Plenarprotokoll 18/77 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 77. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 22: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: zur UN-Klimakonferenz in Lima 7383 A Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB 7383 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 7386 A Matern von Marschall (CDU/CSU) 7387 B Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 7388 C Frank Schwabe (SPD) 7389 D Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) 7391 B Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 7392 C Dr. Matthias Miersch (SPD) 7394 A Peter Stein (CDU/CSU) 7394 D Dr. Bärbel Kofler (SPD) 7396 A Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) 7397 B Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV Drucksache 18/3549 7398 B Katja Kipping (DIE LINKE) 7398 B Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) 7399 C Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) 7400 A Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 7402 D Dr. Martin Rosemann (SPD) 7403 C Matthäus Strebl (CDU/CSU) 7405 A Katja Kipping (DIE LINKE) 7406 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 7406 B Dr. Matthias Bartke (SPD) 7408 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 7408 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 7409 C Albert Stegemann (CDU/CSU) 7410 C Markus Paschke (SPD) 7412 A Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) 7413 B Ewald Schurer (SPD) 7414 A Tagesordnungspunkt 24: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Regionale Wirtschaftspolitik – Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen Drucksache 18/3404 7415 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Koordinierungsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab 1. Juli 2014 Drucksache 18/2200 7415 C Andrea Wicklein (SPD) 7415 D Thomas Nord (DIE LINKE) 7417 A Jan Metzler (CDU/CSU) 7417 D Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 7418 D Karl Holmeier (CDU/CSU) 7420 A Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gentechnik-Anbauverbot bundeseinheitlich und konsequent umsetzen Drucksache 18/3550 7421 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 7421 A Kees de Vries (CDU/CSU) 7422 B Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 7423 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 7423 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 7424 C Carola Stauche (CDU/CSU) 7425 C Johann Saathoff (SPD) 7427 B Nächste Sitzung 7428 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7429 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7429 D Inhaltsverzeichnis 77. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zur voraussichtlich letzten Plenarsitzung dieses Jahres. Änderungen für die bereits gestern modifizierte Tagesordnung gibt es nicht mehr. Wir können also gleich in den Tagesordnungs-punkt 22 eintreten: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur UN-Klimakonferenz in Lima Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 60 Minuten vorgesehen. – Dazu sehe ich Einvernehmen. Dann verfahren wir so. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Frau Hendricks. Bitte sehr. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eine aktive Klimapolitik gehört heute zum gesellschaftlichen Konsens in Deutschland. Alle politisch aktiven Menschen, ob im Bundestag, in den Ländern oder Kommunen, stellen sich heutzutage den Herausforderungen des Klimaschutzes. Nehmen Sie die Energiewende! Sie ist eine Tochter unserer Klimaschutzpolitik. Die Aktivitäten in Wirtschaft und Politik zur Minderung von Treibhausgasemissionen bewirken zunehmend, dass sich Wachstum und Wohlstand vom Ressourcenverbrauch und vom Energieverbrauch abkoppeln. Das wäre vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen. Dies ist ein Fortschritt und tatsächlich eine richtig gute Entwicklung. Wir nehmen in Deutschland Schritt für Schritt Abschied von klimafeindlichen Technologien; mehr noch: Wir entwickeln Technologien und Lösungen, mit denen eine klimaverträgliche und wirtschaftliche Entwicklung überhaupt erst möglich ist. In der EU haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2050 80 bis 95 Prozent weniger CO2-Emissionen zu verursachen. Für Deutschland bedeutet das, dass wir eher am oberen Ende dieses Korridors landen wollen. Damit werden wir aber nicht auf unseren Platz als eine führende Industrie- und Exportnation oder als Technologieführer verzichten – weder müssen wir das noch wollen wir das –; ganz im Gegenteil: Der Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen ist eine herausragende Chance, um unseren Wohlstand auch für die Zukunft zu sichern und um Deutschlands Position als Industrienation zu festigen und auszubauen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, aber schauen wir nicht nur auf uns selbst! Das Klima macht, wie wir alle wissen, natürlich nicht an Ländergrenzen halt. Die Folgen des Klimawandels sind schon heute ungerecht verteilt. Es sind die Menschen in den ärmsten Staaten und in den ärmsten Regionen, die am meisten unter Extremwetterereignissen und deren Folgen wie zum Beispiel Ernteausfällen zu leiden haben. Wenn sich diese Entwicklung durch den fortschreitenden Klimawandel weiter verschärft, dann verschärfen sich auch die regionalen und die globalen Konflikte um Wasser, um Land, um Rohstoffe und um Energie. Die Auswertung der Daten, die weltweit im Zusammenhang mit dem Klima gesammelt werden, hat ergeben, dass 12 der 14 wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im 21. Jahrhundert liegen. Als ich dies in der Vorlage gesehen habe, habe ich ein Fragezeichen daran gemacht und gefragt: Ist das richtig? Das 21. Jahrhundert ist ja noch nicht lange im Gange. Trotzdem liegen 12 der 14 wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in diesem 21. Jahrhundert. Es gibt keine vernünftigen Zweifel mehr daran, dass die Erkenntnisse der Klimawissenschaftler uns zum Handeln zwingen. Der Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen ist ein Kampf um eine gerechtere und eine friedlichere Welt. Ja, Klimapolitik ist auch Friedenspolitik. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In einer Zeit, in der Krisen und kriegerische Konflikte immer mehr Menschen zu Flüchtlingen machen, brauchen wir Zeichen der Solidarität in der Welt. Dieses Zeichen könnte und sollte von einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik ausgehen. Wenn wir es schaffen, die Erderwärmung zu begrenzen und damit neue Ungerechtigkeiten zu verhindern, wäre das ein unübersehbares Symbol globaler Solidarität. Ein weltweites Klima-abkommen, an dem alle Staaten beteiligt sind, kann, ja muss ein Beispiel dafür sein, dass wir gute Lösungen finden können, wenn wir fair miteinander verhandeln. Ein solches Beispiel könnte auch bei anderen Konflikten helfen. Lösungen können im Interesse aller Menschen unabhängig von ihrer Nationalität oder Religion gefunden werden, und dafür setzen wir uns doch alle ein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bundesregierung bekennt sich uneingeschränkt zur 2-Grad-Obergrenze und damit zur Notwendigkeit einer wirksamen Klimaschutzpolitik. Wir nehmen unser nationales Klimaschutzziel für 2020 ernst, das haben wir bewiesen. Wir haben das 40-Prozent-Ziel nicht einfach nur übernommen, wir haben uns ehrlich gemacht und gefragt, ob es bis 2020 überhaupt erreichbar ist. Nein, wenn wir nichts unternommen hätten, hätten wir dieses Ziel nicht erreicht. Mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, das wir am 3. Dezember beschlossen haben, können wir diese Lücke schließen. Nie zuvor hat eine Bundesregierung ein so umfassendes Klimaschutzprogramm erarbeitet, das alle Sektoren und alle Akteure gleichermaßen in die Pflicht nimmt. Egal ob Energiewirtschaft, Verkehr oder Landwirtschaft – alle müssen ihren Beitrag leisten. Daher auch an dieser Stelle nochmals die Bitte an Sie alle, in Ihren Bereichen auch daran mitzuwirken. Weil der Prophet in der eigenen Heimat oft nichts gilt, kann ich Ihnen berichten, dass das Klimaaktionsprogramm auf der Weltklimakonferenz von vielen Rednern, nicht zuletzt vom UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in seiner Eröffnungsrede, ausdrücklich gelobt wurde. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) In dem Transformationsprozess, der der ganzen Welt bevorsteht, nimmt Deutschland eine Vorreiterrolle ein. Das deutsche Wort „Energiewende“ findet immer mehr Einzug in die englische Sprache. Wir wollen andere Staaten unterstützen, die noch nicht so weit sind, dies aus eigener Kraft zu schaffen. Das funktioniert aber nur, wenn wir glaubwürdig voranschreiten. Nach meinem Eindruck werden weltweit immer mehr Menschen und immer mehr Staaten aktiv. Das ist die gute Nachricht aus den vergangenen Wochen. Unser gemeinsames Ziel ist, im Dezember 2015 in Paris einen neuen Klimavertrag abzuschließen. Die ganze Welt wartet dringend auf ein neues Abkommen; denn der Klimawandel findet, wie wir wissen, bereits statt, und Menschen leiden bereits jetzt unter ihm. Wenn wir den Sachstandsbericht des Weltklimarates und viele andere Untersuchungen ernst nehmen, dann war die Notwendigkeit für ein Abkommen noch nie so groß wie heute. Die Konferenz in Lima hat zweierlei gezeigt: Es gibt eine grundsätzliche Bereitschaft bei allen Staaten, ein neues umfassendes Klimaabkommen zu treffen, aber es gibt nach wie vor tiefe Gräben, die es zu überwinden gilt. Ich will dies aus Sicht der Bundesregierung im Einzelnen erläutern. Als deutsche Delegation hatten wir im Vorhinein vier Erfolgskriterien festgelegt: Erstens. Wir wollten in Lima die Grundzüge eines weltweiten Klimaabkommens festlegen. Das ist gelungen. Im „Lima Call for Climate Action“ haben wir -wesentliche Elemente eines Verhandlungstextes festgehalten, die das Gerüst für die Textverhandlungen im kommenden Jahr bilden. Zweitens. Wir wollten in Lima festlegen, welche Informationen die Staaten gemeinsam mit ihren geplanten Minderungsbeiträgen vorlegen müssen, damit diese verständlich und vergleichbar sind. Wir haben uns für klarere Vorgaben und mehr Details eingesetzt. Hier mussten wir in der Tat – bis jetzt jedenfalls – einen Kompromiss eingehen. Es gibt eine Reihe von Schwellenländern, die sich nicht in dem Umfang zu einer umfassenden Transparenz verpflichten wollten, wie wir es gerne gesehen hätten. Drittens. Wir wollten, dass die Staatengemeinschaft schon vor dem Inkrafttreten des neuen Abkommens 2020 mehr für den Klimaschutz tut. Dieses Ziel wurde im Entscheidungstext entsprechend hervorgehoben. Aber auch hier hätte ich mir weniger Appell und mehr Handlungsorientierung gewünscht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dass Deutschland hier glaubwürdig entsprechende Schritte geht, also zunächst bis 2020, wurde weltweit positiv wahrgenommen. Viertens. Wir wollten Fortschritte bei der Umsetzung früherer Entscheidungen machen, insbesondere bei der Klimafinanzierung. Durch die frühzeitige Zusage Deutschlands, 750 Millionen Euro in den Grünen Klimafonds einzuzahlen, wurde eine positive Dynamik ausgelöst. Das hat dazu geführt, dass wir in Lima unser Etappenziel von 10 Milliarden Dollar sogar etwas haben überschreiten können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich habe mich sehr gefreut, dass neben den klassischen Gebern jetzt auch Länder wie zum Beispiel Peru, Kolumbien, Panama, die Mongolei oder Indonesien zum Fonds beitragen. Alle vier Punkte, die wir uns vorgenommen hatten, sind erfüllt oder zumindest ein gutes Stück vorangebracht worden. Meine Damen und Herren, darüber hinaus wurde unser zusätzlicher Beitrag zum Anpassungsfonds in Höhe von 50 Millionen Euro gelobt. Dieser Beitrag ist gut investiertes Geld und schafft weiteres Vertrauen. Besonders erfreulich finde ich, dass wir am Rande der Verhandlungen in Lima einen Durchbruch zur Ratifizierung der zweiten Verpflichtungsperiode des -Kioto-Protokolls durch die EU herbeigeführt haben. Das war die Gelegenheit, noch einmal alle zusammenzubringen. Ich glaube, es wird allseits anerkannt, dass dies ohne das monatelange Engagement Deutschlands nicht gelungen wäre. Der gefundene Kompromiss konnte vorgestern, am Mittwoch, bereits im Umweltrat politisch beschlossen werden. Jetzt steht der Ratifizierung von -Kioto II durch die EU nichts mehr im Wege. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, einer der Streitpunkte in Lima war die sogenannte Firewall zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die industrialisierten Staaten in den vergangenen zwei Jahrhunderten den Großteil, fast 80 Prozent der Summe aller CO2-Emissionen verursacht haben und darauf ihren Wohlstand aufgebaut haben. Die ärmeren Regionen, die diese Verschmutzung nicht zu verantworten haben, haben dagegen heute umso stärker mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Diese historische Verantwortung war der Grund, warum im Jahr 1997 im Kioto-Protokoll keine Reduktionsziele für Schwellenländer und Entwicklungsländer beziffert wurden. Eine Brandmauer, eine Firewall, sollte die brennende Seite von der Seite trennen, auf der es noch nicht brennt. Die ersten Löschmaßnahmen wurden auf die brennende Seite gerichtet. Bei den Treibhausgasemissionen ist es heute so, um im Bild zu bleiben, dass es auf beiden Seiten brennt. Deshalb ergibt diese Unterscheidung keinen Sinn mehr. Die Welt im Jahr 2014 ist nicht mehr die von 1997. In der Gruppe der Schwellenländer finden sich Staaten wie China oder Indien. China ist derzeit der größte und Indien der drittgrößte CO2-Emittent der Welt; allerdings noch nicht pro Kopf, sondern wegen der schieren Menge der Bevölkerung. Über die Hälfte aller Emissionen kommt heute aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Auch die Differenzierung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verläuft nicht mehr entlang der alten Linien und in den alten Kategorien. Dabei rede ich nicht nur von Singapur und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch zum Beispiel Malaysia hat heute ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als zum Beispiel Rumänien. Wir müssen deshalb zu einer neuen, differenzierteren Betrachtung der Verantwortung für den Klimaschutz kommen. Alle müssen etwas beitragen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Umfang dieses Beitrages muss sich aus dem Anteil an den Treibhausgasemissionen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergeben. Wer mehr zur Er-hitzung der Erde beiträgt, muss auch mehr beim Klimaschutz tun. Wer wirtschaftlich leistungsfähiger ist, muss mithelfen, die ärmeren Länder bei Anpassung und klimaverträglicher Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen. Um diese grundlegend veränderte Herangehensweise haben wir in Lima gerungen, und wir werden es in den nächsten Monaten bis zur Klimakonferenz in Paris weiter tun, auch tun müssen. Alte Kampfparolen, wie sie in Lima leider gerade von der sogenannten Group of Like Minded Developing Countries besonders lautstark hervorgebracht wurden, bringen uns da nicht weiter. Meine Damen und Herren, Lima eignet sich nicht für Superlative. Es war nicht der großartige Durchbruch, der den Erfolg schon quasi vorzeichnet; aber es war auch kein Scheitern. Wir haben eine solide Grundlage für die weiteren Verhandlungen gelegt, aber auch ich hätte mir natürlich eine weiter gehende Annäherung der Positionen gewünscht. Alle Staaten mit ihren unterschiedlichen Ausgangs-positionen hinter einem Abkommen zu versammeln, verlangt beharrliche Arbeit. Die konkreten Erfolge, die wir erreicht haben, sind mehr als nur große Worte, und sie sind allemal besser als das Genörgel mancher Zuschauer am Spielfeldrand. Lima ist nicht das Ziel, sondern eine Etappe auf dem Weg nach Paris. Ein Abkommen in Paris ist das Ziel; darauf muss unser Engagement abzielen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mit dem Petersberger Klimadialog und der G-7-Präsidentschaft im kommenden Jahr wird die Bundesregierung ihre Möglichkeiten nutzen, um Paris zum Erfolg zu bringen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitgliedern der deutschen Delegation, nicht zuletzt auch bei den beteiligten Mitgliedern des Deutschen Bundestages für ihre Arbeit bedanken. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gleichzeitig will ich sehr deutlich machen, dass ich es für vollkommen inakzeptabel halte, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages an der Einreise nach Ecuador gehindert worden sind. Das war nicht nur ein unfreundlicher Akt gegenüber den sehr engagierten Abgeordneten des Umweltausschusses; es schadet vor allem dem gemeinsamen Interesse am Schutz der Umwelt und fällt auf die Entscheider zurück. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Ich kann nur hoffen, dass dies ein einmaliger Vorgang war. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Monaten und Wochen ist in Deutschland viel über die schwarze Null im Bundeshaushalt diskutiert worden, die wir ja gemeinsam erreicht haben. Es gibt eine weitere Null, die wir uns unbedingt vornehmen sollten: weltweit null Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Jahrhunderts. Eine solche grüne Null sollten wir uns auf die Agenda schreiben, und von dort darf sie dann auch nicht mehr verschwinden, bis wir das Ziel erreicht haben. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja eine recht verbreitete Meinung, dass Klimagipfel im Prinzip sinnlos sind – aufwendige alljährliche Massenkonferenzen, die ohne wirkliches Ergebnis bleiben. Ich möchte explizit sagen: Ich teile diese Meinung nicht. Ich habe jetzt über ein Dutzend Mal an Klimakonferenzen teilgenommen und halte es für sehr wichtig, dass der Gesprächsfaden zwischen so vielen Ländern mit so unterschiedlichen Interessen nicht abreißt. Für mich sind die vielen Begegnungen mit Menschen, die direkt unter dem Klimawandel leiden, jedes Mal eine besondere und erschütternde Erfahrung. Ich berichte darüber in Blogs, weil ich diese Probleme der Länder des Südens weitervermitteln will. Ich hätte aus Lima gerne gute Nachrichten mitgebracht; aber ich möchte lieber Klartext reden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Lima war – anders als hier vermittelt werden soll – kein Minimalkompromiss; Lima war ein trauriger Offenbarungseid dessen, was wir unter internationaler Klimadiplomatie verstehen. Ja, in Peru wurde ein Schritt in Richtung Paris gemacht – das stimmt. Aber nicht jeder Schritt ist zwangsläufig einer in die richtige Richtung. Denn was da in Paris unter großem Tamtam verabschiedet werden wird, das wird vor allem eines sein: eine große Selbstlüge. Statt den Menschen weiter vorzugaukeln, dass wir in der Klimapolitik Lösungen finden, die den Klimawandel auf das 2-Grad-Limit reduzieren, sollten wir endlich reinen Wein einschenken. (Beifall bei der LINKEN) Sie wissen genauso gut wie ich, dass die künftigen Mechanismen des Pariser Abkommens das Papier nicht wert sind, auf dem es stehen wird. Aber das können Sie natürlich nicht eingestehen, meine Damen und Herren von der Regierung: die einen, weil sie starrsinnig vom eingeschlagenen Weg überzeugt sind, und die anderen, die zwar verstanden haben, dass es so nicht geht, weil ihnen der Mut fehlt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Mit den alten neoliberalen Rezepten wurde die Finanzkrise ausgelöst statt gelöst. Volkswirtschaften wie Griechenland und Spanien haben Sie mit Ihrem Glauben an mehr Markt und mehr Staatsrückbau an den Abgrund manövriert. Mit den alten neoliberalen Rezepten wurde auch die soziale Frage nicht gelöst. Was wir erleben, ist, dass überall dort, wo Unternehmer freie Bahn haben, die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird. Die 85 reichsten Menschen der Erde sind reicher als 3,5 Milliarden Mitbürgerinnen und Mitbürger. Fast die Hälfte des weltweiten Reichtums gehört einer kleinen Gruppe von 1 Prozent. Auf der anderen Seite verfügt die Hälfte der Menschheit nur über 1 Prozent des weltweiten Kuchens von Besitz und Vermögen. Unfassbar! (Beifall bei der LINKEN) Meine Frage lautet also: Warum sollten zwei typisch neoliberale Instrumente – erstens weniger Verantwortung für die Staaten durch freiwillige Klimaschutzziele und zweitens die Übertragung des Löwenanteils der Klimaschutzfinanzierung auf die Privatwirtschaft – die so dringliche Menschheitsfrage des Klimawandels lösen? Schauen wir uns den Grünen Klimafonds an, der gerade als das Klimaschutzinstrument überhaupt gefeiert wird. Ich möchte Sie alle fragen: Woher kommt der Optimismus, dass es ausgerechnet der Grüne Klimafonds sein soll, der die große Hebelwirkung entfaltet? Ich finde diese Frage schon berechtigt; denn um die Einzahlungen der Staaten wird aktuell politisch sehr großes Aufheben gemacht. Frau Ministerin Hendricks, Sie haben in Lima mit dem deutschen Beitrag zum Klimafonds recht ordentlich Imagepflege betrieben; übrigens genauso wie US-Außenminister Kerry oder sein australischer Kollege – die USA und Australien sind Paradebeispiele für neoliberal regierte Industriestaaten –, die den Klimaschutzprozess aber weiterhin massiv behindern. Man schmiert sich gegenseitig Honig ums Maul, während in Washington der Teersandboom eingeleitet wird und Berlin sich nicht einmal traut, ein Kohleausstiegsgesetz bzw. keine Exporte von Kohlekraftwerken zu beschließen. Bis 2020 also sollen jährlich 100 Milliarden Dollar zusammenkommen, um Klimaschutzprojekte und die Anpassung an den Klimawandel in den Entwicklungsländern zu finanzieren – eine gute Sache also. In der Tat hört sich das ja erst einmal nicht schlecht an: 100 Milliarden im Jahr, staatliche und private Gelder. Was ich mich aber frage, ist: Kann mit den 100 Milliarden im Jahr diese Mammutaufgabe – die Finanzierung der weltweiten Energiewende und der weltweiten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel – wirklich gestemmt werden? Wie können wir uns darauf verlassen, dass die Privatinvestoren das quasi im Alleingang schaffen, zumal die Zeit, wie wir wissen, drängt? Frau Ministerin Hendricks sagte nach der Klimakonferenz selber im Deutschlandfunk: Die öffentlichen Mittel sollen im Prinzip die privaten Investorenmittel hebeln. Das kennt man ja als Prinzip. Ich kann Ihnen versichern: Niemand würde sich stärker wünschen als ich, dass dieses Prinzip auch greift. Schließlich könnte der Grüne Klimafonds ein exzellenter Umverteilungsmechanismus von Reich zu Arm sein. Aber es ist nicht klar, ob die 100 Milliarden überhaupt zusammenkommen; ich sage nur: Stichwort „Schwarze Null“. Lassen Sie mich daran erinnern: Die Gelder für den Klimaschutz müssen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Sie dürfen nicht, wie es schon gängige Praxis ist, mit den Entwicklungshilfegeldern verrechnet werden. Nicht einmal hier haben die Industrieländer geliefert. Auch Deutschland zahlt nicht wie zugesagt 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklung und Armutsbekämpfung, sondern nur gut die Hälfte der eigenen Zusagen, nämlich 0,38 Prozent. Das ist schäbig. (Beifall bei der LINKEN) Einen Durchbruch – so reden Sie, Frau Hendricks, den Klimagipfel in Peru schön – kann ich nicht erkennen. Das sind eigentlich nur Brotkrumen, die der Norden den Entwicklungsländern hinwirft. Angesichts dessen braucht man sich nicht zu wundern, dass uns kein Vertrauen entgegengebracht wird. Wir halten also fest, dass es ohne zusätzliches Geld für die Schwellen- und Entwicklungsländer nicht gehen wird. Zu den freiwilligen Klimazielen der Staaten will ich nur eines sagen: Solange Klimapolitik auch Standort-politik ist, wird mit Freiwilligkeit nur wenig erreicht werden. Alles andere zu glauben, wäre wirklich naiv. Um das zu erkennen, braucht man sich nur andere freiwillige Selbstverpflichtungen anzuschauen, zum Beispiel die Selbstverpflichtungen im Bereich der Textilindustrie oder die Sozialkodizes bei OECD-Investitionen. Die Standortpolitik erkennen wir auch in den umweltschädlichen Subventionen, die in Deutschland laut Umweltbundesamt mehr als 50 Milliarden Euro betragen, mit seit 2006 steigender Tendenz. Also, Frau Hendricks, liebe Regierung: Schenken Sie den Menschen reinen Wein ein, statt von einem Durchbruch in Lima zu sprechen; (Frank Schwabe [SPD]: Wer hat das gesagt?) denn wir können nur auf der Basis von Erkenntnis handeln. Wir müssen ehrlich sein, und dann müssen wir wirklich handeln. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Matern von Marschall ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Matern von Marschall (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bulling-Schröter, ehe ich zu Ihren Anmerkungen komme – wir waren ja gemeinsam mit der kleinen Delegation, die Frau Höhn geleitet hat, in Lima –, möchte ich mich bei Ihnen, Frau Ministerin, und Ihrem großen und engagierten Team sehr herzlich bedanken. Sie haben, eingebunden in die Führung der Verhandlungen durch die Europäische Union, wirklich rund um die Uhr und, man kann sagen, bis zur Erschöpfung Ihr Bestes gegeben. Diese Verhandlungen hat Kommissar Cañete nach meinem Eindruck in sehr guter Abstimmung mit Ihnen im allerbesten Sinne unserer Zielsetzungen geführt. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Frau Bulling-Schröter, Sie haben zwar eingangs gesagt, dass Sie für diese Konferenzen etwas übrig haben, aber anschließend klargemacht, dass sie Ihrer Meinung nach eigentlich völlig sinnlos sind. (Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Nein!) Das sehen wir naturgemäß nicht so. Ich möchte aber vor allen Dingen auf ein paar absolut irrige Anmerkungen von Ihnen eingehen: Wir wollen den Graben zwischen Industriestaaten einerseits und sich entwickelnden Ländern andererseits überwinden. Grund dafür ist die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten: Vor 30, 40 Jahren waren für zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen die USA, Europa und Russland verantwortlich. Heute ist es umgekehrt, das heißt, diese Länder sind für nur noch ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, der Rest der Welt für zwei Drittel. Das bedeutet -übrigens auch, dass wir eine wesentliche Verschiebung von Wohlstand in viele andere Staaten erlebt haben, ganz im Gegensatz zu dem, was Sie gerade behauptet haben; dies ist nämlich der Indikator dafür. Deswegen müssen sich jetzt aber auch die Länder, in denen der CO2-Ausstoß steigt, engagieren. Deswegen brauchen wir die Beteiligung aller Länder an der Reduzierung der Emissionen. Das ist das ganz wesentliche Ziel, das wir in Paris erreichen müssen. Im Gegensatz zum Kioto-Protokoll, das nur verhältnismäßig wenige Staaten unterzeichnet haben, müssen wir jetzt die allermeisten Länder zur Teilnahme motivieren. Das ist ein ganz wichtiges Ziel. Deswegen müssen wir selbstverständlich Kompromisse eingehen. Wir haben auf der Konferenz von Tuvalu gehört, einem Inselstaat, der zu ertrinken droht. Wir haben auch Berichte aus China gehört, einem Land mit einem Mil-liardenvolk, in dem es Massenproteste gegen eine Luftverpestung gibt, die man sich überhaupt nicht vorstellen kann, die so schlimm ist, dass die Menschen nicht mehr auf die Straße gehen können. Dort kommt der Druck also von einer ganz anderen Seite, nicht von engagierten Klimaschützern, sondern er resultiert aus einer drohenden Lebensunfähigkeit. Deswegen müssen wir diese Pole zusammenbringen. Ich bin ganz sicher, dass unsere G-7-Präsidentschaft eine riesengroße Chance ist, die Klimaziele, die wir und die Europäische Union haben, weiter voranzubringen, und zwar indem wir den Nationalen Aktionsplan als beispielhaft darlegen. Er eignet sich zur Nachahmung bei der Präzisierung und der Überprüfbarkeit von Zielen. Das ist ganz wichtig. Dafür sind wir – die Ministerin hat es gesagt – gelobt worden. Ich glaube, darauf sollten wir auch noch einmal gegenüber denjenigen hinweisen, die sich im Augenblick noch ganz bedeckt halten, zum Beispiel China, und eigene Zielsetzungen und die Möglichkeiten der Überprüfbarkeit nicht offenlegen. Deswegen sollten wir auch dort unseren Nationalen Aktionsplan vorstellen; das Abschlussdokument von Lima trägt ja die Überschrift „Call for Action“. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich glaube übrigens, wir sollten ganz klar sagen, Frau Bulling-Schröter: Die Wirtschaft ist selbstverständlich der entscheidende Motor für den Klimawandel. Wettbewerbsfähige saubere Technologien sind die Grundlage für den Klimawandel. Der Green Climate Fund soll selbstverständlich dazu beitragen, diese zu entwickeln. Das ist ganz wichtig. Ich glaube, dass das nicht unterschätzt werden darf. Ich möchte Ihnen deutlich sagen, dass wir in Lima zum Beispiel auch mit der dortigen Außenhandelskammer gesprochen haben, die einen umfangreichen Untersuchungsbericht über die Potenziale der Entwicklung erneuerbarer Energien vorgelegt hat. Ich habe gesehen: Ja, das bietet uns die Chance, unsere bereits entwickelten Technologien dorthin zu exportieren. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass wir die Forschungsanstrengungen in Deutschland und in der Europäischen Union zur Entwicklung sauberer Technologien, vor allen Dingen der Speichertechnologien, noch wesentlich erhöhen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die andere Seite – auch das haben Sie angesprochen; ich will es aber noch einmal am Beispiel unserer Reise verdeutlichen – ist die internationale Zusammenarbeit. Die internationale Zusammenarbeit, Herr Minister Müller, konnten wir in hervorragender Weise am Beispiel Peru nachvollziehen, wo die GIZ eine nachhaltige Nutzung des Regenwaldes, natürlich unter gleichzeitigem Schutz großer Teile dieses Regenwaldes, mit großer Wertschöpfungstiefe exzellent vorantreibt. Das ist für die lokale Wirtschaft gut und trägt im Wesentlichen zum Klimaschutz bei. Deswegen können wir sagen, dass auch jenseits des Green Climate Funds besonders diese beiden Ministerien, das Umweltministerium und Ihr Ministerium, Herr Müller, wesentlich zum Klimaschutz beitragen. Frau Ministerin, Sie haben eingangs Ban Ki-moon erwähnt. Ich möchte noch kurz darauf zu sprechen kommen. Wir sollten und wir müssen den Klimaschutz in unsere globalen Entwicklungsziele, in die Sustainable Development Goals, eingebettet sehen. In diesen Sustainable Development Goals, die Ban Ki-moon, die die UN im nächsten Jahr vorstellen sollen, ist natürlich auch der Klimaschutz enthalten. Ich bin dankbar, dass Professor Hacker, Präsident unserer Nationalen Akademie der Wissenschaften, in diesem Scientific Advisory Board von Ban Ki-moon sitzt. Ich glaube, dass wir deswegen nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch bei der Entwicklung der Nachhaltigkeitsziele auf einem guten Weg sind. Diese Dinge gehören zusammen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich komme zum Schluss und fasse noch einmal zusammen. Für eine ambitionierte Klimapolitik sind zwei Dinge notwendig: eine gute Förderung von Wissenschaft im Bereich der sauberen Technologien und eine weitere Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, wie sie Deutschland beispielhaft leistet. Ich glaube, wenn wir das in den nächsten Monaten in die Welt transportieren, haben wir auch die Chance, in Paris zu einem guten Vertrag zu kommen. Da bin ich sehr, sehr guter Hoffnung. Danke. Ich wünsche Ihnen einen schönen 4. Advent und frohe Weihnachten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Anton Hofreiter das Wort. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Hoffnungen, dass bereits in Lima die Grundlagen für ein vernünftiges Abkommen in Paris gelegt werden, waren sehr groß. Diese Hoffnungen sind leider teilweise enttäuscht worden. Traurigerweise sind wieder die alten Gegensätze zwischen Industrieländern und manchen Schwellenländern auf der einen Seite und manchen Entwicklungsländern auf der anderen Seite aufgebrochen. Insbesondere China – bei China hatte man ja nach dem Ban-Ki-moon-Gipfel eine gewisse Hoffnung, dass es eine positivere Rolle spielt – hat am Ende wieder eine sehr negative Rolle gespielt. Deshalb muss man jetzt ganz viel Energie darauf verwenden, dass es in Paris gelingt, zu einem vernünftigen Abkommen zu kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nach dem Scheitern des Abkommens von Kopenhagen im Jahre 2009, als der Versuch unternommen worden ist, völkerrechtlich verbindliche nationale Ziele festzulegen, hat man sich auf ein Rahmenabkommen und einen Mechanismus für verbindliche nationale Ziele geeinigt. Deshalb ist ganz entscheidend, was die Nationalstaaten am Ende leisten und was die Nationalstaaten im nächsten Jahr melden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Hendricks, mir wird ja ab und zu vorgeworfen, dass ich zu schonend mit der Bundesregierung umgehe, weil ich, wenn Sie mal keinen totalen Unsinn machen, das auch sage und die Bundesregierung dann lobe; das ist auch bei Herrn Steinmeier schon einmal vorgekommen. Trotz dieses Vorwurfs, der ab und zu an uns gerichtet wird, mache ich es diesmal wieder so. Ja, es stimmt: Deutschland hat auf dieser Klimaschutzkonferenz eine vernünftige Figur gemacht. Es ist im Großen und Ganzen lobenswert, wie Sie sich da verhalten haben. Wir freuen uns, dass die Tradition, dass Deutschland bei Klimaschutzabkommen auf internationaler Ebene eine positive Rolle spielt, aufrechterhalten bleibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Im Rahmen des neuen Mechanismus der internationalen Klimaschutzabkommen haben wir uns darauf geeinigt, dass umso entscheidender ist – das habe ich bereits erwähnt –, was die Nationalstaaten am Ende machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit sind wir in einem Bereich, in dem wir Sie leider nicht loben können. Wir würden Sie auch da gerne loben. Aber da sind wir mitten im Elend der nationalen Klimaschutzpolitik, mitten im Elend der nationalen Energiepolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da sind wir mitten im Elend von Merkel und Gabriel, mitten in dem Elend, dass Sie sich nicht durchsetzen können. Wir glauben Ihnen ja sogar, dass Sie wissen, worauf es letztendlich ankommt. Wir glauben Ihnen ja sogar, dass Sie guten Willens sind. Aber schauen wir uns die Zahlen einmal nüchtern an: Germanwatch hat festgestellt, dass Deutschland im internationalen Ranking, was den Klimaschutz angeht, auf Platz 22 zurückgefallen ist. Auf Platz 22! Deutschland war einmal Vorreiter. Da können Sie doch nicht sagen, dass alles wunderschön und toll ist! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Schauen wir uns an, wie sich die erneuerbaren Energien entwickelt haben. Deutschland hat extrem viel Geld investiert, um die erneuerbaren Energien marktreif zu machen. Es stimmt, wir haben da sehr viel investiert, und wir sind da in Vorleistung gegangen. Aber jetzt, da die erneuerbaren Energien an der Schwelle zur Wettbewerbsfähigkeit stehen, lassen Sie es zu, dass Merkel und Gabriel diese Industrie kaputtmachen. Wir haben bei den Investitionen in Erneuerbare einen massiven Einbruch zu verzeichnen. Im letzten Jahr waren es minus 56 Prozent. Dieses Jahr schaut es nicht besser aus. Da können Sie doch nicht davon sprechen, dass wir auf einem guten Weg sind! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das Gleiche gilt für die Kohle. Es ist immer noch so, dass sechs der zehn schmutzigsten Kohlekraftwerke in Europa in einem einzigen Land stehen. Dieses eine Land ist Deutschland. (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Und in welchem Bundesland?) Da können Sie doch nicht davon sprechen, dass wir auf einem guten Weg sind! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Sie loben sich mit großer Begeisterung für Ihr Aktionsprogramm. Wir haben ja schon vieles zu diesem Aktionsprogramm, an dem Sie jetzt ein ganzes Jahr lang „herumgewürgt“ haben, gesagt. Dieses Aktionsprogramm ist, vor allem dank Herrn Gabriel und Frau Merkel, eine Ansammlung von Prüfaufträgen. Wissen Sie: Wenn im nächsten Jahr die Meldung der verbindlichen Klimaschutzziele an die UNO ansteht, dann müssen Sie eine konkrete Zahl nennen. Diese konkrete Zahl sollte hinterlegt sein. Da kommen Sie am Ende nicht mit lauter Prüfaufträgen durch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im nächsten Jahr besteht eine große Chance. Im nächsten Jahr hat Deutschland die G-7-Präsidentschaft inne. Da erwarten wir von dieser Bundesregierung, dass sie nicht nur bei Klimaschutzabkommen auf internationaler Ebene eine gute Figur macht, sondern wir erwarten von der Regierung Merkel auch, dass sie, wenn es beim G-7-Abkommen so richtig hart auf hart kommt, endlich eine positive Rolle spielt und man sich am Ende auf Vorlagen verständigt, die es möglich machen, dass in Paris die Chance besteht, zu einem völkerrechtlich verbindlichen und auch wirksamen Klimaschutzabkommen zu kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das nächste Jahr wird in Bezug auf den Klimaschutz ein arbeitsreiches Jahr. Ich erwarte von unserer Bundesregierung, dass sie nicht nur Prüfaufträge erteilt, sondern dass sie etwas Vernünftiges vorlegt – sowohl für die G 7 als auch für die Konferenz in Paris – und dass die erneuerbaren Energien und der nationale Klimaschutz endlich wieder vorankommen. In diesem Sinne wünsche ich uns eine frohe Weihnacht und einen guten Rutsch ins neue Jahr, damit diese Bundesregierung im nächsten Jahr endlich ans Arbeiten kommt. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frank Schwabe erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frank Schwabe (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bulling-Schröter, wenn dem mal so wäre! Ich stehe dem demokratischen Sozialismus ja durchaus nahe (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – das steht jedenfalls so in unserem Programm –, die Realität ist aber leider eine andere. Es ist eben nicht so, dass auf den Weltklimakonferenzen eine Unterteilung zwischen den bösen neoliberalen Staaten und den guten vermeintlich realsozialistischen Staaten zu machen ist. (Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Nein!) Auch Staaten wie China, Equador und Bolivien sind eben nicht bereit, sich international zu verpflichten. Der Realsozialismus hat insofern bisher jedenfalls noch keinen Weg zur Lösung der internationalen Klimakrise gezeigt. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das war doch gar nicht der Punkt!) Toni Hofreiter, es ist ja auch wichtig, dass die Opposition hier Kritik übt, aber ich will ausdrücklich würdigen, dass wir das – auch gemeinsam auf der Klimakonferenz in Lima – gut gemacht haben. (Lachen des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Das, was dort erreicht worden ist, wurde von der grünen Delegation und auch hier gewürdigt. – Ich glaube, man muss schon einmal feststellen: Deutschland ist international wirklich führend. Das ist auf dieser Konferenz nicht von uns selbst, sondern von den allermeisten Ländern festgestellt worden, die dort vertreten waren. Christoph Bals von Germanwatch hat deutlich gemacht: Wir haben selten ein so produktives Miteinander zwischen der Umweltministerin und dem Wirtschaftsminister erlebt. – Der Wirtschaftsminister weiß natürlich auch, wie Klimaverhandlungen laufen und wie wichtig die internationale Klimapolitik ist. Ich glaube, wir sollten hier im Deutschen Bundestag gemeinsam würdigen, dass es eine solch gute Voraussetzung in Deutschland jetzt gibt, sodass wir international und national eine gute Klimaschutzpolitik machen können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir können lange über Erfolge oder Misserfolge von internationalen Konferenzen reden. Die Welt verändert sich in zweierlei Maß: Zum einen wächst der Treibhausgasausstoß kontinuierlich – das ist richtig –, zum anderen sind wir gleichzeitig in der Lage, Energie anders zu produzieren. Das passiert, und das muss man wahrnehmen. Im Jahr 2013 sind weltweit mehr Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien hinzugebaut worden als in den Bereichen Kohle, Gas und Atom zusammen. Das ist die Grundlage dafür, dass wir auch international zu anderen Verabredungen kommen können, und ich glaube, das haben wir auf der Konferenz auch gespürt. Am Ende, in der Endphase der Konferenz, sind dann aber doch wieder die alten Gräben aufgetreten. Dass wir in einer neuen Klima- und Energiewelt leben, ist auch auf der Konferenz in Lima spürbar gewesen, weil alle Menschen in allen Teilen der Welt mittlerweile mitbekommen, dass der Klimawandel stattfindet – wir in Deutschland bei einem warmen Weihnachtsfest, die Inseln, die untergehen, aber auch Länder wie China. Schwierig ist es deshalb, weil manche Länder wirklich mit fundamentalen Problemen zu kämpfen haben: ein Land wie Indien, das sich wirklich bemüht, Armut zu bekämpfen, Länder wie Tuvalu, Kiribati und andere, die eigentlich dem Untergang geweiht sind und deswegen bei den Themen „Lost and Damage“ und Versicherungslösungen so hart sind. Sie verhandeln doch nicht deshalb so hart, weil sie die Deutschen oder andere über den Tisch ziehen wollen, sondern aus reiner Not heraus. Sie sagen: Wir brauchen auf diesen internationalen Konferenzen eine Lösung und können nicht nach Hause fahren, ohne etwas präsentiert bekommen zu haben. Es wird immer lange darüber spekuliert – ich beteilige mich ja seit acht Jahren daran; so lange war ich bis jetzt auf Konferenzen –, was eigentlich eine erfolgreiche und was eine nicht erfolgreiche Konferenz ist. Es ist eben kompliziert, wenn fast 200 Länder der Welt mit völlig unterschiedlichen Bedingungen zusammenkommen und sich am Ende auf eine Politik einigen sollen. Deswegen glaube ich, ist das, was die Ministerin beschrieben hat, richtig: Das war ein Schritt in Richtung Paris 2015, aber natürlich haben wir an der einen oder anderen Stelle durchaus mehr Hoffnung gehabt. Von vielen anderen Dingen, die man in diesem Zusammenhang noch ansprechen müsste, was ich aber in der Kürze der Zeit nicht tun kann, will ich zwei Dinge ansprechen: Das eine ist eine kritische Geschichte bei der Konferenz. Es betrifft die Frage der Überprüfung der Verpflichtungen. Da hätten wir uns deutlich mehr gewünscht. Wir wollen am Ende in Paris ein Abkommen sehen, mit dem sich die Staaten substanziell zu Klimaschutzanstrengungen verpflichten. Wenn nicht genug Mechanismen vorgesehen sind, heißt das aber nicht, dass man bis Paris 2015 nichts tun würde. Die Ministerin hat das auch im Umweltausschuss gesagt. Es gibt genug Menschen auf der Welt, in den Institutionen und NGOs, die in der Lage sind, das zu bewerten, was Länder wie China, Indien und andere vorlegen. Das muss dringend getan werden. Es ist zwar nur in Ansätzen erkennbar, aber es ist uns gelungen, die alte Kioto-Welt ein Stück weit aufzubrechen. Am Ende haben sich diese alten Gräben wieder aufgetan. Einige haben sich zurückgezogen und gesagt, dass wir die Kioto-Welt – also auf der einen Seite die Industriestaaten und auf der anderen Seite die Entwicklungs- und Schwellenländer – noch weiter unterteilen müssen. Eigentlich ist aber sichtbar geworden – das sind zum Teil nur kleine Zeichen –, dass sich diese Welt auflöst. Auch das hat die Ministerin angesprochen. Es waren Länder wie Peru, Kolumbien, aber auch Mexiko, die gesagt haben: Ja, auch wir sind bereit, uns zumindest mit kleinen Beiträgen in den Green Climate Fund einzubringen. – Damit machen diese Länder deutlich, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Ich glaube, das macht auch Hoffnung für die nächsten Konferenzen. Was war eigentlich die Rolle Deutschlands? Deutschland wurde für das Klimaaktionsprogramm gelobt. Deutschland wurde nicht nur für die Einzahlungen in den Green Climate Fund gelobt, sondern auch für die Dynamik, die aus Deutschland heraus entwickelt wurde. Allerorten wurden wir von allen Delegationen, mit denen wir uns getroffen haben, für das gelobt, was an internationaler Klimaschutzpolitik gerade in Bezug auf Entwicklungsländer stattfindet und was den Boden für ein gemeinsames Abkommen bereitet. Im Namen der sozialdemokratischen MdBs – ich denke, ich spreche aber auch im Namen aller MdBs – möchte ich für die wirklich wunderbare Kooperation, die es gegeben hat, danken. Es ist noch einmal deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass auch Bundestagsabgeordnete bei solchen Konferenzen dabei sind. Ich will ausdrücklich Barbara Hendricks dafür danken, dass sie auf eine unprätentiöse, schnörkellose, ruhige, aber unnachgiebige Art Deutschland auf Klimakurs geführt hat. Wir machen eine gute internationale Klimapolitik, und das hat sehr viel mit Barbara Hendricks zu tun. Vielen Dank dafür. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das war jetzt eigentlich ein schönes Finale, Herr Schwabe. Frank Schwabe (SPD): Das finde ich auch. Ich darf vielleicht noch zum Abschluss sagen, was zu tun ist. Wir müssen das 40-Prozent-Ziel einhalten, wie wir es national vorgesehen haben. Dabei sind wir alle gefordert. Auch das hat die Ministerin gesagt. Alle Minister sind gefordert. Der gesamte Deutsche Bundestag ist gefordert. Außerdem ist es dringend notwendig, dass wir die G-7-Präsidentschaft zum Erfolg führen. Dies gilt insbesondere für die wichtige Frage der Finanzverantwortung. Ich glaube, bei der Finanzierung können wir viel leisten. Dann wird es auch ein gutes Abkommen 2015 in Paris geben. Herzlichen Dank, frohe Weihnachten und Glück auf! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Anja Weisgerber ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man ein Haus baut, dann wird zuerst das Grundgerüst errichtet. Später kommen die Mauern hinzu, die Fenster, die Wandfarbe und der Boden. Man kümmert sich dann um die Details. Ähnlich ist das bei Klimakonferenzen. Zunächst muss der Grundstein gelegt werden. Diesen haben wir auf jeden Fall jetzt in Lima gelegt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Grundstein ist gelegt. Die Textelemente wurden erstellt, die die Grundlage für die weiteren Arbeiten sind. Einige Mitgliedstaaten legen ihre Beiträge bis zum März nächsten Jahres vor. Die anderen folgen bis zum Sommer. Bis zum Herbst werden alle ihre Beiträge vorgelegt haben, die dann auch von der UN veröffentlicht werden. Wir haben konkrete Beispiele erarbeitet für die Hintergrundinformationen, die wir bei der Vorlage dieser Beiträge einfordern werden. Die Bedeutung des Klimaschutzes vor 2020 wurde hervorgehoben. Für den Grünen Klimafonds wurden sogar mehr als 10 Milliarden US-Dollar zugesagt. Zudem bekennt sich die Staaten-gemeinschaft eindeutig zum IPCC-Bericht. Dies haben sogar die Grünen im Ausschuss gelobt. All das ist natürlich noch kein Durchbruch. Das sagt auch niemand. Das sind aber wichtige Zwischenerfolge auf dem Weg zum Durchbruch, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist ein erster wichtiger Schritt. Der Weg ist aber unzweifelhaft noch steinig, und er ist auch noch lang. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass auf diesem Grundstock die Mauern und das Dach errichtet werden, damit wir am Ende verbindliche Klimaziele in vielen Mitgliedstaaten der Welt erreichen und auch die Voraussetzungen für eine Überprüfbarkeit schaffen. Das, was wir in Lima dazu erreicht haben, ist mir noch zu wenig. Deutschland und Europa haben eine besondere Verantwortung. Aber wir nehmen diese Verantwortung auch wahr, und das ist gut so. Die Bemühungen Deutschlands werden international wahrgenommen, sei es aufgrund der finanziellen Zusagen, die wir in Lima noch erhöht haben, wie auch aufgrund des Klimaaktionsprogramms. Es war und ist ein Erfolg, dass wir punktgenau am 3. Dezember das Klimaaktionsprogramm vorgelegt haben. Es enthält nicht nur Prüfaufträge, sondern auch Maßnahmen, Herr Hofreiter. Ich wiederhole, was ich in meiner letzten Rede gesagt habe: Wir haben geliefert. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie geliefert? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht sollten Sie den Mund nicht zu voll nehmen, Kollegin!) Ich habe damals auch gesagt: Trittin hat seinerzeit die Ziele nicht erreicht, die sich die Grünen gesetzt haben. Aber wir müssen weiter daran arbeiten. Darin sind wir uns einig. Wir bekennen uns zu dem nationalen Klimaziel und zeigen, dass wir den Ehrgeiz haben, das Ziel einzuhalten. Obwohl das vielleicht in manchen Punkten auch wirtschaftlich durchaus unbequem ist, bekennen sich alle Fraktionen im Bundestag zu diesem Klimaziel. Die Regierung schreitet voran, auch mit dem Klimaak-tionsprogramm. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass wir auch damit unsere Vorreiterrolle bekräftigt haben, zeigt sich daran, dass – Frau Ministerin Hendricks hat es erwähnt – das Aktionsprogramm in Lima auch von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mehrere Male im Plenum lobend erwähnt wurde. Wir machen es vor: Wirtschaftswachstum und Klimaschutz können Hand in Hand gehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Entscheidende ist doch: Nur dann, wenn wir den anderen Staaten dieser Welt, die beim Klimaschutz vielleicht noch nicht so viel machen, zeigen, dass beides Hand in Hand geht, importieren andere Staaten vielleicht die „German Energiewende“, wie es im Englischen heißt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wenn wir es so machen, wie die Grünen es wollen, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wäre es das Beste!) dann erreichen wir diesen Einklang zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz nicht in diesem Maße. Da bin ich mir sicher. Was den Emissionshandel betrifft, haben wir schon erreicht, dass China das Emissionshandelssystem, das beim Klimaschutz das marktwirtschaftliche Instrument schlechthin ist, importiert und angekündigt hat, dieses System zwischen 2017 und 2020 landesweit zu etablieren. Das ist ebenfalls ein wichtiger Erfolg. (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU]) Wir müssen weiter darauf hinarbeiten, dass auch andere Staaten nachziehen. Entscheidend für den Erfolg der internationalen Klimapolitik ist die Klimafinanzierung. Wir müssen die Schwellen- und Entwicklungsländer auch finanziell darin unterstützen, ihre Wirtschaft kohlenstoffarm und energieeffizient aufzubauen. Deutschland war das erste Land, das seinen Beitrag von 750 Millionen Euro für den Grünen Klimafonds angekündigt hat. Das waren knapp 10 Prozent der 10 Milliarden Euro, die letzten Endes im Grünen Klimafonds zusammengekommen sind. Dass es immer mehr wurde – inzwischen sind es sogar mehr als 10 Milliarden Euro –, ist auch ein Erfolg Deutschlands, weil wir auch hier vorangeschritten sind. Auch das kann mitentscheidend sein. Wir brauchen diese finanziellen Mittel, um die anderen Staaten, denen es nicht so gut geht, davon zu überzeugen, den Klimaschutz umzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Bemerkenswert ist dabei auch, dass sich Entwicklungsländer wie Peru, Panama und Kolumbien am Grünen Klimafonds beteiligt haben. Es ist zumindest ein Teildurchbruch, dass die alte Denke „Wer verschmutzt, der zahlt“ und die Unterscheidung zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern zumindest teilweise überwunden wurden. Auch das ist ein Erfolg der Konferenz in Lima. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum Abschluss möchte ich allerdings nicht verschweigen: Ich hätte mir von anderen Staaten mehr gewünscht, insbesondere von China, den USA, Russland und Indien. Wir dürfen nicht vergessen, dass China und die USA zusammen mehr als 50 Prozent der weltweiten Emissionen ausstoßen. Diese Länder müssen noch viel mehr machen, wenn wir unsere internationalen Klimaziele erreichen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich setze hier auf die G-7-Präsidentschaft und den Einsatz Angela Merkels auf internationaler Ebene. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann können wir es vielleicht gemeinsam schaffen, dass die Klimakonferenz in Paris im nächsten Jahr zu Weihnachten erfolgreich sein wird. Ich verbleibe mit frohen Weihnachtswünschen und wünsche ein gutes und vor allen Dingen gesundes neues Jahr 2015. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Kollegin Annalena Baerbock ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, Sie haben schon dargelegt: In Lima wurde heiß verhandelt. Am Anfang wurde viel hineinverhandelt. Am Ende wurde leider viel herausverhandelt. Ich glaube, wir alle sind nicht wirklich glücklich aus diesem Prozess herausgegangen. Nichtsdestotrotz auch von meiner Seite herzlichen Dank an das Ministerium und vor allem an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Lima einen sehr guten Job gemacht haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Umso fataler ist aber – Frau Weisgerber, Sie haben die Bundeskanzlerin schon erwähnt –, dass ausgerechnet die Bundeskanzlerin den Verhandlerinnen und Verhandlern hier in Deutschland in den Rücken fällt. Es war schon ein starkes Stück, dass Frau Merkel zuerst den Generalsekretär der Vereinten Nationen im September verprellte, dann auf der Parallelveranstaltung beim BDI im September das Wort „Klimaschutz“ noch nicht einmal in den Mund nehmen konnte und es nun – das muss man sich einmal vorstellen – auf dem CDU-Parteitag, der parallel zur Weltklimakonferenz in Lima stattfand, erneut nicht schaffte, das Wort „Klimaschutz“ in den Mund zu nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Blöd ist nur, dass dieses Verhalten offensichtlich auf die SPD abfärbt. Natürlich gibt es engagierte Klimapolitiker bei den Sozialdemokraten, aber leider müssen wir feststellen, dass der SPD-Parteitag im nächsten Jahr ausgerechnet in der heißen Phase der Klimakonferenz in Paris stattfindet. Das ist vielleicht ein dummer Zufall. Eventuell ließ sich der Parteitag nicht mehr verschieben. Eine Woche zuvor findet vielleicht auch noch die IGBCE-Jahresversammlung statt. Allerdings ist es auffällig, dass sich solche Zufälle häufen. Kein wirklicher Zufall war jedoch, dass ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo die Umweltministerin gen Süden reist, um in einen Verhandlungstext hineinzuschreiben, dass das IPCC recht hat und dass zwei Drittel der fossilen Energieträger unter der Erde bleiben müssen, Herr Gabriel – er hat leider den Saal verlassen – gen Norden nach Schweden fährt. Was sagt er dort? Nicht, dass zwei Drittel der fossilen Energieträger unter der Erde bleiben müssen. Parallel zu den Verhandlungen in Lima appelliert der Bundeswirtschaftsminister an die schwedische Regierung, dafür zu sorgen, dass Vattenfall vor seinem Abzug aus der Lausitz noch fünf neue Tagebaue erschließt. Das ist mehr als kontraproduktiv. Das ist ein Verrat an der deutschen Umweltpolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dafür bekommt Herr Gabriel nicht nur eine grüne Null. In Lima hätte er dafür den Fossil of the Day bekommen. Das hätte alles zunichte gemacht, was Sie auf positive Weise herausgehandelt und im Rahmen der Klimafinanzierung angekündigt haben und wofür Sie in Lima den Ray of the Day bekommen haben. Wir hoffen sehr, dass Sie nun über Weihnachten zur Besinnung kommen und wieder in den Fokus stellen, was Klimapolitik – auch auf nationaler Ebene – bedeutet, und dass das auch – das hat mich leider sehr geschmerzt, liebe Frau Hendricks – bis zur Führungsspitze Ihres Ministeriums durchdringt. Auch wir Grüne haben in Lima applaudiert, als Sie an die Welt appellierten: Act now! – Was mussten wir dann feststellen, als wir hier im Deutschen Bundestag fragten, ob dieses „Act now“ bedeutet, dass sich Deutschland nun im Rahmen der G-7-Präsidentschaft für einen Abbau der Subventionen für fossile Energieträger einsetzt, wie es in Lima im Elementetext – ein kleiner positiver Aspekt – steht und beschlossen wurde? Leider musste ich von Ihrer Staatssekretärin erfahren, dass die deutsche Übersetzung von „Act now“ nicht etwa ist: „Ja, wir handeln jetzt im Rahmen der G 7“, sondern die deutsche Übersetzung von „Act now“ für die fossilen Subventionen bedeutet: Mittelfristig planen wir, daraus auszusteigen. – Das ist mehr als Doppelmoral, liebe Frau Hendricks. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Live und in Farbe konnten wir das im Wirtschaftsausschuss erleben: KfW-Kohleauslandsfinanzierung. Im Mai hat das Wirtschaftsministerium angekündigt, dass es registriert habe, dass andere Länder wie die USA und Frankreich und internationale Institutionen wie die Europäische Investitionsbank oder die Weltbank gesagt haben: Wir müssen aus der Kohleauslandsfinanzierung aussteigen. – Seit Mai warten wir auf den Vorschlag der Bundesregierung. Wir haben immer wieder nachgefragt. Er wurde dann für Mittwoch versprochen, und wir durften Erstes in der Zeitung lesen. Aber dann stand die Staatssekretärin im Wirtschaftsausschuss leider mit leeren Händen da, weil man sich immer noch nicht entschieden hatte, auch aus der KfW-Kohlefinanzierung auszusteigen, obwohl Sie, liebe Frau Ministerin, in New York das schon im September angekündigt haben. Es ist nicht nur ein Affront gegenüber dem Parlament, es ist auch unverschämt gegenüber der Weltgemeinschaft, wenn Sie verkünden: Was schert mich mein Geschwätz vor den Vereinten Nationen, wenn ich doch unsere eigenen Berichte immer wieder aufschieben kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In diesem Sinne noch einmal der Appell: Kommen Sie zur Besinnung! Halten Sie Ihre internationalen Versprechen, auch beim nationalen Handeln! (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Machen Sie Ihre nationalen Hausaufgaben! Hören Sie auf, sich hinter Polen, China oder sonst wem zu verstecken! Setzen Sie national um, was Sie international versprechen! Das bedeutet: Machen Sie den Subventionsabbau zum Thema der G-7-Präsidentschaft, und stellen Sie die Klimafinanzierung in den Mittelpunkt der Präsidentschaft! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie wissen es ganz genau und haben es selber angesprochen: Das ist der Casus knacksus für die Entwicklungsländer. Ja, die 750 Millionen Euro für den Green Climate Fund sind richtig; aber sie reichen doch nicht aus, um auf die 100 Milliarden Dollar, die die Industriestaaten jährlich versprochen haben, zu kommen. Der Green Climate Fund hat jetzt 10 Milliarden Dollar, aber wir brauchen 100 Milliarden Dollar. Die Einzahlungen in den Green Climate Fund sind einmalig. Sie aber haben versprochen, 100 Milliarden jährlich zu zahlen. Diese Versprechen wurden nicht gehalten. Deswegen misstrauen Ihnen und uns viele Entwicklungsländer. Da müssen wir heran. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Schauen Sie sich die Zahlen noch einmal an. Woher sollen wir das Geld nehmen? 750 Millionen Euro einmalig für den Green Climate Fund sind Peanuts im Vergleich zur Kohleauslandsfinanzierung. Sie stellen 750 Millionen jährlich bereit, damit wir weiterhin Kohle ins Ausland -exportieren können. Das heißt, hier können Sie eine Umschichtung vornehmen, weg von den fossilen Energien hinein in die erneuerbaren. Das wäre der richtige Weg. Ich wünsche mir sehr, dass im Jahr 2015 das Nachhaltigkeitsmotto „Global denken, lokal handeln“ auch bei Ihnen endlich ankommt. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Matthias Miersch, dem ich zu seinem heutigen Geburtstag herzlich gratuliere. Alles Gute! (Beifall) Dr. Matthias Miersch (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank. – Wir stehen nach Klimakonferenzen regelmäßig an diesem Pult und diskutieren über den Ausgang. Ich möchte mich dem Thema etwas anders nähern. Ich glaube, die Gefahr, die augenblicklich besteht, ist, dass wir Paris wieder zu hopp oder top hochstilisieren. So ist das Gefüge immer bei Klimakonferenzen. Wir alle wollen, um nicht falsch verstanden zu werden, ein erfolgreiches Abkommen in Paris. Aber viel wichtiger, glaube ich, ist der Mechanismus, der sehr wohl in Lima begonnen wurde, nämlich die einzelnen Staaten zu fordern, sie zu bitten und einzuladen, ihre Minderungsziele zu benennen. Ja, richtig, das war viel zu vage bislang; aber es wird ein Mechanismus in Gang gesetzt werden, der es ermöglicht, dass sich gerade die aktive Zivilgesellschaft ein Bild über Erfolg oder Nichterfolg macht. Ich finde es sehr wohltuend, Toni Hofreiter, dass die Bundesregierung für ihre Rolle in Lima gelobt worden ist. Ich glaube, diese Rolle wäre nicht einnehmbar gewesen, wenn nicht Menschen wie Ban Ki-moon, der UN-Generalsekretär, anerkennen würden, was hier in den letzten Monaten tatsächlich geleistet worden ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Erstmals hat eine Bundesregierung gesagt: Wenn wir national so weitermachen, dann erreichen wir unser Klimaschutzziel bis 2020 nicht. – Erstmals liegt dem deutschen Parlament ein ganzer Katalog vor, aus dem hervorgeht, wie diese Klimaschutzziele dennoch erreicht werden können. Ich finde, es liegt jetzt an uns, zu zeigen, ob wir bereit und in der Lage sind, den Katalog umzusetzen, der von der Umweltministerin, dem Wirtschaftsminister und dem Kabinett insgesamt vorgelegt worden ist. Darauf wird es in den nächsten sechs Monaten maßgeblich ankommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) An diesem Beispiel zeigt sich letztlich auch – Herr Bundestagspräsident, ich nutze die Gelegenheit, es Ihnen direkt zu sagen –, wie wichtig die Verzahnung zwischen Regierungskonferenzen und parlamentarischem Agieren ist. Nichts von dem, was in Lima vereinbart worden ist oder in Paris vereinbart werden könnte, ist de facto umgesetzt; vielmehr bedarf es nationaler Parlamente, die die Umsetzung vornehmen. Überdenken Sie deswegen bitte die Entscheidung des Präsidiums, und klären Sie, ob es nicht doch angebracht ist, zu Regierungskonferenzen wie einer Klimakonferenz stets eine Delegation des Deutschen Bundestages mitreisen zu lassen! Ich halte das für unverzichtbar. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben in den vielen Gesprächen, die wir mit Parlamentariern anderer Parlamente geführt haben, auch erfahren, dass das Interesse an der deutschen Energiewende ungebrochen ist. Zwei Beispiele dafür will ich an dieser Stelle nennen. Die mexikanische Delegation hat uns gesagt: Wenn ihr, die ihr euch auf dem gleichen Breitengrad wie Alaska befindet, die Nutzung erneuerbarer Energien zustande bringt, dann müssten wir Mexikaner das mit der Photovoltaik doch erst recht zustande bringen. Ich finde, das ist ein schönes Beispiel. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Amerikaner haben sich bei uns, der Bundesrepublik Deutschland, ausdrücklich dafür bedankt, dass wir mit unserem Erneuerbare-Energien-Gesetz dafür gesorgt haben, dass die Kosten für die Einführung erneuerbarer Energien von einer Nation wie der Bundesrepublik Deutschland geschultert werden. Das ist ein weiteres -positives Signal dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft anerkennt, dass Deutschland hier weiterhin eine Vorreiterrolle einnimmt. – Diese beiden Beispiele zeigen mir, dass wir viel Reputation haben, jetzt aber auch viel auf dem Spiel steht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den kommenden Monaten beweisen müssen, dass das, was wir hier machen, kein Selbstzweck ist, dass sich Klimaschutz, wirtschaftliche Erneuerung und wirtschaftlicher Fortschritt nicht ausschließen, dass, im Gegenteil, Wirtschaft und Umweltschutz nur gemeinsam erfolgreich sind, dass wir in Deutschland weiterhin eine starke Wirtschaft haben können, weil wir in erneuerbare Energien investieren und auf Effizienz setzen. Da dies der letzte Plenartag in diesem Jahr ist: Ich wünsche mir, dass gerade angesichts der UN-Klimakonferenz in Paris eine breite Dynamik entsteht – nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt –, das zu praktizieren, was bei uns in Deutschland bereits geschieht, nämlich Innovationen und die Behandlung von Gerechtigkeitsfragen zu verbinden. Klimaschutz sollte im Jahr 2015 das Thema sein, das über allem steht; denn wir brauchen wirksame Schritte. Wir haben nur eine Welt, und wir dürfen sie nicht fahrlässig verspielen. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass der Klimaschutz durch die Pariser Konferenz eine neue Dynamik gewinnt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Peter Stein für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Peter Stein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie soll man die Ergebnisse der 20. Klimakonferenz in Lima bewerten? Ich glaube, wer auf einen klar umrissenen Entwurf für ein weltweites Klimaabkommen mit konkreten Zielen und Zusagen gehofft hatte, wurde enttäuscht. Aber war das wirklich zu erwarten? Aber auch ein völliges Scheitern der Konferenz, wie es bei solchen Konferenzen immer droht, ist nicht eingetreten. Man hat sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Das Gesicht des peruanischen Umweltministers zeigte deutlich die Spuren der Anstrengungen, die alleine dazu nötig waren. Der Klimaprozess geht weiter. Das Abschlussdokument hält uns als Weltgemeinschaft den Weg frei, um im nächsten Jahr in Paris zu einer besseren Einigung zu kommen. Wir in Deutschland sind mit unseren sehr ambitionierten Klimazielen sehr gut aufgestellt und wollen Vorreiter und Vorbild bleiben. Das ist kein leichter Weg; aber wir stehen unerschütterlich zu diesen Zielen – und das quer durch alle Ministerien und Fraktionen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist dringend notwendig, dass es solche selbst auferlegten Ziele gibt. Ich fordere hier andere Staaten auf, im nächsten Jahr ebenso verbindliche Ziele zu benennen. Wir gestehen dabei selbstverständlich jedem Land das Recht auf eine eigene Entwicklung zu. Dazu haben wir ja unsere Konzepte und Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit. Schon alleine deshalb wäre es als paradox zu bezeichnen, wenn wir bei unserer Hilfe und Unterstützung die dafür erforderliche Entwicklungsfreiheit in den Zielländern und deren staatliche Souveränität missachten würden. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese sind Grundvoraussetzungen des gemeinsamen Arbeitens und des gegenseitigen Vertrauens. Verantwortung bedeutet, dass wir aus dem Handeln der Vergangenheit lernen und anderen Ländern bessere Lösungen anbieten, als sie uns selber noch vor Jahren zur Verfügung standen. Deutschland steht zu seiner Industriegeschichte. Unsere Art und Weise der industriellen Entwicklung über einen Zeitraum von 150 Jahren und der damit einhergehende Ressourcenverbrauch darf und muss heute nicht in gleicher Weise wiederholt werden. Mein Eindruck ist, dass ein Umdenken eingesetzt hat und dies in Lima vielen Ländern bewusst geworden ist, auch wenn man sich noch nicht auf einen verbindlichen Entwurf für Reduk-tionsziele einigen konnte. Das kann jedoch auch motivierend wirken, weil alle spätestens in Paris Farbe bekennen müssen. Es ist gut, dass der Druck geblieben ist und dieser nicht durch einen Entwurf mit zu niedrig angesetzten Zielvorgaben wegverhandelt wurde. Das Ergebnis von Lima ist nämlich auch, dass das 2-Grad-Ziel von keinem Teilnehmer mehr infrage gestellt wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Aufgabe unserer Entwicklungspolitik ist es, die Folgen des Klimawandels wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Die Menschen und Kommunen des Südens haben meistens keine Möglichkeit, die Anpassungskosten zu bezahlen und auf Katastrophen rechtzeitig reagieren zu können. Den Entwicklungsländern wurde daher in Lima zugesichert, dass die Anpassungskosten und der Umgang mit Schäden und Verlusten durch den Klimawandel eine wichtige Rolle im Post-2015-Prozess spielen werden. Es ist daher zu begrüßen, dass die starre Aufteilung in Industrie- und Entwicklungsländer im Abschlussdokument zumindest im Ansatz neu organisiert wurde. (Beifall bei der CDU/CSU) Was die Schwellenländer betrifft, ist ein differenzierter Blick angebracht. Es ist aus meiner Sicht nicht wirklich schlüssig, dass ein Land wie China darauf besteht, klimatechnisch immer noch als Entwicklungsland zu gelten. Ich denke, zu einem weltweiten Einflussstreben gehört auch, globale Verantwortung zu übernehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD]) China hat im Vorfeld der Konferenz freiwillige Klimazusagen gemacht und will den Anteil der erneuerbaren Energien steigern. Nichtsdestotrotz ist gerade China eines der Länder, die bis Paris dringend liefern müssen. Das werden wir auch einfordern, wenn China weiterhin globaler Partner bleiben will. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Was müssen wir also tun? Zunächst einmal müssen wir alle eine Grundverantwortung übernehmen. Das ist in Lima mit dem Abschlussdokument erneut geschehen. Dann muss ein Weg gefunden werden, wie Kosten gerecht verteilt und Entwicklungskorridore eingerichtet werden können. Wichtig ist, nicht unsere Art der Entwicklung in der Vergangenheit technisch zu wiederholen, sondern es anders, zeitgemäß und besser zu machen und den nötigen wirtschaftlichen Aufschwung nicht auf alte Verfahren, sondern auf neue, nachhaltige Technologien zu stützen. Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit engagieren wir uns hier bereits sehr stark bei konkreten Klimaprojekten und wollen dies auch weiterhin tun. Seit 2013 haben wir dafür knapp 2 Milliarden Euro bereitgestellt. Fast 90 Prozent davon kamen aus dem Etat des BMZ. Schließlich haben wir auch Alternativen zu betrachten, zum Beispiel die Verlagerung der Klimapolitik von der internationalen auf die nationale oder lokale Ebene. Städte und Regionen machen heute schon selbstständig Fortschritte in der Klimapolitik, und das wollen wir unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ein Beispiel sind für mich die großen Städte – da gibt es die sogenannte C40-Initiative –, die bereits gemeinsame Strategien erarbeiten, wie Treibhausgase im urbanen Raum eingespart werden können. Sie warten dabei nicht auf nationale Vorgaben ihrer Heimatstaaten. Das ist ein wichtiger Schritt, denke ich; denn bis zu 80 Prozent der Emissionen finden in urbanen Räumen statt. Auch das muss in Paris stärker herausgehoben werden. Wir müssen uns stets gewiss sein, dass ohne klare Ergebnisse beim Klimaschutz gewaltsame Konflikte und der Kampf um Ressourcen ständige Begleiter unseres Nichthandelns sein werden. Die Klimaverhandlungen haben daher auch – das möchte ich unterstreichen; es ist bereits angeklungen – friedens- und sozialpolitisch ganz enorme Bedeutung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Einhergehend mit der Bevölkerungsentwicklung ist das 2-Grad-Ziel die vielleicht größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte. Die werden wir nur gemeinsam bestehen können. Auf dem Weg wünsche ich uns und unserer Bundesregierung alles erdenklich Gute. Viele schöne Tage, vor allem schöne Feiertage und guten Rutsch! Danke, dass Sie mir zugehört haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort der Kollegin Bärbel Kofler für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Bärbel Kofler (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Viele Kollegen im Saal haben zu den Emissionsminderungszielen Stellung genommen – zu Recht. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die Ministerin selbst dazu Stellung genommen und gesagt hat, dass wir alle bis Paris unsere Hausaufgaben noch machen müssen, damit wir wirklich zu einer erfolgreichen Minderung der CO2-Emissionen und der CO2-Äquivalente gelangen. Ich möchte mich als Entwicklungspolitikerin aber auf die Fragen des Anpassungsmechanismus, des Anpassungsfonds, und die Rolle Deutschlands dabei konzentrieren, weil ich glaube, dass dies nicht genug gewürdigt werden kann. Ich finde es sehr positiv – nicht nur ich, sondern gerade auch Climate Action Network –, dass Deutschland nach Jahren, in denen es schon einmal das „Fossil des Tages“ war, mit Barbara Hendricks und ihrem Engagement für den Anpassungsfonds auf der Klimakonferenz in Lima zum „Ray of The Day“, zum Sonnenstrahl des Tages, wurde. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die zusätzlichen 50 Millionen Euro bzw. 60 Millionen Dollar aus Deutschland sind von großer Bedeutung. Das wird klar, wenn man das Gesamtvolumen des Anpassungsfonds kennt und weiß, dass er seit 2010 erst 265 Millionen Euro ausschütten konnte, um für die Ärmsten der Armen zu arbeiten, für die Schaffung einer Lebensgrundlage für viele Menschen, die nicht verantwortlich sind für das, was vor ihrer Haustür an durch den Klimawandel ausgelösten zerstörerischen Momenten passiert. Dieser Anpassungsfonds ist also von großer Bedeutung. Ich glaube, es wird auch von großer Bedeutung sein, beim Green Climate Fund den Anpassungsanteil von 50 Prozent so auszugestalten, dass die Entwicklungsländer Mitsprache bei der Verwaltung haben. Das ist ganz wichtig und entscheidend. Ich möchte ein Beispiel nennen. Der Anpassungsfonds hat sehr erfolgreich im Senegal agiert. Es gibt gute Beispiele, die zeigen, wie man Menschen, ganzen Regionen, aber auch der Wirtschaft in den Ländern ins-gesamt helfen kann, wieder Tritt zu fassen. Es gibt dort Regionen mit Küstenerosion, steigendem Meeresspiegel und der Überschwemmung von Ackerland. Durch das Engagement des Anpassungsfonds, des Adaptation Fund, konnten die Lebensgrundlagen von Bauern und Fischern wieder stabilisiert werden. Es ist an dieser konkreten Stelle gelungen, einen Damm zu bauen. Hinter diesem Damm konnten Flächen renaturiert werden und versalzene Böden für die Menschen wieder nutzbar gemacht werden, sodass sie wieder zur Ernährungssicherung beitragen. Das ist Zukunft für die Menschen. Sie müssen von Tag zu Tag ihr Leben in den Griff bekommen. In dem konkreten Beispiel aus dem Senegal haben 5 000 Bauern von den Anpassungsmaßnahmen in der Weise profitiert, dass sie wieder eine Lebensgrundlage für sich und ihre Familien haben. Das finde ich unterstützenswert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde das auch deshalb unterstützenswert, weil das gerade die Beispiele sind, die den beiden anderen „Rays of The Day“, den beiden anderen Sonnenstrahlen von Lima, nämlich Peru und Kolumbien, den Weg erleichtern, ihre eigenen Mittel einzubringen, um Anpassungsmaßnahmen voranzubringen. Das ist es doch, worüber wir immer wieder diskutiert haben, nämlich dass jeder einen Beitrag leisten muss und leisten kann, dass aber die Länder, deren Finanzkraft besser ausgestattet ist und die aus ihrer historischen Verantwortung heraus dazu verpflichtet sind, mit entsprechend höheren Beiträgen vorangehen müssen. Das ist hier geschehen. Das finde ich wirklich unterstreichenswert und besonders wichtig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es wird jetzt darauf ankommen, den Anpassungsfonds auch zukünftig mit finanziellen Mitteln auszustatten, damit er seine Arbeit weiter leisten kann. Wir wissen, seine Finanzierung ist an die Abgabe aus dem CO2-Zertifikate-Handel gebunden. Durch den niedrigen Preis kommt es zu einer entsprechend geringen Ausstattung des Anpassungsfonds. Leider kommt es aber nicht zu einer entsprechend geringeren Verschmutzung und Zerstörung von weiten Teilen der Erde. Das heißt, wir müssen höhere Mittel für den Anpassungsfonds erreichen, und selbstverständlich müssen wir zu entsprechenden Mitteln für den Green Climate Fund kommen. Es geht um eine Emissionsverminderung – das ist selbstverständlich –, aber eben auch um Anpassung. Ich glaube, wir haben einige Chancen, uns für das nächste Jahr finanziell anders aufzustellen, für die Konferenz in Paris das Vertrauen der Entwicklungsländer zurückzugewinnen und bei dem Prozess der SDGs, der Nachhaltigkeitsziele, im Sommer bei der Finanzierungskonferenz in Addis Abeba, aber auch bei der Beschreibung der Ziele, zu denen sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, im September in New York dieses Thema und die Finanzierung in den Mittelpunkt zu stellen, es mit Entwicklungspolitik zu verzahnen, unseren Haushalt in Ordnung zu bringen und einen Beitrag zu leisten, Entwicklungsmittel und Klimamittel gemeinsam zu erhöhen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Barbara Hendricks, du hast eingangs gesagt, Klimapolitik sei Friedenspolitik. Ich möchte ergänzen: Klimapolitik und Entwicklungspolitik sind Friedenspolitik. Darauf müssen wir uns im nächsten Jahr konzentrieren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Thomas Gebhart für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Lima hat mir am Rande der Konferenz ein junger Mann aus Bangladesch geschildert, wie insbesondere die Menschen, die dort an der Küste leben, bereits heute unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden, weil sich etwa die Stürme häufen und intensiver werden. Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Der Klimawandel verändert die Lebensbedingungen auf dieser Erde. Die Warnungen der Wissenschaftler liegen auf dem Tisch. Wir müssen das Klima schützen, und es braucht Maßnahmen, um den Klimawandel insgesamt auf ein Maß zu begrenzen, das als verantwortbar gilt. Dies ist für uns Christdemokraten ein Kernanliegen unserer Politik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Klimawandel ist ein weltweites Problem. Wir allein können es nicht lösen. Auf uns entfallen gut 2 Prozent der weltweiten Emissionen. Das ist ein globales Problem, deshalb muss es auf die Tagesordnung der Weltpolitik. Deswegen ist es richtig, dass die Vereinten Nationen jedes Jahr zu diesen weltweiten Klimakonferenzen einladen. Es gibt keine vernünftige Alternative dazu. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir brauchen diese Konferenzen. Wir müssen verabreden, was möglich ist, und das Ziel bleibt richtig: Wir brauchen im nächsten Jahr einen weltweiten Vertrag über den Klimaschutz. Lima war ein Schritt in diese Richtung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch ich möchte ausdrücklich der deutschen Delegation, denjenigen, die dort für Deutschland und für die Europäische Union verhandelt haben, den Beamten aus den Ministerien, danken. Sie haben eine großartige Arbeit geleistet. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir brauchen diese Konferenzen. Gleichwohl hat Lima einmal mehr gezeigt, dass es Grenzen dessen gibt, was diese Konferenzen leisten können. Wir haben das förmlich spüren können, als wir Samstagnachmittag in diesem großen Zelt zusammensaßen. Die Delegationen aller Länder waren vertreten, zwei Wochen nach Beginn der Konferenz, 18 Stunden nach dem eigentlichen Ende der Konferenz. Man dachte, jetzt wäre endlich ein Kompromiss gefunden. Er war schon abgeschwächt. Es sollte zu einer Entscheidung kommen, und dann haben sich reihenweise Länder zu Wort gemeldet – von Tuvalu über Malaysia bis hin zu China –, die gesagt haben: Wir sind nicht einverstanden. – Man konnte spüren, wie die unterschiedlichen Interessen der Länder aufeinanderprallen: der Länder, die für weitgehenden Klimaschutz streiten, der Länder, die vor allem wirtschaftliche Entwicklung wollen, und wiederum anderer Länder, die vor allem finanzielle Hilfen wollen, um sich an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können. Wir haben es also bei den 196 Ländern, die dort vertreten sind, mit unterschiedlichen Interessen zu tun. Hinzu kommt: Bei diesen Verhandlungen gilt das Einstimmigkeitsprinzip; das heißt, Entscheidungen können immer nur im Konsens getroffen werden. Das macht den Prozess unglaublich zäh. Deswegen sage ich ganz klar: Wer von diesen Konferenzen, so wichtig sie sind, den ganz großen Wurf erwartet, der wird enttäuscht werden. Wer von diesem Vertrag – wir alle hoffen, dass wir ihn im nächsten Jahr bekommen; er ist wichtig – den ganz großen Wurf erwartet, wird enttäuscht werden. Wir brauchen diese Konferenzen; aber sie alleine können die Probleme nicht lösen. Wir brauchen mehr als diese Konferenzen. Da stellt sich natürlich die Frage: Was muss hinzukommen? (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vernünftige nationale Politik wäre einmal eine Idee!) Ich bin überzeugt, dass wir das Problem nur dann lösen können, wenn es uns gelingt, diesen Grundkonflikt aufzulösen, wenn es uns gelingt, die Interessengegensätze zu überwinden, wenn es uns gelingt, Umwelt- und Klimaschutz auf der einen Seite und Wohlstand und Entwicklung auf der anderen Seite vernünftig zusammenzubringen, zu verbinden. Das ist die große Aufgabe. Dies geht nur mit Technologien wie erneuerbaren Energien, Speichertechnologien, hochmodernen Recyclinganlagen und vielem mehr. Forschung und Entwicklung, Innovationen, moderne Technologie sind wesentliche Schlüssel zur Lösung der Probleme. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben uns in Deutschland mit der Energiewende längst auf den Weg gemacht. Es liegt an uns, zu zeigen, dass es geht, dass es gelingt, einen wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien in Übereinstimmung zu bringen mit einer starken Wirtschaft, mit einer starken Industrienation. Es ist unsere Aufgabe, dies zu zeigen. Nur wenn uns das gelingt, haben wir eine Chance, dass uns andere Länder folgen. Nur dann haben wir eine Chance, dass dieses Modell für andere attraktiv wird. Das haben in Lima die vielen Gespräche mit anderen Delegationen einmal mehr ganz klar und deutlich gezeigt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Frau Baerbock, Sie sagten, die Kanzlerin nehme das Wort „Klimaschutz“ noch nicht einmal in den Mund. Ich sage Ihnen: Die Kanzlerin hat das Thema Klimaschutz längst in die Hand genommen. Wir handeln. Darauf kommt es letzten Endes an. Meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns weiter daran arbeiten! Wir dürfen nicht nachlassen; denn es geht um sehr, sehr viel. Da es die letzte Sitzung vor Weihnachten ist, wünsche auch ich uns allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV Drucksache 18/3549 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Die Stimmung ist erkennbar friedlich. Es wäre dennoch ganz schön, wenn der Schichtwechsel zum nächsten Tagesordnungspunkt zügig zum Abschluss gebracht werden könnte, damit ich die erste Rednerin aufrufen kann. Das ist in diesem Fall die Kollegin Katja Kipping, die jetzt für die Fraktion Die Linke das Wort erhält. (Beifall bei der LINKEN) Katja Kipping (DIE LINKE): Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Vor knapp zehn Jahren trat das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, eher bekannt unter dem Namen Hartz IV, in Kraft. Wir nehmen dieses Jubiläum zum Anlass für eine kritische Bilanz. Herausgekommen ist ein System, mit dem die Arbeitslosen diszipliniert und bestraft werden. So spricht inzwischen Peter Hartz über Hartz IV. Die -Bilanz von Hartz IV ist also offensichtlich so verheerend, dass sich selbst der Namensgeber davon distanziert. (Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Schämt, ja!) Bei der Einführung vor über zehn Jahren hieß es: Die Hartz-Reformen sollen eine bessere Vermittlung in Arbeit ermöglichen. Tatsache ist jedoch: Im Vergleich zum Vorgängersystem hat sich die Verweildauer im Sozialsystem verlängert. Jeder zweite erwerbsfähige Betroffene ist länger als vier Jahre auf Hartz IV angewiesen. Von einer schnelleren Vermittlung kann also überhaupt gar keine Rede sein. Genau deswegen kann es nicht weitergehen mit Hartz IV. (Beifall bei der LINKEN) Außerdem hieß es bei der Einführung: Das Arbeits-losengeld II soll ausreichend materielle Sicherung gewährleisten. In der offiziellen Bilanz der Bundesagentur heißt es noch heute: Die gute Idee der Grundsicherung war, … eine angemessene Pauschale zu zahlen. Eine „angemessene Pauschale“ – so weit die Theorie. Wer in der Praxis jedoch auf Hartz IV angewiesen ist, dem fehlt es oft an wirklich notwendigen Dingen. Beispielsweise fehlt jedem zweiten Betroffenen das Geld für notwendige medizinische Leistungen, die nicht von der Kasse übernommen werden. Falls einer hier im Saal ernsthaft meint, 391 Euro im Monat seien ausreichend, möchte ich ihn mit der Zuschrift einer 64-jährigen Frau konfrontieren. Renate S. schrieb mir vor einigen Tagen: Ich lebe von Grundsicherung, bin 64 Jahre alt, habe gesundheitliche Probleme und sitze viel einsam in meiner Wohnung, weil ich am sozialen Leben nicht teilnehmen kann. Jetzt ist Weihnachten, und ich möchte gern meinen Sohn und meinen Enkel besuchen, weiß aber nicht, von was ich kleine Geschenke kaufen soll. Eine Großmutter weiß nicht, wovon sie ihrem Enkel zu Weihnachten ein kleines Geschenk kaufen soll! Das ist die Realität von Hartz IV, und damit kann man sich nicht abfinden. (Beifall bei der LINKEN) Ja, Hartz IV, das bedeutet Armut statt gesellschaftliche Teilhabe, Bedarfsgemeinschaften mit schikanöser Überprüfung der Wohn- und Beziehungssituation statt individuelle Rechte, fragwürdige 1-Euro-Jobs statt gute Arbeit, statt ordentliche öffentliche Beschäftigung, Sanktionen statt soziale Grundrechte. Kurzum: Zehn Jahre Hartz IV sind zehn Jahre zu viel. Es ist höchste Zeit für einen sozialpolitischen Neustart, (Beifall bei der LINKEN) auch deshalb, weil Hartz IV der Ideologie folgt, der Einzelne sei schuld an seiner Erwerbslosigkeit. Die Opfer des Arbeitsmarktes werden so noch als Schuldige abgestempelt. Ausdruck dieser falschen Ideologie ist die Sanktionspraxis. Sanktionen bedeuten, dass das ohnehin niedrige Arbeitslosengeld II gekürzt werden kann – erst um 30, dann um 60 Prozent – und schließlich ganz weggestrichen werden kann. Allein die Androhung einer möglichen Sanktion hängt wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen. Wo Existenzangst um sich greift, da verschärft sich das gesellschaftliche Klima. Mitmenschlichkeit, Humanität und Demokratie haben es deswegen umso schwerer, und darüber können wir nicht einfach hinweggehen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Linke meint: Sanktionen untergraben das Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum. Sie gehören deswegen abgeschafft, und zwar sofort. (Beifall bei der LINKEN) Da wir gerade über Sanktionen reden: Bemerkenswert ist doch, dass 44 Prozent der Klagen gegen Sanktionen ganz oder teilweise stattgegeben wird. Das heißt: Selbst gemessen an den harten herrschenden Gesetzen, werden viele Sanktionen noch zu Unrecht verhängt; und wir reden hier über Menschen, die kein finanzielles Polster haben. Deswegen meinen wir: Damit muss Schluss sein. (Beifall bei der LINKEN) „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so steht es in Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Ich meine, daraus folgt auch: Die Würde eines Menschen hängt nicht davon ab, wie verwertbar er für den Arbeitsmarkt ist. Zu einem würdevollen Leben gehört auch das Recht, die eigene Erwerbsarbeit frei zu wählen, statt in irgendeinen schlecht bezahlten Job oder in irgendeine fragwürdige Maßnahme gepresst zu werden. Zu einem würdevollen Leben gehört auch, dass alle, auch diejenigen, die keinen Erfolg auf dem Erwerbsarbeitsmarkt hatten, als Bürger bzw. Bürgerin aufrechten Ganges an der Gesellschaft teilhaben können und sich nicht aus Scham oder Geldnot in den eigenen vier Wänden verkriechen müssen. Auch deswegen sagen wir heute erneut: Hartz IV muss abgeschafft und durch gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden. Unter 1 050 Euro im Monat droht Armut. (Beifall bei der LINKEN) Ja, werte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, Hartz IV ist „zum Symbol für soziale Kälte“ geworden, so schrieb Andrea Nahles, die heutige Sozialministerin, noch im Jahr 2009. Wenn das mehr als Lyrik, mehr als purer Wahlkampf war, dann frage ich mich, warum Sie vor Hartz IV so dermaßen kapituliert haben, warum Sie keinerlei ernsthafte Veränderungen an Hartz IV vornehmen. Ich meine – man kann es nicht oft genug sagen –: Zehn Jahre Hartz IV sind zehn Jahre zu viel. Es ist höchste Zeit für einen sozialpolitischen Neustart. Es ist an der Zeit, Hartz IV zu entsorgen und durch eine sank-tionsfreie Mindestsicherung, die sicher vor Armut schützt, zu ersetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Professor Matthias Zimmer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bisweilen kann man eine gewisse Säuerlichkeit der Mitteilung bei denjenigen ausmachen, die mit großer Geste das Schlimmste prophezeit haben (Zuruf von der LINKEN: Hat sich doch bewahrheitet!) und nun konstatieren müssen, dass sie nicht nur Unrecht hatten, sondern dass sich alles zum Positiven gewendet hat. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Das ist aber sehr mutig! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt mutig!) Eine solche Mitteilung in kurzer Form hat die Tageszeitung Die Welt angesichts des ersten Jahres der Großen Koalition am Mittwoch zum Besten gegeben. Dort heißt es beinahe ungläubig, im vergangenen Jahr seien 400 000 neue Arbeitsplätze entstanden, (Zuruf von der LINKEN: Was denn für welche?) trotz der Großen Koalition. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Trotz“ ist sehr richtig!) Man spürt förmlich das Unbehagen des Schreibers, das ihm Unerklärliche erklären zu müssen. Aber mehr als die Erklärung, die Politik könne damit nichts zu tun haben, mehr will ihm nicht gelingen. Ähnlich, nur umfangreicher, ist der Antrag der Linken, den wir beraten: eine einzige Abrechnung mit Hartz IV, und ein durchaus verzerrtes Bild. Die Wirklichkeit sieht so aus: Die Arbeitsmarktreformen waren erfolgreich, die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland ist vorbei, viele Menschen haben in den letzten Jahren erfolgreich in Arbeit vermittelt werden können, heute haben so viele Menschen in Deutschland wie noch nie Arbeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Zu was für Löhnen? Zu was für Preisen? Das Arbeitsvolumen hat nicht zugenommen!) Und, verehrte Frau Kipping, das sieht auch Peter Hartz so. Ich gebe zu, meine Damen und Herren, an der einen oder anderen Stelle haben wir nachsteuern müssen. Das betrifft etwa die Instrumentenreform, und wir sind in der Diskussion darüber, wie wir hier einige Dinge vereinfachen können. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Professor Zimmer, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Aber selbstverständlich. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Bitte. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kollege Zimmer, dass Sie die Zwischenbemerkung zulassen. Es geht mir darum, Ihnen in kurzer Zeit vier Punkte zu nennen, zu denen ich Sie um eine kleine Stellungnahme bitte. Sie haben eben zu Beginn Ihrer Rede auf die Zeitung Die Welt hingewiesen. Meine erste Bemerkung: Die Zeitung Die Welt hat heute ein Interview mit Peter Hartz veröffentlicht. Er wird unter anderem gefragt, was bei der Umsetzung der Beschlüsse der Hartz-IV-Kommission denn falsch gelaufen sei. Immerhin: Am 16. August 2002 hat Hartz hier in Berlin im Französischen Dom die Kommissionsergebnisse vorgestellt. Ich war damals dabei. Peter Hartz sagt in der Welt: Wir – also die Hartz-Kommission – haben damals – 2002, also vor zwölf Jahren – vorgeschlagen, Hartz IV auf einem deutlich höheren Niveau anzusetzen, nämlich bei 511 Euro. Wenn ich jetzt einmal die Inflation beiseitelasse und nur die Steigerung berücksichtige, die absolut vorgenommen worden ist, dann müsste der Hartz-IV-Regelsatz ab dem 1. Januar 2015 bei 565 Euro liegen. Das hat sozusagen der Chef dieser Kommission gefordert. Wir Linken fordern eine sofortige Anhebung des Regelsatzes auf 500 Euro. Sie sehen: Wir sind eigentlich noch zu bescheiden. Dazu bitte Sie ich einmal etwas zu sagen. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens sagt er zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission: Wir hätten Jobcenter und Arbeitsagenturen bei der Bundesagentur für Arbeit in einer Hand gelassen. Dass ein Teil der Jobcenter von den Kommunen betrieben wird, ist ineffizient. Das ist ein Originalzitat von Peter Hartz. – Was sagen Sie dazu, dass es zu dieser völlig unsachlichen Trennung gekommen ist, nur weil die CDU/CSU das im Bundesrat hineinverhandelt hat? Darauf hätte ich gerne eine Antwort. (Beifall bei der LINKEN) Dritte Bemerkung. In der Frankfurter Allgemeinen vom heutigen Tag wird darauf hingewiesen, dass es Verlierer und Verliererinnen und Gewinner und Gewinnerinnen von Hartz IV gibt. Hier steht – ich zitiere –, dass in Haushalten von Langzeitarbeitslosen die Dinge so liegen, dass „nur 13 Prozent der Gewinner“ sind, „drei Viertel dagegen mit der Reform um mindestens 25 Euro im Monat schlechter“ abschneiden, also 25 Euro und mehr im Monat weniger haben – das ist bei den Ein-kommensgrößen wirklich viel –, und vor allen Dingen Singles bzw. Alleinstehende Verlierer dieses Systems sind. Und – das steht da auch –: Zu den Verlierern zählen ebenso ältere Langzeitarbeitslose. Sie hätten nach dem alten System im Durchschnitt 1 200 Euro erhalten, heute haben sie nur noch 950 Euro. Insgesamt gesehen bedeutet Hartz IV laut diesem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen für viele Menschen aus der Mittelschicht, die früher Arbeitslosenhilfe bezogen haben, eine deutliche Verschlechterung. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Redezeit!) Wir müssen dabei auch berücksichtigen, dass Hartz IV auch Teil der Altersabsicherung ist, quasi der Grundsicherung im Alter. Der Satz liegt bundesweit im Durchschnitt bei gerade einmal 721 Euro; das Minimum sind jeweils 638 Euro durchschnittlich in Thüringen, und das Maximum sind durchschnittlich 816 Euro in Hamburg. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Zimmer, stellen Sie sich vor: Davon müssen Sie Essen, Trinken, Kleidung und Miete bezahlen. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Fragen!) – Ich habe drei Minuten, Frau Kollegin. (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Ist das jetzt eine Rede? – Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist eine neue Rede! Das geht gar nicht!) Theoretisch müssen auch noch Heizung, Energie, Warmwasser und das, was wir gesellschaftliche Teilhabe nennen und normale Menschen Cappuccino, Oper, Kino oder Bier nennen, bezahlt werden. Ich weiß nicht, wie Sie hier im Saal das von 721 Euro hinkriegen wollen. Letzte Bemerkung. Ich finde es absolut zynisch, dass die Bundesagentur für Arbeit eine Karte mit der Aufschrift „10 Jahre Hartz IV“ als Weihnachtskarte verschickt. Das ist wirklich zynisch. Hartz IV hat keine -Probleme gelöst. Hartz IV hat einen riesigen Niedriglohnsektor hervorgebracht, Leute in Armut gestürzt. Angesichts dessen auch noch so eine Weihnachtskarte zu verschicken, finde ich unmöglich. Auch dazu hätte ich gerne eine Bemerkung von Ihnen. Ich freue mich auf Ihre Antworten. Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Herr Kollege Birkwald. – Ich glaube, das war die längste Zwischenfrage, die ich jemals zu Gehör bekommen habe. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich bin versucht, das mit der längsten Antwort zu bedenken, die es im Deutschen Bundestag je gegeben hat. Aber im Geiste vorweihnachtlicher Freude halte ich meine Antwort auf diese Fragen eher kurz. Erster Punkt. Ich nehme mit großem Vergnügen zur Kenntnis, dass Peter Hartz um eine Ehrenmitgliedschaft bei den Linken zukünftig vermutlich nicht herumkommen wird. Ich halte trotzdem aber 511 Euro für deutlich zu hoch, und zwar schlicht und einfach, weil es zwischen einer Sozialfürsorgeleistung und einem Arbeitsentgelt einen Abstand geben muss, damit sich die Aufnahme der Arbeit auch lohnt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Als zweiten Punkt sprachen Sie das Interview mit Peter Hartz an, in dem er sagt, Jobcenter und Arbeitsagenturen sollten in einer Hand bleiben. Ich komme aus dem Bundesland Hessen, in dem es die meisten Optionskommunen in der Bundesrepublik gibt. Ich halte es noch nicht für ausgemacht, dass die Bilanz so eindeutig ist. Ich kenne Optionskommunen, die hervorragend arbeiten, die effizient und schnell Menschen wieder in Arbeit bringen, und ich kenne ganz normale Kommunen, in denen das nicht der Fall ist. Insofern, glaube ich, sollten wir uns das sehr genau anschauen und hier nicht pauschal darüber urteilen, was richtig und was falsch ist. Der letzte Punkt, den ich hier aufgreifen will: Gewinner und Verlierer. Auch ich habe den Artikel in der FAZ gelesen. Dort steht aber auch, lieber Herr Kollege Birkwald, dass das Institut der deutschen Wirtschaft Folgendes festgestellt hat: Die Hälfte der Bezieher der sozialen Mindestsicherung hätte heute allen Grund, eine „Abschaffung“ von Hartz IV zu fürchten. Aber genau das fordern Sie ja heute. Weiter heißt es: Zugleich wären ohne Hartz IV mehr Menschen einem Armutsrisiko ausgesetzt. Das zeigt mir ganz deutlich: Ihr ganzer Antrag ist ideologisch bedingt und hat mit der Wirklichkeit in diesem Lande nichts zu tun. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir würden ja eine Mindestsicherung einführen!) Meine Damen und Herren, ich gebe zu: Wir haben bei Hartz IV und der Arbeitsmarktreform an der einen oder anderen Stelle nachsteuern müssen. Das betrifft die Instrumentenreform; darüber diskutieren wir im Moment. Das betrifft Missbrauch. Wir haben Missbrauch bei der Arbeitnehmerüberlassung unterbunden, und wir werden uns auch die Werkverträge noch einmal genau ansehen. Und wir haben einen gesetzlichen Mindestlohn beschlossen. Er wird ab 1. Januar 2015 weitgehend gelten. Der Mindestlohn ist von einer übergroßen Mehrheit in unserer Bevölkerung begrüßt worden, und wir haben ihn mit einem breiten Konsens im Deutschen Bundestag verabschiedet. Der Mindestlohn ist normativ geboten und ordnungspolitisch richtig. Deshalb fehlt mir ein wenig Verständnis, wenn es einige gibt, die im Mindestlohn einen Fremdkörper in der sozialen Marktwirtschaft sehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Erst recht aber fehlt es mir an Verständnis, wenn der FDP-Vorsitzende Lindner (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist gar nicht hier und hat auch keinen Antrag gestellt!) sich in einem Interview wie folgt äußert: Die Tatsache, dass der Mindestlohn mit nur fünf Gegenstimmen beschlossen worden ist, sei, so Lindner, nicht nur Politik wie in der DDR-Volkskammer, sondern auch ein Abstimmungsergebnis wie in der Volkskammer. – Ich bin mir sicher, dass Herr Lindner den Unterschied zwischen Volkskammer und Bundestag kennt. (Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Einen Unterschied will ich ihm aber noch erklären: In der Volkskammer hatten die Liberalen eine Bestandsgarantie, im Deutschen Bundestag nicht. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU auch!) Im Deutschen Bundestag gilt, was auch in der Wettbewerbsordnung der sozialen Marktwirtschaft gilt: Wer ein Produkt anbietet, das keiner haben will, scheidet aus dem Markt aus. Offensichtlich sind schneidig-rittmeisterliche Herablassung und eine Politik der sozialen Kälte keine nachgefragten Produkte im politischen Wettbewerb – und das ist auch gut so. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber zurück zum Antrag der Linken. Darin enthalten ist ein alter Bekannter: die sanktionsfreie Mindestsicherung. Diese haben Sie schon oft gefordert, aber durch stetige Wiederholung wird das Argument nicht besser. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hat beim Mindestlohn auch geklappt! – Katja Kipping [DIE LINKE]: Die Geschichte des Mindestlohns sagt etwas anderes!) Darauf will ich kurz eingehen. Ich denke, da ist zunächst einmal das Argument, dass eine sanktionsfreie Mindestsicherung der erste Schritt in ein bedingungsloses Grundeinkommen ist. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das steht da nicht drin!) Das halte ich für grundsätzlich falsch und verderblich. Es löst nämlich letztendlich den engen Zusammenhang von Arbeit und Einkommen auf – und das wollen wir nicht. Ein zweites Argument. Laut einer Umfrage aus Nordrhein-Westfalen empfindet die übergroße Mehrzahl der Langzeitarbeitslosen Sanktionen als gerechtfertigt, auch wenn sie selbst davon betroffen sind. Warum sie dies tun, bleibt zunächst offen. Man kann vermuten, dass viele im Inneren davon überzeugt sind, dass der Staat für Leistungen auch Gegenleistungen erwarten kann und dass dies für ein geordnetes Gemeinwesen legitim ist, wenn und solange diese Gegenleistungen erbracht werden können. Wenn schon die Betroffenen selbst ganz überwiegend der Meinung sind, dass Sanktionen legitim sind, warum sollten wir daran rütteln? Würden wir damit nicht einen moralischen Konnex auflösen, der für die meisten Menschen auch heute noch selbstverständlich ist? Und, noch einen Schritt weitergehend: Lösen wir, wenn wir Sanktionen ganz fallen lassen, nicht auch den Kontext der Legitimation bei denjenigen auf, deren Steuergelder Hartz IV finanzieren? Sind es nicht gerade die Sanktionen, die für die Leistungserbringer ein wichtiges Argument dafür sind, dass es im Bereich der So-zialfürsorge auch fair zugeht? Brauchen wir die Sanktionen nicht auch, um diesen Leistungserbringern deutlich zu machen: „Wir gehen sorgfältig mit dem Steuergeld um und wollen Missbrauch unterbinden“? (Zuruf von der LINKEN: Was ist mit dem Grundgesetz?) Das bedeutet freilich nicht, dass wir uns die Wirksamkeit der Instrumente und auch der Sanktionen nicht genauer anschauen. Da ist es zunächst richtig, die Eingliederungsvereinbarungen als das Herzstück der Integration in den Arbeitsmarkt zu stärken und deutlich zu machen, wann und unter welchen Umständen Sanktionen erfolgen können oder werden. Das gibt beiden Seiten Verhaltenssicherheit und sorgt hoffentlich auch für ein Stück mehr Rechtssicherheit. Sanktionen sind keine Strafen, die vom Himmel fallen, sondern eine Rechtsfolge und damit folgerichtig. (Zuruf von der LINKEN: Leider sind 44 Prozent falsch!) Die Androhung von Sanktionen ist Ausdruck einer gerechtfertigten Erwartungshaltung, insofern diese mit einer staatlichen Leistung verknüpft werden. Sie sind integraler Bestandteil des Begriffs der Solidarität dort, wo das Prinzip der Gegenseitigkeit gilt. Der Verzicht auf Sanktionen wäre im Ergebnis eine Auflösung der gesellschaftlichen Solidarität. Ich frage mich ernsthaft, wie eine Partei, für die der Begriff der Solidarität so zentral ist, dies wollen kann. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Weil Existenzangst nichts mit Solidarität zu tun hat!) Wir als Union, für die Solidarität ein Gestaltungsprinzip der Gesellschaft ist, wollen das nicht. Ich glaube, wir sind mit dem, was wir bereits verabschiedet haben und was wir im Koalitionsvertrag noch vereinbart haben, auf einem guten Weg zur Vollbeschäftigung und zur Annäherung an das Ideal guter Arbeit. Wenn wir dafür von der publizistischen Rechten, der politischen Linken und den liberalen Marktradikalen gescholten werden, zeigt mir das: Wir liegen mit unserer Politik gar nicht so falsch. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“, heißt es. Die Marktradikalen und die Linken haben nur Dörrobst anzubieten: (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zurufe von der LINKEN) Das ist zu wenig für eine wahrhaft soziale Marktwirtschaft und eine moderne Gesellschaft wie die Bundes-republik Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt spricht Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn vom Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Die ehrliche Bilanz von zehn Jahren Hartz IV, so ist gesagt worden: Das heißt, bei Hartz IV war nicht alles schlecht, liebe Katja Kipping. Es haben tatsächlich Leute davon profitiert, die verdeckte Armut ist gesunken. Aber, lieber Matthias Zimmer: Es ist auch nicht alles gut – wahrlich nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katja Kipping [DIE LINKE]: Aber du kennst doch die Studie von Irene Becker! Also, Wolfgang!) Die Armut ist gestiegen, die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich verfestigt, und die Existenzängste in diesem unserem Land haben zugenommen; auch das muss man zur Kenntnis nehmen. Unsere Position dazu ist, dass Hartz IV tatsächlich grundlegend reformiert werden muss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In dem Antrag, den die Linken vorlegen, findet man viel Altes, viele Forderungen, die sie schon immer erhoben haben. Eine Stelle ist aber interessant. Der Satz „Das Hartz-IV-System muss weg“ steht nach wie vor drin, aber neuerdings heißt es „mittelfristig“. Mittelfristig soll Hartz IV abgeschafft werden. Das heißt, da gibt es jetzt eine gewisse Anschlussfähigkeit an die SPD und an uns. Und kurzfristig soll es eine Hartz-IV-Reform geben. Ich werte das als weiteren Schritt in Richtung Realitätstauglichkeit. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mit einem Koalitionsangebot?) Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Kanzlerin Merkel die Wahl 2017 nicht wieder gewinnt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was Sie vorschlagen, ist aber durchaus problematisch. Sie fordern einen Regelsatz von 500 Euro. Das bedeutet – da gebe ich dem Kollegen Zimmer durchaus recht –, dass der Anreiz, zu arbeiten, geringer bzw. die Belohnung von Arbeit schwieriger wird. Die Hartz-IV-Hürde zu überwinden, wird damit noch schwieriger. Und zur Finanzierung sagt die Linke – wieder einmal – auch nichts. Ich beschränke mich nur auf vier Punkte, die aus unserer Sicht geändert werden sollten: Erstens. Der Regelsatz ist deutlich zu niedrig; er reicht für soziokulturelle Teilhabe nicht aus. Deswegen muss der Regelsatz sehr schnell deutlich erhöht werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Punkt zwei. Das ganze System ist viel zu kompliziert. Wir haben ein sehr komplexes, sehr intransparentes System der Grundsicherung eingeführt. Das muss dringend entschlackt, entbürokratisiert und vereinfacht werden, und zwar, damit der Zugang zu Hartz IV vereinfacht werden kann, vor allen Dingen aus Sicht der Betroffenen und nicht, wie es die Bundesregierung vorhat, nur aus Verwaltungssicht. Das Interesse der Betroffenen muss da im Vordergrund stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dritter Punkt. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Tätigkeiten, Erwerbstätigkeit und eigene Aktivitäten, mehr lohnen und stärker belohnt werden. Es kann nicht sein, dass wir mittlerweile eine Niedriglohnfalle haben, in der Leute infolge von Aufstockung und Hartz-IV-Bezug stecken bleiben. Diese Niedriglohnfalle müssen wir dringend überwinden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Mindestlohn war hier ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall der Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD]) Wir finden es aber wichtig und richtig, dass sich auch Teilzeiterwerbs- und selbstständige Tätigkeiten lohnen. Diese müssen stärker belohnt werden. Punkt vier. Es ist wichtig, das Ziel der Existenzsicherung bei der Grundsicherung wieder nach vorne und ins Zentrum zu stellen. Das ist das eigentliche Ziel der Grundsicherung. Ehrlicherweise muss man sagen: Die Vermischung von Existenzsicherung und Arbeitsmarktpolitik war auch ein Fehler, über den wir noch einmal nachdenken müssen. An dieser Stelle ist es für uns auch wichtig, dass wir über das gesamte Sanktionsregime noch einmal grundlegend nachdenken. Deswegen fordern wir ein Sanktionsmoratorium, dass also die Sanktionen ausgesetzt werden und noch einmal genau darüber nachgedacht wird, wie man ein Sanktionsregime so ausgestaltet, dass der Grundbedarf, der zur soziokulturellen Teilhabe notwendig ist, tatsächlich immer gesichert ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das sind für uns die zentralen Punkte. Für uns steht die Freiheit des Einzelnen, des Individuums, im Mittelpunkt. Eine stabile Grundsicherung ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Das ist für uns das Wichtigste. In diesem Sinne wünsche ich uns allen frohe Weihnachten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Dr. Martin Rosemann von der SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Martin Rosemann (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der Linken werden ja viele Aspekte der Grundsicherung für Arbeitsuchende angesprochen. Deshalb will ich als erster Redner der SPD auch etwas grundsätzlicher auf die Reformen und ihre Wirkungen eingehen. Um es gleich am Anfang klar zu sagen: Die Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung waren in ihrem Grundsatz richtig und notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Erinnern wir uns einmal zehn Jahre zurück: Die Arbeitsmarktreformen wurden nicht aus Jux und Tollerei gemacht, sondern sie waren die Konsequenz daraus, dass die Sockelarbeitslosigkeit in unserem Land von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus immer weiter zugenommen hat. Heute können wir sagen, meine Damen und Herren: Genau das haben wir mit den Arbeitsmarktreformen beendet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutschland ist damit vom kranken Mann Europas zum starken Mann Europas geworden, und kein anderes Land in Europa hat die Finanz- und Wirtschaftskrise so gut überstanden wie Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Gut für die Besserverdienenden, aber nicht für die Arbeitslosen!) Darauf sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stolz. (Zuruf von der LINKEN: Das ist ja das Schlimme!) Meine Damen und Herren, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war, ist und bleibt richtig, auch schon deshalb, weil wir damit Hunderttausenden von Menschen überhaupt erst den Zugang zur Arbeitsförderung ermöglicht haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Natürlich haben wir auch Fehler gemacht; das bleibt bei einer solch umfassenden Reform nicht aus. Es war ein Fehler, nicht bereits mit der Einführung von Hartz IV einen gesetzlichen Mindestlohn als untere Auffanglinie einzuführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben diesen Fehler aber erkannt und korrigiert. Ab dem 1. Januar kommenden Jahres gilt ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland, und das ist verdient und nicht geschenkt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, es war auch ein Fehler, bei der Leiharbeit Ausnahmen vom Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit im gleichen Betrieb“ vorzusehen. Auch diesen Fehler haben wir erkannt. Deshalb werden wir im kommenden Jahr gemeinsam mit unserem Koalitionspartner die Leiharbeit regulieren und die Werkverträge gleich mit. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist noch nicht sicher! – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Schauen wir mal! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allein, mir fehlt der Glaube!) Ja, es ist eine andauernde Aufgabe, im Zusammenhang mit dem SGB II die Rechtspraxis für die Jobcenter handhabbar zu machen und den betroffenen Menschen immer wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Deswegen haben wir die Praktiker sprechen lassen, und wir werden im kommenden Jahr die Vorschläge der Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung im SGB II“ umsetzen. Alle Vorschläge dienen dem Bürokratieabbau in den Jobcentern. Viele der Vorschläge verbessern die Situation der Leistungsbeziehenden. Besonders wichtig für meine Fraktion ist es, bei den Sanktionen zu einer besseren Praxis zu kommen und insbesondere die verschärfte Sanktionierung von Jugendlichen zu beenden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das müssen wir aber auch noch einmal diskutieren!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, wir müssen auch einmal die Kirche im Dorf lassen. Sie reden immer vom Sanktionsregime. Ich glaube, die Öffentlichkeit sollte wissen, dass die Sanktionsquote bei gerade einmal 3 Prozent liegt. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Aber es ist ein Damoklesschwert!) Ich finde, die größte und wichtigste Aufgabe ist es – das kommt in Ihren Reden leider immer wieder zu kurz –, Menschen, die im ALG-II-Bezug sind, wieder eine wirkliche Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dabei sind wir nicht ganz erfolglos gewesen. Die Quote der Langzeitarbeitslosen ist von 2007 bis 2013 von 4,1 Prozent auf 2,5 Prozent zurückgegangen. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, weil wir erkennen, dass es seit 2011 kaum noch Verbesserungen gibt. Da wollen wir ansetzen. Meine Damen und Herren, Langzeitarbeitslosigkeit hat viele Gesichter: die Alleinerziehende ohne Ausbildung mit schlechten Deutschkenntnissen, den 55-Jährigen mit gesundheitlichen Einschränkungen und veralteten Qualifikationen oder den unter 25-Jährigen ohne Ausbildung mit Bewährungsauflagen und Schuldenproblemen. Deshalb brauchen wir individuelle Antworten. Genau da setzen wir Sozialdemokraten, da setzt unsere Ministerin mit ihrem Eckpunktepapier zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit an. (Beifall bei der SPD) Das verlangt drei Dinge: Erstens eine gute Beratung und Betreuung in den Jobcentern. Deswegen haben wir den Personalkörper stabilisiert. Deswegen lassen wir 1 000 Stellen aus dem Programm „50plus“ im System. Deshalb setzen wir auf Personalentwicklung und Qualifizierung. Zweitens ein besseres und zielgenaueres Fördern. Das heißt zum Beispiel die Förderung einer Ausbildung über das Programm „Zweite Chance“. Das heißt zum Beispiel auch eine engere Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung oder die gezielte Akquise von Stellen für Langzeitarbeitslose mit begleitendem Coaching und Nachbetreuung. Drittens Angebote für diejenigen, die trotz aller Bemühungen keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Deswegen werden wir ein zusätzliches Programm mit 10 000 Stellen und Lohnkostenzuschüssen von bis zu 100 Prozent auflegen. Meine Damen und Herren, wenn ich den Antrag der Linken lese, muss ich sagen: Deutlich zu kurz gesprungen. Unsere Arbeitsministerin ist in ihrem Handeln heute bereits deutlich weiter, als Sie verbal gekommen sind. (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Erde ist eine Scheibe!) In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht der Kollege Matthäus Strebl von der CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Matthäus Strebl (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über den Antrag mit dem Titel „Gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV“ der Fraktion Die Linke. Inhaltlich sehe ich relativ wenig Neues; denn Ihre Forderungen ähneln doch sehr Ihren bisherigen Anträgen. Natürlich geht es wieder um Themen wie die Abschaffung von Arbeitslosengeld II und Sanktionen, Weiterbildung für alle Leistungsempfänger, Stärkung von Rechtspositionen und so weiter. Alles nichts Neues, was Sie nicht schon einmal gefordert haben und womit wir uns nicht schon wiederholt beschäftigt haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich einmal fragen, wie oft man eigentlich inhaltsgleiche Anträge stellen darf. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Bis sie umgesetzt werden!) Erst gestern Abend haben wir zu später Stunde ebenfalls einen Antrag der Fraktion Die Linke, der schon einmal gestellt wurde, beraten. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie gestern in Ihrer Rede schon einmal gesagt! Wie oft darf man eigentlich die gleiche Rede halten?) Ich vermute, es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns mit einem ähnlichen Antrag von Ihnen beschäftigen werden. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es einfach kurz!) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, hervorheben möchte ich, dass sich die Große Koalition natürlich auch mit diesen Themen der Arbeitsmarktpolitik ausführlich beschäftigt, jedoch unter anderen Gesichtspunkten. Trotz der guten Arbeitsmarktzahlen gehört die Langzeitarbeitslosigkeit zu den großen Herausforderungen, denen wir uns mit aller Anstrengung widmen müssen und widmen werden. Lassen Sie mich auf einige Ihrer ohnehin bekannten Forderungen eingehen. Sie fordern die Abschaffung der Bedarfsgemeinschaft. (Zuruf von der LINKEN: Gute Sache!) Damit ignorieren Sie die Lebenswirklichkeit. In einer durchschnittlichen Familie kann doch von dem wechselseitigen Willen ausgegangen werden, dass jeder fürei-nander einsteht und Gegenstände des täglichen Lebens teilt. Anscheinend bewerten Sie das bei Familienmitgliedern im Leistungsbezug anders. Ich habe mich im Deutschen Bundestag bereits mehrfach zu Sanktionen beim Arbeitslosengeld II geäußert. Ich habe mir zwar jedes Mal auch die Argumente der Fraktion Die Linke anhören müssen, meine Meinung hat sich aber nicht geändert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei den Sanktionen handelt es sich um eine notwendige Konsequenz bei Fehlverhalten, von der im Übrigen – in Anführungszeichen – nur 3 Prozent aller Leistungsbezieher betroffen sind. Es handelt sich also nicht um eine Problematik, von der die breite Masse der Gesellschaft oder auch alle Leistungsbezieher betroffen sind. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Jobcentern reagieren nur mit Kopfschütteln auf Ihre Vorschläge. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Strebl, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kipping zu? Matthäus Strebl (CDU/CSU): Frau Präsidentin, ich möchte meine Rede im Zusammenhang vortragen. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Die Erwerbslosen müssen flexibler sein als Sie!) Jedes Fehlverhalten im Leben hat eine Konsequenz, und jedes Mitglied der Gesellschaft muss einen Beitrag leisten. Wenn wir Sanktionen abschaffen, dann können wir fast das bedingungslose Grundeinkommen einführen. Das würde aber den Menschen eine falsche Botschaft vermitteln. Es würde den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern suggerieren: Wer arbeitet, ist der Dumme. Und den Leistungsbeziehern würden wir den Eindruck vermitteln: Deutschland braucht euch eigentlich nicht, und wir erwarten nichts mehr von euch. Ich wehre mich vehement gegen die Aussage, dass die Einführung von Hartz IV zu einer Entrechtung der Leistungsbezieher führt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fragen Sie die mal!) Wir leben weiterhin in einem Rechtsstaat, in dem die Bürgerinnen und Bürger ihre durch das Grundgesetz und in anderen Gesetzen verankerten Rechte wahrnehmen können. Beim Arbeitslosengeld II besteht eben auch das Nachrangigkeitsprinzip. Das heißt, zunächst muüssen das eigene Ersparte und andere Sozialleistungen zur Finanzierung des Lebensunterhaltes in Anspruch genommen werden. Sind andere Mittel nicht vorhanden, können Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragt werden. Dazu gehört auch, die Hilfebedürftigkeit offenzulegen. Dieses Vorgehen halte ich für naheliegend. Wenn Sie beispielsweise bei einer Bank einen Kredit beantragen, müssen Sie auch Ihr Einkommen offenbaren. Zum Schluss: Ich halte Ihre umfangreichen Forderungen für nicht finanzierbar und der Bevölkerung für nicht vermittelbar. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Die Kollegin Kipping erhält das Wort zu einer Kurzintervention. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie hat doch schon gesprochen! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Weihnachten hätte so schön werden können!) Katja Kipping (DIE LINKE): Werter Kollege, Sie waren nicht so flexibel, eine Zwischenfrage zuzulassen. Von den Erwerbslosen verlangen Sie deutlich mehr Flexibilität. (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist eine freie Entscheidung! Das hat mit Flexibilität gar nichts zu tun!) Sie haben über Bedarfsgemeinschaften gesprochen und uns unterstellt, dass wir nicht wissen, dass Menschen in Familien füreinander einstehen. Das wissen wir natürlich. Aber ich glaube, man muss noch einmal ausführen, was „Bedarfsgemeinschaft“ – das ist ein sehr bürokratischer Begriff – eigentlich heißt. Es bedeutet, dass Menschen, die zusammenleben, automatisch unterstellt wird, dass es sich um eine Einstandsgemeinschaft handelt. Davon sind auch sehr unterschiedliche Formen des Zusammenlebens betroffen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Eine alleinerziehende Mutter lernt einen neuen Partner kennen, der bereits ein Kind aus einer vorangegangenen Beziehung hat. Die beiden ziehen zusammen, was in einer solchen Situation wahrscheinlich ohnehin keine leichte Entscheidung ist, und in dem Moment wird automatisch das Einkommen des neuen Partners auf ihre Regelleistungen angerechnet, obwohl er womöglich noch Unterhaltspflichten gegenüber dem anderen Kind hat. Das führt dazu, dass auch Leute mit einem sehr geringen Einkommen mit für die anderen aufkommen müssen, was eine enorme finanzielle Einbuße bedeutet. Sie müssen auch für die neu hinzugekommenen Kinder in den Patchwork-Familien haften. Was Sie den Menschen durch das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft abverlangen, bedeutet, dass sie sich sehr schnell auf Armut einlassen müssen, wenn sie zusammenziehen. Deswegen steht die Bedarfsgemeinschaft der Bildung von Familien entgegen und ist alles andere als familienfreundlich. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Strebl, möchten Sie antworten? – Gut. Dann fahren wir in der Debatte fort. Als nächste Rednerin hat Sabine Zimmermann von der Linken das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Professor Zimmer, ich schätze Sie sehr, aber ich glaube, dass Sie unseren Antrag nicht gelesen oder nicht begriffen haben. Es geht hier nicht um das bedingungslose Grundeinkommen, (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) sondern darum, dass die Menschen eine menschenwürdige Existenzsicherung sanktionsfrei bekommen. Es geht darum, dass die Menschen ihr Leben in Würde gestalten können. Begreifen Sie endlich, dass es nicht um das bedingungslose Grundeinkommen geht! (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, Sie sagen: Zehn Jahre Agenda 2010 einschließlich Hartz-Reformen sind ein Grund zum Feiern. Wir sagen: Dank der Hartz-Reformen ist die Spaltung zwischen Arm und Reich in diesem Land viel größer geworden. (Beifall bei der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das ist eine Mär!) Sie sagen: Mit 43 Millionen gibt es so viele Erwerbstätige wie nie zuvor. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Richtig!) Wir sagen: Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden ist heute genauso hoch wie im Jahr 2000. Also hat das Arbeitsvolumen nicht zugenommen. Die vorhandene Arbeit ist bloß auf mehr Schultern verteilt worden. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das wollten Sie doch die ganze Zeit! – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Die Produktivität ist gestiegen!) Die Menschen haben teilweise zwei oder drei Jobs, um leben zu können, meine Herren. (Beifall bei der LINKEN) Sie sagen: Deutschland ist dank der Agenda gut durch die Krise gekommen, und davon profitieren die Menschen. Wir sagen: Wovon profitieren denn etwa 13 Millionen von Armut bedrohte Menschen? Das ist jeder Sechste in unserem Land. Über 2 Millionen Kinder leben in Armut. Das ist beschämend für ein reiches Land wie Deutschland. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es reicht eben nicht, wenn es der Wirtschaft und den Banken gut geht und dabei die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, es ist beschämend für eine sozialdemokratische Arbeiterpartei, so etwas überhaupt in Deutschland initiiert zu haben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU) – Sie brauchen gar nicht zu lachen. Sie alle in diesem Hohen Hause sind daran beteiligt, nur die Linke nicht. (Beifall bei der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Jetzt haben wir aber Angst!) Professor Zimmer, Sie sagen, dass wir ein katastrophales Bild zeichnen, das durch die Wirklichkeit nicht gedeckt ist. Ich sage Ihnen: Jede unserer Aussagen ist überprüfbar und durch Fakten gedeckt. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Deshalb haben Sie nur 8 Prozent!) Sie weigern sich, die Realität wahrzunehmen, weil Sie die hässlichen Flecken auf der Agenda 2010 nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wir haben Ihnen die Realität gezeigt und erklärt, wie es wirklich ist. Aber das wollen Sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der LINKEN – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Das ist der Treppenwitz des Tages!) Sie machen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt. Ein Beispiel. Kürzlich hat mir eine alleinerziehende Mutter, die mit ihren drei Kindern – eines davon chronisch krank – auf Hartz IV angewiesen ist, berichtet, dass ihr der Strom abgestellt wird, weil sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. (Zuruf von der LINKEN: Unglaublich!) Sie sagen wahrscheinlich, dass das ein Einzelfall ist. Ich sage Ihnen: Die Bundesnetzagentur zählt für 2013 344 798 Stromsperren. Ist das sozial? (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das sind nicht nur Hartz-IV-Empfänger!) – Nein, es geht nicht nur um Hartz IV, wie Sie immer denken. Vielmehr geht es darum, wie die Agenda 2010 auf Deutschland und die Gesellschaft gewirkt hat. Das müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der LINKEN) Eines der reichsten Länder der Erde darf nicht so mit den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft umgehen. Das ist eine Frage des Anstandes und der Menschenwürde. (Beifall bei der LINKEN) Mit der Agenda 2010 haben Sie zuerst und vor allem das Vorurteil von den faulen Leistungsempfängern in der Hängematte bedient. „Fördern und Fordern“ war Ihr Slogan. Gefordert haben Sie tatsächlich und haben Ihre Forderungen häufig genug mit Sanktionen durchgesetzt. Auf das Fördern warten viele Erwerbslose bis heute vergeblich. Angesichts der Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik ist in Zukunft keine Förderung mehr möglich. Zuletzt haben Sie von der CDU/CSU vor allen Dingen das Hohelied auf die Flexibilisierung durch die Agenda 2010 gesungen. Was bedeutet denn Flexibilisierung? Ich will Ihnen das sagen: Der Anteil des Niedriglohnbereichs hat über die Jahre deutlich auf 24 Prozent zugenommen. Deutschland hat übrigens den größten Niedriglohnsektor in Europa. (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Aber die geringste Arbeitslosigkeit!) Ja, das ist wahrscheinlich der große Erfolg von Hartz IV; denn das Hartz-IV-System ist ein wesentlicher Motor der Niedriglöhne. Durch die Abschaffung jedweder Zumutbarkeitskriterien werden die Menschen gezwungen, nahezu jede Beschäftigung anzunehmen. Ansonsten droht ihnen der Entzug ihrer Existenzgrundlage. Das ist Erpressung und nichts anderes. Das verkaufen Sie als Erfolgsmodell. Es ist unfassbar! (Beifall bei der LINKEN) Deshalb war und ist Hartz IV ein Generalangriff auf das Lohnniveau. 1,2 Millionen abhängig Beschäftigte können von ihrem Lohn nicht leben und beziehen ergänzende Hartz-IV-Leistungen, oft schon seit vielen Jahren. Mancher Arbeitgeber sagt sogar: Du bekommst von mir 5 Euro, und den Rest holst du dir vom Amt. (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Haben wir doch abgestellt!) Ist das die Form, die Sie sich vorstellen? (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Noch zwei Wochen, und dann gibt es den Mindestlohn!) Soll der Staat die Löhne in Milliardenhöhe subventionieren? (Beifall bei der LINKEN) 2,5 Millionen Beschäftigte gehen mittlerweile einem Zweitjob nach. Es ließe sich noch viel dazu sagen: steigende Altersarmut, zunehmende Überschuldung. Aber aus Zeitgründen lasse ich das weg. (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Das ist die Rede vom letzten Jahr!) – Nein. Herr Rosemann, hören Sie mir zu, dann kann ich Ihnen das erklären. – Mit Hartz IV wurde vor allem eines erreicht: Der soziale Konsens in diesem Lande wurde aufgekündigt. (Beifall bei der LINKEN) Das hat zu einer tiefen Verunsicherung der Menschen geführt. Ich fasse zusammen. Hören Sie auf, Hartz IV über den grünen Klee zu loben. Dieses System gehört endlich abgeschafft. (Beifall bei der LINKEN) Das ist ganz einfach – hören Sie mir zu! Darüber können Sie unter dem Weihnachtsbaum nachdenken –: (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Seien Sie nicht so oberlehrerhaft!) Erstens. Ersetzen Sie Hartz IV durch eine sanktionsfreie menschenwürdige Mindestsicherung. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie lassen keine andere Meinung gelten!) Zweitens. Stellen Sie die Schaffung von guter Arbeit in den Mittelpunkt. Dazu gehört auch ein Mindestlohn, der flächendeckend ist und der keine Ausnahmen hat, der zumindest so hoch ist, dass man dadurch nicht in Altersarmut gerät. Nehmen Sie Geld für die Arbeitsmarktpolitik in die Hand, anstatt die Erwerbslosen abzuschreiben. So geht eine erfolgreiche Politik mit links. Denken Sie darüber nach. Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht der Kollege Dr. Matthias Bartke von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Matthias Bartke (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Linken ist ein echter Rundumschlag. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Fehlschlag!) Es geht nach dem Motto: Was ich immer schon einmal sagen wollte. – Sie behaupten, eine kritische Bilanz des Hartz-IV-Systems zu ziehen. Das machen Sie aber nicht. Was Sie machen, ist, eine reine Anklageschrift zu verlesen. Kritisch Bilanz ziehen, heißt, Positives und Negatives gegeneinander abzuwägen. Ich sage Ihnen: Die seinerzeitige Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe war die größte Sozialrechtsreform in der Bundesrepublik Deutschland. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Leider!) Damit wurden zwei Systeme zusammengelegt, die praktisch identisch waren, aber völlig losgelöst voneinander gewesen sind. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die waren sehr unterschiedlich!) Vor allem für ehemalige Sozialhilfebezieher bedeutete das in der Regel durchaus eine Einkommensverbesserung. Das ist übrigens in der FAZ von heute nachzulesen. Herr Birkwald, Sie haben den Artikel zitiert. Ich war relativ irritiert darüber, wie Sie den Artikel zusammengefasst haben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Überschrift des Artikels lautete: „Hartz IV hat die Ärmsten reicher gemacht.“ (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Reicher gemacht?) – Reicher gemacht! So ist der Titel des Artikels. Sie kritisieren in Ihrem Antrag, dass die Hartz-IV-Reform ein Anwachsen des Niedriglohnsektors bewirkt hat. Ich sage Ihnen: Das trifft zu. Das war eine Fehlentwicklung. Wenn man merkt, dass sich Dinge falsch entwickeln, dann muss man reagieren. Wir haben reagiert, und wir haben gegengehalten, und am 1. Januar 2015 wird es den gesetzlichen Mindestlohn geben. (Beifall bei der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Mit ein paar Ausnahmen für Langzeiterwerbslose!) Das Gleiche gilt für die Leiharbeit. Leiharbeit ist durchaus in vielen Fällen sinnvoll. Die Zahl der Leiharbeitnehmer ist aber in den letzten Jahren dramatisch angestiegen, geradezu explodiert. Das heißt, dass wir auch hier gegensteuern müssen. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Dr. Bartke, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zimmermann zu? Dr. Matthias Bartke (SPD): Ja, gerne. Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Vielen Dank, lieber Kollege Bartke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Niedriglohnschwelle bei 10,36 Euro liegt und dass man 10,36 Euro in der Stunde sein Leben lang verdienen müsste, um später nicht in Altersarmut zu fallen? Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Mindestlohn von 8,50 Euro? (Beifall bei der LINKEN) Dr. Matthias Bartke (SPD): Ich halte einen Mindestlohn von 8,50 Euro als Lebensarbeitsperspektive auch nicht für sinnvoll. Ich möchte, dass die Menschen mehr Geld verdienen, aber ich glaube, dass 8,50 Euro erst einmal ein sinnvoller Einstieg sind und danach durchaus mehr Geld verdient werden sollte. Nur, von vornherein den Mindestlohn auf über 10 Euro festzusetzen, halte ich für falsch. Übrigens hat die Hamburger Linke einen Mindestlohn von 13,50 Euro gefordert. Sie packen immer wieder etwas obendrauf, also eine nach oben offene Lohnskala. Das kann so nicht funktionieren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich sage Ihnen: Wir prüfen das Hartz-IV-System sehr kritisch. Ein Teil dieser Prüfung beinhaltet die Auswertung der Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im SGB II. Die Arbeitsgruppe bestätigt uns in der Einschätzung, dass besonders das Sanktionssystem so nicht fortgeführt werden kann. Es ist zu kompliziert und zu intransparent; aber vor allem wird es von vielen Betroffenen als repressiv wahrgenommen. Das war nicht die Idee, und das muss geändert werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) „Fördern und Fordern“ funktioniert nur, wenn in beide Richtungen interagiert wird. Wir werden daher künftig den Beratungen und den daraus resultierenden Eingliederungsvereinbarungen einen deutlich höheren Stellenwert beimessen. (Beifall bei der SPD) Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe fordert überdies die Abschaffung des Sondersanktionssystems für Jugendliche. Ich sage Ihnen: Das ist eine richtige Forderung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Menschen nicht verlieren zu wollen, ist gerade bei Jugendlichen von besonderer Bedeutung. Eine härtere Sanktionierung von Jugendlichen widerspricht jeder pädagogischen Erwägung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Durch harte Sanktionen geht Vertrauen verloren, und es bauen sich Mauern auf. Die Mitarbeiter in den Job-Centern werden von den Jugendlichen nicht mehr als Berater, sondern als Bestrafer wahrgenommen. Das kann so auf keinen Fall weitergehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe rät überdies dazu, die Kürzungsmöglichkeiten bei den Kosten für die Unterkunft aufzuheben. Auch diesen Rat sollten wir beherzigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es mag Konstellationen geben, bei denen die Betroffenen hartnäckige Kooperationsverweigerer sind. Das sind aber die völligen Ausnahmen. Es gibt viel mehr Fälle, in denen Menschen ihr Leben nicht mehr in den Griff bekommen, ihre Post nicht mehr öffnen, nicht mehr miteinander kommunizieren und auf der Schwelle zur Verwahrlosung stehen. In solchen Fällen kann die Streichung der Leistung für Unterkunft der entscheidende Schritt in die Obdachlosigkeit sein. Diesen Schritt müssen wir verhindern. (Beifall bei der SPD) Deswegen: in solchen Fällen nicht mehr Sanktionen, sondern mehr Sozialarbeit. (Beifall bei der SPD) Unser Ziel ist es, Menschen in Arbeit zu bringen, und zwar in Arbeit zu guten Bedingungen. Diesen Anspruch untermauern wir mit konkreten Ergebnissen und nicht mit unrealistischen Forderungen. Am 1. Januar 2015 gibt es zum ersten Mal in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn; man kann das gar nicht oft genug wiederholen. Jeder Mensch weiß: Ohne die deutsche Sozialdemokratie gäbe es diesen Mindestlohn nicht. (Beifall bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Gute Arbeit zu guten Bedingungen, das ist unser Anspruch seit 150 Jahren. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ein friedvolles Weihnachtsfest. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Brigitte Pothmer von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, den Generalverriss von Hartz IV teile ich in der Tat nicht. Ich finde, das Bild ist deutlich differenzierter. Liebe Kollegin Zimmermann, auch Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass Sie nicht die alleinige Definitionsmacht über die Wirklichkeit haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) In diesem Bundestag gilt das Motto „Die Partei hat immer recht“ auch für die Linke nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Es ist doch richtig – dem können Sie doch nicht wirklich widersprechen –: Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war ein Fortschritt für die Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das ist richtig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fragen Sie die doch mal!) Das zentrale Politikversagen von Hartz IV liegt aus meiner Sicht woanders: darin, dass das Teilhabe- und Aufstiegsversprechen, das mit Hartz IV gegeben worden ist, nicht erfüllt worden ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2,8 Millionen Menschen bewegen sich länger als vier Jahre im Hartz-IV-System. Für sie ist der Hartz-IV-Bezug eben keine vorübergehende schwierige Zeit in ihrem Leben, sondern für sie war Hartz IV das, was ihre Wirklichkeit ausmacht. Sie konnten sich eben nicht, wie es ihnen versprochen wurde, mit Unterstützung und durchaus auch mit eigener Anstrengung aus diesem System befreien. Für sie ist Hartz IV eine Sackgasse. Für sie gilt das Motto „Einmal Hartz IV, immer Hartz IV“. Was das angeht, sind Sie als Große Koalition in der Verantwortung, und daran werden wir Sie messen. Das wesentliche Problem bei Hartz IV liegt in der Umsetzung. Die versprochene Ausgewogenheit zwischen Fordern und Fördern hat es nie gegeben und gibt es, lieber Herr Rosemann, bis heute nicht. (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Daran arbeiten wir ja!) Da ist die Politik nicht vertragstreu. Da wären auch einmal Sanktionen angemessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist doch immer noch so, dass es die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige gibt. Es ist doch so, dass in den letzten Jahren rabiate Kürzungen bei der Arbeitsförderung stattgefunden haben. Daran haben auch Sie nichts geändert. Da kann es Sie doch nicht wundern, dass ein Bild von Hartz IV entstanden ist, das als ungerecht und repressiv empfunden wird. Das muss grundlegend geändert werden. Dafür brauchen wir einen echten Paradigmenwechsel, insbesondere in der Arbeitsförderung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lieber Herr Rosemann, wenn ich von Paradigmenwechsel in der Arbeitsförderung rede, dann meine ich nun wirklich nicht das Miniprogramm, das Frau Nahles vorgelegt hat. Es setzt doch nur das Programmhopping der Vorgängerregierung fort und trägt nicht zu strukturellen Verbesserungen in diesem Bereich bei. Wenn ich von einem Paradigmenwechsel in der Arbeitsförderung rede, dann meine ich: Wir müssen endlich weg von der Devise „Hauptsache in Arbeit vermittelt, egal wie lange dieser Arbeitsplatz behalten werden kann“. Ich sage Ihnen: Wir müssen weg von einem Vermittlungsvorrang hin zu einem Investitionsvorrang. Wir müssen in die Arbeitslosen investieren, damit diese wirklich langfristig auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Sie brauchen Qualifikationen, die nachgefragt werden. (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Ausbildungsförderung!) Wir müssen Schluss machen mit der On-off-Beschäftigung. Das wäre Ihre Aufgabe. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich sage Ihnen noch etwas: Wir sollten uns jetzt endlich einmal ehrlich machen. Wir wissen doch längst, dass es für ganz viele Menschen – 200 000, eher 400 000 – keine Chance gibt, mittel- oder langfristig im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Für diese Menschen brauchen wir ein Angebot: Das ist der soziale Arbeitsmarkt. Dafür brauchen wir den Passiv-Aktiv-Transfer. Dazu hat Frau Nahles nichts vorgelegt. Ich mache Ihnen jetzt einmal einen ganz konkreten Vorschlag: Herr Alt von der Bundesagentur für Arbeit hat uns vorgerechnet, dass die Einführung des Mindestlohns bei den Ausgaben für das Arbeitslosengeld II eine Einsparung in Höhe von 700 bis 900 Millionen Euro erbringen würde. Dieses Geld gehört den Arbeitslosen. Lassen Sie uns dieses Geld nehmen und es in die Arbeitsförderung, in den Bereich der Qualifizierung und in den Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes investieren. Das ist doch ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können. Schlagen Sie ein. Das wäre ein echtes Weihnachtsgeschenk für die Langzeitarbeitslosen. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Albert Stegemann von der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Albert Stegemann (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am letzten Plenartag hier im Hohen Haus reden zu dürfen, ist besonders in diesem Jahr eine große Ehre. Wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr – insbesondere für die Mitglieder des Sozialausschusses – zurück. Wir haben die erste Rentenverbesserung der vergangenen Jahre beschlossen. Darüber hinaus gilt ab dem 1. Januar des kommenden Jahres ein bundesweit einheitlicher Mindestlohn. Dies ist ein klares Zeichen unserer Gesellschaft, dass Lohndumping nicht Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Im Ergebnis steht ein Resultat, mit dem man sehr zufrieden sein kann. Davon werden viele Menschen in unserem Land profitieren. Ich denke, dass auch Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Linken, dem so zustimmen können. Ich möchte nur ungern Wasser in den Wein der vorweihnachtlichen Harmonie gießen, aber Ihr Antrag, auch wenn er nicht wirklich viel Neues zu bieten hat, liest sich wie ein deutlich zu üppig geratener Wunschzettel an das Christkind. Bereits in der Einleitung fordern Sie schlichtweg, Transferleistungen massiv auszubauen, ohne Möglichkeiten für eine Gegenfinanzierung aufzuzeigen. Zugleich wollen Sie die Anreize für den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben abschaffen. Bei Ihnen heißt es weiter, für den Bezug staatlicher Leistungen seien nicht die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend; nein, Sie erheben die individuellen Ansprüche zum Maßstab der staatlichen Fürsorge. Vielen Dank für den Blick auf Ihr politisches Betriebssystem! Selbst für den Laien wird hier offensichtlich: Dies kann nicht funktionieren, und das sollte auch nicht Ziel einer nachhaltigen Politik sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Geht es bei der Existenzsicherung wirklich darum, individuellen Ansprüchen gerecht zu werden, oder geht es nicht vielmehr darum, den unschuldig in Not geratenen Menschen vor menschenunwürdigen Bedingungen zu schützen? Es ist doch nicht Aufgabe einer Solidargemeinschaft, einen einmal erworbenen Lebensstil bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag festzuschreiben. Liebe Freunde der Linken, auch wenn das Weihnachtsfest vor der Tür steht: Wir sind doch hier nicht bei „Wünsch dir was“. Schließlich ist es doch so: Jeder Euro, der ausbezahlt wird, muss erst einmal von jemandem erwirtschaftet werden. Bitte verschonen Sie mich an dieser Stelle mit dem Vorwurf, dass dies Stammtischniveau sei! Nein, das hat ganz grundlegend etwas mit dem gesunden Menschenverstand zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Die marxistische Präambel ist hier aber noch nicht zu Ende. (Zurufe von der LINKEN) Sie enthält aberwitzige Analysen der arbeitsmarktpolitischen Realität. So sind laut Ihrem Antrag „das kapitalistische Wirtschaftssystem und die neoliberale Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik für die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich“. Aha, Massenarbeitslosigkeit. Es geht sogar noch weiter. Sie sagen, die jetzige Bundesregierung wolle unter dem Motto „Fördern und Fordern“ nur eines, nämlich die Opfer des Arbeitsmarktes zu den Schuldigen der Arbeitsmarktkrise umdeuten. Sagen Sie einmal: Wann haben Sie denn den Antrag verfasst? (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: In welchem Land?) Mit 43 Millionen Beschäftigungsverhältnissen, davon 32 Millionen sozialversicherungspflichtig, steht der Arbeitsmarkt so robust da wie nie zuvor. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) Wir haben mit unter 3 Millionen Erwerbslosen eine so niedrige Arbeitslosenzahl wie noch nie, und Sie sprechen von Massenarbeitslosigkeit und Arbeitsmarktkrise. (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das ist ein Textbaustein!) 2005, bei Einführung des SGB II, waren übrigens über 5 Millionen Menschen ohne Arbeit. Deswegen frage ich Sie, ob dieser Antrag vielleicht aus jener Zeit stammt. Glauben Sie ernsthaft, dass es außerhalb Ihrer Fraktion auch nur eine Handvoll Menschen gibt, die Ihnen wirklich abnimmt, dass Sie den Arbeitsmarkt besser im Griff hätten? (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jawohl! Wenn wir die alle holen, passen die in den Raum hier nicht rein!) Aber was fordern Sie? Sie fordern den Jobkiller Nummer eins: den gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Ach, so denken Sie über den Mindestlohn!) Also, effektiver kann man Arbeitsplätze wohl kaum vernichten! Dann haben Sie die glorreiche Idee, höhere tarifliche Mindestlöhne in den betreffenden Branchen für allgemeinverbindlich zu erklären. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie sollten weiter vorlesen!) Ehrlich gesagt, ich habe mich beim Lesen des Antrags an dieser Stelle auf den Arm genommen gefühlt. Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst? (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch! Völliger Ernst!) Dann wollen Sie die Rahmenfrist beim Arbeitslosengeld I auf drei Jahre erweitern und zudem einen öffentlichen Beschäftigungssektor in der Größenordnung von 200 000 Stellen aufbauen. (Zuruf des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) Damit sollen die vorübergehenden 1-Euro-Jobs dauerhaft auf 10-Euro-Jobs ausgeweitet werden. Löblich, löblich! (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was Matthias Zimmer neulich gesagt hat!) Nur fehlt mir an dieser Stelle die Fantasie, um zu sagen, wie hoch der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung werden würde. Dann wollen Sie auch die Sanktionen bei Hartz IV abschaffen; dazu ist einiges gesagt worden. Zusammengefasst: Wir wollen den Jobcentern lediglich Spielräume ermöglichen, um Menschen wieder dauerhaft in Arbeit zu bringen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der hier zu beratende Antrag ist bei genauer Betrachtung mehr als ein üppiger Wunschzettel an das Christkind. Er ist ein Angriff auf die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie kennen. (Lachen bei der LINKEN) Der Antragsteller stellt das Grundprinzip der Eigenverantwortung auf der einen Seite und der Verantwortung für andere auf der anderen Seite infrage. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Helau!) Sie sind davon überzeugt, dass es für eine Leistung keiner Gegenleistung bedarf. Sich auf die Solidarität der Gemeinschaft zu verlassen, ohne seine eigenen Möglichkeiten und Talente mit einzubringen, das wird unser politisches System nicht nur überfordern; nein, das entspricht auch nicht der Menschenwürde, auf die Sie sich hier paradoxerweise berufen. Arbeitslose sind schließlich keine Opfer, die alimentiert werden müssen. Sie wollen und sie müssen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) Wir wollen ein System, in dem nicht jeder Stütze bezieht, sondern eines, in dem jedermann dazu befähigt wird, zu einer Stütze der Gesellschaft zu werden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Menschenbild der Würde des Menschen am nächsten kommt und nur dieses politische Weltbild eine Zukunft hat. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. (Beifall bei der CDU/CSU) Gleichzeitig wünsche ich uns allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit im nächsten Jahr. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Markus Paschke von der SPD. (Beifall bei der SPD) Markus Paschke (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang der Woche kannte ich nur die Überschrift: „Gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV“. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das ist doch gut, oder?) Ich habe mir gedacht: Es ist gut, hier im Bundestag einmal über gute Arbeit zu reden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Als ich den Antrag dann das erste Mal gelesen habe, dachte ich: Irgendetwas ist hier falsch gelaufen. Das ist doch die Vorlage für die Jahrespressekonferenz der Linken, auf der noch einmal zusammengefasst wird, was im Laufe des Jahres so alles an Anträgen gestellt wurde. Also, nach der Freude kam die Enttäuschung. Aber bleiben wir beim Thema „gute Arbeit“. Ich zeige Ihnen einmal am Beispiel der Bundesregierung, was gute Arbeit ist: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Er schafft es in die heute-show heute Abend!) Stichwort „Rente“. Das erste große Gesetzesvorhaben der Großen Koalition war das Rentenpaket. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt das, was die SPD das ganze Jahre über gemacht hat! Das ist die Jahrespressekonferenz der SPD!) Zu diesem Paket gehören die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren, die höhere Mütterrente, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und die Erhöhung des sogenannten Rehabudgets. (Zuruf von der SPD: Gute Arbeit geleistet!) Seit langem mal wieder keine Kürzungen, sondern Verbesserungen bei der Rente, also ein Trendwechsel. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das Rentenpaket ist die Anerkennung für die Arbeit und die Leistung vieler Menschen. Kurz gesagt: Das Rentenpaket ist nicht geschenkt, sondern verdient. (Beifall bei der SPD) Stichwort „Mindestlohn“. Es ist dieser Regierung, also der Regierung, die Sie so gern der Tatenlosigkeit beschuldigen, und insbesondere unserer Arbeitsministerin Andrea Nahles zu verdanken, dass in Deutschland der Mindestlohn nach langer Diskussion endlich eingeführt wird. (Beifall bei der SPD) Dies ist eine historische Entscheidung, auf die ich und meine Fraktionskolleginnen und -kollegen zu Recht stolz sind. (Beifall bei der SPD) Wir haben den Mindestlohn eingeführt. Das zähle ich eindeutig zu der von Ihnen geforderten guten Arbeit. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wir haben Sie zum Jagen getragen!) Stichwort „Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit“. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat vor kurzem ihr Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit vorgestellt. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Bild des Jammers!) Neben dem Aufbau von Aktivierungszentren und einem Arbeitsmarktprogramm für Langzeitarbeitslose zählen weitere Maßnahmen zu dem breiten Ansatz, mit dem wir die Chancen der Betroffenen verbessern werden. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist eher schmal als breit!) Mit den Vorschlägen von Andrea Nahles ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan. (Beifall bei der SPD) Ich bin überzeugt, dass fast alle Sozial- und Arbeitsmarktpolitiker gern noch mehr tun würden. Aber lieber heute das Machbare umsetzen, als für morgen das Paradies versprechen und gar nichts tun! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Viele Menschen werden von der guten Arbeit der Bundesregierung in diesem Jahr profitieren, und wir werden auch 2015 diesen Weg fortsetzen. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Keine -Drohung!) In Ihrem Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, sprechen Sie auch Themen an, die wir, wie Sie wissen, längst bearbeiten: Rechtsvereinfachungen im SGB II, Förderung von guter Arbeit, Ausweitung der Rahmenfrist. Über all dies wird in den Koalitionsparteien seit langem diskutiert. Wir diskutieren, weil gute politische Arbeit auch gründliche Arbeit ist. Aber natürlich ist damit die Arbeit für die Menschen in unserem Land nicht getan; Sie können sicher sein, dass wir Schritt für Schritt unsere gesteckten Ziele umsetzen werden. (Beifall bei der SPD) Gute Arbeit ist mehr, als einen ganzen Katalog Weihnachtsgeschenke zu versprechen, wenn man nicht in der Verlegenheit ist, sie einlösen zu müssen. (Beifall bei der SPD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die Linken glauben doch gar nicht an den Weihnachtsmann!) Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Genossen Ramelow, der in Thüringen mit der rot-rot-grünen Koalition das Wünschenswerte mit dem Machbaren abwägt. (Beifall bei der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Ich bin immer dafür, dass Sie Herrn Ramelow loben!) Gute Arbeit in der Politik funktioniert so: gesagt, getan, gerecht. (Beifall bei der SPD) Da dies meine letzte Rede in diesem Jahr ist, (Katja Kipping [DIE LINKE]: Dem Lob für Herrn Ramelow schließen wir uns ausdrücklich an!) möchte ich an dieser Stelle allen Zuhörerinnen und Zuhörern geruhsame und vor allem friedliche Feiertage sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen, damit wir auch 2015 unsere gute Arbeit fortsetzen können. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin spricht Christel Voßbeck-Kayser von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Alle Jahre wieder“, so lautet der Anfang eines schönen Weihnachtsliedes. Aber bei Ihrer wiederkehrenden Liederplatte, Kollegen und Kolleginnen der Fraktion Die Linke, geht es mir nicht so. Seit 2010 in Ihren Anträgen immer wieder die gleichen Themen: Abschaffung von Sanktionen, Mindestsicherung und Mindesteinkommen. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Es wird dadurch nicht besser!) Der Antrag, der uns heute vorliegt, trägt die Überschrift „Gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV“. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Was bedeutet „sanktionsfreie Mindestsicherung“? (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Nur der Titel ändert sich, der Inhalt bleibt gleich!) Ohne Wenn und Aber, ohne Bedingungen, egal wie man sich verhält: Man soll auf jeden Fall Geld vom Staat bekommen. Ich kann nur sagen: schön märchenhaft – mehr nicht. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: So wie viele Unternehmer!) Auch wenn Sie diesen Antrag jedes Jahr wiederholen, so ändert sich unsere Position nicht und wird sich auch nicht ändern; denn wir halten das Prinzip des Forderns und Förderns für ein geeignetes Instrument. Dieses Prinzip spiegelt die Realität der Arbeitswelt wider. Warum sollen Menschen, die vorübergehend nicht in der Arbeitswelt sind, sich diesem Prinzip entziehen? In jedem Beruf wird man gefordert und gefördert. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Dann fördern Sie doch einmal!) Warum soll dieses gesellschaftlich anerkannte Prinzip für Menschen im Rahmen des Bezuges von SGB-II-Leistungen nun nicht mehr gelten? Abgesehen davon – das haben meine Vorredner schon gesagt –: Hat die Solidargemeinschaft nicht ein Recht darauf, dass die Menschen, die der Hilfe bedürfen und Geld von und aus der Solidargemeinschaft erhalten, aktiv einen Beitrag leisten, so wie sie es können? (Beifall bei der CDU/CSU) Wir reden hier schließlich von Geld, das Menschen für Menschen, die Unterstützung benötigen, erst einmal erwirtschaften müssen. Zum anderen reden wir hier nicht von unmöglichen Regeln. Es geht darum, sich an Verabredungen zu halten, Termine einzuhalten. Inzwischen werden sogar, wie wir wissen, Erinnerungs-SMS versendet. Also, mich hat morgens noch nie jemand daran erinnert, dass ich zur Arbeit gehen soll. (Beifall bei der CDU/CSU) Den Mitarbeitern in den Jobcentern steht ein großes Repertoire an verschiedenen Instrumenten zur Verfügung. Die Mitarbeiter in den Jobcentern setzen diese auch verantwortungsvoll ein. (Zuruf von der LINKEN) Kurz zum Thema Sanktionen. Wir haben die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2013 gehört. 3 Prozent der Leistungsbezieher im SGB II sind überhaupt von Sanktionen betroffen. Das heißt im Umkehrschluss: 97 Prozent der Leistungsbezieher sind nicht betroffen. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie leiden unter der Androhung!) Sie stellen diese Sanktionen als Massenphänomen dar; Sie wollen die Menschen dies glauben machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ihr Lied mit der Forderung nach einer bedingungslosen Grundsicherung – das Sie auch noch soziale Gerechtigkeit nennen – hat in dieser Form gar nichts mit dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, an der sich unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung erfolgreich orientiert, zu tun. Wohlstand per Gesetz gibt es nicht. Wohlstand wird, flankiert von entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, erarbeitet. Das war immer so, und das wird auch immer so bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch wenn bald Weihnachten ist und Sie meinen, Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, das Märchen vom Sterntaler erzählen zu müssen – Sie wissen, das arme Mädchen, das die Schürze aufhält, in die die goldenen Taler hineinfallen –: Das glauben ja nicht einmal Ihre eigenen Kollegen, wie wir in den letzten Tagen in den Medien lesen konnten. Viele aus Ihrer Partei glauben nicht an Ihr Märchen vom bedingungslosen Grundeinkommen, weil es nicht bezahlbar ist. (Beifall des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das steht in dem Antrag auch nicht drin, Frau Kollegin! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Sie wissen, ehrlich gesagt, gar nicht, was das ist!) Deshalb mein Vorschlag zum Ende: Bringen Sie sich doch mal im neuen Jahr mit einer neuen Platte zu den Themen „SGB-II-Leistungen“ und „arbeitsmarktpolitische Maßnahmen“ konstruktiv in unsere gemeinsame Arbeit ein! Den Rest meiner Redezeit schenke ich dem Deutschen Bundestag. Ich wünsche uns allen schöne Weihnachten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte spricht jetzt Ewald Schurer von der SPD. (Beifall bei der SPD) Ewald Schurer (SPD): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute diese Debatte führen – es ist kein Fehler, kurz vor Weihnachten inhaltlich über den Arbeitsmarkt zu reden –, dann muss man konstatieren: Wir hatten vor einem Jahrzehnt in der Tat größere Probleme am Arbeitsmarkt. Damals traf der Begriff „Massenarbeitslosigkeit“ eher zu, da sich die Situation dramatisch dargestellt hat. Ich konstatiere auch: Der Druck, eine Arbeitsmarktreform durchzuführen, war damals in der Tat groß. Wie auch immer Sie es bewerten: Der Deutsche Gewerkschaftsbund bzw. das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung hat damals festgestellt, dass durch die Sozialhilfeintegration fast 800 000 Menschen im Vergleich zu vorher bessergestellt worden sind und überhaupt erst wahrgenommen wurden, was den Arbeitsmarktbereich und die Integration in die Gesellschaft anbelangt. (Beifall bei der SPD) Es gab in der Tat auch Verwerfungen durch diese Reform. Ich gebe ganz ehrlich zu: Ich glaube, die Reform ist damals mit heißer Nadel gestrickt worden. Der Chefingenieur, Peter Hartz, hat Jahre später selbst gesagt, dass er nicht nur handwerkliche Fehler sieht, sondern auch strukturelle Fehler; er hat es offen zugegeben. Er wünschte sich, dass bei der Dualität aus Fördern und Fordern der Aspekt des Förderns stärker berücksichtigt wird. Diese Verwerfungen möchte ich hier ganz offen konstatieren. Dennoch: Die Reform war unter den damaligen gesellschaftlichen Umständen notwendig; das Übrige habe ich dazu gesagt. Man darf aber auch, werte Freundinnen und Freunde auch der Linken, nicht vergessen: Der Arbeitsmarkt ist in den letzten zehn Jahren nicht nur von der Hartz-IV-Reform geprägt gewesen – von ihren guten und vielleicht auch verbesserungswürdigen Tatbeständen –, sondern es gab auch massive strukturelle und inhaltliche Veränderungen. Menschen mit niedriger Qualifikation, denen die Bildungsvoraussetzungen fehlen, tun sich heute in einer Wirtschaft, die ständig nach mehr Qualifikationen, nach mehr beruflicher Bildung verlangt, signifikant schwerer, mitzuhalten. Deswegen sind Fördermaßnahmen aller Art auf dem jeweiligen Qualifikationsniveau für die Menschen von größter Bedeutung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir machen da jetzt etwas, auch wenn es – das gebe ich gerne zu – nur Modellbausteine sind, einmal mit 30 000, einmal mit 10 000 Menschen. Das ist der richtige Weg. Man darf auch nicht vergessen, dass wir, nachdem es unter der damaligen Sozialministerin – ich will hier höflich sein – einen relativen Kahlschlag im Bereich der Jobcenter gab, gemeinsam mit der CDU/CSU versuchen, die Ausstattung der Jobcenter mit Mitteln in Höhe von viermal 350 Millionen Euro, sprich 1,4 Milliarden Euro – ich sage das auch als Haushälter für den Bereich Arbeit und Soziales –, deutlich zu verbessern. (Beifall bei der SPD) Das reicht noch nicht; aber wir sind da in struktureller Hinsicht auf dem richtigen Wege. Ich will es in diesem letzten Debattenbeitrag auf den Punkt bringen: Wir brauchen jetzt ohne Wenn und Aber – das hat Peter Hartz selbst moniert – klare Konturen im Werkvertragswesen und im Leihvertragswesen. Die Ministerin – da bin ich ihr dankbar; die Staatssekretärin hört es sicherlich mit Überzeugung – hat angekündigt, dass die SPD und die Union im Jahr 2015 beim Kampf gegen den Missbrauch und das Ausfluten im Werkvertragswesen klare Konturen schaffen wollen, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch auf 2016 verschoben!) um den ursprünglichen Charakter der Werkverträge wiederherzustellen; denn Werkverträge sind nicht für Massenbeschäftigung gedacht. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]) Was die Leiharbeit angeht, hat Peter Hartz damals deutlich beschrieben, dass die Öffnung zu Beliebigkeit am Arbeitsmarkt geführt hat und kontraproduktiv war. Es hat den Menschen in der Tat nicht geholfen. Wir brauchen auch bei der Leiharbeit künftig klare Konturen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Auswirkungen der Einführung des Mindestlohns – davon bin ich fest überzeugt – werden von den Linken aus rein rhetorischen und strategischen Gründen eindeutig unterschätzt. Schauen Sie sich mal an, mit welch einer Unvernunft ein Teil der Wirtschaft bzw. der Unternehmen heute schon, vor dem 1. Januar 2015, versucht, den Mindestlohn zu unterlaufen. Mir war immer klar: Ein Mindestlohn in Höhe von zunächst einmal 8,50 Euro wird nicht automatisch in allen Kreisen der Wirtschaft Gefallen finden, vor allen Dingen bei denen, die ihn inhaltlich und intellektuell nicht verstanden haben. Mir geht es letzten Endes darum, klarzumachen: Es gehört zur Würde aller Menschen, dass sie von ihrer Arbeit – zumindest in der Regel – auch leben können. Das ist auch eine Voraussetzung für die Integration in unsere Gesellschaft. Dass wir diese Philosophie gemeinsam mit den Freunden der Union durchsetzen, das ist schon ein Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft, (Beifall bei der SPD) der in Zukunft noch ausgebaut werden muss. Als Haushälter habe ich zusammen mit dem Kollegen Axel Fischer dafür gesorgt, dass die Mindestlohnkommission von einer Geschäftsstelle unterstützt wird. Auf der Grundlage der Arbeit von Wissenschaftlern ist die Mindestlohnkommission in der Lage, alle Folgeentwicklungen zu evaluieren: Wie wirkt sich der Mindestlohn auf Tarifverträge aus? Wie kann sichergestellt werden, dass der Mindestlohn nicht unterlaufen werden kann? Wie wird sich der Mindestlohn auf die Steuereinnahmen und die Sozialsysteme auswirken? Eine Evaluierung dieser Themen ist eine enorm wichtige Aufgabe. Es geht darum, dass der Mindestlohn nicht statisch ist, Frau Präsidentin, sondern sich mit der Dynamik in unserer Gesellschaft entwickelt. Nur so können die Menschen von ihrer Arbeit auch wirklich leben. Das zu erreichen, wäre, zusammen mit der Begrenzung des Missbrauchs von Werkverträgen und Leiharbeit, das größte Ziel. Dann würde es wieder möglich, die Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren, und zwar durch gute Arbeit, was das Thema der heutigen Debatte war. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Wie Sie sehen, ist die Geduld der Präsidentin auch nicht statisch, sondern dynamisch. Das war schon eine kleine Geduldsprobe, lieber Kollege. (Ewald Schurer [SPD]: Ich danke Ihnen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Aber da es im Sinne der Debatte ist, einen Gedanken vollständig auszuführen, habe ich es zugelassen, dass sie ein bisschen länger reden. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/3549 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Regionale Wirtschaftspolitik – Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen Drucksache 18/3404 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss Digitale Agenda Haushaltsausschuss b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Koordinierungsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab 1. Juli 2014 Drucksache 18/2200 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsauschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das auch so beschlossen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen sich jetzt gesetzt haben, kann ich die Aussprache eröffnen, und wir können die Debatte beginnen. Als erste Rednerin in der Debatte erhält Andrea Wicklein von der SPD das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Andrea Wicklein (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD „Regionale Wirtschaftspolitik – Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen“. Kern der regionalen Wirtschaftspolitik ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW, zur Unterstützung strukturschwacher Regionen. Wir, die Koalitionsfraktionen, bekennen uns mit unserem Antrag zu diesem bewährten Förderinstrument. Die GRW ist eine Erfolgsgeschichte. Allein zwischen 1991 und 2013 wurden mit 45 Milliarden Euro GRW-Mitteln Investitionen der gewerblichen Wirtschaft in Höhe von sage und schreibe 239 Milliarden Euro ausgelöst. Dadurch wurden 1,2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen sowie über 2,3 Millionen Arbeitsplätze gesichert. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Diese Bilanz zeigt: Ohne die GRW hätten viele Investitionen nicht stattgefunden, hätten sich viele Regionen in unserem Land nicht so gut entwickeln können. Die GRW ist deshalb ein Stück gelebter Solidarität zwischen dem Bund und den Ländern. Darauf können wir mit Recht stolz sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Was viele nicht wissen: Die GRW ist nicht erst nach der deutschen Einheit erfunden worden, um die neuen Bundesländer zu unterstützen. Sie besteht bereits seit 45 Jahren. Sie wurde damals gemeinsam mit anderen Gemeinschaftsaufgaben, zum Beispiel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ im Grundgesetz verankert. Bereits in den 60er-Jahren ging es nämlich um die Frage, ob und wie Bund und Länder bei wichtigen gesamtstaatlichen Aufgaben zusammenwirken können. Damals waren es Länder wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, die auf Bundeshilfe angewiesen waren. Damals war die Bund-Länder-Zusammenarbeit übrigens sehr umstritten. 1967 zitierte Der Spiegel Kanzler Kiesinger bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder zur Reform der Finanzbeziehungen mit folgenden Worten: Diese Reform ist der Prüfstein der Großen Koalition. Wenn sie scheitert, dann scheitert auch die Koalition. Keine Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen, (Klaus Barthel [SPD]: Nicht noch vor Weihnachten! – Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) diese Zeiten sind vorbei. Heute sind wir uns in diesem Hohen Hause, glaube ich, alle einig, dass es eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern geben muss, dass sie sinnvoll ist, um strukturelle Unterschiede zwischen den Regionen auszugleichen, und dass wir eine solche Gemeinschaftsaufgabe auch zukünftig brauchen. Unser Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Land. Dieses Ziel ist grundgesetzlich verbrieft und ist deshalb eine Verpflichtung für die Politik. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wie sieht die Situation in unserem Land heute aus? Der aktuelle Raumordnungsbericht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigt, dass die Entwicklungsunterschiede im gesamten Bundesgebiet nach wie vor sehr groß sind. Er zeigt die regionalen Disparitäten in Bezug auf Demografie, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Wohlstand und Infrastruktur. So liegt beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung im ländlichen Trier oder auch in Mecklenburg-Strelitz bei unter 20 000 Euro. In den Städten Erlangen oder Regensburg beträgt es dagegen mehr als 60 000 Euro. Bei der Arbeitslosigkeit sieht die Spreizung ähnlich aus: In Gelsenkirchen, Bremerhaven und der Uckermark liegt sie bei 14 Prozent, während sie in Donau-Ries, Pfaffenhofen an der Ilm oder Erding gerade einmal 2 Prozent beträgt. (Zuruf des Abg. Willi Brase [SPD]) – Auch dort, Willi Brase. In dem Bericht wird deshalb vor einer negativen Abwärtsspirale aus Abwanderung, zurückgehenden Betriebsansiedlungen und zurückgehenden Finanzen in diesen Regionen gewarnt. Genau hier setzt die GRW gezielt an: Sie unterstützt schwächere Regionen im Strukturwandel, verbessert die Standortbedingungen und schafft wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Ein gelungenes Beispiel ist das frühere Stahlwerkgelände im Dortmunder Stadtteil Hörde: Land und Bund fördern hier den Ausbau zum Technologiestandort Phoenix. Hier entstehen auf über 200 Hektar Entwicklungsfläche Räume für Mikro- und Nanotechnologie, Softwareschmieden, Wohnen und Freizeit im Grünen. Das ist eine Fläche annähernd so groß wie 300 Fußballfelder. Oder nehmen wir Rostock: In der Hansestadt wurden seit 2007 Investitionen in Höhe von rund 850 Millionen Euro durch die GRW ausgelöst. Dadurch wurden Tausende Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen, beispielsweise durch die Ansiedlung des Unternehmens Liebherr, das Schiffs- und Offshorekrane entwickelt und fertigt. Diese Beispiele zeigen: Die gemeinsame Wirtschaftspolitik von Bund und Ländern zahlt sich aus. Wir wollen deshalb die GRW weiterentwickeln und stärken. Das haben wir im Koalitionsvertrag beschlossen. Der heute von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Antrag verfolgt dieses Ziel und kommt genau zur rechten Zeit. Aktuell laufen die Bund-Länder-Finanzverhandlungen. Dabei muss eines klar sein: Auch ein neuer Länderfinanzausgleich wird die Strukturschwäche von Regionen nicht ausreichend berücksichtigen können. Deshalb ist Kern unseres Antrags, dass wir auch nach 2020 ein Fördersystem für strukturschwache Regionen brauchen. Deshalb müssen wir schon jetzt die Weichen für ein gesamtdeutsches System der regionalen Wirtschaftsförderung stellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Für den Haushalt 2015 haben wir die Bundesmittel für die GRW auf 600 Millionen Euro aufgestockt. In den kommenden Jahren werden wir diese Mittel weiter erhöhen. Zusammen mit den Ländermitteln wird die GRW dann über 1 Milliarde Euro betragen. Mit dem beschlossenen Haushalt und unserem Antrag machen wir deutlich, dass sich die Menschen auch zukünftig darauf verlassen können, dass Bund und Länder miteinander daran arbeiten, dass sich die Lebensverhältnisse in Ost und West, in Nord und Süd weiter angleichen und keine Region abgehängt wird. In diesem Sinne vielen Dank und schöne Weihnachten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Thomas Nord von der Linken. (Beifall bei der LINKEN) Thomas Nord (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Die Linke wird diesem Antrag der Regierungskoalition zustimmen. Das kommt ja nicht allzu oft vor. Deswegen lassen Sie mich kurz etwas dazu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja wie Weihnachten!) – Zu Weihnachten kommen wir noch. – Zunächst sei gesagt, dass mein Wahlkreis im äußersten Osten der Republik liegt. Er gehörte schon bisher zu den Profiteuren der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Auch die jetzt vorgenommenen Anpassungen zum Koordinierungsrahmen fallen zugunsten meines Wahlkreises aus. Aber auch der Osten insgesamt profitiert von diesem Instrument; das wurde hier bereits gesagt. Dieses Instrument kann nicht alle Probleme, zum Beispiel in meiner Heimatstadt Frankfurt/Oder, klären – so ist es bei weitem leider nicht –, eines ist aber sicher: Ohne die Gemeinschaftsaufgabe wären die Probleme noch größer. Die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur wird seit 1969 durch Bund und Länder gleichermaßen als Gemeinschaftsaufgabe ausgeführt. Denn durch starke regionale Ungleichheit der wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse kann, wenn sie dauerhaft besteht, eine so große Unzufriedenheit entstehen, dass hieraus regionale Fliehkräfte erwachsen. Bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg war das zum Beispiel auch an den Wahlergebnissen der AfD abzulesen. Bei mir in Frankfurt/Oder erhielt diese Partei knapp 20 Prozent der Stimmen. Das grundgesetzlich verankerte Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet muss daher jetzt und auch in Zukunft energisch weiterverfolgt werden. Seit den 90er-Jahren spielt die Gemeinschaftsaufgabe eine zentrale Rolle beim Aufbau von wirtschaftlich tragfähigen Strukturen in den ostdeutschen Ländern. Zusammen mit den Struktur- und Investitionsfonds der Europäischen Union ist sie eine der wesentlichen Maßnahmen beim Abbau wirtschaftlicher Unterschiede. Heute kommen zunehmend Gebiete im Westen in den Förderbereich. Die regionalen Wirtschaftsleistungen differenzieren sich auch in den alten Bundesländern aus. Aber die ostdeutschen Länder bleiben ein zentraler Förderschwerpunkt. Meine Fraktion und ich halten das auch für notwendig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Darüber hinaus enthält der Antrag eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Ausgestaltung der neuen Fördergebietskarte und des Koordinierungsrahmens, von denen ich zwei positiv hervorheben möchte. Erstens. Das Fördergefälle von Förderregionen in Deutschland zu angrenzenden Höchstfördergebieten anderer EU-Nachbarstaaten wurde begrenzt. Insbesondere an der Oder ist das für eine ausgeglichene wirtschaftliche Entwicklung der deutschen wie der polnischen Seite von besonderer Bedeutung. Zweitens. Die Mittelverteilung soll sich durch eine einheitliche und transparente Berechnungssystematik nun noch stärker an der regionalen Strukturschwäche orientieren und sich zu einem System der gesamtdeutschen Regionalförderung entwickeln. Dies entspricht den Forderungen meiner Partei vollständig. Wir begrüßen auch, dass die Bundesregierung durch den Antrag für die Jahre nach 2020 dazu aufgefordert wird, erstens die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse weiter zu erfüllen und die Gemeinschaftsaufgabe entsprechend weiterzuführen, zweitens gleichzeitig dabei zu berücksichtigen – das finde ich besonders wichtig –, dass insbesondere die strukturschwachen Länder einerseits durch die Pflicht zur Einhaltung der Schuldenbremse und andererseits durch die rückläufigen Zuweisungen von Bund und Europäischer Union in ihren finanzpolitischen Handlungsspielräumen stärker ein-geschränkt sind, drittens der Strukturschwäche in ländlichen Räumen entgegenzuwirken, indem neue Förderschwerpunkte und verstärkt neue Impulse für Innovationsförderung verankert werden, viertens darauf hinzuwirken, dass auch künftig hilferechtliche Regelungen der Europäischen Union den grundgesetzlichen Auftrag zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht behindern. All dies finden wir richtig und unterstützen es. Wir werden darauf achten, dass die Koalition ihre Versprechen an dieser Stelle einhält. (Beifall bei der LINKEN) Warum soll man dann zu Weihnachten nicht auch einmal einem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen? Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Klaus Barthel [SPD]: Oh, vorbildlich!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Jan Metzler von der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Jan Metzler (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welch Einigkeit zum Jahresabschluss in diesem Haus! (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Bei der nächsten Debatte sieht das anders aus!) Warum leben Menschen dort, wo sie geboren wurden, und warum verlassen sie ihre Heimatregion nicht? In aller Regel deswegen, weil sie dort einen qualifizierten Job gefunden haben. Viele Regionen in Deutschland verlieren aber immer häufiger qualifizierte Arbeitskräfte an die wirtschaftlich stark wachsenden Regionen wie -Bayern, Baden-Württemberg, aber auch Berlin. Menschen leben dort, wo Arbeitsplätze sind und wo Arbeitsplätze erhalten werden. Wo das nicht passiert, ziehen sie weg. Wie kann nun die Politik dazu beitragen, dass in Zukunft im besten Fall in jeder Region in Deutschland weiterhin Arbeitsplätze entstehen und die Region dadurch lebenswert bleibt? Indem wir die richtigen Rahmen-bedingungen schaffen – das tun wir – und gute Anreize setzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Stichworte lauten Gewerbegebietsausbau, Verkehrsanbindung, schnelles Internet. Das sind Beispiele dafür, wie insbesondere unsere mittelständische Wirtschaft gestärkt werden kann. Das ist der Grundgedanke und der Kern der regionalen Wirtschaftspolitik: Anreize setzen, damit sich Firmen in den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands weiter ansiedeln und Arbeitsplätze schaffen – besonders in den Regionen, in denen Unternehmer im ersten Moment nicht daran gedacht haben, sich dort anzusiedeln. Genauso fördern Bund und Länder seit 45 Jahren gemeinsam die Regionen in Deutschland, die aus unterschiedlichsten Gründen weniger wettbewerbsfähig sind als andere. Dadurch hebt der Bund gemeinsam mit den Ländern die Wachstumspotenziale in strukturschwachen Regionen und leistet so einen Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung. Jährlich stellt der Bund dafür rund 600 Millionen Euro zur Verfügung. Weitere 600 Millionen Euro kommen von den Ländern. Der Fachbegriff heißt Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, kurz: GRW. Dieser Fachbegriff klingt weder leicht verständlich noch etwa sexy, aber die Idee dahinter überzeugt; denn keine Region in Deutschland aus dem Blick zu verlieren, ist uns wichtig. Auch aufgrund dieser regionalen Wirtschaftsförderung konnte sich Deutschland im europäischen Vergleich positiv entwickeln. Aber auch wenn wir im europäischen Vergleich insgesamt besser dastehen als andere Länder in Europa, geht es einigen Regionen innerhalb Deutschlands nach wie vor weniger gut als anderen. Wir reden hier von der sogenannten Strukturschwäche. Aber was heißt das denn konkret? Wann ist eine Region weniger wettbewerbsfähig als eine andere? Strukturschwäche berechnet sich aus verschiedenen Indikatoren. Dabei werden Arbeitslosenquote und Bruttojahreslohn am stärksten gewertet. Rückblickend ist interessant, dass in der Vergangenheit solche Regionen gefördert wurden, von denen man sich heute kaum noch vorstellen kann, dass sie wirtschaftlich einmal schlecht dastanden. Die regionale Wirtschaftsförderung hat immer die Herausforderungen der jeweiligen Zeit aufgegriffen und die Regionen dabei unterstützt, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Ich glaube, da kann man von einem absoluten Erfolgsmodell sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Eines ist aber auch festzustellen: Der Abstand zwischen strukturschwachen und strukturstarken Regionen in Deutschland nimmt in vielen Fällen zu. Sowieso schon schwache Regionen hinken manchmal in der -Gesamtentwicklung hinterher. Die zum Teil langsame Entwicklung in altindustriellen Regionen oder dünn besiedelten ländlichen Regionen ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Deshalb müssen wir uns überlegen, ob das Erfolgsmodell regionale Wirtschaftsförderung an neue Herausforderungen wie die Auswirkungen des demografischen Wandels angepasst werden muss. Reichen unsere bisherigen Indikatoren für Strukturschwäche aus, um erstens die Ursachen dafür festzumachen, zweitens die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und drittens wirklich alle strukturschwachen Regionen in Deutschland zu identifizieren und zu fördern? Ist das Arbeitsplatzangebot allein ausschlaggebend, oder überzeugt eine Region erst durch eine Angebotskombination wie beispielsweise Infrastruktur und allgemeine flächendeckende Versorgung? Wir müssen uns fragen, wie wir es schaffen, dafür zu sorgen, dass jede Region in Deutschland für Unternehmen attraktiv und für die Menschen lebenswert bleibt. Denn jede Region ist wichtig und für die Menschen vor Ort Heimat, in der sie gerne leben und arbeiten wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deswegen fordern wir mit unserem Antrag, das bisherige Modell der regionalen Wirtschaftspolitik so weiterzuentwickeln, dass die Strukturschwäche in den Regionen Deutschlands weiterhin gut angegangen werden kann. Ich glaube, wir brauchen dazu ein Gesamtkonzept, das alle Facetten berücksichtigt und mehrere Politikfelder einschließt. Als Fan der schwarzen Null sage ich: Dies muss immer im Rahmen der finanziellen Mittel geschehen. Ich freue mich auf eine spannende und inhaltsgeladene Diskussion. Lassen Sie mich damit schließen, dass ich allen in diesem Hohen Hause frohe Weihnachten und alles erdenklich Gute für das kommende Jahr 2015 wünsche. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Markus Tressel von Bündnis 90/Die Grünen. Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir sehen konnten, erinnern wir alle an dieser Stelle gerne an unseren grundgesetzlichen Auftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen herzustellen. Wir sind der festen Überzeugung: Gleichwertige -Lebensverhältnisse herzustellen, bedeutet vor allem, gleiche Startchancen für alle, auch unabhängig von der Herkunftsregion, zu schaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen Teilhabe an der Arbeitswelt, an der Bildung, an der Gesellschaft, an der Politik und nicht zuletzt auch an der Digitalisierung ermöglichen. Dafür müssen wir gerade im ländlichen Raum Jobs erhalten. Genauso müssen wir aber auch die regionale Infrastruktur stärken; denn weiche Standortfaktoren – auch das ist hier angesprochen worden – entscheiden letztendlich darüber, ob Fachkräfte vor Ort bleiben, ob sie die Region für lebenswert halten. Ein integrierter Politikansatz, also die Betrachtung einer Region gleichzeitig als Lebens-, Arbeits-, Erholungs- und Naturraum, ist unser Auftrag für eine nachhaltige Regionalentwicklung, und das haben Sie in Ihrem Antrag ja auch aufgeschrieben. Wissen Sie aber, wie viel GRW-Bundesmittel in die integrierte Entwicklung geflossen sind? Wir haben das einmal abgefragt: Es waren ganze 50 000 Euro. Das ist eindeutig zu wenig. Es ist hier angesprochen worden: Die GRW ist gut, aber sie muss hier weiterentwickelt werden, um als Grundlage für die Förderperiode nach 2020 zu dienen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jurk [SPD]: Da müssen Sie die Länder fragen!) Eine Frage, über die wir streiten werden, lautet: Wie entwickeln wir sie weiter? Herr Kollege Metzler, Sie haben es angesprochen: Natürlich müssen wir auch über neue Indikatoren für die Strukturschwäche sprechen, die über den Arbeitsmarkt hinausgehen. Ich denke zum Beispiel an den demografischen Wandel. In Schrumpfungsregionen greift der Fokus auf Wachstum und Beschäftigung heute meines Erachtens viel zu kurz. In diesem Zusammenhang würde ich mir zunächst einmal eine umfassende Evaluation der GRW wünschen, nicht nur bezogen auf die geschaffenen Arbeitsplätze, sondern zum Beispiel auch auf den Mittelabfluss in finanzstärkere und finanzschwächere Regionen und den langfristigen Nutzen der Investitionen in wirtschaftsnahe Infrastruktur. (Andrea Wicklein [SPD]: Das wird doch gemacht!) Das hat es meines Wissens bisher nicht gegeben. (Andrea Wicklein [SPD]: Doch! Doch! – Thomas Jurk [SPD]: Laufend!) Betrachten wir das Beispiel Breitbandversorgung: Das ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Regionen. Das Projekt Industrie 4.0 – das wissen wir alle; wir alle sprechen davon – bietet Entwicklungschancen für den Mittelstand im ländlichen Raum. Kurzum: Breitbandausbau ist Wirtschaftsförderung. Wenn man über den ländlichen Raum spricht, darf man nicht vergessen, dass schnelles Internet auch -Lücken überbrückt: bei der Nahversorgung, bei der Mobilität, bei der ärztlichen Versorgung, da, wo die Infrastruktur ausdünnt. Wenn wir uns anschauen, wie viel GRW-Bundesmittel in den Breitbandausbau geflossen sind, dann sehen wir: Das waren klägliche 400 000 Euro. Sie fordern in Ihrem Antrag jetzt einen neuen Förderschwerpunkt. Ich muss an dieser Stelle deutlich sagen: Die GRW kann hier helfen, aber sie ersetzt eben kein Bundesprogramm für den Breitbandausbau. Hier brauchen wir deutlich mehr, nämlich auch eine angemessene Finanzierung seitens des Bundes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE]) Wenn man sich die GRW anschaut, dann muss man auch sagen: Ziel der Förderung muss ganz eindeutig der Mittelstand sein. Das muss sich auch im Mittelabfluss widerspiegeln. Auch das hatten wir bei der Bundesregierung abgefragt. Der Mittelstand wirkt für die Region und setzt auf regionale Belieferungs- und Vermarktungsstrukturen. Wir Grüne wollen zum Beispiel auch ein Bundesprogramm Regionalvermarktung, um hier deutlich mehr zu stärken. Das heißt, wir wollen regionale, nachhaltige Strukturen fördern und in Köpfe und Netzwerke investieren. Das ist der Ort der Innovation. Es gilt, die Potenziale der ländlichen Räume zu erschließen, eine junge Start-up-Kultur zu ermöglichen und Synergien zu nutzen statt regional gegeneinanderzuarbeiten. Regionale Wirtschaftsförderung, liebe Kolleginnen und Kollegen, richtig gemacht, ist wichtiger denn je. Voraussetzung dafür ist eine öffentliche Debatte über die Ziele, die die Akteure aus der Zivilgesellschaft bewusst einschließt und auch mitnimmt. Wirtschaftsförderung muss die Energiewende flankieren, weil zum Beispiel die Lausitz Strukturen und Arbeitsplätze für die Zeit nach der Kohle braucht. Sie muss aktiven Klimaschutz durch kurze Wege unterstützen, wie Sie ja selbst in Ihrem Klimaschutzaktionsprogramm festgestellt haben. Schließlich muss sie die Agrarwende hin zur bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft begleiten, die nachgelagerte regionale Verarbeitungsstrukturen braucht. Hierzu kann die GRW einen großen Beitrag leisten; denn ihr Ansatz ist richtig. Die Antworten auf diese globalen Fragen liegen in regionalen Lösungen. Da müssen wir anpacken. Das müssen wir angehen, um das zu gewährleisten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als letzter Redner in dieser Debatte hat Karl Holmeier von der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Karl Holmeier (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 22. November 2005 wurde Angela Merkel zur Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Seither tragen Angela Merkel und die Union Verantwortung in dieser Bundesregierung. Die Regierungszeit der Union ist von einem maßgebenden wirtschaftlichen Aufschwung geprägt. Dem konnte auch die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise nicht viel anhaben. Meine Damen und Herren, Deutschland steht hervorragend da und ist die Lokomotive in -Europa. So konnte das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner seit 2005 um 19 Prozent gesteigert werden. Dieser Wachstumswert liegt somit deutlich über dem Durchschnitt in der Europäischen Union, der bei 12 Prozent liegt. Dank einer erfolgreichen Wirtschafts- und Förderpolitik der Bundesregierung liegt die Wirtschaftskraft je Einwohner in allen Regionen Deutschlands deutlich über 75 Prozent des EU-Durchschnitts. Meine Damen und Herren, die regionale Wirtschaftspolitik ist ein strukturpolitischer Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Dadurch hebt der Bund gemeinsam mit den Ländern die Wachstumspotenziale in strukturschwachen Regionen. Wir leisten so einen Beitrag für mehr Wachstum und Beschäftigung. Bewährtes – das wurde bereits einige Male angesprochen – und zentrales Instrument der deutschen Regionalförderung ist seit nunmehr 45 Jahren die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, abgekürzt: GRW. Ziel der GRW war und ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet. Die Stärke des Instruments GRW lag und liegt und begründet sich in seinem Grundsatz: gemeinsames und anteilsgleiches Handeln von Bund und Ländern, Schwerpunkte der GRW-Förderung in strukturschwachen Regionen in Deutschland, die Zonenrandförderung im ehemaligen Grenzgebiet zur DDR und zu den Ländern des Ostblocks. Meine Heimat liegt in solch einem Bereich. Wir haben davon gewaltig profitiert. So lag zum Beispiel in Teilen der Region, aus der ich komme, die Arbeitslosigkeit im Januar 1983 bei 48 Prozent. Zurzeit liegt die Arbeitslosigkeit bei 2,5 Prozent. Dies ist ein großartiger -Erfolg der Wirtschaftsförderung. Sie können sich bei einem Besuch selbst davon überzeugen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hand in Hand mindern Bund und Länder durch die Förderung gezielter gewerblicher Investitionen und der wirtschaftsnahen und touristischen Infrastruktur Standortnachteile in besonders strukturschwachen Regionen. So werden langfristig Arbeitsplätze geschaffen und gesichert. Die erfolgreiche Wirtschafts- und Förderpolitik in Deutschland führt dazu, dass wir nicht mehr so sehr von den Mitteln des Europäischen Struktur- und Investitionsfonds abhängig sind. Gleichzeitig sind die neuen Länder – das ist ein riesiger Erfolg – aus dem Höchstförderstatus herausgefallen. Mit unserem heute vorgelegten Antrag „Regionale Wirtschaftspolitik – Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen“ reagieren wir auf die geänderte Rahmenlage. Wir unterstreichen in unserem Antrag, dass strukturschwache Regionen in Deutschland weiterhin systematisch gefördert werden sollten. Das gilt vor allem auch für Regionen in Deutschland, die an Höchstfördergebiete im benachbarten EU-Ausland angrenzen. Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass das Fördergefälle zu diesen Nachbarstaaten nicht zu groß und somit begrenzt wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, wir wollen auf der Grundlage der bisherigen Förderinstrumente ein gesamtdeutsches System der regionalen Wirtschaftsförderung entwickeln. Wir werden nicht mehr zwischen Ost und West unterscheiden. Mit der neuen Förderrunde ab dem Jahr 2020 soll sich die Regionalpolitik, wie im Koalitions-vertrag vereinbart, auf strukturschwache Regionen in Deutschland konzentrieren. So schaffen wir Planungs-sicherheit für Länder und Regionen, egal ob im Süden, Norden, Westen oder Osten unseres Landes. Wir wollen in diesen nach wie vor strukturschwachen Gebieten mittel- und langfristig Wachstumspotenziale erschließen. So leisten wir in diesen Landesteilen einen Beitrag für mehr Wirtschaftskraft und Beschäftigung. In einem geeinten Deutschland und in einem geeinten Europa gilt es, neue Förderwettläufe zu verhindern. So müssen Rahmen für einen fairen Wettbewerb zwischen den strukturschwachen und strukturstarken Regionen und Ländern innerhalb der Bundesrepublik und der Europäischen Union gesetzt werden. Es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. Ich freue mich darauf, dass diese wichtigen Richtungsentscheidungen für strukturschwache Regionen bereits jetzt, sechs Jahre vor dem Jahr 2020, angepackt werden. Es kommt für die Zukunft darauf an, welche Weichen wir heute stellen. Ich bin zuversichtlich. Mit diesem Antrag sind wir zum Ende des Jahres 2014 auf einem guten Weg. Ich wünsche Ihnen allen frohe, gesegnete Weihnachten und ein gutes und erfolgreiches Jahr 2015. Wenn es für unsere Regierung so erfolgreich wird wie das Jahr 2014, dann können wir, glaube ich, alle zufrieden sein. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/3404 und 18/2200 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gentechnik-Anbauverbot bundeseinheitlich und konsequent umsetzen Drucksache 18/3550 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Harald Ebner vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das EU-Parlament hat uns ein Weihnachtsgeschenk gemacht und hat den komplett untauglichen Vorschlag von Kommission und Rat zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen doch noch in eine bessere Richtung gelenkt. Es ist besser als nichts, aber noch lange nicht wirklich gut. Es bleibt dabei: Die Flucht in nationale Anbauverbote bleibt falsch, weil sie die Gentechnik nach Europa bringt, statt sie draußen zu halten. Nationale Anbauverbote können nur ein Notnagel sein, solange sich an mangelhaften Zulassungsverfahren für GVO nichts ändert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es bleibt falsch, erst zuzulassen und dann wieder ein bisschen zu verbieten. Aber wenn man nationale Anbauverbote umsetzt, dann bitte richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das heißt: bundesweit für das ganze Land, statt einen Flickenteppich zu häkeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Leider hat die Bundesregierung bei den Verhandlungen eine unrühmliche Rolle gespielt. So ist es nur dem Europaparlament zu verdanken, dass gewählte Regierungen künftig nicht als Bittsteller bei Monsanto und Konsorten anklopfen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir wissen, dass die Bundesregierung in den Gesprächen in Brüssel zu fast allen sinnvollen Änderungsvorschlägen des Europäischen Parlaments Nein gesagt hat, zur Aufhebung der verpflichtenden Konzernbeteiligung ebenso wie zum Umweltrecht als Rechtsgrundlage. Aber es kommt noch schlimmer: Der Beschluss des Deutschen Bundestages zu verpflichtenden Koexistenzmaßnahmen war der Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel nicht nur egal; sie wollte diese Forderung ausdrücklich nicht mittragen. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!) Das ist in den Protokollen nachzulesen. Wichtig war dem Vertreter dagegen, in den Text noch einen Passus zu den Chancen der Gentechnik hineinzuverhandeln. Weil das nicht geklappt hat, musste die Sitzung unterbrochen werden und erst das Plazet aus Berlin eingeholt werden. Dieser Kompromiss ist also nicht wegen, sondern trotz der Bundesregierung zustande gekommen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Trauerspiel!) Aber wegen der Bundesregierung ist er nicht besser geworden, als er jetzt ist. Dass Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, von der eigenen Regierung so an der Nase herumführen lassen, ist aus meiner Sicht schlicht peinlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die CDU bleibt der politische Arm der Gentechlobby. An dem Tag, als die Regierung in Brüssel der neuen Regelung zugestimmt hat, beschließt die CDU in Köln, dass sie die Umsetzung dieser Regelung kritisch prüfen möchte. Wer sich bei der Gentechnikfreiheit auf diese Bundesregierung verlässt, ist wirklich verlassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die US-Regierung hat Minister Schmidt und mir in der letzten Woche deutlich gemacht, dass sie bei der Gentechnikkennzeichnung und den Gentechnikstandards unsere Standards nicht akzeptieren möchte. Aber wie wir gestern gehört haben, singt Ihr Fraktionsvize Fuchs weiterhin ein Loblied auf TTIP. Die Erhaltung der gentechnikfreien Geflügelfütterung haben wir schließlich nicht Ihnen, sondern dem Lebensmitteleinzelhandel, den Umweltverbänden, dem Handel sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verdanken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rita Stockhofe [CDU/CSU]: Ist das auch eine Lobby?) – Das ist auch eine Lobby, nämlich die Lobby der Verbraucher. Zur Krönung kommen Sie nun auf die Idee, die Anbauverbote auf die Bundesländer abzuschieben und damit in die Kleinstaaterei zurückzufallen, und das gegen den Willen der Bundesländer; ein Vertreter sitzt hier. Das wäre wirklich absurd. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wie soll das denn in der Praxis funktionieren? Wollen Sie Grenzkontrollen einführen und alle Saat- und Ernteguttransporte durchleuchten lassen? Der Milchwirtschaft entstehen heutzutage schon 2 Milliarden Euro Kosten, um ihre Produktionskette sauber zu halten. Hier noch einen Flickenteppich einzuführen, ist das Letzte, was unsere krisengeschüttelten Milchviehbetriebe brauchen. Ich komme zum Schluss. Bevor Sie sich verrennen, bieten wir Ihnen mit unserem Antrag eine Lösung an. Sorgen Sie für bundesweite Anbauverbote! Nutzen Sie die Option, Gruppen von Gentechpflanzen zu verbieten! Verbieten Sie alle Gentechpflanzen mit Bt- und Herbizidtoleranz – diese braucht kein Mensch –, und verhindern Sie weitere Zulassungen von Gentechpflanzen in Europa! Setzen Sie an den Ursachen an, anstatt an den Symptomen herumzudoktern! Gehen Sie über die Feiertage in sich! Gehen Sie diesen Weg im neuen Jahr mit uns und den Menschen in diesem Land! Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Kees de Vries von der CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Kees de Vries (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Nun bin ich auch schon in Weihnachtsstimmung und deshalb ein bisschen milder gestimmt. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Trotzdem: Diesen Antrag braucht keiner. Er ist vollkommen überflüssig, es sei denn, man braucht wieder einmal eine Bühne. (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Zum Ergebnis des informellen Trilogs vom 3. und 4. Dezember zur Änderung der Freisetzungsrichtlinie ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten den Anbau von in der EU zugelassenen GVO-Pflanzen in ihrem Hoheitsgebiet beschränken oder verbieten können. An dieser Stelle sollte man folgende Festlegungen noch einmal nennen: Erstens. Es gilt der Verzicht auf die obligatorische Verbindung der Phasen 1 und 2. Das heißt, dass das begründete Verbot direkt oder zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Zweitens. Die Mitgliedstaaten, die GVO-Pflanzen anbauen, werden verpflichtet, Koexistenzbestimmungen gegenüber Mitgliedstaaten, die nicht GVO-Pflanzen anbauen, in Grenzgebieten zu erlassen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollte die Bundesregierung nicht!) Drittens. Darüber hinaus werden die Opt-out-Möglichkeiten auf Gruppen von zugelassenen GVO erweitert. Mit den eben genannten Punkten wurden die zentralen Forderungen des Bundestagsbeschlusses aus dem Mai dieses Jahres auf den Weg gebracht. Die Bundes-regierung hat dann konsequenterweise im Rat dem im Trilog gefundenen Kompromiss zugestimmt. Damit haben wir unser Versprechen, die Sorgen und Vorbehalte der Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Anbau von genetisch veränderten Organismen ernst zu nehmen und in unserem Handeln zu berücksichtigen, erfüllt. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber widerwillig!) Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in Ihrem Antrag fordern Sie nun, bei der Umsetzung der Änderung der Freisetzungsrichtlinie in nationales Recht gesetzlich zu verankern, dass entsprechende Anbauverbote immer bundeseinheitlich zu verhängen sind. Dem kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zustimmen, weil es einfach nicht klar ist, ob ein solches Gesetz juristisch sicher ist. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage ist, ob man es will oder nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie das denn?) Die in Ihrem Antrag daraus resultierende Forderung – ich zitiere –, „das so geänderte Recht anzuwenden, um den kommerziellen Anbau aller zugelassenen und zur Zulassung anstehenden gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland zu untersagen“, würde bedeuten, dass wir bis in alle Ewigkeit möglichen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen per Gesetz eine Absage erteilen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Ich denke nicht, dass das im Interesse der Menschen in unserem Land ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Ihre Aufforderung an die Bundesregierung, bei der Abstimmung über die EU-Anbauzulassungen von GVO, deren Anbau in Deutschland untersagt werden soll, mit einer Ablehnung zu votieren, weise ich entschieden zurück. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Mai dieses Jahres hat sich der Deutsche Bundestag deutlich für das Selbstbestimmungsrecht der EU-Mitgliedstaaten ausgesprochen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ebner zu? Kees de Vries (CDU/CSU): Natürlich. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Ebner. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Kollege, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse, die noch kommen könnten, versprichst du dir, lieber Kees, in der Zukunft? Wir hören immer von Wunderpflanzen, die eines Tages kommen könnten. Aber in einer Ausgabe des Fachmagazins Nature von diesem Jahr wurde festgestellt, dass klassische Züchtungsansätze bislang deutlich erfolgreicher als gentechnische Ansätze sind. Es gibt das Beispiel der Entwicklung von trockenheitstoleranten Sorten in parallelen Programmen. Ein und dasselbe Institut entwickelte gentechnisch veränderte und konventionell gezüchtete Pflanzen. Mit der konventionellen Züchtung wurden schon über 20 trockenheitstolerante Sorten entwickelt, bei der Gentechnik ist noch gar nichts herausgekommen. Ich hätte gerne gehört, was da noch kommen soll. In den Niederlanden hatten Züchter ganz konventionell Kartoffeln gezüchtet, die 15 Prozent Meeresanteil im Beregnungswasser ertragen. Das sind Fortschritte, die zeigen, dass wir die Gentechnik nicht brauchen. Deshalb würde mich schon interessieren, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse denn da noch kommen sollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Kees de Vries (CDU/CSU): Lieber Kollege Ebner, ich glaube, einigermaßen beurteilen zu können, was bis jetzt gelaufen ist. Ich habe nur ein Problem: Ich kann nicht in die Zukunft schauen. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb will ich mir die mögliche Chance nicht verbieten lassen. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das überzeugt uns nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine klare Ansage! Gentechnische Zwangsbeglückung! Anders kann man das nicht nennen!) Wer in die Zukunft schauen kann, kann mir gerne sagen, was ich machen soll. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Manche Dinge sind absehbar! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Sie wollen das zulassen!) Bereits im Rahmen der Debatte im Mai habe ich betont, dass Transparenz und Wahlfreiheit für den Verbraucher für mich die wichtigsten Punkte sind. Aus diesem Grunde fordere ich nach wie vor eine praktikable und lückenlose Produktkennzeichnung mit dem so einfachen wie deutlichen Satz: Mithilfe von Gentechnik produziert. – Nur so können wir unbegründete Ängste abbauen und zu einer absolut notwendigen Sachlichkeit in der Diskussion zurückkommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich stelle fest: Der vorliegende Antrag führt nicht dazu und ist deshalb abzulehnen. Lassen Sie mich zum Schluss trotzdem jedem eine frohe und gesegnete Weihnacht wünschen. Guten Rutsch! Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr weiterkämpfen. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin spricht Dr. Kirsten Tackmann von der Linken. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Bevor wir in hoffentlich friedliche Weihnachten entschwinden können, geht es noch einmal um Agrogentechnik. Bei diesem Thema ging es bis vor kurzem wenig friedlich zu. Ich finde, es ist unterdessen zu einem Lehrstück einer lebendigen parlamentarischen Demokratie geworden. Die Mehrheitsverhältnisse sind mittlerweile nämlich ziemlich klar: Die übergroße Mehrheit der Menschen um uns herum will keine gentechnisch veränderten Pflanzen, und zwar weder auf dem Teller noch auf dem Acker noch im Trog oder im Tank. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Bundestag reicht rein rechnerisch schon die Mehrheit von Rot-Rot-Grün, um jede Abstimmung, auch über den Antrag der Grünen, zu gewinnen. Hinzu kämen die blau-weißen Stimmen der CSU. Wir haben hier also eine satte Mehrheit, und das ist unser gemeinsamer Erfolg. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nur die CDU bleibt wacker an der Seite der Saatgutkonzerne, zumindest mehrheitlich; denn, wie man so hört, bröckelt auch diese Bastion. Selbst im bisher gentechnisch freundlichen Spanien wurde 2014 weniger GVO-Mais angebaut als in den Vorjahren. Der Widerstand wächst also, und das ist auch gut so. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber wir haben mit den Saatgutkonzernen natürlich mächtige Gegner. Deshalb möchte ich all jenen danken, die engagiert und mutig aufklären über die Folgen dieser Risikotechnologie und auch darüber, wer von dieser Technologie wirklich profitiert. Denn uns Linken geht es um einen Grundsatz: Wir wollen nicht, dass Saatgutkonzerne darüber entscheiden, was auf unseren Tellern landet. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD]) Dabei geht es um hohe Profite, und die werden mit allen Mitteln verteidigt. Im Film Gekaufte Wahrheit von Bertram Verhaag wird gezeigt, wie kritische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verleumdet, diffamiert und eingeschüchtert werden. Gerade weil ich selbst Wissenschaftlerin bin, finde ich das unerträglich. Das können wir so nicht hinnehmen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dagegen hilft eben nur eine kluge Bündnispolitik. Bei der Agrogentechnik zeigen wir, was eigentlich möglich ist, wenn Naturschutz, christliche Ethik und linke Systemkritik mal zusammenhalten. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Der Antrag der Grünen hat mich in seiner Milde allerdings überrascht. Vielleicht liegt es ja an Weihnachten. Eure Forderungen teilen wir natürlich: Anbauverbote müssen in allen Bundesländern gelten. Die Bundesregierung muss natürlich dafür sorgen, dass riskante Pflanzen nicht zugelassen werden. Aber das sind alles nur Notlösungen; so haben es die Grünen selbst bezeichnet. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche!) Wir als Linke wollen eben, dass riskante Pflanzen nicht zugelassen werden; denn dann müssen sie hinterher auch nicht verboten werden. (Beifall bei der LINKEN) Was erwarten Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen werden? Sie erwarten zum Beispiel, dass es keine Risiken für Mensch und Tier, für Natur und Umwelt gibt, dass ethische Bedenken ausgeräumt wurden, dass es keine Nachteile für diejenigen Betriebe gibt, die keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen, verarbeiten oder verfüttern, und dass auch den Imkern dadurch kein Risiko entsteht. In der EU gilt schließlich das Vorsorgeprinzip, und das ist auch richtig. Aber genau diese Forderungen erfüllt das Zulassungsverfahren gar nicht. Das sagen nicht nur wir, sondern auch das Europäische Parlament. Zum Beispiel fehlen unabhängige Untersuchungen, zum Beispiel fehlen Langzeituntersuchungen zu Schäden an Umwelt und für Tiergesundheit, und es fehlen Untersuchungen zu sogenannten Kollateralschäden bei Nichtzielorganismen. Diese Lücken müssen jetzt endlich geschlossen werden. (Beifall bei der LINKEN) Um das Problem zu verdeutlichen: Zu Recht wird kritisiert, dass bei Nutztieren zu viele Antibiotika eingesetzt werden. Gleichzeitig werden aber gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen, die ständig Insektengift produzieren, und das mit dem gleichen Risiko von Resistenzen. Das ist so, als würde man Weihnachtsgänse gentechnisch so manipulieren, dass sie ständig Antibiotika produzieren. Also, mir vergeht da der Appetit. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb bleibt die Linke dabei: Wir fordern ein Zulassungsverfahren, das die Gesellschaft vor riskanten Pflanzen schützt und nicht die Profite von Saatgutkonzernen. Weil wir nicht an den Weihnachtsmann glauben, werden wir im neuen Jahr weiter darum kämpfen. Da Weihnachten eine Zeit der Besinnlichkeit ist, wünsche ich uns allen, dass wir diese Zeit gut nutzen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin spricht Elvira Drobinski-Weiß von der SPD. (Beifall bei der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Auf das verfrühte Weihnachtsgeschenk – die Nachrichten aus Brüssel – ist schon hingewiesen worden. Ich denke, der Kompromiss auf der europäischen Ebene zwischen Rat, Kommission und Parlament ist ein Kompromiss, der den nationalen Ausstieg aus dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ermöglicht – und dieser Kompromiss ist gut! (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Er enthält wesentliche Punkte, die wir von der SPD gefordert haben. Wir haben lange dafür gekämpft, und die Anstrengungen haben sich gelohnt. (Beifall bei der SPD) Die Mitgliedstaaten der EU können künftig souverän entscheiden, ob sie Gentechnik auf ihren Äckern erlauben wollen oder nicht. Die Entscheidung muss nicht, wie es ursprünglich einmal geplant war, mit den Unternehmen ausgehandelt werden. Das, finde ich, war auch völlig inakzeptabel. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Der Ausstieg soll nun also jederzeit möglich sein, und Länder, die den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erlauben, werden zu Schutzmaßnahmen gegenüber den Nachbarstaaten verpflichtet. Beides ist sehr wichtig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Noch lieber hätte ich es natürlich gesehen, wenn die Regeln im Umweltrecht und nicht im Binnenmarktrecht verankert worden wären. (Beifall bei der LINKEN) Aber der Ausstieg aus der Gentechnik auf dem Acker wird trotzdem rechtssicherer. Diesen Ausstieg, denke ich, wollen wir alle. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich sage Ihnen auch, warum: weil die Gentechnik auf dem Acker nicht kontrollierbar ist (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) und weil wir als Gesetzgeber die Pflicht haben, die natürlichen Lebensgrundlagen für die zukünftigen Generationen zu schützen. Das, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, steht in unserem Grundgesetz. (Beifall bei der SPD) Die langfristige Wirkung der Grünen Gentechnik auf die Artenvielfalt, auf die Ökosysteme, auf die Lebensmittel- und Futtermittelkreisläufe ist nicht absehbar. Diese Technologie ist enorm risikobehaftet, und sie ist nicht rückholbar. Ich denke, das müssen wir uns klarmachen. Felder, Äcker und Beete sind eben keine abgeschlossenen Laborräume. Samen fliegen umher, kreuzen aus. Wenn wir die Gentechnik auch nur begrenzt zulassen, dann haben wir sie irgendwann überall, dann ist es nämlich mit der Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher vorbei. Die Mehrheit dieser Verbraucherschaft will eben keine Gentechnik auf dem Teller. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie dem Antrag zustimmen!) Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, diese Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Gentechnik anzuerkennen. Das heißt für die nationale Umsetzung des europäischen Kompromisses: Erstens. Wir brauchen die rechtliche Möglichkeit, bundesweite Anbauverbote zu verhängen; ich betone: bundesweit. Zweitens. Wir müssen die Anbauverbote auch regelmäßig bundesweit aussprechen. Und drittens. Das alles muss selbstverständlich ohne irgendwelche Verhandlungen mit den Saatgutkonzernen stattfinden. Herr Minister Schmidt ist heute nicht da, aber ich denke, dass die Frau Staatssekretärin das weitergeben wird. Das wird, finde ich, eines unserer wichtigsten Projekte im nächsten Jahr, ebenso wie die Kennzeichnungspflicht – ich möchte nochmals darauf hinweisen, damit das nicht vergessen wird – für die Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert worden sind. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Zulassungen?) Auch dafür muss sich Deutschland auf der europäischen Ebene starkmachen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Das haben wir den Menschen in unserem Koalitionsvertrag versprochen. Das heißt also: Wir werden das tatkräftig anpacken. Lassen Sie uns aber erst noch das kommende Weihnachtsfest friedlich begehen. Und dann arbeiten wir im neuen Jahr weiter. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmen Sie jetzt zu! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, ihr stimmt unserem Antrag zu?) Vielen Dank und alles Gute. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin spricht Carola Stauche von der CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Carola Stauche (CDU/CSU): Sehr verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer knappen Woche, ganz unerwartet wie jedes Jahr, werden wir Weihnachten feiern. Es ist nicht nur das Fest der Liebe, der Familie usw., sondern auch das Fest, an dem es sehr viele Geschenke gibt. Wie das bei Geschenken so ist, ist oft auch das eine oder andere dabei, das man eigentlich gar nicht braucht. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gentechnik! Genau! Gentechnik brauchen wir nicht!) Ich habe den Eindruck, dass der Antrag, über den wir heute beraten, ein solches Geschenk ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb werden wir dieses Geschenk nicht annehmen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist doch die erste Lesung!) Nun könnte man meinen, das wäre ungebührlich, da dieses Geschenk ja immerhin auf dem Wunschzettel gestanden hätte; denn im Antrag der Grünen wird aus einem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 20. Mai 2014 zitiert, wo es heißt: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten beim Anbau gentechnisch veränderter Organismen zu stärken und die Möglichkeiten zum nationalen Ausstieg aus dem GVO-Anbau rechtssicher zu verankern … Doch ich gebe zu bedenken: Da hat man wohl den Wunschzettel falsch verstanden. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier wird keine bundeseinheitliche Umsetzung gefordert. Diese Aussage bezieht sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten. Es geht hier nicht um eine bundeseinheitliche Lösung, sondern lediglich um die Möglichkeit, innerhalb Deutschlands eine eigene Lösung zu finden. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die beantragen wir!) Wie mein Kollege de Vries bereits bemerkt hat, muss noch juristisch und fachlich geprüft werden, ob eine bundesweite oder eine föderale oder eine gemischte Lösung am besten ist. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine bundesweite ist doch eine föderale!) Einen politischen Aspekt halte ich in dieser Frage für bedenkenswert: Eine Stärke Deutschlands ist der Föderalismus. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht bei der Gentechnik!) – Aha. – Ich halte es nicht für das Schlechteste, wenn Landesregierungen ihre eigenen Akzente setzen können. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ihr seid doch sonst für gemeinsame Wirtschaftsräume!) Ich denke, zumindest in diesem Punkt ganz generell können Sie mir zustimmen. Aber, wie gesagt: Die fachliche und juristische Prüfung steht noch aus. Hier werden selbstverständlich die verschiedenen Ressorts des Bundes und der Länder eng miteinander zusammenarbeiten. Vorbereitende Gespräche hat es dazu im Übrigen bereits gegeben, und es sind weitere Gespräche geplant. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Also Kleinstaaterei! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Flickenteppich!) Wenn Gentechnik in Deutschland weitgehend unmöglich gemacht wird, so ist die öffentliche Forschung auf diesem Gebiet umso wichtiger. Die Unternehmen ziehen sich zurück; der Forschungsstandort Deutschland verliert. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passt jetzt aber nicht zusammen!) Aber nur weil wir nicht mehr forschen, heißt das nicht, dass nicht mehr geforscht wird. Auch in der Gentechnik wird die Entwicklung weitergehen. Ich kann sie genauso wenig voraussagen wie Sie, wie wir alle. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Kollegin Stauche, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Carola Stauche (CDU/CSU): Nein. Ich möchte eigentlich fertig werden. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch gut so! Das ist besser! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie können einfach aufhören und gehen!) – Ich werde aber trotzdem ausreden. – Forschung in diesem Bereich ist zumindest wichtig, damit wir uns klar darüber werden können, wofür und wogegen wir eigentlich sind. Deshalb brauchen wir die Forschung. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schnell, schnell, schnell! Fertig werden!) Denn es kann nicht sein, dass Gentechnik nur aufgrund von diffusen Ängsten und der Sehnsucht nach einer vormodernen Landwirtschaft abzulehnen ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Selbstverständlich sind wir in der Unionsfraktion und wir in der Koalition uns einig, dass wir ein Maximum an Verbraucherschutz wollen. Wir wollen umfassende Klarheit und Wahrheit. Genauso setzen wir uns auch für die Wahlfreiheit des Verbrauchers und nicht für ein absolutes Verbot ein. Aus diesem Grunde befürworte ich die Kennzeichnung aller Produkte, die mithilfe von Gentechnik produziert werden. Dann würde vielen Menschen bewusst, wie sehr wir in den verschiedensten Bereichen – nicht nur in der Ernährungswirtschaft – bereits mit Gentechnik zu tun haben, (Beifall bei der CDU/CSU) so zum Beispiel in der Medizin – ich sage bloß „Insulin“; da haben wir die Produktion in Deutschland verloren; wir beziehen das jetzt aus dem Ausland –, in der Textilindustrie (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist alles Laboranwendung! Das ist alles nicht vermehrungsfähig!) und bei Nahrungsergänzungsmitteln, die auch viele Grüne zu sich nehmen, die eigentlich vegetarisch leben; dabei sind sehr viele dieser Produkte gentechnisch verändert. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir das alles kennzeichnen, dann kann sich der Verbraucher entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt echt peinlich!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Antrag der Grünen wird eine konsequente und bundeseinheitliche Umsetzung von Anbauverboten gefordert. Wie beschrieben, muss die Frage, ob dies bundeseinheitlich geschehen soll, noch ausführlich besprochen werden. Was die konsequente Umsetzung angeht, habe ich Vertrauen in unseren Minister und in unsere Staatssekretäre; die beachten auch immer die Praxis. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und wenn die aus Bayern kommen?) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Agrarpolitiker haben die Ehre, im Hohen Hause den letzten Tagesordnungspunkt vor Weihnachten zu diskutieren. Weihnachten ist ein Fest des Friedens und der Versöhnung. Deshalb halte ich es für angebracht, am Ende meiner Ausführungen noch auf Folgendes hinzuweisen: Egal aus welcher Fraktion wir sind: Wir alle sind hier, weil uns die Menschen in Deutschland am Herzen liegen. (Beifall bei der CDU/CSU) – Jawohl. – Dabei liegen wir sicher oft weit auseinander in der Frage, welche konkreten Schritte sich aus diesem Anliegen ableiten lassen. Das wurde auch heute wieder deutlich. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Unser Herz ist links!) – Das weiß ich, das brauchen Sie nicht zu betonen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist gut!) Dennoch freue ich mich, dass wir gemeinsam miteinander ringen, um die besten Lösungen für dieses Land und die Bürger zu finden. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und im neuen Jahr wiederum viel Kraft und Mut für inspirierende Politik für unser Land, und dies mit Gottes Segen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollten fertig werden! Vier Minuten über!) Lassen Sie mich Ihnen noch einen Spruch mit auf den Weg geben, meinen diesjährigen Weihnachtsspruch: Weihnachten ist keine Veranstaltung des Gemüts, sondern eine zur Rettung der Welt. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als letzter Redner in dieser Debatte hat Johann Saathoff von der SPD das Wort. (Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat gestern schon als Letzter drei Minuten geredet!) Johann Saathoff (SPD): Das Beste kommt zum Schluss, Herr Krischer. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Ergebnis der Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission zur Änderung der Freisetzungsrichtlinie geht ein jahrelanges Rechtsetzungsverfahren auf die Zielgerade, das lange von Stillstand geprägt war. Ich bin froh, dass Rat und Parlament zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen sind, und ich denke, dieses Ergebnis kann sich sehen lassen. Meine Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat es ja schon gesagt: So kurz vor Weihnachten könnte man es fast als Geschenk bezeichnen. Damit werden viele unserer Forderungen umgesetzt. Die Mitgliedstaaten bekommen nun endlich die notwendigen Instrumente an die Hand, um den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Territorium zu verbieten. Bislang war das viel zu umständlich und viel zu schwierig. Mit der Entkopplung der beiden Phasen zum Opt-out sind die Mitgliedstaaten nicht mehr abhängig vom Wohlwollen der Unternehmen. Sie können aufgrund einer politischen Entscheidung den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verbieten. Das ist eine Frage der Souveränität des staatlichen Handelns, die wir derzeit auch bei CETA oder TTIP diskutieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Mit Blick darauf hat der Kompromiss zum Opt-out für mich Vorbildcharakter. Der Minister hat angekündigt, rasch nach der Beendigung des Rechtsetzungsverfahrens in Brüssel einen Gesetzentwurf für die Umsetzung des Opt-out in Deutschland vorzulegen. Die Gespräche dazu laufen bereits. Ein Flickenteppich, das wissen wir auch aus anderen Politikbereichen, ist meist für das Gesamte nicht förderlich. Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag sollten deshalb ihrer Verantwortung gerecht werden und eine Regelung für die gesamte Bundesrepublik treffen. Ich denke, das dürfen die Menschen von uns erwarten. (Beifall bei der SPD) Besondere Aufmerksamkeit sollte auch der Bereich des Schutzes vor Auskreuzung erfahren. Dabei geht es nicht nur um Mindestabstände – die Mindestabstände für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU unterscheiden sich übrigens zum Teil sehr stark; in den Niederlanden sind sie beispielsweise wesentlich niedriger als in Deutschland –, es geht auch um die Lagerung, den Transport, die Information und die Aufzeichnung, wie sie in der guten fachlichen Praxis geregelt sind. Das Auskreuzungsverhalten variiert bekanntermaßen sehr stark zwischen verschiedenen Pflanzen, weshalb vor allem beim Raps besondere Vorsicht geboten ist. Ich begrüße es, dass diese Koexistenzmaßnahmen nun obligatorisch sind. (Beifall bei der SPD) Gerade bei so wichtigen bundesgesetzlichen Regelungen wie zur Gentechnik stecken die Probleme oft in winzigen Details. Mallör sitt up een lütjen Stee – so würde man das als Ostfriese übersetzen. Nach dem Geschenk in diesem Jahr sollten wir also bei der Umsetzung darauf achten, dass wir im nächsten Jahr nicht eine Rute bekommen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir sind aber noch nicht am Ende der Sitzung. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/3550 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung auch so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen ein fröhliches, ein besinnliches und vor allen Dingen auch ein erholsames Weihnachten. Ich glaube, das können wir alle gut gebrauchen. Vor allen Dingen wünsche ich uns aber für 2015 ein gutes und hoffentlich auch friedvolleres Jahr, als wir es 2014 erleben mussten. (Beifall) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutsche Bundestages auf Mittwoch, den 14. Januar 2015, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 12.54 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 19.12.2014 Becker, Dirk SPD 19.12.2014 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.12.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 19.12.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 19.12.2014 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 19.12.2014 Fischer (Karlsruhe-Land), Axel E. CDU/CSU 19.12.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.12.2014 Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 19.12.2014 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 19.12.2014 Jarzombek, Thomas CDU/CSU 19.12.2014 Jung, Andreas CDU/CSU 19.12.2014 Kaczmarek, Oliver SPD 19.12.2014 Kassner, Kerstin DIE LINKE 19.12.2014 Kauder, Volker CDU/CSU 19.12.2014 Kovac, Kordula CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 19.12.2014 Kunert, Katrin DIE LINKE 19.12.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 19.12.2014 Dr. von der Leyen, Ursula CDU/CSU 19.12.2014 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Middelberg, Mathias CDU/CSU 19.12.2014 Petry, Christian SPD 19.12.2014 Pilger, Detlev SPD 19.12.2014 Rüffer, Corinna BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.12.2014 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.12.2014 Schiewerling, Karl CDU/CSU 19.12.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 19.12.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Steinmeier, Frank-Walter SPD 19.12.2014 Tank, Azize DIE LINKE 19.12.2014 Tillmann, Antje CDU/CSU 19.12.2014 Vogler, Kathrin DIE LINKE 19.12.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 19.12.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.12.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 19.12.2014 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 19.12.2014 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushaltsordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 25 Titel 671 01 – Erstattung an Dritte für die Durchführung der Fluggast- und Reisegepäckkontrollen – bis zur Höhe von 26 Mio. Euro Drucksachen 18/2885, 18/3108 Nr. 1 Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch die Deutsche Welle Evaluationsbericht 2013 der Deutschen Welle Drucksache 17/14285 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/3110 Nr. A.2 EuB-BReg 75/2014 Innenausschuss Drucksache 18/1935 Nr. A.3 Ratsdokument 10060/14 Drucksache 18/1935 Nr. A.4 Ratsdokument 10062/14 Drucksache 18/1935 Nr. A.5 Ratsdokument 10063/14 Drucksache 18/2055 Nr. A.2 Ratsdokument 10297/14 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/544 Nr. A.24 Ratsdokument 17509/13 Drucksache 18/2533 Nr. A.26 Ratsdokument 12184/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/3362 Nr. A.9 Ratsdokument 14590/14 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 18/3362 Nr. A.13 EP P8_TA-PROV(2014)0041 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/3362 Nr. A.14 Ratsdokument 14755/14 Drucksache 18/3362 Nr. A.15 Ratsdokument 14757/14 Drucksache 18/3362 Nr. A.16 Ratsdokument 14758/14 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 18/1935 Nr. A.13 Ratsdokument 10108/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.65 Ratsdokument 12570/14 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/419 Nr. A.186 Ratsdokument 13002/13 Drucksache 18/419 Nr. A.187 Ratsdokument 13920/13 Drucksache 18/419 Nr. A.194 Ratsdokument 16118/13 Drucksache 18/419 Nr. A.195 Ratsdokument 16171/13 Drucksache 18/419 Nr. A.196 Ratsdokument 16348/13 Drucksache 18/642 Nr. A.14 Ratsdokument 5634/14 Drucksache 18/1048 Nr. A.18 EP P7_TA-PROV(2014)0128 Drucksache 18/2055 Nr. A.12 Ratsdokument 10582/14 Drucksache 18/2055 Nr. A.14 Ratsdokument 10679/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.68 Ratsdokument 10648/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.71 Ratsdokument 12425/14 7418 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7417 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 7386 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7429