnisse des Marktwächters Digitale Welt tatsächlich aufgegriffen und ausgewertet werden können, stellen wir dem Ministerium Mittel für die Einrichtung eines Referats zur Verfügung, Frau Drobinski-Weiß, das sich mit Kundendatenschutz beschäftigt. Bei aller Forschung und Wissenschaft, bei aller Marktbeobachtung und Schwachstellenauswertung bleibt eines jedoch immer wahr: Jeder von uns, jeder Kunde und jeder Verbraucher, sollte in der Lage sein, gute Produkte und Dienstleistungen zu erkennen und von schlechten zu unterscheiden. Wir müssen lernen, Risiken einzuschätzen, um nicht auf unseriöse Geschäftemacher hereinzufallen. Das kann uns kein Staat, das kein Wissenschaftler und auch keine Verbraucherzentrale abnehmen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Nehmen wir das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Wir haben dafür gesorgt, dass Verbraucher besser vor unerwünschten Telefonanrufen, vor unseriösen Inkassofirmen und ungerechtfertigten Abmahnungen geschützt sind. Das Gesetz ist da. Vielen unseriösen Firmen konnten wir damit das Handwerk legen. Aber leider wird es auch weiterhin eine kleine Schar von schwarzen Schafen geben, die sich an kein Gesetz halten und durch Betrug versuchen, an Geld zu kommen. Gegen solche kriminellen Machenschaften hilft dem Kunden nur: gute Information über seine Rechte und eine einfache Rechtsdurchsetzung. Ein anderes Beispiel ist die Pleite des Windkraftkonzerns Prokon, bei der auch viele Kleinanleger ihr Geld verloren haben. Die Stiftung Warentest hat davor gewarnt, die Verbraucherzentralen hatten gewarnt. Aber für manchen Verbraucher war die Verlockung wohl zu groß und der Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko offenbar doch unklar. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz schützen wir diese Verbraucher nun deutlich besser vor riskanten Anlagemöglichkeiten. Aber die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Finanzanlage muss der Verbraucher weiterhin selber treffen. Nach unserer tiefsten Überzeugung darf der Staat seine Bürger nicht bevormunden, und er darf ihnen nicht die Freiheit der Entscheidung nehmen. Unsere Position ist klar: Wir wollen die Verbraucher grundsätzlich befähigen, gute und richtige Entscheidungen für sich zu treffen. Das ist die zweite Säule unserer Verbraucherpolitik: die Verbraucherbildung. Wir wissen und haben es auch im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, dass Verbraucher eben unterschiedlich sind und unterschiedliche Hilfestellungen benötigen. Dem tragen wir Rechnung, indem wir dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Mittel für die Einrichtung eines Referates „Besondere Verbrauchergruppen“ zur Verfügung stellen. Uns ist wichtig, dass die besonderen Bedürfnisse zum Beispiel junger Menschen, von Senioren oder Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Verbraucherpolitik beachtet werden. Das Referat soll Vorschriften im Hinblick auf diese besonderen Verbrauchergruppen weiterentwickeln und auch Konzepte für zielgruppenorientierte Angebote erstellen. Kommen wir zur dritten Säule: Information und Transparenz. Damit Verbraucher die Angebote an Waren und Dienstleistungen verstehen und sinnvoll vergleichen können, benötigen sie Informationen. Das Problem ist heute allerdings nicht, dass Informationen fehlen, ganz im Gegenteil: Wir werden geradezu überflutet von Informationen. Verbraucherinformationen müssen deswegen gut sein. „Gut“ heißt in diesem Zusammenhang: Sie müssen relevant, sie müssen übersichtlich und sie müssen verständlich sein. Ein Beispiel: die allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es würde jeden von uns ungefähr 76 Tage pro Jahr kosten, wenn wir alle Nutzungsbedingungen oder Datenschutzerklärungen lesen würden, die wir im Alltag lesen müssten oder die uns begegnen und die wir meistens ohne irgendeine Prüfung akzeptieren. Das kann man doch eigentlich niemandem zumuten. Klar: Unser BGB schützt uns vor überraschenden Klauseln in AGB, aber das reicht leider nicht. Die Informationen in den AGB müssen so aufbereitet sein, dass sie nicht nur für Juristen, sondern auch für Verbraucher verständlich sind. Denn der Verbraucher unterschreibt den Vertrag. Er setzt das Häkchen beim Onlinekauf. Der Kunde alleine und nicht der Jurist trägt nachher die Konsequenzen. Ein wichtiges Thema, an dem wir und ganz besonders ich dranbleiben wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Gleiche gilt für die Lebensmittel. Bei Lebensmitteln muss gelten: Was drin ist, muss auch draufstehen – und andersherum. Im Dezember tritt die Lebensmittelinformations-Verordnung in Kraft. Ab dem 13. Dezember 2014 müssen auf Lebensmittelverpackungen in ganz -Europa Angaben über den Brennwert, die Menge von Fett und gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz stehen. Hinzu kommen Vorgaben für die Schriftgröße und die Hervorhebung von Allergenen in den Lebensmitteln. Was bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln selbstverständlich ist, das sollte doch auch bei homöopathischen Mitteln gelten. Der Verbraucher muss verstehen können, was drin ist, und zwar besonders dann, wenn es um seine Gesundheit geht. Deshalb muss an dieser Stelle Schluss sein mit der Kennzeichnung auf homöopathischen Mitteln auf Latein. (Beifall bei der CDU/CSU) Zur vierten Säule. Die Verbraucher benötigen einen verlässlichen Rechtsrahmen. Seit Beginn der jetzigen 18. Legislaturperiode ist der Verbraucherschutz beim Bundesministerium der Justiz angesiedelt, einem zentralen Verfassungsressort, das an jedem Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist – ein Tatbestand, der hilft, den Interessen der Verbraucher in allen Gesetzgebungsverfahren noch stärker Rechnung zu tragen. Gute gesetzliche Rahmenbedingungen allein reichen aber auch hier nicht aus. Wir brauchen auch eine wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung. Sonst bleiben alle verbraucherpolitischen Maßnahmen und Gesetze stumpfe Schwerter. Wir haben deshalb beispielsweise vereinbart, dass wir es den Verbraucherverbänden ermöglichen, datenschutzrechtliche Verstöße abzumahnen und Unterlassungsklagen zu erheben. Wenn also Daten unzulässig erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, könnten, wenn wir es durchsetzen, die Verbraucherverbände dagegen vorgehen. Rechtlich ist das nicht ganz einfach – das ist uns bewusst –, aber wir arbeiten daran. Um all diese Ziele zu erreichen, brauchen wir Partner. Wir brauchen Institutionen, die wir finanzieren und die die Aufgabe haben, die Verbraucher zu informieren, zu unterstützen und zu schützen. Einen unserer Partner, die Verbraucherzentralen, stärken wir mit dem Haushalt 2015, mal wieder, mit zusätzlich 1,3 Millionen Euro. Die Verbraucherzentralen erhalten im Jahr 2015 also insgesamt 10,8 Millionen Euro. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Große Koalition tut viel für die Verbesserung des Verbraucherschutzes. Dieses „viel“ lässt sich aber nicht bloß in Euro und Cent beziffern. Unsere Verbraucherpolitik ist mehr als nur die Summe einzelner Haushaltstitel. Unser Politikansatz ist klar: Wir sorgen für die bestmöglichen Rahmenbedingungen, damit die Verbraucher gute Entscheidungen treffen können, und wir vertrauen den Entscheidungen der Menschen in unserem Land. Das ist unser Fundament. Darauf gründen sich die Säulen unserer Verbraucherpolitik. Das werden wir auch in Zukunft so halten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Metin Hakverdi das Wort. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]) Metin Hakverdi (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es mir eine große Ehre und eine große Freude ist, dabei zu sein, wenn nach über 40 Jahren der erste Bundeshaushalt ohne Schulden aufgelegt wird. (Roland Claus [DIE LINKE]: „Ohne Schulden“? Das wäre schön!) Wir kommen damit einer schon vor Jahren verfassungsrechtlich verankerten Verpflichtung nach. Ich danke allen, die hierzu ihren Beitrag geleistet haben. Das ist ein historisches Ereignis. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Einzelplan 07 wird deutlich, dass wir den Verbraucherschutz noch stärker in den Mittelpunkt gerückt haben. Viele meiner Vorredner haben das schon erwähnt, ich will das trotzdem noch einmal tun. Ich möchte die 5,5 Millionen Euro hervorheben, die wir für die Einrichtung von Marktwächtern in den Verbraucherzentralen investieren. Mir ist der Marktwächter für die digitale Welt besonders wichtig. Bereits heute wird im Internet eingekauft, es wird Pizza bestellt und es werden Reisen gebucht. Im Internet beschafft man sich Unterhaltung in Form von Spielen und Filmen. Das Internet ist Ort sozialer Interaktion. Die Wahrheit ist aber auch: Die zukünftige Entwicklung im dynamischen Lebensraum Internet können wir heute gar nicht absehen. Es wird Entwicklungen geben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Vor allem deshalb finde ich es wichtig, dass wir diese Marktwächter ins Leben gerufen haben und mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausstatten. Unlautere Angebote müssen aufgespürt werden, Verbraucherinnen und Verbraucher müssen vor ihnen geschützt werden. Aber auch der Bereich des Datenschutzes ist für die Entwicklung unserer Gesellschaft von vitaler Bedeutung. Fast jede Woche erscheint ein neues Buch, das sich mit der Gefahr der digitalen Gesellschaft für unsere Bürgerrechte befasst. Der Datenschutz wird eines der wichtigsten Themen dieses Jahrzehnts bleiben. Die Diskussion über Big Data, über intelligente Algorithmen und den gläsernen Bürger sowie die Snowden-Affäre zeigen, dass in diesem Feld die Politik nicht hinterherhinken darf. Die Reform des Bundesdatenschutzgesetzes ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Wahrung der bürgerlichen Freiheiten. Eine wirksame Aufsicht kann nur durch eine unabhängige Institution gewährleistet werden. Daher ist es richtig, die Bundesdatenschutzbeauftragte aus der Bindung an das Innenministerium in die Unabhängigkeit zu entlassen. Aber damit wird es nicht getan sein. Wir müssen auch dafür sorgen, dass diese Institution personell und sachlich auskömmlich ausgestattet wird. Ein weiteres wichtiges Thema für die Zukunft unserer Gesellschaft ist die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten. Im Koalitionsvertrag haben wir Folgendes vereinbart – ich zitiere –: Wir wollen den Anteil weiblicher Führungskräfte in Deutschland erhöhen. Wir wollen ihn erhöhen. Deshalb werden wir zu Beginn der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages Geschlechterquoten in Vorständen und Aufsichtsräten in Unternehmen gesetzlich einführen. Mit der Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten gehen wir einen ersten Schritt, um eine Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu beheben. Es geht nicht an, dass Frauen schlechtere Aufstiegschancen in unserer Gesellschaft haben, weil sie auf eine Unternehmerwelt treffen, die von Männern dominiert wird. Über Jahre haben Frauen wegen dieser strukturellen Voraussetzungen schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten gehabt. Wir können diesem Zustand nicht mehr tatenlos zusehen. Zusicherungen der Unternehmen haben offensichtlich keine Verbesserung bewirkt; das haben wir gesehen. Es ist an der Zeit, dass wir endlich Entscheidungen treffen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Wen ich mit diesem Gerechtigkeitsargument hier und heute nicht überzeugen kann, dann vielleicht mit einem ökonomischen – liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich sage das ohne jeden Zynismus, sondern in voller Kollegialität –: Das Argument „Wir können uns die Frauenquote wirtschaftlich nicht leisten“ ist falsch. Fatal an dieser Argumentation ist, dass das Gegenteil richtig ist. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Anzahl von Frauen in Führungspositionen und unternehmerischem Erfolg. Letzten Mittwoch ist die letzte Studie zu diesem Thema veröffentlicht worden – es wird übrigens seit Jahrzehnten immer das Gleiche publiziert; ich will jetzt aber nicht die ganze Liste aufzählen –, und zwar eine von McKinsey; Sie zwingen also einen Sozialdemokraten, im Deutschen Bundestag eine McKinsey-Studie zu zeigen. (Heiterkeit bei der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Was sagt denn der Wirtschaftsminister dazu?) Sie stammt, wie gesagt, vom letzten Mittwoch, und sie ist seit Freitag letzter Woche online. In dieser Studie „Diversity Matters“ wird auf den signifikanten Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Performance und dem Anteil von Frauen in Führungspositionen hingewiesen. McKinsey ist keine Vorfeldorganisation der deutschen Sozialdemokratie, und die Studie ist auch nicht von der SPD in Auftrag gegeben worden. Diese Erkenntnis ist auch nicht neu; bereits 2007 wurde das in einer Studie festgestellt. Was für politische Rückschlüsse sind daraus gezogen worden? Keine, sieben lange Jahre. Wenn wir die Selbstverpflichtung am Anfang des letzten Jahrzehnts hinzunehmen, heißt das: über ein Jahrzehnt verlorene Zeit. Es ist an der Zeit, das zu ändern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum Schluss möchte ich auf das Thema Sterbehilfe eingehen. Wenn wir in diesem und im kommenden Jahr über Sterbehilfe sprechen, sprechen wir über unser Selbstverständnis vom Menschsein. Dieses Selbstverständnis ist von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich. Sterben ist eben eine konkrete Angelegenheit für jede einzelne Person. Es gibt aber auch eine ethische Klammer, die unser gesellschaftliches Zusammenleben erst ermöglicht. Diese ethische Klammer ist durch unser Strafgesetzbuch als Minimalkonsens abgesichert. Nur das, was für das Zusammenleben zwingend erforderlich ist, sichern wir strafrechtlich ab, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Strafgesetzbuch ist nicht der Ort, um individuelle ethische Vorstellungen durchzusetzen. In diesem Geiste sollten wir auch diese Debatte führen. Auf diese Weise schaffen wir den Raum für Vielfalt und unterschiedliche Lebens- und Sterbensentwürfe in unserem Land. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Etat ist klein, aber fein. Die Ausgabensteigerungen sind moderat und betreffen den Generalbundesanwalt, damit er der steigenden Zahl der Ermittlungsverfahren begegnen kann. Das ist eine richtige und leider notwendige Maßnahme. In Zeiten einer zunehmenden Bedrohung der inneren Sicherheit hat der Staat den Schutz zu erhöhen. Dazu gehören auch Stellenschaffungen bei Polizei und Justiz. Die Aussprache über diesen Etat ist stets auch eine Debatte über die Leitlinien der Rechtspolitik. Im Bereich des Wirtschaftsrechts bedeutet dies: Der Staat hat eine funktionsfähige und verlässliche Wirtschaftsordnung mit Rechtssicherheit zu garantieren. Wir haben die Balance zwischen notwendiger Regulierung und praktischer Umsetzbarkeit zu halten. Das gilt beispielsweise für die Überlegungen zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts. Der Koalitionsvertrag empfiehlt lediglich, ein Unternehmensstrafrecht zu prüfen. Sympathie zeigt der Bundesjustizminister für den Gesetzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieser Entwurf ist aber keine tragfähige Diskussionsgrundlage. (Beifall bei der CDU/CSU) Er sieht nämlich vor, dass die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen und Verbänden nach dem Muster der Anklage und des Strafverfahrens ausgestaltet wird. Als Sanktionen des strafrechtlichen Verfahrens kommen Geldstrafen oder gar die Auflösung des Unternehmens in Betracht. Damit sei eine Konsequenz angedeutet: Das geplante und diskutierte Unternehmensstrafrecht könnte im Ergebnis dazu führen, dass Arbeitnehmer mit dem Arbeitsplatzverlust für das Fehlverhalten von Managern haften. Das ist nicht unser Ansatz einer gerechten Politik. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch verletzt ein solches Unternehmensstrafrecht das Prinzip der Schuld. Schuld setzt individuelle Vorwerfbarkeit voraus und ist ein sozialethisches Unwerturteil über persönliches Fehlverhalten. Das passt nicht zu Unternehmen. Es gibt auch keinen Handlungsbedarf für ein Unternehmensstrafrecht. Wir müssen die jetzigen Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts und die Vorschriften über den Vermögensverfall nur ordentlich ausreizen und ausschöpfen. Deswegen sei angeraten, die Prüfung der Einführung eines Unternehmensstrafrechts zügig zum Abschluss zu bringen und die Diskussion im Interesse eines funktionierenden Strafrechts zu beenden. (Dr. Johannes Fechner [SPD]: Lesen Sie den Entwurf noch mal!) Im Bereich des Wirtschaftsrechts sei aber auch ein Wort zum Gesetzentwurf zur Frauenquote verloren. Um eines vorweg zu sagen: Wir stehen ohne Wenn und Aber zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Eva Högl [SPD]: Na bitte!) Wichtig erscheint mir aber: Die Ausgestaltung der Frauenquote hat so zu erfolgen, dass sie sowohl verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält als auch im tatsächlichen Vollzug handhabbar bleibt. Gerade bei der Festlegung von verbindlichen Quotenzielen für mittelgroße Unternehmen dürfen keine Dokumentationspflichten entstehen, die für Mittelständler nur mit einem hohen oder zu hohen Aufwand zu handhaben sind. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!) Eine solche Quote haben wir nicht vereinbart. (Beifall des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]) Zukünftig soll bei börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eine Quote von 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat gelten. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!) Wird die Quote nicht erreicht, bleibt der Sitz unbesetzt. Dieser Eingriff in die Personalhoheit der Unternehmen ist sicherlich zulässig, aber wir müssen bei dieser Regelung auch die verfassungsrechtlich geschützte Position des Eigentums immer mit ins Auge fassen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer! Ja! Das sind keine Neuigkeiten!) Die gebotenen Nachbesserungen am Gesetzentwurf zur Frauenquote sind allerdings nicht so eilig und nicht mit so großer Priorität vorzunehmen, wie manche das verlangen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur wenn die Wirtschaft boomt!) Wenn man den Interviews der letzten Tage gefolgt ist, dann hat man den Eindruck bekommen, dass die Familienministerin gerade nur ein Thema zu haben scheint: die Durchsetzung der Quote. Die Menschen fragen aber zu Recht: Gibt es nicht wesentlich wichtigere Fragen? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Mann!) Ich sage Ihnen: Ja, diese Fragen gibt es. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich nenne beispielsweise den Kampf gegen Zwangs-prostitution und Menschenhandel. (Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Ullrich, jetzt blamieren Sie sich selber!) Wir wissen, dass es in diesem Land bei der jetzigen Gesetzeslage zu einer Verletzung der Menschenwürde kommt, und es ist sicherlich zu fragen, weshalb die federführenden Ministerien die Priorität andersherum setzen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen einfach weniger blockieren! Dann geht es schneller weiter! Ganz einfach!) Warum gibt es nicht endlich einen Gesetzentwurf zur Reform des Prostitutionsgesetzes? Warum heben wir nicht das Mindestalter auf 21 Jahre an? Warum schaffen wir nicht das Weisungsrecht ab? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Freiern: Warum gehen die Männer überhaupt da hin? Das ist die Frage! Sagen Sie das mal!) Warum regeln wir nicht das, was die Menschenwürde verletzt, und beginnen mit den Gesetzesvorhaben, die in diesem Land eine hohe Priorität haben? (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Eva Högl [SPD]: Das machen wir doch alles, Herr Ullrich! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie immer noch nicht gesagt, warum Männer da hingehen!) Ebenso keinen Aufschub verdient die Wiedereinführung der Strafbarkeit der Sympathiewerbung für terroristische Organisationen. Wer Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen betreibt, wirbt für Terror und Gewalt. Das darf der Rechtsstaat nicht akzeptieren. (Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch heute alles schon strafbar!) Der wehrhafte Rechtsstaat hat sich zu seinen ihn begründenden Werten zu bekennen. Dazu gehört auch die gesetzgeberische Wertentscheidung, die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe zu stellen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu gehört auch die Gleichstellungsregelung, aktive Gleichstellung!) Sie abzuschaffen, war ein Fehler. (Dr. Johannes Fechner [SPD]: Es gab kein einziges Verfahren!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Volker Beck? Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Ja. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da Sie zum Thema Sympathiewerbung für terroristische Organisationen gesprochen haben: Sie sind mit mir der Auffassung, dass die PKK eine terroristische Organisation ist? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist er der Auffassung?) Würden Sie tatsächlich jemanden für den Satz bestrafen wollen: „Wir danken der PKK, dass sie die Jesiden von ISIS befreit hat“? – Das ist eine Sympathiewerbung und wäre nach Ihrer Auffassung strafbar. (Klaus-Dieter Gröhler [CDU/CSU]: Nebelgranaten!) Ich finde, das müsste nicht sein. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Die entscheidende Frage, Kollege Beck, ist, ob wir in diesem Land Menschen bestrafen wollen, die Sympathie mit den Mörderbanden von ISIS haben, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die PKK ist doch eine terroristische Gruppierung!) die Sympathie für die Terrorbande des NSU äußern. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil habe ich Sie gefragt! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist jetzt schon strafbar!) Das ist die entscheidende Frage. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie müssen bei der Frage des strafrechtlichen Schutzes auch die aktuellen Zustände berücksichtigen (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht doch gar nicht! Sie sagen, das ist eine terroristische Vereinigung!) und dürfen nicht theoretische Konstrukte wählen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein funktionierender Rechtsstaat, der die Sicherheit der Bürger schützt, ist ein hohes Gut. Darauf sind unsere Anstrengungen zu richten. Die Menschen haben das Recht, sich sicher zu fühlen und sicher zu sein: sicher vor Terroristen und Extremisten, sicher vor Einbrechern und dem organisierten Verbrechen, sicher auf den Straßen und Plätzen unserer Städte. Nur so bleibt die Freiheit gewahrt. Wir dulden nicht und werden nicht dulden, dass unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit Gewaltfantasien ausgelebt werden. Wir können auch nicht dulden, dass Strukturen von Parallelgesellschaften und Paralleljustiz entstehen und sich verfestigen. Für diese Ziele ist notwendig, dass genügend Mittel und Stellen für die Justiz und Polizei bereitgestellt werden. Das betrifft alle staatlichen Ebenen. (Jan Korte [DIE LINKE]: So was habe ich schon lange nicht gehört! Das ist ja unfassbar!) Der Bund nimmt seine Verantwortung wahr. Dieser werden wir aber nur vollends gerecht werden, wenn wir die gesetzgeberischen Maßnahmen in der gebotenen Priorität umsetzen. Maßstab dafür ist die Freiheit und die Verletzung der Menschenwürde. Darauf kommt es bei rechtsstaatlichem Handeln an. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 07 – Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3271? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir stimmen nun über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19 – Bundesverfassungsgericht – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf: Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Drucksachen 18/2806, 18/2823 Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster, Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk. Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über diese werden wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wenn in den Koalitionsfraktionen die notwendigen Umgruppierungen abgeschlossen wären, könnte ich die Aussprache eröffnen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, auch die interfraktionellen Gespräche auf der linken Seite des Hauses aus dem Plenarsaal zu verlagern. Auch in der Union gibt es offensichtlich noch Beratungsbedarf. Das Präsidium hat viel Zeit. Wir werden für jeden Redner und jede Rednerin entsprechend unseren Regeln auf die Würde des Hauses achten. Ich werde das auch für die Redner der Unionsfraktion durchsetzen, wenn die Fraktion noch Abstimmungsbedarf hat. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, wir sind uns sicherlich einig, dass unser Land und die Innenpolitik unseres Landes bzw. die innere Sicherheit Deutschlands vor enormen Herausforderungen stehen. Selbst seit der Einbringung des Etats hat sich sehr viel verändert. Es gibt den Terror des ISIS und 550 Islamisten, die aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gegangen sind und jetzt teilweise anschlagsbereit zurückkommen. Wir haben das Problem der Salafisten, Hooligan-Probleme, Gewalt in Stadien und die große Herausforderung der Flüchtlinge, die nach Europa und nach Deutschland kommen. Nicht bewältigt sind die Aufgaben, die mit NSU und NSA in Zusammenhang stehen. (Beifall des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Es waren in den Haushaltsberatungen diverse Änderungen nötig. Wir haben sehr viele Berichterstattergespräche geführt: zur Bundespolizei, zum THW, zu den Stiftungen, zu Netzen des Bundes und vielem mehr. Ich muss sagen, dass viele der Gespräche durchaus erfolgreich waren. Ich kann auch sagen, dass Opposition dort wirkt und dass wir – auch mit den Haushältern von CDU/CSU und SPD – in den Beratungen einiges durchsetzen konnten. Es bleibt aber generell eines festzustellen: Indem Sie, Herr de Maizière, den Kurs von Herrn Schäuble bedingungslos mittragen, machen Sie die innere Sicherheit und die Sicherheitspolitik zu Resultanten aus dem Ziel der schwarzen Null. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Eine schwarze Null zulasten der Sicherheit der Menschen geht gar nicht. Das sagt ein Linker Ihnen als Konservativen. Die Linke kritisiert aus drei Gründen diesen Etat: Erstens. Der Kurs der Koalition zur vermeintlichen Haushaltssanierung und -konsolidierung ist sicherheitspolitisch verhängnisvoll. Die Personalräte Ihres Hauses haben festgestellt: Das Top-down-Verfahren führt dazu, dass das BMI ein abgeschlossenes Budget zugewiesen bekommt, noch bevor über Haushaltsnotwendigkeiten der Sicherheitsbehörden überhaupt geredet wird. Das mag beim Verkehrsetat oder beim Bauetat gehen. In der Sicherheitspolitik geht das meines Erachtens überhaupt nicht; denn am Ende trifft das Präventionsprojekte, Förderstrukturen und den Datenschutz. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens kritisieren wir Ihren Haushalt, weil er dafür steht, dass die Bundesregierung nicht bereit ist, aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus – Stichwort „NSU“ – substanzielle Schlussfolgerungen zu ziehen. Drittens. Der Bundesregierung fällt zum Stichwort „Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger vor illegalen und unverhältnismäßigen Eingriffen durch deutsche und ausländische Nachrichtendienste, kommerziellen Datenmissbrauch und staatliche IT-Projekte“ kaum etwas anderes ein als ein Weiter-so, nur mit mehr Mitteln, und das, obwohl namhafte Juristen und Sachverständige Bedenken gegen diese Vorgehensweise äußern. Ich will zu einigen Einzelpunkten im Etat etwas sagen. Das Thema „Integration und Migration“ ist – das habe ich vorhin erwähnt – die größte Herausforderung, vor der wir stehen. Es ist gut, dass es beim BAMF einen Stellenaufwuchs gibt; das ist völlig richtig. Wir müssen dafür sorgen, dass die Mitarbeiter dort entsprechend qualifiziert werden. Es muss aber die Offenheit geben, dass dann, wenn der bisherige Stellenaufwuchs nicht ausreicht, weitere Stellen geschaffen werden. In Ihrem Koalitionsvertrag steht schließlich, dass die Bearbeitungszeit drei Monate betragen soll. Momentan liegt sie bei 7,6 Monaten. Dieser Zustand ist nicht zu akzeptieren. Wir werden Sie immer wieder an dieses Versprechen aus Ihrem Koalitionsvertrag erinnern. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen daher qualifizierte und gegebenenfalls noch mehr Mitarbeiter. Es ist sicherlich vernünftig, dass für Maßnahmen zur Migrationsberatung zusätzlich 5 Millionen Euro eingestellt wurden. Es ist allerdings zu befürchten, dass auch diese Mittel nicht ausreichen werden. Es ist auf jeden Fall eine Fehlentscheidung, dass die Mittel für die Integrationskurse trotz Ihrer Erkenntnis, Herr de Maizière, dass Deutschland nun ein Einwanderungsland geworden ist – das ist immerhin ein großer Erkenntnisfortschritt –, nicht zur Verfügung stehen. Flüchtlinge sind Botschafter des Unrechts und der Kriege dieser Welt. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen natürlich zuallererst die Ursachen beseitigen. Das machen wir sicherlich nicht über den Etat. Aber wir brauchen für eine Willkommenskultur mehr finanzielle Mittel. Man braucht natürlich auch Courage, um sich schützend vor Flüchtlingsheime zu stellen. Wir als Linke werden – ich hoffe, zusammen mit allen Fraktionen dieses Hauses – immer dabei sein, wenn es darum geht, Rassismus zu bekämpfen und Flüchtlinge in unserem Land zu verteidigen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] und Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich will kurz auf das THW zu sprechen kommen. Hier sind wichtige Haushaltskorrekturen erreicht worden. Die Haushälter haben hier parteiübergreifend erfolgreich gearbeitet. Das ist mit Blick auf die wachsenden Herausforderungen und Aufgaben des THW eine gute Botschaft für die vielen Helferinnen und Helfer des THW. Die zusätzlichen 5 Millionen Euro für Investitionen in den Fahrzeugbestand sind aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aktuell fehlen infolge von Stilllegungen rund 130 Feuerwehren. 60 Prozent des Fahrzeugbestands sind älter als 24 Jahre. Hier muss mehr geschehen. Beim THW fehlt außerdem mindestens 1 Million Euro für Aus- und Fortbildung, Stichwort „Nutzung moderner Kommunikationsmittel“. Im internen Verteilungskampf der verschiedenen Sicherheitsbehörden Ihres Hauses fährt – je nach Lobby- und Durchsetzungsvermögen – die eine Sicherheitsbehörde im Haushaltspaternoster hoch, während die andere Sicherheitsbehörde hinunterfährt. Gestatten Sie mir eine Bemerkung zum großen Thema „Netze des Bundes“. Hierüber haben wir sehr umfangreich debattiert. Das ist technisch und politisch eine riesige Herausforderung, die weit über diese Legislaturperiode hinausreicht. Aber Sie, Herr Minister de Maizière, müssen sich im Kabinett durchsetzen. Offenbar ist jeder Minister der Meinung, Seins machen zu können. Bei den Netzen des Bundes muss aber gehandelt werden, Herr de Maizière. Nehmen Sie das Heft in die Hand! Dann haben Sie auch die Unterstützung des gesamten Hauses. Angesichts dessen, was bisher gelaufen ist, besteht die große Gefahr, dass wir weiterhin finanzielle Mittel versenken. Das darf angesichts der großen Herausforderung, vor der wir hier stehen, nicht sein. Ich will eine kurze Bemerkung zu den politischen Stiftungen machen. Auch hier haben wir gemeinsam Erfolge erzielt. Ich finde, dass es die Aufgabe des ganzen Hauses ist, für alle Stiftungen – von der Hanns-Seidel-Stiftung bis hin zur Rosa-Luxemburg-Stiftung – eine Lanze zu brechen, selbst wenn irgendwelche Medien versuchen, die Stiftungen als reine Parteiinstrumente darzustellen. Es ist unsere Aufgabe, engagiert vorzutragen, dass die Stiftungen durch die Bank eine hervorragende Arbeit im In- und Ausland leisten. Das sollte -unser gemeinsames Anliegen sein. Wir können in Deutschland stolz darauf sein, dass es solche Stiftungen gibt. (Beifall bei der LINKEN) Eine letzte Bemerkung zur Bundespolizei. Auch sie hat etwas mit dem eben zitierten Haushaltspaternoster zu tun. Es ist richtig, dass einiges in personeller Hinsicht getan worden ist. Aber es bleibt dabei, dass Schutzwesten teilweise 24 Stunden getragen und nicht gereinigt werden. Man kann dann ein Quiz veranstalten und fragen, ob man am Geruch den vorherigen Nutzer erkennt. Das ist die reale Situation. Ein nicht unerheblicher Teil des Fahrzeugsparks ist längst überaltert. Von manchen Fahrzeugen wird berichtet, dass man sie nur noch im Sommer und bei Trockenheit benutzen kann und dass schon eine Neulackierung den aktuellen Kfz-Wert übersteigen würde. Hier müssen wir deutlich mehr tun. Ich sage noch einmal, dass bei den Personalentscheidungen Positives erreicht worden ist, aber auch das kann nicht das Ende der Fahnenstange sein. Zum Schluss: Es sind wichtige Korrekturen durchgesetzt worden, aber am Ende des Tages ist das ein unter-finanzierter Etat. Weil es ein unterfinanzierter Etat ist, werden wir ihm nicht zustimmen. Niemand kann damit verantwortungsvolle und wirkungsvolle Sicherheitspolitik in Deutschland betreiben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Reinhard Brandl hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden gleich im Anschluss an die Debatte über den Haushalt des Bundesinnenministeriums abstimmen. Dieser Haushalt wird in weiten Teilen durch zwei Aufgabenbereiche bestimmt: Sicherheit und Verwaltung. Es ist die Grunderwartung der Bürger an den Staat, dass er Sicherheit bietet und dass die Verwaltung funktioniert. So fallen diese Bereiche meistens erst auf, wenn etwas nicht funktioniert, wenn Sicherheit nicht gegeben ist oder es zu Problemen in der Verwaltung kommt. Verantwortungsbewusstes staatliches Handeln in diesen Bereichen heißt deshalb vor allem, Vorsorge zu treffen. Allerdings müssen wir feststellen, gerade in der jetzigen Zeit, dass nicht alles vorhersehbar ist. Gerade im Moment erleben wir, wie sich die Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit, aber auch bei den Themen Migration und Integration in einer geradezu atemberaubenden Geschwindigkeit entwickeln. Wir haben deswegen in den Beratungen darauf reagiert und umfangreiche Veränderungen vorgenommen. Bevor ich im Einzelnen darauf zu sprechen komme, möchte ich der ganzen Mannschaft und den Mitberichterstattern danken, mit denen das gemeinsam erreicht worden ist. Das ist in allererster Linie der Kollege von der Koalition, Martin Gerster von der SPD; aber das sind auch Frau Anja Hajduk von den Grünen und Herr Bartsch von den Linken. Das war eine sehr konstruktive Zusammenarbeit. Es gibt natürlich im Verhältnis zur Opposition unterschiedliche politische Schwerpunktsetzungen; (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Schwarze Null!) aber in den wesentlichen Fragen waren wir doch von einem Grundkonsens getragen. Wer die Rede von Herrn Bartsch gerade verfolgt hat, wird feststellen, dass sich dieser Grundkonsens auch in seinen Worten widergespiegelt hat. Dazu beigetragen hat aber auch ganz wesentlich unser Bundesminister Dr. Thomas de Maizière. Er hat in seiner sehr seriösen Art und Weise, ohne Übertreibung und mediale Begleitmusik (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie andere Minister! Das stimmt!) die Anliegen seines Hauses dargestellt und über seinen Geschäftsbereich informiert. Jeder kann heute in der Debatte feststellen, dass sein Umgang mit dem Haushaltsausschuss der erfolgreiche Umgang mit dem Haushaltsausschuss war. Ich möchte als Hauptberichterstatter auch den anderen Kollegen der Koalitionsfraktionen danken, namentlich Norbert Barthle, der den Bereich Sport für uns mitverantwortet, aber auch Johannes Kahrs. Wir haben viel für den Bereich Inneres erreicht. Wir haben die schwarze Null gehalten. Das heißt, für jedes Anliegen, das im Bereich Inneres erfüllt werden konnte, ist ein Anliegen aus einem anderen Geschäftsbereich nicht erfüllt worden. Dennoch haben wir darüber in unseren Arbeitsgruppen großen Konsens erreicht, und ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen für deren Solidarität und Unterstützung danken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wie bei der Bambi-Verleihung hier!) Lieber Kollege von Notz, ich komme nun zu den Ergebnissen der Beratungen, die Sie bestimmt in weiten Teilen zustimmend zur Kenntnis nehmen werden. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht so!) Ich habe am Anfang den Bereich der Migration erwähnt. Als die Regierung Anfang des Jahres mit der Haushaltsaufstellung begonnen hatte, lag die Zahl der Asylbewerber – das ist die Istzahl aus dem Jahr 2013 – bei 127 000. Wir wissen heute, dass wir im Jahr 2014 an die 200 000 Asylbewerber haben werden, und wir wissen auch, dass sich dieser Trend in Zukunft eher verstärken wird, das heißt, dass wir in Zukunft mit noch mehr Asylbewerbern rechnen müssen. Wir haben darauf schon in den Haushaltsberatungen 2014 reagiert, indem wir dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 neue Stellen gegeben haben. Diese Stellen, die wir für 2014 bewilligt haben, sind bereits vollständig besetzt. Auch das ist eine besondere Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) – Da kann man ruhig einmal klatschen. – Weil wir gemerkt haben, dass das noch nicht reicht, da der Trend anhält, haben wir für diesen Haushalt, Herr Bartsch, zusätzlich 300 Stellen bewilligt. Dazu kommen 50 Stellen, die die Regierung eh schon vorgesehen hat. Das heißt, wir haben allein in diesem Bereich 650 neue Stellen mit aufgebaut. Zusätzlich sind wir dem steigenden Bedarf nach Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer nachgekommen, einem Anliegen vieler Wohlfahrtsverbände, aber auch des Bundes der Vertriebenen. Wir haben den entsprechenden Ansatz um 8 Millionen Euro erhöht. Ich kann aus meinem Wahlkreis berichten, dass das wirklich ein Segen für die Menschen ist. Meine Damen und Herren, die zweite schnell wachsende Herausforderung, der wir im Bereich der Innenpolitik gegenüberstehen, ist die Wahrung der inneren Sicherheit. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass zu dem Zeitpunkt, als mit der Haushaltsaufstellung begonnen wurde, die Organisation „Islamischer Staat“ nur wenigen Spezialisten überhaupt ein Begriff war. Wir erleben heute, dass diese Organisation in einer noch nie dagewesenen Professionalität – mit Internetauftritten, sogar mit eigenen Zeitungen – junge Menschen, vornehmlich Männer, auch bei uns anspricht, versucht, sie zu radikalisieren und für den Dschihad zu gewinnen. Das ist nicht nur ein Problem im Irak und in Syrien. Sowohl die Rückkehrer als auch diejenigen, die zu Hause bleiben und sich hier im Stillen radikalisieren, stellen eine Bedrohung für die innere Sicherheit in Deutschland dar. Wir haben vorhin von Vorsorge gesprochen. Wir dürfen nicht so lange warten, bis etwas passiert. Wir haben deswegen in diesem Haushalt das Bundesamt für Verfassungsschutz, das für die Abwehr dieser Gefahren zuständig ist, verstärkt. Ein weiterer Schwerpunkt der Veränderungen im Bereich der inneren Sicherheit lag auf der Bundespolizei. Die Bundespolizei ist mittlerweile an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit angekommen. Die Angehörigen der Bundespolizei müssen fast täglich ihren Kopf für uns hinhalten. Um das zu sehen, brauchen Sie nur die Medien zu verfolgen. Ich erinnere an die großen Aufmärsche von Hooligans und Extremisten in den letzten Wochen, die Zunahme der illegalen Migration, die Schleuserkriminalität, die regelmäßigen Gewaltexzesse bei Fußballspielen am Wochenende, den wachsenden Bedarf des Schutzes unserer Auslandsvertretungen in verschiedenen Krisengebieten, aber auch an den G-7-Gipfel im nächsten Jahr. Ich könnte diese Liste fortführen. Hinzu kommt mit der Bewachung der Goldreserven der Bundesbank eine weitere Aufgabe. Damit die Bundespolizei in der Lage ist, all dies zu bewältigen, haben wir insgesamt 406 neue Stellen für Polizeivollzugsbeamte geschaffen und zusätzlich die Bundespolizei umfangreich mit Personal und Sachmitteln ausgerüstet. Wir haben dabei sehr bewusst einen Schwerpunkt auf den Bereich „Einsatz- und Schutzbekleidung“ gesetzt. Es ist angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten einfach nicht hinnehmbar, dass immer noch über Mängel und Engpässe bei der Körperschutzausstattung geklagt wird. Deswegen haben wir darauf in den Haushaltsberatungen sehr bewusst einen Akzent gesetzt. Dazu kommen insgesamt 356 Stellenhebungen in den verschiedenen Laufbahngruppen, die die höheren Anforderungen widerspiegeln und auch den Dienst bei der Bundespolizei attraktiver machen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, am besten wäre es doch, wenn es gar nicht so weit käme, dass Fanatiker oder Extremisten auf unsere Polizisten einprügeln. Auch hier gilt der Gedanke der Vorsorge. Wir haben deswegen den Bereich der politischen Bildung mit einem Schwerpunkt auf die Bekämpfung von politischem und religiösem Extremismus sowie Radikalisierung verstärkt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachdem Sie es im Innenausschuss noch abgelehnt hatten!) Ein weiteres Aufgabenfeld des Bundesinnenministeriums ist der Zivilschutz, also der Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall. Das wird seit dem Ende des Kalten Krieges oft als unwahrscheinliches Szenario abgetan. Beim Thema Verteidigungsfall denkt man auch immer zuerst an die Bundeswehr. Ich halte das für eine Fehleinschätzung. Sollte heute in Deutschland tatsächlich ein Terrorangriff stattfinden, dann würden die Menschen in allererster Linie durch die zivilen Katastrophenschutzorganisationen geschützt werden. Der Bund unterstützt die Feuerwehren und Rettungsorganisationen der Länder durch die Finanzierung von zusätzlichen Fahrzeugen und Gerätschaften genau für diesen Fall. Wir stehen zu dieser Aufgabe und haben den Ansatz bei diesem Titel deswegen angehoben. Meine Damen und Herren, wenn wir diese Verantwortung ernst nehmen – und wir wollen sie ernst nehmen, um einen wirksamen Schutz für die Bevölkerung zu gewährleisten –, dann kann es nicht sein, dass die Länder das Geld und die Fahrzeuge zwar dankend annehmen, aber der Bund nicht überprüfen kann, wie diese Aufgabe wahrgenommen wird, sprich: wie der Katastrophen- und damit der Zivilschutz vor Ort aufgestellt ist. Das geht ja so weit, dass überörtliche Einsätze und Übungen mit diesem Gerät kaum stattfinden. Selbst Feuerwehren vor Ort, deren Fahrzeug vom Bund finanziert worden ist, wissen zum Teil gar nicht, dass sie damit einen Bundesauftrag ausführen. Meine Damen und Herren, ich begrüße daher sehr, dass Bundesinnenminister de Maizière eine Staatssekretärsrunde einberufen hat, um mit den Ländern über die Neuorganisation dieses ergänzenden Katastrophenschutzes zu sprechen. Der Zivilschutz war übrigens der Grund für die Gründung des Technischen Hilfswerks. Heute sind dort über 80 000 ehrenamtliche Helfer im Einsatz, die hervorragende Arbeit im In- und Ausland leisten. Um dieses hohe ehrenamtliche Engagement aufrechtzuerhalten, ist neben einer guten Ausrüstung und Ausbildung auch eine gute Unterbringung der Ortsverbände notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir haben im Haushalt 2014 einen Schwerpunkt auf die Fahrzeugbeschaffung und die Führerscheinausbildung gesetzt. Wir setzen jetzt im Haushalt 2015 einen Schwerpunkt auf die Liegenschaften und beschließen heute ein mehrjähriges Sonderprogramm „Liegenschaften für das Technische Hilfswerk“. Das THW erhält dazu in 2015 zusätzlich 4 Millionen Euro. Darüber hinaus gibt es bis 2018 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von weiteren 23 Millionen Euro. Damit soll der aufgelaufene Bedarf an Neubauten bzw. an dringend notwendiger Renovierung abgearbeitet werden und sollen die Ortsverbände besser untergebracht werden. Das ist eine besondere Wertschätzung, die wir damit dem THW entgegenbringen. Das THW liegt gerade uns Abgeordneten im Deutschen Bundestag sehr am Herzen. Das wollen wir damit auch zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Haushalt geben wir auch den Startschuss für das Projekt „Netze des Bundes“; Kollege Bartsch hat es angesprochen. Mit dem Projekt sollen die unterschiedlichen Weitverkehrsnetze der Verwaltung zusammengefasst werden. Die IT-Sicherheit wird dadurch deutlich erhöht. Der Bürger hat erst einmal nichts davon, wenn die Regierung plötzlich über verschlüsselte Leitungen kommuniziert. Aber die NSA-Affäre hat uns gezeigt, dass, wenn sie es nicht tut, eine deutliche Einschränkung der Souveränität unseres Landes damit einhergeht. Es ist ein Projekt, das uns über Legislaturperioden hinweg begleiten wird. Ich freue mich deswegen besonders darüber, dass der Antrag für dieses Projekt vom Haushaltsausschuss einstimmig beschlossen worden ist – und das, obwohl es bei einem solchen Vorhaben wie bei jedem großen IT-Projekt auch Risiken gibt. Das ist Ausdruck einer gemeinsamen Verantwortung für unser Land. In diesem Sinne bedanke ich mich bei Ihnen für die gute Zusammenarbeit bei den Haushaltsberatungen. Den Zuhörerinnen und Zuhörern sage ich: Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat: Wir haben erst im Sommer, vor fünf Monaten, den Haushalt 2014 verabschiedet. Seither hat sich die damals schon angespannte geopolitische Lage noch mehr verschärft. Ich sage das natürlich mit Blick auf die Situation im Irak, in Syrien, der Ukraine. Auch die Bedrohungslage durch IS ist sicherlich nicht nur für die Außenpolitik relevant. All diese Punkte müssen sich auch im Etat des Innern deutlich widerspiegeln. Wenn ich so einführe, dann ist Ihnen schon klar: Mein erster Blick richtet sich auf das Thema „Flüchtlinge und Integration“. Schauen wir uns einmal an, wie die Mittelausstattung hier aussieht. Ich habe natürlich registriert, dass Sie an manchen Stellen etwas getan haben. Aber insgesamt muss man doch deutlich festhalten: Dieser Etat wird der Realität und den Herausforderungen definitiv noch nicht gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es ist schon ein bisschen witzig, dass heute in der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, dass Herr Gabriel 1 Milliarde Euro für Flüchtlinge fordert. Wir sind ganz erfreut. Ich gehe davon aus, dass – heute Abend ist Ko-alitionsrunde – Herr Gabriel das vielleicht in weiser Voraussicht getan hat, weil er mit Blick auf die Beschlusslage der Grünen-Fraktion von dem geschnürten 1Milliarden-Paket zur Unterstützung der Asylbewerber und Flüchtlinge, gerade auch mit Blick auf die Kommunen, weiß. Da kann ich nur sagen: Herr Gabriel, es ist gut, dass Sie die Koalition heute Abend darauf vorbereiten. Dieser Antrag steht am Freitag hier zur Abstimmung, und dann möchte ich, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur reden!) Aber ich möchte hier natürlich nicht Herrn Gabriel ansprechen. Ich möchte Minister de Maizière ansprechen. Ich glaube, wenn man ehrlich ist, dann sind wir uns doch einig. Herr Minister, Sie haben ein Interview gegeben, das am 23. November im Tagesspiegel zu lesen war. Sie führen dort aus – wir teilen das –, es sei gut, dass wir heute davon ausgehen dürfen, dass es eine große Unterstützungsbereitschaft in unserer Bevölkerung gibt, Flüchtlinge aufzunehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Da sind wir froh. Sie stellen auch fest und bereiten die Öffentlichkeit zu Recht darauf vor: Wir müssen uns auf Jahre hinaus auf hohe Asylbewerber- und Flüchtlingszahlen einstellen. – Aber ich bitte Sie: Dann müssen Sie sich doch jetzt und nicht erst in ferner Zukunft einen Ruck geben, um die Integration voranzubringen und die Zeit, in der die Flüchtlinge hier sind, positiv zu gestalten, damit die Menschen in unserer Gesellschaft diese Flüchtlinge weiter als Bereicherung erleben können. Das heißt, Sie müssen den Flüchtlingen Zugang zu Integrationsleistungen wie Sprache, Arbeitsmarkt und Beratung geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Genau dies ist doch nicht schwer zu entwickeln. Ich komme da noch einmal auf unseren Antrag zurück. Wir müssen bei den Integrationskursen endlich eine Öffnung für die Asylbewerber erreichen, deren Zahl so unglaublich stark angestiegen ist. Wir sprechen hier von einem Anstieg – Sie haben die Zahlen gerade genannt – im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent; im Vergleich zu von vor zwei Jahren handelt es sich um eine Verdoppelung. Wir müssen das schaffen – Zugang zu den Sprachkursen, Zugang und Öffnung auch der Migrationsberatung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung, aber auch Beratung durch Jobcenter und Arbeitsagenturen –, damit Integration gelingt. Wir haben Ihnen unsere Vorstellungen vorgelegt. Das kostet Geld, und zwar nicht wenig. Aber das ist auch keine Summe, die wir nicht aufbringen können. Wir werden Sie von der SPD, aber auch Sie von der CDU/CSU am Ende der Woche daran messen, ob Sie imstande sind, diesem Paket zuzustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein weiterer Punkt – beim Etat des Innern geht es nicht nur um die Integration – ist natürlich die Sicherheitspolitik. Wir wollen durchaus anerkennen, dass Sie auch Programme zur Präventionsarbeit gegen die Radikalisierung von Jugendlichen auflegen. Wir werden eine Menge zu tun haben mit IS-Kämpfern, die aus Deutschland kommen, auch mit solchen, die zurückkommen. Es bleibt aber dabei, dass dieses Ausmaß an Prävention von uns nicht für ausreichend gehalten wird. Wir denken, da ist eine Verdoppelung der Mittel nötig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das große Projekt, das in Zukunft für den Haushalt des Innenministers wichtig ist – ich möchte dies kurz erwähnen –, ist die Konsolidierung der Netze und der IT. Wir werden Sie da konstruktiv, aber auch kritisch begleiten. Wir wollen nicht, dass das riesige IT-Projekt ein Fass ohne Boden wird. Beim Digitalfunk haben wir schon entsprechende negative Erfahrungen gemacht. Wir werden darauf drängen, dass sich nicht Ressort-egoismen in der Regierung durchsetzen, sondern dass es eine vernünftige, zentrale Konsolidierungsstrategie gibt, die durch Sie, Herr Minister, federführend umgesetzt wird. Mein letzter Punkt behandelt die Haushaltskontrolle der Geheimdienste. Das betrifft nicht nur Ihren Etat, Herr Minister. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig; wir haben schon vor einigen Sitzungswochen darüber gesprochen. Wir haben, was die Kontrolle der Nachrichtendienste angeht, die Situation, dass es in der Bevölkerung einen immensen Vertrauensverlust (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!) und Skepsis darüber gibt, ob wir unserer Kontrollaufgabe überhaupt vernünftig nachkommen. Da spreche ich in erster Linie die Fraktionen an und nicht so sehr den Minister. Ich verstehe nicht, warum es nicht eine engere Kooperation zwischen Vertrauensgremium und Parlamentarischem Kontrollgremium gibt. Ich verstehe auch nicht, warum Sie bei der auch in der Öffentlichkeit diskutierten Ausstattung der Nachrichtendienste mit neuen Technologien unsere Beratungsmöglichkeiten nicht optimieren wollen, zum Beispiel durch die systematische Einbindung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Wir werden Sie damit nicht durchkommen lassen, dass unsere vorhandenen parlamentarischen Möglichkeiten zur Kontrolle der Geheimdienste nicht besser genutzt werden. Das hat auch mit den Geschehnissen um den NSU und um die NSA zu tun. In diesem Sinne werden wir sehr kritische Begleiter sein. Wir sind mit Ihrer Arbeit und auch mit der Arbeit der Koalitionsfraktionen nicht zufrieden. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin. – Schönen guten Tag Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und den Gästen auf der Tribüne. – Nächster Redner in der Debatte ist Martin Gerster für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Martin Gerster (SPD): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ist das nötige Geld vorhanden, ist das Ende meistens gut. So heißt es in der filmischen Umsetzung der Drei-groschenoper von Bertolt Brecht. Im Bundeshaushalt geht es natürlich nicht nur um drei Groschen, sondern um fast 300 Milliarden Euro. Ich bin natürlich auch nicht Mackie Messer, sondern der Haushälter der SPD für den Geschäftsbereich des Innenministeriums. Ich will an dieser Stelle eines vorwegschicken: Ich bin froh, dass wir in der Großen Koalition gemeinsam die Kraft hatten – das ist doch ein tolles Zeichen –, im Haushaltsausschuss diesen Etat über die Marke von 6 Milliarden Euro zu heben und damit wichtige Veränderungen am Haushaltsentwurf zu erreichen. Dazu möchte ich feststellen: Das Ende unserer Haushaltsberatung ist aus Sicht der SPD-Fraktion und der Großen Koalition nicht nur gut, sondern richtig gut. Das ist heute eine ganz wichtige Botschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Viele Anliegen und politische Schwerpunkte der SPD-Fraktion konnten wir noch einbringen. Ich glaube, das geschah nicht gegen den Willen des Innenministers, sondern er wird es gutheißen, dass sein Etat an der einen oder anderen Stelle ausgebaut werden konnte. Aber der Reihe nach. In unruhigen Zeiten ist es notwendig, die Sicherheit zu stärken. Ich will an dieser Stelle einen Dank vorausschicken, einen Dank an die Männer und Frauen, die für unsere Sicherheit im Einsatz sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zehntausende sind täglich im Einsatz und sorgen dafür, dass wir uns in unserem Land sicher bewegen können. Ich nenne beispielsweise die Angehörigen der Bundespolizei, die an Flughäfen, auf Bahnhöfen und beim Fußball im Einsatz sind. Wir haben ganz klar gesagt: Wir müssen diesen Bereich stärken. Deswegen haben wir zusammen mit unserem Koalitionspartner durchgesetzt, dass wir insbesondere die Bereiche stärken, von denen die Beamtinnen und Beamten im Einsatz direkt profitieren: 15 Millionen Euro mehr für Körperschutz und neue Bekleidung, 5 Millionen Euro mehr für neue Fahrzeuge, was ungefähr 120 neuen Fahrzeugen entspricht. Jedenfalls ist das ein richtig gutes Signal an die Beamtinnen und Beamten, an all diejenigen, die für die Bundespolizei in unserem Land unterwegs sind. Damit aber nicht genug: Wir haben über 400 zusätzliche Stellen geschaffen. Wir haben natürlich auch die Wünsche und Anregungen aus dem Personalrat der Bundespolizei und der Gewerkschaft der Polizei berücksichtigt. Wir finden es richtig, dass unsere Leute bei der Bundespolizei mehr berufliche Perspektiven brauchen, und zwar im Vollzug, in der Verwaltung, aber auch bei den Tarifbeschäftigten. Deswegen haben wir das ohnehin schon aufgelegte Hebungsprogramm bei der Bundespolizei aufgestockt – es hat eine Laufzeit von vier Jahren –, und zwar um 181 Möglichkeiten der Beförderung von der Besoldungsgruppe A 8 zur Gruppe A 9. Jetzt haben wir in diesem Bereich 1 500 Beförderungsmöglichkeiten. Ich glaube, das ist gut, weil in diesem Bereich der größte Beförderungsstau herrscht. Es ist gut, dass sich da jetzt mehr tut, als sich ursprünglich abgezeichnet hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben darüber hinaus Hebungen bei den 75 In-spektionsleitungen und weitere 100 Hebungen vom einfachen in den mittleren Dienst auf den Weg gebracht. Das ist eine richtig gute Sache für unsere Leute in der Bundespolizei, die jede Woche, jeden Tag, jede Stunde für uns im Einsatz sind. Ich will für unsere Fraktion die Botschaft aussenden: Wir lassen euch nicht hängen; wir von der SPD-Fraktion und in der Großen Koalition insgesamt kämpfen für euch. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Schwerpunkt war der Katastrophen- und Bevölkerungsschutz, insbesondere natürlich das THW. Ich war – wie viele Kolleginnen und Kollegen – in den letzten Wochen und Monaten an vielen THW-Standorten. Was man da sieht, ist zum Teil jämmerlich. Es ist der vielen Helferinnen und Helfer beim THW, insgesamt etwa 80 000, wirklich nicht würdig. Ich konnte bei mir im Wahlkreis den Standort Riedlingen besuchen. Da ist eine Fahrzeughalle wegen Einsturzgefahr nicht mehr betretbar. Nebenan, in Ehingen, sind Risse in den Gebäudemauern, und es gibt viel zu wenig Platz. Wir haben in der Großen Koalition gesagt: So kann es nicht mehr weitergehen. – Wir werden mit diesem Haushalt ein großes Bauprogramm auf den Weg bringen, sodass in den nächsten Jahren Dutzende von THW-Unterkünften und -Liegenschaften instand gesetzt oder neu gebaut werden können. Ich glaube, das ist das Mindeste, was wir für die vielen Helferinnen und Helfer beim THW tun können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hinzu kommen 5 Millionen Euro, die wir beim Katastrophenschutz der Länder draufgepackt haben. Davon werden vor allem auch die Feuerwehren profitieren. Ich glaube, das ist eine ganz gute Sache. Ein wichtiger Punkt war für uns natürlich auch das Thema Integration und Migration. Hier geht es um Millionen von Menschen, die Leidtragende von Verfolgung, Terror, kriegerischen Auseinandersetzungen und anderen Gräueltaten sind. Wir finden es unerträglich, wie rechte Hetzer jetzt versuchen, Not und Elend der Flüchtlinge und der Asylsuchenden für ihre Zwecke auszunutzen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Wir senden vom Deutschen Bundestag ein klares Signal aus – auch mit den Beschlüssen des Haushaltsausschusses –: Wir unterstützen die Einwanderer, die Flüchtlinge, die Asylsuchenden und stellen mehr Geld für die Beratung von Einwanderern bereit, wir halten die Mittel für Integrationskurse auf hohem Niveau, und in den Jahren 2014 und 2015 schaffen wir 650 Stellen beim BAMF. Ich glaube, das ist insgesamt eine richtig gute Geschichte. An dieser Stelle ein Dankeschön an die vielen Ehrenamtlichen, die sich für die Flüchtlinge engagieren und in der Tat für ein gutes Klima des Willkommenheißens in unserem Land sorgen. Ich glaube, das ist in der aktuellen Situation unverzichtbar. (Beifall bei der SPD) Wir müssen natürlich auch politisch dafür kämpfen, dass die Akzeptanz für Integration, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und friedliches Miteinander weiterhin hoch bleibt. Deswegen haben wir ganz bewusst gesagt: Die Mittel der Bundeszentrale für politische Bildung werden aufgestockt, die politischen Stiftungen erhalten 14 Millionen Euro mehr, und im Haushalt von Manuela Schwesig stellen wir 10 Millionen Euro mehr für den Kampf gegen Rechtsextremismus und andere Extremismen, die wir unbedingt bekämpfen wollen, bereit. Dann haben wir noch das Thema Sport. Vizepräsidentin Claudia Roth: Aber kurz, bitte. Martin Gerster (SPD): Ja, danke schön, ich denke daran. – Kollege Barthle und ich, wir haben ein 15Millionen-Euro-Programm für den Sport auf den Weg gebracht. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das war der Ausschuss!) Ich glaube, das ist eine richtig gute Geschichte. Davon geht ein gutes Signal an unsere Gesellschaft aus. So kann ich an dieser Stelle sagen: lauter gute Nachrichten aus dem Haushaltsausschuss für den Bereich des Bundesinnenministeriums. Ich danke den Kollegen Brandl und Barthle, aber auch den Kollegen der Opposition. Unsere Änderungsanträge im Haushaltsausschuss bekamen viele Jastimmen. Deswegen gilt mein herzlicher Dank den Kollegen Bartsch und Hajduk. Ich wünsche allen weiterhin eine gute Debatte. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Gerster. – Ja, der Herr Barthle brauchte halt jetzt noch Schnee. (Zuruf von der CDU/CSU) – Nein, Sie waren nicht Mackie Messer. Es fragt sich nur, wer der Haifisch ist. Das ist jetzt aber keine Überleitung zum Bundesminister. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dr. Thomas de Maizière, Sie haben das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin, wie soll ich denn das verstehen? (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie tragen die Zähne im Gesicht!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen einen fröhlichen und dankbaren Innenminister vor sich. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Fröhlich?) – Ja, das ist so. Die Regierung hatte im Regierungsentwurf schon etliche Verbesserungen vorgenommen. Der Haushaltsausschuss hat nun in engem Kontakt mit dem Finanzministerium und mit uns und mit Unterstützung der Hauptberichterstatter, aber auch vieler anderer, an den richtigen Stellen noch viel draufgepackt. Das ist wirklich gut. Ich möchte das vor allen Dingen betonen, weil ich hier, gerade im Bereich der Sicherheit, der sonst zu den umstrittensten gehört, etwas Seltenes erlebt habe. Viele der Vorhaben und Projekte haben, auch in den Einzelabstimmungen, die ausdrückliche Zustimmung aller Fraktionen gefunden. Unverständlicherweise hat die Opposition den Haushalt insgesamt dennoch abgelehnt. (Heiterkeit des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]) Ich verstehe das als große Unterstützung für mein Haus, aber vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Polizisten, für die Mitarbeiter des BAMF und der Sicherheitsbehörden. Sie gewährleisten Freiheit und Sicherheit in unserem Land, und dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zukunftsweisend ist auch der Beschluss der Finanzierung der „Netze des Bundes“. Hier geht es um ziemlich viel Geld: 450 Millionen Euro in drei Jahren. Das ist ein ehrgeiziges Projekt. Einige haben dazu gesprochen. Es muss stärker koordiniert werden, Herr Bartsch, das stimmt. Das ist nicht alleine, aber auch eine Antwort auf das Thema NSA. Wir werden die Realisierung der Empfehlungen des Ausschusses zügig in Angriff nehmen. Das führt mich zu einer grundsätzlichen Bemerkung, die ich gerne machen möchte, weil sehr viel von Investitionen die Rede ist. Uns fällt ziemlich viel ein, wie wir den Ländern im Bereich Bildung, Autobahnen, vor allem im Bereich Energieeffizienz durch Investitionen helfen können. Das ist alles gut und schön. Aber wir können auch mal an uns denken. Wir haben das bei den Konjunkturprogrammen gemacht. Wir haben für Investitionen in Bundesliegenschaften eine Vorabquote eingeführt. Wir haben es bei der Flut gemacht. Wir haben gesagt: Von den 8 Milliarden Euro geht ein gewisser Anteil in die eigene Infrastruktur des Bundes, Schleusen usw. Wenn es jetzt um die Verteilung der Investitionen geht, dann fallen mir und uns allen ganz viele Bereiche ein, in die wir – ich sage das als Minister für innere Angelegenheiten – investieren können, zum Beispiel in die Erneuerung unserer IT-Strukturen oder in die Liegenschaften des Bundes. Wir können viel gutes Geld für die eigenen Belange des Bundes in die Hand nehmen und nicht nur für noch so berechtigte Belange Dritter. Das wollte ich gerne an dieser Stelle einmal sagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Sicherheit und der Schutz der Freiheit haben eine herausragende Bedeutung für unser Land. Es gibt einen großen gesellschaftlichen und politischen Konsens, das zu erkennen, zu erhalten und die dafür notwendigen Schritte zu tun. Auch dafür, dass das deutlich geworden ist, möchte ich mich beim Haushaltsausschuss ausdrücklich bedanken. Mein wichtigstes Anliegen als Bundesminister des Innern ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sicher leben können. Einen wesentlichen Anteil daran haben nicht nur Gesetze und die internationale Zusammenarbeit und vieles andere mehr, sondern unsere Polizistinnen und Polizisten und die Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden. Sie üben Tag und Nacht gewissenhaft und gerne ihren Beruf aus. Sie genießen in der Bevölkerung ein hohes Ansehen. Die Polizei liegt bei über 80 Prozent, die Bundeskanzlerin bei 65 Prozent und der Papst bei 55 Prozent, die Parteien liegen ziemlich weit hinten. Wir müssen dafür sorgen, dass der Polizeiberuf attraktiv bleibt. Auch dafür leisten wir mit dem Haushalt 2015 einen Beitrag. Die Zahlen wurden genannt: 406 neue Stellen für die Bundespolizei, Schutzausrüstung, Kfz, Hebungen gerade im unteren und mittleren Bereich. Unsere Polizistinnen und Polizisten müssen auf der Straße immer wieder buchstäblich den Kopf hinhalten, auch und gerade, wenn es brenzlig wird. Leider verliert eine Reihe von Bürgern immer mehr den Respekt vor staatlichen Funktionsträgern insgesamt. Verbale und körperliche Angriffe nehmen zu. In Bremen wird jetzt gerade eine Spuckhaube eingeführt, die diejenigen über den Kopf bekommen, die regelmäßig Polizisten im Kfz usw. anspucken. Auch dagegen, dass es diese Spuckhauben gibt, gibt es jetzt Protest. Ich finde es gut bzw. nur recht und billig, dass man dafür sorgt, dass Polizisten nicht angespuckt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bei links- und rechtsextremistischen Gruppen ebenso wie bei alkoholisierten Fußballanhängern bis hin zu einzelnen Gruppen scheinen die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei eine Art Eventcharakter zu haben. Wir haben insgesamt einen Rückgang der Gewaltkriminalität, auch der Jugendgewaltkriminalität – das ist gut –, verzeichnen aber einen Anstieg der Intensität von Gewaltausübung, und zwar nicht nur gegenüber Polizisten, sondern auch gegenüber Rettungskräften und Repräsentanten des Staates. Die Polizistinnen und Polizisten im Bund und in den Ländern tragen Verantwortung für unsere Sicherheit. Also tragen wir Verantwortung dafür, dass sie bei ihrer Arbeit sicher sind. Der Haushalt leistet auch einen Beitrag hierfür. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Katastrophenschutz ist hier viel gesagt worden. Ich unterstütze das natürlich ausdrücklich, insbesondere was zur liegenschaftlichen Situation gesagt worden ist. Das hilft auch den Helfern vor Ort. Ich will nur einmal auf Folgendes hinweisen – Herr Brandl hat das auch gemacht –: Während wir hier debattieren, sind THW-Helfer in Afrika und kämpfen gegen die Ausbreitung von Ebola, sind THW-Helfer in Jordanien und im Nordirak und helfen dort in den Flüchtlingslagern. Wir denken gern an unsere Ortsverbände, aber ich finde, eine solche Debatte bietet auch Anlass, diesen Menschen im Ausland und ihren Angehörigen sowie den Arbeitgebern, die sie freistellen, einmal ein herzliches lautes Dankeschön zu sagen. (Beifall im ganzen Hause) Meine Damen und Herren, es ist heute nicht die Zeit, umfassend über die Sicherheitslage zu sprechen. Aber Sie wissen, die Sicherheitslage ist ernst. Die Terrororganisation, die sich selbst „Islamischer Staat“ nennt – und die wir nicht „Islamischer Staat“ nennen sollten –, zeigt eine archaische Brutalität. Menschen werden enthauptet, Frauen vergewaltigt, versklavt, Grenzen, die seit über 100 Jahren bestehen, ignoriert – und mit all dem brüstet sich die IS öffentlich. Männer und einige Frauen bringen aus Deutschland, bringen aus Europa den Krieg in diese Gegend; sie exportieren Gewalt und Terror. Mitte September habe ich ein Betätigungsverbot gegen die Organisation IS ausgesprochen. Wir sehen hier Erfolge; es gibt viele Festnahmen und Ermittlungen. Diensteanbieter in den sozialen Medien nehmen zunehmend Profile vom Netz. Alles, was sich dort an Sympathiewerbung für die IS findet, Herr Abgeordneter Beck, ist durch dieses Betätigungsverbot strafbar geworden. Das ist gut so. Das Betätigungsverbot fügt sich in eine Reihe von anderen Maßnahmen ein, sowohl von mir, die wir demnächst diskutieren, Stichwort „Personalausweis“, als auch vom Justizminister, Stichwort „Reisen“ und anderes; es ist heute nicht die Zeit, im Einzelnen darauf einzugehen. Wir wollen verhindern, dass der Terrorismus von Deutschland aus exportiert wird. Wir wollen erst recht verhindern, dass geschulte Terroristen – zumal wenn sie aus Deutschland gekommen sind – nach Deutschland zurückkehren und hier Anschläge verüben. Dazu brauchen unsere Sicherheitsbehörden Unterstützung. Dafür brauchen wir internationale Zusammenarbeit. Dazu brauchen wir auch eine Stärkung des Bundesamts für Verfassungsschutz; davon ist gesprochen worden. Wir können damit keine vollständige Sicherheit herstellen. Niemand kann eine Garantie dafür geben, dass es in Deutschland nicht zu einem Anschlag kommt. Aber wir sind entschlossen, das uns Mögliche zu tun, damit es nicht passiert. Meine Damen und Herren, ein Wort zum Thema Flüchtlinge. Frau Hajduk, Sie haben darüber gesprochen, und es ist über die zusätzlichen Stellen gesprochen worden; das ist alles richtig. In der Tat: Ich halte es für falsch, der Bevölkerung zu sagen: Das ist jetzt mal ein Jahr, nächstes Jahr wird alles wieder gut. – Das wird wohl nicht der Fall sein. Trotzdem verlangt dies angesichts der Flüchtlingsströme, angesichts der Bürgerkriege in Syrien und im Irak und all dessen, was dort passiert ist, natürlich eine Strategie, die darüber hinausgeht, einfach alle aufzunehmen. Auch darüber zu sprechen, ist heute nicht die Zeit. Das hat etwas mit der Arbeit vor Ort zu tun, das hat etwas mit der Arbeit in den Transitländern zu tun, das hat mit dem Dubliner Übereinkommen zu tun – alle Staaten müssen ihre Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen erfüllen –, das hat etwas mit europäischer Solidarität und mit vielem anderen mehr zu tun. Darüber sind wir uns möglicherweise einig. In einem Punkt sind wir uns vielleicht nicht einig – ich will nicht, dass hier zu viel Harmonie verbreitet wird –: (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt säen Sie doch keine Zwietracht!) Ja, wir sind dafür, dass im BAMF schnell entschieden wird – auch mithilfe zusätzlicher Stellen –, wer politisch verfolgt wird, wer Asyl verdient. Diese Personen müssen integriert werden, und zwar so schnell wie irgend möglich. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder Flüchtlingsschutz nach der GFK bekommt!) – Oder als Flüchtling anerkannt wird, Herr Beck. Das ist jetzt gar nicht mein Punkt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht immer so verkürzen!) Ich möchte auf etwas anderes hinaus: Wir wollen auch, dass die Anträge derjenigen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen, genauso schnell geprüft werden, (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) damit sie nicht integriert werden und unser Land schnell wieder verlassen, damit die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung erhalten bleibt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie nicht verfolgt werden!) Nun ein Wort zu Herrn Gabriel. Wir sind in Gesprächen mit den Ländern über die Frage, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang wir den Ländern und, ehrlich gesagt, vor allem den Kommunen in allen anstehenden Punkten, von der Unterbringung bis zum Thema Gesundheit, helfen können und müssen. Das ist schwierig. Die Länder verhalten sich gegenüber den Kommunen sehr unterschiedlich. Das Spektrum der Kostenerstattung durch die Länder reicht von 20, 30 Prozent der Kosten der Kommunen bis zu 90, 100 Prozent. Ich möchte alle, die hier große Töne spucken, man sollte den Kommunen helfen, bitten, erst einmal in den jeweiligen Ländern dafür zu sorgen, dass diese den Kommunen helfen. Das wäre auch einmal etwas. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber wir überlegen uns etwas. Das läuft auf ein Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder hinaus. Es könnte ja sein, Frau Hajduk, dass Herr Gabriel das, was er gesagt hat, gar nicht erfunden hat. Es könnte ja sein, dass er es nur als Erster öffentlich gemacht hat und es die Gespräche schon seit längerem gibt. Wir sind der Meinung, dass wir erst am Ende der Debatte etwas verkünden sollten und nicht am Anfang der Debatte. Also seien Sie nicht so stolz auf Ihren diesbezüglichen Antrag auf dem Parteitag der Grünen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben den Haushalt 2015! Wir haben diese Woche Anträge zu stellen, und dem müssen Sie sich stellen!) – Das verstehe ich; aber vertrauen Sie doch einmal ein bisschen darauf, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, den Kommunen und den Ländern zu helfen, ohne den Haushalt noch einmal anfassen zu müssen. Norbert Barthle, ich glaube, auch das ist ein wichtiger Punkt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind sozusagen schon im Nachtragshaushaltsmodus, bevor wir ihn verabschiedet haben!) Ich will nur sagen: Wir haben das im Blick. Wir machen das verantwortungsvoll, und das ist richtig so. Eine letzte Bemerkung zum Sport – Herr Barthle hat heute Morgen einiges dazu gesagt –: Wir hatten gegenüber der ursprünglichen Veranschlagung schon 8 Mil-lionen Euro draufgelegt. Jetzt kommen noch einmal 15 Millionen Euro hinzu. Auch die NADA-Finanzierung ist gesichert. Ich füge hinzu – das hat Norbert Barthle heute Morgen gesagt, sicher auch im Namen von Herrn Gerster –: Dieses Geld kommt nicht einfach obendrauf und wird nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt, sondern wir verbinden damit die Erwartung, dass damit der Einstieg in eine Strukturveränderung, in eine Effektivierung der Spitzensportförderung verbunden ist – hoffentlich auf dem Weg zu Olympischen Spielen in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn wir das in Berlin wollen, sollten wir vorher einen Flughafen haben!) Daran werden wir erinnern, und ich hoffe, dass wir das gemeinsam tun werden. Ich habe meine Rede begonnen mit dem Satz: Sie sehen einen fröhlichen, zufriedenen und dankbaren Innenminister. – Das ist so. Noch mehr würde ich mich freuen, wenn nicht nur die Koalition, sondern nach all den schönen Reden auch die Opposition sagen würde: Verdammt noch mal, das war eine gute Sache. Dieses Mal stimmen wir zu. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Dr. de Maizière. – Das kann Herr Dr. André Hahn als nächster Redner für die Linke gleich beantworten. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wollen wir mal sehen, ob er Größe hat!) Dr. André Hahn (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich sage es gleich vorab: Wir finden zur Fröhlichkeit in Ihrem Haushalt nur wenig Anlass. (Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Ich möchte gerne über das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Geheimdienste allgemein sprechen und auch zum Sport etwas sagen. Im Zusammenhang mit dem Thema Geheimdienste hat SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dieser Tage dem Spiegel ein sehr aufschlussreiches Interview gegeben. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Da habt ihr die meiste Erfahrung mit Geheimdiensten!) Darin heißt es unter anderem: Wenn die Dienste die Informationen über den NSU richtig verarbeitet und ausgetauscht hätten, hätte eine in der deutschen Nachkriegszeit beispiellose Verbrechensserie wohl verhindert werden können. Das ist eine der größten Niederlagen der deutschen Sicherheitsbehörden überhaupt. Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern haben kollektiv versagt. (Beifall bei der LINKEN) Wir Linke teilen diese Auffassung. An anderer Stelle heißt es – wieder Zitat Oppermann –: Leider wurde der Rechtsextremismus über viele Jahre systematisch unterschätzt. … Die Behörden haben den brisanten Moment, als der Rechtsextremismus von der offenen Gewalt gegen Ausländer und Flüchtlinge über national befreite Zonen in den terroristischen Untergrund gegangen ist, schlicht verpasst. Ja, auch das ist leider zutreffend. Der SPD-Fraktionschef zieht verbal durchaus die richtigen Schlussfolgerungen, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum spielt er denn bei Ihnen so eine Rolle? Er ist doch gar nicht da!) wenn er darauf drängt, dass die Rechtsgrundlagen der Dienste grundlegend revidiert werden. Wir als Linke gehen da noch einen deutlichen Schritt weiter. Wir stellen nicht zuletzt nach dem Versagen in Sachen NSU und bei der Spionageabwehr beim NSA-Skandal die Existenzberechtigung von Geheimdiensten grundsätzlich infrage. (Beifall bei der LINKEN) So weit geht Herr Oppermann nicht. Er fordert aber immerhin eine generelle Überarbeitung des BND-Gesetzes und des G-10-Gesetzes sowie eine spürbare Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle. Doch Ankündigungen sind das eine. Die Realität sieht leider anders aus. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja!) Deshalb frage ich die Koalitionäre von Union und SPD – drei Jahre nach der Aufdeckung der NSU-Verbrechen und fast eineinhalb Jahre nach den Enthüllungen Edward Snowdens zur massenhaften Überwachung der NSA auch bei uns in Deutschland –: Wo ist denn der Entwurf eines neuen BND- oder G-10-Gesetzes? Wo ist der Entwurf einer Novellierung des Gesetzes zur Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums? Wo sind die Konsequenzen der Bundesregierung aus den Aussagen hochkarätiger Verfassungsrechtler vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, nach denen zumindest ein Teil der Tätigkeit des BND ohne jegliche Rechtsgrundlage stattfindet? (Zuruf von der CDU/CSU): Stimmt doch gar nicht!) Überall Fehlanzeige. Doch daran werden Sie gemessen und nicht an Absichtserklärungen. (Beifall bei der LINKEN) Statt mit einer grundlegenden Reform auch nur zu beginnen, machen Sie im vorliegenden Haushaltsplan etwas ganz anderes: Sie schanzen den Diensten erst einmal über Jahre hinweg weitere Mittel in dreistelliger Millionenhöhe zu, ohne dass sich an der Arbeitsweise der Dienste auch nur irgendetwas geändert hätte. Es ist doch geradezu absurd, dass die Geheimdienste für ihr Versagen bei NSU und NSA de facto noch mit zusätzlichen Steuergeldern belohnt werden. Für uns Linke ist das inakzeptabel. (Beifall bei der LINKEN) BND und Verfassungsschutz sollen weiter aufgerüstet werden, um mit den Überwachungstechniken der Amerikaner künftig halbwegs mithalten zu können. Das ist doch der völlig falsche Weg. Wo ist eigentlich, frage ich Sie, das millionenschwere Programm zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen hier in Deutschland vor Ausspähung und Spionage? Davon findet sich im vorliegenden Plan für 2015 nichts. Auch deshalb wird die Linke diesen Haushalt ablehnen. (Beifall bei der LINKEN) Einige Anmerkungen zum Sportetat. Der Haushaltsausschuss ist über den ursprünglichen Ansatz für 2015 hinausgegangen; er hat die Mittel um 15 Millionen Euro aufgestockt. Das begrüßen wir; das ist positiv. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Korrekt!) Ohne diese Anhebung hätte tatsächlich die Gefahr bestanden, dass der deutsche Spitzensport noch weiter in die Mittelmäßigkeit abrutscht, wie es der DOSB in seiner Presseerklärung ja selbst formuliert hat. Wir verstehen die jetzige Entscheidung so, dass es, anders als beispielsweise in Großbritannien, bei uns weiterhin eine umfassende Spitzensportförderung geben soll, die sich nicht allein an medaillenträchtigen Sportarten ausrichtet. Auch die Verstetigung der Mittelzuweisungen für das Programm „Integration durch Sport“ bis 2017 ist richtig und sinnvoll. Allerdings gibt es leider auch im Sporthaushalt durchaus Defizite. Über künftige deutsche Olympiabewerbungen kann man trefflich streiten, Herr de Maizière – ich persönlich bin für überzeugende Konzepte durchaus offen –, aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es zum Beispiel allein in Berlin über 1 000 sanierungsbedürftige Sportstätten gibt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Dafür ist aber Berlin zuständig! Dafür ist das Land zuständig!) Einen derartigen Investitionsstau können die Länder allein kaum bewältigen. Deshalb bleiben wir Linke bei unserer Forderung nach einem entsprechenden Förderprogramm des Bundes. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Es gibt doch schon jedes Jahr über 3 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich allein aus Bayern!) Da Sie jetzt so schimpfen, (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Wir schimpfen nicht! Wir sagen nur die Wahrheit!) darf ich Ihnen sagen, dass sich die Sportpolitiker der -unionsregierten Länder im März dieses Jahres getroffen und einstimmig ein solches Förderprogramm des Bundes gefordert haben. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja, ja! Die Länder sind sich immer schnell einig! Das ist ja auch ein Geschäft zulasten Dritter! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ein Geschäft zulasten Dritter lässt sich immer schnell vereinbaren!) Sie haben es aber in beiden Ausschüssen abgelehnt. Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wir verkennen nicht, dass es im Zuge der Beratungen zum Innenetat einige vernünftige Korrekturen gegeben hat, so beispielsweise bei der Verbesserung der Finanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur oder auch bei der Migrationsberatung für Erwachsene, die gerade wir Linke immer unterstützt haben. Das ändert jedoch nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an den falschen Weichenstellungen im Einzelplan 06. Deshalb werden wir mit Nein votieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Dr. Hahn. – Nächster Redner in der Debatte: Rüdiger Veit für die SPD. (Beifall bei der SPD) Rüdiger Veit (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich jetzt nicht auf den Beitrag des Kollegen Hahn beziehen, weil ich mich in meiner Rede zu diesem Bundeshaushalt nach unserer Aufgabenverteilung mit Überlegungen zu Flüchtlingen und Integrationsaufgaben auseinanderzusetzen habe, was ich gerne tue. Um den Überraschungseffekt am Anfang auszunutzen: Frau Hajduk, Sie haben in einem recht: Man kann sich bei ganz vielen Dingen, die gut gemeint sind und hoffentlich auch gut gemacht werden, vorstellen, dass noch mehr getan wird und dass man noch mehr Geld dafür ausgibt. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um eine andere Qualität!) Das ist zwischen uns völlig unstreitig. Wenn man aber eben nicht so viel Geld hat, wie das vielleicht Ihren und vielleicht auch meinen Wunschvorstellungen entspräche, kann man nicht den Umkehrschluss daraus ziehen und sagen: Wenn ich nicht 100 Prozent bekomme, dann bin ich auch dagegen, dass es mindestens 50, 60 oder 70 Prozent sind. Deswegen will ich Ihnen im Einzelnen noch einmal aufzählen, warum sich der Einzelplan 06 durchaus sehen lassen kann. Natürlich wird man einwenden, dass man das schon einmal gehört hat. Erinnern Sie sich aber bitte – wer von Ihnen Lehrer ist, der hat das einmal so gelernt –: Die Wiederholung ist in der Pädagogik ein ganz wesentliches Element der Vertiefung. Deswegen will ich das gerne noch einmal tun. Erstens. Im Bundeshaushalt sind wiederum – auch im letzten Jahr war das so – 9 Millionen Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen enthalten. Das ist gut so. Zweitens. Es gibt – darauf ist hingewiesen worden – eine durchaus beachtliche Steigerung im Bereich der Migrationsberatung für Erwachsene in Höhe von immerhin 8 Millionen Euro. Wenn ich mir die Zahlen richtig -notiert und gemerkt habe, dann wurden die Mittel von 26 auf jetzt 34 Millionen Euro erhöht. Drittens – und das ist eigentlich noch wichtiger – haben wir in einer Zeit, in der es eine große Anzahl zusätzlicher Zuwanderer und Flüchtlinge gibt, eine erhebliche Steigerung des Stellenbestandes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erreicht. 300 Stellen mehr waren es im letzten Jahr – soweit ich weiß, sind mittlerweile alle besetzt –, und mit diesem Haushalt schaffen wir für 2015 weitere 350 Stellen. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als dieses Amt in Nürnberg, diese nachgeordnete Bundesbehörde, noch den Namen „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ hatte. Alle, die damals schon im Bereich der Flüchtlingsbewegung tätig waren, werden mir zustimmen: Wir, die wir guten Wollens und guten Willens im Sinne der Belange der Flüchtlinge tätig waren, haben die Abkürzung BAFl eher so ausgeschrieben: Bundesamt für die Ablehnung von Flüchtlingen. Man kann das so sagen. Das war sozusagen unser nicht immer emotionsfrei besetzter Angstgegner. Das hat sich seit dem Jahre 2001 aber gründlich geändert. Ich will diese Gelegenheit nutzen, um dem vormaligen Präsidenten, Herrn Dr. Albert Schmid, und dem jetzigen Präsidenten, Herrn Dr. Manfred Schmidt, ganz herzlich dafür zu danken, dass sie diese Behörde ganz erheblich und nachhaltig zu einer Dienstleistungsbehörde umgebaut haben, mit der wir häufig und intensiv Kontakt haben – auch und gerade im Sinne der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dort wird überwiegend eine hervorragende Arbeit geleistet. Denken Sie einmal daran, wie hoch die Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen Jahren war. Heute müssen wir davon ausgehen, dass sich diese Zahl praktisch verzehnfacht hat. Umso größer ist die Notwendigkeit, hier eine entsprechende Arbeit zu leisten. Dabei ist uns aus Sicht der SPD nicht nur eine zügige, sondern auch eine sorgfältige und rechtsstaatlich fundierte Bearbeitung von Asylanträgen wichtig. Auch deswegen haben wir diesem Personalaufwuchs in der Koalitionsvereinbarung zugestimmt und sehen wir das jetzt mit Freude auch in diesem Haushalt. Viertens. Nun komme ich zum Komplex Integrationskurse, wofür 40 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen. Das ist aufgrund der gestiegenen Fallzahlen der gleiche Zuwachs wie im letzten Jahr. Ich will nicht verhehlen, dass in diesem Bereich noch einige Wünsche offen bleiben. Die Mindestvergütung ist noch heute nur so hoch, dass die Lehrkräfte selbst bei Vollzeit mit lediglich knapp 1 000 Euro netto über die Runden kommen müssen. Es wäre wünschenswert, dass sie ein vernünftiges Einkommen haben, um wenigstens der jetzigen Armut, der notwendigen Aufstockung durch staatliche Zusatzleistungen und auch der Armut im Alter zu entgehen. Das muss auch unser Interesse sein; denn ein hoher Erfolg von Integrationskursen setzt guten Unterricht voraus, und guter Unterricht setzt gute Lehrkräfte voraus. Voraussetzung für gute Lehrkräfte ist wiederum, dass man sie halbwegs anständig bezahlt, sodass sie von dieser Arbeit leben können und nicht, was man verstehen kann, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen neuen Job annehmen, weil das der Kontinuität der Arbeit nicht guttut. Wir werden uns daher weiterhin dafür einsetzen, dass durch einen entsprechenden Mittelaufwuchs in Zukunft auch eine angemessene Vergütung der Lehrkräfte und bei dem einen oder anderen Träger hoffentlich auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sogar, wie ich hoffe, auch eine dauerhafte Anstellung ermöglicht werden. Das jedenfalls wäre auch weiterhin unser Ziel. Im Rahmen des Möglichen sind wir jedoch durchaus zufrieden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich komme zum letzten Punkt: Perspektiven für die Zukunft. Es ist schon die Rede davon gewesen, Herr Minister – das müssen wir laut und deutlich sagen und dann die notwendigen Schlüsse ziehen –, dass es nicht sein kann, dass wir heute zwar eine weit verbreitete, begrüßenswerte Akzeptanz und Sensibilität in unserer Bevölkerung dafür haben, dass schutzsuchende Menschen aus vielen Teilen dieser Welt zu uns kommen und hier Zuflucht finden, dass wir aber diejenigen, die vor Ort -Integrationsarbeit zu leisten haben, nämlich die Kommunen, mit dieser Aufgabe, jedenfalls in weiten Teilen dieser Republik, finanziell alleine lassen; denn Flüchtlingsangelegenheiten und deren Versorgung muss zwar vor Ort in den Kommunen geleistet werden, aber der Staat, also Bund oder Länder, muss es bezahlen. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. (Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin, und bitte um Nachsicht. Einen Punkt will ich uns allen mit auf den Weg geben. Wenn wir über die Frage reden: „Wie können wir den Kommunen nachhaltig helfen?“, dann will ich Sie darüber informieren, dass der Parteivorstand der SPD gestern in einem Papier beschlossen hat: Wir sollten dafür sorgen, dass die Kosten für die Gesundheitsfürsorge der Asylbewerber und Flüchtlinge nicht mehr von den Kommunen oder teilweise den Ländern getragen werden, sondern wir sollten dafür sorgen, dass die Flüchtlinge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Gesundheitsfürsorge erhalten und der Bund dafür die Kosten übernimmt; (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) übrigens ein Element aus Ihrem Antrag, das ich in der Sache für richtig halte. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Einseitiges Vorpreschen!) Ich möchte mich, offen gestanden, am liebsten auf dieses Instrument konzentrieren. In dem Augenblick, in dem wir die Kommunen bei den Kosten für die Gesundheitsfürsorge entlasten, tun wir auch unmittelbar etwas für die Kommunen. Bei jedem anderen Finanzierungsweg könnte es sein, dass Finanzierungsmittel des Bundes möglicherweise in Länderhaushalten – ich sage es einmal so – verschwinden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege. Rüdiger Veit (SPD): Daher möchte ich uns herzlich bitten, zu überlegen, ob das nicht die schnellste, wichtigste und richtigste Maßnahme wäre, um aktuell die Kommunen zu entlasten und bei den Flüchtlingen für eine angemessene Gesundheitsfürsorge zu sorgen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Kollege Rüdiger Veit. – Nächster Redner in der Debatte ist Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hochverehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, zum einen zum Thema Sicherheit und zum anderen zum Thema, wie wir die Situation der Flüchtlinge humanitär bewältigen. Herr Minister, ich war schon erstaunt, dass in Ihrer Rede – das spiegelt ein bisschen die Situation im Haushalt wider – das Thema Cybersicherheit überhaupt nicht vorkam. Das ist jedoch eine zentrale Frage für den Wirtschaftsstandort Deutschland. (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Netze des Bundes!) Es ist auch eine zentrale Frage für das Haus in der Bundesregierung, das für Sicherheit und Freiheit in diesem Land hohe Verantwortung trägt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben zu Recht das Thema angesprochen – da haben wir große Aufgaben zu bewältigen –: Was machen wir gegen den Terrorismus vom IS? Wir als Bundesrepublik Deutschland haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass dem IS keine weiteren Kämpfer aus Deutschland, aus Europa mehr zulaufen. Da tragen wir eine große Verantwortung. Wir haben im Innenausschuss erheblichen Nachbesserungsbedarf festgestellt, was die Exekution der gesetzlich geregelten Sicherheitsmaßnahmen angeht. Auch beim Schengener Informationssystem läuft vieles nicht rund. Da müssen wir besser werden. Ich war erstaunt, dass das in den Innenministerien von Bund und Ländern so lange liegen geblieben ist. Also: Nachbessern! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber Repressionen alleine, die in diesem Bereich notwendig sind, können es nicht richten. Wir brauchen auch Prävention. Wir müssen um die Köpfe und Herzen der Menschen kämpfen, die sich von der IS-Propaganda angesprochen fühlen. Wir hatten im Innenausschuss Mittel für ein Deradikalisierungsprogramm in Höhe von 10 Millionen Euro beantragt. Sie haben das abgelehnt. Gut, dass Sie sich bis zur Bereinigungssitzung immerhin auf einen ersten zaghaften Schritt verständigen konnten und für diesen Bereich 5 Millionen Euro eingestellt haben. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in diesem Zusammenhang zivilgesellschaftliche Akteure suchen und stärken, die in diesem Bereich arbeiten wollen. Weisen Sie, Herr Innenminister, deshalb nicht die ausgestreckte Hand des Zentralrats der Muslime zurück, der gesagt hat: Wir wollen unsere Imame so ausbilden, dass in unseren Gemeinden keiner mehr auf solche terroristischen Rattenfänger hereinfällt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich zum Thema Flüchtlinge kommen. Rüdiger Veit – meine Kollegin Hajduk hat es vorhin auch schon gesagt –, deine Vorstellungen werden wahr, indem du dem Antrag unserer Fraktion am Freitag zustimmst. Ich halte es auch für einen zentralen Punkt im Umgang mit den Flüchtlingen, dass wir begreifen: Es liegt eine doppelte Aufgabe vor uns, nämlich einerseits die Menschenwürde und den Schutz der Flüchtlinge in den Mittelpunkt zu stellen, anderseits aber auch zu erkennen, dass damit ein Potenzial an Menschen auf uns zukommt, die etwas beitragen können, und dass wir die Verantwortung haben, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das deklinieren wir in unserem Antrag durch. Das heißt, dass wir den Menschen, die hierherkommen, von Anfang an die Möglichkeit geben, sich durch Integrationskurse für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen, vor allem nachdem sie in Zukunft nach drei Monaten die Arbeitserlaubnis erhalten sollen und später die Vorrangprüfung ganz wegfällt. Das ist entscheidend, damit sie die Qualifikation, die sie mitbringen, in Deutschland verwerten können. Im Zusammenhang mit der Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes regt mich eines wirklich auf. Das hat Rüdiger Veit zu Recht angesprochen. Es gibt eine Möglichkeit, die Kommunen enorm zu entlasten, die das dringend brauchen, und der Menschenwürde der Flüchtlinge gerecht zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte bei seiner Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz nur über das Existenzminimum zu befinden. Aber es hat einen Satz gesagt, den man auf das ganze Gesetz anwenden muss: „Die in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Asylbewerbern steht heute als Gesundheitsfürsorge nur akute Nothilfe und Schmerzbehandlung zu. Mehr gewährleistet das Asylbewerberleistungsgesetz nicht. Ich meine, dass die Behandlung einer Krankheit in einem Sozialstaat wie der Bundesrepublik Deutschland zur Menschenwürde gehört. Deshalb müssen wir die Flüchtlinge endlich krankenversichern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Das ist ein Gebot der Humanität, und es ist klug, die Kommunen so zu entlasten. Das kostet etwas. Ein Kollege von der CDU/CSU fragte gerade, ob das die Beitragszahler bezahlen sollen. Nein, natürlich muss die öffentliche Hand die Beiträge für die Flüchtlinge zahlen. Das können wir nicht den Beitragszahlern aufbürden. Aber das sollten wir schultern. Wenn wir akzeptieren, dass die Menschen, die zu uns kommen, Grundbedürfnisse haben, und wir sie ernst nehmen, dann ist die Gesundheitsversorgung ein erster Schritt, um sie mitten in unsere Gesellschaft zu holen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Herr Minister, Sie haben vorhin die Frage der sicheren Herkunftsstaaten und der Roma angesprochen. Ich war zufälligerweise, weil in Belgrad der Gay Pride stattgefunden hat, eine Woche nach der Entscheidung des Bundesrates selbst in Serbien, und ich habe dort Romasiedlungen besucht. Die Menschen dort sind übrigens zum Teil aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben worden und dann ohne Papiere in Serbien in einer wilden Siedlung aufgetaucht. Sie leben dort ohne Wasserversorgung, ohne Behausung und ohne Zugang zu irgendwelchen Sozialleistungen, weil sie für die serbische Regierung nicht existent sind. Es gibt einige Hundert solcher Siedlungen. Meines Erachtens ist die entscheidende Frage nicht, ob es sich um einen sicheren Herkunftsstaat handelt oder nicht, sondern wie wir in unserem Flüchtlingsrecht damit umgehen, wenn Menschen durch Diskriminierung systematisch der Zugang zu den essenziellen Menschenrechten Nahrung, Wasser, Kleidung und Schutz vor gewalttätigen Übergriffen verwehrt ist. Das betrifft Serbien genauso wie Bulgarien und Rumänien, die sogar Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind. Sie haben deshalb als deutscher Innenminister im Kreis Ihrer europäischen Kollegen eine enorme Verantwortung. Ich finde, der kommen wir in der Bundesrepublik wie auch in den anderen Staaten der Europäischen Union nicht hinreichend nach. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben dafür plädiert, diesen Staaten ein Label auszustellen. Das geht mit der Verantwortung einher, nun dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Menschenrechte dieser Menschen tatsächlich gesichert ist. Sie ist es noch nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Beck. – Nächster Redner ist Stephan Mayer für die CSU-CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir leben aus meiner Sicht seit langem wieder einmal in einer Zeit, in der innenpolitische Themen ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Eine solche Zeit gab es lange nicht mehr. Man kann mit Fug und Recht behaupten: Der Haushalt des Innenministeriums, den wir heute verabschieden, wird den gestiegenen und großen Herausforderungen vollumfänglich gerecht. Das wurde aber erst dadurch erreicht – das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen –, dass in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses ein deutlicher Aufwuchs im Einzelplan 06 ermöglicht wurde. Ich muss ehrlich sagen: Ich persönlich hätte es für nicht möglich gehalten, dass sich ein derartiger Aufwuchs darstellen lässt. Deswegen möchte ich nicht hintanstehen, den Haushältern, insbesondere den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, die diesem Aufwuchs zugestimmt haben, ausdrücklich zu danken. Das kann sich sehen lassen. Allein 113 Millionen Euro zusätzlich werden für die Bundespolizei ein-gestellt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es durchaus -attraktivere Bereiche gibt, denen man sich im Haushaltsauschuss zuwenden könnte, zum Beispiel mehr Geld für Verkehrsinfrastruktur, mehr Geld für soziale Wohltaten oder mehr Geld für Forschung und Bildung. Aber dass hier ein deutliches Signal für die innere Sicherheit und die Bedeutung der Innenpolitik gesetzt wurde, verdient großen Respekt. Deswegen von meiner Seite aus ein herzliches Dankeschön an die Adresse der Haushälter! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Insbesondere der Aufwuchs der Mittel für die Bundespolizei ist ein klares Signal dafür, dass wir verstanden haben, dass die Bundespolizei vor gestiegenen Herausforderungen, vor einem Aufwuchs an Aufgaben steht und dass wir diesen Herausforderungen gerecht werden müssen. 406 zusätzliche Stellen können sich genauso sehen lassen wie 356 zusätzliche Stellenhebungen. Ich möchte gar nicht behaupten, dass damit alles getan ist. Hier gilt der gleiche Grundsatz wie im Fußball: Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Natürlich wird es auch in Zukunft darum gehen, die Bundespolizei sowohl personell als auch sächlich besser auszustatten. Aber das, was in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses erreicht wurde, kann sich wirklich sehen lassen. Ich würde mich freuen, wenn sich die Länder stärker an der Bundespolizei orientieren würden. Bei der Bundespolizei gab es in den letzten zehn Jahren einen Aufwuchs an Stellen. Wenn man sich aber die Gesamtstruktur der Polizeien des Bundes und der Länder anschaut, dann stellt man bedauerlicherweise fest, dass es heute über 10 000 Vollzugsbeamte weniger gibt als vor zehn Jahren. Das stellt eine klare Hausaufgabe für die Länder dar. Wir sollten trotz der aktuellen Themen wie der Bedrohung durch den sogenannten „Islamischen Staat“ und die deutliche Zunahme der Zahl der Asylbewerber nicht vergessen, was die Bevölkerung unmittelbarer betrifft und stärker besorgt: die Alltagskriminalität und die deutliche Zunahme im Bereich der organisierten Kriminalität. Man sollte nicht vergessen, dass in Deutschland alle dreieinhalb Minuten ein Wohnungseinbruchsdiebstahl stattfindet. Solche Themen berühren das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung. Wir sollten uns in der Innenpolitik verstärkt solchen Themen zuwenden. Es geht vor allem darum, den internationalen Austausch von Informationen zu verbessern. In diesem Zusammenhang ist es als ein großer Erfolg anzusehen, dass erstmals in der Geschichte von Interpol – der Dank und die Gratulation gehen an die Adresse des Bundesinnenministers – mit Herrn Dr. Stock, dem bisherigen Vizepräsidenten des BKA, ein deutscher Beamter Generalsekretär wurde. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das kann sich ebenfalls sehen lassen und macht deutlich, dass unsere Sicherheitsbehörden über hervorragendes Personal verfügen. Genauso wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir sinnvolle Präventionsmaßnahmen unterstützen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger persönlich gegen Wohnungseinbruchsdiebstähle besser schützen können. In vielen Städten und Gemeinden nimmt die Verunsicherung zu, weil ein deutlicher Zuwachs an Einbruchsdiebstählen bei Gewerbeansiedlungen und Wohnungen zu verzeichnen ist. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine große Bedrohung stellt mit Sicherheit der internationale Terrorismus dar. Es ist eine außerordentlich besorgniserregende Entwicklung, dass mittlerweile 500 Dschihadisten Deutschland verlassen haben und auf dem Weg nach Syrien und in den Nordirak sind. Aber wir sollten uns gar nicht nur auf die Zahl der aus Deutschland Ausgereisten kaprizieren: Insgesamt sind allein aus Westeuropa mittlerweile über 3 000 Dschihadisten nach Syrien und in den Nordirak gereist. Nach Deutschland sind zumindest nach offiziellen Angaben 180 wieder zurückgekehrt. Diese Rückkehrer werden die Sicherheitsbehörden in Zukunft vor noch größere Herausforderungen stellen. Ich bin Ihnen, Herr Bundesminister, sehr dankbar, dass Sie sehr konsequent und schnell mit der Verbotsverfügung gegenüber dem sogenannten „Islamischen Staat“ gehandelt haben. Das war ein klares Zeichen. Sie haben erwähnt, dass es schon erste Ermittlungsverfahren wegen dieses Betätigungsverbotes gibt. Ich sage aber auch ganz offen: Das wird aus meiner Sicht nicht reichen, weil es nach wie vor heute noch zulässig ist, für Boko Haram, für al-Nusra und für al-Schabab Werbung zu machen. Deswegen bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass wir auch die Debatte führen müssen, ob es nicht richtig ist – ich bin der Meinung, es wäre richtig –, die Sympathiebekundung für ausländische terroristische Organisationen wieder unter Strafe zu stellen, wie es schon vor 2002 der Fall war. (Beifall bei der CDU/CSU) Ausdrückliche Unterstützung bekommen Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, bei Ihrem Vorhaben, das Personalausweisgesetz dahin gehend zu novellieren, dass in Zukunft, wie es schon jetzt beim Reisepass möglich ist, ausreisewilligen Dschihadisten auch der Personalausweis entzogen werden kann. Ich denke, dass wir uns auch intensiv damit beschäftigen sollten, ob wir nicht unser Staatsangehörigkeitsgesetz ändern müssen. Es kann nicht sein, dass Personen, die zwei Staatsangehörigkeiten haben, die deutsche und noch eine, sich offenkundig gegen unsere Werte und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden. Deswegen halte ich es für richtig, dass wir, wie auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien, die gesetzliche Möglichkeit im Staatsangehörigkeitsgesetz schaffen, dass bei Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden kann, um zu verhindern, dass diese Personen wieder nach Deutschland einreisen. (Widerspruch der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Denn gibt es ein deutlicheres Zeichen dafür, dass man sich von Deutschland und von unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgewandt hat, als sich dem sogenannten „Islamischen Staat“ anzuschließen? (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie mal ins Grundgesetz!) In diesem Zusammenhang ist es aus meiner Sicht auch wichtig, ein klares Bekenntnis zum Verfassungsschutz abzugeben. Ich bin dem Haushaltsausschuss dankbar, dass es möglich war, im Haushalt 2015 das Bundesamt für Verfassungsschutz sowohl personell als auch mit Sachmitteln besser auszustatten. Wenn man sich vor Augen führt, dass allein 24 Mitarbeiter des Verfassungsschutzes notwendig sind, um nur einen Dschihadisten in Deutschland rund um die Uhr, also 24 Stunden lang, zu beobachten, dann muss es doch jedem einleuchten, dass wir im Bundesamt für Verfassungsschutz mehr Personal benötigen. Deshalb ein herzliches Dankeschön an die Adresse der Haushälter, dass es zu einem Personalaufwuchs auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz kommt. Ich persönlich bin der festen Überzeugung: Wenn man die Sicherheitsbehörden in Deutschland miteinander vergleicht, dann stellt man fest, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die am schlechtesten ausgestattete Behörde ist, sowohl was das Personal als auch was die Sachausstattung anbelangt. Hier gilt es auch weiterhin deutlich nachzubessern. Natürlich haben Maßnahmen zur Bewältigung der deutlichen Zunahme der Flüchtlinge und Asylbewerber eine hohe Priorität. Es ist schon erwähnt worden: 650 zusätzliche Stellen sind in zwei Haushaltsjahren allein für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschaffen worden. Das wird ermöglichen, dass die Verfahrensdauer deutlich reduziert wird. Es ist auch völlig richtig, dass der Schwerpunkt auf die Bürger gelegt wird, die aus den sicheren Herkunftsstaaten kommen. Es muss erreicht werden, dass die Verfahren der Personen aus den sicheren Herkunftsstaaten schon ab-geschlossen werden, solange die sich noch in der Erstaufnahmeeinrichtung aufhalten, um dann eine schnellstmögliche Rückführung in das Heimatland zu gewährleisten. Auf der anderen Seite ist es genauso richtig, dass die Verfahren der Bürger, die aus Syrien, aus dem Nordirak und aus Afghanistan kommen, ebenso schnell abgewickelt werden, weil zu fast 100 Prozent davon auszugehen ist, dass diese Menschen über Jahre hinweg, vielleicht sogar für immer, in Deutschland bleiben werden. Deswegen unterstützen wir nachdrücklich die Bemühungen, dass auf diese beiden Personenkreise eine hohe Priorität gesetzt wird, was die Verfahrensdauer anbelangt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein großer Erfolg ist, dass es möglich war, das Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten zu verabschieden. Das wird mit Sicherheit – davon bin ich fest überzeugt – eine klare Signalwirkung entfalten. Ich glaube schon, dass es unsere gemeinsame Aufgabe in den nächsten Monaten und vielleicht sogar Jahren sein wird, dass wir den momentan noch vorhandenen – ich hoffe, es bleibt auch so – gesellschaftlichen Konsens in unserer Bevölkerung erhalten, dass wir zu jeder Zeit denen gegenüber offen sind, die politisch verfolgt sind, denen Gefahr für Leib und Leben droht. Es darf auch durch keine Quote und durch kein Kontingent jemals verhindert werden, dass jemand, der aus welchen Gründen auch immer verfolgt ist, der flüchtet, der gedemütigt wurde, der malträtiert wurde, in Deutschland Unterschlupf finden kann. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Um dies zu erreichen, müssen wir auf der anderen Seite konsequenter sein, wenn es um die Abschiebung derjenigen geht, die nicht asylberechtigt sind. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) Es kann nicht sein, dass der Grundsatz gilt: Wer asylberechtigt ist, der darf in Deutschland bleiben, und wer nicht asylberechtigt ist, der darf auch in Deutschland bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieser Grundsatz darf eben nicht gelten. Da geht der Appell vor allem in Richtung der Länder, konsequenter abzuschieben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit; sonst muss ich bei einem anderen Mitglied Ihrer Fraktion Redezeit abziehen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Abschiebung steht kurz bevor!) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Ich komme sehr gerne zum Schluss. Ich darf mich abschließend wirklich ganz herzlich bedanken. Wie so häufig hat der Erfolg viele Väter. Ich möchte aber nicht verhehlen, dass es vor allem die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und insbesondere die Fachpolitiker in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion waren, die nachdrücklich immer wieder darauf hingewiesen haben, dass der Einzelplan 06, vor allem was die Sicherheitsbehörden anbelangt, nicht auskömmlich ausgestattet ist. Insofern noch einmal ein herzliches Dankeschön für dieses gute Ringen um den richtigen Weg. Ich glaube, das ist wirklich ein Erfolg, der sich sehen lassen kann. Dieser Erfolg verdient auf jeden Fall die Zustimmung des gesamten Hohen Hauses. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Mayer. – Frau Dr. Eva Högl von der SPD ist die nächste Rednerin. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Eva Högl (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Unsere Sicherheitsbehörden leisten eine hervorragende Arbeit. Ich finde, es ist eine gute Gelegenheit, in der Haushaltsdebatte zum Innenhaushalt dies noch einmal ausdrücklich zu betonen. Dass wir hier alle sicher leben, dass wir vor Straftaten geschützt werden, dass Straftaten aufgeklärt werden, das haben wir – das ist heute schon ein paarmal gesagt worden; ich betone es aber noch einmal – den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei – wir sprechen hier insbesondere über die Bundespolizei –, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes zu verdanken. Diese leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Sicherheit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich komme zum Thema Kritik. Es ist richtig und wichtig, dass wir dort, wo es angebracht ist, Kritik üben. Wir haben in der letzten Sitzungswoche über die NSU-Mordserie gesprochen. Wir haben im Untersuchungsausschuss im Zusammenhang mit dieser Mordserie nicht nur Fehler und Versäumnisse, sondern ein echtes Versagen aufdecken müssen. Insofern ist es richtig, dass wir das hier nicht nur ansprechen und aufgreifen, sondern auch – das ist für uns entscheidend – zum Ausgangspunkt für zahlreiche Reformen nehmen. Ich möchte die Reformen beim Verfassungsschutz ansprechen, die wir vor uns haben. Herr Minister, wir haben uns diese Reformen für das nächste Jahr vorgenommen. Wir wollen den Verfassungsschutz grundlegend reformieren. Einige Bundesländer haben das schon gemacht, und auch wir müssen das für den Bund auf jeden Fall in Angriff nehmen. Wir müssen die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes verbessern. Wir haben es beim NSU-Untersuchungsausschuss gesehen: Rechtsextremismus wurde über viele Jahre – man kann sagen: Jahrzehnte – verharmlost, und Rechtsextremismus wurde nicht als Gefahr für unsere Gesellschaft gesehen. Das müssen wir ändern. Da ist der Verfassungsschutz gefragt, ganz frühzeitig Entwicklungen zu registrieren und dann gut im Blick zu behalten. Wir haben es jüngst beim Thema HoGeSa in Köln gesehen, dass ganz offensichtlich die Einschätzung falsch war, dass Rechtsextreme nicht in der Lage sind, ganz kurzfristig mehrere Tausend Menschen nach Köln zu mobilisieren und dort nicht nur die Polizei, Bürgerinnen und Bürger, sondern auch unsere Sicherheit insgesamt zu bedrohen und Stimmung zu machen. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Verfassungsschutz gut reformieren und gut aufstellen. Es gibt ein paar Punkte, die wir uns dabei vorgenommen haben; sie betreffen die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Wir wollen hier im Deutschen Bundestag dafür werben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Zentralstelle wird. Das wäre richtig und wichtig. Nicht für alles ist eine Zentrale die richtige Stelle. Wir wollen den Föderalismus natürlich beibehalten und, wie wir betonen, auch im Innenbereich; aber manche Dinge sind in der Zentralstelle doch besser aufgehoben. Deswegen müssen wir das BfV an dieser Stelle stärken. Wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den gesamten Bereich der V-Leute neu regeln. Wir sind der Auffassung: Wir brauchen V-Leute. Aber wir haben feststellen müssen, dass ihr Einsatz, ihre Führung, ihre Bezahlung und auch ihre Kontrolle nicht ansatzweise dem genügen, was wir für erforderlich halten, damit sie wertvolle Informationen geben können und uns bei der Beurteilung der Lage helfen können. Ich werbe an dieser Stelle noch einmal dafür, dass wir die G-10-Kommission ins Boot holen und die Kontrolle über den Einsatz der V-Leute auf die G-10-Kommission verlagern. Es ist nichts, was nur parlamentarische Aufgabe ist; aber es ist auch nichts, was allein in der Behörde bleiben kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen in den Sicherheitsbehörden exzellente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben da schon viele; aber nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann. Wir verlangen viel von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden; unsere Erwartungen sind hoch. Deswegen ist es auch richtig und gut – das ist heute schon ein paarmal betont worden; ich betone es noch einmal und danke auch hier den Haushälterinnen und Haushältern –, dass wir die Sicherheitsbehörden gut ausstatten sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut bezahlen. (Beifall bei der SPD) Es kann nicht sein, dass Beamte der Bundespolizei Teile ihrer Ausrüstung selbst bezahlen müssen, dass sie Knieschützer oder Anoraks selbst kaufen müssen. Es kann auch nicht sein, dass beim Verfassungsschutz bestimmte Entwicklungen nicht in den Blick genommen werden, weil nicht genügend Personal da ist. Deswegen ist es gut, dass wir 20 Millionen Euro zusätzlich für Ausrüstung und Fahrzeuge bei der Bundespolizei sowie 400 Stellen zusätzlich bereitstellen und außerdem – das möchte ich auch noch einmal betonen – auf 250 Stellen bei der Bundespolizei Beförderungen möglich machen. Es ist nämlich wichtig, dass wir gute Arbeit gut belohnen und auch Anreize schaffen. (Beifall bei der SPD) Ich unterstütze ausdrücklich, dass wir die Mittel für das Bundesamt für Verfassungsschutz aufstocken, dass wir 10 Prozent – rund 21 Millionen Euro – mehr dafür bereitstellen; denn – ich habe es eben schon gesagt – auch der Verfassungsschutz leistet eine wichtige Arbeit und muss entsprechend unterstützt werden. (Beifall des Abg. Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]) Wir werden bei künftigen Haushaltsberatungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal über Cyber-kriminalität, über das Thema Kinderpornografie und das Thema „Ausstattung des Bundeskriminalamts“ sprechen müssen. Wir sehen im Untersuchungsausschuss gerade, was für eine exzellente Arbeit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, die sich mit dem schwierigen Thema Kinderpornografie befassen, dabei leisten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte das nicht den ganzen Tag machen. Deswegen auch an dieser Stelle ein Dankeschön dafür! Ich glaube, dass wir da auch noch Nachholbedarf haben. Wenn wir wollen, dass Kinderpornografie besser und wirksamer bekämpft wird, müssen wir das Bundeskriminalamt und die anderen Stellen besser ausstatten. Ich habe über Sicherheit gesprochen; jetzt noch ein Wort zur Demokratieförderung. Wir setzen auch beim Kampf gegen Rechtsextremismus gute Akzente. Wir haben im Einzelplan 06 das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Ich sage es ganz offen: Die SPD-Bundestagsfraktion hätte dieses Programm sehr gern weiter aufgestockt. Wir haben dafür 6 Millionen Euro vorgesehen. Wir hätten es gern auf Westdeutschland ausgedehnt, damit wir auch Vereine und Verbände in Westdeutschland hinsichtlich Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen besser ausstatten können. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird auf Westdeutschland ausgedehnt! Aber ohne mehr Geld!) Das war leider nicht möglich; das hätte ich aber gut gefunden. Was aber möglich war – das betrifft jetzt nicht den Einzelplan 06, aber ich möchte es an dieser Stelle hervorheben –: Wir haben erreicht, dass 10 Millionen Euro mehr für das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ bereitgestellt werden, und das ist ein riesengroßer Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben jetzt 40 Millionen Euro für dieses wichtige Programm. Wir reden nicht nur, sondern wir handeln. Wenn man das mit dem zusammenzählt, was die Bundeszentrale für politische Bildung erhält – das sind weitere 5 Millionen Euro –, dann kommen wir sogar auf die 50 Millionen Euro, die wir im NSU-Untersuchungsausschuss immer gefordert haben und die wir brauchen, um uns in der Demokratie wirksam gegen Rechtsextremismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit zu engagieren. Das, denke ich, ist ein großer Erfolg. Den eingeschlagenen Weg gehen wir weiter. Ich danke allen, die dafür geworben und gekämpft haben und sich daran beteiligt haben, und freue mich auf weitere innenpolitische Debatten zum Thema Haushalt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Eva Högl. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. André Berghegger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die solide Finanzpolitik der Bundesregierung erfährt, glaube ich, eine immer breitere Zustimmung in der Bevölkerung und auch bei den Wissenschaftlern in unserem Land. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine lustige Wahrnehmung!) Die schwarze Null war, ist und bleibt dabei, denke ich, ein Kernanliegen der Union. Mit dem anstehenden Beschluss über den Haushaltsplan 2015 halten wir Wort. Das schafft Vertrauen, und – wie hat unser Bundesfinanzminister heute Morgen gesagt? – das ist auch sehr wichtig in der fragilen Situation der Wirtschaft in Europa. Lieber Stephan Mayer, ich nehme dein Zitat gerne auf, nur in etwas anderer Weise. Die Fußballweisheit „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ gilt auch hier; denn wir können uns kurz über diesen ausgeglichenen Haushalt freuen. Aber entscheidend ist, dass wir das nachhaltig angehen, dass wir dauerhaft ausgeglichene Haushalte ohne Neuaufnahme von Krediten beschließen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wird es dann eher traurig!) Das erfordert natürlich Ausgabendisziplin. Ich glaube, wir tun gut daran, an dieser Stelle erst einmal das zu beschließen, was wir zwingend vereinbart haben – das ist schwierig genug –, bevor wir uns neuen Projekten zuwenden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein Haushalt ohne neue Schulden ist ja kein Selbstzweck, sondern er soll schlicht und ergreifend die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sichern. Konsolidieren und Wachsen gehen zusammen. Das haben wir, glaube ich, an den Wachstumsraten in Deutschland in den letzten Jahren feststellen können. Außerdem wird dadurch Beschäftigung geschaffen. Das ist generationengerecht, und eine solche Politik schafft Spielräume für die Zukunft und auch für diesen Einzelplan. Ich denke, ein Haushalt muss Antworten auf gesellschaftspolitische Fragen liefern. Auf diese gesellschaftspolitischen Fragen liefert zum Teil auch dieser Einzelplan 06 Antworten. Wir hatten einen guten Entwurf der Bundesregierung. Den haben wir in den Beratungen aber Stück für Stück noch spürbar verbessert mit einem Schwerpunkt im Bereich der inneren Sicherheit. Ich glaube, dafür gab es im Haushaltsausschuss große -Rückendeckung über alle Fraktionen hinweg. Aber – auch das wurde in dieser Debatte mehrfach deutlich – im Einzelplan 06 geht es nicht darum, den Status quo zu bewahren, sondern es ist ein Anfang gemacht, und wir müssen schauen, wo wir weitermachen können, wenn wir Spielräume erarbeiten. Der Einzelplan wächst um 350 Millionen Euro im Vergleich zum Regierungsentwurf. Das ist ein beachtlicher Wert. Herr Bartsch, Sie haben dazu am Anfang der Debatte, glaube ich, gesagt: Dies ist aus meiner Sicht keine Resultante der schwarzen Null – so haben Sie es, glaube ich, formuliert –, sondern das ist eine bewusste politische Schwerpunktsetzung im Laufe des parlamentarischen Verfahrens hin zum Bereich innere Sicherheit. – Auch ich glaube, das ist sehr gut so. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Nachrichten in den letzten Monaten sind geprägt von den Stichworten: Krisen, Terror, Ausbreitung von Seuchen. Meldungen und Bilder davon sehen wir jeden Tag, und sie erschüttern uns. Insbesondere meine ich damit natürlich die Krise in der Ukraine, wo nach wie vor jeden Tag Leute umkommen, das Terrorregime des sogenannten „Islamischen Staats“ und die Ausbreitung der Ebolaseuche in Westafrika. Das scheint alles sehr weit weg von uns zu sein. Aber in Wirklichkeit ist es uns ganz nah. Wer einmal interessehalber die Entfernungen von Berlin nach Kiew bzw. bis zur Krim heraussucht, wird feststellen, dass das alles viel näher ist als teilweise uns sehr bekannte Urlaubsziele. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir uns damit intensiv beschäftigen und dass wir Hilfe in dem Umfang gewähren, wie wir das können. Ich glaube, Deutschland leistet einen sehr guten Beitrag im Rahmen der internationalen Gemeinschaft; denn nur durch gemeinsame Anstrengungen können wir wirkungsvolle Unterstützung liefern. Natürlich haben die angesprochenen Themen auch Auswirkungen auf die Innenpolitik und insbesondere auf den Geschäftsbereich des Innenministeriums. Einige Stichworte wurden schon angesprochen. Ich möchte sie aber – sehen Sie es mir nach – gerne wiederholen. Ich beginne als Erstes mit der Bundespolizei. Der Aufgabenbereich hier ist stetig gewachsen. Die Stichworte sind gefallen: Sicherung von Flughäfen und Bahnhöfen, Überwachung der Grenzen gegen Schmuggel und natürlich in letzter Zeit vermehrt gegen illegale Migration, Aufgaben bei Fußballspielen und Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Vor kurzem konnte ich mir mit Kolleginnen und Kollegen einmal wieder persönlich ein Bild von der Arbeit der Bundespolizei machen. Wir durften teilnehmen an einer grenzübergreifenden Großkontrolle von deutschen und niederländischen Polizeibeamten an der A 30. Mit Händen war dort zu greifen, dass die Beamtinnen und Beamten bis an ihre Belastungsgrenze gehen, sowohl in personeller als auch sachlicher Hinsicht. Ihre Arbeit ist für uns von unschätzbarer Bedeutung. Wir haben schlicht und ergreifend die Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sie ihre Arbeit weiterhin gut leisten können. Ich denke, da sind wir auf einem vernünftigen Weg. An dieser Stelle möchte ich mich gerne dem Dank an die Beamtinnen und Beamten anschließen: Vielen Dank für ihren unermüdlichen Einsatz zum Wohl unserer Gesellschaft! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Entsprechende Weichenstellungen im Haushalt sind vorgenommen worden: Die Aufstockung der Mittel und ebenso die neu geschaffenen Stellen aufgrund von Stellenanhebungen – neben dem bereits existierenden Stellenhebungsprogramm – wurden bereits angesprochen. Dies ist, wie ich glaube, eine gute Voraussetzung für die zukünftige Arbeit. Ebenso erwähnen möchte ich die Mittel für die Anschaffung moderner Schutzbekleidung und neuer Einsatzfahrzeuge. Dadurch haben wir gute Voraussetzungen zur Entwicklung mithilfe dieses Einzelplans geschaffen. Ich fühle mich bestätigt durch ein Schreiben vom Hauptpersonalrat des Bundesinnenministeriums, das nicht nur ich, sondern auch die anderen Mitglieder des Innen- und Haushaltsausschusses bekommen haben. Darin bedankt er sich für unser Engagement hinsichtlich der Schwerpunktsetzung dieses Einzelplans. Dieses Schreiben traf nach der Beschlussfassung ein. Es handelt sich also um ein Dankesschreiben und nicht um ein Schreiben mit Wünschen und Forderungen im Vorfeld. Ich glaube, auch das zeigt, dass wir auf einem richtigen Weg sind. Der zweite Punkt – wahrscheinlich zählt dieser Punkt zu den größten Herausforderungen, die vor uns stehen – umfasst die Migration und Integration. Die Integrationsarbeit ist für unsere Gesellschaft wichtig, für die Zukunft wahrscheinlich existenziell wichtig. In verschiedenen Facetten haben wir diesen Bereich aufgewertet: Zuschüsse für die Minderheitengremien und für die Migrationsberatung von erwachsenen Zuwanderern und mehr. Ein Ziel für uns muss es aber sein, eine deutliche Beschleunigung der Asylverfahren zu erreichen. Dafür lieferte natürlich die neue Einstufung in sichere Herkunftsländer einen Beitrag. Das bietet die Grundlage für die Ablehnung von offensichtlich unbegründeten Anträgen von Personen aus diesen Ländern. Unbeschadet dieser Möglichkeit können die Betroffenen natürlich individuell immer wieder versuchen, nachzuweisen, dass sie politisch verfolgt werden. Wir müssen auf die dynamische Entwicklung in diesem Bereich reagieren. Die Zahl der Asylbewerber aufgrund von Flucht und Vertreibung, insbesondere aus dem syrischen Raum, nimmt deutlich zu. Aktuell liegen noch 150 000 Anträge vor, über die noch nicht entschieden worden ist. Die 650 bereitgestellten Stellen dienen auch dazu, diese Anträge abarbeiten zu können. Es ist eine riesige Herausforderung, der wir uns alle – Bund, Länder und Kommunen – stellen müssen, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja! Bund, Länder und Kommunen!) um dieser Herausforderung Herr zu werden und eine gute Entwicklung zu ermöglichen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Als dritter Punkt muss an dieser Stelle die Arbeit der Stiftungen und der Bundeszentrale für politische -Bildung ebenfalls hervorgehoben werden. Sie spielen insofern eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Terrorismus, als von den politischen Stiftungen Aufklärungsarbeit hier im Land, aber auch im Ausland geleistet werden kann. Sie tragen dazu bei, dass in Krisenregionen demokratische Strukturen aufgebaut und die Zivilgesellschaften gestärkt werden. Auch hier haben wir eine deutliche Aufwertung erzielen können. Da schon meine Vorredner Details genannt haben, muss ich sie nicht wiederholen. Ich möchte als vierten Punkt noch den Katastrophenschutz ansprechen. Humanitäre Katastrophen erfordern eine schnelle und effiziente Hilfe. Dies geschieht im In- wie im Ausland. Diese Hilfe ist sowohl im Ausland bei einer Epidemie wie Ebola wie auch im Inland bei den leider immer wiederkehrenden Flutkatastrophen zu leisten. Wir tun gut daran, die entsprechenden Mittel deutlich aufzustocken. Das ist gut angelegtes Geld. Wir versuchen natürlich, eine Verstetigung der Mittel auf hohem Niveau zu erreichen. Dadurch wird sichergestellt, dass beispielsweise das THW seine hervorragende Arbeit auch in Zukunft leisten kann. Wir sorgen dafür, dass die Voraussetzungen dafür vorhanden sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einen kleinen Punkt ansprechen, der heute noch gar nicht erwähnt worden ist und für den sich Erika Steinbach, die hier anwesend ist, über viele Jahre eingesetzt hat. Ich freue mich, dass wir einen kleinen Titel im Haushalt beschlossen haben, in dem Geld für den Festakt zum Anlass des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung, der ab 2015 jährlich am 20. Juni abgehalten werden soll, eingestellt ist. Mich freut es, dass wir diesen Schritt endlich gehen konnten. Jetzt bleibt mir nur noch übrig, Dank all denjenigen zu sagen, die sich konstruktiv an den Beratungen beteiligt haben. Ich glaube, dieser Einzelplan bietet eine gute Grundlage für die Arbeit im kommenden Jahr. Herzlichen Dank fürs freundliche Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Kollege Berghegger. – Nächste Rednerin: Susanne Mittag für die SPD. (Beifall bei der SPD) Susanne Mittag (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt ja nicht so oft vor, dass wir Politiker nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Lob von Gewerkschaften erhalten. Das Lob der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei freut mich und uns deswegen natürlich besonders. Andererseits wirft es eben auch ein Schlaglicht darauf, wie die Situation bei den Sicherheitsbehörden vorher aussah. Denn Polizisten beklagen sich erst einmal nicht; sie ertragen sehr lange eigentlich nicht mehr hinnehmbare Situationen, versuchen alles, um doch noch ihren Dienst für die Sicherheit in unserem Land zu leisten. Deshalb braucht es sehr lange, bis Polizisten eine Demo für eine Verbesserung ihrer Personalsituation und Ausstattung veranstalten. Diese Demonstration fand im November hier in Berlin statt. Wir haben die Forderungen mitgenommen, und ich freue mich sehr, dass zumindest für einige Punkte im Haushalt Verbesserungen erreicht werden konnten. Es ist schon ein Erfolg der Großen Koalition, dass 205 Stellen zur Bewachung der schon erwähnten Goldreserven der Deutschen Bundesbank neu geschaffen werden. Es ist auch ein Erfolg, dass es 140 neue Stellen für die Bundespolizei zum Schutz des zivilen Luftverkehrs an Flughäfen gibt. Es ist des Weiteren ein Erfolg, dass es 60 neue Stellen für den Personenschutz im Ausland, also an den deutschen Botschaften, gibt. Es ist zudem ein Erfolg – das ist schon erwähnt worden –, dass das Stellenhebungsprogramm fortgesetzt und ausgeweitet wird. Es ist weder zumutbar, noch können polizeiliche Aufgaben erfüllt werden, wenn Bundespolizisten in Fahrzeugen, die teilweise deutlich älter sind als sie selber, in den Einsatz fahren und dann auch noch eine bröckelnde, schwere Schutzweste mit ihrem Kollegen teilen müssen. (Beifall bei der SPD) Daher ist die Bereitstellung von zusätzlichen 20 Millionen Euro für Ausrüstung und Fahrzeuge unbedingt notwendig; auch das ist ein Erfolg der Haushaltsberatungen. Ich gebe aber auch zu, dass ich mir in einigen Bereichen des Haushaltes doch ein bisschen mehr erhofft hätte. Das BKA zum Beispiel hat nur 20 neue Stellen plus 6 weitere sogenannte Verfügungsstellen erhalten. Das freut mich grundsätzlich schon. Aber insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität hätte ich mir da ein bisschen mehr gewünscht. In der vergangenen Woche war die Herbsttagung des BKA in Mainz. Dort wurde der langjährige Präsident Jörg Ziercke in den Ruhestand verabschiedet. Ihm möchte ich an dieser Stelle explizit im Namen der SPD-Bundestagsfraktion für seine Arbeit an der Spitze des BKA danken. Auch wenn Herr Ziercke ab und an ein streitbarer Geist war und auch bleibt: Seine Fachkompetenz ist hier im Hause und auch in seiner Behörde hochgeschätzt und anerkannt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Das Thema der Herbsttagung in Mainz war die organisierte Kriminalität. Wer erfahren will, welche Bedrohung die organisierte Kriminalität – abgesehen vom auch immensen wirtschaftlichen Schaden – für das subjektive -Sicherheitsgefühl in unserer Gesellschaft darstellt, muss bloß einmal mit Opfern eines Einbruchsdiebstahls, eines Schockanrufes oder eines Enkeltricks sprechen. Diese Taten werden häufig von international agierenden Banden durchgeführt und hinterlassen fast in jedem Falle traumatisierte Opfer. Und die Fallzahlen steigen hier seit Jahren. Genau deshalb müssen wir das BKA weiter stärken; denn es hat in der Ermittlungsarbeit zwischen den Bundesländern und den europäischen Institutionen eine verbindende Funktion. Wenn wir – so habe ich Ihre Ausführungen, Herr Minister de Maizière, in Mainz verstanden – die Bekämpfung der organisierten Kriminalität sehr ernst nehmen, müssen wir hier auch mehr investieren. Ich bin da zuversichtlich im Hinblick auf den Haushalt 2016. Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen klar zu dem Ziel, den nachkommenden Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen; das ist hier schon mehrfach gesagt worden. Allerdings ist für uns dabei nicht nur ein ausgeglichener Haushalt entscheidend, sondern auch, dass die Infrastrukturen und Einrichtungen, die wir für ein sicheres Zusammenleben in unserem Land brauchen, zukunftssicher sind. Wir brauchen Feuerwehren, Rettungsdienste und das THW, die gut ausgerüstet sind, um helfen zu können. Wer oftmals in seiner Freizeit Dienst für unsere Gesellschaft leistet, sollte nicht mit marodem Material aus sanierungsbedürftigen Dienststellen in den Einsatz fahren müssen. Wir haben die Mittel für das THW im laufenden Haushaltsjahr 2014 zu Recht um 10 Millionen Euro erhöht. Das war im Haushalt 2015 leider nicht möglich. Aber wir haben den Regierungsentwurf deutlich verbessert: 4 Millionen Euro zusätzlich und eine Verpflichtungsermächtigung über 23 Millionen Euro bis 2018, um endlich die vielerorts maroden THW-Unterkünftige und -Liegenschaften zu sanieren. Viele Länder beneiden uns um unsere freiwilligen Feuerwehren und um die ehrenamtlichen Helfer des THW und der Rettungsdienste. Wir dürfen durch das Sparen nicht deren Existenz und Zukunftsfähigkeit verspielen. Sicherheit – auch das ist Infrastruktur, die wir erhalten müssen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit nachfolgenden Generationen gegenüber und auch der sozialen Gerechtigkeit. Es darf nicht sein, dass die Sicherheit des Einzelnen vom eigenen Geldbeutel abhängt. Mit dem vorliegenden Haushalt haben wir von CDU/CSU und SPD bewiesen, dass wir bereit sind, für die innere Sicherheit Geld in die Hand zu nehmen. Wenn neue Aufgaben, die BKA, Bundespolizei, BSI, THW und andere Behörden übernehmen sollen, in den Haushaltsberatungen in den kommenden Jahren berücksichtigt und Versäumnisse der Vergangenheit aufgearbeitet werden, können wir froh sein; denn Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Mittag. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Michaela Engelmeier für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michaela Engelmeier (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was gibt es Schöneres, als als letzte Rednerin des Tages zu einem Superthema zu sprechen? (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf der Bambi-Verleihung sprechen zu dürfen!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Da fällt mir schon was ein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU/CSU) Michaela Engelmeier (SPD): Drei Minuten für den Sport; das ist, finde ich, eigentlich ganz gut. Seit die SPD in der Regierung ist, geht es wieder richtig aufwärts mit dem Sport. (Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass das immer noch steigerbar ist! Wahnsinn!) Bereits zum Abschluss des letzten Haushalts stand ich an dieser Stelle und habe für Kontinuität im Sporthaushalt geworben. Nun stehe ich ein knappes halbes Jahr später wieder hier, und es sind zwei Aufträge, die wir formuliert hatten, in Erfüllung gegangen: Zum einen hat unsere Fußballnationalmannschaft die WM gewonnen und den Titel nach Hause gebracht – herzlichen Glückwunsch! –, (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das liegt aber nicht nur an der SPD, Frau Engelmeier!) und zum anderen stellen wir durch effektive Verhandlungen in den Haushaltsberatungen einen hohen Zuschlag für den Sport bereit. Gemeinsam mit den Fachpolitikerinnen und Fach-politikern sowie den Haushältern der Koalition ist es uns gelungen, stolze 15 Millionen Euro extra für die Sportförderung in Deutschland freizugeben. Ein sportlicher Einsatz! (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Auch dank der CDU/CSU-Fraktion!) – Entschuldigung, Sie waren natürlich auch daran beteiligt. Mit der Sportförderung unterstützen wir die Vielfalt unserer Gesellschaft und die Freude am Wettkampf. Wir stärken Integration und Inklusion und haben – hören Sie gut zu! – die Kürzungen beim Behindertensport abgewandt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch dieses!) Im Kampf gegen Doping haben wir den Bundeszuschuss für die Nationale Anti Doping Agentur, NADA, nochmals deutlich erhöht. Die Finanzierung teilen sich Staat und Sport übrigens zur Hälfte. Der Bund hat seinen Beitrag erfüllt, jetzt ist der organisierte Sport am Zuge. Durch diese kräftige Finanzspritze geben wir den Weg frei für die Vorbereitung von Olympia und der Paralympics in Rio 2016. Das bedeutet: deutlich mehr Mittel für die olympischen Sportverbände, für das olympische Top-Team, die Trainerinnen und Trainer und das Personal im Leistungssport sowie die Projektförderung der Institute IAT und FES. Wir finden: Gute Arbeit muss gut bezahlt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch das ist wahr! Jawohl!) Der Weg an die Weltspitze ist hart und das Ergebnis sorgfältiger Vorbereitung: vom Nachwuchstraining bis zum Wettkampfhöhepunkt. Der Bundestag leistet nun seinen Teil, damit der autonome Sport die Sportlerinnen und Sportler angemessen fördern kann. Im Klartext: Wir haben geliefert, der Ball liegt nun beim organisierten Sport. Ich appelliere an den Deutschen Olympischen Sportbund: Halten Sie Ihr Wort, und setzen Sie mit der seit langem überfälligen Reform der Spitzensportsystematik richtige Akzente! Bündeln Sie unsere Steuergelder, verteilen Sie sie gerecht und nachhaltig! Lassen Sie intransparente Verfahren sein, und gestalten Sie die Sportför-derung offen und effektiv! Nehmen Sie Kritik und Anregungen auf, und präsentieren Sie eine schlagkräftige Organisation des deutschen Spitzensports! – Die Abstimmung mit dem Parlament ist noch ausbaufähig. Ich lade Sie gerne zu weiteren Gesprächen in den Bundestag ein. Die SPD im Bundestag steht jederzeit zur Verfügung, um Rahmenbedingungen für einen fairen und integren Sport mitzuentwickeln. Noch kurz ein Wort zum Referentenentwurf des neuen Anti-Doping-Gesetzes. Sie können sicher sein – und das ist eine Botschaft von mir –: Wir kämpfen für einen fairen und sauberen Sport, gegen Doping und Manipulation. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als bekennender Fußballfan sage ich: Es würde sich anbieten, den Wissenschaftlichen Dienst zu befragen, ob es tatsächlich die SPD war, die für den Erfolg bei der Weltmeisterschaft zuständig war. Ich sehe Nicken bei Kollegen Grindel. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 06 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 06 ist angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Ablehnung von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken. Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 26. November 2014, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. (Schluss: 17.25 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 25.11.2014 Bellmann, Veronika CDU/CSU 25.11.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 25.11.2014 Dr. Braun, Helge CDU/CSU 25.11.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 25.11.2014 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.11.2014 Feiler, Uwe CDU/CSU 25.11.2014 Fischer (Karlsruhe-Land), Axel E. CDU/CSU 25.11.2014 Frieser, Michael CDU/CSU 25.11.2014 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 25.11.2014 Heller, Uda CDU/CSU 25.11.2014 Hellmich, Wolfgang SPD 25.11.2014 Kermer, Marina SPD 25.11.2014 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.11.2014 Nietan, Dietmar SPD 25.11.2014 Nissen, Ulli SPD 25.11.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 25.11.2014 Tempel, Frank DIE LINKE 25.11.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.11.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 25.11.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 25.11.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nina Warken (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (25. BAföGÄndG), Druck-sache 18/3181 (66. Sitzung, Tagesordnungspunkt 13 a) In der Ergebnisliste ist mein Name nicht aufgeführt. Mein Votum lautet: Nein. Anlagen II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 68. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 68. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 6497 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 6412 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 68. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 68. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 6499