Plenarprotokoll 18/102 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 102. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2015 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Bundesbericht Energieforschung 2015; weitere Fragen 9737 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9737 A René Röspel (SPD) 9738 B Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9738 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) 9738 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9738 D Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9739 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9739 B Dr. Karamba Diaby (SPD) 9739 B Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9739 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9739 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9739 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 9740 B Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9740 B René Röspel (SPD) 9740 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9740 D Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) 9741 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9741 A Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9741 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9741 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) 9741 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9742 A Hubertus Heil (Peine) (SPD) 9742 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9742 B Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9742 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9742 C Dr. Karamba Diaby (SPD) 9742 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9742 D Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9742 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9743 A Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9743 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9743 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9743 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9744 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) 9744 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9744 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9744 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9744 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9744 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9744 D Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9745 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9745 B Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9745 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9746 A Heike Hänsel (DIE LINKE) 9746 B Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9746 C Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9746 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9747 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9747 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 9747 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/4773 9747 D Mündliche Frage 1 Inge Höger (DIE LINKE) Etwaige Beschaffung von Munition mit abgereichertem Uran durch die Bundeswehr Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg 9747 D Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) 9748 A Mündliche Frage 2 Inge Höger (DIE LINKE) Sach- oder Totalschäden durch Drohnen der Bundeswehr und der Bundespolizei seit September 2014 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg 9748 C Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) 9748 C Mündliche Frage 8 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausbildung von Langzeitarbeitslosen zu Stromsparhelfern seit dem Start des Programms Stromspar-Check PLUS Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 9749 C Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9749 C Mündliche Frage 9 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Geplante oder laufende Verfahren zur Laufzeitverlängerung ukrainischer Atomkraftwerke Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 9750 B Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9750 D Mündliche Frage 15 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage der Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofs zum EU-Singapur-Abkommen Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 9751 C Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9751 D Mündliche Frage 26 Martina Renner (DIE LINKE) Straftaten aus dem Spektrum extrem rechter Hooligan- und Fanzusammenschlüsse seit der Demonstration „Hooligans Gegen Salafisten“ im Oktober 2014 Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9752 C Zusatzfrage Martina Renner (DIE LINKE) 9752 D Mündliche Frage 27 Martina Renner (DIE LINKE) Gewalttaten aus dem Spektrum extrem rechter Hooligan- und Fanzusammenschlüsse seit der Demonstration „Hooligans Gegen Salafisten“ im Oktober 2014 Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9753 A Zusatzfragen Martina Renner (DIE LINKE) 9753 B Herbert Behrens (DIE LINKE) 9753 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: BND und NSA – Notwendigkeit und Grenzen der internationalen Zusammenarbeit 9754 A Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) 9754 B Jan Korte (DIE LINKE) 9755 C Christian Flisek (SPD) 9756 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9758 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 9759 B Martina Renner (DIE LINKE) 9760 C Susanne Mittag (SPD) 9761 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 9763 B Manfred Grund (CDU/CSU) 9764 C Uli Grötsch (SPD) 9765 D Nina Warken (CDU/CSU) 9766 D Clemens Binninger (CDU/CSU) 9768 A Nächste Sitzung 9769 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 9771 A Anlage 2 Mündliche Frage 3 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Handlungsbedarf nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Ausschluss von homosexuellen Männern von der Blutspende Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 9771 B Anlage 3 Mündliche Frage 6 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan für die Ergänzung des § 8 des Luftverkehrsgesetzes Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI 9772 C Anlage 4 Mündliche Frage 7 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-gerichtes im Zusammenhang mit § 8 des Luftverkehrsgesetzes Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI 9772 D Anlage 5 Mündliche Fragen 10 und 11 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einhaltung deutschen Rechts vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesnachrichtendienst und ausländischen Nachrichtendiensten Antwort Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär BK 9773 A Anlage 6 Mündliche Frage 12 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Vorwurf der flächendeckenden Ausspähung Deutscher insbesondere durch Geheimdienste der USA Antwort Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär BK 9773 C Anlage 7 Mündliche Frage 13 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einspeisung von Selektoren zu bestimmten Themen in Dateien des Bundesnachrichtendienstes durch die NSA Antwort Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär BK 9773 D Anlage 8 Mündliche Frage 14 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beratungstätigkeit des BND-Mitarbeiters K. H. für die Bremer Beluga-Reederei bei Rüstungsexporten in bestimmte Krisengebiete Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 9774 A Anlage 9 Mündliche Frage 16 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitplan zur Vorlage der Erweiterung des 6. Energieforschungsprogramms Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 9774 B Anlage 10 Mündliche Frage 17 Heike Hänsel (DIE LINKE) Umgang der Regierung von Honduras mit den Verfassern eines alternativen Berichts zur Menschenrechtslage in Honduras Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 9774 D Anlage 11 Mündliche Frage 18 Heike Hänsel (DIE LINKE) Forderung nach Rückerstattung der verzinsten Fahrtkosten für die Massendeportationen aus Griechenland nach Auschwitz und Treblinka an die Jüdische Gemeinde von Thessaloniki Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 9775 A Anlage 12 Mündliche Frage 19 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Etwaige Blumenniederlegung am Grab von Stepan Bandera durch den ukrainischen Botschafter und Einstufung der ehemaligen Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Aufstands-armee UPA als Unabhängigkeitskämpfer Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 9775 C Anlage 13 Mündliche Frage 20 Andrej Hunko (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu Einsätzen bewaffneter Drohnen hinsichtlich der Geheimdienstkooperation mit den USA Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 9776 A Anlage 14 Mündliche Frage 21 Andrej Hunko (DIE LINKE) Mögliche Einführung der Todesstrafe in Ägypten bei Ertrinkenlassen einer anderen Person und Schlussfolgerungen der Bundesregierung hinsichtlich der geplanten Polizeikooperation mit Ägypten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9776 B Anlage 15 Mündliche Frage 22 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Gelöschte Speicherungen in bestimmten Zentraldateien infolge der Kritik des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9776 C Anlage 16 Mündliche Frage 23 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Unterrichtung betroffener Personen über die rechtswidrige Speicherung ihrer Daten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9776 D Anlage 17 Mündliche Frage 24 Hubertus Zdebel (DIE LINKE) Mitwirkung bestimmter EU-Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung der Best Practices zur Führung von Informanten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9777 A Anlage 18 Mündliche Frage 25 Hubertus Zdebel (DIE LINKE) Verhältnismäßigkeit von Aufforderungen des BND an Telekommunikationsanbieter zur Filterung des gesamten Datenstroms Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9777 D Anlage 19 Mündliche Frage 28 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche für qualifizierte arbeitsuchende Ausländer ohne Hochschulabschluss Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI 9778 A Anlage 20 Mündliche Frage 29 Katrin Kunert (DIE LINKE) Voraussetzungen zur Einleitung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen durch die BaFin bei Beschwerden zur Kraftfahrthaftpflicht- und Kaskoversicherung Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 9778 B Anlage 21 Mündliche Frage 30 Katrin Kunert (DIE LINKE) Aus Kulanz vorgenommene Regulierungen durch Versicherungen trotz unbegründeter Beschwerden zur Kraftfahrthaftpflicht- und Kaskoversicherung Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 9778 D Inhaltsverzeichnis 102. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2015 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie herzlich und rufe gleich Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bundesbericht Energieforschung 2015. Dazu erhält der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, sofort das Wort für einen kurzen einleitenden Bericht. Wenn es absehbar Fragen über diesen Bericht hinaus gibt, wäre ich ganz dankbar, wenn ich vorher einen Hinweis bekommen könnte; denn dann kann man diese vorher thematisch etwas sortieren, damit wir nicht ständig hin und her springen. Bitte schön, Herr Minister. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Kabinett hat heute den Bundesbericht Energieforschung 2015 verabschiedet. Dieser Bericht schafft Transparenz in der öffentlichen Förderung der Energieforschung in Deutschland, und er dokumentiert unsere Ausrichtung der Energieforschung an den Notwendigkeiten der Energiewende. Unser langfristiges Ziel bis 2050 ist es, den Primärenergieverbrauch zu halbieren und den Anteil erneuer-barer Energien am Bruttoendenergieverbrauch auf 60 Prozent zu steigern. Gleichzeitig wollen wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Industrielandes, unserer Unternehmen sichern, zum Klimaschutz beitragen, aber auch Versorgungssicherheit erhalten und neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, um die Energiewende zu einem Exportschlager zu machen. Das alles gelingt nur mit raschem technischen Fortschritt. Dafür brauchen wir Forschung und Entwicklung. Wir müssen den Wirkungsgrad und die Systemintelligenz der erneuerbaren Energien weiter erhöhen. Wir müssen auch effizienter werden bei der Bereitstellung, Verteilung und vor allem bei der Nutzung von Energie. Wir müssen vorankommen bei der Entwicklung intelligenter Netze und technologisch wie wirtschaftlich tragfähiger Speicherlösungen, und wir wollen natürlich die energiebedingten Treibhausgasemissionen weiter reduzieren. All das geht nicht ohne Forschung und ohne Offenheit gegenüber technologischer Innovation. Die Bundesregierung hat daher die Energieforschung neu aufgestellt und aufgewertet. Im vergangenen Jahr haben wir 819 Millionen Euro dafür aufgewendet, neue Technologien für die Energieversorgung zu erforschen und bestehende weiterzuentwickeln. Meine Damen und Herren, das ist mehr als eine Verdopplung innerhalb der letzten zehn Jahre. Fast drei Viertel dieser Mittel, 74 Prozent, flossen in die Bereiche, die für den Erfolg der Energiewende besonders wichtig sind: in die Energieeffizienz und in die erneuerbaren Energien. Wir haben die einzelnen Felder der Energieforschungspolitik noch enger miteinander verzahnt. Das ist ein Synergieeffekt, der unmittelbar mit der Zusammenführung der Forschung im Wirtschaftsministerium zusammenhängt. Vorher gab es eine Aufteilung zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium. Zusammenarbeit und das Denken in systemischen Zusammenhängen sind entscheidend, um bei den Netzen, den Speichern und vor allen Dingen bei der effizienteren Energienutzung in Gebäuden voranzukommen. Deshalb bauen wir auch die Forschungszusammenarbeit mit den Bundesländern und auf europäischer Ebene aus. Zudem setzen wir auf flexible Förderung. Die Projektförderung ist hierfür das geeignete Instrument. Sie hat nunmehr einen Anteil von 63 Prozent erreicht, 515 Millionen Euro. 2011 waren es noch deutlich weniger, nämlich 57 Prozent. Dabei geht es um sehr vielfältige und spannende Projekte. In einem Monat zum Beispiel wird das Informationssystem EnArgus an den Start gehen. Es erfasst die vielseitigen Energieforschungsaktivitäten und stellt Einzelprojekte transparent dar. Zu den 2 400 laufenden Projekten gehören solche wie AmpaCity in Essen, bei dem das weltweit längste supraleitende Kabel verlegt und ins Stromnetz integriert wurde. Dazu gehören innovative Techniken, die die Schallemissionen von Offshore-Windenergieanlagen verringern und so zum Artenschutz im Meer beitragen. Weiter gehört dazu beispielsweise die Erprobung sogenannter virtueller Kraftwerke, also Kombikraftwerke. Auch der wichtigen Frage, wie man die Energieeffizienz in der Industrie erhöhen kann, wird in Forschungsprojekten nachgegangen. Zum Beispiel wird in der neuen ETA-Fabrik an der TU Darmstadt erstmals eine gesamte Fertigungskette der Metallverarbeitung energetisch optimiert. Dort wird eine Energieeinsparung um bis zu 40 Prozent erwartet. Getragen wird das Projekt von rund 20 Industriepartnern und Forschungsinstituten. Es ist damit hervorragend in Industrie, Forschung und Lehre eingebunden. Solche Vernetzungen wollen wir weiterentwickeln. Dafür haben wir beispielsweise Forschungsnetzwerke ins Leben gerufen, die in ausgewählten Bereichen – Stromnetze, Gebäudeeffizienz und Energiesystemanalyse – als Schnittstelle zwischen Forschung, Praxis und auch Politik dienen. Unser Ziel ist es, die Anwendungsorientierung der Energieforschung zu stärken. Wir wollen die Basis für neue marktreife Lösungen und Produkte schaffen. – Das, meine Damen und Herren, als kurze Einführung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die erste Nachfrage kommt vom Kollegen Röspel. René Röspel (SPD): Vielen Dank, Herr Minister. – Wenn es darum geht, bei der Energiewende die erneuerbaren Energien stärker auszubauen und einzubinden, wird es eine große Herausforderung sein, diese trotz des ungleichmäßigen Eingangs zu nutzen. Dabei geht es beispielsweise darum, wie man den tagsüber produzierten Photovoltaik- oder Solarstrom zu anderen Zeiten nutzen kann, in denen er stärker gebraucht wird, aber nicht mehr zur Verfügung steht. Meine Fragen lauten also: Inwieweit spielt das Thema Energiespeicherung innerhalb des Energieforschungsberichts eine Rolle? Wie kann die Speicherforschung ausgebaut werden? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kollege Röspel, Speicherung ist eines der zentralen Themen. Wir sind noch längst nicht an dem Punkt, wo die unterschiedlichen Speichermöglichkeiten wirtschaftlich vertretbar eingesetzt werden können. Dafür brauchen wir noch eine ganze Reihe an Forschungs- und auch Demonstrationsvorhaben. Ein bisschen wird auch die Entscheidung über den neuen Strommarkt einen Beitrag dazu leisten. Denn wir müssen, glaube ich, auch marktgetriebene Anreize schaffen, wenn es um die Frage geht, ob beispielsweise eine Kraftwerkskapazität genutzt werden muss, um Lastspitzen auszugleichen, oder ob Speicher oder ein Demand-Side-Management, also die Anpassung der Nachfrage, genutzt werden können. Das muss am Ende über den Preis am Markt entschieden werden. Da erwarten wir auch noch einmal einen Schub für Speichertechnologien. Wir müssen aber auch noch eine ganze Reihe von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben voranbringen, damit wir hier letztlich zu marktfähigen Speicherkapazitäten kommen. Man sagt immer so, dass man dafür etwa 70 bis 80 Prozent erneuerbare Energien am Strommarktspeicher verfügbar haben muss. Davon sind wir noch ein Stück weit entfernt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Minister, ich möchte Sie fragen, ob Sie im Rahmen des Energieforschungsprogramms auch ein -Forschungsprojekt aufgelegt haben, mit dem die Bundesnetzagentur befähigt werden wird, in Zukunft selbstständig Berechnungen des Stromübertragungsnetzes durchzuführen. Die derzeitige Situation ist folgende: Die Berechnungsprogramme wurden von den Netzbetreibern entwickelt. Von den Netzbetreibern wird mittels dieser Programme ermittelt, welchen Netzausbaubedarf es gibt. Die Netzbetreiber erhalten entsprechend dem Netzausbaubedarf für 40 Prozent ihrer Investitionssumme eine garantierte Rendite von 9 Prozent – und das in der heutigen Zeit. Die Bundesnetzagentur überprüft mit den Programmen der Netzbetreiber, ob diese Berechnungen richtig sind. Da ist natürlich ein gewisser Interessenkonflikt nachvollziehbar. Der führte zu 26 000 Einwendungen beim Netzentwicklungsplan. Ich frage Sie, ob Sie diesem Missstand, dass man nicht unabhängig nachrechnen kann, durch ein Forschungsprogramm begegnen wollen, das die Bundesnetzagentur zukünftig in die Lage versetzen wird, selbstständig mit einem unabhängig entwickelten Programm die Angaben der Netzbetreiber überprüfen zu können. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die Bundesnetzagentur kann die Angaben der Netzbetreiber unabhängig überprüfen. Sie checkt sie auch gegen mit in Europa entwickelten Programmen zur Berechnung existierender Kapazitäten, der Entwicklung der Netze, der Grenzkuppelstellen und von vielem anderen mehr. Ich halte es nicht für sinnvoll, diejenigen aus der Verantwortung für die Entwicklung der Netze zu entlassen, die sie als Übertragungsnetzbetreiber letztlich finanzieren müssen. (Zuruf des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) – Natürlich müssen sie investieren. Sie bekommen dann über die Netzentgelte aber eine Refinanzierung ihrer Investition. So läuft das. Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Übertragungsnetzbetreiber diese Berechnungen vorlegen müssen. Unsere Behörde muss in der Lage sein, die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen, um festzustellen und nachzuprüfen, ob es objektivierbare Kriterien zum Beispiel für die ausgewählten Korridore und die als notwendig erachteten Leitungen gibt. Das kann die Behörde. Dafür hat sie die Kapazitäten. Beim Thema Netze gibt es ganz andere Forschungsaufgaben, die Sie im Energieforschungsbericht auch wiederfinden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, ich habe eine Frage zur Energieforschung. Der Bericht, den wir vorhin bekommen haben, enthält ein klares Bekenntnis zum ITER. Im deutschen Energieforschungsprogramm sind für 2014 für die Kernfusionsforschung 138 Millionen Euro jenseits der Kosten von ITER aufgeführt. Das sind immerhin 25 Prozent dessen, was für Energieeffizienz und erneuerbare Energien eingestellt wird. Das ist also nicht zu vernachlässigen. Im neuen Bericht führen Sie die Fusionsforschung unter „alle infrage kommenden Konzepte für eine zukünftige Energieversorgung“ auf. Ich möchte Sie daher fragen, wie das zu dem Bekenntnis zur Energiewende passt, von der wir wissen, dass wir völlig andere Strukturen und einen völlig anderen Netzausbau als bei der bisherigen sehr zentralen Stromversorgung brauchen. Die Kernfusion wäre eine Rückkehr zur absoluten zentralen Stromversorgung. Wie passt das zusammen? Wie soll das funktionieren, wenn im Jahr 2050 doch hoffentlich eine andere Stromversorgung und eine andere Energieversorgungsstruktur in Deutschland aufgebaut sein werden? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Kollegin Kotting-Uhl, wir sind bei dem Thema ITER an völkerrechtliche Verträge gebunden. Diese sind übrigens noch zu rot-grünen Zeiten verhandelt und dann – ich glaube, das war 2006 – vom Forschungsministerium und Finanzministerium endgültig verabschiedet worden. Wir haben 2017 zum ersten Mal die Möglichkeit, aus dem Programm auszusteigen. Ich finde, Sie haben gerade kluge Argumente genannt, warum man das ins Auge fassen sollte. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Diaby. Dr. Karamba Diaby (SPD): Herr Bundesminister, Sie haben die europäischen Dimensionen und die Zusammenarbeit angesprochen. Wir wissen, dass im Bereich Forschung internationale Zusammenarbeit eine ganz große Rolle spielt. Deshalb meine Frage: Welche internationalen Kooperationen wurden im Jahr 2014 im Bereich Energieforschung unterstützt? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich kann jetzt nicht aus dem Kopf sagen, welche konkreten Kooperationsvorhaben darin enthalten sind. Das liefern wir aber gerne nach. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Krischer. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Es geht jetzt aber nicht um TTIP!) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Pfeiffer, wir hätten eben im Wirtschaftsausschuss gerne eine Aussage von Ihnen dazu gehört. Aber das passiert ja leider nie. Sie sprechen im Wirtschaftsausschuss leider nicht dazu. Präsident Dr. Norbert Lammert: Mit „Regierungsbefragung“ ist eigentlich nicht die Auseinandersetzung zwischen den Fraktionen gemeint. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kollege hat aber eben eine Bemerkung gemacht. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Das war nur eine Spitze!) Herr Bundesminister, nun zum Thema Energieforschung. Kollegin Kotting-Uhl hat gefragt, was wir für die Fusionsforschung ausgeben. Im Jahr 2014 waren es 138 Millionen Euro. Das ist ein Anteil von round about 25 Prozent. Das ist nicht alles für ITER vorgesehen. Das ist auch nicht alles völkerrechtlich verpflichtend. Das heißt, wir sind in einem ganz erheblichen Umfang auch darüber hinaus tätig. Ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie Wohlwollen demgegenüber hegen, 2017 aus ITER auszusteigen. Meine Frage ist: Ist die Bundesregierung denn bereit, schon vorher oder auch jetzt schon Maßnahmen einzuleiten, um die darüber hinausgehenden Forschungsaktivitäten in diesem Bereich zu reduzieren? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich kann nur davon abraten, die darüber hinausgehenden Forschungsbereiche zu reduzieren, weil es sich um Endlagerforschung handelt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fusionsforschung, nicht Endlagerforschung!) – Vielleicht gibt es jetzt ein Missverständnis. Uns geht es darum, dass wir im Wesentlichen die Bereiche der Forschung fortsetzen müssen – ich glaube, da sind wir auch nicht auseinander –, die nukleare Sicherheit zum Ziel hat. Wir werden selbst nach dem Abschalten von Kernkraftwerken zur Stromproduktion weiter Nuklearanlagen, zum Beispiel im Forschungsbereich, und die Endlagerforschung haben. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon spreche ich nicht!) – Durch Ihre Zwischenrufe merke ich, dass Sie den Teil meinen, der die Kernfusionsforschung selbst betrifft. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Wir sind jedoch in Projekte eingebunden, bei denen wir nicht einfach aussteigen können. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wir wollen das auch gar nicht!) – Die Nachfragen des Abgeordneten Krischer und von Frau Kotting-Uhl weisen auf Folgendes hin: Welchen Sinn macht es eigentlich, eine höchst zentrale Form der Energieversorgung weiterzuentwickeln, wenn man davon ausgehen muss, dass dafür bei all den Programmen, die diese, die letzte und die vorletzte Bundesregierung zur Energiewende beschlossen haben, kein Raum mehr ist, jedenfalls dann nicht, wenn man diese Projekte ernst nimmt? Das ist eine durchaus berechtigte Frage. Wir sind in diese Projekte eingebunden. Jetzt einseitig auszuscheiden, ist für uns nicht möglich. Wir haben uns in einem völkerrechtlichen Vertrag gebunden. Wir sind durch Projekte gebunden. Ich glaube, dass wir diese zu Ende führen müssen. Ich persönlich bin allerdings der Auffassung, dass wir ab 2017 die Möglichkeit nutzen müssen, die Gelder für die Forschung zu verwenden, -deren Ergebnisse die Bundesrepublik Deutschland am Ende sinnvoll nutzen kann. Das wird bei der Kernfu-sionsforschung nach meinem Eindruck nicht mehr möglich sein, jedenfalls dann nicht, wenn wir die Energiewende konsequent zu Ende führen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Bulling-Schröter. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Danke schön. – Sehr geehrter Herr Minister, die Chefin der Internationalen Energieagentur, Frau Maria van der Hoeven, hat diese Woche erklärt, dass wir die Forschungsmittel verdreifachen müssten, um saubere Technologien zu entwickeln, und zwar im regenerativen Bereich, vermute ich – ich hoffe nicht, dass sie damit die Atomforschung gemeint hat –, und so die Klimaschutzziele zu erreichen. Wir wissen, wie brisant dieses ganze Thema ist. Ich frage Sie: Inwieweit sind Sie bereit, eine Ausweitung der Mittel zu forcieren? Ist da etwas geplant? Inwieweit würden Sie sich da einbringen? Teilen Sie die Meinung der Chefin der IEA? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Sie müssen mir erst gestatten, zu fragen, ob diese Forderung sich nur auf Deutschland oder auf die internationale Energiepolitik bezieht. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Auf die internationale Energiepolitik natürlich. Aber Deutschland ist ja ein Teil davon. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Dass es in der internationalen Energiepolitik wünschenswert wäre, dass andere Staaten ähnlich handeln wie wir, unterstreiche ich. In Deutschland, finde ich, haben wir auf diesem Gebiet eine Menge getan. Ich habe es schon gesagt: Der Forschungsetat wurde fast verdoppelt. Übrigens beziehen sich die Zahlen in diesem Energieforschungsbericht auf das Jahr 2014. Das liegt daran, dass wir bei Drucklegung des Energieforschungsberichts die alte mittelfristige Finanzplanung als Grundlage nehmen mussten. Schauen Sie sich an, wie die mittelfristige Finanzplanung bis 2019 aussieht: Die Mittel steigen an, und zwar auf über 1 Milliarde Euro. Also, wir steigern unsere Ausgaben in diesem Bereich; aber die Chefin der Internationalen Energieagentur hat mit ihrer Meinung völlig recht, dass andere Staaten das genauso machen sollten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Röspel. René Röspel (SPD): Für eine erfolgreiche Energiewende werden die privaten Haushalte eine zentrale Rolle spielen, was Effizienz, aber eben auch die Steuerung der Nachfrage anbelangt. Meine Frage ist, ob es geplant ist, Forschungsmittel in diesem Bereich, Umgang mit Energie und Effizienz in privaten Haushalten, verstärkt einzusetzen. Den Wirtschaftsminister möchte ich gerne fragen, ob überlegt wird, Einführungsprogramme hinterherzuschieben. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Diese Programme gibt es schon. Wir in der Koalition haben im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz für die kommenden Jahre gerade 1,2 Milliarden Euro zur Steigerung der Energieeffizienz zur Verfügung gestellt. Davon ist ein großer Teil für private Haushalte vorgesehen, etwa die Erhöhung der Mittel für das Marktanreizprogramm, für das Austauschprogramm für veraltete Kessel, für die Heizungstechnik, und zwar von der Beratung bis zum Zuschuss. Insofern tun wir schon das, wonach Sie gefragt haben. Gleichzeitig haben Sie völlig recht: Auch in der Energieforschung muss in diesem Bereich, auch was die Konsum- und Nachfrageseite angeht, noch mehr passieren. Übrigens diskutieren wir häufig über Industrie 4.0. Wenn es einen Anwendungsbereich gibt, in dem Sie das real sehen können und in dem man in den kommenden Jahren die Entwicklung des Internets der Dinge erleben kann, dann ist es der Bereich der Energieproduktion, der Energienachfrage und vor allen Dingen der Energieverteilung. Das wird ohne intelligente Systemtechnik und Smart Grids nicht gehen. Da spielt das, was Sie angesprochen haben, eine zentrale Rolle. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Rossmann. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Minister, als Abgeordneter für die einzige deutsche Hochseeinsel Helgoland muss ich Sie zu Ihrer Einschätzung, was Offshore angeht, fragen, speziell zu dem Beitrag, den Sie über das Forschungsprogramm für die gute Einbindung ökologischer und anderer Belange von Offshore geleistet haben. Generell habe ich noch die Frage, wie Sie die weitere Offshoreentwicklung einschätzen. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kollege Rossmann, wir haben gerade am letzten Wochenende erleben können, dass sich die frühere Entscheidung, in Forschung zu investieren, die schon unter meinem Amtsvorgänger als Bundesumweltminister, nämlich Jürgen Trittin, getroffen wurde, sehr gelohnt hat. Wir haben damals die Forschungsplattform Alpha Ventus mit großen Schwierigkeiten in Gang bekommen. Wir können jetzt, round about zehn Jahre später, sehen, dass wir den Durchbruch in der Industrialisierung bei Offshore erleben. Dafür war die Forschung die zentrale Voraussetzung. Sie ist auch noch nicht zu Ende. Wir werden in Europa über Standardisierungen reden müssen, um den Industrialisierungsgrad immer mehr zu erhöhen. Industrialisierung heißt nichts anderes, als dass eine höhere Anzahl von Projekten, die standardisiert sind, realisiert wird, um die dadurch entstehenden Preisvorteile den Kunden anbieten zu können. In dieser Phase sind wir jetzt. Wir haben gerade das Projekt DanTysk von Vattenfall an der deutsch-dänischen Grenze eröffnen können. Das ist ein gewaltiger Park mit 80 Anlagen. Der nächste ist schon in Planung. Das zeigt, dass sich die Forschungsaktivitäten gelohnt haben. Sie kommen aus Schleswig-Holstein. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Helgoland ist etwas weiter weg im Meer!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, achten Sie bitte auf die Zeit. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Dann höre ich jetzt auf. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das wird alles in Echtzeit übertragen. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Präsident, ich wollte eigentlich nur noch sagen, dass wir uns in Norddeutschland insgesamt freuen können, dass wir nach Jahrzehnten der Deindustrialisierung und des Verlustes industrieller Arbeitsplätze jetzt das Gegenteil erleben. Das zeigt den Erfolg, der mit der Forschung begonnen hat. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe jetzt noch die Wortmeldungen von Frau Kotting-Uhl, Herrn Lenkert, Herrn Heil, Herrn Ebner und Herrn Diaby. Damit würde ich gerne die Fragen zu diesem Bericht abschließen. Dann sind wir ziemlich genau in der Zeit, die wir üblicherweise für die Regierungsbefragung vorgesehen haben, und haben dann noch einige bereits angemeldete zusätzliche Fragen an die Bundesregierung. – Ich stelle Einvernehmen fest. Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann quäle ich Sie jetzt nicht mehr mit Aussagen zur Kernfusion in Ihrem Bericht, die nicht zu dem passen, was Sie gerade sagten. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Sie quälen mich überhaupt nicht. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich frage Sie noch zur nuklearen Sicherheitsforschung, die – da sind wir uns völlig einig – absolut wichtig ist. Ich mache in meinem Karlsruher Institut KIT die Erfahrung, dass dort unter diesem Begriff auch andere Forschung betrieben wird, zum Beispiel die Forschung zur Sicherheit von Brennelementen für Reaktoren der vierten Generation. Ist Ihnen das bewusst? Weiß das Ministerium, dass das unter dem Begriff der nuklearen Sicherheitsforschung betrieben wird, und wie wird das dann begründet? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Mir ist es nicht bewusst. Ob das Ministerium das weiß, muss ich fragen. Dann kann ich Ihnen sagen, ob es dafür eine kluge Begründung gibt. Das mache ich übrigens gerne. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Minister, Sie führten vorhin aus, dass es von der Entwicklung der ersten Offshoreplattform bis zum industriellen Durchbruch zehn Jahre gedauert hat. Das sind in etwa die Forschungszeiträume. Sie führten auch aus, dass Sie bei den Speichern noch keinen Bedarf betrachte. Wenn ich die Pläne der Bundesregierung zum Einsatz erneuerbarer Energien betrachte, dann sehe ich, dass der Bedarf an Speichern in absehbarer Zeit auf uns zukommt. Zumindest in 10, 15 Jahren könnte es schon so weit sein. Deswegen meine Frage: Investieren Sie größere Summen in die Speicherentwicklung, in neue Speichertechnologien, sei es auf Batteriebasis, sei es auf chemischer Basis? Inwieweit werden diese Forschungsprojekte von Ihrem Haus deutlich unterstützt? Wir haben bei der EMobilität einen Rückstand der einheimischen Indus-trie erlebt. Die Firma Tesla möchte die Bundesrepublik jetzt mit preiswerten Speichern beliefern. Das heißt, auch auf diesem Gebiet scheint ein Rückstand zu entstehen. Wie sehen Sie das als Wirtschaftsminister? Was wollen Sie tun, um diesen Rückstand aufzuholen? Wollen Sie mit einem massiven Forschungsprogramm gegensteuern? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die Antwort finden Sie auf Seite 15 des Energieforschungsberichts. Dort wird über Energieverteilung und Energienutzung berichtet. Unter dem Punkt „Speicher“ steht zum Beispiel, dass wir in den beteiligten Ressorts – mein Haus und das BMBF – aus dem Energie- und Klimafonds 283 Projekte mit einer Gesamtförderung von 190 Millionen Euro fördern. Im Jahr 2014 wurden Fördermittel in Höhe von rund 57 Millionen Euro ausgezahlt. 67 Projekte wurden neu angestoßen. – Dort finden Sie eine relativ lange Ausführung, die die Frage noch konkreter beantwortet. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das reicht nicht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Hubertus Heil. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Bundesminister Gabriel, Sie haben vorhin in Ihrem Bericht ausgeführt, dass das Zusammenführen von Energiepolitik und den Teilen im Bereich der Energieforschung, die aus dem Bundesumweltministerium gekommen sind, in einem Haus, nämlich seit der Bundestagswahl in Ihrem Haus, sehr gut funktioniert. Können Sie uns ein bisschen näher berichten, welche Synergiemöglichkeiten diese Bündelung von Energieforschung und Energiepolitik in einer Hand für die Energiewende bedeutet? Präsident Dr. Norbert Lammert: In einer Minute! (Heiterkeit) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Solche Möglichkeiten entstehen erstens dadurch, dass Häuser nicht mehr gegeneinander arbeiten, und zweitens dadurch, dass man die Abteilungen nicht einfach in ein anderes Haus überführt, sondern die Abteilungen auflöst und ein gemeinschaftliches Arbeiten bewirkt, damit die nicht weiter in ihren Silos denken. – Das war unter einer Minute, Herr Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich war fast versucht, Ihnen eine Gutschrift in Aussicht zu stellen. (Heiterkeit) Aber da ich sicher bin, dass Sie davon sofort Gebrauch gemacht hätten, habe ich dieser Versuchung tapfer widerstanden. – Ich habe das aber mit Respekt registriert. Kollege Ebner. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, es steht auch die Weiterentwicklung des 6. Energieforschungsprogramms an. Ich möchte Sie fragen, ob denn die Bundesregierung trotz des fraktionsübergreifend beschlossenen Atomausstiegs plant, dort weitere Gelder für die Erforschung atomarer Technologien wie Kernfusion, Transmutation und diese Dinge bereitzustellen und, wenn ja, mit welcher Begründung. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die Debatten darüber laufen. Wir werden das sicher im Rahmen der internationalen Verträge tun müssen; ich glaube, dass wir da keine Chance haben. Ansonsten gibt es darüber natürlich eine Diskussion innerhalb der Regierung, und die ist nicht abgeschlossen. (Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Zum Glück!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Diaby. Dr. Karamba Diaby (SPD): Herr Minister, die Bürgerinnen und Bürger interessieren sich für das Thema selbstverständlich immer noch sehr. Deshalb meine Frage: Welche Rolle spielt der gesellschaftliche Dialog im Bereich Energieforschung? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Was wir natürlich versuchen, ist, auch Projekte zu unterstützen, die die Akzeptanzforschung vorantreiben. Wir alle wissen, dass das nicht nur in der Energiepolitik eine Rolle spielt, sondern bei fast allen Infrastrukturprojekten größerer Natur, manchmal auch bei kleineren Projekten. Deswegen ist Akzeptanzforschung auch ein Teil dessen, was wir tun. Präsident Dr. Norbert Lammert: Damit schließen wir diesen Bereich ab. Bevor ich die angemeldeten sonstigen Fragen an die Bundesregierung aufrufe, frage ich der guten Ordnung halber, ob jemand noch Fragen zur heutigen Kabinettssitzung hat. – Das ist nicht der Fall. Ich rufe jetzt die sonstigen Fragen an die Bundesregierung auf. – Kollege Hofreiter. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, mich würde interessieren, ob das Modell, das Sie am Montag vorgestellt haben, und zwar das Modell „Investitionsschutzvertrag“, auch Ihre persönliche Position ist oder ob das nur die Position des Gutachters ist, und ob Sie vorhaben, diese Position zur Position des Kabinetts zu machen, oder ob das de facto eine Privatmeinung bleibt. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Es ist erstens natürlich die Position des Gutachters, zweitens meine, drittens im Kern die von mindestens fünf weiteren Handelsministern in der Europäischen Union, viertens, wenn ich richtig verstanden habe, was Frau Malmström dem Europäischen Parlament und morgen dem Handelsministerrat vorstellen will, grundsätzlich auch die Position der zuständigen Kommissarin der EU. Wenn die Vorschläge konkretisiert sind, dann wird sich darüber sicherlich auch die gesamte Bundesregierung eine Meinung bilden müssen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Dröge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schon einmal vielen Dank, Herr Minister Gabriel, für diese erste Antwort. Wir hatten Sie schon einmal nach den Positionen der Handelsminister gefragt. Ihr Staats-sekretär hat auf die Frage, ob das Gutachten der Position der Bundesregierung entspricht, nie eine Antwort gegeben. Deshalb: Wenn Sie jetzt vorhaben, das Ergebnis des Gutachtens zur Position der Bundesregierung zu machen, ist das schon einmal eine interessante Aussage von Ihnen. Frau Zypries hat eben im Wirtschaftsausschuss gesagt: Das ist erst einmal nicht die Position der Bundesregierung. Wir haben jetzt bei CETA einen Vertragsentwurf auf dem Tisch, der andere Regelungen vorsieht. Wenn Sie das, was Sie ausgeführt haben, ernst meinten, müssten Sie die entsprechenden Regelungen auch im Rahmen von CETA durchsetzen. Ansonsten ist es aus meiner Sicht wenig wahrscheinlich, dass Sie es bei TTIP hinbekommen. Deswegen die konkrete Frage: Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen über CETA entsprechende Regelungen einfordern, oder wird sie mit den bisher vorgesehenen Schiedsgerichten vorliebnehmen? Zur zweiten Frage. Frau Malmström hat aus meiner Sicht einen multilateralen Gerichtshof nur in Aussicht gestellt, aber nicht konkret vorgeschlagen, ihn im Rahmen von TTIP durchzusetzen. Wie würden Sie damit umgehen, wenn Frau Malmström nicht anstrebte, den multilateralen Gerichtshof im Rahmen von TTIP durchzusetzen, und es bei der Schaffung von Schiedsgerichten bliebe? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Erstens. Ich glaube, dass die Reihenfolge umgekehrt ist: Die Kommission ist die Verhandlerin, sie muss eine Position entwickeln; danach müssen sich die beteiligten Regierungen dazu eine Meinung bilden. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dann in der Bundesregierung über die Frage zu reden, wenn Frau Malmström ihren Vorschlag vorgelegt hat. Das will sie morgen im Handelsministerrat tun. Zweitens. Ich habe Frau Malmström anders verstanden als Sie – wir werden es sehen. Insofern halte ich Ihre Schlussfolgerung, man könne das, wenn man CETA so lasse, wie es ist, nicht in den Verhandlungen mit den USA durchsetzen, für falsch. Frau Malmström argumentiert genau umgekehrt. Sie sagt: Ich mache diesen Vorschlag jetzt, damit niemand den Eindruck hat, das Abkommen mit Kanada sei eine Blaupause für das Abkommen mit den USA. – Es gibt sogar die Absicht, wichtige Schritte in den Verhandlungen mit den USA bis Ende des Jahres abzuschließen. Ob das gelingt, wird man sehen. Der Abschluss der Verhandlungen mit Kanada könnte sogar danach liegen, weil das Legal Scrubbing, wie wir hören, wahrscheinlich sogar bis Januar andauert – vielleicht auch nur bis Ende dieses Jahres –, sodass ich Ihre Auffassung, das eine Abkommen sei eine Blaupause für das andere, überhaupt nicht teile. Vielmehr ist das Abkommen mit Kanada ausverhandelt; das habe ich mehrfach hier im Deutschen Bundestag gesagt. Wir versuchen trotzdem, im Rahmen der Möglichkeiten, die es gibt, Veränderungen herbeizuführen, die auch die Schiedsgerichte betreffen. Aber ich habe immer gesagt, dass dies bei einem ausverhandelten Abkommen sehr schwierig ist – nicht unmöglich, aber schwierig. Dagegen ist bei TTIP wirklich alles offen. Es gab ein Konsultationsverfahren, das zu den entsprechenden Ergebnissen geführt hat. Warum sollten wir, wenn Frau Malmström jetzt einen Vorschlag für die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten unterbreitet, der in Richtung eines Handelsgerichtshofes geht, nicht versuchen, ihn gegenüber den Vereinigten Staaten vor Ende des Jahres durchzusetzen? Dann wären Ihre Sorgen nicht mehr berechtigt, und die Arbeit hätte sich gelohnt. Ich bin sehr sicher: Die Bundesregierung würde sich, wenn sie über einen solchen Vorschlag von Frau Malmström beraten würde, garantiert nicht dagegenstellen, sondern den Vorschlag – ganz im Gegenteil – unterstützen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, wir sind uns einig, dass die nicht vorhandene Zeitgutschrift jetzt verbraucht ist? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Wir sind uns einig, Herr Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister Gabriel, Sie haben vor einigen Wochen einen Vorschlag gemacht – Stichwort „Klimaschutzabgabe“ –, der für interessante, spannende Debatten, Diskussionen und auch Demonstrationen sorgt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt: Dieser Vorschlag ist mit der Frau Bundeskanzlerin abgestimmt, zumindest ist er ihr im Vorfeld bekannt gewesen. Meine Frage ist: Könnten Sie uns erläutern, in welcher Weise, in welcher Form diese Abstimmung erfolgt ist und wie die Reaktion der Frau Bundeskanzlerin war? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich kann nur wiederholen, was ich damals schon gesagt habe: Selbstverständlich gehe ich nicht mit einem solchen Vorschlag an die Öffentlichkeit, ohne ihn vorher mit dem Kanzleramt zu beraten. Jetzt gibt es eine Diskussion darüber, ob die Sorgen, die die Beschäftigten und die Unternehmen haben, gerechtfertigt sind oder nicht. Wären sie gerechtfertigt, müssten wir natürlich einen anderen Vorschlag entwickeln. Wir glauben nicht, dass die Sorgen gerechtfertigt sind. Trotzdem gibt es eine Debatte über denkbare Alternativen. Ich habe übrigens immer gesagt: Wenn jemand Alternativen hat, die das gleiche Ergebnis erzielen, nämlich Substanz im Klimaschutz, also Senkung der Emissionen um 40 Prozent bis 2020, dann spricht nichts dagegen, zu prüfen, ob diese Alternativen kostengünstiger oder einfacher sind. Bislang kenne ich solche Alternativen nicht. Wir sind in den Beratungen. Das gilt für mich und andere Mitglieder der Bundesregierung. Das ist ein ganz normaler Prozess. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Lenkert. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Minister, Sie führten zu Recht aus, dass TTIP nicht unbedingt eine Kopie von CETA ist. Aber Tatsache ist nun einmal: Sollte CETA mit den vorgesehenen Investitionsschutzklauseln in Kraft treten, dann braucht beispielsweise ein amerikanisches Unternehmen nur eine Niederlassung in Kanada, um unter den kanadischen Vertragstext zu fallen. Unter diesem Aspekt ist die Frage sehr wichtig, inwieweit Sie CETA zustimmen werden, wenn in dem Abkommen die Schiedsgerichte in der jetzigen Form beibehalten werden. Ergänzend möchte ich Sie fragen: Wir haben Informationen, dass es nicht die kanadische Seite gewesen ist, die auf den Schiedsgerichtsverfahren im Abkommen bestanden hat, sondern dass die EU dies so haben wollte. Wo sind die Widerstände gegen eine Streichung der Schiedsgerichte in dem Abkommen größer: in Teilen der Europäischen Union oder in Kanada? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ihre zweite Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Zu Ihrer ersten Frage: Wenn das stimmen würde, was Sie sagen, dann könnte man sich fragen, warum es nicht schon seit Jahrzehnten derartige Klagen gegen Deutschland gibt. Denn Deutschland hat, glaube ich, über 130 Investitionsschutzabkommen mit vielen Ländern, die im Übrigen wesentlich höhere Schutzstandards für Investoren vorsehen und daher für Investoren viel attraktiver sind. In den meisten dieser Länder gibt es auch amerikanische Unternehmen. Wenn Ihre Befürchtung also gerechtfertigt wäre – ein amerikanischer Konzern sucht sich eine Filiale irgendeines Unternehmens aus, um gegen Deutschland zu klagen –, müsste es wenigstens eine solche Klage gegeben haben. Es gab eine einzige relevante Klage, und zwar die berühmte Klage von Vattenfall, aber die hat nichts mit den USA zu tun. Ich sehe in der Realität die Gefahr einer solchen Klage nicht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Ihre Antwort auf die Frage von Kollegen Krischer klingt nach Rolle rückwärts. Sie haben das jetzt also nicht mit der Kanzlerin besprochen, sondern nur noch mit dem Kanzleramt. Ist das darauf zurückzuführen, dass es in der Union und in den Gewerkschaften einen Aufstand gegen Ihren Vorschlag gibt? Können wir das so werten, dass Sie in Bezug auf Ihren Vorschlag auf dem Rückzug sind? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich bin schon allein körperlich nicht geneigt zur Rolle rückwärts, intellektuell und politisch auch nicht. (Heiterkeit – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sport hat noch niemandem geschadet!) Zu Ihrer Frage: Sie können das nicht so werten. Ich füge hinzu: Die Bundeskanzlerin sitzt im Kanzleramt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das wird sicher auch noch Gegenstand intensiver Nachprüfungen werden. – Nun ist die Kollegin Kotting-Uhl an der Reihe. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte auf das Modell Investitionsschutzvertrag in TTIP zu sprechen kommen. Ein Teil davon ist der Handelsgerichtshof, der öffentlich tagen soll. In der Presse war zu lesen, dass Sie das sehr positiv bewerten. Kollege Miersch, der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, hat das heute in der TTIP-Debatte im Umweltausschuss positiv eingebracht. Aber die Frage ist, ob das in der EU mehrheitsfähig wäre. Würden Sie sich, Herr Minister, dafür einsetzen, dass sich die Bundesregierung gegen die Aufnahme eines ISDS-Mechanismus in TTIP ausspricht, falls ein solcher Handelsgerichtshof in der EU nicht mehrheitsfähig wäre? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Da der Vorschlag, einen Handelsgerichtshof einzurichten, mein eigener ist, für den ich Unterstützung bei mindestens fünf meiner Kollegen gefunden habe – das ist schon wieder ein Vierteljahr her, wahrscheinlich sind es heute mehr –, werde ich zunächst in der EU für diesen Vorschlag werben, damit er mehrheitsfähig wird. Bislang gibt es keine Anzeichen für massiven Widerstand. Wenn die Handelskommissarin den Vorschlag ebenfalls aufgreift, dann ist das eher ein Zeichen dafür, dass man optimistisch sein kann, den Vorschlag durchzusetzen. Zu Ihrer Frage nach der Haltung der Bundesregierung, falls der Vorschlag nicht durchzusetzen wäre: Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die letzte Bundesregierung verweisen – das war eine Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP –, die bei der Mandatserteilung in Bezug auf TTIP zu Protokoll gegeben hat, dass sie der Überzeugung sei, dass zwischen entwickelten Rechtsstaaten diese Art privater Schiedsgerichte nicht notwendig sei. Daran erkennen Sie, dass sich schon in der letzten Regierung eine kritische Haltung gegenüber dieser Art Schiedsgerichte entwickelt hat. Ich bin aber sehr optimistisch, was moderne Schiedsverfahren vor öffentlich-rechtlichen Handelsgerichtshöfen angeht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Ebner. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, wenn wir über Schiedsgerichtsverfahren reden, dann ist damit oft die Sorge verbunden, dass durch Schiedsgerichtsverfahren an unseren berühmten Standards, an unseren Regulierungskompetenzen und Festsetzungskompetenzen für Standards gerüttelt werden kann. Wir haben viele Beteuerungen und Versprechungen gehört, dass natürlich niemand an den Standards rüttele, dass die europäischen Standards erhalten blieben. Ich möchte Sie fragen, wie Sie das Angebot der Europäischen Union an die USA bewerten, beispielsweise bei Pestizidrückstandswerten die Vorgaben des Codex Alimentarius zu übernehmen, der in weiten Bereichen ganz andere Werte enthält als unsere bislang geltenden europäischen Grenzwerte. Ich nenne nur ein Beispiel: das Pestizid Captan. In Europa haben wir dafür einen Rückstandswert von 3 Milligramm pro Kilogramm, und der Codex Alimentarius sieht 15 Milligramm pro Kilogramm vor. Da gibt es also erhebliche Standardunterschiede. Wie bewerten Sie dieses Angebot vor dem Hintergrund der Aussagen, niemand wolle Standards antasten? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Das ist ganz einfach: Geltende Rechtsvorschriften zu solchen Standards in der Europäischen Union können durch kein Freihandelsabkommen der Welt geändert werden. Dazu müssten Sie ein entsprechendes Verfahren zur Änderung der Richtlinie, nationaler Gesetze oder was immer durchführen. Dazu wird uns niemand zwingen. Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt keine Möglichkeit, rechtlich durch ein Freihandelsabkommen bestehende gesetzliche Standards oder Richtlinien unmittelbar zu ändern. Da hat sich irgendwie eine komische Verfassungsvorstellung entwickelt. Übrigens sind auch Regulatory Bodies, in denen so etwas beraten wird, nicht in der Lage, das zu ändern. Wir müssen nach wie vor das tun, was wir nach WTO-Recht schon immer tun mussten: Wir müssen mit den Handelspartnern Änderungen unserer Standards besprechen. Es gibt keine Möglichkeit, durch ein Handelsabkommen geltendes europäisches Recht unmittelbar außer Kraft zu setzen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, ich habe eine Frage zu einem anderen Thema. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ist das jetzt ein anderer Komplex? Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das ist ein anderer Komplex. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe den Eindruck, dass Frau Dröge und Frau Hänsel noch zu diesem Komplex Fragen stellen wollen. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alles klar. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann nehmen wir zunächst die beiden dran. – Frau Dröge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank für die Gelegenheit, noch einmal nachzufragen. – Meine Frage schließt sich an die Frage von Frau Kotting-Uhl an. Ich habe den Eindruck, Sie scheuen wie der Teufel das Weihwasser eine klare Positionierung der Bundesregierung. Es scheint mir so zu sein, dass Sie eher glauben, mit Frau Malmström etwas durchsetzen zu können, als im eigenen Kabinett einen Beschluss hinzubekommen, obwohl auch das ein möglicher Weg wäre. Angesichts der Tatsache, dass Frau Malmström den internationalen multilateralen Handelsgerichtshof nur als langfristige Perspektive beschrieben hat, muss man ihre Chancen, ihn auf europäischer Ebene durchzusetzen, aber erst einmal vorsichtig bewerten. Weil wir diese Debatte nun schon wirklich lange miteinander führen, frage ich Sie: Warum gibt es keine Klarheit über das Konzept der Bundesregierung? Bisher führen Sie nette Ablenkungsmanöver durch. Solange Sie den Eindruck erwecken, dass Sie das in Brüssel verhandeln, müssen Sie nicht die Frage beantworten, was die Bundesregierung tun wird, wenn Sie keinen Erfolg haben. Wenn Sie aber einen Kabinettsbeschluss mit einer klaren Position der Bundesregierung hätten – das Konzept hätten Sie am Montag vorstellen können –, dann hätten die Bürgerinnen und Bürger Klarheit darüber, was sie tun würde, wenn die Schiedsgerichte so, wie sie im EU-Konsultationsentwurf für TTIP und CETA vorgesehen sind, eingesetzt würden. Deshalb lautet meine Frage: Warum gibt es keine gemeinsame Position der Bundesregierung? Warum gibt es immer nur ausweichende Antworten? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Ihr Gedächtnis dafür nicht ausreicht. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das dürften Sie auch nicht!) – Ja. – Das vorweggeschickt, möchte ich Sie daran erinnern, dass wir im Rahmen der Haushaltsberatungen in der Debatte über meinen Haushalt eine intensive Debatte darüber geführt haben, in der ich Ihnen gesagt habe, dass mein Haus am 12. September des vergangenen Jahres im Rahmen des Handelsministerrates eine Stellungnahme abgab, die natürlich innerhalb der Bundesregierung abgestimmt war, mit der wir klargemacht haben, was wir von diesen privaten Schiedsgerichten halten. Das haben wir abgestimmt in der Bundesregierung gemacht. Dies ist im Protokoll des Handelsministerrates nachlesbar und wurde Ihnen gegenüber hier von mir mehrfach erläutert. Abgesehen davon, dass ich Lutheraner bin und deshalb den Teufel nicht scheue und erst recht kein Weihwasser, halte ich das, ehrlich gesagt, für einen nicht zu rechtfertigenden Vorwurf. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist etwas anderes!) Zweitens. Die Europäische Union – als Abgeordneter und Politiker weiß ich, dass man sich an Verfahren der Europäischen Union nicht halten muss; als Regierungsmitglied muss man das – hat die Verhandlungen über ein Schiedsgerichtsverfahren ausgesetzt, und zwar wegen des Protestes der Mitgliedstaaten und des Parlaments. Sie hat dann ein sehr umfangreiches Konsultationsverfahren durchgeführt, und jetzt, heute und morgen, stellt Frau Malmström die Konsequenz dieses Konsultationsverfahrens vor. Monatelang sind die Verhandlungen mit den USA mit der Begründung ausgesetzt worden: Wir wollen jetzt erst einmal hören, was die Mitgliedstaaten, die Bürger und die Stakeholder darüber denken. – Heute und morgen macht sie einen Vorschlag. Jetzt müssen Sie mir einmal erklären, warum sich die Bundesregierung mitten in diesem Verfahren aus der Tiefe ihres Gemüts eine Meinung dazu bilden soll. Es macht doch Sinn, dass wir uns anhören, zu welcher Konsequenz Frau Malmström gekommen ist, und uns dann eine Meinung dazu bilden. Ich finde, das ist ein effizienteres Verfahren, als sich etwas auszudenken und zu gucken, was dann passiert. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Hänsel. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön. – Herr Minister Gabriel, ich verfahre da aber lieber nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich möchte noch einmal auf die Standards Bezug nehmen. Sie sagten: Kein Vertrag der Welt kann die Standards absenken. Meine Frage ist: Wird bei gegenseitiger Anerkennung von Standards die Möglichkeit eröffnet, dass sich Unternehmen aus Europa in den USA niederlassen, unter den dortigen Standards produzieren und im Rahmen des Freihandelsabkommens ihre Produkte in die EU einführen? Wird es durch eine gegenseitige Akzeptanz der Standards zu dieser Möglichkeit kommen, oder können Sie das definitiv ausschließen? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die gegenseitige Anerkennung von Standards ist nur möglich, wenn sie vergleichbar sind. Wenn sie vergleichbar sind, spricht schon heute nichts dagegen, dass ein Unternehmen, egal in wessen Besitz es sich befindet, nach Europa exportiert. Es geht um die Frage: Ist etwas vergleichbar oder nicht? Ein Beispiel: Im Bereich der Chemikaliensicherheit scheint es zurzeit sehr schwierig zu sein, die Amerikaner davon zu überzeugen, REACH, einen in Europa entwickelten hohen Standard, zu akzeptieren. Es kann sein, dass das Ergebnis davon, dass wir keine vergleichbaren Standards haben, ist, dass es keine Marktöffnung in diesem Bereich geben wird. Das kann sein. Das ist ein denkbares Ergebnis. Verhandlungen bedeuten nicht, dass überall gleiche Standards entstehen müssen. Es kann durchaus sein, dass es dort, wo es keine Vergleichbarkeit gibt, keine Marktöffnung gibt. Ich finde, das wird immer ein bisschen vergessen. Übrigens ist das kanadische Abkommen wirklich eine schöne Blaupause; denn dort wird klargemacht, warum das nicht geht. Ansonsten erlaube ich mir die Bemerkung, dass ich an Ihrer Stelle dieses Zitat zumindest in Ihrer Partei nicht verwenden würde, (Michaela Noll [CDU/CSU]: Richtig!) weil es historische Wurzeln bei Lenin hat, die wir vielleicht nicht zur Grundlage unserer Art des Umgangs machen sollten. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Oh Gott! Oh Gott! Da sind Sie aber traumatisiert! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Manche kennen halt die Klassiker!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Haßelmann, ich ziehe Frau Höhn, die jetzt, glaube ich, zum gleichen Sachverhalt eine Nachfrage hat, vor. – Bitte. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister Gabriel, eben ist von meiner Kollegin schon nach den Schiedsgerichten gefragt worden. Ich habe noch eine Frage zu CETA. Es wird hinsichtlich der Schiedsgerichte versucht, im Legal Scrubbing – in diesem Verfahren sind wir momentan – noch Veränderungen zu erreichen. Gibt es Bemühungen der Bundesregierung, nicht nur hinsichtlich der Schiedsgerichte bei CETA, sondern auch bei anderen Punkten, wie zum Beispiel der regulatorischen Kooperation, in diesem Legal Scrubbing noch Änderungen zu erreichen? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die Vorschläge zur Veränderung beziehen sich nicht nur auf das Thema Schiedsgerichte, sondern auch auf andere. Zum Beispiel hat das BMF Hinweise zum Thema Haftung für Umschuldungsmaßnahmen von Staatsanleihen gemacht. Wir haben, glaube ich, noch weitere Vorschläge zur Klärung von Begriffen im Bereich „Kultur und Medien“ gemacht. Es geht ja immer um diesen unscharfen Rechtsbegriff „fair and equitable treatment“. Die Diskussionen beziehen sich also nicht nur auf das Thema Schiedsgerichte. Die Erfolgsaussichten sind offen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, ich habe eine Frage zu einem anderen Thema, und zwar zur BND-Affäre. (Sigmar Gabriel, Bundesminister: Das ist ja überraschend!) – Ich finde es ganz naheliegend. Denn ich glaube, die Öffentlichkeit und auch uns im Parlament muss es interessieren; das tut es auch. Ich habe das Gefühl, im Kabinett ist es merklich ruhiger um dieses Thema; aber das war nur eine Vorbemerkung. Meine Frage an Sie: Wenn dem Bundeskanzleramt seit spätestens 2008 und dem Bundesinnenministerium seit 2005 bekannt war, dass es eine Kooperation zwischen NSA und BND gab, und wenn auch der Vorgang der Wirtschaftsspionage bekannt war, können Sie mir dann erklären, warum das Thema Wirtschaftsspionage, das ja mit Ihrem Haus zu tun hat – auch ich habe gesehen, wie empört Sie gestern reagiert haben –, bisher überhaupt keine Relevanz im Hinblick auf das Handeln der Bundesregierung insgesamt hatte? War das jemals Thema im Kabinett? Was ist eigentlich damit? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das seit 2008 oder 2005 weiß, dass der Wirtschaftsminister plötzlich und ganz spontan erfährt, dass es so etwas wie Wirtschaftsspionage gibt, aber in Ihrer Bundesregierung nicht darüber gesprochen wird. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Erstens ist Wirtschaftsspionage schon beim Aufkommen des NSA-Skandals ein Thema gewesen. Das war vor der letzten Bundestagswahl. Es ist auch damals schon öffentlich darüber philosophiert worden, ob es, über den bekannten EADS-Fall hinaus, Hinweise darauf gab. Zweitens gehe ich natürlich davon aus, dass die Bundesregierung, egal in welcher Zusammensetzung, oder die zuständigen Aufsichtsbehörden diesen Fragen nachgegangen sind. Im Übrigen wird das ja Gegenstand der Beratungen sowohl im PKGr als auch im NSA-Untersuchungsausschuss sein. Ich finde, das sollten wir jetzt erst einmal abwarten. Drittens. Dass wir im Kabinett nicht darüber reden, liegt daran, dass eine intensive Debatte vor dem Hintergrund von Geheimhaltungspflichten und aus anderen Gründen nicht in einer Kabinettssitzung, sondern in den dafür zuständigen Gremien zu erfolgen hat. Deswegen gab es bisher noch keine Beratungen dazu. Ich wüsste auch nicht, was das Kabinett jetzt darüber beraten sollte. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja, Sie sind ja Vizekanzler!) – Sie haben ja nach Kabinettsberatungen gefragt. Ich finde, die Geschäftsordnung der Bundesregierung lässt, wenn ich sie richtig verstehe, nur wenig Spielraum, um in einer Kabinettssitzung über geheimhaltungspflichtige Dinge zu reden. Dafür gibt es im Zweifel Gremien wie den Bundessicherheitsrat. Aber jetzt geht es doch erst einmal darum, dass das Parlamentarische Kontrollgremium und der NSA-Untersuchungsausschuss ihre Arbeit machen. Ich würde sagen: Wenn das erledigt ist, dann kann man über Bewertungen diskutieren, aber nicht vorher. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Nachfragen gibt es erstaunlicherweise nicht. Dann schließe ich hiermit die Regierungsbefragung mit Dank an den Bundesminister. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/4773 Ich werde in der bekannten Reihenfolge der Ressorts die zur mündlichen Beantwortung eingereichten Fragen aufrufen. Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Höger auf: Wie positioniert sich die Bundesregierung zur Frage der eventuellen Beschaffung von Munition mit abgereichertem Uran durch die Bundeswehr vor dem Hintergrund entsprechender Überlegungen des ehemaligen Planungsstabchefs im Bundesministerium der Verteidigung, Hans Rühle (Welt am Sonntag vom 26. April 2015)? Ich bitte den Parlamentarischen Staatssekretär Brauksiepe um Antwort. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich antworte Ihnen wie folgt – und sicherlich unter Einhaltung aller vom Herrn Präsidenten eingeforderten Zeitbegrenzungen –: Die Beschaffung von Munition mit abgereichertem Uran wird durch die Bundesregierung nicht erwogen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage? Inge Höger (DIE LINKE): Ja. – Vielen Dank erst einmal. Ich kann das nur begrüßen, wenn Sie ausdrücklich dabei bleiben. Herr Rühle hat ja im Zusammenhang mit neuen russischen Panzern ins Gespräch gebracht, dass panzerbrechende Munition aufseiten der Bundeswehr notwendig sei. Gibt es irgendwelche anderen Planspiele in Ihrem Hause zu diesem Fakt? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Frau Kollegin, ich versuche, mir jetzt vorzustellen, was Sie sich unter Planspielen vorstellen. (Inge Höger [DIE LINKE]: Nachrüstung!) Hierzu kann ich Ihnen nur sagen: Zu den Panzern, über die die Bundeswehr verfügt, gehört auch Munition, und das wird auch in Zukunft so sein. Die Bundeswehr arbeitet wie andere Länder auch immer an der Verbesserung ihres Materials. Ich kann mir jetzt unter Planspielen nichts anderes vorstellen. Ich kann nur wiederholen, dass die Beschaffung der von Ihnen angesprochenen Munition durch die Bundesregierung nicht erwogen wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zweite Zusatzfrage. Inge Höger (DIE LINKE): Warum hat die Bundesregierung dazu bisher nicht öffentlich Stellung genommen, obwohl das ja in der Öffentlichkeit ein Thema war? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Frau Kollegin, die Bundesregierung hat nach dem, was mir bekannt ist, auf entsprechende Nachfragen auch Stellung genommen. Jedenfalls liegt mir mindestens eine Presseveröffentlichung vor, in der das Bundesministerium der Verteidigung zitiert wird, eine Anfrage der Welt am Sonntag beispielsweise. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann rufe ich jetzt die Frage 2 der Kollegin Höger auf: Welche Abstürze, „kontrollierten Landungen“ oder sonstigen Zwischenfälle mit Sach- oder Totalschäden haben sich seit September 2014 mit Drohnen der Bundeswehr und der Bundespolizei ereignet (Bundestagsdrucksache 18/2684), und welche ähnlichen Vorkommnisse ereigneten sich anlässlich der Vorbereitung einer Anfang Juni 2015 geplanten „Heeresausbildungswoche“, zu deren Anlass das Eutiner Aufklärungsbataillon sechs Aufklärungsdrohnen in einem eigens eingerichteten Sperrgebiet getestet hatte (Ostholsteiner Anzeiger vom 26. April 2015)? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich antworte Ihnen wie folgt: Die Bundespolizei verwendet unbemannte Luftfahrtsysteme nach den Regeln der Zivilluftfahrt, insbesondere § 1 Absatz 2 Luftverkehrsgesetz. Treten Sach- oder Totalschäden ein, so handelt es sich um Unfälle mit zivilen Luftfahrzeugen. Unfälle mit unbemannten Luftfahrtsystemen sind im Bereich der Bundespolizei seit September 2014 nicht eingetreten. Kontrollierte Landungen entsprechen bei der Bundespolizei der gewünschten Beendigung eines Fluges, also dem normalen Verfahren. Dies trifft auch auf die Nutzung von unbemannten Luftfahrtsystemen zu. Sach- oder Totalschäden treten natürlicherweise bei einer gewünschten Beendigung eines Fluges nicht auf. Im Bereich der Bundeswehr hat es im angefragten Zeitraum keine Abstürze oder Zwischenfälle von unbemannten Luftfahrzeugen mit meldepflichtigen Sach- oder Totalschäden gegeben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Inge Höger (DIE LINKE): Es hat im Ostholsteiner Anzeiger vom 26. April 2015 einen Hinweis gegeben, dass zur Vorbereitung der Heeresausbildungswoche durch das Eutiner Aufklärungsbataillon Aufklärungsdrohnen getestet worden seien und dass es dabei auch zu kontrollierten Abstürzen gekommen sei. (Dagmar Ziegler [SPD]: Was ist jetzt die Frage?) Es soll also kontrollierte Abstürze von Drohnen bei der Bundeswehr gegeben haben, und die Frage ist: Wie viele waren es, und was sind die Ursachen dafür? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Frau Kollegin, ich habe ausgeführt, dass es im angefragten Zeitraum bundesweit keine Abstürze oder Zwischenfälle von unbemannten Luftfahrzeugen mit meldepflichtigen Sach- oder Totalschäden gegeben hat. Dies schließt selbstverständlich auch den Bereich Eutin ein, der sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht in dem von Ihnen in der Frage angesprochenen Bereich liegt. Mir ist nichts von solchen Zwischenfällen bekannt, auch nicht davon, dass es Sicherheitslandungen im Zusammenhang mit dem eingerichteten Sperrgebiet gegeben hätte. Die hat es anderswo gegeben, aber nach meinem Kenntnisstand nicht in diesem Gebiet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Noch einmal Frau Höger. Inge Höger (DIE LINKE): Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, dass für die Drohne LUNA, bei der es eine höhere Absturzrate gegeben haben soll, weiterhin die Zulassung für den allgemeinen, auch zivil genutzten Luftverkehr beantragt werden soll? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Entschuldigung, die Frage habe ich nicht verstanden. Können Sie sie wiederholen, bitte? Inge Höger (DIE LINKE): Ist Ihnen bekannt, dass der Hersteller der Drohne LUNA, die schon häufiger im Zusammenhang mit kontrollierten Abstürzen und mit Fehlern aufgefallen ist, weiterhin die Zulassung für diese Drohnen für den zivilen Luftraum beantragen will? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Frau Kollegin, das ist mir so nicht bekannt. Ich sehe hier auch keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Thema der Frage. Ich kann Ihnen sagen, dass es bundesweit – nicht im Bereich Eutin – im Zusammenhang mit LUNA seit September 2014 vier Sicherheitslandungen gegeben hat, allerdings ohne meldepflichtige Totalschäden oder Schäden Dritter. Das kann ich Ihnen im Zusammenhang mit dem Fragekomplex dazu sagen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 3 des Abgeordneten Volker Beck wird schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Fragen werden vom Parlamentarischen Staatssekretär Ferlemann beantwortet. Die Fragen 4 und 5 wurden vom Abgeordneten Herbert Behrens, Fraktion Die Linke, gestellt. Da er nicht anwesend ist, wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Stephan Kühn werden schriftlich beantwortet. Damit ist Ihr Geschäftsbereich schon abgeschlossen, Herr Ferlemann. Wunderbar! Danke schön, dass Sie da waren. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Fragen werden von der Parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter beantwortet. Ich rufe die Frage 8 der Abgeordneten Bärbel Höhn auf: Wie viele Langzeitarbeitslose wurden seit dem Start des Programms Stromspar-Check PLUS zu Stromsparhelfern ausgebildet, und wie viele Haushalte erhielten bislang den Zuschuss von 150 Euro für den Geräteaustausch im Rahmen des Kühlschrank-Abwrackprogramms für einkommensschwache Haushalte? Bitte schön. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Höhn, seit Beginn des Projekts „Stromspar-Check für einkommensschwache Haushalte“ Ende 2008 wurden knapp 4 600 langzeitarbeitslose Menschen zu Stromsparhelfern geschult. Zurzeit sind 1 200 Stromsparhelfer im Rahmen des Programms Stromspar-Check PLUS aktiv tätig. Seit Beginn des Programms wurden circa 10 000 Kühlgerätegutscheine an Haushalte mit geringem Einkommen verteilt. Eingelöst wurden bis dato 2 000. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Speziell zu diesen Kühlschränken habe ich eine Frage. Es geht hier ja um Kühlschränke der Klasse A+++. Hierfür gibt es einen Zuschuss von 150 Euro. Ein Kühlschrank der Klasse A+++ ist über 200 Euro teurer als ein Kühlschrank der Klasse A++. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage: Können sich einkommensschwache Haushalte diesen teuren Kühlschrank trotzdem leisten? Glauben Sie, dass so das Ziel dieses Programms, 16 000 alte Kühlschränke in einkommensschwachen Haushalten zu ersetzen, erreicht werden kann? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wir prüfen zurzeit, wie das Programm verbessert werden kann. Sicherlich gehört dazu nicht nur, zu prüfen, wie man einkommensschwache Haushalte beraten kann, sondern auch, wie man dafür sorgen kann, dass dieses Programm bei ihnen auch tatsächlich wirkt. Wie gesagt: Wir prüfen zurzeit, wie es noch effektiver wirken kann. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Frau Höhn? Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ich habe noch eine. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. – Sie haben ja gesagt, dass schon 10 000 Gutscheine vergeben worden sind. Bedeutet die Tatsache, dass sie vergeben worden sind, auch wenn sie nicht eingelöst werden, dass sie abgebucht werden und nicht mehr zur Verfügung stehen? Oder werden die Mittel, die frei werden, weil nicht genügend Kühlgerätegutscheine eingelöst werden, anderweitig verwendet? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Frau Höhn, die Antwort auf die Frage, wie das ganz konkret abgewickelt wird, liefere ich Ihnen nach. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Okay!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Gibt es weitere Zusatzfragen zu diesem Punkt? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich rufe dann als Nächstes die Frage 9 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über geplante oder laufende Verfahren zur Laufzeitverlängerung ukrainischer Atomkraftwerke – beispielsweise durch Informationen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/9703) oder der mit der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde zusammenarbeitenden Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, die in erster Linie als Sachverständigenorganisation des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB, tätig ist (vergleiche BMUB-Pressemitteilung 250/14 vom 3. Dezember 2014), oder der deutschen Botschaft in der Ukraine –, und welche derzeitigen fiskalischen oder sonstigen Einschränkungen des ukrainischen Atomaufsichtsvollzugs sind der Bundesregierung bekannt? Bitte schön. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, die Ukraine verfügt an vier Kernkraftwerkstandorten über 15 Reaktorblöcke mit einer installierten Kapazität von ungefähr 13 800 Megawatt. Der Anteil der Atomkraft an der Gesamtstromproduktion beläuft sich derzeit auf circa die Hälfte. Die Lage im ukrainischen Energiewesen ist, wie wir alle wissen, angespannt. Das ist vor allem Folge des Konflikts mit Russland bzw. im Osten der Ukraine und der damit verbundenen drastischen Reduzierung des Gas-imports bzw. der Schwierigkeiten bei der Kohleversorgung aus den Kampfgebieten im Osten der Ukraine sowie der Devisenknappheit aufgrund der erheblichen Wirtschaftskrise, welche Energieträgerimporte erschwert. Angesichts der angespannten Lage im ukrainischen Energiewesen geht deshalb die Tendenz der Ukraine in Richtung einer maximalen Nutzung der Atomstromkapazitäten und nicht in Richtung einer Reduzierung der Nutzung in absehbarer Zukunft. Die Ukraine hat in ihrer schon 2010 verabschiedeten Nationalen Energiestrategie bis 2030 eine Verlängerung der Laufzeit aller derzeit betriebenen Reaktoren bzw. Atomkraftwerke vorgesehen. Bereits 2010 wurden die Betriebslizenzen für die Reaktoren 1 und 2 am Kernkraftwerk Rowno um 20 Jahre bis 2030 bzw. 2031 verlängert. 2013 wurde die Laufzeit des Reaktorblocks Nummer 1 am Kernkraftwerk Yuzhno-Ukrainska um 10 Jahre bis 2023 verlängert. Im laufenden Jahr 2015 wird über eine Laufzeitverlängerung für den Reaktor Nummer 2 am Kernkraftwerk Yuzhno-Ukrainska, für die Reaktoren Nummer 1 und Nummer 2 am Kernkraftwerk Zaporizhzhja und von Block 3 des Kernkraftwerks Rowno entschieden. Mit einer Verlängerung der Laufzeiten ist also zu rechnen. Eine Laufzeitverlängerung für alle restlichen Reaktoren soll bis 2019 erfolgen. Die Finanzierung einschlägiger Modernisierungsmaßnahmen erfolgt aus Eigenmitteln des Betreibers, des staatlichen Unternehmens Energoatom. Es handelt sich also nicht um Mittel aus dem ukrainischen Budget. Das ukrainische Parlament hat einen Gesetzentwurf über die Lizensierung von einigen ökonomischen Aktivitäten verabschiedet. Durch dieses Gesetz scheint es zu einer Gleichsetzung von Lizensierungen ökonomischer Aktivitäten mit der staatlichen atomrechtlichen Genehmigung zur unabhängigen Gewährleistung der notwendigen nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes zu kommen, sodass die Unabhängigkeit der ukrainischen Atomaufsicht durch den Gesetzentwurf beeinträchtigt und somit eine international übliche Best Practice verletzt werden könnte. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Denken Sie bitte an die Zeit! Sie haben sie schon mehr als eine Minute überschritten. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ja, es handelt sich aber auch um ein ernstes Thema, das einer gewissen Ausführlichkeit bedurfte. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben sicherlich noch eine Nachfrage. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin für die in der Tat sehr umfangreiche Antwort, die viel umfangreicher als meine Frage war. Aber es ist nicht verkehrt bei diesem Thema; da haben Sie völlig recht. Ich habe stark den Eindruck, dass die ganzen Laufzeitverlängerungen, die dort schon stattgefunden haben, ohne grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen stattfanden, was ja eigentlich nicht ganz in Ordnung ist. Deshalb meine Frage: Gibt es Erkenntnisse aus der Ukraine oder Nachrichten an die Bundesregierung, dass schon eine Notifizierung bezüglich der Laufzeitverlängerungen, die noch anstehen, erfolgt ist, und wenn nein, was ich jetzt eher vermute, beabsichtigt die Bundesregierung, die Ukraine darauf hinzuweisen, dass grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen in diesem Fall angebracht wären? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Mir ist nicht bekannt, inwieweit eine Notifizierung stattgefunden hat oder inwieweit die Ukraine jetzt Umweltverträglichkeitsprüfungen vornimmt. Ich würde Sie darüber informieren. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der zweite Teil meiner Frage – das war ja eine Art Doppelfrage – bezog sich darauf, ob es in der Ukraine derzeit fiskalische oder andere Einschränkungen beim Vollzug der Atomaufsicht gibt. Das wäre ja angesichts der gesamten Gemengelage vorstellbar. So möchte ich fragen, ob es diesbezügliche Erkenntnisse der Bundesregierung gibt, und, falls ja, ob man der Ukraine Unterstützung angeboten hat. Ich will hinterherschieben, dass ich es sehr gut fände, wenn man dies täte, weil gerade bei den ukrainischen Atomkraftwerken eine gut vollzogene Atomaufsicht wirklich angebracht wäre. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Es ist sicherlich in unser aller Interesse, dass die Sicherheit bei Kernkraftwerken an erster Stelle steht. Deshalb auch meine ausführlichere Antwort, in der ich Ihnen beschrieben habe, dass Nachrüstungsmaßnahmen von dem Unternehmen selber aus Eigenmitteln finanziert werden und nicht das ukrainische Haushaltsbudget als solches angetastet wird. Die Antwort auf die Frage, inwieweit hier andere Finanzierungen angedacht werden, würde ich Ihnen auch gerne nachliefern. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenbereich? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann herzlichen Dank, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, für die Beantwortung. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, die Frage 12 der Abgeordneten Sevim Dağdelen und die Frage 13 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele werden schriftlich beantwortet. Da alle Fragen dieses Geschäftsbereichs schriftlich beantwortet werden, muss Herr Staatsminister Braun keine beantworten. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Zypries zur Verfügung. Die Frage 14 des Kollegen Hans-Christian Ströbele wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zu Frage 15 der Abgeordneten Bärbel Höhn: Wann ist nach Einschätzung der Bundesregierung mit der Vorlage der Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes zum EU-Singapur-Abkommen zu rechnen, und hält die Bundesregierung es für möglich, dass das EU-Kanada-Abkommen CETA noch vor der Vorlage dieser Stellungnahme in eine nächste Stufe des politischen Prozesses geht, zum Beispiel Paraphierung bzw. Beginn des Ratifizierungsprozesses? Bitte schön, Frau Zypries. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Höhn, die Bundesregierung kann keine belastbare Prognose dazu abgeben. Wenn die Kommission, wie sie jetzt angekündigt hat, dem Europäischen Gerichtshof im Juni tatsächlich einen Antrag zu einem Gutachtenverfahren zum EU-Singapur-Abkommen vorlegt, dann spricht viel dafür, dass das Gutachten wohl kaum vor Ablauf eines weiteren Jahres vorliegen wird. Bei dem CETA-Abkommen ist die nächste Stufe im Beschlussfassungsprozess ein Beschluss des Rates zur Unterzeichnung des Abkommens, der erst nach Abschluss der laufenden Rechtsförmlichkeitsprüfung und der anschließenden Übersetzung des Abkommentextes in alle Amtssprachen erfolgen kann. Die Bundesregierung rechnet bislang damit, dass der Rat Ende 2015, Anfang 2016 befasst werden wird. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Frau Präsidentin. – Die Bundesregierung in Person insbesondere des Bundeswirtschaftsministers hat nun einen Vorschlag bezüglich neu einzurichtender bilateraler Handelsgerichtshöfe gemacht. Ist damit nur beabsichtigt, die Schiedsgerichtsverfahren zu ersetzen, sodass es in dem Vorschlag nur um Investitionen und wirtschaftliche Fragen ginge, oder ist auch vorgesehen, dass zum Beispiel Umweltverbände oder Verbraucherverbände im Sinne von Umweltschutz und Verbraucherschutz klagen können? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Beim Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers? Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Soweit ich den Vorschlag kenne, ist das nicht vorgesehen; denn wir wollen die Klagebefugnisse nicht erweitern, sondern nur das Verfahren regeln. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Noch eine Frage? – Bitte. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Frau Präsidentin. – Im CETA-Abkommen ist vorgesehen, dass man zum Erreichen legitimer Politikinteressen auch weiterhin regulieren kann. Neuerdings haben wir die Situation, dass der Herbizidwirkstoff Glyphosat von der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingeschätzt wird. Würde eine solche Neueinschätzung der WHO die Möglichkeit eröffnen, die Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat auf EU-Ebene zu untersagen bzw. ein Moratorium auszusprechen, oder in wie viel Prozent der Studien müsste nachgewiesen sein, dass es sich um einen krebserregenden Wirkstoff handelt, um gegen entsprechende Klagen im Rahmen von CETA gewappnet zu sein? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Liebe Frau Höhn, da diese Frage überhaupt nichts mit Ihrer Ausgangsfrage zu tun hat, kann ich sie leider nicht beantworten. Ich reiche Ihnen die Antwort darauf gerne schriftlich nach. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Fragen hierzu. Die Frage 16 der Abgeordneten Sylvia-Kotting-Uhl wird schriftlich beantwortet. Ich bedanke mich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Alle Fragen werden schriftlich beantwortet. Das sind die Fragen 17 und 18 der Abgeordneten Heike Hänsel, die Frage 19 der Abgeordneten Sevim Dağdelen und die Frage 20 des Abgeordneten Andrej Hunko. (Michael Roth, Staatsminister: Schade!) – Danke schön, dass Sie hier waren, Herr Staatsminister Roth. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen werden beantwortet vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Ole Schröder. Die Frage 21 des Abgeordneten Andrej Hunko, die Fragen 22 und 23 der Abgeordneten Ulla Jelpke sowie die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Hubertus Zdebel werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zu Frage 26 der Abgeordneten Martina Renner, Fraktion Die Linke: Wie viele Straftaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Strafverfolgungsbehörden bundesweit seit der Demonstration der „Hooligans Gegen Salafisten“ (HoGeSa) am 26. Oktober 2014 in Köln bis heute registriert, bei denen Täter und Tatverdächtige dem Spektrum der HoGeSa oder anderen extrem rechten Hooligan- und Fanzusammenschlüssen oder der Kategorie „Gewalttäter Sport“ zugerechnet werden? Bitte schön. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Abgeordnete, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die in der Fragestellung enthaltenen Kriterien können aus der Datenbank des Bundeskriminalamts zum Kriminalpolizeilichen Meldedienst „Politisch motivierte Kriminalität“ technisch nicht ermittelt werden. Daher bezieht sich meine Antwort auf die beiden bisherigen offiziellen „Hooligans Gegen Salafisten“-Veranstaltungen am 26. Oktober 2014 in Köln und am 15. November 2014 in Hannover. Zum 26. Oktober 2014 in Köln: Es wurden 70 Straf-taten im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität erfasst. Hierzu zählen 28 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, 14 Beleidigungen, 12 Sachbeschädi-gungen, 10 Fälle des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, 2 Fälle der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel nach § 305 a des Strafgesetzbuchs, 1 Volksverhetzung, 1 Diebstahl, 1 Gefangenenbefreiung sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz. Zum 15. November 2014 in Hannover: Es wurden 9 Straftaten im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität erfasst. Hierzu zählen 3 Fälle des Verwendens von Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen, 2 Beleidigungen, 2 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, 1 Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und ein Verstoß gegen das Waffengesetz. Hinzuzurechnen sind jeweils die Gewalttaten, auf die sich ja Ihre zweite Frage bezieht. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin. Martina Renner (DIE LINKE): Danke, Herr Dr. Schröder. – Eingangs erwähnten Sie, dass es keinen speziellen Ausweis in der polizeilichen Kriminalstatistik zu diesen Straftaten mit Bezug auf – ich nenne es einmal so – Neonazi-Hooliganismus gibt. Nun gibt es eine Schlussfolgerung aus dem NSU-Untersuchungsausschuss in diesem Haus, die Kriterien der PMK zu überarbeiten, insbesondere die der PMK-rechts. Können Sie etwas darüber sagen, inwieweit man zum Beispiel in diesen Phänomenbereich neue Unterkategorien einziehen möchte, die aktuelle Entwicklungen im Neonazismus abbilden, also nicht nur die Frage Neonazi-Hooliganismus, sondern zum Beispiel auch die Frage extrem rechter Rockergruppierungen? Wäre das eine Überlegung, um in Zukunft vielleicht sprech- und aussagefähig zu diesem Phänomen zu sein? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Natürlich gibt es dazu Überlegungen; die sind aber bisher noch nicht abgeschlossen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Weitere Zusatzfragen? – Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich Frage 27 der Abgeordneten Martina Renner auf: Wie viele Gewalttaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Strafverfolgungsbehörden bundesweit seit der Demonstration der HoGeSa am 26. Oktober 2014 in Köln bis heute registriert, bei denen Täter und Tatverdächtige dem Spektrum der HoGeSa oder anderen extrem rechten Hooligan- und Fanzusammenschlüssen oder der Kategorie „Gewalttäter Sport“ zugerechnet werden? Bitte schön. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auch hinsichtlich der erfassten Gewalttaten kann, wie soeben ausgeführt, nur zu den beiden offiziellen „Hooligans Gegen Salafisten“-Veranstaltungen am 26. Oktober 2014 in Köln und am 15. November 2014 in Hannover Stellung genommen werden. Zum 26. Oktober 2014 in Köln: Insgesamt wurden 176 Straftaten im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität polizeilich festgestellt. Hierzu zählen 154 gefährliche Körperverletzungen, 7 Körperverletzungen, 8 Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, 4 Fälle von Landfriedensbruch nach § 125 des Strafgesetzbuchs und 3 Fälle des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs nach § 125 a des Strafgesetzbuchs. Zum 15. November 2014 in Hannover: Hier wurden 2 gefährliche Körperverletzungen im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität polizeilich festgestellt. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Zusatzfragen? Martina Renner (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin, auch hierzu habe ich eine Nachfrage. – Am 11. April dieses Jahres ereignete sich in Wuppertal eine schwere Gewalttat gegen einen Besucher mit Migrationshintergrund eines linksalternativen Zentrums. Vorangegangen waren Sprüche von und Pöbeleien mit HoGeSa, also „Hooligans Gegen Salafisten“; ein Tatbeteiligter entstammt diesem Umfeld. Gibt es nicht die Notwendigkeit, speziell diese Gruppierung in den Fokus auch der Aufmerksamkeit durch Polizei und Strafverfolgungsbehörden zu stellen, um explizit auch den organisierten Hintergrund solcher Gewalttätigkeiten zu erkennen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Selbstverständlich gibt es die Notwendigkeit, auch diese Phänomene genau zu beobachten und genau zu analysieren, um festzustellen, wie weit hier rechtsextremistische Tendenzen weiterhin verfolgt werden. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Renner. Martina Renner (DIE LINKE): Ich habe da noch eine Nachfrage: Inwieweit gibt es in den Strukturen, zum Beispiel im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum GETZ, bestimmte Boards, in denen man sich unter den Sicherheitsbehörden über bestimmte Organisationen wie HoGeSa austauscht? Es geht hier ja um ein schweres Gewaltdelikt. Der Mann ist durch mehrere Messerstiche verletzt worden. Das gibt Aufschluss darüber, dass es sich hierbei tatsächlich um von Ideologie geprägte und gewaltbereite Organisationen handelt. Also was ist eigentlich nach den auch von Ihnen erwähnten Vorfällen im Zusammenhang mit den Aufmärschen in Hannover und Köln passiert, damit die Sicherheitsbehörden dieses Phänomen adäquat – repressiv, aber auch präventiv – behandeln können? Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Schon die von mir aufgeführte Anzahl an Straftaten zeigt, dass die Sicherheitsbehörden der Länder hier sehr sensibel reagiert haben. Am 26. Oktober 2014 in Köln waren ja, wie Sie sehen können, noch wesentlich mehr Straftaten zu verzeichnen als in Hannover, wo die Polizei entsprechend aufmerksam war. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Zu einer Nachfrage hat sich jetzt der Kollege Behrens gemeldet. Herbert Behrens (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Sie haben sicherlich erkennen können, dass hinter den Fragen der Kollegin Renner noch eine weitere Frage stand: Bedarf es nicht einer besseren Durchdringung dieser Straftaten, um erkennen zu können, ob sich dort schon Strukturen entwickelt haben, und ist das nicht vielleicht sogar notwendig, um weitere Schlüsse ziehen zu können? – Sie haben gesagt, dass das durchaus überlegenswert sei. Im Prozess dieser Überlegungen haben sich vielleicht auch schon Konturen herausgeschält, die solche differenzierten Betrachtungsweisen zulassen. Können Sie sich also Strukturen vorstellen, gemäß denen diese Straftaten künftig kategorisiert und dann auch entsprechend behandelt werden? Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Natürlich gibt es immer wieder neue Überlegungen, wie man die kriminalpolizeilichen Statistiken weiterentwickeln kann. Sicherlich gibt es die Notwendigkeit, immer wieder darüber nachzudenken. Mir sind aber keine konkreten Maßnahmen bekannt, die aufgrund des Phänomens von Hooligandemonstrationen darauf abzielen, die gesamte statistische Aufbereitung zu ändern. Ich glaube, man muss auch aufpassen, dass man nicht bei jedem neuen Phänomen die gesamte Statistik wieder über den Haufen wirft; denn dadurch wird sie am Ende nicht aussagekräftiger. Wichtig ist, dass die Sicherheitsbehörden insgesamt sehr genau beobachten, was dort passiert bzw. inwieweit es klare Verflechtungen mit rechtsextremistischen Tendenzen gibt. Das wird selbstverständlich sehr genau beobachtet. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich sehe keine weiteren Fragen. Die Frage 28 des Abgeordneten Volker Beck wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Katrin Kunert zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir sind somit am Ende der Fragestunde angekommen. Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis zur Aktuellen Stunde. (Unterbrechung von 14.23 bis 15.35 Uhr) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD BND und NSA – Notwendigkeit und Grenzen der internationalen Zusammenarbeit Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erinnern Sie sich noch an die Sauerland-Gruppe? Im September 2007 wurde eine Personengruppe mit islamistisch-terroristischem Hintergrund verhaftet, die sich zuvor ein großes Fass mit Wasserstoffperoxid, Zünder und Weiteres beschafft hatte. Durch die gute Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten sowie der Kriminalbeamten in den Landeskriminalämtern und im Bundeskriminalamt wurde ein schweres Attentat in Deutschland verhindert. Geplant war ein Synchronattentat mit jeweils einer kleinen Bombe in einem Kaufhaus an einem halben Dutzend Orten in Deutschland: Die Menschen strömen in Panik heraus, die Sicherheitskräfte rücken an. Wenn die Menschenmassen und die Sicherheitskräfte dann vor dem Kaufhaus zusammentreffen, steht mittendrin der Lastwagen mit der großen Bombe. – Das sollte zur gleichen Zeit an mehreren Orten in Deutschland geschehen. So war der infernalische Plan. Dieser Plan wurde durch die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten und unserer Dienste verhindert. Der entscheidende Hinweis, auf den alles zurückging, kam von den amerikanischen Sicherheitsbehörden. Die Zusammenarbeit, die 2002 die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den Amerikanern verabredet hat, war daher gut und richtig und hat ihre Berechtigung bis heute. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Uli Grötsch [SPD]) Die Bedrohungslage dauert an. Letzte Woche, einen Tag bevor ein großes Radrennen in Hessen stattfinden sollte, wurde ein türkisch-deutsches Ehepaar mit islamistischem Hintergrund verhaftet. Auch sie besaßen Wasserstoffperoxid. Ein mögliches Attentat wurde verhindert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in Deutschland nicht auf einer Insel der Glückseligen. Was in Paris, Madrid und Kopenhagen passiert ist, ist auch in Berlin, München, Köln, Düsseldorf und Stuttgart möglich. Dass bei uns bisher nichts passiert ist, liegt auch daran, dass wir verdammtes Glück gehabt haben. Der Kommissar Zufall hat uns manchmal geholfen. Im letzten Fall waren es aber tüchtige Mitarbeiter in einem Baumarkt. Dass bisher bei uns nichts passiert ist, verdanken wir aber auch der Arbeit unserer Polizisten, unserer Dienste und der internationalen Zusammenarbeit unserer Dienste. Deswegen muss von dieser Aktuellen Stunde vor allem eine Botschaft ausgehen: Wir stehen zu unserer Polizei. Wir stehen zu unseren Diensten. Wir sagen Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Diensten und den Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag für die Sicherheit in diesem Land den Kopf hinhalten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Erstens. Bei uns sind Polizei und Nachrichtendienste an Recht und Gesetz gebunden. Das unterscheidet uns von Nachrichtendiensten in anderen Ländern. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Und zu anderen Zeiten! – Gegenruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]: Das war ja originell!) Zweitens. Nicht alles, was technisch möglich ist, dürfen und sollen Nachrichtendienste in Deutschland machen. Auch das unterscheidet uns von anderen Ländern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Drittens. Da überall Fehler passieren, weil Menschen nun einmal Fehler machen, gibt es bei uns Kontrolle. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anscheinend ja nicht!) Auch das unterscheidet uns von anderen Ländern. Ich nenne hier beispielsweise eine unabhängige parlamentarische Kontrolle. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch sind wir dabei, das Ganze stetig zu optimieren, beispielsweise die gesetzlichen Grundlagen und auch die Kontrolle. Dass wir das seit einigen Jahren insbesondere nach den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses „Nationalsozialistischer Untergrund“ – ich erwähne hier Kollegen Binninger – machen, ist in Ordnung. Wir brauchen aber weitere Optimierungen der gesetzlichen Grundlagen. Natürlich brauchen wir eine klare Rechtsgrundlage für die strategische Fernmeldeaufklärung; das haben die letzten Tage gezeigt. Wir brauchen auch Optimierungen in der parlamentarischen Kontrolle. Deswegen finde ich den Vorschlag gut, einen hauptamtlichen Nachrichtendienstebeauftragten einzusetzen, der vom Deutschen Bundestag gewählt wird und der sich daher mit weitgehenden Kompetenzen und aus einer starken Stellung heraus um die Kontrolle der Dienste kümmern kann. Lassen Sie uns doch über die Optimierung solcher Kontrollmöglichkeiten miteinander reden. (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Wir reichen Ihnen nicht nur eine Hand, sondern beide Hände, um das gemeinsam zu machen und weiter zu optimieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn aber das Ergebnis von Beratungen vorweggenommen wird, wenn „Landesverrat“ und „Rücktritt“ von der Linken gerufen werden, und zwar schon in der ersten Sekunde, noch bevor sich ein parlamentarisches Gremium mit den aktuellen Vorgängen überhaupt beschäftigen kann, (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN) dann ist das die falsche Reihenfolge. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Unseriös!) Lassen Sie uns die gesetzlichen Grundlagen und die Kontrolle weiter verbessern. Ein letzter Satz. Unsere Polizei und unsere Dienste arbeiten nicht im Auftrag der Bundesregierung. Sie arbeiten schon gar nicht im Auftrag einer Partei oder einer Person. Vielmehr ist es so: Ohne unsere Polizistinnen und Polizisten und ohne die Mitarbeiter in den Diensten werden wir die Sicherheit in diesem Lande nicht gewährleisten. Darum geht es: um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande. (Beifall bei der CDU/CSU) Sicherheit ist nicht absolut und nicht alles. Aber ohne -Sicherheit ist vieles andere nichts. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Uli Grötsch [SPD]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist Jan Korte, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jan Korte (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede gerade ging bemerkenswert weit am Thema vorbei. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein, nein!) Der Genosse Sigmar Gabriel hat mit seiner Äußerung in dieser Woche natürlich recht. Es geht hier nicht in erster Linie um Geheimdienstskandale, sondern es ist ein Skandal der Bundeskanzlerin. Sie ist dafür verantwortlich; das hat Genosse Gabriel richtig erkannt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: „Genosse Gabriel“!) Da wir bei der zentralen Figur sind, nämlich der Bundeskanzlerin, muss man Folgendes anmerken: Die Abgehobenheit und die Arroganz der Bundesregierung, des Kanzleramtes und vor allem von Frau Merkel erinnern mittlerweile wirklich an Helmut Kohl nach 16 Jahren Regierung. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Oh, oh!) Angela Merkel hat dieses Verhaltensstadium bereits nach zehn Jahren erreicht. (Beifall bei der LINKEN) Was für Kohl die Spendenliste gewesen ist, das könnten für Angela Merkel die Selektorenlisten werden. Das ist die Situation am heutigen Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wird das eine Büttenrede oder was?) Sie hätten sich heute ganz viel Stress und Ärger ersparen können, wenn Sie nach den Veröffentlichungen von Snowden gehandelt hätten. Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben so weitergemacht wie vorher. Ich will noch einmal daran erinnern, wie das Ganze abgelaufen ist. Geprägt war die Zeit nach den Enthüllungen von Snowden durch ein völliges Desinteresse dieser Bundesregierung an Aufklärung. Das änderte sich nach dem Handygate. Da gab es die erste spürbare Erregung im Kanzleramt. Dann sagte Angela Merkel 2013 – ich zitiere –: Ausspähen unter Feinden – das geht gar nicht. (Lachen bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: „Ausspähen unter Feinden“? – Manfred Grund [CDU/CSU]: Unter Freunden!) – Ich zitiere Ihre Bundeskanzlerin: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“ (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist das mit Österreich?) Heute sagt sie: Ausspähen – jetzt Zitat: – „sollte nicht passieren“. Sie ist bereits im Konjunktiv angekommen. Die Frage ist: Sagt sie morgen, dass Ausspähen normal ist? Das ist der Zustand der Bundeskanzlerin. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Noch eine Frage: Was ist eigentlich aus den Verhandlungen zum No-Spy-Abkommen geworden? Wie sind sie denn ausgegangen? Amtlich ist nur eines: dass die Große Koalition bei den Geheimdiensten aufgestockt und mehr Mittel, mehr Geld und mehr Personal bereitgestellt hat. Das ist wohl die falsche Antwort, die wir zurzeit sehen. (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Für die Sicherheit!) Es gibt offenbar nicht nur ein Problem bei der Kontrolle der Geheimdienste. Die Frage, die wir uns hier im Bundestag stellen müssen, ist die, ob die Bundesregierung eigentlich glaubt, über dem Parlament zu stehen. Das ist eine für die Demokratie sehr grundsätzliche Frage. Ich will das konkretisieren. In zwei Kleinen Anfragen vom Sommer 2014 und vom April 2015, also ganz aktuell, haben wir konkret nach Wirtschaftsspionage gefragt. Noch am 16. April 2015 antwortet die Bundesregierung – ich darf zitieren –: Es liegen … keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor. Da haben Sie doch offensichtlich gelogen, oder Sie haben nichts mitbekommen. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Woher wissen denn Sie das?) – Kollege Kauder, es ist unwürdig, gegenüber dem Parlament nicht die Wahrheit zu sagen, um das einmal klar auszudrücken. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?) Ich will noch eine Anmerkung machen. Allein die Begrifflichkeit „angebliche Wirtschaftsspionage“ macht Ihre ganze Haltung deutlich. Sie wollen nämlich mit dem Begriff „angeblich“ sagen, dass überhaupt schon die Frage nach Wirtschaftsspionage aus dem Reich der Verschwörung kommt und irre ist. Auch das ist unwürdig gegenüber den Rechten von Abgeordneten, gleich welcher Fraktion sie angehören. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich fasse zusammen. Legen Sie jetzt alle Karten auf den Tisch. Das Kanzleramt und Angela Merkel müssen folgende Fragen beantworten: Hat diese Praxis aufgehört, oder geht sie weiter? Ist Ihnen parlamentarische Kontrolle einfach nur lästig, oder erkennen Sie darin eine demokratische Notwendigkeit? Was mich auch nach dieser Woche interessieren würde: Halten Sie eigentlich kritische Fragen und Nachfragen von frei gewählten Abgeordneten für ein Sicherheitsrisiko oder für eine große Chance für die Demokratie? Soll weiter der Zweck die Mittel im Kampf gegen den internationalen Terrorismus heiligen? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Auf doofe Fragen kann es keine klugen Antworten geben!) Zum Schluss: Angela Merkel muss überhaupt erst einmal umfänglich etwas sagen, und dann muss sie folgende zwei zentrale Fragen beantworten: Erstens. Soll die Europäische Union weiter geschwächt werden und die deutsch-französische Freundschaft – damit übrigens der bessere Teil des Erbes von Helmut Kohl – weiter beschädigt werden, ja oder nein? (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Heute haben die Franzosen erklärt, dass alles in Ordnung ist! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Franzosen regen sich weniger auf als Sie!) Zweitens. Kann man sich darauf verlassen, dass Ihre Treue zur Verfassung und zum demokratischen Rechtsstaat dann, wenn es darauf ankommt, gegenüber allen anderen Interessen, auch gegenüber Geheimdienst-kooperationen, Bestand hat oder nicht? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Klären Sie jetzt endlich auf! Die Linke unterstützt Sie dabei, gewohnt kompetent, leidenschaftlich und engagiert. (Lachen bei der CDU/CSU) Das ist ein ernstgemeintes Angebot, das angesichts der Situation, in der Sie sich befinden, unbedingt angenommen werden sollte. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Christian Flisek. (Beifall bei der SPD) Christian Flisek (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir aus Anlass einer Aktuellen Stunde im Plenum wieder einmal Gelegenheit haben, über die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses zu reden; denn der NSA-Untersuchungsausschuss hat seit seiner Konstituierung im letzten Jahr, wie ich finde, seine Arbeit gemacht, und er hat – auch das betone ich ausdrücklich – durch die gemeinsame Arbeit aller Fraktionen in diesem Ausschuss Beachtliches geleistet. Wenn man ein erstes Zwischenfazit ziehen will, dann kann es aus meiner Sicht nur lauten, dass die parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienste in Deutschland im Grundsatz funktioniert. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es ist die Kontrolle dieses Parlaments und seiner Abgeordneten in diesem Untersuchungsausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium, die aktuell dafür Sorge getragen hat, dass offensichtliche Missstände in den deutschen Geheimdiensten und bei der Aufsicht über die deutschen Geheimdienste auf den Tisch kommen. Wir werden das vollständig weiterhin aufklären, wir werden das sachlich politisch bewerten, und wir werden uns dann auch darüber unterhalten und verständigen, welche Konsequenzen hieraus zu ziehen sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das ist die Reihenfolge!) Man kann in dieser Aktuellen Stunde – ich sage es einmal so – tüchtig auf die Pauke hauen, aber dafür sind die Dinge eigentlich zu ernst. Es ist eine ganze Reihe von Fragen, die den Anlass für diese Aktuelle Stunde bildet. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss sie aber auch ernst nehmen!) – Wir nehmen sie ernst, Frau Göring-Eckardt. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kanzlerin ist nicht da! Der Innenminister ist nicht da!) Eine ganze Reihe von Fragen steht auf der Tagesordnung. Hat der Bundesnachrichtendienst über Jahre hinweg bei seiner Fernmeldeaufklärung Suchbegriffe der NSA verwendet, die gegen deutsches Recht oder – was gleichbedeutend wäre – gegen deutsche Interessen massiv verstoßen haben? In welchem Umfang ist das geschehen? Welche Qualität haben die Informationen, die auf der Grundlage dieser Suchbegriffe an andere Geheimdienste gegeben worden sind? Waren es Informa-tionen über deutsche Unternehmen, europäische Unternehmen, deutsche Politiker, europäische Politiker, europäische Institutionen? Wie konnte es dazu kommen? Wie können wir sicher sein, dass aktuell, also heute, -sichergestellt ist, dass auf der Grundlage solcher Suchbegriffe keine Informationen mehr an amerikanische Geheimdienste weitergegeben werden? Und auch das ist eine Frage: Warum haben offensichtlich Mitarbeiter im Bundesnachrichtendienst über einen längeren Zeitraum diesen Umstand nicht nach oben, an die Hausspitze, gemeldet, und warum ist dieser Umstand nicht an das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde weitergegeben worden? Offensichtlich – davon müssen wir ausgehen – ist nur aufgrund der Arbeit des Untersuchungsausschusses dem Bundeskanzleramt überhaupt zur Kenntnis gelangt, dass es solche Selektorenlisten gibt. Das alles deutet auf Organisationsdefizite, vielleicht auch auf Aufsichtsdefizite hin. Aber, meine Damen und Herren – das sage ich gezielt an die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition –, wir müssen das sachlich aufklären, und zwar genau in dieser Reihenfolge. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich sage eines deutlich, zumindest für meine Fraktion in diesem Untersuchungsausschuss: Wir sind ein Aufklärungsgremium und kein Rücktrittsforderungsgremium. Aber weil das genau so ist, weil wir – das wiederhole ich gern – ein Aufklärungsgremium sind (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – seien Sie nicht so hysterisch, bleiben Sie nüchtern –, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) müssen die Selektorenlisten dem Untersuchungsausschuss so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden. Sie sind ein Kernbereich für unsere Aufklärungsarbeit, Herr Gysi. Wir brauchen diese Listen. Es gibt für die Vorlage auch geeignete abgestufte Verfahren. Da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß; da gibt es Graubereiche. Das muss dem Bundesnachrichtendienst klar sein. Das ist mit Sicherheit dem Kanzleramt klar. Notfalls müssen wir davon auch unsere amerikanischen Freunde überzeugen. Meine Damen und Herren, wir werden als SPD bei der Reform, die ansteht, klare Schwerpunkte setzen. Wir werden die Ausland-Ausland-Überwachung – da stehen wir an der Seite des ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Papier – regeln. Ich bin davon überzeugt, dass wir das tun müssen; denn das, was wir gerade hier diskutieren, betrifft genau den Kernbereich. Wir können nicht immer nur empört mit dem Zeigefinger über den Atlantik zeigen und Standards für den Schutz deutscher Bürger und Unternehmen einfordern und selber genau das nicht leisten. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Wir müssen hier in Vorleistung gehen. Wenn dieser Untersuchungsausschuss ein Ergebnis haben sollte, dann ist es das, dass wir als Deutsche bereit sind, diese Pionierarbeit zu leisten. In globalen Zeiten und angesichts global tätiger deutscher Unternehmen, in denen Menschen vieler Nationen arbeiten, macht der Unterschied zwischen Inländern und Ausländern überhaupt keinen Sinn mehr, schon gar nicht in Bezug auf unsere europäischen Partner. Deswegen müssen wir das auf eine solide rechtsstaatliche Basis stellen und die Ausland-Ausland-Überwachung aus dem Graubereich herausholen. Wir müssen sie vor allen Dingen einer parlamentarischen Kontrolle zuführen. Das ist unsere Überzeugung. Die SPD-Kolleginnen und -Kollegen im PKGr und im Untersuchungsausschuss werden ihren Beitrag dazu leisten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Es spricht jetzt Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Strobl, nein, es ist kein Skandal, wenn ein Geheimdienst spioniert; dafür ist er schließlich gegründet worden. (Beifall des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU] – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja, richtig!) Es ist auch kein Skandal, wenn der Bundesnachrichtendienst zur Terrorismusbekämpfung mit ausländischen Diensten kooperiert. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Und Proliferation! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Erkenntnisgewinne bei den Grünen!) Das ist kein Skandal, wenn es dafür klare Regeln gibt, wie sie beispielsweise im Jahr 2002 im Memorandum of Understanding (Zuruf von der CDU/CSU: Agreement!) verabredet worden sind, und wenn diese Regeln eingehalten werden. Aber hier ist das Problem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist nämlich ein Skandal, wenn die obersten Dienstherren und -frauen – das muss man an dieser Stelle ausdrücklich sagen – die Geheimdienste nicht kontrollieren, ja offenbar nicht einmal kontrollieren wollen. Wenn die Bundeskanzlerin seit Jahren Aufklärung verspricht und doch nichts tut, dann ist das ein Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE] – Manfred Grund [CDU/CSU]: Hallo? Welcher Skandal?) Wenn zugelassen wird, dass deutsche Unternehmen ganz offensichtlich ausgespäht wurden, (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wie offensichtlich? – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das?) wenn zugelassen wird, dass europäische Partner ganz offensichtlich ausgespäht wurden, dann ist das ein Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Konjunktiv wäre richtig!) Die Kanzlerin hat ja gesagt: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“. Seit den Enthüllungen von -Edward Snowden, seit 2013, wussten wir doch aber alle, dass etwas faul ist, und Sie haben nichts getan. Die Bundeskanzlerin ist nach dem Motto verfahren: vertuschen, verschleiern, aussitzen. Da liegt das Problem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Unerhört! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie können das nicht belegen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt mal ein Beweis der Behauptung! Der würde da helfen!) Man muss sich fragen: Wusste man da wirklich nichts, oder wollte man in der Dienst- und Fachaufsicht im Kanzleramt gar nicht wissen, was passiert? Das muss der Untersuchungsausschuss klären. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Aber Sie wissen ja das Ergebnis schon vorher!) Seit 2013 wurde viel geredet, und Aufklärung brauchen wir auch bei diesem Skandal. Das ist wichtig, weil es auch mit der Frage der Aufsicht zu tun hat. Denn dieser Skandal kam dadurch ans Licht, dass Hans-Christian Ströbele im Untersuchungsausschuss einen Beweisantrag gestellt hat, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Um Gottes willen!) also nicht etwa durch die Fachaufsicht, sondern dadurch. Und jetzt fragt man sich – wir fragen das –: Hat sich die Bundeskanzlerin eigentlich einmal Herrn Schindler zur Brust genommen? Was hat sie ihrem Nachrichtendienstabteilungsleiter Günter Heiß gesagt? Das ist eine der Stellen, an denen die BND-Berichte an das Kanzleramt aus den Jahren 2010 und 2013 untergegangen sein müssen. Oder wusste sie doch davon? Haben Sie eigentlich beim BND auf häufigere, auf unangekündigte Prüfungen gedrängt? Wurden technische, wurden organisatorische Vorkehrungen getroffen, damit es keinen Missbrauch durch andere Dienste gibt? Das alles wissen wir nicht. Diese Fragen müssen geklärt werden, und sie werden im Untersuchungsausschuss geklärt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Allerdings: Das Wenige, das wir über die sogenannte Aufklärung im Kanzleramt wissen, stimmt nicht gerade optimistisch. Das Ende der Amtszeit von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla erscheint ja plötzlich irgendwie in anderem Licht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) Anfang des Jahres 2014 ist mit dem Beauftragten für die Nachrichtendienste, Staatssekretär Fritsche, plötzlich so eine Art Puffer zwischen dem neuen Kanzleramtsminister und der Aufsicht installiert worden. Da fragt man sich: Warum ist das eigentlich geschehen? Ging es da um mehr Aufklärung, oder ging es darum, dass man jetzt einen neuen Rücktrittspuffer hat, den man im Zweifelsfall nutzen kann? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was Sie tun, ist Folgendes: Sie lassen den BND erst an der langen Leine, und wenn er etwas ausgefressen haben soll, werfen Sie die Leine weg. Das hat mit Verantwortung nichts zu tun. Ich finde, die ganze Sache ist zu weit getrieben worden. Die Dienste reagieren spürbar genervter, wenn es wieder heißt, das Kanzleramt sei nicht informiert worden. Hier geht es auch um eine Mitschuld durch Unterlassen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das sage ich Ihnen als überzeugte Transatlantikerin ausdrücklich. (Zurufe von der CDU/CSU: Ah!) Denn ich finde, die Tatsache, dass in der Bevölkerung das Verständnis für die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten in der Terrorismusbekämpfung sinkt, hat genau damit zu tun. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hat mit Skandalisierung vor Aufklärung zu tun!) Wenn wir als Parlamentarier warten müssen, weil die NSA erst mal gefragt werden muss, was sie zur Verfügung stellt, führt das doch dazu, dass die Geheimdienstkontrolle nicht mehr im Kanzleramt stattfindet, sondern gleich bei der NSA. Wo sind wir eigentlich hingekommen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Sie den BND nicht kontrollieren wollen, dann leisten Sie doch dem Eindruck Vorschub, dass Sie eine Politik in Dienstbarkeit gegenüber der NSA betreiben, die nichts mehr mit unserer Souveränität zu tun hat. Meine Damen und Herren, worüber ich mir die meisten Sorgen mache, ist die Vertrauenskrise, die dadurch entsteht. Der BND-Skandal ist nämlich längst genau das: Er ist eine Vertrauenskrise. Das bezieht sich auf das Vertrauen der Unternehmen, das Vertrauen der europäischen Partner, auch das Vertrauen der transatlantischen Partner. Und Sie haben auch das Vertrauen dieses Parlaments enttäuscht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht eben auch um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie. Wir werden für Aufklärung sorgen, Sie aber sollten sie wollen, und zwar mit allem Nachdruck. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Stephan Mayer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Während einer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag macht man so einiges mit. Aber selten klaffen in einer Angelegenheit die öffentliche Darstellung und die tatsächlich vorhandene Substanz so weit auseinander. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, wissen Sie alles schon?) Es ist beileibe kein BND-Skandal, über den wir hier debattieren. Vielmehr ist es ein Skandal, wie die Opposition mit dieser Thematik umgeht. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für die Hysterie, die teilweise in unserem Land Einzug gehalten hat, besteht überhaupt kein Grund. Ich muss schon sagen: Am einfachsten machen es sich die Kollegen, die von der Sache keine Ahnung haben, (Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die haben es auch am einfachsten!) die weder Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums noch Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses sind. Denn dann ist es leicht, von Lüge und von Landesverrat zu reden und Rücktritte zu fordern. Wir sollten uns eine andere Marschroute geben. Die Reihenfolge muss lauten: zuerst den Sachverhalt vollständig, umfassend und lückenlos aufklären, dann eine Bewertung vornehmen und erst dann die Konsequenzen ziehen. Aber Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, machen es sich sehr einfach und drehen die Reihenfolge einfach um. Wir hatten gerade eine hochinteressante Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Ich werde das Geheimhaltungsgebot natürlich nicht brechen; aber ich darf darüber Auskunft geben, dass sich die Vorwürfe und die bodenlosen Unterstellungen gegenüber unserem derzeitigen Bundesinnenminister Thomas de Maizière als haltlos erwiesen haben und restlos aufgeklärt sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht wahr!) Ich würde Ihnen wirklich wünschen – leider geht es nicht –, dass Sie Einblick in die Vermerke nehmen könnten, die uns zur Vorbereitung der Sitzung vorgelegt wurden. Ich darf so viel sagen: In keinem dieser Vermerke steht auch nur ein Unternehmensname. In keinem dieser Vermerke, die Thomas de Maizière zur Vorbereitung seiner Reise nach Washington Ende Februar 2008 dienten, steht der Suchbegriff „Selektor“ – ganz im Gegenteil. Es war hochinteressant, diese Vermerke zu studieren. Der Bundesnachrichtendienst warnt für die Zukunft deutlich vor einer Ausweitung der Kooperation mit den US-Amerikanern. Er weist deutlich auf die Gefahr des Missbrauchs hin, wenn man die Kooperation intensivieren würde. Aber es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass in der Vergangenheit Wirtschaftsspionage betrieben wurde. Die Vorwürfe haben sich also restlos in Luft aufgelöst. Für mich ist das ein beredtes Beispiel dafür, dass in diesem konkreten Fall Schindluder getrieben und dass mit unserem Innenminister Scharlatanerie betrieben wurde. Das war unanständig, das war bodenlos, und das war unredlich. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte gar nicht so weit gehen, zu sagen, dass in der Angelegenheit keine Fehler gemacht wurden. Aber es ist nicht redlich, aus jedem Fehler automatisch einen Skandal zu machen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, es gibt keine Fehler!) Fehler werden überall gemacht: Jeder Mensch macht Fehler, jeder Politiker macht Fehler; in jeder Behörde, in jedem Unternehmen werden Fehler gemacht. Daher sollten wir alle uns davor hüten, jeden Fehler sofort als Skandal zu inszenieren. Das wurde aus meiner Sicht im vorliegenden Fall gemacht. Wir können im Nachgang zu dieser Angelegenheit über eine Neujustierung der parlamentarischen Kontrolle debattieren; aber ich warne vor falschen Erwartungen. Wir können nicht hinter jeden der zehntausend Mitarbeiter unserer Dienste einen parlamentarischen Kontrolleur stellen. Trotz der besten, effektivsten und intensivsten parlamentarischen Kontrolle: In den Diensten werden Fehler passieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass gerade im Vergleich zu anderen Ländern die parlamentarische Kontrolle unserer Dienste gut funktioniert. Man sagt so schön: Es gibt nichts Schlechtes, an dem nicht auch etwas Gutes ist. So unsäglich diese Skandalisierung und diese Hysterie um die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes ist: Vielleicht kann man durch die gewonnenen Erkenntnisse ein anderes Bewusstsein in unserer Bevölkerung in Bezug auf die Notwendigkeit von Nachrichtendiensten schaffen. In anderen Ländern ist das anders. In anderen Ländern hat man ein anderes Verständnis von der Arbeit der Dienste. Ich bin der festen Überzeugung: Wir brauchen auch in Zukunft gut funktionierende, gut aufgestellte Nachrichtendienste. Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für die Mitarbeiter in den Diensten brechen; denn sie leisten eine gute, eine ordentliche Arbeit. Zum Schluss noch ein sehr ernst gemeinter Hinweis: Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass allein durch die intensive Kooperation zwischen dem BND und der NSA seit 2011  19 geplante Anschläge auf Angehörige der Bundeswehr in Afghanistan rechtzeitig verhindert werden konnten. Daran sieht man ganz konkret, wie wichtig es ist, dass wir einen gut aufgestellten Bundesnachrichtendienst haben und dieser Bundesnachrichtendienst eng mit den Diensten anderer Länder kooperiert. Ich glaube, das ist etwas, was auch wir alle hier beherzigen sollten. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Martina Renner von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Martina Renner (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die eben gehörte Rede von Herrn Kollegen Mayer hat gezeigt, dass die Bundesregierung hinsichtlich der Aufklärungsbemühungen dieses Parlaments mit zweierlei Maß misst. Während wir als Opposition falsche Antworten auf Kleine Anfragen zu den Themen „Wirtschaftsspionage“ und „Verwicklung der NSA“ erhalten und durch Herrn Altmaier als Aufklärer im NSA-Untersuchungsausschuss bedroht werden – (Widerspruch bei der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wer bedroht Sie? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihr Kollege ist doch Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremium! Reden Sie doch einmal mit ihm!) wenn wir öffentlich den Überwachungs- und Spionage-skandal thematisieren, wird uns mit einem Verfahren wegen Geheimnisverrat gedroht –, berichtet Herr Mayer hier aus geheimen Unterlagen, die dem PKGr heute vorgelegen haben. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er hat nur gesagt, was nicht in den Akten steht!) Er interpretiert sie einseitig, und wir können hier nicht in angemessener Form reagieren. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ach du liebe Zeit! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihnen geht wohl gerade der Skandal verloren!) Das zeugt davon, dass man mit zweierlei Maß misst, wenn es um die Rechte des Parlaments und der Abgeordneten geht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist insbesondere angesichts des Aufklärungsauftrags des NSA-Untersuchungsausschusses kein würdiges Verhalten. (Beifall bei der LINKEN) Seit einem Jahr mühen wir uns in diesem Ausschuss, einen der größten, vielleicht sogar den größten Geheimdienstskandal in der Geschichte der Bundesrepublik aufzuklären. Es geht hier nicht um Fehler und Pannen. Es geht um einen Skandal; ich sage das ganz bewusst. -Unser aller Kommunikation wird überwacht. Seien es E-Mails, Kurznachrichten, Telefongespräche oder unser Surfverhalten im Internet, alles wird überwacht. Niemand ist mehr sicher vor der Spionage der Geheimdienste, die deutsche Regierung ebenso wenig wie befreundete europäische Regierungen, Institutionen, Parlamente, Medien, Unternehmen und Konzerne. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Meinen Sie den FSB?) Wir alle kennen die Spione, und wir sprechen es aus: Das sind die NSA und der Bundesnachrichtendienst Hand in Hand. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Und Russland?) Die Massenüberwachung, die wir als Ausschuss festgestellt haben, zum Beispiel durch den Abgriff der Telekommunikationsdaten bei der Deutschen Telekom in Frankfurt, hat ebenso wie die politische und wirtschaftliche Spionage nichts, aber auch rein gar nichts mit den postulierten Zielen der Geheimdienste zu tun. Diese Praxis, die wir untersuchen, ist illegal und demokratieschädigend. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Martinas Märchenstunde!) Warum wissen wir überhaupt davon? Warum hat sich der Untersuchungsausschuss auf den Weg gemacht? Wir wissen davon, weil Edward Snowden den Mut hatte, die Welt über die Massenausspähung durch die NSA zu informieren. Er hat den Stein ins Rollen gebracht. Doch bis heute verweigern Sie dem Kronzeugen im NSA-Untersuchungsausschuss eine Aussage hier in Berlin. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist auch richtig so! – Karin Binder [DIE LINKE]: Kein Interesse an Aufklärung!) Seit diesen Enthüllungen in 2013 beschäftigt uns alle die Frage – die muss uns als Parlament interessieren –, inwieweit der BND an dieser Praxis der NSA, der Massenüberwachung und Spionage, beteiligt war und ist. Natürlich ist damit untrennbar die Frage verbunden, ob der BND dabei seinen gesetzlichen Rahmen verlassen hat. Seit knapp zehn Tagen erfahren wir nun aus den Medien, dass dieses Ausspähen und Überwachen gezielt gegen europäische Partner, gegen europäische Industrieunternehmen mit deutscher Beteiligung und gegen befreundete Regierungen gerichtet war und dass das Bundeskanzleramt über diese Praxis des BND seit mehr als fünf Jahren informiert gewesen ist und nicht erst seit 2015. In diesem Punkt muss ich dem Kollegen Christian Flisek leider widersprechen. Momentan steht im Raum, dass der Bundesrepublik die NSA offenbar nähersteht als der Élysée-Palast, das Europaparlament oder unser Nachbarland Österreich. Damit beginnt der zweite Teil der Affäre. Die Bundesregierung und allen voran der jetzige Bundesinnenminister und langjährige Staatsminister im Bundeskanzleramt Thomas de Maizière versprechen jeden Tag eine Aufklärung der Öffentlichkeit. Doch passiert ist bislang nichts – nichts, was auch nur annährend das Wort Aufklärung verdienen würde. An dieser Stelle möchte ich auf zwei eklatante Beispiele abstellen. Seit mehr als zwei Wochen warten wir auf die Liste der Spionageziele. Was ist passiert? Nichts! Stattdessen fragt die Bundesregierung in den USA um Erlaubnis, hier ihrer Pflicht gegenüber dem Parlament nachzukommen. Es kann nicht sein, dass BND und NSA, die hier möglicherweise Straftaten begangen haben, nun selbst entscheiden dürfen, welche Informationen über ihr Handeln sie dem Ausschuss übergeben, der das untersuchen soll. Solange diese Liste zurückgehalten wird, werden, so sagen wir, die Spione geschützt und die parlamentarische Aufklärung sabotiert. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wer jetzt meint, die Aufklärung könnte beim BND stehen bleiben und dass wir nicht nach den Verantwortlichen im Bundeskanzleramt fragen, dass wir nicht fragen, was dort wann gewusst wurde, wer diese Spionage zugelassen und nicht unterbunden hat, wer die europäischen Partner nicht informiert hat, der täuscht sich. Das werden wir als Untersuchungsausschuss fragen. Falls in den nächsten Stunden und Tagen klar wird, dass die von uns als Opposition gemeinsam vorgelegten Beweisanträge abgelehnt werden bzw. die Listen zu den Spionagezielen der NSA nicht vorgelegt werden, dann müssen wir sagen: Das ist nicht nur eine Blockade der Arbeit, sondern das ist der Versuch der Verschleppung. Es steht im Raum, dass wir die entsprechenden Zeugen aus dem Bundeskanzleramt möglicherweise erst im Sommer oder sogar erst nach der parlamentarischen Sommerpause hören werden. Das ist nicht das, was die Öffentlichkeit derzeit erwartet. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie haben selbst die Reihenfolge beschlossen!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überzogen. Martina Renner (DIE LINKE): Ich komme zum Schluss. – Ich denke, Sie haben jetzt allen Anlass, diesen Skandal nicht weiter auszusitzen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist gut! Welchen Skandal?) Ansonsten werden diejenigen, die das tun, den Stuhl riskieren, auf dem sie gerade erst Platz genommen haben. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt geht es auf den Stuhl zurück!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Susanne Mittag von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Susanne Mittag (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Das Thema ist sehr interessant; das ist sehr schön. Ich bin froh, dass diese Aktuelle Stunde von der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion beantragt worden ist, um über die Kooperationen von BND und NSA in Deutschland zu sprechen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso spricht eigentlich Sigmar nicht?) Denn die Vorwürfe, die dem BND und auch dem Bundeskanzleramt in den letzten Tagen gemacht wurden, sind erheblich und erreichen zumindest in der Öffentlichkeit – deswegen ist der Zuspruch so groß – immer neue Dimensionen. Aber die Presseberichte lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auch endlich wieder vermehrt auf den NSA-Untersuchungsausschuss. Hoffentlich hilft uns diese öffentliche Resonanz bei der Durchsetzung unserer Beweisbeschlüsse im Ausschuss. Das sind inzwischen fast 300. Wir sind ja nicht untätig geblieben. Ich denke, seit einigen Tagen mehren sich offene Fragen, und damit steigt auch die Zahl der Beweisbeschlüsse. Aber schnelle Schlussfolgerungen, wie sie in den letzten Tagen geäußert wurden, helfen bei der wichtigen Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses nicht wirklich weiter. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Wir als Untersuchungsausschuss haben einen klar definierten Untersuchungsauftrag und klare Forderungen, um einen hochproblematischen Sachverhalt zu klären, sowohl öffentlich als auch nicht öffentlich. Dabei geht es nicht um Hörensagen, Schlussfolgerungen, Empfindungen oder Ähnliches, sondern es geht um belastende und entlastende Momente. Diese zu bekommen – das haben wir gemerkt –, wird wohl nicht ganz einfach sein. Das haben wir schon gemerkt, als wir schwarze Seiten, blaue Seiten und sogar gar keine Seiten in den Akten hatten. Es gibt externe Orte zum Lesen. Konsultationen ohne Ergebnis hatten wir auch schon. Es wird also nicht aufhören. Aber wir werden die Beweise bekommen. Sie sind unverzichtbar, so unangenehm es vielleicht für den einen oder anderen auch werden könnte. (Beifall bei der SPD) Eine sachliche öffentliche Diskussion kann da nur hilfreich sein. Ich betone: sachlich. Es müssten jetzt alle Fakten auf den Tisch, und dann müssen die Zeugen befragt werden; so herum wird ein Schuh daraus. Einige werden wir eventuell erneut vernehmen müssen; da ist, denke ich, die Belehrung vor der Aussage wohl nicht komplett angekommen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Erst dann ist es sinnvoll, Konsequenzen zu fordern: organisatorisch oder rechtlich oder personell. Nur so bleiben der Ausschuss, das Parlament und die Politik glaubwürdig. Auch eine Regierung ist nur so glaubwürdig, wie sie mit eigenen Mängeln umgehen kann. Die in den vergangenen beiden Wochen aufgeworfenen Fragen zeigen nur die Richtigkeit und Wichtigkeit des NSA-Untersuchungsausschusses. Denn erst durch die Beweisbeschlüsse dieses Ausschusses – es waren nicht die Grünen alleine – scheint sowohl dem BND als auch dem Kanzleramt die Brisanz der von den USA eingesteuerten Selektoren bewusst geworden zu sein. Die aufgeworfenen Fragen bestätigen auch die Richtigkeit und Wichtigkeit unserer im Ausschuss beschlossenen Vorgehensweise. Nur noch einmal zur Erinnerung: Erst kehren wir vor der eigenen Tür, also beim BND und bei dessen Kontrolle. Da scheinen wir mit der parlamentarischen Aufarbeitung offenbar noch lange nicht fertig zu sein. Aber – vielleicht geht das in der einen oder anderen Diskussion unter –: Die Aufgabe des BND ist unter anderem die Unterstützung der Bundesregierung bei ihren sicherheits- und außenpolitischen Entscheidungen durch Bereitstellung von Erkenntnissen über das Ausland. Manchmal habe ich in dieser Diskussion das Gefühl, das wird ein bisschen vermischt. Eine weitere Aufgabe ist die informatorische Unterstützung der Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen. Es ist schon erwähnt worden: Die Bundeswehr ist in 14 Ländern im Einsatz. Das Stichwort lautet hier „Schutz der Truppe vor terroristischen Anschlägen“; das hat das eine oder andere Mal ja offensichtlich geklappt. Hinzu kommt die Aufgabe, Informationen in Krisen oder bei Entführungen deutscher Staatsangehöriger bereitzustellen. Zurzeit gibt es mehrere Entführungsfälle. Darüber wird nicht öffentlich diskutiert – das ist auch richtig so –; aber das ist wichtig. Es waren die Entwicklungen nach dem 11. September 2001, die zum Memorandum of Agreement mit der NSA geführt haben. Der Rahmen dieses Agreements ist klar definiert und nachvollziehbar. Wir müssen nun klären, ob und inwieweit sich beim BND im Laufe der Jahre ein gewisses Eigenleben und/oder ein großzügiges Interpretieren der rechtlichen und vertraglichen Rahmen breitgemacht hat – um es einmal milde auszudrücken. Das ist unsere Aufgabe. Wir müssen außerdem klären, ob und wann bei offenkundigen Verstößen des ausländischen Partners Meldungen an die BND-Spitze und das Kanzleramt gegangen sind und welche Folgen dies für die weitere Zusammenarbeit hatte. Ganz besonders interessant sind natürlich die Fragen: Wann und mit welchen Folgen? Die Aufklärungsarbeit des Ausschusses wird sich dann in einem weiteren Schritt mit den USA und mit Großbritannien und deren Nachrichtendiensten beschäftigen; da sind wir nämlich noch gar nicht angekommen. Es geht um die Fragen: Was haben diese explizit in Deutschland unternommen, um, so wie es Edward Snowden nahelegt, ein engmaschiges Spionagenetz anzulegen, um die weltweite Kommunikation – Stichwort „full take“ – überwachen zu können? Bei all dem müssen wir noch klären, was zutrifft. Diese Aufklärungsarbeit ist die Aufgabe, der wir nun schon seit über einem Jahr jeden Donnerstag in jeder Plenarwoche bis spät in die Nacht nachgehen. Die polizeiliche Ermittlungsarbeit hat als Grundlage die sieben goldenen W – der eine oder andere Polizist wird sie kennen –: Wer hat wann wo was wie mit wem warum gemacht? Das ist die Grundlage der Ermittlungsarbeit. So werden auch wir weiter vorgehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dazu gehören Sachbeweise, und die brauchen wir bis morgen – es ist nun einmal so –, und zwar in Form von Selektorenlisten. Sie sind wichtig; denn sie sind Sachbeweise. Auch wenn ich mich da wiederhole: Die Selek-torenlisten sind elementar für die Aufklärung. Erste -Zeugenbefragungen dazu haben wir letzte Woche beschlossen; da haben wir unseren Plan schon geändert. Im vergangenen Jahr und bis heute war die Zusammenarbeit im NSA-Untersuchungsausschuss – um auch einmal etwas Positives zu sagen – über die Fraktionsgrenzen hinweg sehr kooperativ und kollegial. Auch wenn es hier und da und bei der einen oder anderen Frage unterschiedliche Meinungen gab, hat uns bisher immer der gemeinsame Aufklärungswille gute Lösungen für die Arbeit des Ausschusses finden lassen. Das wünsche ich mir bei aller Aufgeregtheit der letzten Tage auch weiterhin. Eins ist klar: Nur wenn wir – als vom Bundestag einstimmig eingesetzter Untersuchungsausschuss – zusammenarbeiten, können wir unserem Auftrag gerecht -werden. Denn die Widerstände gegen unseren Aufklärungsauftrag sind auf beiden Seiten des Atlantiks gewaltig. Diese Widerstände gilt es zu überwinden. Da sind wir auf einem guten Weg. Als selbstbewusstes Parlament werden wir zusammen einen Weg finden, um sowohl berechtigten Geheimhaltungsinteressen – Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Kollegin, ich muss auch Sie ermahnen. Susanne Mittag (SPD): – ja; ich komme zu meinem letzten Satz – als auch dem öffentlichen und unserem eigenen parlamentarischen Anspruch auf Aufklärung gerecht zu werden. Ich denke, das bekommen wir hin. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Hans-Christian Ströbele vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Fehler im Kanzleramt. Der Meinung, dass es diese Fehler gab, war ja auch Herr Mayer. Deshalb bedauere ich außerordentlich, dass die Chefin des Kanzleramtes nicht hier ist und dass ihr Platz frei ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Chef des Kanzleramts sitzt da! Herr Altmaier ist da! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) – Ist er jetzt der Chef? (Lachen bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sind Grundbegriffe!) – Na gut. Das können Sie der Kanzlerin schonend beibringen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wir machen mal einen kleinen Kurs Staatskunde, Herr Kollege Ströbele! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Ich hätte nämlich erwartet, dass die Kanzlerin sich als Erstes einmal hier an dieses Pult stellt und definitiv gegenüber dem Parlament, gegenüber der Öffentlichkeit erklärt, dass ihre Aussage im Wahlkampf 2013, dass es keinerlei Wirtschaftsausspähung, keinerlei Wirtschaftsspionage in Deutschland durch die NSA gibt, falsch war. Diese Aussage war falsch, und sie muss sofort korrigiert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Dafür haben Sie keinen Beleg! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Können Sie es mal erklären?) Ich will einmal versuchen, nicht für die Ahnungslosen, die Herr Mayer hier genannt hat, sondern für die, die Ahnung haben, die Themen zu sortieren. Es geht hier nicht um Daten über terroristische Anschläge. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es geht hier auch nicht um Daten von Wirtschaftsunternehmen, deutschen oder europäischen, die möglicherweise Beziehungen zu Waffenhandel haben, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Woher wissen Sie denn das?) zu Drogenhandel, zu Terrorismus oder was auch immer. Es geht hier um Informationen über Personen in Deutschland und in Europa sowie über Firmen in Deutschland und in Europa, die all das nicht haben, sondern die nur in den Fokus der NSA und des Bundesnachrichtendienstes gekommen sind, weil die NSA die Vereinbarung mit dem Bundesnachrichtendienst nicht eingehalten hat. Das, Herr Kollege Mayer, verstößt eklatant gegen deutsches Recht, gegen das deutsche Grundgesetz, und das hat die Bundesregierung zu verantworten. Nur darum geht es. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dass es nur darum geht, können Sie daraus ersehen, dass diese Selektoren – zum Beispiel „EADS“ oder „Euro-copter“ oder „französische Politiker“ –, die da dauernd durch die Gegend geistern, vom Bundesnachrichtendienst aussortiert und auch nicht wieder hineingenommen wurden, weil sie Ergebnis eklatanter Verstöße gegen die Vereinbarung mit Deutschland waren. So einfach ist das. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie uns darüber reden. Wir werfen der Bundesregierung nicht vor, dass sie mit den USA zusammenarbeitet, auch nicht, dass sie es im Geheimdienstbereich tut. Ich bin damit seit 15 Jahren oder länger beschäftigt. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Seit 17 Jahren!) Wir werfen der Bundesregierung vielmehr vor, dass sie diese Rechtsbrüche – Brüche des deutschen Rechts, des deutschen Grundgesetzes und der Vereinbarungen mit den USA – nicht nur geduldet, toleriert, übersehen, sondern sogar mitgemacht und gefördert hat, und dies, weil der Bundesnachrichtendienst diese Selektoren nicht ausgeschlossen hat. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Einen Beweis dafür, bitte!) Wir werfen Herrn de Maizière nach wie vor, also auch noch nach der Sitzung vorhin, vor, dass er als zuständiger Chef im Kanzleramt (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Also doch „Chef im Kanzleramt“! Er kann es ja doch!) nicht das Notwendige getan hat, um das abzustellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben nämlich vorhin nicht erwähnt, dass dies seit 2005 im Bundesnachrichtendienst bekannt war, dass es spätestens seit 2010, aber auch schon vorher im Kanzleramt hätte bekannt sein müssen. Sie haben gesagt, es hätten diese Namen – EADS und die anderer Firmen – vorgelegen; sie seien nicht Gegenstand der Vermerke gewesen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: 2010 war er noch nicht im Amt! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vorsicht! Namen hat er gar nicht genannt!) Sie haben aber nicht gesagt, dass es in den Vermerken sehr wohl Anhaltspunkte dafür gibt, dass Herr de Maizière hätte tätig werden müssen. Dennoch ist er nicht tätig geworden, weder in seinem Amt noch beim Bundesnachrichtendienst noch gegenüber der NSA und den US-amerikanischen Freunden. Das werfen wir ihm vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Mayer, auch Sie sagen, es habe Fehler gegeben. Ja, es hat Fehler gegeben. Aber, Herr Mayer: Diese Fehler sind so schlimm, dass dies organisatorische und personelle Konsequenzen haben muss, sowohl im Bundeskanzleramt als auch im Bundesnachrichtendienst, und zwar erhebliche. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Manfred Grund von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Manfred Grund (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ströbele, Fakten, Fakten, Fakten – und immer in Sichtweite der Wahrheit bleiben! (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Aus allen Dokumenten, die uns heute im Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt worden sind, insbesondere das Jahr 2005 betreffend, und deren Inhalt auch Sie nicht angezweifelt haben, ist nichts herauszulesen – und man kann dort noch nicht einmal etwas hinein-interpretieren –, was mit Rechtsbrüchen, Fehlern im Kanzleramt oder Industriespionage zu tun hat. Bitte, bleiben Sie bei dem, was Sie auch heute gehört haben, und verbreiten Sie nicht andere Behauptungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Frau Kollegin Renner, Sie sprechen von Massenüberwachung. Seit zwei Jahren steht der Begriff „Massenüberwachung“ im Raum. Seit einem Jahr bemühen Sie sich neben anderen Kollegen offensichtlich auch im Untersuchungsausschuss, diese Massenüberwachung zu belegen. Sie haben nichts gefunden. Sie sind auch heute den schlüssigen Beweis für Massenüberwachung in Deutschland schuldig geblieben. (Beifall bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Nichts mitbekommen!) Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland hat zum Schutz ihrer Bürger und damit auch in unserem Interesse drei Nachrichtendienste. Einer davon ist der Bundesnachrichtendienst. Frau Kollegin Göring-Eckardt, wir haben Nachrichtendienste und Gott sei Dank keine Geheimdienste. Zum Kernauftrag des Bundesnachrichtendienstes gehören die Beobachtung von Krisengebieten und Regionen, die von besonderer Bedeutung für die Sicherheit der Bundesrepublik sind, sowie die Aufklärung im Einsatzgebiet der Bundeswehr, und zwar zum Schutz der dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten. Darauf, Informationen zu sammeln und diese auch auszuwerten, zielt der gesetzliche Auftrag an den Bundesnachrichtendienst. Dabei bedient sich der Bundesnachrichtendienst natürlich nachrichtendienstlicher Mittel. Dem Einsatz dieser nachrichtendienstlichen Mittel sind bereits durch unsere Verfassung enge Grenzen gesetzt. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ganz enge Grenzen!) – Ja, „ganz enge Grenzen“. – Dazu gehören der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung sowie der Grundsatz des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes. Noch einmal: Unsere Nachrichtendienste sind keine Geheimdienste, weil ihr Tätigkeitsbereich gesetzlich wesentlich enger gefasst ist. Sie sind aber auch kein öffentlicher und kein offener Dienst, dessen Strukturen, Arbeitsweise, Erkenntnisse oder auch Defizite auf den Marktplätzen unserer Republik oder der Welt ausgebreitet werden können. Weil das so ist, unterliegt auch der Bundesnachrichtendienst einer besonderen Kontrolle des Deutschen Bundestages, insbesondere der Kontrolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums, der G 10-Kommission und des Vertrauensgremiums des Haushaltsauschusses. Selbstverständlich gibt es darüber hinaus die Kontrolle durch Gerichte, Datenschutzbeauftragte und den Bundesrechnungshof. Das Parlamentarische Kontrollgremium kontrolliert die Arbeit der Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes. Die Bundes-regierung ist verpflichtet, das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums haben Zutritt zu allen Dienststellen der Nachrichtendienste. Sie können Akten und Dateien abrufen, Angehörige der Nachrichtendienste befragen und zur Wahrnehmung ihrer Kontroll-aufgaben einen Sachverständigen als Sonderermittler einsetzen. So weit die Theorie, so weit die gesetzliche Grundlage, so weit auch die Praxis, eine Praxis, die ich als langjähriger Kontrolleur der nachrichtendienstlichen Tätigkeit nicht zu beanstanden habe. Dies war und ist übrigens bis heute auch die Sicht des Parlamentarischen Kontrollgremiums. So steht in der Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium an das Parlament, Drucksache 18/217, für den Berichtszeitraum November 2011 bis 2013: Auch im vorliegenden Berichtszeitraum unterrichtete die Bundesregierung … angemessen, zeitnah und im gebotenen Umfang … Für die Information durch die Nachrichtendienste gilt dies grundsätzlich ebenfalls. Ich will zum Erkenntnisgewinn noch hinzufügen, dass dem Parlamentarischen Kontrollgremium innerhalb der Bundestagsverwaltung mehr als ein Dutzend Beamte und Angestellte zuarbeiten und es unterstützen. Und ich will der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums geheim sind und die Mitglieder zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet sind. Seit Beginn 2015 ist ein Mitglied der Fraktion Die Linke Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Leider ist mit dem Wahlkampf 2013 unter dem damaligen Vorsitzenden die Unsitte eingetreten, dass einige Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums vor und nach den – geheimen – Sitzungen die lokale und die Weltpresse unterrichten. Dies hilft vielleicht der eigenen Profilierung, schadet aber dem Gremium. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Schaden für die parlamentarische Kontrolle entsteht auch dadurch, dass permanent hochvertrauliche Dokumente durchgestochen werden. Damit wird Misstrauen kultiviert, und die Nachrichtendienste werden diffamiert und diskreditiert. (Zuruf des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]) Ich will zum Abschluss noch einmal aus dem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums zitieren – Frau Vorsitzende, ich bin gleich fertig –: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Frau Präsidentin heißt das!) Auf Nachfragen der Mitglieder des Gremiums erläutert die Bundesregierung zur Herkunft der dem Nachrichtendienst NSA aus Deutschland übermittelten Daten, dass diese aus der Auslandsaufklärung des BND stammten. Die Daten erhebe der BND im Rahmen gesetzlicher Vorgaben und leite sie erst weiter, nachdem man Daten über Deutsche in einem mehrstufigen Verfahren herausgefiltert habe. Alles, was wir heute gehört und gesehen haben, lässt überhaupt keinen Schluss zu, dass diese Praxis nicht fortgesetzt wird und weiterhin angewandt wird, sodass für die Skandalisierung, die hier betrieben worden ist, überhaupt kein Hintergrund vorhanden ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Uli Grötsch von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Uli Grötsch (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, was das Positive an der jetzigen Situation ist? (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nee!) – Ich sage es Ihnen gerne. (Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU) Jetzt haben wir alle – wir Parlamentarier, das Bundeskanzleramt – die Gelegenheit, den Menschen in Deutschland die Aufgaben und die Notwendigkeiten, denen der BND auch unterliegt, zu erklären; (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr gut!) denn natürlich geht es ohne internationale Zusammenarbeit und ohne den internationalen Verbund der Nachrichtendienste ausdrücklich nicht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Jetzt ist für uns die Chance, die Nachrichtendienste aus der Grauzone zu holen, in der sie sich zurzeit womöglich befinden. Ich begrüße es deshalb sehr ausdrücklich, dass die Bundeskanzlerin ihre Aussage vor dem NSA-Untersuchungsausschuss angekündigt hat. Ich hoffe, dass es in diesem Zusammenhang auch klare Worte von Frau Merkel geben wird. Lassen Sie uns alle gemeinsam, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Verschwörungstheoretikern und selbsternannten Geheimdienstexperten in Deutschland und überall auf der Welt den Nährboden entziehen und die Arbeit der Nachrichtendienste einer nüchternen Betrachtung unterziehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Lassen Sie uns auch Verantwortung als Gesetzgeber übernehmen, um durch klare Gesetze und Vorgaben die Nachrichtendienste aus ebendieser Grauzone zu holen, in der sich die Dienste zudem auch selbst nicht befinden wollen. Damit meine ich Gesetze, die auch den Gegebenheiten im Jahr 2015 und darüber hinaus entsprechen und insoweit angemessen sind. Erst am Freitag vorletzter Woche haben wir an dieser Stelle über die Neustrukturierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz diskutiert. Mit dem entsprechenden Gesetzentwurf sind wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen wichtigen und richtigen Schritt gegangen. Ich glaube, was für das BfV gut sein wird, das wird auch – durch eine klare Gesetzgebung – für den BND gut sein. Die Dienste dürfen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Sündenbock für womöglich strukturelle Schwächen und Gesetzeslücken herhalten. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und die fehlende Aufsicht?) Gerade in diesem höchst sensiblen Arbeitsbereich sind klare Regelungen ohne Zweifel erforderlich. Ich sage es noch einmal ganz ausdrücklich: Für uns muss Aufklärung an erster Stelle stehen. Die Fakten müssen auf den Tisch, und wir müssen auch dabei bleiben. Auch ich komme aus der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums von eben, und ich glaube, dass das, was dort heute erklärt und vorgelegt wurde, Rücktrittsforderungen und den lauten Schrei „Skandal“ schlichtweg unmöglich macht, wenn man seriös bleiben will. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Lassen Sie mich auch sagen: Gut, dass wir mit dem NSA-Untersuchungsausschuss ein Gremium haben, das der Thematik und allen Fragen bis ins Detail nachgehen wird. Der Ausschuss hat in den letzten Monaten enorm viel und enorm erfolgreich gearbeitet. Ich sage: Respekt, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut, dass wir Sie haben! (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Aber der Untersuchungsausschuss stößt natürlich an seine Grenzen, wenn ihm Informationen vorenthalten werden. Ich hoffe, dass es jetzt tatsächlich den Willen und die politische Bereitschaft gibt, das Parlament in seiner Funktion als Kontrollinstanz zu stärken. Das meine ich in Bezug auf das Parlamentarische Kontrollgremium in personeller Hinsicht ebenso wie in der Mittelausstattung. Wir brauchen eine nachhaltige, eine ernstgemeinte und deutlich spürbare Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste. Behörden mit Zigtausend Mitarbeitern, die in den verschiedensten Bereichen, verteilt über den ganzen Globus, im Einsatz sind, können nicht durch einige wenige Personen effektiv kontrolliert werden. Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz zur Struktur der Fachaufsicht und zu der Kontrolle durch die Bundesregierung sagen, wenn es um die Nachrichtendienste geht. Ich halte nichts davon, noch einen neuen Beauftragten im Deutschen Bundestag zu installieren. (Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]) Wir haben nämlich schon eine Fachaufsicht im Kanzleramt, wir haben einen Geheimdienstkoordinator, der schon von Amts wegen für das zuständig ist, worüber wir hier reden. Wir haben seit 2014 sogar einen zusätz-lichen Beauftragten der Bundesregierung für die Nachrichtendienste. Somit sind wir hinsichtlich der Struk-turen wirklich nicht schlecht aufgestellt. Aber die Strukturen und die Abläufe müssen beachtet bzw. eingehalten werden. Der Informationsfluss von ganz unten nach ganz oben muss gewährleistet und im Sinne der parlamentarischen Kontrolle nachvollziehbar sein. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Nina Warken von der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Nina Warken (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, die heutige Debatte dazu nutzen zu können, uns noch einmal vor Augen zu führen, was eigentlich Auftrag und Aufgabe des 1. Untersuchungsausschusses ist, den wir gemeinsam vor gut einem Jahr eingesetzt haben. Zudem möchte ich darlegen, welche Rolle die Nachrichtendienste für die Sicherheitsarchitektur unseres Landes spielen. Zum Untersuchungsausschuss. Hier muss es um Aufklärung gehen. „Aufklärung“ muss bedeuten, dass Missstände angesprochen und näher untersucht werden. „Aufklärung“ muss aber auch bedeuten, dass man unvoreingenommen und mit dem festen Willen herangeht, umfassend und nachhaltig alle relevanten Sachverhalte und Verhaltensweisen aufzuarbeiten. Wir müssen dabei sehr sorgfältig vorgehen, auch weil das im Grundgesetz verbriefte Recht des Parlaments, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, eines der wichtigsten Rechte dieses Parlaments überhaupt ist. Der Untersuchungsausschuss ist unser schärfstes Schwert, und wir lassen uns hier sicher nicht durch lautstarke Parolen von vielfach bewährten Prinzipien abbringen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Unsere Prinzipien sind Gründlichkeit, Genauigkeit und Aufarbeitung des Sachverhalts von unten nach oben, auch was Zeugenbefragungen angeht. So haben wir das ganz im Sinne einer effektiven und sachgerechten Aufklärung bisher stets getan, und so wollen wir es weiterhin tun. Dabei erwarten wir von allen Beteiligten eine Mitwirkung nach besten Kräften, nach bestem Wissen und Gewissen. Das ist die Verantwortung gegenüber unserem Land. Ganz im Sinne dieser Verantwortung hätte ich es sehr begrüßt, wenn man in den letzten Tagen nicht ständig hätte lesen können, wovon man bereits jetzt ausgeht oder welche Schlussfolgerungen man bereits heute zieht, sondern wenn man seitens der Opposition die Sachaufklärung an den Anfang gestellt hätte. Die betriebene Effekthascherei ist unverantwortlich und alles andere als im Sinne einer echten Aufklärung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Fast reflexartig wurde da von Wirtschaftsspionage gesprochen, vom systematischen Ausspionieren der Bevölkerung oder vom willfährigen BND, der der NSA ohne Bedenken und Skrupel gegen deutsches Recht und Gesetz zuliefert, dies alles ohne Belege. Statt dieser Parolen hätte ich mir gewünscht, dass man vom Ende her gedacht hätte. Zuerst müssen die Fakten auf den Tisch, und zwar alle Fakten. Erst dann folgt die Bewertung, und erst dann wird entschieden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr richtig! Genauso geht das!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Deutschland Nachrichtendienste brauchen, Nachrichtendienste, die sich selbstverständlich an Recht und Gesetz halten und die kontrolliert werden, aber auch Nachrichtendienste, die gut und effektiv arbeiten, unsere Bürgerinnen und Bürger schützen und Terroranschläge auf unser Land verhindern. Klar ist: Der Bundesnachrichtendienst dient dem Land. Er arbeitet nicht in eigenem Auftrag. Die Bundesregierung muss wissen, was dort geschieht. Wir als Parlament nehmen Kontrollrechte wahr. Man hört dieser Tage immer nur, was vermeintlich nicht gut läuft beim BND. Man sollte aber auch ruhig einmal auf die Erfolge hinweisen. Allein in den vergangenen Jahren hat der BND mitgeholfen, mindestens fünf größere Anschläge in Deutschland zu verhindern. Insbesondere möchte ich hier den Fall der Sauerland-Gruppe nennen; das wurde schon angesprochen. Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört zur Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich einmal einen Blick zurück werfen. Die Anschläge vom 11. September haben die Sicherheitsarchitektur in der ganzen westlichen Welt verändert. Der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer sagte wenige Wochen später hier an diesem Ort: Es ist eine mörderische, eine totalitäre Herausforderung, vor der wir stehen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Kanzler Schröder hat den Amerikanern damals unsere – ich zitiere – „uneingeschränkte Solidarität“ zugesagt. Die Situation damals war ernst, und die Bedrohungslage hat sich bis heute nicht wirklich verändert. Sie ist nicht nur abstrakt, sie ist längst real, was wir jüngst am vereitelten Anschlag in Hessen gesehen haben. Deshalb appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns die Debatte sachlich führen, die Fakten beleuchten und die Geschehnisse aufklären, statt in Parteiengezänk zu verfallen. Deutschland ist nicht isoliert in der Welt, wir brauchen die Zusammenarbeit mit verbündeten Ländern und deren Diensten. Wenn wir einen funktionierenden und vor allem effektiven Dienst wollen, sind wir auf deren Informationen angewiesen, nicht zuletzt auch deshalb, um unsere Soldatinnen und Soldaten zu schützen, die wir als Parlament in Auslandseinsätze schicken. Die Möglichkeit der Zusammenarbeit unserer Dienste mit ausländischen Diensten ist im Gesetz klar geregelt und ausdrücklich vorgesehen; dies muss auch einmal deutlich gesagt werden. Man könnte in der aktuellen Diskussion beinahe den Eindruck gewinnen, eine solche Zusammenarbeit sei per se wider Recht und Gesetz. Genauso wie wir von den Nachrichtendiensten hierbei selbstverständlich Korrektheit erwarten, müssen wir jedoch auch zu deren Notwendigkeit stehen. Forderungen, nach denen Nachrichtendienste abgeschafft werden sollen, wie sie seit Jahren immer wieder von den Linken zu hören sind, halte ich für schlicht unverantwortlich und naiv. Meine Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Verzichten wir in den kommenden Wochen also auf ideologieverblendete Diskussionen und Effekthascherei in der Öffentlichkeit, und nehmen wir unseren Untersuchungsauftrag ernst. Das ist unsere Verantwortung. Die CDU/CSU wird sich hierfür mit ganzer Kraft einsetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr gute Rede!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als letzter Redner in dieser Debatte hat Clemens Binninger, ebenfalls von der CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor Beginn meines Beitrages hätte ich gerne etwas zur Kollegin Renner gesagt. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie ist „weg-gerennt“!) – Sie ist vielleicht verhindert. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Die meisten Linken sind irgendwie weg! – Gegenruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]: Die sind woanders tätig!) Ich will nur, damit wir keine falsche Schärfe in die Debatte bekommen, sagen: Kollegin Renner hat zu der Rede des Kollegen Mayer angedeutet, dass er aus geheimen Dokumenten zitieren würde. Es steht immer gleich ein schwerer Vorwurf im Raum. Ich will klarstellen – das habe ich mit meinem Kollegen Hahn von den Linken abgesprochen –, dass wir vorhin im Gremium einen Beschluss gefasst haben, der uns erlaubt, eine Bewertung über die Sitzung abzugeben. Das, was Kollege Mayer und übrigens auch Kollege Ströbele gesagt haben, war im Wesentlichen das, was wir vorher auch in die Mikros gesagt haben. Es gibt also keinen Grund für irgendeine Schärfe. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sehr gut!) Ich glaube, dass wir hier eine sachliche Debatte haben, die sicher, hoffe ich, dazu beiträgt, dass wir alle die Sach- und Aufklärungsarbeit im Gremium und auch im Untersuchungsausschuss wieder in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Ich glaube, dass wir auch einmal darauf hinweisen müssen, was der BND macht und worum es konkret geht. Es geht nicht um Kommunikation in Deutschland. Es geht um Kommunikation aus Krisenregionen, die wir brauchen für die Sicherheit unserer Soldaten, die wir brauchen zur Bekämpfung des Terrorismus, die wir brauchen, um die Verbreitung von Kriegswaffen zu verhindern, und die wir auch brauchen, um organisierte Kriminalität zu bekämpfen. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Was ist mit den EU-Institutionen?) All das steht übrigens im Gesetz. Im Gesetz steht auch, dass bei diesen Aufgabenfeldern – Bekämpfung von Terrorismus, Proliferation und organisierter Kriminalität – ein Austausch von Informationen mit anderen Nachrichtendiensten erfolgen darf. Das geschieht im Rahmen der Rechtslage. Ich finde, wir sollten keine pauschalen Vorwürfe, Lügen, Skandalisierungen und Rücktrittsforderungen an den Beginn der Debatte stellen, sondern am Beginn einer Debatte muss eine Betrachtung der Rechtslage stehen: Was darf der Dienst? Was haben wir, dieses Parlament, ihm als Erlaubnis mitgegeben? Und dann ist konkret zu fragen: Gab es bei der Arbeit Verstöße gegen diese Rechtslage? Das kann und muss der einzige Maßstab für unsere Aufklärung sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich will bei aller Unterschiedlichkeit eines deutlich feststellen; ich war froh, dass das fast alle Redner so gesehen haben. Das gilt auch für Sie, Herr Kollege Ströbele. Dafür bin ich Ihnen, was selten vorkommt, wirklich dankbar; ab und an darf man das sagen. Sie haben es vielleicht nicht so deutlich gesagt, wie ich es jetzt tue; bei Ihnen war es eher so ein dahingehuschter Satz. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er sagt nie etwas Dahingehuschtes!) Wer angesichts der Bedrohungslage, mit der wir konfrontiert sind – wir reden aktuell über dreieinhalb Tausend Dschihadisten allein aus Europa, die sich in Krisenregionen, im Irak, in Syrien, beim IS, befinden und für unsere Sicherheit eine große Bedrohung darstellen –, sagen würde: „Wir brauchen keine Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten“, der schadet der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Und das dürfen wir nicht zulassen! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) In den letzten Tagen ging es um den Bundesinnenminister. Ich glaube, er hat einen Anspruch auf einen fairen Umgang. Es gibt eine Reihe von Fragen, die die Kolleginnen und Kollegen im Untersuchungsausschuss noch aufklären müssen – Herr Kollege Flisek, Sie haben das skizziert –; ich habe da absolut großes Vertrauen. Den Fragen muss man nachgehen: Warum wurde nicht gemeldet? Wie sind die abgelehnten Begriffe zustande gekommen und warum in dieser Zahl? Letzte Woche stand vor allem der Bundesinnenminister im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Die Vorwürfe waren kaum noch zu überbieten. Ich wiederhole die in diesem Zusammenhang erwähnten Begriffe nicht noch einmal. Es ging bei uns heute Mittag im Parlamentarischen Kontrollgremium speziell darum, diesen Vorwürfen nachzugehen und ihm – das gehört sich, finde ich – Gelegenheit zu geben, selber dazu Stellung zu nehmen. Wir konnten diese Vermerke aus dem Jahr 2008 einsehen. Die Regierung hat sie uns zur Verfügung gestellt. Wir sind dann – es mag da Unterschiede im Detail geben – zu einer Bewertung gelangt. Aber eines ist klar: In keinem dieser Vermerke ist auch nur eine Firma genannt worden, und in keinem Vermerk – das ist unsere Auffassung – gab es eine Aufforderung an den damaligen BK-Chef, im Sinne von „Das geht hier alles nicht; das muss man dringend beenden“ tätig zu werden. Ganz im Gegenteil: Es wurde darauf verwiesen, dass die Rechtslage eingehalten werde und dass es keinen Bedarf gibt, dieses Memorandum zu ändern. Ich finde, angesichts dieser Aktenlage sind die Vorwürfe gegen den Bundesinnenminister nicht länger haltbar. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das heißt nicht, dass es nicht noch Fragen gibt, etwa: Warum gibt es so viele abgelehnte Suchbegriffe? Das heißt auch nicht, nicht zu hinterfragen: Warum wurde das nicht an das Kanzleramt gemeldet? Weiter heißt das auch nicht, dass wir uns nicht vielleicht grundsätzlich mit der Frage befassen müssen: Wie können wir bei großen Datenmengen sicherstellen, dass der Filter im Prinzip auch immer passt? Das alles wird sicher Aufgabe der nächsten Monate sein. Die Erledigung dieser Aufgabe aber sollten wir ruhig, sachlich, konstruktiv und weitestgehend – so hoffe ich doch – parteiübergreifend vorantreiben, damit wir Nachrichtendienste haben, die arbeitsfähig bleiben. Weiterhin muss klar sein, dass hier im Lande unsere Regeln gelten und dass wir alles tun, damit die Sicherheit in unserem Land nicht gefährdet wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. Mai 2015, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.49 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 06.05.2015 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 06.05.2015 Becker, Dirk SPD 06.05.2015 Beckmeyer, Uwe SPD 06.05.2015 Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 06.05.2015 Ehrmann, Siegmund SPD 06.05.2015 Gleicke, Iris SPD 06.05.2015 Hartmann (Wackern-heim), Michael SPD 06.05.2015 Hintze, Peter CDU/CSU 06.05.2015 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 06.05.2015 Motschmann, Elisabeth CDU/CSU 06.05.2015 Müller (Chemnitz), Detlef SPD 06.05.2015 Nietan, Dietmar SPD 06.05.2015 Dr. von Notz, Konstantin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 06.05.2015 Pflugradt, Jeannine SPD 06.05.2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 06.05.2015 Schlecht, Michael DIE LINKE 06.05.2015 Steinbrück, Peer SPD 06.05.2015 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 06.05.2015 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 06.05.2015 Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Frage 3): Welchen Überprüfungs- bzw. Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung bezüglich des Blutspendeausschlusses von Männern, die Sexualverkehr mit Männern haben, MSM, im Hinblick auf die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Léger (Urteil vom 29. April 2015, C-528/13) angesichts dessen, dass Blutspenden in Deutschland routinemäßig mit Antigen-, Antikörper- und PCR-Tests auf Hepatitis A, B und C, HIV 1 und 2, Syphilis und andere Krankheitserreger untersucht werden und eine Befragung zum Risikoverhalten darüber hinaus möglich wäre, und was unternimmt die Bundesregierung, um wirksame Techniken zu entwickeln bzw. bereitzustellen, die den diskriminierenden Blutspendeausschluss von MSM in Zukunft entbehrlich machen? Die Festlegung der Blutspenderauswahlkriterien hat der Gesetzgeber in die Hände von Experten gelegt, die diese Kriterien nach fachlichen und epidemiologischen Gesichtspunkten in den Hämotherapie-Richtlinien nach § 12 a Transfusionsgesetz, TFG, festlegen. Die Auswahlkriterien für die Blutspende in Deutschland sind risikobasiert gefasst mit den Zielen, vermeidbare Schäden sowohl für die spendewilligen Personen als auch für die Empfänger von Blutprodukten möglichst zu verhindern. Deshalb gründet sich die Auswahl von Spendewilligen auf eine Befragung mittels eines Fragebogens, eine ärztliche Untersuchung und auf eine Testung des gespendeten Blutes. Nur das korrekte Zusammenwirken dieser Mechanismen sorgt für den hohen Sicherheitsstandard in Deutschland mit im europäischen Vergleich niedrigen Infektionszahlen durch Blutprodukte. Dieser hohe Sicherheitsstandard soll auch in Zukunft beibehalten und möglichst verbessert werden. Dazu werden Testsysteme und Spenderauswahl ständig überprüft und optimiert. Frische Infektionen mit durch Blut übertragbaren Krankheitserregern lassen sich erst nach einer bestimmten Zeit, der sogenannten Fensterphase, im Blut einer spendewilligen Person nachweisen. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut, PEI, arbeitet ständig daran, die Standards für Testsysteme weiterzuentwickeln, um diese Fensterphase zu verkürzen und so das Sicherheitsniveau der Testung immer weiter anzuheben. Jedoch wird die Fensterphase nie ganz verschwinden. Somit ist gegenwärtig und zukünftig einerseits eine Rückstellung für Spendewillige nach einem bekannten Risikoverhalten erforderlich, und andererseits ist und bleibt der Empfang von Blutprodukten mit einem, wenn auch sehr geringen, Restrisiko verbunden. Bei den Auswahlfragebögen für Blutspendewillige erfolgt eine kontinuierliche Überprüfung, Weiterentwicklung und Testung, um durch geeignete Fragen die Antworten möglichst zutreffend erhalten zu können. Gerade bei sexuellem Risikoverhalten wurde in der Vergangenheit beobachtet, dass Fragen nicht korrekt beantwortet wurden. Die Ursachen dafür waren vielfältig; so kam es zu Missverständnissen, Fehleinschätzungen und auch zu bewussten Falschangaben. Deshalb hat der Arbeitskreis Blut des Bundesministeriums für Gesundheit, BMG, mit der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie und dem Berufsverband der Deutschen Transfusionsmediziner nach mehreren jahrelangen Studien seit 2004 einen einheitlichen Spenderfragebogen entwickelt, der sozialwissenschaftliche Erkenntnisse der Fragebogengestaltung ebenso wie die spezifischen Bedürfnisse der Spendersituation und der Situation in den Spendeeinrichtungen berücksichtigt. Dieser Fragebogen wird seit dem 22. Januar 2015 auf der Homepage des PEI zur Verfügung gestellt. Epidemiologische Daten aus der Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz beim Robert Koch-Institut, RKI, besagen, dass auf MSM ungefähr 75 Prozent der neu diagnostizierten HIV-Infektionen entfallen; dabei umfassen MSM ungefähr 1 bis 3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Somit haben MSM ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung erheblich erhöhtes Risiko, eine gefährliche, durch Blut übertragbare Infektionskrankheit zu erwerben. Dies betrifft auch Männer in einer festen Beziehung, wenn der Partner zudem Sex außerhalb der festen Partnerschaft hat. Nach einer Studie des RKI aus dem Jahr 2007 trifft das auf ungefähr die Hälfte aller MSM in einer festen Partnerschaft zu. Insofern ist nicht immer eine verlässliche Aussage über das Risikoverhalten des Partners und damit auch über das eigene Risiko möglich. Somit ist trotz aller Weiterentwicklungen in den Bereichen Testsysteme und Spenderbefragung für die Blutspende bei sexuell aktiven MSM unabhängig vom Partnerstatus das Risiko einer frischen und damit nicht erkennbaren schweren durch Blut übertragbaren Infektion gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht. Heterosexuelle Menschen mit häufig wechselnden Partnern, Prostituierte oder Kunden von Prostituierten haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko aufgrund ihres Sexualverhaltens, homosexuelle Frauen haben dagegen kein erhöhtes Risiko. Eine Diskriminierung aufgrund einer sexuellen Orientierung findet bei der Blutspenderauswahl nicht statt, die Auswahl erfolgt risikobasiert. Bereits im Jahr 2012 hat eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Arbeitskreises Blut nach § 24 des TFG und des Ständigen Arbeitskreises „Richtlinien Hämotherapie nach §§ 12 a und 18 TFG“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer ein Dokument zum „Blutspendeausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ veröffentlicht, das zu dem Schluss kommt, „dass der dauerhafte Ausschluss von der Blutspende für Personen, deren Sexualverhalten ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt, aufgrund der vorliegenden Daten in eine zeitlich befristete Rückstellung, abhängig vom letzten Zeitpunkt des Risikoverhaltens, verändert werden könnte.“ Bei sexuellem Risikoverhalten ist aus fachlicher Sicht eine zeitlich befristete Rückstellung nach dem letzten risikobehaftetem Sexualkontakt ausreichend. Bei Besuch von Prostituierten wäre das der letzte Sexualverkehr mit einer/einem Prostituierten, bei MSM-Kontakt wäre dies der letzte Sexualverkehr mit einem Mann. Allerdings hielt die Bundesärztekammer im Gegensatz zum BMG und PEI solch eine Regelung für nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Das nun ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. April 2015 (Rs. C-528/13) schafft aus Sicht des BMG insoweit Rechtsklarheit, als es die Anforderungen, unter denen ein Ausschluss von der Blutspende nach den europarechtlichen Vorgaben vorgesehen werden kann, für das Kriterium des Sexualverhaltens darlegt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bei der laufenden Aktualisierung der Hämotherapie-Richtlinien durch die Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem PEI als zuständige Behörde das genannte Urteil Berücksichtigung finden wird. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Frage 6): Bezugnehmend auf die Antwort der Bundesregierung vom 28. April 2015 auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 18/4774 frage ich die Bundesregierung, wie der konkrete Zeitplan für die Ergänzung des § 8 des Luftverkehrsgesetzes lautet. Der Entwurf zur Änderung von § 8 Luftverkehrsgesetz wird in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur aufgenommen. Es handelt sich dabei um das Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes, 15. ÄndLuftVG. Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Abstimmung. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Frage 7): Auf welche Urteile bezieht sich die in der Antwort der Bundesregierung genannte höchstrichterliche Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht, und welche Grundsätze sind hier konkret gemeint? Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 31. Juli 2012 (4 A 7001/11) zur Umweltverträglichkeitsprüfung und der Verträglichkeitsprüfung für Natura-2000-Gebiete hinsichtlich der Genehmigung von Flugrouten folgendes deutlich gemacht: „Gemäß § 2 Absatz 1 Satz 2 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG, umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf die im Gesetz genannten Schutzgüter. Sie erfordert unter anderem eine Beschreibung der Umwelt und ihrer Bestandteile im Einwirkungsbereich des Vorhabens (§ 6 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 UVPG). Um den Einwirkungsbereich des Vorhabens zu bestimmen, ist eine Prognose der voraussichtlichen Auswirkungen erforderlich. Diese Prognose darf sich nicht auf die Betrachtung bestimmter, für die Lärmbetroffenheiten repräsentativer Flugrouten beschränken; die Umweltverträglichkeitsprüfung muss sich vielmehr räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken, in dem abwägungserhebliche Auswirkungen des Vorhabens möglich sind. Dabei muss auch der systemimmanenten Unsicherheit Rechnung getragen werden, dass Flugverfahren geändert werden könnten. Insoweit muss der Planfeststellungsbeschluss vorab auch diejenigen Konflikte bewältigen, die durch später von der Grobplanung abweichende Flugverfahren entstehen könnten und nach Art und Umfang durch die im Planfeststellungsverfahren prognostizierten Flugverfahren nicht abgebildet werden.“ Anlage 5 Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Fragen 10 und 11): Sieht die Bundesregierung ihre von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sowie dem damaligen Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla im internationalen Geheimdienst- und Überwachungsskandal wiederholt betonte rote -Linie „Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht“ bzw. „Recht und Gesetz werden in Deutschland – nach Angaben der NSA und des britischen Nachrichtendienstes – eingehalten“ (vergleiche Pressestatement von Ronald Pofalla vom 12. August 2013 auf www.bundesregierung.de und Zitat der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am 15. Juli 2014 unter www.handelsblatt.com/politik/deutschland/spaeh-affaere-auf-deutschem-boden-gilt-deutsches-recht/8503624.html) durch die bekannt gewordene weitreichende Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Bundesnachrichtendienst, BND, und der US-amerikanischen National Security Agency, NSA, auch vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung eingeräumten „Defizite“ beim BND und den gefundenen „Selektoren“ nunmehr überschritten und, wenn nein, warum nicht? Was ist das Ergebnis der von der Bundesregierung in Aussicht gestellten (vergleiche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf meine schriftliche Frage 28 auf Bundestagsdrucksache 18/2671) Prüfung der Frage, ob die von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sowie dem ehemaligen Chef des Bundeskanzleramtes Ronald Pofalla im internationalen Geheimdienst- und Überwachungsskandal wiederholt betonte rote Linie „Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht“ bzw. „Recht und Gesetz werden in Deutschland – nach Angaben der NSA und des britischen Nachrichtendienstes – eingehalten“ (vergleiche Pressestatement von Ronald Pofalla vom 12. August 2013 auf www. bundesregierung.de und Zitat der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am 15. Juli 2014 unter www. handelsblatt.com/politik/deutschland/spaeh-affaere-auf-deutschem-boden-gilt-deutsches- recht/8503624.html) noch Bestand hat? Auf deutschem Boden gilt deutsches Recht, insofern bedarf es keiner Festlegung etwaiger „roter Linien“. Ob sich die NSA, wie von Bundesminister a. D. Ronald Pofalla unter Verweis auf eine entsprechende schriftliche Zusage der NSA am 12. August 2013 vorgetragen, stets auch an alle Abkommen mit den deutschen Nachrichtendiensten gehalten hat, ist Gegenstand der laufenden Sachverhaltsaufklärung der Bundesregierung. Die Bundesregierung trägt hierzu intensiv bei und wird über entsprechende Ergebnisse, soweit möglich auch öffentlich, informieren. Anlage 6 Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 12): Inwieweit vertritt die Bundesregierung nach wie vor die Auffassung des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla, CDU, der Vorwurf der flächendeckenden Ausspähung Deutscher insbesondere gegen die Geheimdienste der USA sei entkräftet, es gäbe „in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung“ (www.zeit.de/politik/deutschland/2013-08/nsa-bnd-pofalla-bundestag-spaehaffaere-snow den-abkommen), vor dem Hintergrund, dass zumindest der US-amerikanische Geheimdienst NSA in Kooperation mit dem Bundesnachrichtendienst nun auch europäische Unternehmen und Politiker bespitzelt haben soll, was dem Bundeskanzleramt seit 2008 bekannt gewesen sein soll (www.zeit.de/digital/datenschutz/2015-04/bundesnachrichtendienst-spionage-nsa-bundesregierung)? Die zitierte Aussage des ehemaligen Chefs des Bundeskanzleramtes Herrn Bundesminister a. D. Ronald Pofalla, es gäbe „in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung“ hat nach Auffassung der Bundesregierung weiterhin Bestand. Für die behauptete flächendeckende Ausspähung Deutscher und auch europäischer Staatsbürger liegen auch angesichts des aktuell in der Presse diskutierten Sachverhaltes weiterhin keine Anhaltspunkte vor. Anlage 7 Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Frage 13): Bestätigt die Bundesregierung, dass die Einspeisung von Selektoren zu den Themen europäischer Unternehmen und Politiker durch den US-Geheimdienst NSA in Dateien des BND (Spiegel Online vom 23. und 29. April 2015) gegen deutsche Interessen verstößt, weil sie deutsches Recht und Vereinbarungen zwischen den USA und Deutschland verletzt, und welche Konsequenzen zog bzw. zieht die Bundesregierung daraus nach der Ankündigung der Bundeskanzlerin, vollständig aufzuklären (Spiegel Online vom 27. April 2015)? Einzelheiten zu der Zusammenarbeit des BND mit der NSA in Bad Aibling können in diesem Zusammenhang nicht öffentlich dargestellt werden, da aus ihrem Bekanntwerden sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure Rückschlüsse auf den Modus Operandi, die Fähigkeiten und Methoden der Behörde ziehen könnten. Bei einer offenen Beantwortung würden auch Aufklärungsinteressen des BND staatlichen wie auch nichtstaatlichen Stellen bekannt. Im Ergebnis könnte dies für die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörde und mithin für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein oder aber die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Gleichwohl wird die Bundesregierung nach gründlicher Abwägung dem Informationsrecht des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen nachkommen. Die Informationen werden als „Geheim“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag zur Einsichtnahme übermittelt. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Frage 14): Welche Unterstützung, insbesondere die Beratungstätigkeit im Einzelnen, leistete der Mitarbeiter des BND K. H. von 2007 bis 2011 für die Bremer Beluga-Reederei bei Rüstungsexporten in die Krisengebiete Nordsudan, Kongo, Tansania und Myanmar, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bremen seit 2011 wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz zum Aktenzeichen 7703 Js 303/11 ist, und wie rechtfertigt die Bundesregierung die Weigerung des BND, auf das Ersuchen der Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts vom Frühjahr 2013 den Klarnamen des beschuldigten BND-Mitarbeiters zu nennen (Radio Bremen vom 22. April 2013)? Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags klärt der BND die Bereiche Proliferation, internationaler Waffenhandel und internationale Waffentransporte auf und beschafft hierzu relevante Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Zu dem fragegegenständlichen Sachverhalt hat der BND auf Anfragen der Staatsanwaltschaft und Bundesanwaltschaft mehrfach Stellung genommen. Eine weitergehende Beantwortung kann unter Verweis auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang nicht erfolgen. Ich kann Ihnen jedoch mitteilen, dass die Staatsanwaltschaft Bremen ihr Ermittlungsverfahren im Oktober 2012 der Bundesanwaltschaft mit der Bitte um Prüfung der Übernahme des Verfahrens vorgelegt hatte. Im Rahmen ihres Prüfvorgangs hat die Bundesanwaltschaft dem BND eine Erkenntnisanfrage übermittelt, die vom BND vollständig beantwortet wurde. Die Mitteilung des Klarnamens des betroffenen BND-Mitarbeiters war dabei nicht erbeten worden. Mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine in ihre Zuständigkeit fallende Straftat hat die Bundesanwaltschaft die Übernahme des Verfahrens im August 2013 abgelehnt. Die in der zweiten Teilfrage enthaltene Unterstellung wird zurückgewiesen. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Frage 16): Wie ist der aktuelle Zeitplan der Bundesregierung zur Vorlage der Erweiterung des 6. Energieforschungsprogramms, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung im Hinblick auf unternommene konkrete Schritte und festgehaltene Ergebnisse? Die Bundesregierung hat nach den Kabinettsbeschlüssen zur beschleunigten Energiewende im Juni 2011 auch die Energieforschungspolitik neu an der Energiewende ausgerichtet und im August 2011 das 6. Energieforschungsprogramm, EFP, vorgelegt. Wesentlicher Kernpunkt ist die strategische Fokussierung auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz mit besonderem Gewicht auf die für das Gelingen der Energiewende zentralen Themen Energiespeicher, Netze und die Integration der Erneuerbaren ins Gesamtsystem. Erfolgreiche Forschung braucht Planungssicherheit und einen langen Atem. Das 6. EFP ist daher als ein Rahmen konzipiert, innerhalb dessen eine kontinuier-liche Weiterentwicklung im Detail erfolgt. Aktuelle Leitlinien der Weiterentwicklung sind: Erstens. Die Stärkung thematisch übergreifender und systemorientierter Forschungsansätze. Dies wird nicht zuletzt durch den Organisationserlass der Bundeskanzlerin mit der Zusammenführung der angewandten Energieforschung in einem Ressort begünstigt. Dazu hat das BMWi zum 1. Januar 2015 eine Förderbekanntmachung ver-öffentlicht, welche die Forschungsthemen des BMWi neu gruppiert. Das BMBF hat am 8. Mai 2013 das Forschungsforum Energiewende gestartet. In diesem Rahmen wird eine strategische Forschungsagenda vorgelegt, die in die Weiterentwicklung des 6. EFP einfließt. Zweitens. Ein effizienter Ergebnistransfer aus der Forschung in die Praxis. Dazu werden Vernetzungsstrategien entwickelt und durch das BMWi Forschungsnetzwerke ins Leben gerufen, die in ausgewählten Bereichen, unter anderem bei Stromnetzen und im Kontext Gebäude und Quartier, als Schnittstelle zwischen Forschung, Praxis und Politik dienen. Ebenfalls werden durch das BMBF aktuell die sogenannten Kopernikusprojekte ausgearbeitet. Drittens. Die Umsetzung und weitere Ausgestaltung der im 6. EFP bereits angekündigten Initiativen: „Forschungsinitiative Energiespeicher“ (Forschungsergebnisse wurden Mitte April in Berlin berichtet), „Forschungsinitiative Stromnetze“ (Projekte sind angelaufen) und „Forschungsinitiative solares Bauen/energieeffiziente Stadt“ (ist aktuell in Vorbereitung). Anlage 10 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 17): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus einem Auftritt dreier Minister der Regierung von Präsident Juan Orlando Hernández in Honduras, die der Oppositionspartei LIBRE sowie einem Bündnis von Menschenrechtsgruppen, die im Vorfeld der Universal Periodic Review des UN-Menschenrechtsrates einen alternativen und kritischen Bericht über die Menschenrechtslage in dem mittelamerikanischen Land erarbeitet haben, eine „perverse und tendenziöse In-trige“ unterstellten und sie bedrohten, und hält die Bundesregierung diese Art von Politik für geeignet, Rechtsstaatlichkeit in Honduras herzustellen (Quelle: www.elheraldo.hn/pais/829588-331/grupos-pretenden-sabotear-examen-peri%C3%B3 dico-universal)? Die Bundesregierung hält die Menschenrechtslage in Honduras für besorgniserregend. Insoweit sind die Äußerungen seitens einiger Regierungsmitglieder nicht akzeptabel. Ziel der honduranischen Regierung sollte es vielmehr sein, eine Verbesserung der Menschenrechtslage und einen offeneren Dialog mit der Zivilgesellschaft zu erreichen. Vertreter der EU-Mitgliedstaaten, darunter die deutsche Botschafterin in Tegucigalpa, trafen sich nach der Pressekonferenz der honduranischen Regierung mit dem erwähnten Bündnis von Menschenrechtsgruppen, um die kontinuierliche Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten für Menschenrechtsverteidiger in Honduras zuzusichern. Die EU-Delegation hat die Wichtigkeit des Universal Periodic Review des UN-Menschenrechtsrats auch öffentlich unterstrichen und die honduranische Regierung sowie die Menschenrechtsorganisationen zu einem echten Dialog aufgerufen. Auch darüber hinaus pflegt die Bundesregierung einen regen politischen Dialog sowohl mit der honduranischen Regierung und Menschenrechtsorganisationen als auch in der Gruppe der wichtigen Geber der Entwicklungszusammenarbeit und in Zusammenarbeit mit der EU. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksa-che 18/4773, Frage 18): Inwieweit ist der Bundesregierung die Forderung der Bürgerinitiative „Zug der Erinnerung“ und der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki an die Deutsche Bahn AG und ihre Eigentümerin bekannt, die verzinsten Fahrtkosten für die Massendeportationen aus Griechenland nach Auschwitz und Treblinka in vollem Umfang, ohne Umwege und unverzüglich an die Jüdische Gemeinde von Thessaloniki zurückzuerstatten, und inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass das staatseigene Unternehmen Reichsbahn mit der ihr angegliederten Spedition Schenker von den Opfern und deren Vertretungskörperschaften mindestens 2,3 Millionen Reichsmark einnahm, was nach heutiger Kaufkraft und einschließlich der seit 1943 aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 2,5 Prozent einem kumulierten Gesamtbetrag von 89 455 280 Euro entspräche (www.zug-der-erinnerung.eu/presse/pm2.html)? Die Bundesregierung hat von dieser Forderung lediglich aus öffentlich zugänglichen Quellen Kenntnis genommen. Zu der jüdischen Gemeinde besteht allerdings ein besonders enger Kontakt. Ich selbst habe bereits zweimal Thessaloniki besucht und den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde auch in Berlin empfangen. Angesichts des besonders schlimmen Unrechts, das die jüdische Gemeinde Thessaloniki in der Besatzungszeit 1942/43 erlitten hat, leistet Deutschland nachhaltig substanzielle finanzielle Hilfe für Projekte zur Förderung des jüdischen Lebens in der Stadt. Thessaloniki war vor der Shoah ein Zentrum des europäischen Judentums. Vor diesem Hintergrund besteht die Bereitschaft, auch geeignete neue Projekte der jüdischen Gemeinde zu fördern, sofern Mittel hierfür zur Verfügung stehen. Unabhängig von den rechtlichen Fragen materieller Wiedergutmachung für die deutschen NS-Verbrechen der Besatzungsjahre – unsere Position hierzu kennen Sie – ist es der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, ihr Bekenntnis zu der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands durch zusätzliche Anstrengungen zur weiteren Erforschung des Holocaust, zur Pflege der Erinnerung an die Opfer und durch konkrete Beiträge zum Erhalt jüdischen Lebens in Griechenland zu untermauern. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 19): Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrii Melnyk, bei seinem Besuch in München am 27. April 2015 am Grab des Antisemiten und Nazikollaborateurs Stepan Bandera Blumen niederlegte (http://de.sputniknews.com/politik/20150427/302096922.html), und inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, laut dem polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski, dass das vom ukrainischen Parlament am 9. April 2015 verabschiedete Gesetz, das die ehemaligen Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten, OUN, und der nationalistischen Aufstandsarmee UPA – die im Jahr 1943 die Massaker an der polnischen Bevölkerung in Wolhynien begingen – als Unabhängigkeitskämpfer eingestuft und ihnen gesetzlich weite Sozialpräferenzen gewährt hat, den Dialog mit der Ukraine über die polnisch-ukrainische Geschichte verhindert (www.tvn24.pl/wiadomosci-z-kraju,3/bronislaw-komorowski- gosciem-kropki-nad-i,535828.html)? Der Bundesregierung ist ein Tweet des ukrainischen Botschafters bekannt, in dem er über seinen Besuch am Grab Banderas berichtet. Dem ukrainischen Botschafter ist unsere Position hierzu hinlänglich bekannt. Die Bundesregierung verurteilt die von der Organisation Ukrainischer Nationalisten, OUN, teilweise unter Leitung Banderas begangenen Verbrechen an polnischen, jüdischen und ukrainischen Zivilisten und Amtsträgern. Dabei ist sie sich bewusst, dass ein erheblicher Anteil an diesen Verbrechen in Kollaboration mit deutschen Besatzungstruppen begangen wurde. Die Aussage des polnischen Präsidenten ist der Bundesregierung bekannt. Das am 9. April von der Rada beschlossene Gesetz „über den Rechtsstatus und das Andenken an die Teilnehmer am Kampf für die Unabhängigkeit der Ukraine im 20. Jahrhundert“ ist bislang nicht in Kraft getreten, sodass seine möglichen Auswirkungen auf den polnisch-ukrainischen Dialog zu historischen Fragen derzeit noch nicht eingeschätzt werden können. Anlage 13 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksa-che 18/4773, Frage 20): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Geheimdienstkooperation mit den USA aus der am 23. April 2015 von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates fast einstimmig verabschiedeten Resolution zu Einsätzen bewaffneter Drohnen, in der die Mitgliedstaaten und Beobachter des Europarates aufgerufen werden, „gezielte Tötungen“ der USA nicht durch Informationsweitergabe zu unterstützen bzw. diese Politik der Geheimdienst-kooperation zu überprüfen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich der US-Relaisstation in Ramstein aus der Resolution, die auch das Gewährenlassen des Betriebs von Sendeanlagen für die Steuerung völkerrechtswidriger US-Drohnenangriffe über Kontinente hinweg kritisiert und ein Artikel-52-Verfahren im Rahmen der Menschenrechtskonvention vorschlägt, um Berichte anzufordern, ob Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland durch eine derartige Unterstützung der USA das Recht auf Leben verletzen? Die Bundesregierung hat die genannte Resolution der parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Kenntnis genommen. Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein wird von den USA ohne die Mitwirkung der Bundesregierung betrieben und genutzt. Der Generalbundesanwalt prüft weiterhin, ob es Anhaltspunkte für in seine Verfolgungszuständigkeit fallende Straftaten im Zusammenhang mit etwaigen von Deutschland aus geplanten, gesteuerten oder überwachten Einsätzen unbemannter Luftfahrzeuge gibt. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 21): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich ihrer geplanten umfangreichen Polizeikooperation mit Ägypten auch im Bereich der Verhinderung unerwünschter Migration (meine schriftliche Frage 3/183) aus Berichten, wonach das ägyptische Strafgesetzbuch dahin gehend geändert werden könnte, dass mit der Todesstrafe bestraft werden kann, wer für das Ertrinkenlassen einer anderen Person verantwortlich gemacht wird (The Cairo Post vom 26. April 2015), und welche Details kann die Bundesregierung zum Termin und Programm des Staatsbesuchs des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi in Deutschland mitteilen? Die Bundesregierung arbeitet mit der ägyptischen Seite bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität zusammen. Diese Kooperation ist an die Gewährleistung rechtstaatlicher Prinzipien und den Schutz der Menschenrechte gebunden. Die Bundesregierung setzt sich aus grundsätzlichen Erwägungen dafür ein, dass in Ägypten nicht die Todesstrafe für das Unterlassen von Rettungsmaßnahmen eingeführt wird. Der ägyptische Präsident ist zu einem Besuch nach Deutschland eingeladen. Die Bekanntgabe des Termins erfolgt in Absprache mit den ägyptischen Gästen. Das Programm steht noch nicht fest. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 22): Wie viele Speicherungen wurden als Folge der durchgeführten Überprüfung infolge der Kritik des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit an der Zentraldatei „Politisch motivierte Kriminalität-links – Zen-tralstelle“ – „PMK-links-Z“ – sowie an anderen Zentral-dateien gelöscht (bitte jeweils betroffene Datei, Zahl der betroffenen Personen sowie personengebundenen Hinweise und Betroffenheitskategorien angeben; vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 41, Plenarprotokoll 18/99)? Im Anschluss an den Beratungs- und Kontrollbesuch des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat das Bundeskriminalamt seit 2014 Überprüfungen und Löschungen in insgesamt 33 Dateien aus den Bereichen „Schwere und Organisierte Kriminalität“ – 15 Dateien – und „Staatsschutz“ – 18 Dateien – vorgenommen. Im Bereich „Schwere und Organisierte Kriminalität“ wurden zwischen Dezember 2013 und April 2014 über 15 000 Datensätze gelöscht. Allerdings kann keine Aussage darüber getroffen werden, in wie vielen Fällen dabei falsch gespeicherte Datensätze gelöscht wurden und wie viele Löschungen beispielsweise aufgrund Fristablaufs oder wegen nachträglichen Wegfalls des Speicherungsgrundes erfolgten. Eine statistische Erhebung zum Löschungsgrund liegt dem Bundeskriminalamt nicht vor. Dies gilt auch für den Bereich Staatsschutz, in dem bei 16 der 18 Dateien, einschließlich der Datei PMK-links-Z, die Prüfung und Bereinigung bereits ab-geschlossen ist. Auch im Bereich Staatsschutz wurden – bei insgesamt geringerem Datenbestand als im Bereich „Schwere und Organisierte Kriminalität“ – bislang über 2 500 Datensätze gelöscht. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Druck-sache 18/4773, Frage 23): Nach welchen Kriterien wurden die betroffenen Personen über ihre rechtswidrig erfolgte Speicherung unterrichtet, und welche rechtlichen Möglichkeiten stehen ihnen im Nach-hinein zur Verfügung, um gegen diese Speicherung bzw. die aus ihr womöglich erwachsenen Folgen (etwa Veranlassung weiterer polizeilicher Maßnahmen) vorzugehen? Weder das Bundeskriminalamtgesetz noch das Bundesdatenschutzgesetz sehen für das Bundeskriminalamt eine Verpflichtung zur Benachrichtigung eines Betroffenen vor, wenn fälschlicherweise gespeicherte Daten gelöscht wurden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 24): Unter Mitwirkung welcher „mehrerer Mitgliedstaaten“ wurden die „Best Practices“ zur Führung von Informanten nach Kenntnis der Bundesregierung erarbeitet und zwischenzeitlich mehrfach aktualisiert (vergleiche Antwort der Bundesregierung zu Frage 6 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 18/4657), und worin bestehen aus Sicht der Bundesregierung die empfindlichsten Aspekte von verdeckten Maßnahmen – verdeckte Ermittlungen und Einschleusen von Informantinnen und Informanten – in jenen Kriminalitätsfeldern, „bei denen von einem besonderen Maß an Konspiration, Gemeinschädlichkeit und Gewaltbereitschaft ausgegangen werden muss“? Die Beantwortung der Frage zur Erarbeitung von „Best Practices“ ist der Bundesregierung in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Die Antwort der Bundesregierung muss als „Verschlusssache – Vertraulich“ eingestuft werden. Diese Teilantwort kann bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages eingesehen werden. Die Bundesregierung folgt hierbei der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der bei der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung der Bundesregierung gegenüber dem Parlament unter Geheimhaltungs-aspekten wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen mit einbezogen werden können (vergleiche BVerfGE 124, 161 [193]; für die Auskunft im Rahmen eines Untersuchungsausschusses: vergleiche BVerfGE 124, 78 [128 f.]). Hierzu zählt auch die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt (vergleiche BVerfGE 124, 161 [193]). Die Einstufung als Verschlusssache ist aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl aus folgenden Gründen erforderlich und geeignet, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Bundesregierung zu befriedigen: Die Preisgabe von Informationen zu Mindeststandards der VP-Führung gegenüber der Öffentlichkeit würde das schützenswerte Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einer wirksamen Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus und damit das Staatswohl erheblich beeinträchtigen. Zum einen würde die Veröffentlichung dieser internen Vorgänge die Offenlegung sensibler polizeilicher Vorgehensweisen und Taktiken in einem äußerst gefährdungsrelevanten Bereich bedeuten. Die hier in Rede stehenden verdeckten Maßnahmen werden nur in Kriminalitätsfeldern angewandt, bei denen von einem besonderen Maß an Konspiration, Gemeinschädlichkeit und Gewaltbereitschaft ausgegangen werden muss. Die Kenntnisnahme von Informationen aus dem angeforderten Bereich durch kriminelle oder terroristische Kreise würde sich sowohl auf die staatliche Aufgabenwahrnehmung im Gefahrenabwehrbereich als auch auf die Durchsetzung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs außerordentlich nachteilig auswirken. Hinzu kommt zum anderen, dass eine Veröffentlichung entsprechender konkreter Inhalte das Vertrauen der internationalen Kooperationspartner in die Integrität der deutschen Polizeiarbeit nachhaltig erschüttern und die weitere Zusammenarbeit im verdeckten -Polizeibereich wesentlich erschweren würde. Mit der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages wurde ein Instrument geschaffen, das es den Abgeordneten des Deutschen Bundestages ermöglicht, die entsprechenden Informationen einzusehen. Dem parlamentarischen Kontrollrecht wird damit im Ergebnis Rechnung getragen. Soweit es die Frage nach den „empfindlichsten Aspekten von verdeckten Maßnahmen (verdeckte Ermittlungen und Einschleusen von Informantinnen und Informanten)“ anbelangt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der von den Fragestellern verwendete Begriff „empfindlichste Aspekte“ sehr abstrakt ist und daher weit ausgelegt werden kann. Sollte die Bundesregierung hier dennoch eine Kategorisierung nach den „empfindlichsten Aspekten von verdeckten Maßnahmen“ vornehmen müssen, wären dies aus Sicht der Bundesregierung die Gewährleistung des Schutzes von Leib, Leben und Freiheit der eingesetzten Verdeckten Ermittler, Vertrauenspersonen sowie Informanten und ihrer Angehörigen. Dies gilt unabhängig vom zugrundeliegenden Deliktsfeld. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 25): Welche Angaben kann das Bundesministerium des Innern, BMI, dazu machen, inwiefern es verhältnismäßig oder von einschlägigen Befugnissen gedeckt sein soll, wenn das Bundeskriminalamt, BKA, den Telekommunikationsprovider Telefonica Germany dazu auffordert, seinen gesamten Datenstrom zu filtern, um einen einzigen Nutzer des nicht in Deutschland betriebenen Instant-Messaging-Dienstes ICQ mit einer bestimmten Accountkennung aufzuspüren (https://ptrace.fefe.de/39bdfc5d 56f01f9d8b859d13b3d7f091/telefonica-dpi-icq.txt), und welche Angaben kann das BMI dazu machen, in welcher Häufigkeit bzw. in welchem Umfang auch andere Telekommunika-tionsanbieter dazu aufgefordert werden, für Ermittlungen des BKA ihren gesamten Datenstrom zu filtern, um einzelne -Accounts von Chatprogrammen ausfindig zu machen und dadurch das Kommunikationsverhalten der Nutzerinnen und Nutzer zu analysieren? Weder die konkret zitierte Maßnahme, in welcher Telefonica Germany angeblich aufgefordert wurde, den gesamten Datenstrom in Echtzeit nach einer ICQ-Kennung zu filtern, als auch angeblich gleichgelagerte Maßnahmen bei anderen Telekommunikationsanbietern sind dem Bundeskriminalamt bekannt. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/4773, Frage 28): Erwägt die Bundesregierung Änderungen des § 18 c des Aufenthaltsgesetzes insbesondere dahin gehend, dass in Zukunft auch qualifizierte Arbeitsuchende ohne Hochschulabschluss eine solche Aufenthaltserlaubnis beantragen können und Inhaberinnen und Inhabern einer solchen Aufenthalts-erlaubnis die Erwerbstätigkeit während der Arbeitsuche generell gestattet wird, um ihnen die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts zu ermöglichen, angesichts dessen, dass der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration in seinem Jahresgutachten 2015 die Einführung dieser Aufenthaltserlaubnis ausdrücklich lobt (Seite 7), sich die Erteilung solcher Aufenthaltserlaubnisse bislang aber auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt (vergleiche Antwort der Bundesregierung zu Frage 26 der Kleinen Anfrage der -Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 18/2887, Seite 14), und, wenn nein, inwiefern hält die Bundesregierung die bestehenden Regelungen des Arbeitsmigra-tionsrechts für ausreichend, um für die Herausforderungen des demografischen Wandels auch in Zukunft gewappnet zu sein? Mit der Steigerung des Bekanntheitsgrades der Regelung von § 18 c des Aufenthaltsgesetzes steigt auch die Zahl der nach dieser Regelung erteilten Visa durch die deutschen Auslandsvertretungen. Nachdem im Jahr 2013 insgesamt 475 Visa nach § 18 c des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurden, ist die Zahl im Jahr 2014 auf 1 116 Visa zu diesem Aufenthaltszweck gestiegen. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, dem Personenkreis, der ein solches Visum beantragen kann, noch während des Aufenthalts zur Arbeitsplatzsuche die Erwerbstätigkeit zu gestatten. Ansonsten könnte der Aufenthalt zu anderen Zwecken, insbesondere zu kurzfristigen Beschäftigungsaufenthalten, die nicht dem Zweck der Arbeitsplatzsuche dienen, genutzt werden. Die Bundesregierung prüft derzeit, den Personenkreis, der für ein Visum zur Arbeitsplatzsuche in Betracht kommt, zu erweitern. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 29): Unter welchen Voraussetzungen muss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, bei begründeten Beschwerden zur Kraftfahrthaftpflicht- und Kaskoversicherung aufsichtsrechtliche Maßnahmen einleiten, und aus welchen Gründen waren diese Voraussetzungen bei den 20 Prozent begründeten Beschwerden in den Jahren 2010 bis 2014 nicht gegeben (siehe Plenarprotokoll 18/99, Antwort der Bundes-regierung auf meine mündliche Frage 7)? Die BaFin hat gemäß § 81 Absatz 1 Satz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG, im Rahmen ihrer Rechts- und Finanzaufsicht insbesondere auf die Einhaltung der für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts geltenden Gesetze sowie auf die ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten zu achten. Verstößt ein Versicherungsunternehmen gegen solche Gesetze oder sind die Versichertenbelange nicht ausreichend gewahrt, kann die BaFin gegenüber dem Unternehmen Anordnungen zur Vermeidung/Beseitigung dieses Missstands treffen (§ 81 Absatz 2 Satz 1 VAG). § 81 Absatz 2 Satz 2 VAG definiert Missstand als jedes Verhalten eines Versicherungsunternehmens, das den oben genannten Aufsichtszielen widerspricht. Da die BaFin nur im öffentlichen Interesse tätig wird (§ 81 Absatz 1 Satz 3 VAG), mündet nicht jede begründete Beschwerde in eine Anordnung. Dies ist nur der Fall bei Tatbeständen, die über einen Einzelfall hinaus von genereller Bedeutung sind. Sind nur einzelne Versicherte betroffen, können diese sich selbst gerichtlich wehren. Wird jedoch in Beschwerdefällen ein systemischer Gesetzesverstoß bzw. Fehler beim Unternehmen festgestellt, kann die BaFin dessen Behebung verlangen, sofern das Unternehmen ihn nicht bereits selbst abgestellt hat. In begründeten Beschwerdefällen prüft die BaFin daher, ob es sich um einen über den Einzelfall hinausgehenden systemischen Gesetzesverstoß bzw. Fehler handelt und ob dieser noch besteht. Bei den 20 Prozent begründeten Beschwerden zur Kraftfahrthaftpflicht- und Kaskoversicherung in den Jahren 2010 bis 2014 war das öffentliche Interesse mangels eines systemischen Gesetzesverstoßes bzw. Fehlers nicht gegeben oder dieser war bereits vom Unternehmen behoben worden. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/4773, Frage 30): Aus welchen Gründen haben Versicherungen, obwohl die Beschwerden zur Kraftfahrthaftpflicht- und Kaskoversicherung laut BaFin unbegründet waren, aus Kulanz eine Regulierung vorgenommen, und wie bewertet die Bundesregierung dies unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Interessen der Versicherungsgemeinschaft bzw. der „Wahrung des kollektiven Verbraucherschutzes“ (siehe Plenarprotokoll 18/99, Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 7)? Versicherungsunternehmen geben als Grund für eine Kulanzleistung in der Regel an, Rechtsstreitigkeiten mit dem Beschwerdeführer vermeiden zu wollen. Begründet wird dies unter anderem mit dem Kostenaufwand, gegebenenfalls ungünstigen Erfolgsaussichten oder der angestrebten Befriedung des Beschwerdeführers im Einzelfall. Dies ist von Aufsichtsseite nicht zu beanstanden, solange die Belange der Versichertengemeinschaft ausreichend gewahrt werden. Bei dieser Bewertung sind prinzipiell der Kulanzleistung auf der einen Seite mögliche ersparte Aufwendungen auf der anderen Seite gegenüberzustellen. Hierunter fallen die Kosten eines even-tuell über mehrere Instanzen laufenden Rechtsstreits -unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Versicherers. II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 102. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 102. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2015 9763 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 9780 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 102. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 102. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2015 9779