Plenarprotokoll 18/118 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 118. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands b) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Drucksache 18/5780 11455 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 11455 C Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) 11458 D Thomas Oppermann (SPD) 11462 A Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11464 A Volker Kauder (CDU/CSU) 11465 D Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) 11467 B Klaus Ernst (DIE LINKE) 11468 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 11469 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) 11470 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11472 C Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) 11473 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) 11474 A Norbert Spinrath (SPD) 11475 A Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11476 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) 11477 A Heinz-Joachim Barchmann (SPD) 11479 A Michael Stübgen (CDU/CSU) 11479 D Johannes Kahrs (SPD) 11481 C Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) 11482 D Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) 11484 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) (Erklärung nach § 30 GO) 11485 D Namentliche Abstimmung 11486 D Ergebnis 11487 C Nächste Sitzung 11489 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11491 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Stefan Liebich, Thomas Nord, Harald Petzold (Havelland), Richard Pitterle, Kirsten Tackmann, Frank Tempel und Dr. Axel Troost (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungspunkt 1 b) 11492 A Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lisa Paus, Sylvia Kotting-Uhl, Monika Lazar, Steffi Lemke, Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer und Dr. Harald Terpe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungspunkt 1 b) 11492 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungspunkt 1 b) 11493 D Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungspunkt 1 b) 11495 A Veronika Bellmann (CDU/CSU) 11495 B Klaus Brähmig (CDU/CSU) 11496 A Michael Brand (CDU/CSU) 11496 A Michael Donth (CDU/CSU) 11497 B Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) 11497 C Josef Göppel (CDU/CSU) 11498 A Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) 11498 C Helmut Heiderich (CDU/CSU) 11499 A Christian Hirte (CDU/CSU) 11499 C Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) 11500 C Bettina Hornhues (CDU/CSU 11501 B Andrej Hunko (DIE LINKE) 11501 C Thomas Jurk (SPD) 11502 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11503 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) 11504 B Hilde Mattheis (SPD) 11504 D Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) 11505 B Florian Oßner (CDU/CSU) 11506 B Ulrich Petzold (CDU/CSU) 11506 C Alois Rainer (CDU/CSU) 11507 A Mechthild Rawert (SPD) 11507 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11508 C Dr. Nina Scheer (SPD) 11509 C Jana Schimke (CDU/CSU) 11510 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11510 B Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) 11510 D Kai Whittaker (CDU/CSU) 11511 B Inhaltsverzeichnis 118. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 Beginn: 9.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zur 118. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages. Die heutige Sitzung habe ich gemäß Artikel 39 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes einberufen, und ich gehe davon aus, dass Sie nachweislich Ihrer bemerkenswert starken Anwesenheit mit der Einberufung dieser Sitzung einverstanden sind. Die Unvermeidlichkeit war ja auch hinreichend gut erkennbar. Nun rufe ich unsere Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands b) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Drucksache 18/5780 Die Anhänge zu diesem Memorandum liegen als Unterrichtung zu diesem Antrag vor und sind allen Mitgliedern des Hauses zugegangen. Über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen werden wir am Schluss der Beratung namentlich abstimmen. Zu diesem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen liegt auch ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 125 Minuten, also gut zwei Stunden, vorgesehen. Ich darf auch hierzu Ihr Einvernehmen feststellen. – Das ist offenkundig der Fall. Dann haben wir das so beschlossen. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister der Finanzen, Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Griechenland fällt nicht leicht. Die Debatten zu den Hilfen für Griechenland waren und sind aus guten Gründen streitig. Es gibt beachtliche Gründe dafür und es gibt beachtliche Gründe dagegen – ökonomische und politische; das ist unbestritten. Das liegt an der unvollständigen Konstruktion der Währungsunion, der eben eine gemeinsame Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik fehlt. So konnten einzelne Euro-Länder Entscheidungen auf Kosten der Gemeinschaft treffen, weil Verantwortung und Haftung immer wieder auseinanderzufallen drohten. Im Zuge der Euro-Krise haben wir die Währungsunion seit 2010 stabiler gemacht: mit den neu eingeführten Regeln für den Stabilitäts- und Wachstumspakt, mit dem sogenannten Six-Pack, und mit dem Fiskalpakt. So ist es gelungen, Verantwortung und Haftung näher zusammenzuführen. Mit der Bankenunion haben wir den Teufelskreis zwischen Staatsschulden und Bankenkrisen durchbrochen. Mit gezielten Reformprogrammen haben wir die Wachstumskräfte in der Währungsunion gestärkt. Das war erfolgreich: in Irland, in Portugal, in Spanien und in Zypern. Es hat bis zum letzten Jahr auch in Griechenland funktioniert. Dabei war Griechenland von Anfang an ein außergewöhnlich schwieriger Fall. Vor dem ersten Programm hatte Griechenland 2009 ein Haushaltsdefizit und ein Leistungsbilanzdefizit von jeweils 15 Prozent – vor der Euro-Krise. Dazu kamen und kommen die schwierigen institutionellen Rahmenbedingungen, schwache Strukturen der Verwaltung und der Justiz, hohe Sozialleistungen und ein überdimensionierter Beamtenapparat. Trotzdem war Griechenland bis Ende vergangenen Jahres auf gutem Weg. Griechenland hatte Wachstum; es hatte im vergangenen Jahr eine höhere Wachstumsrate als die meisten anderen Länder der Euro-Zone. Griechenland hatte einen Handelsbilanzüberschuss, einen Primärüberschuss, und auch die Arbeitslosigkeit begann zu sinken. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: 50 Prozent -Jugendarbeitslosigkeit!) – Sie ging zurück. Sie war vorher so hoch, Herr Kollege. Das ist in Krisen so. Ich kann Ihnen einmal die Zahlen aus anderen Ländern sagen. Griechenland war auf einem guten Weg, auf einem besseren, als viele zu hoffen gewagt haben. Nun ist auch wahr: Die Wiedergewinnung tragfähiger öffentlicher Finanzen als Voraussetzung für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen und Arbeitsplätze erfordert von der Bevölkerung in jedem Fall erhebliche Anpassungsleistungen. Je länger die Anpassungsleistungen dauern, umso schwieriger ist es auch für eine Bevölkerung, dafür den politischen Konsens und den sozialen Konsens aufrechtzuerhalten. Aber sie sind unverzichtbar, insbesondere wenn man Mitglied in einer Währungsunion ist. Die Entscheidung, ob man solche Anpassungsleistungen zu tragen bereit und in der Lage ist, liegt ausschließlich im jeweiligen Land. Aber für die Mitgliedschaft in der Währungsunion sind sie unverzichtbar. Das Problem des griechischen Ministerpräsidenten war, dass er vor und nach der letzten Wahl versprochen hatte, genau diese Entscheidung zu vermeiden. Er hatte versprochen: Griechenland bleibt in der Euro-Zone, ohne Reformen, ohne Programm. Dies hat sich als ein nicht haltbares Versprechen herausgestellt. Jetzt muss er das Gegenteil von dem machen, was er versprochen hatte. Darüber ist die Einheit seiner Partei ganz offensichtlich schweren Belastungen ausgesetzt. Erst als die Unausweichlichkeit der Entscheidung klar war, haben sich die Verantwortlichen in Griechenland für einen neuen Anfang entschieden. Wenn der Ministerpräsident im Parlament und öffentlich gesagt hat – ich zitiere –, dass Griechenland jetzt all das umstürzen müsse, was Griechenland in diese Krise geführt habe, um dauerhaft zu Wachstum und Beschäftigung zu kommen, dann ist das von seiner Seite die Bestätigung, dass es richtig war, Griechenland die Notwendigkeit, diese Wahl zu treffen, deutlich vor Augen zu führen. Dazu hat die Euro-Gruppe, dazu hat Deutschland beigetragen. Das ist im Interesse Griechenlands und im Interesse Europas. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die Vereinbarung der Staats- und Regierungschefs vom 12. Juli 2015 enthält die Rahmenbedingungen. Danach haben die Institutionen die Vereinbarungen mit der griechischen Regierung erarbeitet. Die Institutionen sind die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds. Früher haben wir diese Einrichtungen Troika genannt, jetzt nennen wir sie Institutionen. Sie haben die Vereinbarungen mit der griechischen Regierung erarbeitet, das sogenannte Memorandum of Understanding, und abgeschlossen. Auf dieser Grundlage hat die Euro-Gruppe am -vergangenen Freitag völlig einmütig einen Beschluss vorbereitet, für den ich im Deutschen Bundestag um Zustimmung ersuche. Das Programm für die nächsten drei Jahre sieht Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro vor. Die erste Tranche soll 26 Milliarden Euro betragen. Sie dienen der Ablösung der schon im Juli beschlossenen Brücken-finanzierung zur Bedienung der fällig gewordenen auswärtigen Verbindlichkeiten – mit über 12 Milliarden Euro –; etwas mehr als 3 Milliarden Euro werden für die Erfüllung aufgelaufener Zahlungsverpflichtungen in Griechenland zur Verfügung gestellt, damit die griechische Wirtschaft wieder in Schwung kommen kann. Denn wenn Rechnungen nicht bezahlt werden, dann kommt die Wirtschaft nicht in Schwung. Darüber hinaus werden Griechenland 10 Milliarden Euro auf einem gesonderten Konto beim ESM für die Bankenrekapitalisierung bereitgestellt; denn die zügige Rekapitalisierung der Banken in Griechenland ist wiederum notwendig, damit die Kapitalverkehrskontrollen schrittweise aufgehoben werden können. Auch das ist wichtig, damit die griechische Wirtschaft wieder Fuß fasst. Die weiteren im Programm vorgesehenen Tranchen werden Zug um Zug mit erfolgreichen Programmüberprüfungen in den kommenden Jahren gezahlt. Diese Konditionalität mit Überprüfungen ist Bestandteil und Bedingung eines jeden europäischen Stabilisierungsprogramms. Die Institutionen werden die Umsetzung der Auflagen alle drei Monate überprüfen. Auf der Grundlage dieser Überprüfungen wird in der Euro-Gruppe bzw. im Board des Europäischen Stabilitätsmechanismus über die jeweiligen Auszahlungen beschlossen, wobei der Deutsche Bundestag jeweils im Rahmen des ESM-Finanzierungsgesetzes über die Entscheidungen informiert oder daran beteiligt wird – so wie das in unserer Gesetzgebung beschlossen und geregelt ist. Die erste Überprüfung soll im Oktober 2015 stattfinden. Ziel der Reformmaßnahmen ist, dass Griechenland wirtschaftlich möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Deshalb ist es erforderlich, dass Griechenland ab 2016 wieder Primärüberschüsse erwirtschaftet. Ich will daran erinnern: Griechenland hatte im vergangenen Jahr einen Primärüberschuss. Wir hatten die Aussicht, dass in diesem Jahr ein ansteigender Primärüberschuss entstehen würde. Das ist leider durch die Entwicklungen der letzten acht Monate unmöglich geworden. Aber ab dem kommenden Jahr soll wieder ein kleiner und dann ansteigender Primärüberschuss erwirtschaftet werden: 0,5 Prozent im kommenden Jahr, 1,75 Prozent in 2017 und ab 2018 ein Primärüberschuss von 3,5 Prozent. Die Reformmaßnahmen betreffen insbesondere eine verbesserte Haushaltsplanung, eine größere Steuergerechtigkeit, eine Modernisierung der Arbeits- und Produktmärkte und der öffentlichen Verwaltung, eine Privatisierungsstrategie und eine Rentenreform. Insgesamt sieht das Programm zahlreiche und umfangreiche Einzelmaßnahmen vor, von denen ein Großteil – das ist das Neue – bereits vorab im griechischen Parlament verabschiedet worden ist. Wichtige konkrete Reformmaßnahmen umfassen unter anderem die Liberalisierung des Energiemarkts, die Abschaffung von Steuerbegünstigungen, die Bekämpfung von Korruption in der Verwaltung, den Umbau des Renten- und Gesundheitswesens, die Wiederherstellung von Liquidität und Kapitalausstattung angeschlagener Banken, den Umgang mit notleidenden Krediten und die Einrichtung eines Privatisierungsfonds. Bei den Bankenrekapitalisierungsmaßnahmen, die sich in dem Programm, im Rahmen der 86 Milliarden Euro, auf bis zu 25 Milliarden Euro belaufen können – je nachdem, was durch die europäische Bankenaufsicht als Notwendigkeit ermittelt wird –, ist sichergestellt, dass über die ersten 10 Milliarden Euro hinaus zunächst der tatsächliche Bedarf durch einen Stresstest der europäischen Bankenaufsicht ermittelt wird. Darüber hinaus ist Voraussetzung, dass die Programmüberprüfung im Oktober 2015 erfolgreich abgeschlossen wird. Darüber hinaus wird das Bail-in-Instrument für Anleihegläubiger erstrangiger Schuldtitel gelten. Die Beteiligung von Einlegern bleibt vor Inkrafttreten der Bankenrestrukturierungsrichtlinie ausgeschlossen. Für das den Banken zur Verfügung zu stellende Kapital, also bis zu 25 Milliarden Euro, sollen entsprechende Anteile an den unabhängigen Privatisierungsfonds übertragen werden. Dieser Privatisierungsfonds soll bis Ende 2015 unter der Aufsicht der relevanten europäischen -Institutionen seine Arbeit aufnehmen. Den ersten Entwurf dafür muss Griechenland schon im Oktober 2015 vorlegen. In diesen Fonds sollen während der Laufzeit des Programms – über die im MoU vereinbarten Privatisierungen hinaus – werthaltige Vermögenswerte transferiert werden, die sich im Wert entwickeln sollen, damit sie nach Abschließen der Privatisierung zusätzlich zur Schuldenreduzierung und zur Förderung von Investitionen in Griechenland beitragen können. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das klappt doch nie!) Für die Bundesregierung ist unabdingbar, dass der Internationale Währungsfonds mit seiner besonderen Expertise bezüglich Staatsschuldenkrisen weiter an Bord bleibt. Die Euro-Gruppe teilt diese Auffassung, und sie hat dies in ihrer Erklärung vom Freitag ausdrücklich niedergelegt. Der Internationale Währungsfonds wird seinerseits über eine weitere Beteiligung nach einer Überprüfung des Programms im Herbst entscheiden. Man muss daran erinnern: Das eigentliche Programm des Internationalen Währungsfonds hatte eine Laufzeit bis Ende März kommenden Jahres. Durch die Nichtbedienung einer Zahlung Ende Juni, Anfang Juli dieses Jahres an den IWF ist das Programm außer Kraft getreten. Deswegen hat der IWF schon bei den Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs am 12. Juli 2015 erklärt, dass ein neues Programm für den IWF notwendig ist und dass der IWF darüber erst im Oktober 2015 nach einer ersten Programmübersicht – im Lichte der eingetretenen Verzögerungen bei der Bedienung von IWF-Verbindlichkeiten – nach IWF-Regeln entscheiden wird. Aber seine grundsätzliche Bereitschaft zu einer weiteren Beteiligung hat der IWF erklärt, und er hat Maßnahmen spezifiziert, die jetzt auf den Weg gebracht werden müssen. (Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Frau Göring-Eckardt, die Konditionalität, die wir im MoU vereinbart haben, ist mit dem IWF zu 100 Prozent gemeinsam festgelegt. Der IWF hat zwei zusätzliche Punkte – hinsichtlich der Rentenreform und der Banken-Governance – genannt, die bis Oktober 2015 geklärt werden müssen – auch das ist einvernehmlich – und die dann auch in das europäische Programm übernommen werden sollen, damit wir eine völlige Identität der Konditionalität von ESM-Programm und IWF-Programm haben werden. Des Weiteren gehört zu diesen Maßnahmen natürlich auch die gemeinsame Beurteilung, dass die Schuldentragfähigkeit gegeben ist. Da haben wir im Augenblick die Situation, dass die europäischen Institutionen – Kommission und EZB – zu der Einschätzung gekommen sind, dass die Schuldentragfähigkeit bei konsequenter Umsetzung der Programmvereinbarungen und durch Maßnahmen zur Schuldenerleichterung ohne einen Schuldenschnitt erreicht werden kann. Zwar werden die bisher vereinbarten Zielwerte für die Schuldenstandsquote aufgrund der Verwerfungen der vergangenen Monate erst deutlich später erreicht werden können – das ist unbestreitbar –, aber in jedem Fall wird die Schuldenstandsquote schon während der Programmlaufzeit bis 2018 ihren Kulminationspunkt überschreiten, ab dem sie dann wieder zurückgeht. Denn die Schuldenstandsquote geht in dem Augenblick zurück, in dem der Überschuss höher ist, und deswegen hängt das davon ab, wie sich das Wachstum entwickelt und die Reduzierung der Haushaltsdefizite erfolgt. Der Kulminationspunkt muss also noch vor 2018 erreicht werden, sodass die Schuldenstandsquote dann wieder rückläufig ist. Der Verschuldungsgrad ist im internationalen Vergleich extrem hoch, obwohl es Länder gibt – ich nenne nur Japan –, die eine viel höhere Schuldenstandsquote haben. Deswegen hat man in den vergangenen Jahren international mehr und mehr darauf abgehoben, dass die entscheidende Größe für die Schuldentragfähigkeit eigentlich nicht der Schuldenstand ist, sondern die Frage: Liegt der jährlich zu leistende Dienst für Zins und Tilgung, die sogenannte Bruttofinanzierungsbelastung pro Jahr, unterhalb von 15 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft oder nicht? Diese Beurteilung wird gemeinsam von Internationalem Währungsfonds und europäischen Institutionen mit zugrunde gelegt. Diese 15 Prozent werden – jedenfalls nach den heutigen, noch vorläufigen Zahlen – bis weit in die 2020er-Jahre hinein eingehalten werden können. Ob das für die gesamte Programmlaufzeit der Fall sein wird, muss man im Oktober 2015 im Lichte der dann zu aktualisierenden Zahlen beurteilen. Deswegen bin ich ganz zuversichtlich, dass wir im Oktober 2015 zu einer gemeinsamen Beurteilung der Schuldentragfähigkeit kommen werden. Dementsprechend werden wir, wenn es dann notwendig ist, noch einen begrenzten Spielraum in der Frage der Laufzeit der Kredite haben, vielleicht auch in der Frage von tilgungsfreien Perioden. Aber auch da sind ja die bisherigen Laufzeiten und die tilgungsfreien Perioden schon so umfangreich, dass der Spielraum für weitere Schuldenerleichterungen ein begrenzter ist; das muss man immer wieder sehr klar sagen. Wiederum ist auch klar, dass ein Schuldenschnitt nicht möglich ist. Er ist nach den europäischen Verträgen, nach übereinstimmender Beurteilung aller Fachleute und nach der Erklärung der Staats- und Regierungschefs für die Mitglieder der Europäischen Währungsunion nicht zulässig. Es war bereits in der Erklärung vom Juli dieses Jahres enthalten, dass der IWF erst im Oktober 2015 über seine Beteiligung an einem neuen Programm entscheiden wird. Aber unter der Voraussetzung der entsprechenden Änderungen im Rentensystem und der Banken-Governance und unter der Voraussetzung, dass eine Einigung über die Schuldentragfähigkeit erzielt wird, hat die Generaldirektorin des IWF am vergangenen Freitag zugesagt, sich im Oktober 2015 in den IWF-Gremien für eine weitere finanzielle Beteiligung des Internationalen Währungsfonds einzusetzen. Genau in dieser Form wurde bei allen bisherigen europäischen Programmen die Beteiligung des IWF vereinbart; denn der IWF entscheidet unabhängig. Die Zusage seiner Generaldirektorin, dass man sich für eine weitere Beteiligung einsetzen wird, ist von den Gremien des IWF in der Vergangenheit, wenn die Voraussetzungen erfüllt waren, immer honoriert worden. Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass das auch in diesem Jahr der Fall sein wird. Die Euro-Gruppe ihrerseits hat entsprechend der Position der Bundesregierung klar gesagt, dass eine weitere Beteiligung des Internationalen Währungsfonds an diesem Programm auch finanziell unverzichtbar ist. Mit all den Vereinbarungen im MoU und mit den Erklärungen der Euro-Gruppe sind also die Beschlüsse des Europäischen Gipfels vom 12. Juli 2015 umgesetzt. Alle Beteiligten waren sich einig, dass in den letzten Wochen ein grundsätzlicher Wandel in Griechenland zu verzeichnen ist. Dass das zu Auseinandersetzungen innerhalb der die dortige Regierung tragenden Kräfte führt, spricht für die Ernsthaftigkeit des Wandels; wenn es ohne Auseinandersetzung ginge, dann wäre das irgendwie überraschend. Aber weil dieser Wandel wirklich offensichtlich ist und mit Händen zu greifen war – viele haben gesagt, man glaubt fast, dass man in einer anderen Welt lebt; wie gesagt, die meisten Prior Actions sind inzwischen vom griechischen Parlament beschlossen worden –, waren wir uns unter den Finanzministern am Freitag völlig einig, dass wir auf dieser Grundlage den Abschluss eines Hilfsprogramms empfehlen können und empfehlen müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich gibt es nach den Erfahrungen der zurückliegenden Monate und Jahre keine Garantien, dass das alles funktionieren wird, und Zweifel sind immer erlaubt. Aber angesichts der Tatsache, dass das griechische Parlament einen Großteil der Maßnahmen bereits beschlossen hat, wäre es unverantwortlich, die Chance für einen neuen Anfang in Griechenland jetzt nicht zu nutzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wenn Griechenland zu seinen Vereinbarungen steht und wenn das Programm entschlossen und vollständig umgesetzt wird, dann kann die griechische Wirtschaft in den nächsten Jahren wieder wachsen. Die Chance ist gegeben. Ob sie genutzt wird, entscheiden allein die Griechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen oft Entscheidungen treffen, bei denen es gute Gründe dafür und gute Gründe dagegen gibt; das ist Politik. Es ist nicht so, dass immer alle Argumente nur dafür sprechen. (Christine Lambrecht [SPD]: Leider!) Bei den meisten Entscheidungen ist es übrigens so, dass man zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ganz sicher sein kann, wie sich das in der Rückschau in einigen Jahren darstellen wird; wir können zukünftige Entwicklungen nicht antizipieren. Deswegen müssen wir die Argumente sorgfältig abwägen. Insofern sage ich mit allem Ernst: Wir haben uns alle Mühe gemacht, unserer Verantwortung für Europa, für europäische Solidarität gegenüber Griechenland, aber natürlich auch gegenüber dem Souverän in jedem anderen Mitgliedstaat und gegenüber den Steuerzahlern in allen Ländern der europäischen Währungsunion gerecht zu werden. Wir wissen – darin sind wir uns alle einig –, wir brauchen aus vielen, vielen Gründen ein starkes, ein handlungsfähiges Europa, und das geht nicht ohne Verlässlichkeit, ohne Vertrauen, und das erfordert Solidarität. Ich glaube, dass ich sagen kann, dass ich nicht weniger als irgendjemand sonst um diese Entscheidung gerungen habe. Weil das so ist, kann ich Sie alle mit voller Überzeugung bitten: Stimmen Sie dem Antrag des Bundesfinanzministeriums zu. (Anhaltender Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Dr. Gysi für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zur Euro-Krise und zu Griechenland komme, einige wenige andere außenpolitische und innenpolitische Bemerkungen: Gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Onlineplattform netzpolitik.org (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats und Preisgabe von Staatsgeheimnissen eingeleitet. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Thema verfehlt!) Anzeigenerstatter war der Verfassungsschutz, und Gutachter darüber, dass das Staatsgeheimnisse sind, war auch der Verfassungsschutz. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Thema verfehlt!) Es ist übrigens eine völlig neue Rechtsansicht, dass der vermeintlich Geschädigte auch die Gutachten über sich abgibt. Abgesehen davon wissen wir inzwischen: Das Bundeskanzleramt und das Bundesinnenministerium waren vorab informiert. Das heißt, es handelte sich um einen schwerwiegenden politischen Angriff auf die Pressefreiheit. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Wollen Sie von Ihrem Versagen in der Griechenland-Frage ablenken, Herr Gysi?) Ich sage Ihnen: Dass der Generalbundesanwalt in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde, löst das Problem nicht. Das ist ein Bauernopfer. Wir brauchen hier vollständige Aufklärung. (Beifall bei der LINKEN) Meine zweite Bemerkung: Seit Jahrzehnten unterdrücken die türkischen Behörden die Kurdinnen und Kurden in der Türkei, und zwar kulturell, sozial und rechtlich. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Können Sie noch einmal die Überschrift der Debatte lesen?) – Ich weiß, Sie meinen, das gehört nicht zum Thema. Aber die Leute interessiert das, und das ist das Entscheidende. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Zu Griechenland nichts zu sagen, oder wie?) Im Kampf dagegen bildete sich die PKK. Nach vielen Jahrzehnten hat endlich ein so schwieriger und wichtiger Friedensprozess begonnen, und den zerstört Erdogan gerade durch Bomben. Ich weiß, dass auch die PKK Fehler begeht, aber Erdogan begeht viel schwerwiegendere Fehler, und er ist viel mächtiger und stärker und hat deshalb ganz andere Verpflichtungen. Aber der Höhepunkt ist, dass die Bundesregierung uns bestätigen musste, dass Erdogan den „Islamischen Staat“, diese einzigartige terroristische Organisation, regelmäßig unterstützt, während die PKK die entscheidende Kämpferin gegen den „Islamischen Staat“ ist. (Beifall bei der LINKEN) Schon deshalb müssen wir endlich das Verbot der PKK in Deutschland aufheben. Ich sage Ihnen auch: Sie müssen mit der türkischen Regierung ganz anders sprechen. Wie würden Sie denn mit anderen Regierungen, die den „Islamischen Staat“ unterstützen, umgehen? Ganz anders. Bloß weil das ein NATO-Partner ist, machen Sie nichts. Das ist durch nichts zu rechtfertigen; das will ich Ihnen ganz klar sagen. (Beifall bei der LINKEN) An der Grenze zu Syrien stehen Bundeswehrsoldaten mit Patriot-Raketen. Als sie dorthin gestellt wurden, haben wir Ihnen gesagt, wir würden Teil des Nahostkonflikts. Das ist durch nichts zu rechtfertigen; aber Sie waren ja, wie immer, schlauer und haben das beschlossen. Jetzt, Frau Merkel, haben auch Sie es verstanden und eingesehen. Sie ziehen die Soldaten und Raketen ab. Wieder einmal hören Sie auf uns – aber spät, sehr spät. Ich sage Ihnen: Sie müssen sich künftig diesbezüglich mehr beeilen. (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie waren schon mal besser!) Eine dritte Bemerkung will ich machen, und zwar zur Flüchtlingsproblematik, die unsere Gesellschaft sehr beschäftigt. Ich möchte gern ganz kurz vier Forderungen formulieren: Erstens. Das Leben jedes Flüchtlings im Mittelmeer muss gerettet werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zweitens. Alle Flüchtlinge müssen bei uns anständig behandelt und untergebracht werden, und die Kommunen müssen endlich entlastet werden. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nebenbei bemerkt: Der Linken-Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, leistet diesbezüglich eine sehr gute Arbeit. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) – Weil Sie ihn nie loben, muss ich das ja machen. Verstehen Sie das? (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist kein Thema für einen Bauchladen! Das wäre ein eigenes Thema hier!) Drittens. Nicht die Flüchtlinge, aber die Kosten müssen innerhalb der Europäischen Union gerecht verteilt werden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Viertens. Ernsthaft – das sage ich Ihnen – muss begonnen werden, die Fluchtursachen zu bekämpfen, das heißt Krieg, Hunger, Elend und Rassismus. Wir aber sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Ich sage es Ihnen so ernsthaft wie möglich: Wenn wir nicht beginnen, die Weltprobleme zu lösen, werden sie täglich und verschärfter zu uns kommen. (Beifall bei der LINKEN) Aber nun zur Griechenland-Krise (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh! – Aha! – Juchhu! – Doch noch zum Thema?) – ich hoffte auf Ihre Begeisterung, die habe ich schon erreicht – und zum dritten Hilfspaket. Es geht um 86 Milliarden Euro, davon erstens für Altschulden 54 Milliarden Euro. Das heißt, man macht neue Schulden, um alte Schulden zu begleichen, und aus diesem Kreislauf kommt man nicht mehr heraus. Zweitens. Für Pleitebanken – statt Insolvenzen von Banken mit Erstattung der Guthaben hinzunehmen – stellen wir, nein, nicht wir, sondern die entsprechenden europäischen Einrichtungen wieder 25 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Dritte – das stimmt, was Herr Schäuble gesagt hat –: 11 Milliarden Euro dienen dazu, offene Rechnungen des Staatsapparates zu begleichen, Löcher zu stopfen. Für die dringend notwendigen Investitionen wird von diesen Euros nicht einer verwendet. Nicht einer! Aber es könnte ja auch Positives geben. Ich komme zum Ersten. Griechenland hat ja aus anderen Fonds bis zum Jahre 2020 Anspruch auf 36 Milliarden Euro, die man tatsächlich für Investitionen verwenden könnte. Das Problem ist nur: Bisher hat Griechenland davon keinen Euro bekommen, weil es die Eigenmittel nicht aufbringen kann, die dafür gefordert sind. Da geht es Griechenland so wie unseren armen Kommunen, die nicht an Fördergelder herankommen, weil sie die Eigenmittel nicht aufbringen. Das ist dieselbe Struktur. Nun ist in Aussicht gestellt worden, die Eigenmittel zu reduzieren – aber nur in Aussicht gestellt; es ist noch nichts beschlossen. Warum haben Sie denn nicht jetzt beschlossen, die Eigenmittel auf null zu setzen, damit endlich das Geld fließen und Investitionen stattfinden können? (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Es sollen ja jetzt ernsthaft Korruption, Steuerhinterziehung und Steuerumgehung bekämpft werden, und sogar ein Stück mehr Steuergerechtigkeit soll hergestellt werden. Übrigens sage ich Ihnen noch einmal – das wissen Sie auch, Herr Schäuble und Frau Merkel –: Das ist nur mit dieser Regierung möglich. Bei allen vorhergehenden Regierungen, die von Ihren Schwesterparteien gestellt wurden, von den Konservativen und von den Sozialdemokraten, war das undenkbar; denn die haben die Korruption in Griechenland organisiert und erfunden. Also mussten wir hier einen neuen Weg gehen. (Beifall bei der LINKEN) Abgesehen davon soll ja auch die Einkommensteuer reformiert werden – das ist eine Chance, dass auch der Spitzensteuersatz erhöht wird –, und Immobilien sollen endlich angemessen bewertet werden. Drittens sollen die Militärausgaben – wenn auch nicht genug – gesenkt werden. Viertens. Die angestrebten Überschüsse im Haushalt wurden der Realität angepasst, sodass möglicherweise gewisse Spielräume für die Regierung entstehen. Aber nun passiert etwas Interessantes – deshalb, Herr Schäuble, haben Sie ja so lange vom Internationalen Währungsfonds, vom IWF, gesprochen –: Sie stecken doch in einem Interessenkonflikt. Denn Herr Schäuble besteht darauf, dass der IWF beteiligt ist. Auf der anderen Seite will er aber keine Schuldenerleichterungen für Griechenland. Nun sagt aber der IWF, er beteilige sich nur, wenn es Schuldenerleichterungen für Griechenland gibt. Na ja, was tun? Frau Merkel hat angedeutet, man könnte ja vielleicht die Rückzahlungspflichten zeitlich strecken; vielleicht könnte man auch noch die Zinsen stunden; ein Schuldenschnitt käme nicht infrage. Aber immerhin, über diese beiden Dinge könnte man nachdenken. Interessant ist: Das sind die Elemente, die für Deutschland 1952 auf der Schuldenkonferenz in London hinsichtlich der Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg beschlossen wurden. Wir machen also nichts anderes als das, was wir auch erfahren haben, wenn auch in etwas anderer Zeit. Ich bin gespannt, wie das ausgeht. Noch ist ja nichts entschieden. Warten wir es ab! Sie wissen – Sie werden es gleich wieder bestreiten –: Ich bin ein Anhänger von Logik. (Lachen bei der CDU/CSU und der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Erklären Sie dann mal, warum Sie dagegenstimmen!) – Ich wusste es. (Johannes Kahrs [SPD]: Dann können Sie jetzt ja mal erklären, warum Sie dagegenstimmen!) – Ja, jetzt kommt ja meine Logik. Passen Sie auf! (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oh, jetzt wird es spannend!) Erstens. Deutschland hat bisher in der Krise keinen einzigen Euro an Griechenland gezahlt. Diese Tatsache müssen wir immer wieder benennen. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Aber wir haften für eine ganze Menge!) Zweitens. Die Bundesregierung hat gegen unseren Willen allerdings unterschrieben, für 27 Prozent der während der Krise aufgenommenen Schulden von -Irland, Spanien, Portugal, Zypern und Griechenland zu haften. Das gilt auch für die jetzt geplanten 86 Milliarden Euro. Drittens. Wenn eines – oder mehrere – dieser Länder in die Pleite getrieben und zahlungsunfähig wird, dann also haften wir dank Ihrer Unterschrift, Frau Merkel und Herr Schäuble, und zwar im Umfange von 27 Prozent. Viertens. Wenn ein Staat pleitegeht, bedeutet dies für die dortige Bevölkerung eine schlimme Verarmung, Massenarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, ein Netz von Suppenküchen, also eine Katastrophe. Es bedeutet für unsere Bevölkerung, dass wir dann im Milliardenumfang zahlungspflichtig werden. Das heißt, auch bei uns leitete sich ein weiterer Verarmungsprozess ein. Fünftens. Also müssen wir doch genauso wie die irische, spanische, portugiesische, zypriotische und griechische Bevölkerung für einen Auf- und nicht für einen Abbau dieser Länder streiten. (Beifall bei der LINKEN) Dann ginge es sowohl den Menschen dort als auch bei uns besser. Für Griechenland bedeutete das endlich Investitionen in Bildung, Solarindustrie, Tourismus und Schiffsindustrie. Wenn Sie die anderen zerstören, zerstören Sie auch unser Land. Diese Tatsache müssen wir verdeutlichen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wenn! Aber das ist ja nicht so!) Aber Sie bauen dennoch weiter und schlimmer ab. Jetzt werde ich es Ihnen sagen: Erstens gibt es weitere Kürzungen bei Renten und Sozialleistungen, noch einmal. Das bedeutet eine geringere Kaufkraft. Griechenland hat einen kleinen Exportsektor und lebt überwiegend von der Binnenwirtschaft. Wenn Sie die Kaufkraft reduzieren, geht die Binnenwirtschaft zurück, wird sie geschwächt. Dann gibt es geringere Steuereinnahmen, und damit wird die Regierung weniger rückzahlungsfähig und kann gar keine Investitionen tätigen. Zweites Beispiel: Sie erhöhen die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent. (Zuruf von der CDU/CSU: Wir nicht! – Thomas Oppermann [SPD]: Wir nicht, -Syriza!) – Ja, Sie bestehen darauf und erpressen die Griechen, dass sie es machen. So ist es richtig formuliert. Sie -haben recht, Herr Oppermann; ich sollte das genauer -formulieren. Die Mehrwertsteuer steigt auf 23 Prozent; die Ausnahmen bei Inseln werden zurückgenommen. Das aber bedeutet, dass die gesamte Bevölkerung belastet wird, auch der ärmere Teil, und es bedeutet darüber hinaus, dass der Tourismus zurückgedrängt wird. Das sind wieder weniger Steuereinnahmen. Damit kann die Regierung weniger zurückzahlen und nicht investieren. Ich verstehe diese ganze Logik nicht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Dass Sie nichts verstehen, ist das Problem! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist das Problem!) Drittens. Außerdem sollen Massenentlassungen deutlich erleichtert werden. Auch das ist eine Katastrophe. Dagegen war die Sozialdemokratie früher übrigens einmal; aber es ist lange her. Viertens. Außerdem verlangen Sie von Griechenland eine umfassende Privatisierung der öffentlichen Güter und Daseinsvorsorge. Also, das ist ja schon an sich falsch. Sie hat nirgendwo im Interesse der Bevölkerung funktioniert, weder in London noch bei uns. Aber wenn sie auch noch unter Druck und Zwang erfolgt, dann führt dies natürlich automatisch zu extrem niedrigen Preisen. Übrigens, Herr Schäuble, nun lese ich, dass die 14 rentablen Regionalflughäfen in Griechenland ganz zufällig an die deutsche Firma Fraport gehen sollen, (Zurufe von der CDU/CSU: Na und, ist das was Schlimmes? – Die hat die Ausschreibung gewonnen!) die übrigens überwiegend im öffentlichen Eigentum der Bundesrepublik steht. Das ist also eine Privatisierung öffentlichen Eigentums in Griechenland zugunsten öffentlichen Eigentums in Deutschland. (Zuruf von der CDU/CSU: Was haben Sie dagegen?) Mehr als merkwürdig! Der Preis ist übrigens ein fantastischer Dumpingpreis. Damit kann die griechische Regierung die von Ihnen geplanten 50 Milliarden Euro für Privatisierungen niemals realisieren. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Wie haben Sie die denn bewertet?) Jetzt kommt der fünfte Punkt. Unvorstellbar, aber wahr: Die griechische Regierung darf keinen einzigen Bankchef, keinen einzigen leitenden Angestellten einer Bank entlassen oder einstellen. Das machen europäische Institutionen. Wie wollen Sie eigentlich so wirksam Korruption bekämpfen? (Beifall bei der LINKEN) Es ist eine ungeheure Einschränkung der Souveränität. Der Höhepunkt ist, dass die Regierung einen Gesetzentwurf ohne Genehmigung dieser europäischen Institutionen nicht einmal öffentlich diskutieren, geschweige denn in das Parlament einbringen kann. Das zerstört die parlamentarische Demokratie. Da können wir beim besten Willen nicht mitmachen. (Beifall bei der LINKEN) Aber all das ändert nichts an unserer Solidarität mit der griechischen Bevölkerung, mit Syriza und auch nichts an meinen guten Beziehungen zu Ministerpräsident Tsipras. (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist ja nun wirklich verlogen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was ist mit Varoufakis?) Bisher hat Deutschland entgegen den Behauptungen einer sehr stark bebilderten Zeitung nicht einen Euro für Griechenland bezahlt, und wenn es je dazu kommen sollte, dann nur durch eine verfehlte Politik der Bundesregierung. Aber was die bebilderte Zeitung und auch Sie immer verschweigen, ist die Tatsache, dass Deutschland laut Berechnung eines Wirtschaftsinstituts inzwischen 100 Milliarden Euro an der Krise verdient hat, und zwar, weil auf Druck der Bundesregierung die Europäische Zentralbank die Zinsen Richtung null gefahren hat, sodass wir dieses Geld einsparen konnten. Allerdings muss man erwähnen, dass die Bürgerinnen und Bürger das -dadurch bezahlt haben, indem ihre Sparguthaben entsprechend entwertet wurden. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: So einen Blödsinn habe ich selten gehört!) Also, 100 Milliarden Euro haben wir daran verdient. Außerdem wurden bis Mitte 2015, Herr Gabriel, entgegen Ihrer Reduzierungsankündigung so viele Rüstungsexporte genehmigt wie im gesamten Jahr 2014. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ich bin sofort fertig. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt kommt der übliche Dialog! Wir warten auf den üblichen Dialog!) Unter den Empfängerländern befinden sich auch auspeitschende, verstümmelnde und höchst undemokratische Staaten wie Saudi-Arabien. Deutschland verdient also auch noch an jedem Krieg. Glauben Sie wirklich an eine sinnvolle Zukunft unseres Landes, wenn wir so extrem von Krisen und Kriegen profitieren? Ich nicht. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das war aber auch nicht so bedeutend!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Thomas Oppermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute Gregor Gysi natürlich ganz aufmerksam zugehört. Es war wohl seine letzte oder vorletzte Rede als Frak-tionsvorsitzender. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Mischen Sie sich nicht in unsere Redeplanung ein!) Ich habe gedacht: Heute kommt das politische Vermächtnis von Gregor Gysi an seine eigene Fraktion. Aber ich muss sagen, Herr Gysi: Ich bin von Ihrer Rede maßlos enttäuscht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – -Zurufe von der LINKEN: Oh!) Sie wollten sich hier als ein Meister der politischen Logik präsentieren. Aber die politische Logik ist ganz einfach und nicht so kompliziert, wie Sie sie dargestellt haben. (Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE]) Wenn Sie heute bei diesem Hilfsprogramm mit Nein stimmen, dann fallen Sie damit Ihrer Schwesterpartei Syriza in Griechenland in den Rücken. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie sind kein Meister der politischen Logik. Sie sind ein Meister der politischen Rabulistik. Ihnen ist kein argumentativer Eiertanz zu schade, um am Ende zu dem Ergebnis zu kommen, mit Nein zu stimmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) In Athen kämpft Alexis Tsipras um den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone, und Sie hier im Deutschen Bundestag unterstützen die linksradikale Opposition gegen Tsipras. Ich finde, das ist ein schwacher Abgang, den Sie als Fraktionsvorsitzender gewählt haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war schon mal ein guter Start!) Meine Damen und Herren, kaum jemand hatte nach den dramatischen Wochen, die wir im Juni erlebt haben, damit gerechnet, dass uns heute hier ein Hilfsprogramm vorliegt, das, wenn es Punkt für Punkt umgesetzt wird, Griechenland wirtschaftlich wieder auf die Beine bringen kann. (Widerspruch bei der LINKEN) Nach monatelanger destruktiver ideologischer Auseinandersetzung hat Alexis Tsipras seinen irrlichternden Finanzminister Varoufakis entlassen, das Kabinett umgebildet, sich entschieden, für den Verbleib in der Euro-Zone zu kämpfen, und sich auf konstruktive Verhandlungen eingelassen. (Zurufe von der LINKEN) Das Ergebnis zeigt: Es war absolut richtig, dass wir hier vor vier Wochen den Weg für Verhandlungen mit Griechenland frei gemacht haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt der Syriza--Regierung haben viele europäische Kolleginnen und Kollegen und auch Finanzminister Schäuble, die mit der griechischen Regierung direkt zu tun hatten, den Eindruck, dass diesmal nicht nur über Reformen geredet und verhandelt wird, sondern dass es auch den Willen gibt, diese Reformen umzusetzen. Ich finde, das ist ein ermutigendes Zeichen. Auch wenn in Griechenland viele immer noch nicht restlos überzeugt sind und die Regierungspartei Syriza vor der Spaltung steht, so ist doch die ganz überwiegende Mehrheit im griechischen Parlament und auch die ganz große Mehrheit in der griechischen Bevölkerung der Meinung, dass wir lange genug gestritten haben. Jetzt haben wir uns geeinigt. Jetzt muss entschieden werden. Jetzt müssen die Dinge umgesetzt werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dafür gibt es gute Argumente. Ich finde, dieses Hilfsprogramm hat eine andere, eine neue Qualität, weil es sich in einem ganz wesentlichen Punkt von den bisherigen Programmen unterscheidet. Es ist nämlich nicht nur, wie bisher, allein auf die fiskalischen Einsparziele -fixiert, sondern es setzt erstmals auf den Umbau von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Griechenland, und nur so können die vielen verschiedenen, tiefliegenden und einander wechselseitig verstärkenden Defizite dieses Landes gelöst werden. Drei Beispiele dazu machen das sehr gut nachvollziehbar. Erstens. Weil es in Griechenland keine funktionierende soziale Absicherung gibt, kam es zu einer systematischen Flucht in die Frühverrentung. Nirgendwo in Europa gibt es so viele junge Rentner und Rentnerinnen wie in Griechenland. Deshalb sind die Rentenlasten auch kaum noch bezahlbar. Jetzt soll eine soziale Grundsicherung geschaffen werden, damit die arbeitsfähige Bevölkerung nicht mehr vorzeitig in den Ruhestand geschickt werden muss. Das ist doch sehr vernünftig, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zweitens. Ein großer Teil der griechischen Wirtschaft existiert als Schattenwirtschaft, in der keine Steuern gezahlt werden. Jetzt soll endlich eine effektive Finanzverwaltung aufgebaut werden, die in der Lage ist, Steuern einzutreiben, und zwar nicht nur von den kleinen Leuten, sondern auch von den Reichen des Landes. Dazu passt, dass die Steuerprivilegien für Landwirte und Reeder auslaufen, für die es ohnehin keine Rechtfertigung gibt. Abgesehen davon: Griechenland ist ein armer Staat, und ein armer Staat kann sich keine Steuersubventionen für reiche Reeder leisten. Gut, dass das jetzt zu Ende geht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Drittens. Ihnen geht es um die Menschen in Griechenland. Aber das Leben in Griechenland ist in vielen Bereichen für viele Menschen gemessen an ihren kleinen Einkommen viel zu teuer, weil es zu wenig Wettbewerb gibt. Das gilt für Energie, Lebensmittel und Medikamente. Jetzt werden Generika zugelassen, Subventionen für Landwirte abgebaut und Monopole im Strommarkt aufgebrochen. Auch das ist vernünftig und sozial gerecht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Das alles steht im Memorandum of Understanding, und zwar nicht als bloße Absichtserklärung, sondern es ist detailliert mit Einzelmaßnahmen unterlegt. Natürlich hätte man sich an der einen oder anderen Stelle noch mehr wünschen können. Aber am Ende ist das Programm eben ein Kompromiss, der zwar den Griechen und uns gleichermaßen schwerfällt, aber es ist ein ambitionierter Kompromiss, der die Grundlage für wichtige gesellschaftliche Veränderungen in Griechenland sein kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieses Programm ist auch deshalb besser als seine Vorgänger, weil es so konstruiert ist, dass die einzelnen Finanzhilfen mit der Umsetzung einzelner Reformen verknüpft sind. Diese Reformen muss die griechische Regierung jetzt Punkt für Punkt einlösen. Finanzhilfen gibt es nur Zug um Zug gegen Reformen. Wir alle müssen ein Interesse daran haben, dass diese Veränderungen gelingen. Deshalb bitte ich die Bundesregierung darum, dass sie den neuen Dienst der EU-Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen nach Kräften personell unterstützt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieser neue Service muss helfen, dass Griechenland die schwierigen Probleme bewältigen kann. Denn die griechische Regierung – auch wenn sie uns nicht gefällt – muss jetzt Erfolg haben. Nur sie kann Griechenland reformieren, und nur sie kann Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen wiederherstellen, was für einen wirtschaftlichen Aufschwung notwendig ist. Das sollten wir unterstützen. Der IWF ist am neuen Programm vorerst nicht finanziell beteiligt, weil die Schuldentragfähigkeit nach seinen Kriterien noch nicht gegeben ist. Die Euro-Gruppe hat deshalb nochmals deutlich gemacht, dass sie bereit ist, die Schuldentragfähigkeit zu sichern. Wir alle wissen, dass ein glatter Schuldenschnitt unter vertragsrechtlichen Gesichtspunkten eher schwierig ist. Aber es sind Erleichterungen bei den Zinszahlungen und den Laufzeiten möglich, die dem IWF den Einstieg und Griechenland eine langfristige Schuldenrückzahlung ermöglichen. Einige hätten sich diese Erleichterungen schon heute gewünscht, allen voran die griechische Regierung. Aber ich muss sagen: Ich bin eigentlich froh, dass es eine klare Bedingung für diese Erleichterungen gibt. Erst wenn die Überprüfung des Programms im Herbst ergibt, dass die Reformen auch erfolgreich umgesetzt worden sind, reden wir über Schuldenerleichterungen. Alles andere wäre auch nicht im Sinne der griechischen Bevölkerung; denn es sind die Menschen in Griechenland, die zuerst darauf angewiesen sind, dass dort ein handlungsfähiger Staat entsteht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Aber umgekehrt gilt auch: Wenn Griechenland sich erfolgreich reformiert, dann muss es auch Schuldenerleichterungen geben. Dieses Versprechen hat Griechenland von der Euro-Gruppe, dieses Versprechen hat Griechenland auch von dieser Koalition, und dafür bietet das dritte Hilfsprogramm eine sehr gute Grundlage. Deshalb, meine Damen und Herren, wird meine Fraktion heute dem Programm mit großer Geschlossenheit zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei der SPD auch nicht besonders typisch, oder? – Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Kümmert euch um eure Geschlossenheit! Da habt ihr genug zu tun! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Kommen die alle nicht, oder? – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Wer den Ärger hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Merkel, Sie haben erst vor kurzem bekannt gegeben – – (Lachen bei der CDU/CSU) – Was finden Sie daran so ungewöhnlich, dass man Frau Merkel anspricht? Ist es so ungewöhnlich für Sie, dass sie da ist, dass man sie einmal erwähnt? Oder ist es, weil Sie sozusagen gar nicht auf sie hören? Frau Merkel, Sie haben vor kurzem in den Medien und in der Öffentlichkeit gesagt, dass es nichts bringt, zur griechischen Regierung oder zur griechischen Bevölkerung nett zu sein. Sie haben bekannt gegeben, man müsse hart sein und den Griechen so richtig zeigen, wo es langgeht. Aber sind das denn irgendwelche politischen oder gar ökonomischen Kriterien? Geht es darum, nett oder hart zu sein, oder geht es darum, ein Paket zu stricken und so zu gestalten, dass die griechische Wirtschaft wieder funktioniert und es den Menschen wieder besser geht? Ist Ihnen nicht klar, dass wir nur dann, wenn es Griechenland wieder besser geht, wenn die Reformen so gestaltet sind, dass sie nicht besonders hart sind, sondern besonders wirkungsvoll sind, eine Chance haben, wenigstens einen Teil des Geldes, für das wir und die anderen europäischen Regierungen bürgen, wiederzusehen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir uns an, wie Sie als Kanzlerin und Sie, Herr Schäuble, in den Verhandlungen agiert haben und wie Sie, Herr Gabriel, sich öffentlich vor den Verhandlungen geäußert haben, wie Sie mit Grexit, dem Rausschmiss Griechenlands aus der Euro-Zone, gedroht haben! Eine deutsche Regierungsspitze, die so agiert, schadet dem Zusammenhalt in Europa, und damit schadet sie auch Deutschland; denn Sie schaden damit unserem Standing in Europa. Sie schaden dem Zusammenhalt in Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich frage mich schon, Frau Merkel: Haben Sie denn inzwischen solche Töne nötig? Haben Sie das inzwischen nötig, um Ihre Leute hinter sich zu bringen? Müssen Sie denn wirklich diese Klischees und Stereotype bedienen? Ist das wirklich nötig? (Lachen der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) Wäre nicht etwas anderes nötig? Wäre es nicht endlich notwendig, dass Sie gegenüber der deutschen Bevölkerung und gegenüber der Öffentlichkeit erklären, warum Sie die Politik machen, die Sie machen, dass Sie erklären, warum Europa zusammengehalten werden muss, warum der Euro für uns wichtig ist? (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Zuhören!) Wäre es nicht notwendig, dass Sie mal klar und deutlich erklären, warum diese Politik notwendig ist, anstatt immer nur im Verschwurbelten und immer nur im Unklaren oder schlimmstenfalls in Klischees zu bleiben? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich muss die griechische Regierung Strukturreformen ergreifen, zum Beispiel so etwas wie eine vernünftige Steuerverwaltung einführen und so etwas wie einen vernünftigen Staat schaffen. Natürlich muss sie sich trauen, sich mit mächtigen, reichen Familienunternehmern wie den Reedern anzulegen, damit auch die endlich einmal Steuern zahlen. Aber ausgerechnet Sie, Frau Merkel, die Sie es in den letzten zehn Jahren noch nie gewagt haben, eine riskante, eine schwierige Reform anzugehen, ausgerechnet Sie, die Sie meistens noch eine Umfrage abwarten, bevor Sie sich überhaupt öffentlich äußern, ausgerechnet Sie sagen, die griechische Regierung müsse mal Härte zeigen und mit der griechischen Regierung müsse man mal hart umgehen. Ist Ihnen das nicht eigentlich selber peinlich? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, es haben ja viele vor, Nein zu sagen. (Johannes Kahrs [SPD]: Stimmen die Grünen denn alle dafür?) Man hat den Eindruck, dass Sie überhaupt nicht mehr in der Lage sind, eine vernünftige Bewertung dessen vorzunehmen, was innerhalb Europas passiert, was innerhalb der Europäischen Union, innerhalb der Euro-Zone passiert. Bei Ihnen gibt es den Wunsch, Griechenland aus dem Euro zu schmeißen, mit Griechenland einfach, damit das Ganze zu Ende geht, eine Art Ende mit Schrecken zu inszenieren. Ist Ihnen nicht klar, dass, wenn Griechenland aus dem Euro rausbricht, die Lage in Griechenland noch schlimmer wird, dass die Lage für die Menschen noch problematischer wird, wobei die Lage ohnehin schon schlimm ist, und dass das eben kein Ende mit Schrecken ist? Es mag vielleicht bei Ihrer eigenen Parteibasis im Wahlkreis ganz gut klingen, wenn man sagt: Pah, ich habe es den Griechen mal gezeigt, und ich habe mich getraut, hier mit Nein zu stimmen. Ich habe mich vielleicht sogar getraut, anders abzustimmen als Herr Kauder. – Aber ist das irgendwo eine vernünftige Haltung? Glauben Sie ernsthaft, dass damit das Problem gelöst ist? Was wird am Ende sein, wenn Griechenland aus dem Euro rausbricht? Dann wird es entsprechend ein humanitäres Paket für Griechenland geben müssen; denn Griechenland verschwindet ja nicht aus der Europäischen Union. Griechenland hört ja nicht auf zu sein. Glaubt irgendwer hier im Saal, dass wir es uns leisten können, mit Griechenland einen gescheiterten Staat in dieser noch dazu geopolitisch schwierigen Region zu haben? Deshalb kann ich nur sagen: Geben Sie sich alle einen Ruck, und sagen Sie zu diesem – wenn auch sehr schwierigen – Paket Ja! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Ja sagen wir auch!) Frau Merkel, merken Sie eigentlich nicht, dass Sie mit Ihren pragmatischen Trippelschritten, mit diesem pragmatischen Vor-sich-hin-Wurschteln, das Sie seit fünf Jahren praktizieren, am Ende nicht weiterkommen? Ich meine, es klingt im ersten Moment immer gut: Ich fahre auf Sicht. Die Zukunft ist im Dunkeln. (Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Was denn jetzt? Wenn es dunkel ist, kann man nicht auf Sicht fahren! Ich mache einen pragmatischen Schritt nach dem anderen. – Aber allein der Umstand, dass wir schon wieder über die Euro-Krise reden, dass wir seit fünf Jahren über diese Euro-Krise reden, zeigt doch, dass dieses pragmatische Durchwurschteln am Ende nicht funktionieren wird. Wir brauchen endlich einen vernünftigen Plan: Wie geht es mit der Euro-Zone weiter? Wie kommen wir zu einer wirklichen Wirtschafts- und Währungsunion? Wie kommen wir zu einem wirklichen Zusammenhalt in der Europäischen Union? Wir erwarten von Ihnen als Regierungschefin des größten und damit auch mächtigsten Euro-Landes, dass Sie sich da einmal etwas überlegen, dass Sie da vorangehen – denn Sie sind immerhin diese Regierungschefin –, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist mal richtig!) dass Sie da einmal etwas leisten und damit klar sagen, in welche Richtung es gehen soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das braucht Europa auch bei weiteren Fragen. Diese Euro-Krise ist ja nicht einmal das schwierigste Problem, das wir im Moment in Europa haben. Schauen Sie sich die Flüchtlingstragödien an, die sich im Moment im Mittelmeer, im Nahen Osten, auf den griechischen Inseln ereignen! Schauen Sie sich an, wie armselig Europa da agiert, wie armselig die nationalen Regierungen agieren! Man kann sich noch nicht einmal über die Verteilung von einigen Zehntausend Flüchtlingen einigen. Das zeigt doch, wie notwendig wir einen deutlicheren Zusammenhalt in der Europäischen Union brauchen, wie sehr wir eine Vision für Europa brauchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Natürlich sehen wir, dass in diesem Paket auch eine ganze Reihe von Defiziten drinsteckt; denn in diesem Paket gibt es automatische Ausgabenkürzungen, die am Ende prozyklisch sind und damit de facto die Krise verlängern und nicht aus der Krise herausführen. Natürlich ist in diesem Paket wieder keine vernünftige Schulden-erleichterung drin. Dabei wissen doch am Ende alle: Griechenland wird nicht in der Lage sein, die hohe Schuldenlast entsprechend zurückzuzahlen. Aber Sie sind schlichtweg zu feige, diese Wahrheit gegenüber der deutschen Bevölkerung und hier gegenüber dem Deutschen Bundestag zu äußern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In diesem ganzen Paket stecken natürlich auch noch Unmengen Wunschdenken drin. Herr Schäuble, Sie haben wieder von diesen wunderbaren Privatisierungserlösen gesprochen: 50 Milliarden Euro Privatisierungserlöse. Jetzt mal ehrlich: Sie können doch einigermaßen mit Zahlen umgehen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Einigermaßen?!) Sie wissen doch selber, dass es diese 50 Milliarden Euro nie geben wird. Es ist doch reines Wunschdenken, was Sie hier verbreiten. Seien Sie doch einfach einmal ehrlicher! Seien Sie ehrlich, was den IWF angeht! Der IWF hat in dem Punkt recht: Wir brauchen eine Schuldenerleichterung. Seien Sie entsprechend ehrlich: Es wird diese 50 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen niemals geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion wird trotz der demokratischen, sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten und Irrtümer, die in diesem Paket stecken, mehrheitlich zustimmen. Aber: Diese Zustimmung ist ein Ja zu Europa, ein Ja zu einem europäischen Kompromiss und kein Ja zu dieser Bundesregierung, die in den Verhandlungen zum Teil populistisch, zum Teil uneuropäisch und zum Teil unverantwortlich gehandelt hat. Wir stimmen zu, weil wir wissen: Wenn das Geld an Griechenland nicht fließt, dann wird Griechenland aus dem Euro brechen. Auch die Linksfraktion muss sich mal fragen, was das bedeutet. Ja, wir wissen, dass die Lage in Griechenland für viele Menschen schwierig ist und das Paket die Probleme am Ende nicht lösen wird. Aber die Alternative ist einfach schlichtweg noch schlimmer; (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Es gibt andere Alternativen! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Es gibt zwei Wege!) die Verheerungen für die griechische Wirtschaft und für die Menschen in Griechenland wären noch schlimmer. Deshalb: Geben Sie sich einen Ruck, und üben Sie Solidarität mit Griechenland und mit den Menschen in Griechenland! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion erhält nun Volker Kauder das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Volker Kauder (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns an die letzte Sondersitzung und daran, worüber wir da diskutiert haben, um den Weg für Verhandlungen frei zu machen, erinnern, dann stellen wir fest, dass doch bei vielen eine gewisse Un-sicherheit herrschte, ob dies tatsächlich zu einem guten Ergebnis führt. Zu viel ist in den Wochen davor an Diskussionen und an Hin und Her der griechischen Regierung geschehen. Man hat deshalb durchaus Verständnis haben können, wenn einige gesagt haben: Dies kann gar nicht zu einem guten Ergebnis führen. – Wenn wir jetzt aber das Ergebnis anschauen, dann zeigt sich rückblickend, dass es richtig war, noch einmal den Versuch zu machen, diese griechische Regierung auf einen richtigen Weg zu führen. Wenn man das Ergebnis anschaut, bleiben natürlich auch Fragen. Wolfgang Schäuble hat darauf hinge-wiesen, dass die allermeisten Fragen, über die wir zu entscheiden haben – übrigens nicht nur im politischen Bereich, sondern auch in anderen Bereichen –, Abwägungsfragen sind, wo es Gründe dafür und Gründe dagegen gibt und wo es nicht hundert zu null steht. In diese Abwägung müssen die folgenden Fragen einbezogen werden: Welche Konsequenzen hat ein Verhalten, also ob ich so oder anders entscheide? Welche Möglichkeiten bietet eine Entscheidung, dem anderen doch noch einmal zu helfen, über die Hürde zu kommen, die notwendig ist? Vielleicht bietet eine solche Abwägung auch die Möglichkeit, Dinge einzubeziehen, die nicht unmittelbar etwas mit dem Gegenstand zu tun haben, um den es jetzt geht. Natürlich stimme ich zu, dass alle den Erfolg Europas wollen und dass auch diejenigen, die sagen: „Wir können diesen Weg jetzt nicht mitgehen“, der Meinung sind, dass dies dazu dient, dass Europa vorankommt. Aber zur gleichen Zeit gilt auch, dass wir hier im deutschen Parlament nicht allein im luftleeren Raum entscheiden, sondern dass wir in Europa in einer Gemeinschaft sind, wo die Deutschen zwar ein bedeutendes Wort zu sagen haben, aber nicht allein sind. Hier gilt es abzuwägen, ob das, was wir erreicht haben, so weit trägt, dass wir sagen können: Jawohl, wir gehen diesen Weg mit. Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass beim letzten Mal die Finanzminister in der Euro-Gruppe zu einem großen Teil anderer Meinung waren. Dieses Mal aber war die Meinung dahin gehend einheitlich, dass jetzt etwas erreicht worden ist, was tragfähig sein könnte. Deshalb kommt es auch darauf an, in diesem Europa zusammenzubleiben. Deswegen glaube ich, dass es viele gute Gründe gibt, diesem Antrag, den Wolfgang Schäuble erläutert hat, jetzt zuzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt sicher aber auch andere Gründe, zuzustimmen, etwa weil in diesem Europa Aufgaben vor uns liegen, die sich vielleicht als schwerer herausstellen könnten als die Aufgaben, die wir im Augenblick schon als schwer wahrnehmen. Wir sehen, dass Europa mit dieser gemeinsamen Entscheidung für Griechenland einen richtigen Weg beschritten hat, nämlich zusammenzubleiben und eine Lösung zu finden. Für die Menschen – das sage ich aufgrund meiner vielen Begegnungen und Erfahrungen aus meinem eigenen Wahlkreis – ist Griechenland ein Thema. Aber es wird nicht am Thema Griechenland, das für viele abstrakt ist, beurteilt werden, ob wir wirklich die Kraft haben, ein Problem anzupacken und zu lösen, sondern am Thema Flüchtlinge und Asyl, das den Menschen persönlich immer näher kommt. Hier wird es darauf ankommen, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern in Europa eine Lösung finden. Ich finde, Europa muss noch einmal einen energischen Schritt machen. Es kann nicht heißen: Jetzt haben wir uns mit Griechenland beschäftigt und sind froh, dass wir jetzt eine Lösung auf den Tisch gelegt haben, und jetzt ist erst einmal Atempause. – Es muss heißen: Die Gemeinsamkeiten, die wir für Griechenland gefunden haben, sind erst der Anfang, um auch Gemeinsamkeiten bei diesem zentralen und wichtigen Thema des Umgangs mit Flüchtlingen zu finden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es wird immer wieder in die Diskussion hineingebracht, dass die Deutschen in Bezug auf Griechenland besondere Forderungen haben und besonders streng sind. Herr Hofreiter, Sie haben vorhin gesagt, man wäre so streng gewesen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe gesagt: Es ist kein Kriterium! Ob es funktioniert oder nicht, das ist ein Kriterium!) – Ja, aber ich sage Ihnen einmal: Ich bin felsenfest davon überzeugt, wenn die deutsche Bundesregierung in ihrer Verhandlungsführung nicht so streng gewesen wäre, hätten wir dieses Ergebnis heute nicht erzielt. Deswegen war dieser Weg notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU) Auf der anderen Seite müssen wir sagen: Wir haben einen guten Kompromiss gefunden. Jetzt müssen wir in Europa verlangen, dass wir auch in den Asyl- und Flüchtlingsfragen zu einem Ergebnis kommen. Wenn schon international festgestellt wird, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufnimmt, während andere Länder in Europa dies nicht tun, dann ist das doch eine Herausforderung. Hier muss ich sagen: Europa wird seine Stärke nicht nur dadurch zeigen, dass wir jetzt in der Euro-Zone zusammenbleiben. Die Menschen werden die Stärke Europas suchen, wenn es darum geht, Möglichkeiten zu finden, die Probleme beim Thema Flüchtlinge und Asyl zu lösen, und nicht bei einem anderen Thema. Hierzu kann ich nur aus leidvoller Erfahrung sagen – es gibt einige Kollegen, die dies miterlebt haben –: Als 1991/92 die Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern enorm gestiegen sind, haben wir uns eine partei-politische Diskussion geleistet, die zu verheerenden Ergebnissen geführt hat. Erst nachdem wir uns diese Diskussionen geleistet haben, sind wir in die Lage gekommen, miteinander einen guten Kompromiss zu finden. (Zurufe von der LINKEN) Deswegen sage ich auch im Hinblick auf die eine oder andere aktuelle Äußerung: Ich rate allen dringend dazu, das Thema Flüchtlinge und Asyl nicht zu einem parteipolitischen Kampffeld zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dazu ermahne ich alle. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal mit der CSU gesprochen? Mit Herrn Seehofer? – Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE]) – Es würde mich schon enttäuschen, wenn dieser Appell so endete wie jetzt bei Ihnen, Frau Kollegin. Ich habe doch gerade darauf hingewiesen, dass wir versuchen müssen und sollen, gemeinsame Lösungen zu finden. Das ist nicht nur ein Thema der Bundesregierung, das ist nicht nur ein Thema des Deutschen Bundestages, sondern das ist auch ein Thema des Bundesrates und der Bundesländer. Das ist ein Thema, das uns alle bewegt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Deswegen setze ich schon darauf – dafür wäre ich sehr dankbar –, dass wir hier, in dieser Demokratie, bei einer Herausforderung, die nicht nur CDU/CSU, SPD und andere betrifft, sondern alle betrifft, die Regierungsverantwortung in diesem Land haben, zu gemeinsamen Lösungen und Beschlüssen kommen und damit Europa zeigen: So wie wir handlungsfähig sind, so muss auch Europa handlungsfähig werden. Wir haben jetzt beim Thema Griechenland schwierige Diskussionen auch gerade in meiner Fraktion. Aber ich sage Ihnen: Letztlich werden wir daran gemessen, ob wir das Thema Asyl und Flüchtlinge sachgerecht lösen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Carsten Schneider ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte doch noch mal zu dem Thema kommen, über das wir heute abstimmen werden – nämlich die Frage der -Finanzhilfen für Griechenland in den nächsten drei Jahren –, und zu den Konsequenzen, die sich mit dieser Abstimmung verbinden. Vor vier Wochen hat der Bundestag der Regierung, dem Finanzminister einen Verhandlungsauftrag erteilt. Damals gab es ein sehr uneinheitliches Bild auch im Bundestag selbst: Ablehnung bei der Linksfraktion, bei den Grünen war es gemischt – da war alles dabei –, die Union unsicher. Es ist aber eine der ganz zentralen Fragen in dieser Legislaturperiode, wie unsere Währung, wie Europa zusammengehalten wird. Ich glaube, dass das, was wir jetzt als Ergebnis vorliegen haben, viel besser ist als das, was der Verhandlungsauftrag und die Verabredung der Staats- und Regierungschefs vom Juli vorsahen. Warum ist das so? Was wären die Konsequenzen, wenn wir hier Nein sagen würden? Erstens. Die Griechen haben nach einem halben Jahr der Turbulenzen und des Selbstfindungsprozesses der Regierung jetzt sehr eindeutig die Kurve gekriegt. Der Ministerpräsident kämpft um Reformen in seinem Land. Er hat begriffen, dass sich Griechenland nur selbst helfen kann. Insofern ist es absolut zu begrüßen, dass die Griechen sowohl die Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung als auch die Wiederbelebung des wirtschaftlichen Wachstums angehen, indem Struktur-reformen in diesem Land durchgeführt werden, die dazu führen, dass es zu mehr wirtschaftlicher Beteiligung in Freiheit kommt. Das soll endlich gelingen. Das unterstützen wir, und das haben wir Sozialdemokraten auch immer gefordert. (Beifall bei der SPD) Das Zweite ist: Wir haben eine längere Perspektive. Wissen Sie, das ist jetzt das dritte Programm. Wir haben viele Debatten über die Programme geführt, und ich habe oft im Bundestag gesagt – auch entgegen dem, was Teile der damaligen schwarz-gelben Regierung gesagt haben: „Wir geben kein Geld, das kostet alles nichts, es ist nur ein Paket und dann nie wieder“ –: Es kann durchaus sein, dass wir auch über ein drittes Programm reden müssen; man muss dem klar ins Auge sehen. Jetzt zitiere ich einmal eine Zeitung, die der SPD nicht unbedingt nahe steht, Die Welt vom 18. August, die titelt: „Wie die drei Affen – und das jahrelang“, also: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. – Und weiter: „Unionspolitiker wollten nie über ein drittes Hilfspaket und einen Schuldenerlass für Athen reden. Nun kommt wohl beides.“ Ich will nicht ausschließen, dass beides kommt, insbesondere was den Schuldenerlass betrifft. Es hängt auch sehr stark vom Wachstum in Griechenland ab, ob das notwendig ist. Aber klar ist, dass man mit einer klaren Haltung, mit Überzeugung herangehen muss, auch mit der Konsequenz, innenpolitisch unangenehme Dinge zu sagen, also der Bevölkerung zu sagen: Es ist wichtig, dass wir den Euro – in allen Ländern – behalten. Es ist unsere Währung, es ist unser Geld. – Damit spielt man nicht, und schon gar nicht, um innenpolitisch kurzfristig Erfolg zu erzielen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]) Das hat die SPD auch nie getan, sondern wir haben uns sehr stark – selbst in der Opposition – dafür eingesetzt, dieses übergreifende europäische Projekt zu vollenden. (Zuruf des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]) Ich will nun aufgreifen, was der Bundesfinanzminister zu Beginn gesagt hat. Er hat von einer unfertigen Währungsunion gesprochen. Das stimmt, sie ist unfertig, weil wir noch in ganz vielen Bereichen Autonomie haben, insbesondere was die Steuer- und Haushaltspolitik betrifft. Die Frage, die sich damit für die Zukunft stellt, lautet: Wie geht es weiter? Gehen wir zurück zu einem Nationalstaat, oder gehen wir in Richtung eines starken und gerechten Europas, insbesondere auch bei der Frage der Besteuerung von Konzernen? Wir Sozialdemokraten sind ganz klar auf dem Weg, zu sagen: Wir wollen ein starkes Europa, das diese Aufgaben, die Herr Kauder hier eben auch zu Recht beschrieben hat, bewältigen kann. Das geht nur gemeinsam, und deswegen ist es richtig, dass wir als Sozialdemokraten heute – und deswegen werbe ich auch dafür – dem Antrag der griechischen Regierung sehr geschlossen stattgeben und ihr helfen wollen, ihr Land in den nächsten drei Jahren wieder auf Vordermann zu bringen. (Beifall bei der SPD) Es ist gut, dass der Grexit vom Tisch ist. Es ist gut, dass den Griechen – entgegen dem ursprünglichen Programm – auch noch geholfen wird, indem nämlich in den nächsten ein, zwei Jahren nicht so viel gespart werden muss – das ist der sogenannte Primärüberschuss –, sondern es einen langsameren Pfad gibt, auf dem der Überschuss erbracht werden muss. Ich habe mich, Herr Gysi, doch einigermaßen über Ihre Rede gewundert, in der Sie – wie Herr Kauder – ja auch andere Themen angesprochen haben, aber nicht das, worüber wirklich zu reden gewesen wäre. Ich komme noch einmal zu dem Griechenland-Punkt zurück: Im Februar haben weite Teile Ihrer Fraktion – das fand ich bemerkenswert – gesagt: Wir stimmen der Verlängerung des zweiten Hilfspakets zu. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Zeit gewinnen!) Jetzt lehnen Sie den Antrag der Syriza-Regierung ab, (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie stellen den Antrag, nicht die Griechen stellen den Antrag!) in dem wir sogar eine Drei-Jahres-Perspektive haben. Ich will nur einen Punkt herausgreifen: Sie haben gesagt, die Mehrwertsteuererhöhung und -vereinheitlichung für die Hotels auf den Inseln wäre wirtschaftspolitisch unsinnig. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Das sind zwei Themen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Lieber Kollege Schneider, darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen? Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Gleich. Ich will nur den Punkt zu Ende bringen. Sie haben gesagt, dass das wirtschaftspolitisch unsinnig sei. Sehen Sie, in dem MoU stehen viele Sachen, was das Land wirtschaftspolitisch machen muss. Das sind viele kluge Dinge, (Katja Kipping [DIE LINKE]: Beschäftigtenrechte! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Privatisierung der Banken!) beispielsweise die Liberalisierung von angestammten Berufen wie Notaren oder mehr Wettbewerb herzustellen. Hier denke ich an die Mövenpick-Steuer, die Hotelsteuer, die die schwarz-gelbe Regierung damals zur Begünstigung der Hotels in Deutschland eingeführt hat. Damals haben Sie dagegengestimmt. Da waren Sie wie wir der Auffassung: Es ist unsinnig, das so zu machen. – Jetzt soll in Griechenland die Steuer erhöht werden, und Sie sagen, das sei unsinnig. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Mehrwertsteuer ist eine für alle und trifft nicht nur Hotels!) Das ist keine Logik, das ist auch keine Dialektik – vielleicht verstehe ich Sie auch nicht –, es ist jedenfalls unsinnig. (Beifall bei der SPD) Herr Kollege Ernst, noch ein Wort zu den Zinsen: Sehen Sie, Herr Gysi hat gesagt, die unabhängige EZB habe jetzt auf Druck Deutschlands dafür gesorgt, dass die Zinsen für die Staatsanleihen Deutschlands gesunken sind, teilweise auf null. Das ist ganz großer Blödsinn. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!) Denn erstens ist die EZB unabhängig; es gibt keinen Druck auf sie. Im Gegenteil: (Lachen bei der LINKEN) Es ist eher andersherum. Zum Zweiten. Die Staatsanleihen Deutschlands werden am Markt gehandelt. Das sind insgesamt fast 2 Billionen Euro. Die werden pro Jahr sechsmal umgeschlagen; da geht es um circa 10 Billionen Euro. 80 Prozent der Investoren sind Ausländer. Die Preise werden am Markt festgestellt. Ich bin froh, dass wir nicht so viel Zinsen zahlen müssen wie geplant, dass wir diese 100 Milliarden Euro sparen, sie vielmehr investieren können und keine Schulden dafür machen müssen. Darüber bin ich froh und nicht wie Sie der Auffassung, wie Sie es hier gesagt haben, dass wir beim deutschen Sparer sparen. Das ist doch absoluter Blödsinn. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Wenn überhaupt, dann muss die Zwischenfrage jetzt gestellt werden, oder die Redezeit ist vorbei. – Bitte schön, Herr Kollege Ernst. Klaus Ernst (DIE LINKE): Danke schön. – Sie haben es so dargestellt, als würden wir den Antrag von Syriza ablehnen. Ich weiß nicht, ob Ihnen entgangen ist, dass hier der Antrag der Regierung zur Abstimmung steht und nicht der Antrag von Syriza. – Das ist insofern interessant, als Sie daran den Unterschied zwischen unserer und Ihrer Politik erkennen können. Wir stimmen hier nicht darüber ab – wie der Kollege Oppermann behauptet hat –, ob wir die „linksradikale Position“ von Syriza unterstützen – die steht überhaupt nicht zur Debatte –, sondern wir stimmen über den Weg ab, den die Bundesregierung also auch mit Unterstützung der Sozialdemokraten vorschlägt, der dazu beiträgt, dass das Wachstum in Griechenland weiter geschwächt wird, der im Ergebnis dazu führt, dass die Steuereinnahmen in Griechenland weiter sinken werden, was im Ergebnis dann wiederum dazu führen wird, dass Griechenland nicht in die Lage versetzt wird, seine Schulden zurückzuzahlen. Darüber stimmen wir ab. Ich bitte Sie einfach, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir hier in Deutschland nur über Dinge abzustimmen haben, die wir beeinflussen können. Wir haben die Regierung hier zu kontrollieren und nicht die griechische. Die Regierung in Deutschland trägt maßgeblich dazu bei, die Erpressung der griechischen Regierung fortzusetzen, sie trägt dazu bei, die Austeritätspolitik, die übrigens von der Sozialdemokratie oft kritisiert wurde, fortzusetzen. Solch einer Politik können wir nicht zustimmen, obwohl wir Syriza unterstützen. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der LINKEN) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Kollege Ernst, zunächst einmal vielen Dank, dass ich ein paar Bemerkungen zu den Positionen der Linkspartei machen kann. Zu Griechenland. Es gab Wachstum in Griechenland; Finanzminister Schäuble hat zu Recht darauf hingewiesen. Für 2015 wurden fast 3 Prozent Wachstum erwartet. Nachdem dann die Regierung von Herrn Tsipras gewählt wurde, ist es zurückgegangen. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Nee, nee, nee! Es ist vorher um 25 Prozent gesunken!) Es ist auch eindeutig, warum es zurückgegangen ist: Diese Regierung wusste nicht, ob sie im Euro bleiben will oder nicht. Sie wollte uns erpressen. Das war die Situation. Das hat zu großer Verunsicherung geführt. Die Wahlversprechen, die Syriza gemacht hat – Grundsteuer soll es nicht mehr geben etc. –, die Sie in Teilen auch machen, konnten alle nicht eingehalten werden. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Sind Sie der Pressesprecher von Herrn Schäuble?) Trotzdem haben die Griechen gesagt: Die haben es versprochen, deswegen zahlen wir jetzt alle keine Grundsteuer mehr. – Deswegen sind die Steuereinnahmen zurückgegangen. Niemand hat mehr investiert, weil keiner wusste, ob der Euro bleibt oder nicht. Die Griechen selbst haben darüber abgestimmt, ob sie dieser Regierung vertrauen, indem sie ihr Geld von den Konten geholt haben. Das war eine Abstimmung mit den Füßen. Diese Unsicherheit, die ein halbes Jahr gedauert hat, hat Griechenland extrem viel Zeit und wahrscheinlich wirtschaftliche und soziale Substanz gekostet. Das war ein großer Fehler. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und vorher war alles in Ordnung, ja?) Ich stelle fest: Im Februar waren Sie noch für die Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! Wir haben dem Zeitgewinn zugestimmt!) Das war noch härter als das, über das wir jetzt abstimmen. Die Primärüberschüsse, die man durch das vorherige Programm erzielen wollte, lagen bei 3,5 oder 4,5 Prozent. Jetzt reden wir über einen geringeren Primärüberschuss im Jahr 2015 von minus 0,25 Prozent. Minus! In 2016 beträgt er nicht einmal 1 Prozent. Das heißt: Griechenland muss weniger sparen als ursprünglich geplant, und dem haben Sie zugestimmt. Ich stelle fest: Der linksradikale Flügel der Linkspartei und Frau Wagenknecht haben sich durchgesetzt, nicht der realistische Flügel, den Sie in Teilen vertreten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der wichtigen Entscheidung, vor der wir heute stehen, sage ich: Die Sozialdemokratie wird dem Hilfspaket zustimmen. Wir werden nachhalten, dass die Reformen in Griechenland auch umgesetzt werden. Ich glaube auch, dass wir noch mehr für Wachstum in Griechenland tun müssen. Mit einem klaren Kurs und einer klaren Haltung sind wir für die Zukunft gut gewappnet. Deutschland ist in den Händen einer Regierung, an der wir Sozialdemokraten beteiligt sind – das zeigt gerade die heutige Debatte –, gut aufgehoben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier häufig das Wort „Solidarität“ gebraucht worden. Uns als Linken ist vorgeworfen worden, wir wären nicht solidarisch mit Griechenland. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Zu Recht!) Ich werde Ihnen einmal sagen, was wirkliche Solidarität mit Griechenland bedeuten würde, nämlich eine echte Schuldenerleichterung; wenn Sie schon das Wort „Schuldenschnitt“ nicht über die Lippen bekommen. Das würde echte Solidarität bedeuten. (Beifall bei der LINKEN) Solidarität mit Griechenland bedeutet, echte Investitionen zu ermöglichen, zum Beispiel aus unseren immensen Zinsgewinnen. Das wäre Solidarität. (Beifall bei der LINKEN) Solidarität hieße: Respekt vor den demokratischen Institutionen in Griechenland statt Erpressung und Entmündigung. Das ist Solidarität. (Beifall bei der LINKEN) Man muss dieser Regierung auch einmal Zeit zum Arbeiten geben. Sie ist seit sechs Monaten im Amt. Am Sonntag war die Wahl, am Montag haben sie angefangen, zu regieren. Gucken Sie sich einmal an, wie das in Deutschland ist: Da fängt eine Regierung nach sechs Monaten im besten Fall an, zu arbeiten. Ich finde, das muss man anerkennen. Man muss ihnen die Gelegenheit geben, ihre Programme durchzusetzen. Man sollte nicht so tun, als müsse man Syriza und Herrn Tsipras überreden, die Reichen im Land zu besteuern. Das war ein zentraler Punkt seines Wahlprogramms. Alles andere, was hier behauptet wird, ist eine Diffamierung dieser Partei und dieser Regierung, und das lassen wir nicht zu. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Spinrath [SPD]: Aber sie haben es nicht gemacht!) Ich sage Ihnen: Solidarität bedeutet nicht, Griechenland ein Programm aufzuzwingen, das wirtschaftlich fatal ist, das Sozialabbau und Privatisierungen erzwingt. Das ist keine Solidarität, sondern das Gegenteil von europäischer Solidarität. (Beifall bei der LINKEN) Bereits mit dem ersten und dem zweiten sogenannten Hilfspaket hat die Bundesregierung Griechenland an den wirtschaftlichen Abgrund geführt. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache – ich nenne Ihnen nur zwei –: Die Kindersterblichkeit in diesem europäischen Land ist um 43 Prozent gestiegen, und über 3 Millionen Menschen haben keine Krankenversicherung. In Griechenland herrscht ein humanitärer Notstand. Dieses Land braucht wirkliche Hilfe und keine Kürzungsdiktate. (Beifall bei der LINKEN – Petra Hinz [Essen] [SPD]: Deswegen stimmen Sie dagegen!) Wir hier in Deutschland haben es 2008 doch ganz anders gemacht; das wissen auch Herr Schäuble und Frau Merkel. Wir haben in der Finanzkrise 2008/2009 eine völlig entgegengesetzte Entscheidung getroffen. Auf Vorschlag der Linken – ursprünglich kam er von der Linken, wurde dann aber von anderen übernommen – wurde in Deutschland ein großes Investitionsprogramm gestartet. Hinzu kamen die Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes und die Einführung der Abwrackprämie. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das war auch von Ihnen? Ich glaube es ja!) Ich frage Sie alle: Warum haben die Kanzlerin und der Finanzminister Griechenland eine Medizin verschrieben, die sie für Deutschland nie akzeptiert hätten? (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nach dem Misserfolg der ersten beiden Programme hätte sich die Bundesregierung doch sagen müssen: Stopp, das läuft falsch; hier müssen wir etwas tun. Wenn eine Medizin bei einer Krankheit nicht wirkt, dann ist es doch absolut absurd, zu sagen, dass diese Krankheit dadurch bekämpft wird, dass diese Medizin in fünffacher Dosis verschrieben wird. Nein, wir sagen: Diese falsche Medizin muss endlich abgesetzt werden. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen noch ein Wort zu unseren Zinsgewinnen: Diese Zinsgewinne haben dazu beigetragen, dass wir hier in Deutschland etwas erreichen konnten, womit sich der Finanzminister gerne schmückt, nämlich die berühmte schwarze Null. Dass diese schwarze Null zu einem großen Teil aus Zinseinsparungen infolge der Schuldenkrise resultiert, haben nicht wir ausgerechnet, sondern das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle berechnet, gewiss keine Vorfeldorganisation der Linken. Wir haben von der Griechenland-Krise bisher profitiert. Das ist das Gegenteil von Solidarität. Ich finde, wahre Solidarität besteht darin, Programme aufzulegen, die erstens die europäische Idee und den europäischen Zusammenhalt stärken und zweitens dafür sorgen, dass in Griechenland die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Das, was jetzt beschlossen wurde, ist eine große Hilfe für die Banken, die mit Steuergeldern gerettet wurden, und auch eine Hilfe für die herrschende Politik hier in Deutschland. Jeder muss wissen, worüber wir abstimmen. Wir stimmen nicht über Hilfen für Griechenland ab, sondern über ein böses Spiel mit den Menschen in Griechenland, und dagegen wird die Linke immer kämpfen. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gerda Hasselfeldt ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur einige wenige Bemerkungen in die Debatte einwerfen. Erstens. Die griechische Regierung und das griechische Parlament haben inzwischen offensichtlich den Ernst der Lage erkannt. Sie sind zu Reformen bereit, ja, sie haben mittlerweile sogar im Vorgriff auf das Verhandlungsergebnis eine ganze Reihe von Gesetzen beschlossen. Das alles zeigt: Athen hat begriffen, worum es geht. In Athen wird verstanden, dass es keinen schmerzfreien Weg aus dieser Schuldenkrise in Griechenland gibt. Ich finde, es ist an der Zeit, dass auch die Linke bei uns im Parlament dies endlich begreift. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zweite Bemerkung. Es bleibt bei dem wichtigen Grundsatz: Europäische Solidarität kann es nur in Verbindung mit den notwendigen nationalen Reformen geben, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das darf nicht nur auf dem Papier stehen; denn dafür gibt es gute Gründe: Erstens wird das Programm keinen Erfolg haben, wenn nicht auch zügige Reformen durchgeführt werden, Reformen, die dazu geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wiederherzustellen, die aber auch dazu geeignet sind, den Staat wieder in Ordnung zu bringen und effizient zu gestalten. Zweitens ist Europa keine Schuldenunion. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!) Solidarität bedeutet nicht Übernahme der Schulden und Vergemeinschaftung der Schulden. (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: 27 Prozent!) Nicht zuletzt deshalb haben wir uns in unserer Fraktion seit Jahren immer wieder erfolgreich dagegen gewehrt – das haben wir auch europäisch durchgesetzt –, dass es Euro-Bonds und eine Vergemeinschaftung der Schulden gibt. Jedes Land muss seine Hausaufgaben selbst machen. Es erfährt vorübergehende Hilfe von uns, aber die Hausaufgaben müssen selbst gemacht werden. Deshalb kann es keinen Verzicht auf die notwendigen Reformen geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Drittens. Die Ergebnisse in Spanien, in Portugal, in -Irland zeigen doch, dass dieser Weg – Solidarität in Verbindung mit den notwendigen nationalen Reformen – richtig und erfolgreich war. Auch die harte Haltung in Griechenland zeigt, dass dies notwendig ist. Wir haben ja in Griechenland erlebt, dass dann, wenn der Reformdruck weg ist, wenn frühere Reformen zurückgenommen werden, die wirtschaftliche Entwicklung und die Stabilität des Landes nachlassen und die Probleme für die Menschen größer werden. Nur durch den Druck, der in den letzten Monaten erzeugt wurde, hat sich auch in Griechenland etwas bewegt. Auszahlungen sind nicht erfolgt, weil Verabredungen nicht eingehalten wurden. Europa hat sich nicht erpressen lassen. Wir haben der griechischen Regierung damals nicht nachgegeben. Nur deshalb war es auch möglich, dass in der griechischen Regierung und im griechischen Parlament das notwendige Umdenken eingesetzt hat, das die Grundlage für dieses Programm ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das trägt eindeutig die deutsche Handschrift. Unser Bundesfinanzminister und unsere Bundeskanzlerin haben hieran maßgeblich mitgewirkt. Sie haben sich deshalb – ich sage das mit voller Überzeugung – um die Stabilität unserer gemeinsamen Währung, um dieses gemeinsame europäische Haus große Verdienste erworben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine weitere Bemerkung, meine Damen und Herren. Dieses Programm ist geprägt von strengeren Auflagen, von strengeren, intensiveren, engmaschigeren Kontrollen. Es wurde in verschiedenen Debattenbeiträgen schon darauf hingewiesen; deshalb brauche ich das nicht zu wiederholen. Ich sage nur: Das war und ist auch notwendig, und zwar deshalb, weil durch die verlorenen sechs Monate in diesem Jahr, durch das bisherige Versäumen von Reformen durch die griechische Regierung die -Situation nicht besser, sondern schlechter geworden ist. Es ist auch notwendig, strengere, engmaschigere Kon-trollen zu machen, weil das Vertrauen in den letzten Monaten durchaus gestört wurde; da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Dieses Vertrauen, das zerstört wurde, muss jetzt wieder aufgebaut werden. Das ist Sache der griechischen Regierung, und ich hoffe sehr, dass wir da nicht enttäuscht werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Eine vierte Bemerkung will ich machen. Sie betrifft die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds. Wir sind fest davon überzeugt, dass der IWF auch künftig mit an Bord sein muss. Der Internationale Währungsfonds hat große, jahrzehntelange Erfahrung in der Bewältigung von Staatsschuldenkrisen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Der Internationale Währungsfonds hat eigene Regeln, er hat einen unabhängigeren Blick als die europäischen Beteiligten. (Lachen des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Aus all diesen Gründen ist die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds auch künftig notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Bundesfinanzminister hat vorhin auf die verfahrensmäßigen und rechtlichen Probleme hingewiesen. Der IWF war an allen Verhandlungen beteiligt, und er hat das Verhandlungsergebnis auch begrüßt. Das ist eine ganz wesentliche Grundlage für alles, was weiterhin kommt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir werden das, was Griechenland zu erledigen hat, bei der ersten Überprüfung im Herbst gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds sehr genau überprüfen und bei dieser Gelegenheit auch über mögliche Schuldenerleichterungen sprechen. Man kann über Fristen, über Laufzeiten sicherlich reden; aber ein nominaler Schuldenschnitt verbietet sich nicht nur rechtlich, sondern ist auch politisch nicht geboten. Wir wollen und wir brauchen keine Schuldenunion in Europa. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nun bleibt – das ist meine letzte Bemerkung – die Frage: Behindert dieses Programm eventuell Investitionen und Wachstum? Trägt es dazu bei oder nicht? Ich will zunächst einmal feststellen: Ein solches europäisches Rettungsprogramm – das gilt nicht nur für dieses hier – ist kein Investitionsprogramm, sondern ein Programm, das dazu dient, dass sich das jeweilige Land wieder am Kapitalmarkt finanzieren kann. Der Zugang zu den Kapitalmärkten ist das Ziel dieses Programms, (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!) und dazu wird befristete Hilfestellung geleistet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nun frage ich Sie: Wer wird denn in einem Land investieren, in dem der Staat nicht funktioniert, in dem die rechtsstaatlichen Fundamente nicht vorhanden sind, in einem Land, das verschuldet ist? Ich sage Ihnen: Niemand! Das hat auch die Situation in Griechenland in den letzten sechs Monaten gezeigt. Die Grundvoraussetzung für Investitionen sind doch nicht irgendwelche Programme, sondern die Grundvoraussetzung für Investitionen ist, dass der Staat funktioniert, dass er verlässlich ist, dass es einen verlässlichen, funktionierenden Staatsaufbau und ein Staatswesen gibt, durch das sich auch wettbewerbsfähige Wirtschaft entfalten kann. Genau da setzt dieses Programm mit an, nämlich durch Auflagen hinsichtlich verschiedener Reformen im Arbeitsmarktbereich, im Steuerbereich, im Verwaltungsbereich, im Rentenbereich und in vielen Bereichen mehr. Das – und nicht allein irgendein Programm – ist der Schlüssel zu Investitionen. Die Strukturen müssen wieder so gesetzt werden, dass sich Investitionstätigkeit abspielt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand hier im Haus macht sich die Entscheidung leicht. Wir haben ja nicht nur gestern und heute gerungen, sondern wir diskutieren seit langem immer wieder über die Frage: Wie können wir die Probleme in Griechenland gemeinsam lösen? Für mich gilt: Erstens. Das Prinzip Solidarität und Eigenverantwortung ist in diesem Programm nicht nur gewahrt, sondern besonders stark ausgeprägt. Zweitens. Die Auflagen sind strenger, stringenter. Die Kontrolle ist engmaschiger, was auch notwendig ist. Drittens. Die Hartnäckigkeit der Bundesregierung hat sich bewährt. Sie hat dazu geführt, dass in Griechenland ein Umdenken stattgefunden hat. Viertens. Dieses Programm ist ein gemeinsames, europäisches Programm, dem alle europäischen Länder zustimmen. Mit all seinen Maßnahmen bietet dieses Programm eine gute Chance für Griechenland, die Staatsschuldenkrise zu bewältigen. Es ist eine gute Grundlage für eine weitere positive wirtschaftliche und politische Entwicklung in Europa, ja, für weitere wirtschaftliche und politische Stabilität in Europa. Dies brauchen wir, wenn wir die anderen Probleme, die gerade angesprochen wurden, wie beispielsweise die Asylproblematik, gemeinsam lösen wollen. Deshalb empfehle ich Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Johannes Kahrs [SPD]: Ruhig bleiben, Sven!) Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Anfang nur ein Wort zu Ihrer Rede, Herr Kauder. Sie haben gesagt, Sie wollten das Thema Asyl und Flüchtlinge nicht parteipolitisch ausschlachten; das ist auch richtig. Aber genau das haben Sie in Ihrer Rede gemacht, nämlich das Thema parteipolitisch ausgeschlachtet. Das finde ich scheinheilig und unwürdig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Zu Griechenland. Mit diesem dritten Kreditprogramm wird der Grexit abgewendet. Damit ist auch klar: Ihre Versuche, Finanzminister Schäuble, Griechenland aus der Euro-Zone rauszumobben, sind gescheitert, weil Italien, Frankreich und die EU-Kommission das verhindert haben. Das ist heute die positive Nachricht im Rahmen des Beschlusses über dieses Programm. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Mit diesem Programm wird Zeit gekauft. Eine -zentrale Grundvoraussetzung ist aber, dass jetzt die unsäglichen Grexit-Debatten der letzten Monate wirklich aufhören, damit Investoren nach Griechenland zurückkommen. Deswegen muss für diese Bundesregierung, die diese Debatte befeuert hat, klar sein: Grexit isch over. Griechenland bleibt im Euro-Raum – Punkt. Das muss jetzt die klare Linie der Bundesregierung sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Leider haben das viele in der Union noch nicht verstanden. Deswegen ist Herr Kauder auch so nervös. Viele wollen weiterhin den Grexit. Christian von Stetten schlägt einen eigenen Untersuchungsausschuss vor – gegen die eigene Regierung wohlgemerkt. (Widerspruch des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) Volker Kauder hat die Mitglieder seiner eigenen Fraktion bedroht. All das hat nichts genützt. Es gibt weiterhin rund 60 Abweichler. Man muss klar sehen: In der Union brennt die Hütte. Diese 60 Abweichler sind ein klares Misstrauensvotum, nicht nur gegen Volker Kauder, sondern auch gegen Angela Merkel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Heilsbringer soll jetzt der IWF sein. Ich finde, da hat man sich den falschen Propheten ausgesucht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Kindler, darf der Kollege von Stetten, der sich offenkundig persönlich angesprochen fühlt, eine Zwischenbemerkung machen? Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, gerne. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte. Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Herr Kollege, Sie haben gerade behauptet, dass ich einen Untersuchungsausschuss gefordert hätte. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen. Ich kann Ihnen mitteilen – ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen –, dass ich gefragt worden bin, warum ich die rechtlichen Fragen jetzt gelöst haben möchte, und dass ich darauf geantwortet habe: Wir müssen sie heute lösen, weil ich nicht in einigen Jahren vor einem Untersuchungsausschuss unangenehme Fragen gestellt bekommen möchte. Ich habe mit keinem Wort einen Untersuchungsausschuss gefordert und werde auch der Einsetzung eines solchen Ausschusses nicht zustimmen. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Herzlichen Dank. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an den Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Das haben Sie wieder falsch gelesen!) Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege von Stetten, es ist ziemlich interessant, dass Sie jetzt deutlich zurückrudern. Aber warum haben Sie diese Bemerkung eigentlich gemacht? Sie haben das Wort „Untersuchungsausschuss“ in die Medien gebracht und klargemacht, dass Sie deutliche Zweifel an Ihrer eigenen Regierung bzw. Ihrer eigenen Fraktion haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Rund 60 Abgeordnete haben es ebenso gemacht. Laut Handelsblatt sind 15 Abgeordnete nicht aus ihrem Urlaub zurückgekehrt, weil sie heute nicht mit Nein stimmen wollten, weil sie anscheinend Angst vor Herrn Kauder und davor haben, dass sie aus den Ausschüssen entfernt werden. Sie haben gestern nur eine Stunde diskutiert, obwohl Sie so viele Fragen haben. (Widerspruch der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]) Deshalb frage ich Sie: Wie nehmen Sie Ihre Verantwortung als frei gewählter Abgeordneter in der Unionsfraktion wahr? Wo machen Sie dort klar, welche Position Sie haben? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die letzte Klammer, die Sie, Herr von Stetten, und die anderen Abweichler mit der gesamten Unionsfraktion verbindet, ist der Internationale Währungsfonds. Das Problem ist aber, dass Sie sich einen falschen Heilsbringer und Propheten ausgesucht haben. Man kann nicht den Internationalen Währungsfonds weiter an Bord halten und gleichzeitig seine Botschaft, die richtige Analyse zur Schuldentragfähigkeit und zur Schuldenerleichterung, ablehnen. Das macht doch keinen Sinn. Das ist widersprüchlich und peinlich. Es versteht keiner draußen im Land, warum Sie den Internationalen Währungsfonds weiter dabeihaben wollen, aber gegen Schuldenerleichterungen sind. Diese Position müssen Sie in der Union klären und sich klar dazu bekennen, dass es bei dem Programm Schuldenerleichterungen braucht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Schuldenerleichterung wird sowieso kommen, mit oder ohne IWF. Das ist jedem klar. Denn eine Verschuldung von 200 Prozent des BIP im nächsten Jahr nach den Prognosen ist nicht tragfähig. Aus unserer Sicht wäre es allerdings besser, wenn man das ohne den IWF macht, weil Europa das Problem alleine lösen kann. Der IWF sieht höhere Zinsen und geringere Laufzeiten vor. Damit erhöhen sich die Kreditkonditionen für Griechenland, und die Umschuldung wird erschwert. Deswegen sagen wir: Wir Grünen glauben an Europa. Wir glauben, dass der ESM das alleine schaffen kann. Er hat das notwendige Volumen. Griechenland braucht zwar eine Schuldenerleichterung, aber lieber ohne den IWF. Das wäre die bessere Antwort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, gerade in Deutschland muss man verstehen, dass Schuldenerleichterungen besonders wichtig sind, damit ein Land und seine Gesellschaft wieder auf die Beine kommen. Natürlich haben die griechischen Regierungen in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Das ist völlig unbestritten. Sie haben sich überschuldet und müssen jetzt Reformen durchführen. Aber das, was die griechische Regierung gemacht hat, ist nichts im Vergleich zu dem, was Deutschland im letzten Jahrhundert verbrochen hat, und trotzdem hat es massive Schuldenschnitte und Schuldenerleichterungen gewährt bekommen. (Widerspruch bei der CDU/CSU) – Warum schreien Sie bei der Union? Man muss doch einmal auf die historische Wahrheit hinweisen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deutschland hat den Vernichtungskrieg angefangen und die Schoah, die Ermordung der europäischen Juden, zu verantworten, und trotzdem haben wenige Jahre danach die Gläubiger, die Länder, denen Deutschland viel Leid – schreckliches Leid – und Blut gebracht hat, diesem Land eine große Schuldenerleichterung gewährt, auch Griechenland übrigens. Deswegen muss man auch aufgrund der historischen Erfahrung und der historischen Verantwortung jetzt für eine Schuldenerleichterung für Griechenland sein. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Kindler, lassen Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Nüßlein zu? Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Herr Kollege Kindler, vielen Dank. – Sie reden viel über Fehler und Verantwortung, im Übrigen auch in historischen Zusammenhängen, die ich persönlich an der Stelle so nicht sehen möchte. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es aber! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der LINKEN) Ich möchte Sie aber fragen: Wenn Sie über Fehler und Verantwortung sprechen, würden Sie dann bitte auch einräumen, dass Griechenland ohne den großen Fehler der damaligen rot-grünen Bundesregierung gar nicht den Euro hätte? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Würden Sie bitte dazu einmal Ausführungen machen? Im Übrigen ist die Aufnahme damals wider besseres Wissen erfolgt. Ich habe das in diesem Hause schon einmal formuliert. Im Jahr 2000 hat der Abgeordnete Dr. Gerd Müller, heute Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, ganz klar gesagt: Herr Eichel, das war ein schwerer Fehler, die Griechen in die Euro-Zone aufzunehmen. Die Zahlen sind gefälscht. – Das belegt, dass immerhin der Abgeordnete das damals gewusst hat. Die damalige Bundesregierung will es nicht gewusst haben. Aber wenn Sie über Fehler und Verantwortung sprechen, dann sollten Sie auch etwas dazu sagen, dass die rot-grüne Bundesregierung damals den Fehler gemacht hat, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja jetzt ein großartiger Beitrag!) Griechenland gegen besseres Wissen und trotz der schon damals fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in die Euro-Zone aufzunehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erst einmal will ich antworten, dass ich es unglaublich finde, dass Sie die historische Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg und die Schoah hier in Abrede stellen wollten und bestreiten, dass es danach einen klaren Schuldenerlass gab. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU) – Sie können das gerne im Protokoll nachlesen. (Maik Beermann [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!) Sie haben gesagt, Sie sähen die historischen Zusammenhänge anders. (Maik Beermann [CDU/CSU]: Ganz schwach! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Zu dem zweiten Punkt, den Sie angeführt haben: Man muss doch einfach klarmachen, dass es keine Entscheidung alleine Deutschlands war, (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Unglaublich!) sondern eine Entscheidung der Europäischen Union, der europäischen Verantwortungsträger, Griechenland in die Euro-Zone aufzunehmen. Natürlich wissen wir heute, dass es damals auch falsche Zahlen gab. Aber es ist doch klar, dass es keine Entscheidung alleine Deutschlands war, sondern aller europäischen Verantwortungsträger, das zu machen. Anscheinend sind Sie in der Union immer noch der Meinung, dass Griechenland nicht in der Euro-Zone sein sollte. Das ist der fundamentale Unterschied zu uns. Wir sind der Meinung, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben sollte und zur Euro-Zone gehört, weil Griechenland zu Europa gehört. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Das Paket, über das wir heute abstimmen und dem wir Grüne mit großer Mehrheit zustimmen werden, enthält Licht und Schatten. Das muss man, glaube ich, zum Ende sagen. Zum Licht gehören die Strukturreformen im Justizbereich und der Kampf gegen die Korruption in der Steuerverwaltung. Das sind Reformen, die notwendig sind und die wir als Grüne lange gefordert haben. Aber es gibt auch Schattenseiten. Gerade die zu geringen Investitionen sind ein großes Manko in diesem Paket. Das liegt auch daran, dass die Fehler der Vergangenheit mit einer prozyklischen Haushaltspolitik wiederholt werden. In der Rezession, die Griechenland droht, soll weiter gekürzt werden. Damit werden wir negative Wachstumseffekte in Griechenland haben, damit werden mehr Menschen arbeitslos werden, und damit werden zu wenige Investitionen nach Griechenland kommen. Deswegen fordern wir auch, dass das Programm überprüft wird – es sind Überprüfungen vorgesehen –, und wir wollen, dass die Politik des Kaputtsparens, die gescheitert ist, überwunden wird und dass Griechenland jetzt endlich ein Programm bekommt, das ihm Luft zum Atmen lässt, ein echtes Investitionsprogramm, damit die Wirtschaft wieder auf die Beine und das Land wirklich aus der Krise kommt. Darum muss es jetzt gehen. Deswegen werden wir heute dem Programm zustimmen. Wir werden es aber auch weiter kritisch begleiten und Veränderungen einfordern. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erteile ich nun dem Kollegen Norbert Spinrath für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Norbert Spinrath (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesen Tagen haben viele von uns zahlreiche wütende, teils aufgebrachte E-Mails oder Briefe von Bürgerinnen und Bürgern anlässlich unserer heutigen Debatte erreicht. Es war immer der gleiche Tenor: Griechenland sei ein Fass ohne Boden, in dem die europäischen Gelder seit Jahren wirkungslos versickerten. (Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]) Dieses beliebte Sprachbild von all denen, die weitere Hilfen für Griechenland ablehnen, ist schlichtweg falsch. Es zeigt aber eines: Es gibt eine hohe Verunsicherung und einen großen Vertrauensverlust auf allen Seiten. Richtig bleibt aber, dass Griechenland in den nächsten drei Jahren bis zu 86 Milliarden Euro an ESM-Finanzhilfen erhalten soll. Dieses Geld versickert aber keineswegs im Nirgendwo, sondern es fließt in ein ambitioniertes Reform- und Sparprogramm. Das uns heute zur Bewertung vorgelegte MoU enthält erstmals ein sozialverträgliches Reformpaket, verbunden mit einem engmaschigen Korsett aus Konditionen und Überprüfungsmechanismen. Es ist das klarste, es ist das realistischste Programm der letzten Jahre. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es bietet nun endlich die Chance, Griechenland zu modernisieren. Es bietet die Chance, eine leistungsfähige Verwaltung aufzubauen, eine leistungsfähige Rentenversicherung aufzubauen, eine leistungsfähige soziale Sicherung aufzubauen, eine leistungsfähige Gesundheitsvorsorge aufzubauen, und es gibt dem Land die Chance, sich zu befähigen, sich selbst – mit der Unterstützung durch EU-Investitionsprogramme – wieder auf den Pfad von Wachstum und Beschäftigung zu führen. Es bietet aber auch die Chance, die schlimmsten sozialen Verwerfungen der letzten Jahre umzukehren oder zumindest deutlich zu lindern. Es bietet die Chance auf Wachstum in Griechenland, und das ist es, was das Land braucht. Ohne wirtschaftliche Entwicklung, ohne Wachstum ist jede Schuldentragfähigkeitsdiskussion hinfällig. Es gilt jetzt, diese Chancen zu nutzen. Das gilt für die Menschen in Griechenland, aber auch für Europa. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, werde ich diesem Programm zustimmen. Es muss endlich Schluss sein mit der unsäglichen Grexit-Debatte, die insbesondere das Vertrauen zwischen allen Verhandlungspartnern nachhaltig gestört hat, die aber auch zur Verunsicherung in der Öffentlichkeit und zu diesen E-Mails und Briefen geführt hat. Meine Überzeugung ist, dass wir gut daran tun, europapolitisch Konsequenzen aus diesem Vorgang zu ziehen. Deutschland darf keine Zweifel mehr aufkommen lassen, dass die europäische Integration, ihre Wahrung und Vertiefung, nicht nur Staatsziel ist, sondern immer und überall auch Grundlage unseres Handelns ist und bleiben muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen die Zweifel an der Zuverlässigkeit, die zum Teil der EU entgegengebracht werden, ernst nehmen. Wir müssen durch konsequente Weiterentwicklung diese Zweifel entkräften. Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedarf es einer Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion, wie sie die Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs, Gabriel und -Macron, und sehr ähnlich auch die Präsidenten der fünf EU-Institutionen beschrieben haben. Auf Dauer bedarf es eben auch eines echten europäischen Währungsfonds, der hinreichend stark ist, europäische Probleme abschließend auch in Europa zu lösen. (Beifall bei der SPD) Auch wenn wir für die heutige Debatte unseren Urlaub unterbrechen mussten, bin ich froh, dass wir heute in dieser Sondersitzung über das dritte Rettungspaket debattieren. Dass es jetzt zu einem schnellen und positiven Ergebnis gekommen ist, war keineswegs selbstverständlich. Die EU-Institutionen und die griechische Regierung haben in den letzten Wochen ruhig, besonnen, mit hoher Kompetenz und sehr erfolgsorientiert verhandelt. Das ist zum Erfolg geworden. Es zeigt aber auch, dass Europa nur durch solidarisches und geschlossenes Handeln die aktuelle Krise bewältigen kann. Dieser Weg wird kein leichter sein. Griechenland steht vor einer großen Herausforderung, die Reformen eben nicht nur als Gesetze durch das Parlament zu bringen, sondern sie tatsächlich auch umzusetzen. In dem Zusammenhang, Frau Lötzsch: Natürlich war es ein zentrales Wahlversprechen von Herrn Tsipras, Steuern einzutreiben. Warum haben sie es denn nicht gemacht? (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!) Sie hatten doch sechs Monate lang Zeit dazu. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie wissen doch genau, dass das unterbunden wurde!) Nun aber sollten wir auch einmal expressis verbis anerkennen, dass das griechische Parlament bereits 40 der im MoU vereinbarten Maßnahmen beschlossen hat. Die übrigen 17 sollen bis zum Oktober verabschiedet werden. Es braucht einen langen Atem, bis sich die neue Handschrift im MoU, die auch eine soziale ist, in der Realität durchsetzt. Es zeigt sich aber auch, dass die griechische Regierung Vertrauen schaffen und die positive Dynamik für sich nutzen muss – gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern, gegenüber Europa. Griechenland muss neue Strukturen schaffen, muss dabei Misstrauen aufgeben und Unterstützungsangebote annehmen. Investitionsmittel aus dem MFR und aus dem Juncker-Plan müssen sinnvoll genutzt werden, und die Wirtschaft in Griechenland muss angekurbelt werden, weg ausschließlich vom Import hin zu einer exportorientierten Wirtschaft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb komme ich zu dem Fazit: Das Bild von Griechenland als Fass ohne Boden taugt nicht dazu, die Situation zutreffend zu beschreiben. Griechenland wird in den kommenden Jahren harte und tiefe Einschnitte in seinen Strukturen und bei seiner Verwaltung vornehmen müssen, um das ambitionierte Reformkonzept umzusetzen und soziale und wirtschaftliche Stabilität zu erreichen. Am Ende gilt aber dann trotzdem: Manchmal braucht es eben einen langen Atem, um angestrebte Ziele zu erreichen, oder – um im Bild zu bleiben –: Das Fass hat einen Boden in einem solidarischen, in einem sozialen Europa. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Manuel Sarrazin ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Johannes Kahrs [SPD]: Jetzt dürfen die Grünen klatschen!) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Merkel, ich habe einen Vorschlag für Sie: Wir haben ja gelernt, dass es vor dem Hintergrund des Pro-blems in Ihrer Fraktion mit den 56 Kollegen, die nicht genau wissen, wie sie abstimmen sollen, für Sie eigentlich am besten wäre, wenn Griechenland eine Erfolgsgeschichte schriebe, wenn es jetzt bergauf ginge, wenn es Wachstum gäbe und man wieder sagen könnte: Es klappt doch und alles läuft. (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat sie doch gesagt! – Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Ist doch klar!) Dann würden vielleicht auch die 56 Kollegen zu der Einsicht kommen, dass man tatsächlich etwas für Griechenland tun sollte und der Grexit eine blöde Idee ist. Vielleicht ist bei dem Punkt dann sogar noch ein 57. Kollege dabei. Dazu sage ich gleich noch etwas. Ich würde Ihnen vorschlagen: Geben Sie Griechenland mehr Möglichkeiten für Investitionen und wirklich essenzielle Schuldenerleichterungen im Oktober, um den positiven Weg von Herrn Tsipras, den er jetzt beschreiten kann, abzustützen und um Ihre eigene Regierung in diesem Land zu retten. Das wäre mein Vorschlag für Sie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben heute etwas Bemerkenswertes erlebt. Wenn man sich die Reden angehört hat, die heute ge-halten wurden – von Herrn Schäuble, von Herrn Oppermann –, dann stellt man fest: Da fehlte eine Tonlage, die in den letzten Monaten so viel zwischen Deutschland und Griechenland kaputt gemacht hat. Wie kam das eigentlich? Herr Schäuble, Sie haben heute -extrem rational den Inhalt dieses Pakets vorgetragen, der Licht und Schatten hat, der aber meiner Ansicht nach nicht so schlecht ist wie der Deal im Juli; ich glaube, das sehen Sie vielleicht anders. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das war kein Deal! Wir haben doch nur gesagt, wir nehmen Verhandlungen auf!) Ich glaube, die Essenz Ihrer ruhigen und sachlichen Rede war, dass Sie sich mit Ihren Vorstellungen eines zeitweiligen Grexits nicht durchsetzen konnten. Das analysiert man auch in dem Punkt, dass Sie sich schwergetan haben. Warum haben Sie sich mit diesem Deal denn so schwergetan, wenn er offenkundig zumindest besser ist als die alten Programme? Weil Sie sich mit -Ihren eigenen Vorstellungen, Griechenland herauszudrängen, bei diesem Deal nicht durchsetzen konnten, und das muss festgehalten werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben auch gesagt: Ein starkes Europa geht über Verlässlichkeit. – Wenn wir diesen Streit über den Grexit sozusagen einmal zur Seite packen und sagen, da haben die Grünen gegen Schäuble gewonnen – man kann es auch anders diskutieren: vielleicht Merkel gegen Schäuble oder so –, und wir Ihren Punkt aufgreifen, ein starkes Europa braucht Verlässlichkeit, dann stimme ich Ihnen zu, (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Da sehe ich keinen roten Faden!) möchte Ihnen aber sagen: Ich erwarte von dieser Bundesregierung Verlässlichkeit, dass das Thema Grexit -damit jetzt auch vom Tisch ist, denn Griechenland braucht politische Stabilität. Da ist es auch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das nicht wieder passiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die letzten Wochen haben uns doch gezeigt, dass Europa anders agieren kann als in diesem Kampf nationaler Interessen, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Dass Tsipras die Unsicherheit gebracht hat!) die auf Gipfeln in einem großen Showdown aufeinanderkrachen und wo es dann Gewinner und Verlierer für die Debatten zu Hause braucht. Das zeigt, dass, wenn man Vertrauen in europäische Institutionen und in gemeinsame Verhandlungserfolge hat, man dann auch etwas -erreichen kann, was die Menschen in verschiedenen -Öffentlichkeiten nicht gegeneinander aufbringt. Deswegen müssen wir jetzt endlich die Frage der demokratischen Integration in Europa angehen und die Institutionen, die Europa zusammenführen können – wie das Europäische Parlament, die Europäische Kommission –, stärken, -damit sie auch in solchen Krisenfragen mehr Einfluss haben und mehr zu konstruktiven, positiven, immer noch nicht perfekten, aber besseren Lösungen als vorher beitragen können. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sarrazin, ich finde es rührend, wie Sie um unsere Regierung besorgt sind. Wahrscheinlich ist das die Angst davor, irgendwann einmal selbst Regierungsverantwortung zu bekommen; denn die Beiträge der Grünen waren nicht dazu angetan, Hoffnung zu machen, dass das dann vernünftig läuft. Meine Damen und Herren, wir können uns hier trefflich darüber streiten, was der richtige Weg für Griechenland ist; darüber ist in verschiedenen Debattenbeiträgen gesprochen worden. Es war nicht alles richtig, aber Herr Gysi hat einen richtigen Satz gesagt; ich gebe das mal sinngemäß wieder. Herr Gysi, Sie haben gesagt, wenn wir die Probleme nicht vor Ort lösen, dann kommen die Probleme zu uns. Das sehen wir momentan auf ganz -verschiedenen Politikfeldern, ob das die Flüchtlinge sind, die zu uns kommen, oder ob das Sicherheitsprobleme oder sonstige Probleme sind. Deswegen scheidet bei dieser ganzen Beschäftigung mit dem Komplex Griechenland eine Sache aus: dass wir Griechenland hängen lassen und wir Griechenland sich selbst überlassen. Ich glaube, das ist auch Konsens in diesem Haus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]) Wenn das ausscheidet, dann hat man drei Optionen, wie man mit Griechenland und seiner Bevölkerung umgeht. Die erste Option ist: Wir helfen ihnen, nachdem sie insolvent bzw. in den Bankrott gegangen sind. Zweite Option: Wir helfen ihnen außerhalb des Euros. Dritte Option: Wir helfen ihnen innerhalb des Euros. Es ist so, dass wir uns in der gesamten europäischen Rettungspolitik dafür entschieden haben, dass es zunächst besser ist, innerhalb des Euros zu helfen. Wir -waren, meine Damen und Herren, darin gar nicht so unerfolgreich: bei Spanien, bei Portugal, bei Irland, bei -Zypern und – der Bundesfinanzminister hat es angesprochen – bis zum Dezember letzten Jahres auch bei -Griechenland. Die griechische Regierung hat in den letzten Monaten nicht viel Anlass gegeben, um Vertrauen aufzubauen. Das ist richtig. Das ist überhaupt keine Frage. Nichtsdestotrotz müssen wir sehen, dass nach dem Referendum zumindest beim Finanzminister, aber auch bei dem Ministerpräsidenten eine Verhaltensänderung eingesetzt hat. Deswegen kann ich nur nachhaltig dafür werben, dass wir versuchen, Griechenland innerhalb des Euro zu helfen. Das Paket, das uns heute vorliegt, ist so ausgerichtet, dass wir das schaffen können, wenn die Griechen mitspielen. Das Paket besteht aus zwei Teilen. Der eine Teil ist, dass es netto rund 86 Milliarden Euro Hilfen für Griechenland gibt, die sich wie folgt zusammensetzen – auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden –: 37 Milliarden Euro zur Bedienung der Altschulden, das heißt, es ist eine Umschuldung, 17 Milliarden Euro für Zinsen auf diese Altschulden. Weiter geht es um 7 Milliarden Euro für Rechnungen, die die griechischen Behörden bisher nicht bezahlt haben und damit unter anderem den griechischen Mittelstand schwer geschädigt haben. Es geht um die Handkasse – das sind auch noch einmal 7 Milliarden Euro –, die jedes Land braucht, um bestehen zu können. Und, Herr Gysi, es geht um bis zu 25 Milliarden Euro für die Banken. Ja, 25 Milliarden Euro für die Banken. Wir sind, meine Damen und Herren, in den letzten fünf Jahren sehr dafür kritisiert worden, dass wir angeblich die Banken gerettet haben. Manchmal ist es schwierig, Dinge zu erklären, aber manchmal kapiert auch eine linke Partei wie Syriza – wenn der Crash da ist –, was es bedeutet, wenn man nicht vorausschauend gehandelt hat. Der Crash war da: Die Banken haben in Griechenland zugemacht, die Menschen konnten kein Geld mehr aus den Geldautomaten bekommen, die Unternehmen konnten weder im Inland noch im Ausland überweisen. Man hat gesehen, dass Banken mehr sind als Aktionäre, als Gläubiger und Einleger. Banken sind Infrastruktur. Banken sind die Straßen, die man braucht, damit eine Wirtschaft bestehen kann. Deshalb ist es wichtig – ob es uns gefällt oder nicht –, dass wir an dieser Stelle mit den 25 Milliarden Euro – vielleicht wird es weniger – die Banken stützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der zweite Teil des Paketes ist ein sehr ambitioniertes Reformprogramm. Es ist schon in verschiedenen Reden darauf hingewiesen worden. Es geht um das Steuer-system, um das Sozialversicherungssystem, um das -Gesundheitssystem, um ausgeglichene Haushalte, um Institutionen, die besser funktionieren sollen, um Korruptionsbekämpfung, um die Öffnung von Arbeitsmärkten und von Produktmärkten. Ich denke, dass wir alle der Meinung sind, dass dieses Paket, wenn es tatsächlich umgesetzt wird, dazu geeignet ist, Griechenland wirklich zu helfen. Ich will das einmal erläutern. Wenn ich einen Staat zu sanieren hätte, dann würde ich Folgendes machen: Ich würde kurzfristige Reformen auf den Weg bringen, die mir Geld bringen, damit ich handeln kann. Das ist in diesem Paket enthalten. Ich würde langfristige Reformen auf den Weg bringen, damit ich wieder ein Geschäfts-modell habe, also Verbesserung der Verwaltung, Verbesserung der Investitionen, Wirtschaftsförderung. Das ist in diesem Paket enthalten. Ich würde das Zahlungssystem, das Bankensystem stabilisieren, weil sonst kein Staat leben kann. Das ist in diesem Paket enthalten. Ich würde mir die Zeit erkaufen – auch das ist richtig –, um mir die Gläubiger vom Hals zu halten, damit ich alles umsetzen kann. Ich würde noch etwas Viertes machen – darüber stimmen wir heute nicht ab, aber es gehört auch dazu –: Ich würde Investitionen auf den Weg bringen. Wir haben über 30 Milliarden Euro europäische Mittel, die nur darauf warten, von Griechenland abgerufen zu werden für Investitionen unter anderem im Kampf -gegen die Langzeitarbeitslosigkeit. Insofern ist dieses Paket ein gutes Paket, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) wenn es denn umgesetzt wird. Da haben wir natürlich Zweifel: Wird es denn umgesetzt? Ist die Regierung in Griechenland so stabil, dass sie die Mehrheit hat, dass sie auch den Willen hat, das Ganze umzusetzen, wenn es unterschrieben ist und wenn die erste Tranche geflossen ist? Die Bundesregierung hat hier Folgendes gesagt: Leistung nur gegen Gegenleistung. Deswegen ist es auch so wichtig, dass, bevor die erste Tranche gezahlt wird – der Kollege Spinrath hat darauf hingewiesen, über 50 Maßnahmen sind im Rahmen der Prior Actions vom griechischen Parlament schon umgesetzt worden; noch nicht in der Praxis, auch das gehört zur Wahrheit –, das Prinzip „Leistung gegen Gegenleistung“ als essenzieller Bestandteil dieses Paketes sichergestellt ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir lassen uns gerne von Ihnen beschimpfen, wenn wir sagen: Wir haben an dieser Stelle zu hart verhandelt. Ich glaube, das ist wichtig, damit dieses Paket erfolgreich ist. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht darum, sinnvoll zu verhandeln und zu sinnvollen Ergebnissen zu kommen!) Insofern ist es auch uns zu verdanken, dass es so ist, wie es ist. Trotzdem, meine Damen und Herren, bleiben immer noch Restzweifel: Wird das Ganze Erfolg haben, oder wird es keinen Erfolg haben? Diesen Restzweifel kann ich Ihnen nicht nehmen. Auch ich weiß nicht, was im Herbst passiert. Ich weiß nicht, ob wir hier irgendwann wieder stehen und sagen, wir brauchen ein viertes Paket, ob der IWF sagt, dass es soundso nicht geht, oder ob eine griechische Regierung eine Reform doch nicht umsetzt. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist ein langsamer, mühsamer Prozess. Wir haben in der Politik immer gerne die Schwarz-Weiß-Lösung, bei der man sagt: Jetzt machen wir etwas, und das funktioniert. Aber das wird auf europäischer Ebene nie funktionieren. Deswegen ist es ein mühsamer Prozess, der vor uns steht. Aber ich glaube, dass es sich am Ende des Tages lohnt, sich auf diesen Prozess einzulassen und unsere Kraft in diesen Prozess zu investieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen an dieser Stelle vielleicht aber auch etwas selbstkritisch zurückblicken, und zwar insofern, dass es nicht von ungefähr gekommen ist, dass man im Januar in Griechenland eine Regierung gewählt hat, die nach unseren Maßstäben absurd war und damals auch absurd gehandelt hat. Wir müssen selbstkritisch eines sehen: Man kann den Menschen in einem Land nicht nur sagen: „Ihr müsst fünf Jahre lang reformieren!“. Es war zwar total richtig, Reformen einzufordern, weil Griechenland von einem ganz schlimmen Ausgangspunkt kam. Aber die Menschen in Griechenland, die im Übrigen nie das Gefühl hatten, dass sie dort ein falsches Leben gelebt hätten oder alles nicht richtig gewesen wäre, sahen zu Beginn dieser fünf Jahre kein Licht am Ende des Tunnels; sie sahen nicht, dass sich irgendetwas verbessert. Man muss auch irgendwie dafür sorgen, dass es kurzfristige Erfolge gibt. Deswegen ist es wichtig – Kollege Oppermann hat es angesprochen –, dass in diesem Paket auch Aussagen zu Mindestlöhnen und zur sozialen Stabilität getroffen werden. Wir müssen bei allen Paketen, die wir zukünftig auf den Weg bringen, mehr daran denken; denn wir dürfen die Menschen in dem Land, in dem die Reformen stattfinden, nicht verlieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn ich die ganze Sache zusammenfasse, dann sage ich flapsig – erste Bemerkung –: Griechenland bleibt so oder so auf unserem Deckel. Zweite Bemerkung: Dieses Reformpaket ist gut angelegt, auch angesichts der Tatsache, dass wir Griechenland Zeit geben. Dass die Gläubiger das Land nicht angreifen können oder nichts gegen das Land machen können, ist richtig. Wenn das Paket denn vernünftig umgesetzt wird. Das ist die Frage, die niemand klären kann. Es ist so, dass wir wirklich hart verhandelt haben. Es ist auch so – das gilt zumindest für die Union –, dass das Paket, wenn wir es alleine hätten backen können, sicherlich an der einen oder anderen Stelle schärfer oder -anders gewesen wäre, dass die Ziele verbindlicher gewesen wären, dass die Zeitpläne ehrgeiziger gewesen wären. Das ist überhaupt keine Frage. Aber eines ist auch richtig: Wir sind 19 Länder in der Euro-Zone. Bei 19 Ländern kann man nicht sagen, dass alles so ticken und laufen muss, wie es in Deutschland für richtig erachtet wird. Da muss man Kompromisse eingehen. Ich glaube, wir als Deutsche sind in einer ganz besonderen Verantwortung, diese Kompromisse zu organisieren. Wir sind eines der größten und wirtschaftsstärksten Länder in Europa. Wenn wir diese Kompromisse nicht organisieren, wer soll es dann machen? Wir haben eine Verantwortung für dieses Europa. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Weil das so ist, halte ich dieses Paket – bei allen Bedenken auch von einigen Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion, die ich respektiere und zum Teil sogar teile – unter dem Strich für nachvollziehbar und für vertretbar und werbe um Ihre Zustimmung. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Heinz-Joachim Barchmann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Heinz-Joachim Barchmann (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die verschiedenen Inhalte des ESM-Programms für Griechenland wurde heute schon in aller Breite diskutiert. Es ist viel über die zahlreichen Maßnahmen gesprochen worden, die Griechenland in den kommenden drei Jahren umsetzen muss, als Gegenleistung für die -Finanzmittel von bis zu 86 Milliarden Euro. Als Berichterstatter der SPD-Fraktion für Griechenland im Europaausschuss möchte ich hier nicht noch einmal auf die Zahlen eingehen, die mit dem Programm zusammenhängen, obwohl sie sehr wichtig sind. Ich möchte stattdessen auf Punkte eingehen, die mir zum einen als Sozial-demokrat und alter Gewerkschafter wichtig sind und mir zum anderen als einfacher, normaler europäischer Bürger am Herzen liegen. Aus sozialdemokratischer Sicht möchte ich hier noch einmal deutlich machen, dass wir das Programm, wie es jetzt ausgehandelt wurde, als deutlich ausgereifter ansehen können als frühere Vorschläge, vor allem deshalb, weil bei diesem Programm viel stärker auf die sozialen Auswirkungen der Maßnahmen geachtet wurde, die von der griechischen Regierung nun umzusetzen sind. Diese Reformen können die Grundlage für eine vernünftige soziale Basisabsicherung der griechischen Bevölkerung und auch für einen vernünftigen Zugang der Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung legen. Die Strukturen, um diese Grundfunktionen sicherzustellen, werden mit dem vorliegenden Programm geschaffen. Es geht nicht mehr nur ums Sparen. Auch die Auswirkungen auf die Menschen vor Ort werden nun endlich in den Blick genommen. Dies ist aus meiner Sicht eine klare Abkehr von der strikten Austeritätspolitik, die über einen viel zu langen Zeitraum in ganz Europa den Umgang mit der Finanzkrise beherrscht hat und die auch von der letzten Bundesregierung mit geprägt wurde. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dass es hier nun endlich zu Veränderungen mit einem viel stärkeren Fokus auf soziale Aspekte gekommen ist, ist nach meinem Dafürhalten ganz besonders den Stimmen der deutschen und der europäischen Sozialdemokraten zu verdanken. Dafür haben wir uns seit Jahren starkgemacht. (Beifall bei der SPD) Die Abkehr von einem strikten Sparkurs und das Eröffnen von Perspektiven für die griechischen Bürgerinnen und Bürger ist der entscheidende Punkt. Mit dem neuen Programm werden dringend notwendige Strukturveränderungen in Gang gesetzt, von denen Griechenland hoffentlich langfristig profitieren wird. Mit dem Ziel, effizientere Verwaltungsstrukturen zu schaffen und ein transparentes, funktionierendes Steuersystem zu etablieren, werden genau die richtigen Akzente gesetzt. Das Aufbrechen des oligarchischen und teilweise verkrusteten Wirtschaftssystems wird zu mehr Berechenbarkeit, mehr Stabilität, aber auch zu funktionierenden staatlichen Strukturen führen, an denen es in der Vergangenheit oft gefehlt hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Nur so können Staatseinnahmen generiert und Investitionen nach Griechenland geholt werden; denn eine politische und verwaltungstechnische Stabilität ist hierfür notwendig. Das kann zum Abbau von Massenarbeitslosigkeit führen. Ein weiteres großes Problem, was ich dabei sehe, ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die weiter abgebaut werden muss, von der heute aber überhaupt noch nicht gesprochen wurde; darauf möchte ich noch einmal besonders hinweisen. (Beifall bei der SPD) Als letzten Punkt möchte ich die aktuelle Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln ansprechen. Jeder von uns hat mitbekommen, was auf der Insel Kos los ist. Die Frage der Flüchtlinge im Mittelmeer ist ein gesamteuropäisches Problem, das von allen gemeinsam gelöst werden muss. Griechenland ist aufgrund seiner geografischen Lage besonders davon betroffen. Die Finanz- und Verwaltungskrise trägt allerdings zu einer weiteren Verschärfung der Situation bei. Wenn kein Geld da ist, können Menschen, die vor Krieg und Elend geflüchtet sind, nicht einmal mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden. Hier ist die europäische Solidarität gefragt, und da müssen auch wir in Deutschland uns fragen, ob wir als europäische Bürger an der einen oder anderen Stelle nicht noch mehr tun können. Da bitte ich um Ihre Unterstützung. Ich denke, das ist eine ganz notwendige Sache, bei der wir Griechenland unterstützen müssen. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Michael Stübgen ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Stübgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir hier vor etwas über vier Wochen – am 17. Juli – eine Sondersitzung hatten, hat mir – ich will es ehrlich zugeben – die Fantasie gefehlt, mir vorzustellen, dass wir in vier Wochen in der Lage sein würden, über ein Memorandum of Understanding für Griechenland einschließlich eines dritten Hilfspakets, das auch nur ansatzweise tragfähig ist, abzustimmen. Ich gebe es ehrlich zu: Ich war vor vier Wochen empört darüber, welche europaweite Kampagne gegen Bundesfinanzminister Schäuble – auch in Deutschland – lief, und dies nur deshalb, weil er eine fast triviale Wahrheit ausgesprochen hat. Er hat nämlich gesagt und argumentiert, dass es, wenn ein Euro-Mitgliedsland – in diesem Fall Griechenland – fundamental und nachhaltig nicht bereit sei, die Regeln des Euro-Systems einzuhalten, wenn es auch nicht bereit sei, und zwar auch noch durch ein Referendum bestätigt, Reformen vorzunehmen, um die fiskalische Tragfähigkeit wiederherzustellen, für dieses Land keine Zukunft in der Euro-Zone geben werde. Er hat niemals gesagt, dass dieses Land rausgeworfen werden soll. Im Übrigen haben 15 der 19 Finanzminister der Euro-Gruppe dies genauso gesehen und sich dementsprechend artikuliert. Ich werfe niemandem vor, dass er eine andere Meinung hat und sie artikuliert. Nur die Art und Weise dieser Kritik, die darauf abzielte, die persönliche Integrität des Andersdenkenden zu verletzen, hielt ich für absolut inakzeptabel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Außerdem war ich bestürzt über die in den Medien kursierenden öffentlichen Äußerungen von Regierungsvertretern aus Italien und Frankreich, gezielt gegen die deutsche Bundesregierung gerichtet und in einem Ton und in einer Art und Weise, von der ich hoffte, dass wir sie in der Europäischen Union nicht haben. Hinzu kam, dass sich wenige Tage zuvor eine klare Mehrheit der griechischen Bevölkerung in einem Referendum dafür ausgesprochen hat, dass sie nicht bereit ist, Reformen zur Wiedererlangung der fiskalischen Tragfähigkeit umzusetzen. Vor diesem Hintergrund hatte ich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, was uns heute zur Abstimmung vorgelegt wird. Ich will jetzt aufhören, Ihnen weiter über meine Gemütszustände zu berichten. Ich wollte nur sagen: Es war auch für mich ein sehr langer Weg vom 17. Juli bis heute. Heute stehe ich hier und werbe voller innerer Überzeugung dafür, dass Sie diesem Memorandum of Understanding und dem dritten Hilfspaket für Griechenland zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich will das an einzelnen Beispielen deutlich machen. Ich kenne alle Memorandums of Understanding, die die Euro-Gruppe und Griechenland beschlossen haben. Das erste Memorandum aus dem Jahr 2010 hat sich sehr stark dadurch ausgezeichnet, dass wir das Ausmaß der Krise und die wahre Situation in Griechenland maßlos unterschätzt hatten. Das zweite Memorandum Anfang 2012, noch mit Papandreou, wurde nach dem Sturz des Ministerpräsidenten nicht mehr umgesetzt. Ende 2012 gab es ein drittes Memorandum of Understanding – auch dem hat der Bundestag zugestimmt –, das dann umgesetzt wurde, einschließlich einer deutlich über 50-prozentigen Reduzierung der Schulden aller privaten Gläubiger. Ich kann Ihnen sagen: Das Memorandum, das uns heute zur Beschlussfassung vorliegt, ist nach meiner Einschätzung das beste, das fundierteste und das eng-maschigste, das es bisher gab. Es zeigt auch sehr deutlich, dass die Euro-Gruppe aus den Fehlern der letzten Jahre gelernt hat. Ich möchte drei für mich ganz wesentliche Punkte dieses Memorandums nennen. Es hat auch viel mit Fehleinschätzung und Nichtwissen zu tun. Punkt eins. Höchste Priorität in diesem Memorandum hat die Unterstützung der sozial Schwächsten in Griechenland. Diese Priorität ist deshalb von so besonderer Bedeutung, weil es in Griechenland – das können wir uns in Deutschland gar nicht vorstellen – keine soziale Grundsicherung gibt. Wenn ein griechischer Arbeitnehmer arbeitslos wird, bekommt er für eine befristete Zeit Übergangsgeld oder Arbeitslosengeld, aber dann bekommt er null Leistungen. Ein Arbeitsloser in Griechenland steht also sehr bald vor der existenziellen Frage: Kann ich meine Familie und mich überhaupt noch ernähren? Wenn ich null Leistungen empfange, kann ich auch keine Krankenversicherungsbeiträge zahlen, dann erhalte ich im Krankheitsfall nicht die notwendige Versorgung. Dieses Leck gibt es in Griechenland übrigens schon seit Jahrzehnten, also auch schon vor der Finanzkrise. Diese Problematik ist im vorliegenden Memorandum of Understanding nun adressiert worden, um Griechenland die entsprechende Hilfestellung für den notwendigen Umbau zukommen zu lassen. Eine soziale Grundsicherung zu gewährleisten, halte ich für sehr richtig und für sehr angemessen. Das hat meine volle Unterstützung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich komme zum zweiten Punkt. Herr Gysi – ich sehe ihn nicht mehr – (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Er kommt gleich wieder!) hat heute – ich habe es erwartet – wieder Krokodilstränen vergossen und gesagt: Dieses dritte Rettungsprogramm beinhaltet zum großen Teil die Refinanzierung und Bedienung vorhandener Schulden. Herr Gysi, Sie könnten sich auch darüber beschweren, dass ein Auto fährt. Aber das Wesen eines Autos ist, zu fahren. Das Wesen des ESM, des Europäischen Stabilitätsmechanismus, ist ganz eindeutig, einen ungeordneten Staatsbankrott zu verhindern. Der passiert nämlich dann, wenn man den Schuldendienst nicht mehr leisten kann. Ungeordneter Staatsbankrott heißt Zusammenbruch sämtlicher Sozialleistungen eines Staates – ich will das jetzt gar nicht weiter ausführen –; aber das sagt Herr Gysi nie dazu. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Natürlich ist es das Wesen des ESM, dass wir einen Staatsbankrott in Griechenland verhindern – in anderen Ländern haben wir das erfolgreich gemacht –, mit dem Ziel, dass das Land seine fiskalische Stabilität wiedererlangt. Der dritte Punkt – auch da fließen Krokodilstränen, und es wird regelmäßig gesagt –: Es werden ja bis zu 25 Milliarden Euro für die Banken gegeben, nicht für die Menschen, sondern für die Banken. – Was die Linken in diesem Zusammenhang niemals sagen, ist, dass bei den griechischen Banken, die samt und sonders illiquide sind und kurz vor dem Bankrott stehen, Millionen von kleinen Sparkonten von normalen Griechen geführt werden, von Rentnern, die ein paar Hundert Euro angespart haben, und von Familien, die vielleicht ein paar Tausend Euro angespart haben, um sich etwas leisten zu können. Bei einem ungeordneten Bankrott dieser Banken, bei einem ungeordneten Staatsbankrott Griechenlands wäre das alles weg und stünde auf null. Das heißt, Bankenrekapitalisierung ist auch eine soziale Aufgabe, die wir erfüllen müssen. Deshalb stehe ich ausdrücklich hinter der Bankenrekapitalisierung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Lassen Sie mich ein Thema noch nennen, das vor allen Dingen in meiner Fraktion in der Debatte eine wesentliche Rolle gespielt hat, wie ich glaube, zu Recht. Es geht um die Schuldentragfähigkeit. Es ist richtig, dass uns bis jetzt noch keine Schuldentragfähigkeitsbestätigung für dieses Programm durch den IWF vorliegt. Es ist auch richtig, dass gerade meine Fraktion immer klar kommuniziert hat, dass das Vorliegen dieser Schuldentragfähigkeitsbestätigung für uns eine ganz wesentliche Voraussetzung ist. Ich will Ihnen sagen, warum ich zu diesem Zeitpunkt trotzdem zustimme, warum ich das für ausreichend halte. Punkt eins. Wir wissen – das ist unter Ökonomen umstritten, ein bisschen auch beim IWF –, dass die Betrachtung allein des Nominalwerts der Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht die gesamte Vielfalt der fiskalischen Realität abdeckt. Wenn das stimmte, dürfte es Japan als Industrienation längst nicht mehr geben. Punkt zwei. Ich halte die Analyse des ESM für sehr interessant und lesenswert. Darin wird die Schuldentragfähigkeit an der Bruttofinanzierungsquote festgemacht, also daran, was ein Land in den nächsten 15 Jahren an Schuldendienstleistungen im Verhältnis zum Gesamthaushalt aufbringen muss. Klar ist, dass in den 2020er-Jahren, also bis 2030, diese Bruttofinanzierungsquote in Griechenland unter 15 Prozent liegen wird. Das gilt – das ist nachgewiesen – allgemein als tragfähig. Insofern ist, denke ich, heute ein ausreichender Ansatz bei der Schuldentragfähigkeit da. Es bleibt aber dabei – Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen –: Für uns ist eine aktive Beteiligung des IWF, auch eine finanzielle Beteiligung, unverzichtbar. In wenigen Wochen werden wir in diesem Hause darüber diskutieren, wie wir im Oktober zu einer Beteiligung des IWF kommen können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch zwei kurze Sätze zu einem Thema – Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein, einer, Herr Stübgen. Michael Stübgen (CDU/CSU): – einer; ich danke für die Großzügigkeit –, das viele meiner Kollegen umtreibt. Es geht um die Frage: Wie groß kann eigentlich die Hoffnung sein, dass in Griechenland jetzt alles anders wird, als wir das im letzten halben Jahr, aber auch in den letzten Jahren erlebt haben? Ich glaube, es gibt genug Anzeichen dafür, dass es besser wird. Zum Ersten hat sich die Verhandlungssituation deutlich verändert. Zum Zweiten gibt es eine breite Mehrheit im Parlament, eine Nichtregierungsmehrheit, für diese Reform. Die Prior Actions sind durchweg umgesetzt worden. Zum Dritten. Es wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit im September dieses Jahres Neuwahlen in Griechenland geben. Wir werden sehr genau beobachten können, wie sich die Parteien dort aufstellen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, wenn mich mein Eindruck nicht täuscht – – Michael Stübgen (CDU/CSU): Wenn es dazu kommt – was wir alle hoffen –, dass eine Reformregierung die Mehrheit erhält, werden wir die Schuldentragfähigkeit erreichen. Wenn nicht, werden wir, glaube ich, wieder über die Frage eines Verbleibs Griechenlands in der Euro-Zone diskutieren müssen. Das will aber keiner von uns. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und für die Großmut des Präsidenten. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokraten hatten, was Griechenland und die Rettungspakete angeht, immer eine klare Linie. Die SPD hat sich hier immer solidarisch gezeigt. Die SPD hat aber auch immer gesagt: Hilfen gibt es nur, wenn die Griechen ihren Teil dazu beitragen. Das eine geht nicht ohne das andere. Wenn wir in Deutschland, wenn wir in Europa leisten, helfen und unterstützen, dann muss man auch sehen, dass die Griechen ihren Teil dazu beitragen. – Wenn man sich dieses Hilfspaket anschaut, stellt man fest, dass es genau so ist, wie wir es gefordert haben. Wie es die SPD von Anfang an gefordert hat, so ist es gekommen. Deswegen werden wir, die SPD, dem auch zustimmen. Das, glaube ich, ist eine gute Sache. (Beifall bei der SPD) Wir Sozialdemokraten sind froh, dass dieses Paket, so wie es hier heute vorliegt, vorliegen kann. (Beifall der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) Wenn man sich dann aber anguckt, was der eine oder andere Kollege hier zu diesem Thema gesagt hat, dann merkt man, dass Lernprozesse nicht nur in Griechenland stattgefunden haben, sondern auch in diesem Hohen Hause. Auch das ist gut, weil wir ja eine lernfähige Einheit sind, weil wir wieder feststellen können, dass man auch hier dazulernen kann; das haben wir bei vielen Fraktionen gesehen. Das begrüße ich außerordentlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der Kollege Brinkhaus hat zu Recht gesagt: Wenn wir helfen, dann kann es sein, dass das nicht das Ende ist. – Das wiederum ist eine Entwicklung, die man bei der Union in der Vergangenheit so nie erlebt hat. Der Kollege Brinkhaus hat hier von einem möglichen vierten Hilfspaket gesprochen. Das kann am Ende alles sein. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!) Für uns ist es wichtig, dass die Entwicklung in Griechenland positiv ist, dass sie so weitergeht, dass sie sich irgendwann selber tragen kann, und dass es dadurch auch eine Schuldentragfähigkeit gibt. Das alles kann aber auch nur funktionieren, wenn die Griechen selber ihren Teil dazu beitragen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der Kollege Kauder hat hier in der letzten Sitzung gesagt, dass Griechenland nur in Griechenland gerettet wird. Ich glaube, er hat recht. Griechenland wird nur in Griechenland gerettet – von den Griechen. Die griechische Regierung hat sich verändert. Sie hat ihre Positionen geändert. Nachdem der unsägliche Herr Varoufakis nun nicht mehr Finanzminister ist und Herr Tsipras gemerkt hat, dass er sich im Parlament neue Mehrheiten suchen muss, um sein Land zu retten und das gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen hinzubekommen, (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es mit den Linken! Die kannst du nicht gebrauchen!) haben wir alle jetzt auch den Glauben, dass die griechische Regierung Griechenland selber retten will, indem die notwendigen Strukturreformen durchgeführt werden, ob es nun um das Steuersystem geht, ob man Grundbuchämter haben will, gegen Korruption oder die überbordende Bürokratie vorgehen will oder für ein funktionierendes, finanzierbares Rentensystem sorgen will. Ich glaube, wir, auch die CDU/CSU, nehmen der griechischen Regierung jetzt ab, dass sie das will. Das wird man aber nicht in zwei, sechs oder zehn Monaten hinbekommen. Dafür braucht man Jahre. Das ist ein langwieriger Prozess. Wir im Deutschen Bundestag werden die griechische Regierung, wenn sie erkennbar diesen Weg geht und Erfolge vorzeigen kann, unterstützen, auch wenn das fünf, sechs oder zehn Jahre dauert. Wir haben nicht nur beim ersten und beim zweiten Hilfsprogramm mitgemacht, sondern wir machen auch jetzt beim dritten Hilfsprogramm und auch bei einem möglichen vierten mit, wenn wir sehen, dass auch die Griechen ihren Teil tun. Ich glaube, die wirkliche Erkenntnis in dieser Debatte ist, dass es dafür in diesem Hause eine große Mehrheit gibt. Wenn man sich den Kollegen Stübgen, der vor mir gesprochen hat, angehört hat, dann hat man festgestellt, dass auch er persönlich einen Weg gegangen ist. Der Kollege Brinkhaus hat gesagt, man muss dafür sorgen, dass die Menschen in Griechenland, die unter diesen Sparprogrammen und unter diesen Reformen leiden – denn das alles ist nicht einfach –, Licht am Ende des Tunnels sehen. Wir werden mit dafür sorgen müssen, dass es dieses Licht am Ende des Tunnels gibt. Nur dann werden die Menschen in Griechenland diesen Weg mitgehen. Nur dann kann auch die griechische Regierung diesen Weg gehen. Das kriegen wir aber nur gemeinsam hin, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]) Wenn man sich vor Augen hält, was der Kollege Gysi hier unterhaltsamerweise zum Besten gegeben hat, dann muss man sagen: Die eine Hälfte seiner Rede hat er nicht über Griechenland geredet, sondern einen Kessel Buntes präsentiert. Als er dann endlich zum Thema gekommen ist, hat er es gründlich verfehlt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Er hat zum Beispiel gesagt, dass es nicht unsere Aufgabe ist, Banken zu retten. Ehrlich gesagt, wir retten ja nicht die Banken um der Banken willen; das hat auch der Kollege Stübgen hier gesagt. Wir retten Banken, weil anders Wirtschaft, weil anders Staat nicht möglich ist, weil Menschen gespart haben, weil es nur in einem funktionierenden Bankensystem zu wirtschaftlichem Fortschritt kommt. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Zypern!) Wenn die Banken erst einmal pleite sind, ist es dreimal, viermal schwieriger, sie neu aufzubauen – denen vertraut nämlich kein Mensch mehr –, als wenn man Banken rettet und guckt, dass sie wieder auf eine vernünftige Spur kommen. Anders kann es doch gar nicht gehen. Das hat Herr Gysi überhaupt nicht verstanden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Dann hat Herr Gysi noch etwas gesagt. Dieses Rettungspaket ist ja dazu da, Geld umzuschulden, dauerhaft zu finanzieren und Banken zu retten. Wir in Europa wollen über ein Investitionspaket mit über 35 Milliarden Euro helfen, mit denen man in Griechenland das Gleiche macht, was wir in der Krise in Deutschland gemacht haben, als wir Konjunkturpakete hatten, als wir eine Abwrackprämie hatten, als wir Kurzarbeitergeld beschlossen haben; das wird über dieses Investitionsprogramm kommen. Herr Gysi hat gesagt, das könnten sich die Griechen nicht leisten. Wir haben aber in Verhandlungen in Europa erreicht, dass der Eigenanteil der Griechen deutlich reduziert worden ist. Er liegt in den meisten Programmen bei 5 Prozent. Das ist etwas, was es nirgendwo anders gibt. Wenn man das alles zusammenfasst, dann merkt man meines Erachtens, dass wir Sozialdemokraten, dass diese Große Koalition ihre Aufgaben gemacht hat, dass es in Griechenland funktioniert hat: Die Griechen gehen diesen Weg. Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir hier heute im Deutschen Bundestag alle solidarisch und gemeinsam zustimmen. Dass die Linke schon angekündigt hat, dass sie die Menschen in Griechenland, dass sie Griechenland nicht unterstützen will, ist eine Schande. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Klaus-Peter Willsch. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Ich habe mich erst einmal vergewissert, wer hinter mir sitzt. – Herr Präsident! Liebe Kollegen! Der Grundtenor der Debatte, die wir heute führen, von all denen, die sich für das dritte Rettungspaket aussprechen, lautet: Athen hat verstanden. (Johannes Kahrs [SPD]: Herr Willsch nicht!) Nun glaube ich, dass man keine große Mühe braucht, um da ein bisschen Wasser in den Wein zu schütten. Ich bin bei diesem Freitag nicht dabei gewesen, Herr -Finanzminister, als es ja wohl so eine Art Pfingsterlebnis gegeben hat. Es ist zwar nicht der Heilige Geist, aber offenbar der stabilitätspolitische Geist ausgegossen worden. Nun müssen wir einmal überprüfen, ob das wirklich eine breite Erscheinung ist oder ob das ein Momenteindruck war. Ich höre nach wie vor von Tsipras, dass er gegen das spricht, was vereinbart worden ist; er sei dazu erpresst worden. Ich lese in der Zeitung von seinem Vertrauten – das ist also keiner von denen, die sich jetzt abspalten wollen, sondern sein Vertrauter, Staatsminister Nikos Pappas –: Die wirtschaftliche Erholung Griechenlands hänge davon ab, dass die Gläubiger einen „konstanten Fluss von Finanzmitteln und eine Lösung der Schuldenfrage“ garantierten. Dann geht es weiter: Syriza gehe es weiterhin um Umverteilung von Mitteln in Griechenland und künftig um Finanzprogramme für diejenigen, die durch die Reformvereinbarungen von Kürzungen betroffen seien, etwa die Landwirte. Es ist uns als wichtiger Erfolg verkauft worden, dass diese Reform durchgeführt worden ist; hier wird angekündigt, dass sie wieder konterkariert werden wird. – Dann geht es weiter: Es gebe keinen Grund, warum Syriza nicht in Europa weiter für seine Ziele kämpfen solle, etwa für eine Rolle der EZB als Garant für alle Staatsschulden, sagte Pappas. Er stimme der Idee des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi zu, dass sich Frankreich und Italien mit anderen Ländern gegen Deutschland verbünden sollten, … Ein dankbarer Schuldner klingt in meinen Ohren ein bisschen anders, und dass hier wirklich der Reformwille mit Gewalt um sich gegriffen hätte, kann ich daraus auch nicht ablesen. Kollege Stübgen hat es dankenswerterweise angesprochen: Wir erwarten die Vertrauensabstimmung in Kürze, vielleicht schon morgen, wenn hier alles in trockenen Tüchern ist und die ersten Milliarden überwiesen sind. Sie wird Herr Tsipras nach allen Vorhersagen, die man aus Griechenland so hört, verlieren, und dann gehen wir in den Wahlkampf. Was Wahlkampf in Griechenland heißt, das haben wir dieses Jahr doch schon zweimal erlebt, einmal beim Wahlkampf für das Referendum, das im Übrigen zum Gegenstand hatte, dass Herr Tsipras die Bevölkerung aufgerufen hat, Nein zu sagen zu einem Reformpaket, und auch im Januar/Februar, als das Parlament neu gewählt wurde. Auch da ging es nicht gerade schonend und mit weichen Bandagen zu, sondern es wurde hart gekämpft. Das liegt auch ein wenig im Wesen des politischen Systems von Griechenland. Im Wahlkampf muss man eine Mehrheit für sich gewinnen, um danach Regierungsämter zu bekommen und seine Hintersassen mit Regierungsposten und Posten in der staatlichen Industrie zu versorgen. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was ist das für ein Verständnis, wie Sie das übersetzen!) Deshalb ist das immer eine entscheidende Phase. Dass in dieser Zeit der IWF überprüfen soll, ob in Griechenland alles gut läuft: Mit Verlaub, da fehlt mir wirklich der Glaube, dass das realistisch ist. Wir alle – Sie genauso wie ich – werden doch von vielen Menschen angeschrieben und angesprochen, die dafür nur noch ein Kopfschütteln übrig haben. Ich meine auch: Wenn man – jetzt übertrage ich die normale Lebenserfahrung auf die Politik – zweimal mit Anlauf mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist, dann sollte man einmal gucken, ob es nicht irgendwo eine Tür gibt. In diesem Fall ist die Tür der Grexit. Das haben Sie, Herr Finanzminister, vor den Verhandlungen am letzten Freitag erfreulicherweise sehr ordentlich vorgetragen. Griechenland wird es im Euro-Raum nicht schaffen. Wir werden es nicht schaffen, die Euro-Zone mit Gewalt gegen den Willen der Bevölkerungen zusammenzuhalten, wenn wir es nicht zulassen, dass die Euro-Zone -atmen kann. Das heißt, dass Griechenland den Euro-Raum verlässt und mit einer eigenen Währung die notwendigen Strukturanpassungen währungspolitisch flankieren kann. Nach einer harten Anpassung und Rezession wird es ein Wachstum erleben, weil der Import zurückgeht und der Export anzieht. Viele Touristen werden kommen, da der Urlaub in Griechenland günstiger wird. Anders wird es nicht funktionieren. Ich will noch eines zu der Frage sagen: Wer zahlt das alles? In diesem Zusammenhang ist die neue Definition von Schuldentragfähigkeit ziemlich gefährlich. Wenn wir eine Grenze von 15 Prozent für Ausgaben für akzeptabel halten, dann haben wir es in der Hand, immer neue Kredite zu geben. Durch eine beliebige Verlängerung des tilgungsfreien Zeitraums können wir die Schuldentragfähigkeit von außen mit Pseudokrediten herstellen. Was wir wirklich machen, wenn wir Kredite gewähren und Laufzeiten um 30 oder 50 Jahre erhöhen, ist eine Schenkung und nichts anderes. Das ist natürlich ein Verstoß gegen das, was wir den Menschen versprochen haben: Jeder in der Währungsunion muss für seine Schulden selbst aufkommen. Es gibt kein Bail-out. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Zahlen – das ist der letzte Satz, Herr Präsident – werden das nicht einmal mehr unsere Kinder, sondern deren Kinder und Enkel. Über 2 Billionen Euro an Schulden haben diese Menschen abzutragen, und jetzt packen wir noch Schulden anderer drauf. Das ist den nachfolgenden Generationen gegenüber unverantwortlich. Sagen Sie bitte Nein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner in der Aussprache ist der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen heute nicht über den kommenden Wahlkampf in Griechenland oder darüber ab, ob sich Herr Tsipras der Vertrauensfrage stellt. (Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD]) Wir stimmen heute über einen Antrag der Bundesregierung mit neun Anlagen ab. Ich finde, das, was in den letzten Tagen vereinbart worden ist und was in diesem Antrag steht, verdient Respekt. Ich gebe für mich ganz ehrlich zu: In dem Zeitraum Ende Juni/Anfang Juli, in dem die griechische Regierung das Volk aufhetzte, in einem Referendum Nein zu Reformen zu sagen, und das Volk mit Nein stimmte, gab es für mich zwei entscheidende Momente. Zum einen waren das die Folgen in Form von Bankenschließungen und Kapitalverkehrskontrollen. Zum anderen war es die Tatsache – da widerspreche ich den Grünen ganz ausdrücklich in ihrem Antrag, das war kein historischer Fehler –, in einer Debatte zu beleuchten, was für Griechenland ein genereller Grexit oder ein zeitweiliger -Grexit bedeutet hätte. Es ist meine feste Überzeugung: Wenn in den letzten Wochen und Monaten von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, von der Bundesregierung insgesamt, nicht so hart verhandelt worden wäre, hätten wir nicht das vorliegende Ergebnis zur Abstimmung. Das ist an dieser Stelle meine feste Überzeugung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lieber Kollege Willsch, an der Grexit-Debatte stört mich eins: Sie beschreiben nicht die Folgen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Griechenland bleibt in der Europäischen Union. Griechenland bleibt im Schengen-Raum. Griechenland bleibt in der NATO. Ein Kollege hat gestern in der Arbeitsgruppe Haushalt den Vorschlag gemacht, die Konditionen, die wir im dritten Hilfspaket mit Griechenland vereinbart haben, mit Entwicklungsländern zu vereinbaren. Eine Konditionierung bei Entwicklungshilfe: Das wäre aus meiner Sicht dann auch die Alternative für Griechenland gewesen. Mich stört an der Debatte, dass man nur ganz einseitig Haare in der Suppe findet und Situationen beschreibt, ohne auch darauf hinzuweisen, wo dieser Weg hinführen würde. Das stört mich ganz erheblich, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Den Grünen will ich eines sagen: Sie sprechen davon, dass Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Wolfgang Schäuble die Axt an die Grundwerte in Europa gelegt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Verständnis von Solidarität in Europa ist, dass sie auch immer mit eigener Verantwortung verbunden ist. Mein Verständnis von Hilfe ist Hilfe zur Selbsthilfe, und mein Verständnis von Europa ist, dass nicht einer die Regeln bestimmt, wenn man sich in Europa Regeln gibt, sondern dass die Regeln, die alle vereinbart haben, auch von allen einzuhalten sind. Das ist mein Verständnis von Europa. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Hier hat die griechische Regierung einen Weg zurücklegen müssen. Wer sich die Mühe macht, einen Blick in die Anlage 3 a zu werfen, sieht, dass die Maßnahmen 48 bis 56 – Kollege Poß, Sie nicken – jetzt unter dem Druck der Quadriga vom griechischen Parlament zurückgenommen werden. Das betrifft die Steueramnestie für Reiche. Es geht auch zum Beispiel darum, dass die hellenische Tourismusorganisation keine Grundsteuern zahlen muss, und um die überzogenen Subventionen für Kleinerwerbslandwirte und Nebenerwerbslandwirte in Griechenland. Man musste erst Druck aufbauen, liebe Kollegin Lötzsch, bis Syriza das zurückgenommen hat, was sie fehlerhaft im Februar und März beschlossen haben. Das haben sie nicht von alleine gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Kollege Hofreiter, Sie sind gegen Ausgabenkürzungen. Das verstehe ich nicht. Sie sind dagegen, dass in den beiden kommenden Jahren im griechischen Militärhaushalt eine halbe Milliarde Euro eingespart wird. Ich bin dafür, dass da gekürzt wird. Wo denn sonst? Wo sonst soll bei einer Armee von 175 000 Mann gekürzt werden? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich bin aber auch genauso dafür – das will ich ganz klar und deutlich sagen –, dass im öffentlichen Dienst die Mindestrenten eingefroren werden. Ich will Ihnen auch sagen, warum: weil die Renten in Griechenland, und zwar die Renten im privaten Sektor und die Klientelrenten, die über Jahre von Pasok, ND und wem auch immer im öffentlichen Dienst ausgereicht worden sind, ganz weit auseinandergehen. Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Letten, den Esten, den Litauern, den Slowenen und den Slowaken, die deutlich niedrigere Mindesteinkommen und ein deutlich niedrigeres Sozialniveau haben. Deswegen ist es richtig, auch bei den Klientelrenten in Griechenland einen Stopp für die nächsten Jahre vorzusehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Im Memorandum of Understanding sind 58 Maßnahmen mit 200 konkreten Terminen vorgesehen, von denen – das halte ich für sehr bemerkenswert – vier Fünftel heute schon zumindest im Parlament beschlossen, wenn auch noch nicht umgesetzt worden sind. Die entscheidende und härteste Bewährungsprobe in den nächsten Wochen und Monaten wird übrigens die Umsetzung sein. Deswegen stimme ich dem Kollegen Thomas Oppermann zu, dass es richtig ist, dass wir heute nicht über die Verlängerung von Kreditlaufzeiten und Schuldenerleichterungen reden – ein Haircut ist überhaupt nicht möglich –, sondern dass wir das erst dann in den Blick nehmen, wenn die griechische Regierung gezeigt hat, dass sie das, was vereinbart worden ist, nicht nur im Parlament beschließen lässt, sondern es auch administrativ umsetzt. Es hilft überhaupt nichts, die Erhöhung der Mehrwertsteuern für die kleinen Inseln um 30 Prozent zu beschließen. Das Entscheidende ist nicht der Beschluss im Parlament, sondern dass die Steuern auch eingenommen werden. Denn nur dann können sie in den griechischen Haushalt fließen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das ist aus meiner Sicht das, was Tsipras und die griechische Regierung jetzt leisten müssen. Lieber Johannes Kahrs, dieses Hilfspaket war kein Selbstläufer, und dieses Hilfspaket wird bis 2018 auch kein Selbstläufer sein. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn wir zu Beginn des kommenden Jahres, ähnlich wie nach einer gewissen Zeit im Falle von Spanien, Irland, Portugal und Zypern, im Haushaltsausschuss die MoUs, die Reviews, zur Kenntnis nehmen können und keine Stellungnahme abgeben, weil in dem Fall die Quadriga attestiert, dass das, was beschlossen wurde, in Griechenland auch umgesetzt wird. Wenn Sie sich das Memorandum of Understanding in seiner ganzen Breite anschauen, dann sehen Sie, dass hiermit eine Basis gelegt worden ist. Hier hat aus meiner Sicht die Europäische Kommission eine große Verantwortung, nicht nur politisch zu agieren, sondern auch echte technische Hilfe vor Ort zu leisten, und zwar in den verschiedensten Bereichen. Dann ist eine Chance gegeben, dass in Griechenland ein moderner, wettbewerbsfähiger Staat entsteht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir ist relativ wurscht, welche Partei am Ruder ist. Für mich ist von Interesse, dass das umgesetzt wird, was mit den europäischen Institutionen vereinbart worden ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Schauen wir uns an, was in den letzten sechs, sieben Monaten gelaufen ist. Griechenland war 2010 pleite, weil die Griechen völlig über ihre Verhältnisse gelebt haben. Griechenland hatte ein Haushaltsdefizit von 15 Prozent, im Jahre 2010 eine Schuldenquote von 150 Prozent. Griechenland war Schritt für Schritt auf dem Weg zur Besserung. Der Direktor des ESM hat das im Mai in beeindruckender Weise hier bei uns dargestellt. Griechenland war auf dem Weg der Besserung, und auch im dritten und vierten Quartal 2014 war Licht am Ende des Tunnels. Ich bin ähnlich wie du, Johannes, der Meinung, dass der unselige Finanzminister Varoufakis ruhig Motorrad fahren oder in seinem Häuschen seine Zeit verbringen soll. Das soll mir recht sein. Da können die Bunten in Europa schreiben, was sie wollen; das stört mich nicht. Ich hoffe, dass in Griechenland jetzt wirklich Verantwortung von der griechischen Regierung wahrgenommen wird und dass sie in erster Linie an die zurückliegenden Wochen und Monate denkt und begreift, was es heißt, wenn Banken schließen müssen und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden müssen. Das Entscheidende ist, dass dieses Paket jetzt in Griechenland ver-antwortungsvoll umgesetzt wird. Meine persönliche Überzeugung ist, dass man dann auch in Griechenland Wachstum und Beschäftigung schaffen kann. Ein Abschlusswort, Herr Kollege Gysi. Ich gebe Ihnen einen guten Rat. Ich beziehe mich auf die 35 Milliarden Euro, die Griechenland von der Europäischen Union bekommt. Entweder wir zahlen nur 5 Prozent, oder die 5 Prozent werden von der Europäischen Investitionsbank übernommen. Was Sie zu den Investitionen in Griechenland erzählt haben, ist der größte sachliche Unfug, den ich je im Deutschen Bundestag gehört habe. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Zu einer persönlichen Erklärung zur Aussprache erhält jetzt der Kollege Nüßlein das Wort. (Petra Hinz [Essen] [SPD]: Er hat vorhin schon etwas gesagt!) Anschließend habe ich noch eine wichtige Mitteilung zu machen. Insofern besteht durchaus Gelegenheit, sich noch einen Augenblick auf die Plätze zu setzen. Danach kommen wir zu der namentlichen Abstimmung. Bitte, Herr Kollege Nüßlein. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Kollege Kindler hat mich im Rahmen dieser Debatte in dieselbe Ecke wie Holocaustleugner gestellt. Ich möchte das hier an dieser Stelle auf das Schärfste zurückweisen. Herr Kollege Kindler, weder der Kontext Ihrer Einlassung noch der Kontext meiner Zwischenfrage gab dazu Anlass. So etwas tut man auch nicht in schärfster rhetorischer und argumentativer Bedrängnis, nicht unter Kollegen und nicht unter Demokraten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie dürfen davon ausgehen, dass ich mir der historischen Verantwortung Deutschlands absolut bewusst bin. Sie dürfen aber auch davon ausgehen, dass ich sehr wohl der Auffassung bin, dass Deutschland jedenfalls für die Schuldenmisere in Griechenland nichts kann, dass wir aber eine Verantwortung dafür tragen, diese Problematik im Interesse Europas zu lösen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen, Herr Kindler, und würde mich freuen, wenn wir uns im Anschluss in einem persönlichen Gespräch noch einmal austauschen könnten. Über eine Entschuldigung würde ich mich auch freuen. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe damit unsere Aussprache. Bevor wir jetzt zu den Abstimmungen kommen, habe ich noch einen wichtigen praktischen Hinweis mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit der Büros und auch der Kolleginnen und Kollegen, die sich in den nächsten Wochen vermutlich nicht dauerhaft in Berlin aufhalten wollen und müssen. Wie wir bereits mehrfach mitgeteilt haben, wird ab morgen Abend mit dem Neuaufsetzen der IT-Systeme des Bundestages begonnen. Während der notwendigen Arbeiten, die wir hoffen bis einschließlich des Wochenendes im Kern erfolgreich durchführen zu können, sodass wir im Laufe des kommenden Montags hoffentlich wieder in vollem Umfang arbeitsfähig werden, kann naturgemäß die Bundestags-IT nicht zur Verfügung stehen. Wir haben gestern Abend erneut in einer E-Mail an alle Kolleginnen und Kollegen und Büros darauf hingewiesen, was beim Wiederanfahren des Systems am Montag zu beachten ist. Bei der ersten Anmeldung an das neue System ab Montag werden Sie bzw. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro aufgefordert, das Passwort zu ändern. So, das setzt voraus, dass einer da ist – ganz praktisch. (Heiterkeit) An Parlakom-Geräten in den Büros in Berlin und in den Wahlkreisbüros werden Sie über die Anmeldemaske durch das Passwortänderungsverfahren geführt, das Ihnen von auch früher üblichen Passwortänderungen bekannt sein sollte. Insofern handelt es sich hier weder um ein ungewöhnliches noch um ein aufwendiges Verfahren. Aber es ist ein unverzichtbares Verfahren, wenn man im System arbeiten will. Ein bisschen komplizierter ist die Passwortänderung für die persönlichen Smartphones oder Tablets. Dafür gibt es eine Anleitung für die verschiedenen Gerätetypen im Intranet unter „Aktuelles“. Hier empfehle ich, sich gegebenenfalls diese Empfehlungen und Handhabungen auszudrucken. (Heiterkeit und Beifall) Jedenfalls würde ich gerne vermeiden, dass nach den -erheblichen und bemerkenswerten Anstrengungen, die viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den vergangenen Wochen vorgenommen haben, ich ab Mitte der Woche verzweifelte Anrufe von Kolleginnen und Kollegen bekomme, sie hätten gehört, ab Montag wäre das System wieder verfügbar, sie kämen nur nicht rein. Deswegen wäre es schon ganz gut, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen auch individuell bzw. in den Büros getroffen würden. Wenn es dazu Fragen oder Probleme gibt, steht Ihnen unser IT-Support unter der bekannten Durchwahlnummer 117 auch über das Wochenende zur Verfügung. (Christine Lambrecht [SPD]: Was für ein -Service im Plenum!) So, und nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen auf den Drucksachen 18/5780 und 18/5788 zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass der Antrag auch die Zustimmung zur Auszahlung der ersten Tranche der Finanzhilfe an Griechenland in Höhe von 26 Milliarden Euro beinhaltet. Darüber muss also nicht etwa erst zu einem späteren Zeitpunkt gesondert abgestimmt werden. Im Übrigen nehmen wir zahlreiche persönliche Erklärungen zur Abstimmung, die wir erhalten haben, in bewährtem Verfahren zu Protokoll.1 Wir stimmen nun auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD über den Antrag namentlich ab. Ich bitte um einen Hinweis der Schriftführerinnen und Schriftführer, ob die Urnen jeweils doppelt besetzt sind. Ich gucke einmal von links über die Mitte nach rechts. – Es sieht so aus. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung. Ist ein Mitglied im Saal anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht erkennbar. Dann schließe ich hiermit die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Da wir nur eine namentliche Abstimmung haben, wird das vermutlich zügig gehen, sodass diejenigen, die ganz gespannt auf das Ergebnis dieser Abstimmung warten, sich nicht allzu lange gedulden müssen, bis wir es vorliegen haben.2� Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5789. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Das sind ein paar mehr. Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich für einige Minuten die Sitzung und teile Ihnen dann das Ergebnis mit. Vorsichtshalber weise ich schon jetzt darauf hin, dass die nächste Sitzung des Bundestages voraussichtlich am Dienstag, dem 8. September 2015, stattfinden wird. Gehen Sie davon aus, dass das der späteste denkbare Termin ist. Sie bekommen aber rechtzeitig die entsprechenden Informationen. (Unterbrechung von 12.03 bis 12.09 Uhr) Präsident Dr. Norbert Lammert: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich teile Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands mit: abgegebene Stimmen 585. Mit Ja haben gestimmt 454, mit Nein haben 113 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, enthalten haben sich 18. Damit ist der Antrag angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 584; davon ja: 453 nein: 113 enthalten: 18 Ja CDU/CSU Stephan Albani Peter Altmaier Artur Auernhammer Dorothee Bär Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Norbert Brackmann Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Uwe Feiler Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Thorsten Frei Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Reinhard Grindel Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Christian Haase Florian Hahn Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Stefan Heck Mechthild Heil Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Dr. Franz Josef Jung Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Markus Koob Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Henning Otte Ingrid Pahlmann Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Dr. Joachim Pfeiffer Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Johannes Selle Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Johannes Singhammer Jens Spahn Dr. Frank Steffel Peter Stein Sebastian Steineke Johannes Steiniger Rita Stockhofe Gero Storjohann Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Volker Ullrich Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Karl-Georg Wellmann Waldemar Westermayer Kai Whittaker Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Nicole Maisch Peter Meiwald Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Thomas Bareiß Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Peter Beyer Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Cajus Caesar Thomas Dörflinger Hermann Färber Dr. Thomas Feist Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Klaus-Peter Flosbach Michael Frieser Alexander Funk Dr. Thomas Gebhart Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Olav Gutting Dr. Stephan Harbarth Matthias Hauer Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Hubert Hüppe Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Alois Karl Jens Koeppen Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Carsten Linnemann Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Jan Metzler Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Tim Ostermann Sylvia Pantel Eckhard Pols Albert Rupprecht Jana Schimke Ronja Schmitt Bernhard Schulte-Drüggelte Detlef Seif Reinhold Sendker Tino Sorge Dr. Wolfgang Stefinger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Stephan Stracke Arnold Vaatz Ingo Wellenreuther Marian Wendt Peter Wichtel Klaus-Peter Willsch Dagmar G. Wöhrl Emmi Zeulner SPD Marco Bülow Thomas Jurk Jeannine Pflugradt Peer Steinbrück DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Klaus Ernst Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Ulla Jelpke Kerstin Kassner Katja Kipping Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Petra Pau Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Azize Tank Alexander Ulrich Dr. Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Pia Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele Enthalten CDU/CSU Wilfried Lorenz Dr. Andreas Nick Ulrich Petzold DIE LINKE Stefan Liebich Thomas Nord Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Uwe Kekeritz Sylvia Kotting-Uhl Monika Lazar Steffi Lemke Beate Müller-Gemmeke Lisa Paus Corinna Rüffer Dr. Harald Terpe Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung des Bundestages berufe ich hiermit auf Dienstag, den 8. September 2015, ein, soweit nicht zwischenzeitlich andere Mitteilungen erfolgen. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch ein paar hoffentlich ruhige, besinnliche und erholsame Tage. (Schluss: 12.10 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 19.08.2015 Dr. Castellucci, Lars SPD 19.08.2015 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 19.08.2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.08.2015 Dr. h. c. Erler, Gernot SPD 19.08.2015 Freitag, Dagmar SPD 19.08.2015 Dr. Freudenstein, Astrid CDU/CSU 19.08.2015 Dr. Friedrich (Hof), Hans-Peter CDU/CSU 19.08.2015 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 19.08.2015 Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.08.2015 Groß, Michael SPD 19.08.2015 Gunkel, Wolfgang SPD 19.08.2015 Hartmann (Wackern-heim), Michael SPD 19.08.2015 Hauptmann, Mark CDU/CSU 19.08.2015 Hupach, Sigrid DIE LINKE 19.08.2015 Ilgen, Matthias SPD 19.08.2015 Jung, Andreas CDU/CSU 19.08.2015 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 19.08.2015 Katzmarek, Gabriele SPD 19.08.2015 Kiziltepe, Cansel SPD 19.08.2015 Kolbe, Daniela SPD 19.08.2015 Körber, Carsten CDU/CSU 19.08.2015 Korte, Jan DIE LINKE 19.08.2015 Kunert, Katrin DIE LINKE 19.08.2015 Lenkert, Ralph DIE LINKE 19.08.2015 Dr. Lenz, Andreas CDU/CSU 19.08.2015 Dr. Lindner, Tobias BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.08.2015 Lips, Patricia CDU/CSU 19.08.2015 Lühmann, Kirsten SPD 19.08.2015 Dr. Miersch, Matthias SPD 19.08.2015 Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.08.2015 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 19.08.2015 Dr. Neu, Alexander S. DIE LINKE 19.08.2015 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 19.08.2015 Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 19.08.2015 Dr. Schabedoth, Hans-Joachim SPD 19.08.2015 Schieder, Marianne SPD 19.08.2015 Schipanski, Tankred CDU/CSU 19.08.2015 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 19.08.2015 Stadler, Svenja SPD 19.08.2015 Stauche, Carola CDU/CSU 19.08.2015 Stegemann, Albert CDU/CSU 19.08.2015 Steinbach, Erika CDU/CSU 19.08.2015 Tack, Kerstin SPD 19.08.2015 Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 19.08.2015 Vogler, Kathrin DIE LINKE 19.08.2015 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 19.08.2015 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 19.08.2015 Zypries, Brigitte SPD 19.08.2015 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Stefan Liebich, Thomas Nord, Harald Petzold (Havelland), Richard Pitterle, Kirsten Tackmann, Frank Tempel und Dr. Axel Troost (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungs-punkt 1 b) Hiermit erklären wir, dass wir zur vorliegenden Beschlussfassung mit Enthaltung stimmen. Wir begründen das wie folgt: Die seit gerade einem halben Jahr im Amt befindliche griechische Regierung ist mit den Versprechen angetreten, dass das Land entsprechend dem Wunsch der deutlichen Mehrheit der griechischen Bevölkerung in der Euro-Zone bleibt und sich zugleich nicht mehr dem Diktat der „Troika“ beugt, dass die Austeritätspolitik und die daraus resultierende Verelendung der Bevölkerung sowie der Niedergang der Wirtschaft beendet werden. Es war klar, dass sie diese Versprechen gegenüber der eigenen Bevölkerung nur realisieren konnte und kann, wenn sie dafür aus anderen europäischen Regierungen oder/und durch eine breite europäische Solidaritätsbewegung Unterstützung bekommt. Bisher ist diese nicht ausreichend zustande gekommen. Trotzdem hat die griechische Regierung auf der europäischen Ebene die Sinnhaftigkeit der neoliberalen und vor allem deutschen Austeritätspolitik infrage gestellt sowie in Griechenland selbst als auch in Europa die soziale Frage wieder in die Debatte gebracht. Das Lager der Befürwortung dieser Politik hat Risse bekommen. Die Unterstützung der Haltung der griechischen Regierung durch die Mehrheit der griechischen Bevölkerung durch ein Referendum hat diese Position gestärkt. Zugleich stieß die Regierung Griechenlands an die Grenze ihrer Handlungsspielräume. Die Banken mussten schließen, die Kassen des Landes waren leer, eine Zahlungsfähigkeit nicht mehr vorhanden, die Wirtschaft und die Gesellschaft standen vor dem allgemeinen Kollaps. Alexis Tsipras musste einen Weg finden, um die Handlungsfähigkeit der griechischen Regierung wenigstens teilweise wiederzuerlangen, ohne dabei die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung zu verlieren. Er hat sich dabei vor dem Hintergrund, dass ein Teil der Gläubiger, insbesondere der deutschen, die griechische Krise nutzen wollten, um mit der Drohung eines Grexits ein deutsch-dominiertes „Kern-Europa“ durchzusetzen, für den Weg des „Kompromisses“ entschieden, um wenigstens Griechenlands Verbleib in der EU und im Euro zu retten. Damit mussten die Grexit-Befürworter dem Druck insbesondere der sozialdemokratischen italienischen sowie französischen Regierung nachgeben und die rücksichtslose Durchsetzung ihres Zieles aussetzen, ohne es jedoch tatsächlich aufzugeben. Der Preis, den Griechenland dafür zahlen muss, ist hoch und fand im Memorandum vom Juli 2015 seinen Ausdruck. Es ist ebenso Ausdruck des Kräfteverhältnisses in der Europäischen Union wie das hier zur Abstimmung stehende „Hilfspaket“. Aber es ermöglicht eine neue Runde des Widerstandes gegen die Austeritätspolitik in der EU und der Euro-Zone, eines Kampfes für eine solidarische und demokratische Zukunft der Europäischen Union. Wir können das Agieren der Bundesregierung in den Verhandlungen zum neuen Hilfspaket nicht befürworten, denn diese Regierung vertritt heute mit die reaktionärsten politischen Positionen in der EU. Teile von ihr streben gar nach einem neoliberalen deutsch-dominierten „Kern-Europa“. Davon ausgehend gibt es gute Gründe zu diesem „Hilfspaket“ Nein zu sagen. Gleichwohl ist die griechische Regierung gegenwärtig der mit Abstand einzige machtpolitische Aktivposten der Europäischen Linken. Wir begrüßen, dass es ihr gelungen ist, die Differenzen zwischen den Gläubigern zu nutzen, um deutsche Pläne für einen Grexit zu durchkreuzen und sich Chancen – wenn auch begrenzt – für politische Korrekturen der Gläubigerlinien zu erhalten und zu schaffen: Dies sind die Frage des vom IWF geforderten Schuldenerlasses, die zwischen IWF, der deutschen und der griechischen Regierung strittige Ausgestaltung des sogenannten Treuhandfonds, die von der EU-Kommission unterstützte Möglichkeit, reale Mittel für Investitionen in die Wirtschaft zu erhalten und die im sogenannten „Paket“ enthaltene Möglichkeit – neben sehr rigiden sozialen Einschnitten –, auch in einzelnen Bereichen soziale Reformen im Interesse der ärmsten Griechinnen und Griechen durchzuführen. Wir haben Verständnis, wenn andere diese Chancen nicht sehen. Zugleich bestärkt uns die Auseinandersetzung in der Unionsfraktion darin, dass auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen diese Möglichkeiten sehen und sie gerade damit ihr Nein begründen. Wir gehen davon aus, dass gerade diese Debatte in der Unionsfraktion ein Nachweis dafür ist, dass es Merkel und Schäuble nicht gelungen ist, das ihnen vom Bundestag erteilte Mandat bei den Verhandlungen eins zu eins umzusetzen, dass sich der Kampf der griechischen Seite für die eigenen Ziele weiter lohnt und dass es der Syriza-Regierung durchaus bei den kommenden Auseinandersetzungen helfen kann, dies auch mit unserem Abstimmungsverhalten deutlich zu machen. Deshalb haben wir uns der Stimme enthalten. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lisa Paus, Sylvia Kotting-Uhl, Monika Lazar, Steffi Lemke, Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer und Dr. Harald Terpe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungspunkt 1 b) Mit dem dritten Hilfsprogramm kann das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone vorerst verhindert werden. Es wurde aber erneut versäumt, die notwendigen Bedingungen für eine wirtschaftliche Erholung und nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Es fehlt sowohl an einer konsequenten Investitionsförderung als auch einer garantierten Tragfähigkeit der griechischen Staatsschulden. Zudem wurde das jetzige Programm nicht auf Augenhöhe verhandelt. Die Maßnahmen wurden der griechischen Regierung, die mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Banken erpresst wurde, von außen aufgezwungen. So wird die griechische Demokratie auf absehbare Zeit entmachtet. Im Ergebnis steht das Land kurz vor Neuwahlen und weiteren Monaten der politischen Instabilität. Angesichts dieser zwiespältigen Gesamtbilanz haben wir uns heute im Bundestag enthalten. Wir bedauern sehr, dass die Bundesregierung nicht willens war, einen Kompromiss zu erzielen, der für Griechenland eine belastbare Perspektive schafft und Europa stärkt und die europäische Idee weiter entwickelt. Unrealistische Haushaltsziele und kein Ende der Austerität: Es gibt durchaus positive Aspekte im beschlossenen Memorandum of Understanding. Dazu gehört der intensivierte Kampf gegen Steuervermeidung, die höheren Steuern für Reeder und die Kürzungen im griechischen Verteidigungshaushalt. Zugleich sind darin aber viel zu viele Elemente enthalten, die für eine Fortsetzung des schädlichen Austeritätskurses sorgen werden: beispielsweise die Kürzung der Zusatzrenten, die Erhöhung des Renteneintrittsalters und der Mehrwertsteuern auf den Inseln auf 23 Prozent. Unter diesen Umständen scheint der für das Jahr 2018 anvisierte Primärüberschuss von 3,5 Prozent vollkommen unrealistisch. In jedem Fall wird durch diese nach wie vor unrealistischen Sparziele ein großer Druck auf dem neu geschaffenen Privatisierungsfonds lasten. Die Erfahrungen mit der deutschen Treuhand zeigen, dass Zeit hierbei die entscheidende Komponente ist. Kurzfristiger Handlungsdruck angesichts nach wie vor hoher Einnahmeanforderungen wird einen Preisverfall des öffentlichen Eigentums bewirken und verhindert die langfristige Sanierung und strategische Neuaufstellung der öffentlichen Infrastruktur gerade in ökologischen Schlüsselsektoren wie Energie und Verkehr. Das ist eine schwere Hypothek für die Zukunft. Mit weiteren Sparmaßnahmen wird die Armut in Griechenland steigen, und es ist auch nicht absehbar, wie eine Mindestsicherung kostenneutral eingeführt werden kann. Zudem enthält das Memorandum of Understanding die Forderung, dass in einem Konsultationsprozess die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt überprüft werden sollen. Schon die Eingriffe in die Tarifautonomie in den vergangenen Jahren waren nicht akzeptabel, und sie widersprechen auch den europäischen Verträgen, der europäischen Grundrechtecharta und sind mit dem europäischen Sozialmodell nicht zu vereinbaren. Nur mit wirkungsvollen Mindeststandards, Arbeitnehmerrechten und gelebter Solidarität kann Europa ein soziales und demokratisches Konstrukt bleiben. Ohne Schuldenerleichterung bleibt das Hilfsprogramm eine Fehlkonstruktion: Die griechische Staatsschuldenquote wird nach den Vorhersagen der Troika schon bald die Marke von 200 Prozent übersteigen. Nach heutigem Stand wird auch der Bruttofinanzierungsbedarf des Staates perspektivisch die kritischen Grenzen überschreiten. Griechenland wird nur dauerhaft aus der Krise kommen und auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückkehren, wenn die Tragfähigkeit der Staatsschulden gesichert wird. Die Strategie von Schäuble und Merkel wird hingegen scheitern, wenn die Schuldenlast des Staates weiter die ökonomische Gesundung hemmt. Dass der IWF sich nicht an der Auszahlung der ersten Tranche beteiligt, zeigt, wie groß die Differenzen unter den Gläubigern sind. Eine effektive Umschuldung bleibt in der Schwebe. Damit kann aber auch ein Scheitern des Hilfsprogramms weiterhin nicht ausgeschlossen werden. Griechenland wird zur Schuldenkolonie: Das neue Hilfsprogramm ist an massive Eingriffe in die staatliche Souveränität Griechenlands gebunden. Anders als im bisherigen Prozess der europäischen Einigung handelt es sich dabei um einseitige Maßnahmen. So werden die Fortschritte des neuen Programms nicht nur alle drei Monate kontrolliert, Ministerpräsident Tsipras musste sich außerdem dazu verpflichten, alle vorherigen Maßnahmen seiner Regierung zurückzunehmen, die nicht mit der Troika abgestimmt waren. Darüber hinaus wird der einzurichtende Privatisierungsfonds unter externe Aufsicht gestellt, womit Griechenland faktisch die Kontrolle über sein öffentliches Eigentum verliert. Dieses Vorgehen schwächt das Vertrauen in Europa und seinen Sinn für Demokratie und Diversität. Das Ergebnis sind Vertrauensverlust in demokratische Strukturen, politische Instabilität und eine brachiale Staatsreform, die -Tsipras unter dem ständigen Risiko von Neuwahlen durchsetzen muss. Der Grexit ist und bleibt keine Alternative. Griechenland ist weiter auf die Solidarität Europas angewiesen, und es wird unsere Aufgabe in Deutschland sein, weiter für diese Solidarität und für ein solidarisches Europa zu werben und die öffentliche Auseinandersetzung darüber mit den nationalkonservativen Kräften zu suchen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungspunkt 1 b) Wir stimmen heute gegen den Antrag der Bundesregierung und gegen die Vereinbarung mit Griechenland, die an die Kredite gebunden ist. Schäuble, Merkel und Gabriel setzen mit dem dritten Memorandum für Griechenland die Politik des brutalen Kürzungsdiktats der ersten beiden Memoranden fort. Gemeinsam mit der EU haben sie die griechische Regierung erpresst, die Vereinbarung zu unterschreiben. Dabei hat die EU ihren un-demokratischen und neoliberalen Charakter gezeigt. Die Vereinbarung zwingt die griechische Regierung, die Renten zu kürzen, zahlreiche soziale und demokratische Errungenschaften der Arbeiterbewegung abzuschaffen und öffentliche Unternehmen und Eigentum zu privatisieren. Die sogenannten Hilfsgelder gehen vor allem in den Schuldendienst, an die Institutionen und an die griechischen Banken. Schäuble, Merkel und Gabriel wollen der griechischen Bevölkerung nicht helfen. Deutsche und europäische Unternehmen sollen massiv von den Privatisierungen und der Entrechtung griechischer Beschäftigter profitieren. So berichtet die FAZ, dass der Verkauf von 14 griechischen Flughäfen zum „Schnäppchen“-Preis von 1,2 Milliarden Euro an die Fraport AG, die sich mehrheitlich im Besitz des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt am Main befindet, eine der Bedingungen an Griechenland war. Den Verkauf hatte die Syriza-Regierung zunächst gestoppt. Privatisiert werden sollen nun auch Post, Stromnetz und Stromversorgung, die Eisenbahn, der Athener Flughafen und weitere regionale Flughäfen, die Wasserversorgung der Regionen Attika und Thessaloniki, die staatlichen Erdöl- und Erdgasunternehmen, die Häfen von Piräus und Thessaloniki sowie zehn regionale Häfen, die Autobahn und zahlreiche Immobilien. Darüber hinaus soll ein Privatisierungsfonds für weitere Betriebe und Immobilien unter Aufsicht der EU eingerichtet werden. Selbst unter der Voraussetzung von massiver Privatisierung und Wirtschaftswachstum rechnet die Troika -damit, dass sich die Schuldenlast Griechenlands stark erhöht. Statt des dritten Kürzungsdiktats fordern wir einen Schuldenschnitt für Griechenland. Unser Nein ist ein internationalistisches Nein aus Solidarität zum Widerstand gegen das Kürzungsdiktat in Griechenland und ganz Europa. Diejenigen aus den Regierungsparteien, die heute mit Nein stimmen, befürworten im Gegensatz zur Linken das Kürzungsdiktat und die Erpressung der Bundesregierung gegenüber der griechischen Bevölkerung. Sie schüren chauvinistische Ressentiments unter anderem mit der Falschdarstellung, „die Deutschen“ würden für „die Griechen“ zahlen. Der deutsche Staat profitiert -finanziell von der Krise Griechenlands, denn er muss -inzwischen lediglich extrem niedrige Zinsen für deutsche Staatsanleihen zahlen, in die sich Kapitalanleger flüchten, Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, IWH, schätzt, dass seit der Krise der deutsche Staatshaushalt dadurch um gut 100 Milliarden Euro entlastet worden sei. Dies seien mehr als die rund 90 Milliarden Euro, die Griechenland Deutschland direkt und indirekt schulde. Die vorliegende Vereinbarung lässt der griechischen Regierung keinen finanziellen Spielraum und ist ein -Angriff auf die Demokratie. Wie schon bei den ersten beiden „Rettungspaketen“ wird die Demokratie durch die Kontrolle der Troika ersetzt. Die Vereinbarungen werden wie bisher vierteljährlich von der Troika überprüft und erst dann werden Gelder ausgezahlt. Die -Regierung wurde verpflichtet, bestimmte jährliche Haushaltsüberschüsse zu erzielen. Dafür sind zusätzliche Kürzungen vereinbart und laut Troika für das Jahr 2018 wahrscheinlich. Nur wenn Griechenland bereits Eigentum im Wert von 25 Milliarden Euro privatisiert hat, darf es von den weiteren Erlösen die Hälfte behalten. Die andere Hälfte geht in den Schuldendienst. Die Syriza-Regierung muss sechs der von ihr eingeführten Gesetze zurücknehmen und kann Gesetze -zukünftig nur mit Einverständnis der Troika beschließen. Errungenschaften der Arbeiterbewegung sollen abgeschafft werden. Die Gesetzgebung zu Massenentlassungen, Streiks und Tarifverhandlungen darf die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation, zwar prüfen, aber die Gesetze werden in Übereinstimmung mit der Troika gemacht, und: Eine Rückkehr zum früheren kollektiven Tarifrecht, die die Syriza-Regierung versprochen und in den Verhandlungen gefordert hatte, ist ausdrücklich -ausgeschlossen. Selbst das Urteil des griechischen -Verfassungsgerichts wird umgangen. Es erklärte die Rentenkürzungen des Memorandums von 2012 für verfassungswidrig. Nun soll es „gleichwertige Maßnahmen“ geben, die ihre Auswirkungen „vollständig ausgleichen“. Von den Maßnahmen, die die neue griechische Regierung im ersten Halbjahr ihrer Amtszeit auf den Weg -gebracht hat, bleiben unter anderem das Armutsbekämpfungsprogramm in Höhe von 200 Millionen Euro, die Wiedereinrichtung der staatlichen Fernsehanstalt ERT, die Wiedereinstellung einiger Angestellter im öffentlichen Dienst, darunter der Reinigungskräfte im Finanzministerium, sowie ein kleinerer Teil der Steueranhebungen für höhere Einkommen. Das zeigt, dass der jahrelange Widerstand der entlassenen Putzfrauen des Finanzministeriums und der Beschäftigten der staatlichen Fernsehanstalt ERT sowie die breite Solidarität mit ihren Kämpfen der einzige Weg sind, der Troika etwas entgegenzusetzen. Der Kampf -gegen die Privatisierungen und das Kürzungsdiktat in Griechenland wird weitergehen. In dem Referendum vom 5. Juli 2015 haben 61 Prozent der Wählerinnen und Wähler zum Kürzungsdiktat der Troika mit Oxi, Nein, abgestimmt. Besonders stark war die Ablehnung unter jungen Menschen, Arbeitslosen, Arbeiterinnen und Arbeitern und Angestellten. Die Gewerkschaft der Beschäftigten der staatlichen Häfen hat bereits im Juni angekündigt, gegen die Privatisierung zu kämpfen. Bei der Abstimmung im griechischen Parlament am 15. Juli organisierte die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes einen 24-stündigen Generalstreik gegen das dritte Memorandum. In den Sommerferien streikten die griechischen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner und Fluglotsen gegen die Privatisierungspläne. Die kommunalen Angestellten von -Thessaloniki verhinderten zum wiederholten Mal die Privatisierung der Stadtreinigung. Beschäftigte von -Museen, unter anderem die Angestellten der Akropolis, legten die Arbeit aus Protest gegen ausbleibende Lohnzahlungen nieder. Unsere Solidarität gilt dem Widerstand gegen das Kürzungsdiktat in Griechenland, deshalb stimmen wir heute mit Nein zum Antrag des Bundesfinanzministeriums. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Tagesordnungspunkt 1 b) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich kann dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, nicht zustimmen. Gegenstand des Antrages ist es, der Hellenischen Republik nach dem ESM-Vertrag Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren. Die Maßgaben des ESM-Vertrages werden nicht erfüllt. Zum einen ist im Antrag die Summe des Finanzbedarfs – „wird nach Schätzung der vier Institutionen 86 Milliarden Euro betragen“ – nicht genau bestimmt. Insbesondere hinsichtlich der veranschlagten 50 Milliarden Euro Privatisierungserlöse gilt offensichtlich weiterhin das Prinzip Hoffnung. Des Weiteren ist selbst aus der Begründung zum Antrag erkennbar, dass die wesentlichen Bedingungen, nach denen Mittel aus dem ESM-Vertrag gewährt werden können, wie Schuldentragfähigkeit und Systemrelevanz, nicht erfüllt werden. Eine weitere Bedingung war bisher immer, dass sich der IWF direkt an den Hilfspaketen beteiligt. Dies ist für das dritte Hilfspaket nicht gewährleistet. Hier werden also früher verbindlich getroffene Regeln und Vereinbarungen nicht eingehalten bzw. „kreativ uminterpretiert“. Das schafft ebenso wenig Vertrauen wie der Zickzackkurs der griechischen Regierung, ihre verbalen Entgleisungen und die grundsätzliche Abneigung gegen die Reformforderungen. Die Umsetzung der Auflagen mag jetzt zumindest in einigen Bereichen vom griechischen Parlament in Gesetzesform gebracht sein, aber umgesetzt sind sie deshalb noch lange nicht. Papier ist geduldig. Neuwahlen stehen an. Das griechische Verfassungsgericht hat schon einmal die Umsetzung von Reformen gekippt, und hochrangige Vertreter der griechischen Regierung sagen offen, dass sie jetzt erst einmal zustimmen, um das Geld zu bekommen und es dann nach eigenem Dafürhalten umzuverteilen. Unabhängig von der Vertrauenswürdigkeit und der Reformwilligkeit der griechischen Regierung liegt eine weitere Kritik in dem viel zu geringen Anteil des Finanzpaketes, der für Investitionen als Voraussetzung für die Schaffung von Arbeitsplätzen vorgesehen ist. Mit gegen Krisen gerichteten Konjunkturprogrammen haben wir in Deutschland gute Erfahrungen gemacht. Griechenland ist so hoch verschuldet, dass es weder in 32,5, noch in 60 oder 100 Jahren diese hohen Schulden zurückzahlen kann, da nicht zu erwarten ist, dass das Land innerhalb kürzester Zeit wirtschaftlich auf die Beine kommt oder gar exorbitantes Wachstum verzeichnen kann. Wir müssen also unsere heutige Entscheidung nicht nur vor unseren Bürgern als heutigen europäischen Steuerzahlern verantworten, sondern auch noch vor unseren Kindern und Enkelkindern, möglicherweise noch vor unseren Urenkeln. Das Land wird einen deutlichen Schuldenschnitt brauchen. Das sagt auch der IWF. Für einen realen Schuldenschnitt mit Zins- und Tilgungsfreiheit oder Streckung der Laufzeiten ist der Spielraum, laut Bundesfinanzminister Schäuble, sehr begrenzt. Allerdings passt ein solcher nominaler Schuldenschnitt nicht in die europäischen Verträge, jedenfalls noch nicht. Ich gehe davon aus, dass im Oktober, wenn der IWF erneut die Schuldenlasttragfähigkeit prüfen und über seine Beteiligung am Griechenlandhilfsprogramm entscheiden wird, es dann entweder eine wiederum sehr „kreative“ Begründung geben wird, wie wir dennoch einen Schuldenschnitt organisieren, oder wir führen das ESM-Programm erstmals ohne die Beteiligung des IWF weiter. Das ist ebenfalls eine Verletzung der Regeln, die wir uns erst vor kurzem bei der Inkraftsetzung des ESM selbst gegeben haben. Problematisch bleibt in diesem Zusammenhang weiterhin die Verflechtung mit der EZB, die den Umfang der Notkredite an Griechenland aufstockt, die ihrerseits aus den Rettungsschirmen gespeist werden. Das ist der Beweis, dass die EZB nunmehr verbotene Staatsfinanzierung leistet. Damit hat auch dort ein Tabubruch stattgefunden. Europa entfernt sich damit immer mehr von einer Wertegemeinschaft im Sinne einer Rechtsgemeinschaft, ein Paradigmenwechsel von dem Primat des Rechts hin zum Primat der Politik hat stattgefunden – alles ist immer und jederzeit verhandel- und austauschbar. Wir sind nicht nur auf dem Weg zu einer Haftungs-, Transfer- und Schuldenunion, wir sind mitten drin in der Spirale. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Radialkräfte das ganze Konstrukt der Währungsunion zersprengen. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Hiermit zeige ich an, dass ich in der Kontinuität meiner letzten Abstimmung gegen die Aufnahme von Verhandlungen eines dritten Hilfspakets für Griechenland auch dem Verhandlungsergebnis nicht zustimmen kann. Grund hierfür ist unter anderem die bis zum heutigen Tage fehlende Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds, IWF, in die Fortsetzung der Griechenland-Hilfe. Diese war immer eine Grundvoraussetzung für deutsche Hilfsleistungen. Die Forderung des IWF nach einem Schuldenerlass für Griechenland widerspricht dem sogenannten Bail-out-Verbot. Die jetzt zu erwartende Zinsstreckung bis in das Jahr 2075 ist nur eine juristische Spitzfindigkeit, die sämtliche Probleme auf künftige Generationen abwälzt. Hinzu kommt, dass ich nicht davon ausgehen kann, dass die zur Umsetzung wichtiger Reformmaßnahmen notwendige effiziente Verwaltung in Griechenland auch nur ansatzweise vorhanden ist. In der Abwägung aller Argumente werde ich dem Antrag nicht zustimmen. Michael Brand (CDU/CSU): Seit dem Beginn der Griechenland-Hilfe hat sich vieles verändert, manches zum Besseren, anderes hat sich verschlechtert. Vieles in den Annahmen zum ersten und zweiten Hilfspaket hat sich bei Überprüfung als nicht richtig erwiesen. Auch dies muss der Offenheit wegen festgestellt werden. In der Bilanz ist festzuhalten: Nachdem die griechische Regierung unter dem linken Ministerpräsidenten Tsipras zunächst versucht hat, die Erfolge der Vorgängerregierung durch unverantwortliche Ausgaben im Staatshaushalt und Rücknahme der in ihren ersten Schritten sogar erfolgreichen Konsolidierung zunichte zu machen, musste Tsipras eine Kehrtwende um 180 Grad vornehmen. Zum ersten Mal seit langer Zeit sind einzigartige Strukturreformen von Griechenland akzeptiert worden, die dem Nationalstaat von der internationalen Gemeinschaft zur Bedingung für weitere Hilfen gemacht wurden. Viele dieser Maßnahmen sind bereits vom griechischen Parlament verabschiedet worden und werden nun in Kraft gesetzt. Diese Strukturreformen sind zwingend erforderlich, um Griechenland über eine lange Frist wieder zurück in den Kreis nicht völlig verschuldeter Staaten zu führen. Ohne die harte Haltung insbesondere des deutschen Finanzministers Schäuble und auch den Druck aus dem Deutschen Bundestag wäre dies auf europäischer Ebene nicht erreicht worden. Allerdings gilt auch hier: Deutschland steht hier nicht gegen Griechenland, und Deutschland wird sich in Europa auch nicht isolieren. Es ist das nationale Interesse unseres Landes, dass Europa stark ist, weil dies zum Wohle der Menschen in unserem Lande in politischer, wirtschaftlicher und auch kultureller Hinsicht stark beiträgt. Es ist auch in unserem nationalen Interesse, dass wir uns nicht mit wichtigen europäischen Partnern bei der Lösung eines schweren europäischen Problems überwerfen. Deutschland kann seine Position einbringen, zäh und hart für sie kämpfen, wird aber am Ende sich einem europäischen Kompromiss nicht verwehren können, wenn wir als stärkstes Land in Europa nicht die Axt an die europäische Einheit anlegen wollen. Und in einer immer stärker globalisierten Welt werden wir dieses einige Europa in den kommenden Jahrzehnten noch sehr häufig dringend brauchen. Das qualitativ neue Griechenland-Paket wird wiederum mit auch deutschen Steuergeldern abgesichert. Dies offen anzusprechen, gehört zur Ehrlichkeit dazu, es führt kein Weg daran vorbei. Zur Ehrlichkeit gehört auch, darauf hinzuweisen, dass es jenseits des Griechenland-Problems auch zur europäischen Wahrheit gehört, dass die Kompromisse auf der europäischen Ebene schon in der Vergangenheit meistens auch Geld gekostet haben. Zum ersten Mal allerdings ist bei der letzten Einigung zu Griechenland ein Maß an strukturellen Anforderungen an einen Nationalstaat zur Änderung seines Staates gestellt worden, wie dies vor einem Jahr völlig unvorstellbar gewesen wäre. Diese von uns in Europa und unseren griechischen EU-Partnern lange geforderten strukturellen Änderungen im griechischen Staatswesen sind die Grundvoraussetzung dafür, dass Griechenland in einer stärker von Wettbewerb geprägten Welt seine verdiente Chance erhält. Das bezieht sich auf Finanzverwaltung, Kampf gegen Korruption und Steuerprivilegien, Reform eines völlig verrückten Frühverrentungssystems, Einführung einer soliden und vor allem finanzierbaren sozialen Grundsicherung, einer effizienten Verwaltung und vieles andere mehr. Die aktuelle Hilfe in Höhe von insgesamt 86 Milliarden Euro, von denen mehr als die Hälfte an europäische Gläubiger zurückfließt, die Frage der sogenannten Schuldentragfähigkeit, die erwartete Beteiligung des IWF – über den der IWF entsprechend seiner internen Regeln erst im Oktober entscheidet – sind wichtig, und die Umsetzung wird erstmals penibel und zeitnah überprüft. Es gilt, dass es Geld nur gibt gegen Gegenleistung. Die Gegenleistung sind strukturellere Reformen, und es geht um nichts weniger als um die grundlegende Modernisierung eines Staates, der bislang europäischen Standards noch nicht genügt und daher erhebliche Probleme in der Wirtschaft, im Staatswesen und im Ergebnis für die gesamte Bevölkerung hat. Niemand in Deutschland oder darüber hinaus, der politisch bei Verstand ist, will Griechenland aus der Europäischen Union hinauswerfen. Dazu ist die strategische Lage der Europäischen Union in dieser Region, auch in unmittelbarer Nachbarschaft zur Türkei und im Wettbewerb um Einfluss, zum Beispiel durch Russland, zu ernst. Ob Griechenland entscheidet, den Weg der steinigen Reformen innerhalb der Euro-Zone zu gehen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt lieber außerhalb der Euro-Zone, aber innerhalb der Europäischen Union gehen will, kann im August 2015 niemand beantworten. Was aber im August 2015 beantwortet werden kann, ist die Frage auf eine Risikoabwägung: Ist es riskanter, den erreichten Kompromiss auf der europäischen Ebene platzen zu lassen, als wichtigstes Land der Europäischen Union, oder den erreichten Kompromiss mit einer umstrittenen Regierung – die miserabel begonnen hat, viel Vertrauen zerstört hatte und dennoch am Ende in den letzten Wochen die europäischen Konditionen akzeptiert hat und konstruktiv am Ergebnis mitgewirkt hat – mit der notwendigen Vorsicht und der nun eingebauten Kontrolle mit zu tragen? Meine Antwort ist aus der deutschen wie aus der europäischen Sicht: Dieser neuen Qualität an europäischer Vereinbarung muss man den Mut haben, zuzustimmen. Es wäre nicht zu verantworten, diese historische Chance auf einen Neuanfang nicht zu nutzen. Das tue ich auch gegen erwartete, teils massive Kritik von denjenigen, die einfach nur die mathematische Aufrechnung machen, ohne die politischen und später auch wirtschaftlichen Folgekosten für Europa und unser Land mit zu bedenken. Europa ist für Deutschland oft kompliziert, komplex, ärgerlich – aber es ist für das Wohl unseres Landes völlig unverzichtbar. Die aktuellen Herausforderungen, von Flüchtlingszustrom, Bedrohung durch IS-Terrorismus bis zu anderen Fragen, machen jeden Tag deutlich: Europa muss zusammenhalten, und es kann die immensen Herausforderungen nur gemeinsam bestehen. Dazu gibt es in der Tat keine gute Alternative. Unser Wohlstand, unsere Sicherheit und letztlich auch die Stabilität und der Frieden unseres Landes, auch für unsere Kinder und für uns, liegen in diesem Europa. Damit zu spielen, ist nicht meine Art. Wir werden noch länger mit Problemen zu tun haben, die größer sind als die Krise Griechenlands, in der Europa viel Steuergeld und politisch viel Lehrgeld bezahlt hat und dabei in einer weiteren großen Krise auch neue Erkenntnisse und eine neue politische Qualität gewonnen hat, die uns bei anderen Projekten und Schwierigkeiten zunutze kommen wird. Michael Donth (CDU/CSU): Griechenland soll mit Unterstützung des ESM die Chance erhalten, als Volkswirtschaft und Staat aus eigener Kraft zu bestehen. Dies war zuvor bereits mit zwei anderen Programmen versucht worden. Für den Erfolg braucht es, mehr noch als finanzielle Unterstützung, den Willen und ernsthafte Schritte in Griechenland, um Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu reformieren, zukunftsfähig zu machen. Dies kann nicht durch die Partner geschehen, dies kann nur durch Griechenland selbst geschehen. An dieser Einsicht mangelte es seither. In den vergangenen vier Wochen haben die griechische Regierung und das griechische Parlament zu meinem Erstaunen Vereinbarungen mit den Verhandlungspartnern getroffen, die deutlich über das hinausgehen, was die griechische Seite bislang bereit war einzugehen. Ein Großteil davon wurde bereits vom Parlament in Gesetzen umgesetzt, bevor das Programm neu gestartet wurde. Dies ist nicht zuletzt der engagierten und konsequenten Verhandlungsführung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verdanken. Dennoch sind aus meiner Sicht weitere Schritte der griechischen Seite notwendig, um das in den vergangenen Monaten zerstörte Vertrauen wieder herzustellen. Deswegen ist es richtig, dass die nun vorgesehenen Mittel in Tranchen freigegeben werden und regelmäßige Überprüfungen durch die Troika stattfinden, ob und wie die Zusagen auch eingehalten und vor allem umgesetzt werden. Daran beteiligt sich auch weiterhin der IWF. Alle anderen europäischen Regierungen bzw. Parlamente, auch die von Spanien und Portugal, tragen diese Vorschläge mit und haben positiv entschieden. Ich sehe sehr wohl das Risiko, dass die Rettung der griechischen Volkswirtschaft immer noch schiefgehen kann. Andererseits erkenne ich Chancen im vorgelegten Paket. Deshalb komme ich trotz der Bedenken für mich zu dem Ergebnis, dass ich heute mit Ja stimme. Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Erstmals seit dem Amtsantritt des griechischen Premierministers Alexis Tsipras ist eine deutliche Reformbereitschaft in der griechischen Regierung zu erkennen. So wurden Steuerprivilegien zurückgenommen, Reformen im Gesundheits- und Rentensystem auf den Weg gebracht und Maßnahmen ergriffen, um den Bankensektor grundlegend zu modernisieren. Zudem gibt es nun konkrete substanzielle Privatisierungsschritte. Damit besteht eine realistische Chance, an die Reformanstrengungen anzuknüpfen, die im vergangenen Jahr 2014 bereits erste Früchte getragen haben. Diese Chancen gilt es zu wahren. Ob die Reformbereitschaft ausreichen wird, um Griechenland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu bringen, kann jedoch heute nicht verlässlich eingeschätzt werden. Viele Maßnahmen stehen erst in den kommenden Wochen und Monaten zur Umsetzung an. Für die Zustimmung zum dritten Hilfsprogramm sind für mich folgende Maßgaben entscheidend: – Die Auszahlung der einzelnen Kredittranchen ist klar an den Reformfortschritt in Griechenland geknüpft. Die Bundesregierung muss im ESM der Auszahlung von Tranchen zustimmen. Ich erwarte, dass die Bundesregierung ihre Zustimmung verweigert, wenn Griechenland seine Reformzusagen nicht einhält. – Der IWF hat seine grundsätzliche Bereitschaft zu weiteren Griechenland-Hilfen erklärt, falls die Schuldentragfähigkeit gewährleistet wird. Zudem hat er an zwei Stellen Verschärfungen der Reformmaßnahmen in Griechenland verlangt. Dies betrifft zum einen die Rentenreform und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Haushaltslage, zum anderen die Wiederherstellung des Vertrauens in den Bankensektor. Der ESM muss diese Forderungen zum Bestandteil der Bedingungen für die Auszahlung von Tranchen des Hilfsprogramms machen. – Ein Schuldenschnitt innerhalb der Euro-Zone kommt für mich weiterhin nicht infrage. – Strukturreformen bleiben der Dreh- und Angelpunkt für wirtschaftlichen Erfolg und finanzielle Stabilisierung. Nur ein reformwilliges Griechenland darf auf unsere Unterstützung rechnen. Angesichts der erheblichen Mittel, die nach Griechenland fließen, ist ein konsequentes Monitoring des Reformprozesses unerlässlich. Daher kommt es entscheidend darauf an, dass auch der Deutsche Bundestag in den kommenden Jahren den Reformprozess intensiv beobachtet und hierzu in geeigneter Weise Informationen einholt. Berichte vonseiten der Bundesregierung, der Europäischen Kommission und des ESM gehören für mich ebenso dazu wie unmittelbare Unterrichtungen in Griechenland vor Ort. Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde einem zustimmenden Beschluss zu einer Stabilitätshilfe auf Drucksache 18/5780 nicht zustimmen. Begründung: Nach zwei gescheiterten Rettungsversuchen für Griechenland, die im Wesentlichen alte Schulden mit neuen Krediten tilgten, wird ein drittes Programm nach der gleichen Methode nicht erfolgreicher sein können. Weniger als ein Viertel sollen für Investitionshilfen zur Verfügung stehen, der Großteil geht sofort wieder an internationale Gläubiger zurück. In Wirklichkeit ist das ein Gläubigerschutzprogramm. Hier zeigt sich sehr klar das Grundproblem des Euro. Eine gemeinsame Währung erfordert eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das bedeutet einen Finanzausgleich ohne Rückzahlungspflicht, wie er zwischen deutschen Bundesländern besteht. Das müssen wir unserer Bevölkerung dann aber offen sagen! Solange der Euro ein Währungsverbund wirtschaftsautonomer Mitgliedstaaten bleibt, muss die Möglichkeit bestehen, große ökonomische Unterschiede auch mithilfe des zeitweisen Umstiegs auf eine Regionalwährung zu überbrücken. Mit dem traditionellen Mittel der Währungskorrektur kann Griechenland seine Überschuldung abbauen und anschießend mit einem neuen Ausgangswert wieder in den Euro einsteigen. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag für eine begleitete Unterbrechung der Euro-Zugehörigkeit. Während dieser Zeit stehen Griechenland alle Investitionsprogramme und sozialen Gemeinschaftshilfen der EU offen. Sie kommen der griechischen Bevölkerung und ihrer Volkswirtschaft im Gegensatz zu den bisherigen Umschuldungsprogrammen tatsächlich und unmittelbar zugute. Das aktuelle Programm ist auch deswegen auf Sand gebaut, weil die erwarteten Privatisierungserlöse mit Notverkäufen nicht zu erzielen sind. Schon beim zweiten Hilfsprogramm wurden 50 Milliarden Euro aus Privatisierungen angesetzt, eingegangen sind aber nur 2,6 Milliarden Euro! Ich kann auch nicht akzeptieren, dass nach wie vor die Privatisierung des Trinkwassers verlangt wird, die wir in Deutschland strikt ablehnen. Wir brauchen eine Richtungsentscheidung über den Charakter der Europäischen Union und eine wirksame Einbindung der Finanzmärkte über die Finanztransaktionsteuer. Letztlich haben die aufgeblähten Schuldenstände ihre Ursache im überbordenden Finanzsektor, der inzwischen das 90-fache Volumen der Realwirtschaft erreicht hat. Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU): Den vorliegenden Vertragsentwürfen für ein drittes Hilfspaket für Griechenland stimme ich nicht zu. Es ist mir wichtig, zu betonen, dass mit dieser Ablehnung keine Kritik an der Haltung der Bundesregierung oder der Kanzlerin einhergeht. Auch halte ich die Systematik der Stabilisierungspolitik innerhalb der Euro-Zone grundsätzlich für sinnvoll und geeignet. Beispielhaft seien hier die positiven Effekte in Portugal, Irland und Spanien genannt. Auch Zypern befindet sich, ausweislich der jüngsten Programmüberprüfung, auf einem guten Weg. Vielmehr verweise ich an dieser Stelle auf meine persönlichen Erklärungen vom 27. Februar 2015 und 17. Juli 2015 und mein darin festgestelltes mangelndes Vertrauen in den Willen der griechischen Regierung, die mit den internationalen Partnern vereinbarten Reformen so umzusetzen. Seit Tagen verdichten sich ferner die Hinweise, dass in wenigen Wochen Neuwahlen in Griechenland abgehalten werden sollen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Reformanstrengungen während des Wahlkampfes vollständig zum Erliegen kommen. Mit diesen Ankündigungen vonseiten des regierenden Parteienbündnisses Syriza werden die sehr ambitionierten Zeit- und Reformpläne bereits heute wieder infrage gestellt. Ein weiterer Punkt bestimmt meine ablehnende Haltung. Insbesondere die Umsetzung des Griechenland-II-Pakets verdeutlichte, dass die Überführung von Parlamentsbeschlüssen in konkretes Verwaltungshandeln häufig an der mangelnden Funktionsfähigkeit staatlicher Strukturen in Griechenland scheitert oder zumindest verlangsamt wird. Mit der sogenannten Task-Force für Griechenland unterbreitete die EU-Kommission bereits im Juli 2011 ein umfassendes und zielgerichtetes Unterstützungsangebot an staatliche Stellen in Griechenland. Ziel war es, den Behörden vor Ort technische Hilfe bei der Reform der öffentlichen Verwaltung zukommen zu lassen. Leider wurde dieses Angebot zu selten angenommen und aufgegriffen. Insofern ist es zwar zu begrüßen, dass im nunmehr dritten Memorandum of Understanding der Stärkung und Straffung von Behörden ein höheres Gewicht gegeben wird. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind jedoch aus meiner Sicht nicht ausreichend, um eine effektive Umsetzung der so dringend notwendigen Reformen zu gewährleisten. Diese wiederum sind notwendig, um die in der Schuldentragfähigkeitsanalyse angenommenen Wachstumszahlen des Primärüberschusses im Staatshaushalt zu erreichen. Helmut Heiderich (CDU/CSU): Die von den Mitarbeitern der Europäischen Kommission, von EZB, IWF und ESM verfassten Unterlagen sind nicht nur zum Teil widersprüchlich, sondern wiederholen viele Maßnahmen, die schon in den letzten Jahren erfüllt werden sollten. Zudem verpflichten sie zu einer langen Phase von weiteren Zahlungen beziehungsweise zur Stundung von Schulden zugunsten Griechenlands, ohne dass die Bedingungen des Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 oder die Bedingungen des IWF erfüllt sind. Die beim Euro-Summit am 12. Juli 2015 getroffene Feststellung, dass neue ESM-Zahlungen nur erfolgen dürfen, „sofern alle in diesem Dokument aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind“, ist nachweislich nicht erreicht. Das bestätigt auch der Bericht der EU-Kommission vom 14. August 2015. Weiterhin wird vielfach von der Rekapitalisierung der Banken als zentralem Element gesprochen. Dabei werden erstmals Banken als nicht lebensfähig bezeichnet. Bisher wurde von der europäischen Bankenaufsicht immer erklärt, dass alle griechischen Banken den Stresstest bestanden hätten. Zudem ist inhaltlich bisher in keiner Weise erkennbar, wie diese Rekapitalisierung konkret stattfinden soll. Daten dazu sollen erst ab September bekannt gegeben werden. Mit den heutigen Beschlüssen ist zudem klar, dass weitere Schuldenerleichterungen bzw. ESM-Zahlungen folgen werden. Dies wird insbesondere vom IWF betont, weil nach dessen Sicht die Gesamtverschuldung Griechenlands über 200 Prozent steigen wird, auch wenn alle vorgeschlagenen Maßnahmen ausgeführt werden. Sollte die griechische Regierung Neuwahlen ausrufen, sind wohl viele der für September, Oktober und Jahresende 2015 vorgesehenen zentralen Forderungen nicht mehr rechtzeitig erfüllbar, was weitere Abweichungen verursachen wird. Aus ökonomischer Bewertung, wegen der fehlenden Faktendarstellungen und der enthaltenden Widersprüche ist das vorgelegte MoU nicht überzeugend und damit aus dieser Sicht nicht zustimmungsfähig. Allerdings ist dies kein Votum gegen Bundeskanz-lerin Dr. Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die in zähen Verhandlungen immer wieder intensiv arbeiten, um die gesamte Euro-Gruppe zu überzeugen und um den Euro langfristig zukunftsfähig zu halten. Die gerade von vielen Medien betriebenen Aktionen, die Abstimmung über das MoU zu einem Vertrauensvotum für die Bundeskanzlerin zu machen, weise ich strikt zurück. Hier geht es um eine Sachentscheidung und nichts anderes. Unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat weiterhin mein vollstes Vertrauen. Christian Hirte (CDU/CSU): Dem Antrag des Bundesfinanzministeriums, der weitere Kredite für Griechenland vorsieht, stimme ich zu. Ein drittes Mal innerhalb weniger Jahre stimmt der Deutsche Bundestag über Kredite für Griechenland ab. Auch wenn sich die Abstimmung formal einreiht in die Debatten seit 2010, haben sich die Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir diskutieren, grundlegend gewandelt. Die in Rede stehenden Kredite in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro bis 2018 sind nicht kleinzureden. Dennoch gilt es, den genauen Zweck der Gelder im Blick zu behalten. 54,1 Milliarden Euro stehen für den Schuldendienst bereit, dienen also lediglich zur Ablösung alter Kredite. Jeder Staat, auch die Bundesrepublik tut dies regelmäßig. Weitere 25 Milliarden Euro sind für die Rekapitalisierung der Banken bestimmt. Damit soll genau das verhindert werden, was die Lage in den vergangenen Wochen so dramatisch machte – die Schließung von Banken. Anders als von manchem vorgetragen, werden also nicht einfach Banken gerettet, sondern es wird die Grundlage dafür geschaffen, dass der Zahlungsverkehr für jedermann weiter möglich ist. Griechenland hat sich in den vergangenen Jahren anders entwickelt als alle anderen Länder, welche die Hilfe der europäischen Partner in Anspruch nehmen mussten. Der vereinbarte Reformweg wurde nie so umgesetzt, wie er vereinbart war, viele eingeleitete Reformen wurden unter der derzeitigen Regierung sogar zurückgenommen. Es gibt daher allen Grund, bei Griechenland im Allgemeinen, aber vor allem der links-rechts-radikalen Regierung Tsipras auch weiterhin skeptisch zu bleiben. Wenn die Regierung und auch die Bevölkerung Griechenlands nicht bereit sind, dauerhaft grundsätzlich diesen harten Reformweg zu beschreiten, wird das Land nicht auf die Beine kommen – nicht mit Krediten, auch nicht mit einem Grexit. Ich verstehe daher die Kollegen, die den Glauben an die Zuverlässigkeit griechischer Zusagen vollends verloren haben. Dennoch zeigen aus meiner Sicht die jüngsten Reformbeschlüsse, dass auch eine ideologisch getriebene Regierung sich nicht ewig den Realitäten verweigern kann. Tatsächlich jedoch geht es längst um mehr als die bloße Frage nach dem Umgang mit Griechenland. Bei allen Schwierigkeiten und auch Enttäuschungen, die wir mit der griechischen Regierung erlebt haben, geht es um mehr. Es geht um den Zusammenhalt Europas. Es geht um den Zusammenhalt in einer Welt, in der Konflikte um uns herum bestehen. Wir brauchen einander, und wir brauchen gegenseitiges Vertrauen und Kompromissfähigkeit. Wir brauchen Partnerschaft und Kooperation in Europa, auch und insbesondere mit Frankreich und Italien. All dies möchte ich nicht opfern, nur weil die aktuelle griechische Regierung nicht vertrauenswürdig ist. Wir haben heute eine viel größere Verantwortung, als nur stur nach Athen zu schauen. Europa ist von vielen Seiten unter Druck, die gesamte Weltlage viel konfuser als noch vor drei oder vier Jahren. In dieser Situation einen Riss in Europa zu riskieren, hielte ich für fahrlässig. Wem wäre denn geholfen, wenn wir Griechenland jetzt pleitegehen lassen würden und damit am Rand Europas endgültig das völlige Chaos in der Flüchtlingsfrage ausbrechen würde? Wir stimmen nicht allein über Geld für Athen ab, sondern darüber, ob wir Europa auch unter schmerzhaften Kompromissen zusammenhalten können. Es geht auch darum, ob sich in Europa unter unseren Partnern Mehrheiten für das wirtschaftliche und fis-kalische „Modell Deutschland“ oder für das „Modell -Frankreich“ finden. In diesem Sinn sind wir gerade in den letzten sechs bis zwölf Monaten große Schritte vo-rangekommen. Die Verhandlungsführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war dafür die Grundlage. Sie haben ihren vom Bundestag erteilten Auftrag so ausgeführt, dass die Interessen Deutschlands bestmöglich gewahrt wurden und zugleich das übergeordnete Interesse einer europäischen Verständigung möglich wurde. Sie haben, im besten Sinn, Staatskunst bewiesen. Wir stehen heute tatsächlich an einem Scheideweg in Europa. Wir müssen Fragen nach Vertiefung oder Abschwächung des Integrationskurses stellen, wir müssen über Bereitschaft, aber auch Grenzen von Solidarität und Transfers reden, wir müssen über unser gemeinsames Außenverhältnis diskutieren, etwa in Bezug auf Russland oder auch die offenen Flüchtlingsfragen. Wir müssen teils stark widerstreitende Grundüberzeugungen in West- und Ost- sowie Nord- und Südeuropa so zusammenbinden, dass weiterhin ein gemeinsamer europäischer Weg möglich bleibt. Diese schwierigen Fragen haben das Potenzial, den Zusammenhalt Europas auch aufs Spiel zu setzen. Deutschland ist im wahrsten Wortsinn bei all dem in einer Mittellage. Dies, unsere wirtschaftliche Stärke, aber auch unsere Geschichte bringen uns in die zentrale Schlüsselposition. Deshalb bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass wir nicht diejenigen sein dürfen, die diesen Zusammenhalt aufkündigen. Ein kurzfristiger Jubel über ein Ende weiterer Kredite, etwa durch einen Grexit, würde langfristig niemandem helfen. Meine Zustimmung für ein drittes Hilfspaket ist deshalb das Ergebnis einer nüchternen Abwägung, das ein schwieriger Weg einem anderen Weg vorzuziehen ist, dessen Ende ich als völlig ungewiss und derzeit höchst riskant einschätze. In der Vergangenheit habe ich mehrmals im Deutschen Bundestag Hilfsprogrammen nicht zugestimmt, etwa auch im Jahr 2011 bei der Abstimmung über -Kredite und Bürgschaften für Portugal. Nicht ohne -Demut muss ich heute feststellen, dass meine damalige Einschätzung eines Besseren belehrt wurde – zum Wohle Portugals und zum Wohle Europas. Der grundsätzliche Mechanismus aus Krediten, harten Reformen und regelmäßiger Kontrolle durch die Gläubiger hat sich dort wie in Spanien oder Irland als praktikabel und erfolgreich erwiesen. Bei aller Abwägung geht es letzlich gar nicht mehr darum, was das genau Richtige ist, das einzig Wahre, sondern darum, eine vertretbare Lösung zu unterstützen, die unsere Regierung unter Verhandlungsleitung von Wolfgang Schäuble und Angela Merkel dem Bundestag zur Abstimmung vorlegt. Ich habe insoweit größtes Vertrauen, dass das erzielte Verhandlungsergebnis in der aktuellen Situation den für Deutschland in der Summe bestmöglichen Kompromiss darstellt. Ein Kompromiss, der allen Seiten viel abverlangt. Ein Kompromiss, der der Preis sein mag für manche Fehler der Vergangenheit. Ein Kompromiss, der mir in einer Zeit großer internationaler Verwerfungen erfolgversprechender erscheint als das einseitige alleinige Beharren auf eigene Interessen. Mit meiner Zustimmung unterstütze ich daher auch den notwendigen weiteren Reformprozess in Europa. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Griechenland und seine Regierung unter Ministerpräsident Tsipras haben sich seit der Aufnahme der Verhandlungen im Juli dieses Jahres mit der Umsetzung eines Teils der sogenannten Prior Actions deutlich auf die Euro-Gruppe und insbesondere auch auf Deutschlands Vorstellungen von einer erfolgreichen Politik und Verwaltung zu bewegt. Jedoch sind im jetzt vorliegenden Memorandum of Understanding gerade zentrale Punkte bisher nicht erfüllt bzw. lediglich durch noch nicht in der Praxis erprobte Gesetze oder gar nur durch Absichtserklärungen vorbereitet worden; die tatsächliche Umsetzung kann damit – auch durchaus der kurzen Zeitspanne geschuldet – gerade nicht überprüft werden. Zu diesen zentralen Punkten gehören insbesondere: – Verabschiedung des neuen Haushalts 2016 (Oktober 2015) – Anpassung der Umsatzbesteuerung (März 2016) – Reform der Vermögensteuer (Januar 2017) – Reform des Öffentlichen Beschaffungswesens (September 2015) – Rentenreform (Oktober 2015 mit Wirkung zum Januar 2016) – Arbeitsmarktreformen (zunächst zurückgestellt) – Schaffung eines Privatisierungsfonds (im Oktober 2015 soll zunächst nur eine „Arbeitsgruppe“ eingesetzt werden) Die Möglichkeit der Überprüfung ist aber nach meinem Verständnis essenzieller Bestandteil der aus dem Grundgesetz folgenden haushaltspolitischen Verantwortung des Deutschen Bundestages, wie sie im ESM-Finanzierungsgesetz, ESMFinG, niedergelegt ist: So sollen Abgeordnete gerade nicht „ins Blaue hinein“ entscheiden, sondern in Kenntnis aller Umstände. Letzteres ist hier gerade nicht der Fall, sondern es wird – zumindest für die erste Tranche – ein Freibrief gegeben, was ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Die darin liegende Prüfung der „Konditionalität“ ist insbesondere deshalb erforderlich, weil Mittel aus dem letzten Rettungspaket zwar als „Sanktion“ verfallen sind, nunmehr aber gleichwohl als Teilbetrag in das in der Diskussion stehende neue Rettungspaket eingestellt wurden. Zudem ist für mich bisher nicht erkennbar, wie die griechische Rentenreform nunmehr in Einklang mit griechischem Verfassungsrecht gebracht werden kann, nachdem die ursprünglich schon einmal verabschiedete -Reform in diesem Punkt vom griechischen Verfassungsgericht (Συμβούλιο της Επικρατείας) für verfassungswidrig erklärt worden war. Auch hat sich meine Einschätzung zur Schuldentragfähigkeit Griechenlands nicht geändert. Wie auch der Internationale Währungsfonds, IWF, in seiner letzten Stellungnahme ausgeführt hat, bin auch ich nicht der Ansicht, dass durch das geplante Rettungspaket eine Schuldentragfähigkeit hergestellt werden kann. Vielmehr bedarf es, was der IWF selbst auch zur Bedingung für seine Teilnahme an einem Rettungspaket macht, anderer Maßnahmen, die dann offen und vorbehaltlos diskutiert werden müssen. Insbesondere ist es fraglich, ob die bisher geplanten Laufzeitverlängerungen und Stundungen von Zinszahlungen ausreichen werden. Vielmehr müsste hier ernsthaft und ehrlich über einen echten Schuldenschnitt nachgedacht werden – und damit auch über ein Staaten-Insolvenzverfahren, das den Ablauf einer Restrukturierung sowohl für den betroffenen Staat als auch für dessen Gläubiger vorhersehbar macht. Zudem hat sich an meiner rechtlichen Einschätzung der Voraussetzungen eines ESM-Hilfspakets nichts geändert. Auch zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich keine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt oder seiner Mitglieder. Ich verweise hier auf meine persönliche Erklärung vom 17. Juli 2015. In jedem Fall möchte ich jedoch herausstellen, dass mir die möglichen Folgen meiner Entscheidung – sollte sie von der Mehrheit des Deutschen Bundestages mitgetragen werden – bewusst sind. So würde ein Nein zu dem jetzigen Hilfspaket zunächst eine weitere Brückenfinanzierung nach sich ziehen – zu der den Mitgliedern des Deutschen Bundestages auch bereits ein Vertragsentwurf zugeleitet wurde. Damit wäre eine Beschlussfassung zum Beispiel im Oktober 2015 zu einem Zeitpunkt möglich, zu dem schon ein deutlich größerer Teil an Maßnahmen in Griechenland umgesetzt sein soll und damit überprüfbar wäre. Zudem wäre dann eine Beschlussfassung zusammen mit dem IWF möglich. Bettina Hornhues (CDU/CSU): Nach reichlicher Abwägung der Sachverhalte möchte ich mein Abstimmungsverhalten zum heutigen Antrag (Drucksache 18/5780) des Bundesministers der Finanzen erläutern. Ich habe in den vergangenen Monaten stark an dem Erfolg weiterer Griechenland-Hilfen und der Kooperations- und Reformbereitschaft der Griechen gezweifelt. Bereits im Februar habe ich der technischen Verlängerung des zweiten Hilfspaketes nur mit den größten Bedenken zugestimmt. Ich verweise an dieser Stelle auf meine persönliche Erklärung vom 27. Februar 2015 (Plenarprotokoll 18/89). Ich werde einem dritten Hilfspaket nach eingehendem Studium der vom Bundesfinanzministerium zur Verfügung gestellten Unterlagen die Zustimmung erteilen, da auf der Basis der deutlich veränderten Kooperationsbereitschaft der hellenischen Regierung in den Verhandlungen der vergangenen Wochen umfangreiche Strukturreformen und ein Privatisierungsfonds auf den Weg gebracht werden konnten. Die Auszahlung des Rettungspaketes findet in kleineren Tranchen statt, und diese werden nur ausgezahlt, wenn die vereinbarten Reformen auch umgesetzt werden. In dem Bewusstsein, dass der Erfolg dieses Hilfsprogramms vor allem von der Regierung Griechenlands abhängt, ist es aber meiner Auffassung nach die richtige Entscheidung, um der Stabilisierung der Währungsunion zu dienen. Andrej Hunko (Die Linke): Ich habe bei der heutigen Abstimmung im Bundestag über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland mit Nein gestimmt. Die folgenden Gründe haben mich dazu bewogen: 1. Der Charakter des fälschlicherweise als „Hilfsprogramm“ bezeichneten Kürzungsdiktats bleibt falsch. Die im Memorandum of Understanding festgehaltenen Bedingungen werden die Krise nicht lösen, sondern weiter verschärfen. Sie sind wirtschaftlich kontraproduktiv, weil die Erhöhung von Verbrauchssteuern wie der Mehrwertsteuer, weitere Rentenkürzungen und ausbleibende Investitionen, jede Möglichkeit zur wirtschaftlichen Erholung massiv einschränken. Sie zwingen die Regierung, ein gigantisches Privatisierungsprogramm umzusetzen und profitable öffentliche Unternehmen zu Ramschpreisen zu verkaufen. Sie sind sozial verheerend, weil sie die Kosten der Krise weitgehend auf Beschäftigte, Arbeitslose und Rentnerinnen und Rentner abwälzen – wenn auch die Syriza-Regierung Zugeständnisse zur sozialen Abfederung erkämpfen konnte. 2. Die Kredite in Höhe von 86 Milliarden Euro, für die Deutschland mit 27 Prozent haftet, fließen erneut zum Großteil in den Finanzsektor und können nicht zur Überwindung der Wirtschaftskrise eingesetzt werden. Durch das wirtschaftlich verheerende Kürzungs- und Privatisierungsdiktat steigt die Wahrscheinlichkeit weiter, dass die Schulden nicht zurückgezahlt werden können. 3. Zwar sind im Vergleich zu den früheren Memoranden einige wenige positive Veränderungen festzustellen wie beispielsweise die Absichtserklärung, eine Gesundheits-Grundversorgung für alle einzurichten – auch für nicht Versicherte. Dass diese Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, ist angesichts der Kürzungsvorgaben im Memorandum jedoch extrem schwierig. 4. Das Zustandekommen des Griechenlandpakets entspricht einem Diktat und ist undemokratisch. In einer beispiellosen Erpressung haben die EU-Institutionen im Verbund mit der deutschen Bundesregierung die griechische Regierung zur Kapitulation gezwungen. Diese -Politik widerspricht zutiefst meinen Überzeugungen, weshalb ich sie hier, im Parlament der Erpresser, nur -ablehnen kann. Ich mache hingegen keine Aussage -darüber, wie ich mich in Griechenland, im Parlament der Erpressten, verhalten würde. Dies ist allein Sache der griechischen Abgeordneten. 5. Griechenland braucht unsere Hilfe, und ich bin ohne Umschweife dafür, diese solidarisch zu gewähren. Das heute zur Abstimmung stehende Paket ist jedoch ein weiterer Rettungsring aus Blei. Unter diesen Bedingungen kann ich nur mit Nein stimmen. Thomas Jurk (SPD): Das nun vorliegende Memorandum of Understanding, MoU, für ein dreijähriges ESM-Programm zur Unterstützung Griechenlands ist keine ausreichende Grundlage für die dringend notwendige Stärkung der griechischen Wirtschaft und setzt -unrealistische Ziele, welche sich schon bald als nicht umsetzbar erweisen werden. Dies wird maßgeblich dazu beitragen, den Zusammenhalt in Europa weiter zu untergraben. Bei der geplanten Unterstützung für Griechenland handelt es sich im Wesentlichen um eine Fortführung bzw. Anpassung der Bedingungen der seit 2010 laufenden Hilfsprogramme. Das Ergebnis dieser bisherigen Hilfe kann nach mehr als fünf Jahren nur als desaströs bezeichnet werden: Das griechische BIP und die Reallöhne sind seit 2010 um rund 20 Prozent zurückgegangen. Die Binnennachfrage ist in diesem Zeitraum um knapp 30 Prozent gesunken. Auch die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote ist von 2010 bis heute von 17 auf 11 Prozent gefallen. Die Staatsschuldenquote Griechenlands lag 2010 bei 145 Prozent des BIP und wird im kommenden Jahr – trotz eines Schuldenschnitts im Jahr 2012 – bei rund 200 Prozent des BIP liegen. Die Arbeitslosenquote hat sich seit 2010 mehr als verdoppelt und liegt bei mehr als 25 Prozent. Die Armut ist in Griechenland inzwischen zum Alltag vieler Menschen geworden. Ursache des Scheiterns der bisherigen Hilfsprogramme für Griechenland ist in erster Linie nicht die mangelhafte Umsetzung von Reformen (siehe „Reform Responsiveness Score“ 2007 bis 2014 der OECD in „Going for Growth“ 2015), sondern das Außerachtlassen grundlegender ökonomischer Zusammenhänge, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen der Hilfsprogramme auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Dies wird mit dem nun vorliegenden MoU leider nicht korrigiert. So sollen beispielsweise im Rentensystem im kommenden Jahr Leistungen im Umfang von 1 Prozent des BIP eingespart werden, was entsprechende negative Auswirkungen auf Kaufkraft und Binnennachfrage haben wird. Auch die im MoU aufgeführten -Maßnahmen zur Förderung von Investitionen oder zur -Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit bleiben weit hinter dem dringend Notwendigen zurück. So stehen zur Unterstützung Griechenlands in der laufenden EU-Förderperiode von 2014 bis 2020 etwa 35 Milliarden Euro an EU-Mitteln zur Verfügung. Dies sind zunächst einmal 3 Milliarden Euro weniger als in der vorausgegangenen Förderperiode 2007 bis 2013. Zusätzlich stehen nun lediglich die im MoU in Aussicht gestellten, von Griechenland nicht abgerufenen Mittel der EU-Programme 2007 bis 2013 in Höhe von gut 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Hinzu kommt, dass nach dem MoU die griechischen Haushaltsüberschüsse bis zum Erreichen des vereinbarten Primärüberschussziels, und bei Überschreiten des vereinbarten Primärüberschussziels teilweise, zur Schuldensenkung verwendet werden müssen. Diese Mittel stehen also nicht für Investitionen und Konsum zur Verfügung, was die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schwächen wird. Nennenswerte Wachstumsimpulse für die griechische Wirtschaft werden so auch mit dem neuen MoU nicht gesetzt, was ein Scheitern beim Erreichen der mittelfristigen Wachstumsziele und damit auch der Ziele bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen zur Folge haben wird. Die Wachstumsziele sind ohnehin viel zu ambitioniert. So wird in der aktuellen Schuldentragfähigkeitsanalyse der europäischen Institutionen im Basisszenario für Griechenland von einem langfristigen Wachstum des realen BIP von 1,75 Prozent ausgegangen. Auf welchen Annahmen dieses Basisszenario beruht, wird in dieser Schuldentragfähigkeitsanalyse offengelassen. Demgegenüber geht der IWF davon aus, dass das langfristige Wachstum des realen BIP 0,8 Prozent erreichen wird, wenn die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote von aktuell 11 Prozent bis 2019 auf 19 Prozent des BIP steigen, die Arbeitsmarktpartizipation den höchsten Wert in der Euro-Zone erreichen, die Arbeitslosigkeit auf das Niveau Deutschlands fallen und die Steigerungsrate der totalen Faktorproduktivität das durchschnittliche Niveau in der Euro-Zone seit 1980 erreichen würde (siehe „IMF Country Report“ No. 15/165). Es ist aus meiner Sicht abwegig, zu erwarten, dass Griechenland diese Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wachstum erfüllen kann. Deshalb können die von den europäischen Institutionen vorgegebenen Wachstumsziele und damit auch die Haushaltsziele nicht erreicht werden. Der IWF hat es zunächst abgelehnt, sich an einem weiteren Hilfsprogramm für Griechenland zu beteiligen und dies mit der nicht gegebenen Schuldentragfähigkeit begründet. Laut IWF würde der Bruttofinanzierungs-bedarf Griechenlands deutlich über dem als sicher -geltenden Schwellenwert von 15 Prozent liegen und langfristig weiter ansteigen. Auch wenn die aktuelle Schuldentragfähigkeitsanalyse der europäischen Institutionen in dieser Frage unkonkret bleibt, wird diese -Einschätzung hier doch im Wesentlichen bestätigt. Um die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, werden von den europäischen Institutionen deshalb schuldensenkende Maßnahmen vorgeschlagen. Diese Maßnahmen müssten nach meiner Einschätzung einen erheblichen Umfang haben und würden damit die Glaubwürdigkeit des fundamentalen europäischen Grundsatzes, nicht für die Verbindlichkeiten anderer Staaten einzutreten, in Zweifel ziehen. Nicht angesprochen werden in der aktuellen Analyse darüber hinaus die erheblichen Risiken für die Schuldentragfähigkeit: So wird im MoU dargelegt, dass in Zukunft möglicherweise zusätzliche Maßnahmen zur Abwicklung notleidender Kredite im Bankensektor erforderlich sind. Für mich bleibt außerdem höchst -zweifelhaft, dass die Privatisierungserlöse im geplanten Umfang von knapp 14 Milliarden Euro bis 2022 und weiterer 50 Milliarden Euro im neuen Privatisierungsfonds während der Laufzeit des neuen Darlehens erzielt werden, da in den vergangenen fünf Jahren tatsächlich nur rund 3 Milliarden Euro Einnahmen aus Privatisierungen erlöst wurden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Schuldentragfähigkeit bei objektiver Betrachtung nicht gegeben ist. Ganz unabhängig von den unrealistischen Zielen des ESM-Programms hinsichtlich Wirtschaftswachstum, Haushaltsüberschüssen und Schuldentragfähigkeit ist auch die Erwartung, dass Griechenland die im MoU im Einzelnen genannten Bedingungen vollständig und fristgerecht erfüllen wird, wenig überzeugend. So hat das Referendum vom 5. Juli 2015 in Griechenland deutlich gezeigt, dass die griechische Bevölkerung mehrheitlich eine Fortsetzung der gescheiterten „Rettungspolitik“ ablehnt. Diese Ablehnung wird zweifellos von der griechischen Regierung geteilt, deren Vertreter dies mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht haben. Stärker wiegt jedoch, dass die im MoU genannten Maßnahmen von Griechenland – selbst bei gutem Willen aller Beteiligten – bei sachlicher Betrachtung kaum umgesetzt werden können. So sind im MoU – neben den circa 50 Vorabmaßnahmen, die bis heute noch nicht vollständig umgesetzt wurden – über 50 weitere Maßnahmen aufgeführt, die bis September bzw. Oktober 2015 (das heißt innerhalb weniger Tage bzw. Wochen) umgesetzt werden müssen. Darunter sind beispielsweise umfassende Reformen der Tarifordnung für die öffentliche Verwaltung, des Rentensystems, der Einkommensteuer sowie des Steuerverfahrensrechts, die Geltendmachung und Beitreibung von Rückforderungen im Gesundheitssystem oder die Veröffentlichung der seit über drei Monaten säumigen Steuer- und Sozialabgabenschuldner. Selbst in einem Staat mit funktionierender öffentlicher Verwaltung würde die Umsetzung jeder einzelnen dieser -Maßnahmen mehr Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb ist – auch unter Berücksichtigung der technischen Hilfe – nicht davon auszugehen, dass Griechenland dies vollumfänglich wird leisten können. Unzweifelhaft ist es notwendig, dass Griechenland eine effiziente Staatsverwaltung bekommt, ein funktionierendes Rechtssystem geschaffen und die Korruption bekämpft wird. Auch die Einführung einer sozialen Grundsicherung und eine bessere Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sind dringend erforderlich. Ich begrüße auch ausdrücklich die dafür vorgesehene technische Hilfe der EU. Trotzdem wird dies nach meiner -Ansicht nicht ausreichen, um Griechenland wieder auf einen dauerhaften Wachstumspfad zu führen, welcher die Rückzahlung der gewährten Hilfen ermöglicht. Zur Stärkung der griechischen Wirtschaft wäre zusätzlich eine große solidarische Anstrengung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union unerlässlich. Einer – wenn auch modifizierten – Fortsetzung der bisherigen europäischen „Rettungspolitik“ kann ich deshalb nicht zustimmen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Positivste vorneweg: Mit dem dritten Hilfsprogramm wird Griechenland für drei Jahre aus den Negativschlagzeilen kommen. Die bisher erreichten Reformen können weitergeführt werden, und die europäische Idee hat wieder etwas Zeit, an Stärke zu gewinnen. Für drei Jahre werden die an der europäischen Idee zweifelnden CDU/CSU-Abweichler ihre Grexit-Diskussion einstellen müssen. Finanzminister Schäuble, der noch immer für den Grexit ist, musste eine schwere Niederlage einstecken. Das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone wurde gegen seinen Willen vorerst verhindert. Eine langfristige Lösung stellen die Abmachungen aber nicht dar. Wieder einmal wurde es versäumt, die Weichen für die nachhaltige Erholung des Landes zu stellen. Es fehlt sowohl an einer konsequenten Investi-tionsförderung – dafür sind keine ausreichenden Mittel vorhanden – als auch einer garantierten Tragfähigkeit der griechischen Staatsschulden. Griechenland kann die Schulden nicht völlig zurückzahlen. Deshalb wird es ein viertes Kreditprogramm in drei Jahren geben. Die Chance, dieses zu verhindern, wurde durch Merkels und Schäubles Weigerung, einen wirksamen Schuldenschnitt durchzuführen, vertan. Angesichts dieser zwiespältigen Gesamtbilanz habe ich mich heute im Bundestag enthalten. Ich bedauere sehr, dass die Bundesregierung nicht daran interessiert war, einen Kompromiss zu erzielen, zu dem ich als überzeugter Europäer mit gutem Gewissen Ja sagen kann. Unrealistische Haushaltsziele und kein Ende der Austerität: Es gibt durchaus ein paar positive Aspekte im beschlossenen Memorandum of Understanding. Dazu gehören strukturelle Veränderungen im Steuerbereich, die den Kampf gegen Steuervermeidung maßgeblich verbessern werden. Es wird höhere Steuern für Reeder und Kürzungen im griechischen Verteidigungshaushalt geben. Es sind aber auch viele Elemente enthalten, die für eine Fortsetzung des schädlichen Austeritätskurses sorgen werden: beispielsweise die Kürzung der Zusatzrenten, die Erhöhung des Renteneintrittalters (in einem Land mit einer Arbeitslosigkeit von über 25 Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von etwa 60 Prozent) und der Mehrwertsteuer. Unter diesen Umständen scheint der für das Jahr 2018 anvisierte Primärüberschuss von 3,5 Prozent vollkommen unrealistisch – welches Land hat denn tatsächlich einen solch hohen Primärüberschuss, und warum sollte ausgerechnet Griechenland diesen erreichen? Die unrealistischen Sparziele werden großen Druck auf den neu geschaffenen Privatisierungsfonds ausüben. Die Erfahrungen mit der deutschen Treuhand zeigen, dass der Zeitfaktor hierbei die entscheidende Komponente ist. Kurzfristiger Handlungsdruck angesichts nach wie vor hoher Einnahmeanforderungen wird einen Preisverfall des öffentlichen Eigentums bewirken und verhindert die langfristige Sanierung und strategische Neuaufstellung der öffentlichen Infrastruktur gerade in ökologischen Schlüsselsektoren wie Energie und Verkehr – eine schwere Hypothek für die Zukunft. Ohne Schuldenerleichterung bleibt das Hilfsprogramm eine Fehlkonstruktion: Die griechische Staatsschuldenquote wird steigen und die Marke von 200 Prozent übersteigen. Auch der Finanzierungsbedarf öffentlicher Güter hat längst die kritischen Grenzen überschritten und stellt einen dauerhaften Hinderungsgrund für eine nachhaltige Entwicklung in Griechenland dar. Das ist auch ein Grund, warum Griechenland die gesamten Schulden nicht begleichen können wird. Die Tragfähigkeit der Staatsschulden muss aber gesichert sein, damit Griechenland wieder zu einem sich selbst tragenden Wirtschafts- und Sozialsystem kommen kann. Die Strategie von Schäuble und Merkel wird deshalb scheitern, da dieses Programm die Schuldenlast des Staates erhöht und letztlich eine ökonomische und soziale Gesundung verhindert. Das bestätigt auch der IWF, der sich nicht an der Auszahlung der ersten Tranche beteiligt. Das zeigt aber auch, wie groß die Differenzen unter den Gläubigern sind. Angela Merkel hat längst erkannt, dass Griechenland eine effektive Umschuldung benötigt, verschiebt die Umsetzung dieser Erkenntnis allerdings in die Zukunft und vergeudet damit wieder wichtige Zeit und erhöht damit das Risiko des Scheiterns. Damit verteuert sie in jedem Fall die Hilfsanforderungen Griechenlands. Im schlimmsten Fall könnte die Verweigerungshaltung Merkels ein Scheitern des Hilfsprogramms bedeuten. Die europäische Idee darf nicht begraben werden: Der Grexit ist und bleibt keine Alternative. Das Land wird weiter auf die Solidarität Europas angewiesen sein. Aber auch umgekehrt gilt: Wenn Griechenland scheitert, wird dies enormen Schaden für die europäische Idee bewirken. Kein Land Europas profitiert mehr von Europa als Deutschland. Es liegt also auch in unserem Interesse, die europäische Idee zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass Europa demokratischer und solidarischer wird. Die Flüchtlingsdramatik in Griechenland zeigt uns, wie wenig Europa wirklicher Solidarität verpflichtet ist. In Deutschland müssen wir weiter die öffentliche Auseinandersetzung mit den nationalkonservativen Kräften suchen, ihre Ideologie zurückdrängen und die europäische Idee stärken. Andrea Lindholz (CDU/CSU): Nach gewissenhafter Abwägung sämtlicher Aspekte stimme ich dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zu, Griechenland im Rahmen eines dritten Reformprogramms weitere Unterstützung im Gegenzug für umfassende und überprüfbare Reformen zu gewähren. Ausschlaggebend für meine Zustimmung waren folgende Aspekte: Die in meiner Erklärung vom 17. Juli 2015 formulierten Forderungen sehe ich als erfüllt an. Das Programm dient der Stabilität der Euro-Zone, dem inneren Zusammenhalt der Europäischen Union und der Wiederherstellung von Solidität und Wettbewerbsfähigkeit in Griechenland. Die Reformziele wurden im Gegensatz zu den bisherigen Programmen inhaltlich wesentlich detaillierter fixiert und mit zusätzlichen Fristen versehen. Reformfortschritte können künftig besser überprüft und konsequenter durchgesetzt werden. Das Grundprinzip unserer Stabilisierungspolitik – Solidarität für Reformen – wurde maßgeblich gestärkt. Unkonditionierte Hilfe lehne ich weiterhin strikt ab. Die Euro-Gruppe hat ausdrücklich betont, dass sie das Engagement des IWF für unabdingbar erachtet. Die offenen Forderungen des IWF können im Rahmen des vorliegenden Programms erfüllt und somit die Mitwirkung des IWF sichergestellt werden. Der Wille aller beteiligten Parteien, die Mitwirkung des IWF sicherzustellen, ist gegeben. Die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister haben hart verhandelt und ein Ergebnis erzielt, dem letztendlich alle 19 Euro-Finanzminister zugestimmt haben. Ich vertraue diesem Kompromiss, da er keine unkonditionierte Hilfe verspricht, sondern an klare und überprüfbare Reformvorgaben gekoppelt ist. Die letzte Tranche aus dem zweiten Programm wurde mangels Reformfortschritten zurückgehalten. Diese Konsequenz erwarte ich auch von dem neuen Programm. Griechenland ist reformierbar, sofern der politische Wille dazu besteht. Schon die ersten beiden Programme hatten trotz ihrer Unzulänglichkeiten für Reformerfolge gesorgt. 2014 verzeichnete Athen einen signifikanten Haushaltsüberschuss vor Schulden, ein erstes, leichtes Absinken der Arbeitslosigkeit und ein spürbares Wirtschaftswachstum. Mit ihrem irrationalen Vorgehen hat die neue griechische Regierung viele dieser Erfolge zunichtegemacht. Das neue Programm bietet nun die Chance, auf den Reformpfad zurückzukehren. Als neue Abgeordnete bin ich bereit, diese Chance letztmalig zu gewähren. Als deutsche Abgeordnete sind wir vor allem dem deutschen Steuerzahler verpflichtet und müssen daher den Reformwillen der Griechen einfordern und die Fortschritte in den zuständigen Gremien konsequent überwachen. Ich sehe keine bessere Alternative zu diesem neuen Reformprogramm. Ein unkoordiniertes Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone würde ebenfalls beträchtliche Kosten verursachen. Europa darf es nicht zulassen, dass ein geopolitisch so bedeutender EU-Staat derartig destabilisiert wird. Griechenland hat aufgrund seiner geografischen Lage beim Schutz der EU-Außengrenzen, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und als NATO-Partner zahlreiche wichtige Funktionen zu erfüllen, für die es in jedem Fall gesamteuropäische Unterstützung benötigt. Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone bleibt für mich aber weiterhin eine Option, sofern der nun gezeigte Reformwille nachlässt. Alle beteiligten Institutionen sind aufgefordert, sich auf diese Eventualität gewissenhaft und umsichtig vorzubereiten. Hilde Mattheis (SPD): Meine Zustimmung zur Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands – Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren, sowie zur Vereinbarung über ein Memorandum of Understanding zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM –, ist ein Votum für den Zusammenhalt Europas und gegen eine unkontrollierte Insolvenz Griechenlands. Es ist gleichzeitig gerichtet gegen jeden Versuch, Griechenland aus dem Euro-Raum – oder der EU – zu drängen. Derartige Vorschläge halte ich für politisch und wirtschaftlich schädlich für die EU und unser Land. Dazu stelle ich allerdings fest: 1. Die Austeritätspolitik ist gescheitert. Sie hat keine ökonomische Wende auslösen können, sondern vielmehr die wirtschaftliche Situation der griechischen Unter- und Mittelschichten verschlechtert. Statt diesen Weg weiter zu verfolgen, muss ein anderer, hin zu einem nachhaltigen, solidarischen Wirtschaften und einer Erneuerung des Staates beschritten werden. Wir müssen uns auch in Zukunft entschieden dafür einsetzen, Griechenland in der europäischen Familie und der Gemeinschaftswährung zu halten. Europa muss deutlich machen, dass in Krisenzeiten kein Land zurückgelassen werden darf. Die vom IWF geforderte Entschuldung Griechenlands kann dabei nicht ausgeschlossen werden. 2. Griechenland benötigt ein Investitionsprogramm, um die ökonomische Wende zu schaffen. Aus eigener Kraft kann Griechenland nur schwer eine wirtschaftliche Trendwende erzielen. Ein gezieltes Zukunftsinvestitionsprogramm, das mittels EU-Investitionsfonds und der Mobilisierung privaten Kapitals angeschoben wird, ist dazu erforderlich. Durch die Investition in Zukunftsbranchen kann auch ein Beitrag zur Binnennachfrage geleistet werden. 3. Um die notwendigen Reformen umzusetzen, braucht Griechenland einen modernen und handlungsfähigen Staat. Statt vorgegebener Entlassungsquoten für öffentliche Bedienstete und erzwungenem Ausverkauf der öffentlichen Infrastruktur müssen Rechts- und Sozialstaatlichkeit gestärkt werden. Die griechische Regierung hat hierbei umfassende Reformen angekündigt. Griechenland benötigt dabei jedoch von der europäischen Gemeinschaft konkrete Unterstützung sowie ausreichend Zeit und Spielraum, um diese rechtsstaatlichen und sozialen Vorhaben zum Wohle des Landes und der gesamten europäischen Gemeinschaft umzusetzen. Das erzielte Verhandlungsergebnis ist unstrittig ein enormes Austeritätspaket, das dem Land drastische Einschnitte abverlangt. Der Verkauf von 14 Regionalflughäfen an den deutschen Flughafenbetreiber Fraport macht den Ausverkauf des Landes deutlich. Allerdings hat sich Griechenland damit in dieser Situation eine Perspektive erkämpft. Die griechische Regierung muss dabei unterstützt werden. Außerdem muss die in der Erklärung erhobene Forderung von Christine Lagarde, Geschäftsführende Direktorin des IWF, nach Schuldenerleichterung aufgegriffen werden. Der Grexit ist und bleibt keine Alternative. Um die Hoffnung auf eine wirtschaftliche und soziale Trendwende zu untermauern, braucht Griechenland die europäische Solidarität. Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Erstens. In der Abstimmung vom 17. Juli 2015 habe ich mich der Stimme enthalten, da ich zum einen die Verhandlungsführung der Bundeskanzlerin und insbesondere des Bundesfinanzministers weiterhin unterstützen wollte, andererseits aber zum damaligen Zeitpunkt und auf Basis des seinerzeit gegebenen Kenntnisstands nach einer schwierigen Abwägung meine Zustimmung nicht erteilen konnte, „grundsätzlich eine Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens nach Artikel 16 ESM-Vertrag zu gewähren“. Es bestehen sicherlich auch weiterhin begründete Zweifel, ob die im ESM-Vertrag vorgesehenen grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Einsatz von ESM-Darlehen überhaupt gegeben sind – insbesondere eine Gefährdung der Finanzstabilität der Euro-Zone als Ganzes lag und liegt nach meiner Einschätzung nicht vor. Unabhängig davon habe ich die nunmehr vorliegende Vereinbarung im Einzelnen geprüft. Dabei habe ich insbesondere auch die fachlichen Einschätzungen berücksichtigt, die das Bundesministerium der Finanzen vor der Sitzung der Euro-Gruppe am 14. August 2015 abgegeben hat. Zweitens. Bereits bei der Verlängerung des zweiten Rettungspakets im Februar 2015 fiel es mehr als schwer, noch Vertrauen in die Ernsthaftigkeit und Verlässlichkeit der griechischen Regierung aufzubringen, die von ihr gemachten Zusagen und eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich einzuhalten. Das Verhalten der griechischen Regierung bis Mitte Juli 2015 hat die schlimmsten Befürchtungen in dieser Hinsicht zunächst leider mehr als bestätigt. Ich nehme zur Kenntnis, dass Regierung und Parlament in Griechenland sich nunmehr zu einem ambitionierten und notwendigen Reformprogramm verpflichtet haben. Dies ist zweifelsohne ein großer Verhandlungserfolg der Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers. Ob diese Verpflichtungen aber über mögliche Neuwahlen im Herbst 2015 hinaus tatsächlich Bestand haben und die zugesagten Reformen nachhaltig und wirksam umgesetzt werden, daran bestehen allerdings weiterhin durchaus erhebliche Zweifel. Dies betrifft insbesondere auch die Frage der Erbringung der notwendigen Eigenmittel für die Bankenrekapitalisierung und den Abbau der öffentlichen Verschuldung im Rahmen des vorgesehenen Privatisierungsfonds. Drittens. Selbst wenn die im Programm vereinbarten Reformen nunmehr erfolgreich umgesetzt werden, kann ich zum heutigen Zeitpunkt eine glaubwürdige Perspektive zur Wiedererlangung von Schuldentragfähigkeit und Kapitalmarktzugang Griechenlands in einem überschaubaren Zeitraum nicht erkennen. Nach Auffassung des IWF – Country Report vom 14. Juli 2015 – bestehen nur drei Optionen, um Schuldentragfähigkeit und Kapitalmarktzugang Griechenlands wiederherzustellen: ein umfangreicher Schuldenverzicht der europäischen Gläubiger vorab, der Einstieg in dauerhafte fiskalische Transferzahlungen innerhalb der Euro-Zone oder der weitgehende Verzicht auf Schuldendienst für einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren auf alle bisherigen und die jetzt neu zu gewährenden Darlehen. Wenn derartige Maßnahmen unabweisbar notwendig würden, könnte dies den faktischen Einstieg in eine dauerhafte Transferunion bedeuten, was nach meiner Einschätzung mit dem Maastricht-Vertrag und damit einem weiteren Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone nicht vereinbar wäre. Viertens. Eine weitere Beteiligung des IWF ist aus meiner Sicht für eine erfolgreiche Umsetzung des Reformprogramms dringend notwendig. Der IWF hat seinerseits Schuldenerleichterungen in offenbar signifikantem Umfang zur notwendigen Voraussetzung für seine weitere Beteiligung am Hilfsprogramm für Griechenland erklärt. Die geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, hat auch nach dem Beschluss der Euro-Gruppe am 14. August 2015 dazu wie folgt festgestellt: „How-ever, I remain firmly of the view that Greece’s debt has become unsustainable and that Greece cannot restore debt sustainability solely through actions on its own. Thus, it is equally critical for medium and long-term debt sustainability that Greece’s European partners make concrete commitments in the context of the first review of the ESM program to provide significant debt relief, well beyond what has been considered so far.“ Es besteht weitgehend Einigkeit, dass eine weitere Beteiligung des IWF unverzichtbar ist. Darüber soll jedoch nunmehr erst im Oktober 2015 konkret entschieden werden. Ich empfinde es als problematisch, dass der Deutsche Bundestag heute bereits dem Gesamtprogramm zustimmen soll, bevor ausreichende Klarheit darüber besteht, ob und unter welchen Bedingungen sich der IWF tatsächlich substanziell an diesem neuen Programm beteiligen wird. Fünftens. Ich erkenne die erfolgreichen Bemühungen der Bundesregierung ausdrücklich an und würde es außerordentlich begrüßen, wenn auf dieser Grundlage künftig die mit der Vereinbarung angestrebten Ziele in vollem Umfang erreicht würden und sich meine heute bestehenden Bedenken damit rückblickend als unbegründet erweisen. In einer Gesamtbeurteilung sehe ich mich aber zum heutigen Zeitpunkt und auf dem heutigen Kenntnisstand aus den genannten Gründen nicht in der Lage, dem vorliegenden Antrag uneingeschränkt zuzustimmen – auch wenn ich mich nur schweren Herzens in einer wichtigen Frage von der Mehrheit meiner Fraktion entferne, werde ich mich daher heute erneut der Stimme enthalten. Florian Oßner (CDU/CSU): Dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen am 19. August 2015 stimme ich unter sieben Voraussetzungen zu, dass: erstens der Internationale Währungsfonds, IWF, auch nach den Neuverhandlungen im Oktober 2015 an den Finanzhilfen an die Hellenische Republik Griechenland in überwachender und finanzieller Form eingebunden wird sowie aktiv mitwirkt; zweitens die bereits eingeleiteten Reformmaßnahmen weiter umgesetzt werden – zusätzlich zu den bereits beschlossenen Steuerreformen durch das griechische Parlament muss eine funktionsfähige Steuerverwaltung sowie Unabhängigkeit der griechischen Statistikbehörde vollständig sichergestellt und eine tragfähige Insolvenzordnung ausgearbeitet werden –; drittens ein Privatisierungsfonds weiter vorangetrieben wird – griechisches Staatsvermögen muss in einen unabhängigen Fonds transferiert werden, der die Vermögenswerte durch Privatisierung monetarisiert (siehe auch Memorandum of Understanding) –; viertens die griechische Regierung die Liberalisierung in zahlreichen Branchen vorantreibt, den Arbeitsmarkt flexibler gestaltet und mehr Wettbewerb im Energiesektor etabliert – ein weiterer Reformschritt ist die Modernisierung der Verwaltung sowie die Erreichung höherer wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit –; fünftens ein nominaler Schuldenschnitt nicht realisiert wird; sechstens es nur Solidarität gegen Solidität und Verlässlichkeit geben kann; siebtens die sogenannte Troika den Reformprozess vor Ort überwacht, womit ein transparentes Monitoring implementiert wird. Ulrich Petzold (CDU/CSU): In den vergangenen vier Wochen hat die Bundesregierung gemeinsam mit anderen europäischen Partnern der amtierenden griechischen Regierung aus Links- und Rechtspopulisten umfangreiche Zusagen zur Umgestaltung der desolaten Staatsverwaltung in Griechenland abgerungen, die in einem Memorandum of Understanding vereinbart sind. Im Gegenzug dazu wird Griechenland zum 20. August dieses Jahres eine erste Sub-Tranche von 13 Milliarden Euro einer Gesamtfinanzhilfe von 86 Milliarden Euro ausgezahlt. Selbstverständlich berücksichtigen die in dem Memorandum of Understanding getroffenen Vereinbarungen wesentliche Bedenken gerade auch des Deutschen -Bundestages, sodass man der deutschen Verhandlungsführung ausdrücklich dafür danken kann, doch wird hier letztendlich eine griechische Zusage zumindest in der Sub-Tranche gegen eine konkrete, beträchtliche Zahlung getauscht. Leider mussten wir in diesem Jahr bei genau der -Regierung, der wir jetzt die Zahlung leisten, feststellen, dass Zusagen nicht allzu viel wert waren. Selbstverständlich kann man dagegenhalten, dass das griechische Parlament in seiner Sitzung vom 13./14. August ein Maßnahmenpaket verabschiedet hat, das die Forderungen des Memorandum of Understanding aufgreift. Bedenken muss man jedoch dabei, dass ein Maßnahmenpaket keine gesetzliche Regelung und schon gar keine verwaltungsmäßige Umsetzung darstellt. Gerade bei der Umsetzung europäischer Vorgaben haben sich in der Vergangenheit und insbesondere bei der existierenden Regierung umfangreiche Defizite gezeigt, sodass sich für mich die Situation so darstellt, dass wir als Europa in der Hoffnung auf die Umsetzung eines guten Verhandlungsergebnisses erneut eine Vorauszahlung leisten. Besondere Bedenken entstehen bei mir dadurch, dass sich aufgrund der fehlenden Regierungsmehrheit für das umzusetzende Reformpaket eine Neuwahl mit absolut unberechenbarem Ausgang konkret abzeichnet und es fraglich ist, woran sich eine neue Regierung gebunden fühlt. Da ich gerade auch die Bemühungen der deutschen Verhandlungsführung achte und das Ergebnis der Verhandlungen im Memorandum of Understanding als für alle Seiten akzeptabel anerkenne, jedoch persönlich kein Zutrauen zur Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen durch Griechenland habe, werde ich mich der Stimme enthalten. Alois Rainer (CDU/CSU): Nach sorgfältiger Überlegung und gewissenhafter Abwägung stimme ich dem Antrag des Bundesfinanzministeriums zu, Griechenland im Rahmen eines dritten Reformprogramms auf Grundlage des Memorandum of Understanding zu unterstützen. Grundlage für meine Zustimmung waren insbesondere folgende Aspekte: Zunächst hat Griechenland bereits vor Aufnahme der Verhandlungen im Juli zuvor zurückgestellte Reformen umgesetzt. Dazu zählen eine systematischere Erhebung und Erhöhung der Mehrwertsteuer, Maßnahmen für ein nachhaltigeres Rentensystem, die Unabhängigkeit der Statistikbehörde, die vollständige Umsetzung des Europäischen Fiskalvertrages, eine effizientere Zivilprozessordnung zur Verkürzung überlanger Verfahren und die -vollständige Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken. Mit der Umsetzung der vereinbarten Reformagenda im Memorandum of Unterstanding soll die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederhergestellt, die Finanzstabilität gesichert, für Wachstum und Wettbewerbs-fähigkeit gesorgt werden. Für mich ist hierbei sehr wichtig, dass weitere Auszahlungen an erfolgreich umgesetzte Reformen geknüpft werden. Deshalb ist es richtig, dass weiterhin regel-mäßige Programmüberprüfungen vorgesehen sind und die Hilfskredite nur in Tranchen und unabhängig von diesen Überprüfungen ausgezahlt werden. Denn nicht alle Reformen wurden unumkehrbar umgesetzt. Weiter ist unabdingbar, dass der Internationale Währungsfonds, IWF, mit seiner besonderen Expertise, wie Schulden abgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit der Länder durch Strukturreformen nachhaltig verbessert werden kann, weiter an Bord bleibt. Die griechische Regierung hat einen Wandel vollzogen. Von einer anfangs ablehnenden Zusammenarbeit ist man zwischenzeitlich zu konstruktiven Gesprächen gekommen. Der Erfolg und die Nachhaltigkeit eines dritten Programms hängen zuallererst jedoch an der Reform-bereitschaft der Griechen selbst. Mit der geänderten -Haltung der griechischen Regierung und der Umsetzung der Reformen kann es Griechenland nun schaffen, die gesteckten Ziele zu erreichen. Wie ich schon in meiner Erklärung vom 17. Juli schrieb, galt für mich immer das Prinzip: Solidarität nur gegen Solidität, und wenn die griechische Regierung bereit ist, die harten Reformen umzusetzen, dann ist es nur folgerichtig, den nächsten Schritt zu gehen. Mechthild Rawert (SPD): Ich stimme der Vereinbarung über ein ESM-Programm für die Hellenische Republik zu. Ich stimme zu, weil die Mehrheit der deutschen als auch der griechischen Bürgerinnen und Bürger ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Währungsraum ablehnt und gemeinsam für eine gerechte europäische Sozial- und Wirtschaftspolitik, für eine europäische Integration und ein Europa des Friedens, der Freiheit und der Demokratie eintritt. Außerdem hat Deutschland Europa und damit auch Griechenland in vielerlei Hinsicht unendlich viel zu verdanken. Ich begrüße sehr, dass nach der Zustimmung des Deutschen Bundestags zur Aufnahme von Verhandlungen am 17. Juli 2015 zügig Gespräche und Vereinbarungen erreicht werden konnten. Es ist ein wichtiger Erfolg, dass mit der Umsetzung des ESM-Programms ein drohendes Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Währungsraum verhindert werden kann. Dies ist insbesondere das Verdienst der SPD sowie der sozialdemokratisch und so-zialistisch regierten Mitglieder der Euro-Gruppe, die sich stets gegen ein – auch zeitweises – Ausscheiden Griechenlands verwahrt haben. Das vorliegende ESM-Programm ist in vielerlei Hinsicht besser als frühere Programme. Von besonderer Bedeutung sind dabei die in Aussicht gestellten Schuldenerleichterungen für die Hellenische Republik und die notwendige Lockerung der Konsolidierungsziele. Diese Einsicht ist der Tatsache geschuldet, dass angesichts des hohen Schuldenstands und der kritischen ökonomischen Lage Griechenlands nicht alle notwendigen Ziele – Konsolidierung und Schuldenabbau, nachhaltige Strukturreformen und Impulse für neues Wachstum – gleichzeitig erreicht werden können. Das zur Abstimmung stehende ESM-Programm erlaubt durch Anpassung der Haushaltsziele an die gegebenen Möglichkeiten Griechenlands die Konzentration auf Strukturreformen und Wachstumsimpulse. Umfangreiche und effektive Strukturreformen sind unausweichlich, um einen funktionierenden Sozialstaat und eine Daseinsvorsorge für alle in Griechenland sicherzustellen, um die öffentliche Verwaltung effektiver und transparenter zu machen und Korruption zu bekämpfen und den Kampf gegen Steuerhinterziehung – auch durch wirksame strafrechtliche Bestimmungen – zu stärken. Nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa ist die Bekämpfung von Steuerbetrug eine wichtige gemeinsame Aufgabe. Ich betone deshalb auch die Bedeutung der weiteren Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds, IWF, der – mit und auch ohne weitere finanzielle Beteiligung – bei der fachlich und sozial angemessenen Definition der Reformschritte mitwirken soll. Die griechische Wirtschaft ist auf eine nachhaltige Wachstumsstrategie angewiesen, die durch ein umfangreiches EU-Investitionsprogramm angeschoben werden muss. Für eine Wiederbelebung privater Investitionen in Griechenland ist es umso wichtiger, dass die Unsicherheit über den Verbleib der Hellenischen Republik im Euro-Währungsraum vom Tisch ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass sich Ausstiegsszenarien Einzelner zu Mitgliedern des derzeitigen Euro-Währungsraumes in Zukunft nicht wiederholen werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Europäische Union einen unverzichtbaren Beitrag zu Frieden, Völkerverständigung und gegenseitiger Solidarität leistet. Die Gemeinschaftswährung ist Ausdruck dieser europäischen Integration und von großer ökonomischer Bedeutung für sämtliche Mitgliedstaaten des gemeinsamen Währungsraums und der Europäischen Union insgesamt. Die Menschen in Europa stehen zum Euro – auch die Menschen in Griechenland und in Deutschland. Mit großer Sorge verfolge ich die soziale Situation in Griechenland – die hohe Arbeitslosigkeit, die weit verbreitete Armut und die unzureichende medizinische Versorgung der Menschen. Die durch konstruktive Verhandlungen der griechischen Regierung und der Finanzminister der anderen Euro-Mitgliedstaaten zügig erreichten Vereinbarungen sollen nun der dramatischen sozialen Lage abhelfen. Europa insgesamt muss sich daran messen lassen, dass Europäerinnen und Europäer nicht in sozialem Elend leben müssen. Umso wichtiger ist es, bei der Umsetzung der Strukturreformen soziale und ökonomische Erfordernisse gemeinsam zu betrachten. Da soziale Gerechtigkeit maßgeblich von öffentlicher Infrastruktur abhängt, appelliere ich nachdrücklich, im Rahmen der verabredeten Privatisierungsvorgaben die Handlungsfähigkeit der Hellenischen Republik im Bereich der Daseinsvorsorge nicht einseitig den kurzfristigen Erlöszielen unterzuordnen. Privatisierungsvorgaben dürfen nicht dazu führen, im Interesse privater Investoren die öffentliche Infrastruktur unter Wert veräußern zu müssen. In Deutschland selbst lassen sich dafür zahlreiche – letztlich beim einsichtsvollen Rückkauf teure – Beispiele aufzählen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Krise und die bisher dominierende Austeritätspolitik zu einer Verschärfung der sozialen Situation in Griechenland insbesondere zulasten der Menschen mit geringem Einkommen geführt haben: Lohnsenkungen um fast 40 Prozent, durchschnittliche Rentensenkungen um 48 Prozent, drastische Einkommensverluste der ärmsten Haushalte, eine Steigerung der Arbeitslosigkeit auf 27 Prozent, bei Jugendlichen auf über 50 Prozent und die steigende Zahl der Suizide um rund 35 Prozent sind Ausdruck dieser dramatischen Entwicklung. Die Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen aller Euro-Partner begreife ich deshalb als Start für eine neue, integrierte Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der EU insgesamt. Sie muss ausgerichtet sein auf die Reduzierung makroökonomischer Ungleichgewichte, insbesondere der Leistungsbilanzunterschiede, die auf die von Deutschland maßgeblich forcierte Politik der Wettbewerbsfähigkeit und Austerität zurückgehen. Die zukünftige Wirtschaftspolitik der EU, die einen Schwerpunkt auf gemeinsame Programme zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit, auf stärkere europäische Kompetenzen sowie auf eine verbesserte Regulierung der Kapitalmärkte legen muss, ist die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des heute vorliegenden ESM-Programms. Die Entscheidung zu einer gemeinsamen, nationale Interessen ausgleichenden Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU ist auch notwendige Bedingung dafür, eine ökonomische Spaltung Europas und die drohende wirtschaftliche Destabilisierung weiterer Europartner zu verhindern. Ich erwarte ausdrücklich, dass auch die Konservativen ihr leichtfertiges Kokettieren mit einem Kerneuropa ökonomischer Stärke unterlassen. Wir dürfen nicht zulassen, dass in der Europäischen Union und der Euro-Gruppe gegenseitiges Vertrauen verloren geht und nationale Interessen europaweite Konflikte nicht abzusehenden Ausmaßes auslösen. Zunehmendem Nationalismus trete ich entschieden entgegen. Bei meiner Entscheidung geht es nicht nur um Griechenland – es geht um ein Europa, welches basiert auf Freiheit und Demokratie, auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. In diesem Europa, in dem jeder Mensch die gleiche Würde hat, wollen wir gemeinsam in Frieden mit unseren Nachbarn leben. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): An Tagen wie heute mit Entscheidungen wie diesen wird mir erneut bewusst, welche große Verantwortung wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestags tragen. Ich unterstelle den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, dass sie sich ihre Entscheidung ähnlich schwer gemacht haben wie ich. In den vergangenen Tagen habe ich viel gelesen, diskutiert, hinterfragt und gezweifelt. Am Ende steht mein Ja zum dritten Hilfspaket. Aber es ist ein „Ja, aber …“. Ja, wir brauchen eine starke Europäische Union. Die Europäische Union bringt uns Frieden, das darf niemals gering geschätzt werden. Und sie verschafft uns eine nicht gekannte Freizügigkeit und Wohlstand. Das geht nicht ohne Solidarität, ohne Anstrengungen, ohne unser aller Einsatz. Darum ist das Ja auch ein Ja für das griechische Volk, das sowohl unter den Konsequenzen der vergangenen unfähigen und korrupten griechischen Regierungen als auch unter den Fehlern, die in der Europäischen Union gemacht wurden, leiden muss. Ja, es gibt ermutigende Zeichen in diesem Memorandum of Understanding. Allen voran, dass die Korruption und die Steuerhinterziehung bekämpft werden sollen. Es ist gut, dass die Steuerprivilegien für die Reeder auslaufen werden. Und es ist sinnvoll, wenn eine soziale Grundsicherung geschaffen werden soll, um damit das Problem der hohen Frühverrentnung anzugehen, oder wenn es Hilfen für Langzeitarbeitslose geben soll. Wenn nun tatsächlich eine effizientere Steuerverwaltung aufgebaut werden könnte, wäre auch dies ein großer Schritt, um der Schattenwirtschaft im Land entgegenzutreten und vor allem endlich die Reichen ihren Teil leisten zu lassen. Ja, wir können die Folgen eines Grexits nicht absehen. Aber ich glaube, dass ein Grexit für das griechische Volk, dem vor allem meine Solidarität gilt, zunächst eine massive Verschlechterung bringen wird. Nur ein Beispiel: Schon jetzt ist die steigende Kindersterblichkeit ein Alarmsignal. Wie wäre dies, wenn die Preise für die zu importierenden Medikamente ins Unermessliche steigen? Ein Grexit hätte auch ein politisches Erdbeben in der EU zur Folge. Was wäre dann in ein paar Jahren zum Beispiel mit Italien? Wir können die Folgen derzeit nicht absehen, aber ich ahne, dass ein Grexit keine Alternative sein kann und sein darf. Aber: Ob dieses Hilfspaket tatsächlich uns dem Ziel näher bringen wird, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann, dahinter steht ein Fragezeichen. Wieder werden Schulden gemacht, um Altschulden zu bezahlen. Dass dies langfristig nicht funktionieren kann, dazu braucht es keine Wirtschaftsprofessoren. Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass es einen echten Schuldenschnitt braucht, um Griechenland überhaupt eine Chance auf Erholung der Wirtschaft und des Staatshaushaltes zu geben. So kurbeln wir nur immer weiter den Kreislauf aus Alt- und Neuschulden an. Dem Staat aber fehlen die notwendigen Gelder für Investitionen, auch Fördermilliarden aus der EU können so nicht abgerufen werden, da die Kofinanzierung nicht steht, nicht stehen kann. Hinzu kommen Maßnahmen, denen ich mehr als skeptisch gegenüberstehe. Die teilweise Erhöhung der Mehrwehrsteuer, vor allem auf den Inseln, wird mehrheitlich eher die arme Bevölkerung treffen. Vor allem aber der Tourismus, einer der wichtigsten noch funktionierenden Wirtschaftszweige, wird darunter leiden. Das halte ich nicht für zielführend. Aber: Die griechische Regierung hat viel Vertrauen verspielt. Sicherlich hat nicht geholfen, dass manch schriller griechischer Ton ein nicht minder schrilles deutsches Echo bekommen hat. Die Finanzminister Varoufakis und Schäuble hatten zuzeiten offenbar mehr Interesse daran, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen und mit dem Finger aufeinander zu zeigen, als ernsthaft an Lösungen zu arbeiten. Aber es bleibt ein völlig verständlicher Unmut, dass hier Alex Tsipras zwischenzeitlich sehr hoch gepokert hat. Und auch wenn es ihm jetzt gelungen ist, das griechische Parlament mehrheitlich hinter sich und das dritte Hilfspaket zu bringen, machen mir die drohenden Neuwahlen Sorge. Was, wenn hier die extremen linken und rechten politischen Kräfte noch mehr an Zulauf bekommen? Mit wem sollen dann die konkreten Maßnahmen, die im Memorandum of Understanding stehen, umgesetzt werden? Das bereitet mir Sorge. Aber: Man kann mit der Art und Weise, wie die Bundesregierung in die Verhandlung gegangen ist, nicht zufrieden sein. Mein Ja ist deshalb ein eindeutiges Ja für die europäische Idee, aber ein Nein gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Ohne Rücksprache mit dem Deutschen Bundestag wurde in den entscheidenden Verhandlungen plötzlich der Grexit ins Spiel gebracht, offenbar von langer Hand vom Finanzministerium vorbereitet. Dieses nahezu erpresserische Verhalten in einem Ringen um einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss halte ich nicht nur für kontraproduktiv, sondern auch noch für politisch unanständig. Bei allem Für und Wider, das ich in dieser Erklärung nur ansatzweise andeuten kann, bleibt es schlussendlich bei meinem „Ja, aber …“. Es ist dies eine der schwierigsten politischen Entscheidungen, die ich als Abgeordnete je zu treffen hatte. Und ich sehe meine Verantwortung gegenüber den deutschen und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Sie wiegt schwer. Ich hoffe, dass ich ihr in der Rückschau gerecht geworden bin. Dr. Nina Scheer (SPD): Den Griechenland-Hilfen stimme ich zu, da eine Ablehnung für Griechenland eine humanitäre Katastrophe zur Folge hätte und damit auch für Europa dauerhaft schädlich wäre. Ich halte allerdings wesentliche Teile des Hilfsprogramms für verfehlt: Wenn einem notleidenden Staat durch Privatisierungsverpflichtungen Einnahmemöglichkeiten genommen werden, ist das kontraproduktiv. So halte ich etwa die Liberalisierung des Stromnetzbetreibers ADMIE, die als bevorzugte Variante im -Memorandum of Understanding hervorgehoben wird, für falsch. Die zugleich als mögliche Alternative vor-gesehene Eigentumsentflechtung zwischen Netz und Stromerzeugung, bei der die Stromnetze aber in öffentlicher Hand bleiben, ist unter den zeitlichen Vorgaben – in diesem Fall der Privatisierung des Stromnetzes bis Oktober 2015 – nicht zu realisieren und somit für Griechenland kein reeller Handlungsspielraum. Mit dieser faktischen Privatisierungsvorgabe für das Stromnetz bleiben -wichtige Fragen außer Acht: Welche privaten Akteure werden bei welchen Renditevorgaben in das griechische Stromnetz investieren, um es für die Zukunft fit zu machen? Ist Privatisierung mit Blick auf die Langfristigkeit von Netzinvestitionen nicht die volkswirtschaftlich teurere Option? Im Zuge des notwendigen Energiewendeumbaus des Stromversorgungssystems haben sich in den letzten -Jahren in Europa insbesondere die Übertragungsnetz-betreiber aus Dänemark (Energinet.dk), Irland (EirGrid), Norwegen (Statnett), Niederlande (TenneT) und auch Schweden (Svenska Kraftnät) bezogen auf die jeweils inländischen Entwicklungen als starke und zugleich voranschreitende Player erwiesen. Alle diese Netzbetreiber sind zu 100 Prozent im Staatsbesitz. Griechenland braucht neben dem Aufbau einer soliden Verwaltungsstruktur Schuldenerleichterungen und Konjunkturprogramme. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Griechenland seine Schulden dauerhaft nicht tragen kann. Anders als die vorangegangenen Griechenland-Hilfsprogramme enthält das jetzige Programm richtige Ansätze, etwa zum Aufbau einer Sozialversicherung. Zugleich dürfen zeitliche Vorgaben nicht bedeuten, dass entsprechende Maßnahmen nicht wahrgenommen werden. Zur weiteren inhaltlichen Positionierung verweise ich auf meine persönliche Erklärung vom 17. Juli 2015. Jana Schimke (CDU/CSU): Die Verhandlungen der vergangenen Wochen mit der griechischen Regierung über weitere Hilfen der Euro-Länder waren nicht leicht. Deshalb möchte ich dem durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erzielten Verhandlungsergebnis meinen Respekt aussprechen. Die Vielzahl der vereinbarten Reformen zeigt auf, was die Grundlagen eines annähernd funktionierenden Staates sind. Bereits bei der vergangenen Abstimmung über die -Erteilung eines Verhandlungsmandates hatte ich große Bedenken. So galt es, den herben Vertrauensverlust zwischen der griechischen Regierung und den Euro-Ländern wiederherzustellen. In der Hoffnung, dass dies gelingt, hatte ich einem Verhandlungsmandat zugestimmt. Doch trotz der positiven Verhandlungsergebnisse hat sich meiner Ansicht nach bis heute nichts an der bisherigen Lage geändert, und die politische Lage Griechenlands ist noch instabiler geworden. So ist die aktuelle griechische Regierung im Begriff, sich zu spalten und aufzulösen. Weiterhin ist davon auszugehen, dass es noch in diesem Jahr zu Neuwahlen in Griechenland kommt, deren Ausgang ungewiss ist. Niemand kann derzeit sagen, ob die heute beschlossenen Reformen auch nach den Wahlen tatsächlich umgesetzt werden. Den politischen Willensbekundungen fehlt es nach wie vor an messbaren Ergebnissen und einer Schuldentragfähigkeit. Deshalb untersagt der Internationale Währungsfonds, IWF, auch weiterhin seine Beteiligung an den Hilfen, welche für eine aussichtsreiche -Unterstützungspolitik jedoch unabdingbar sind. Weiterhin fehlt es an einer glaubwürdigen Strategie und der Bereitschaft, den Umgang mit Schuldenländern in der Europäischen Währungsunion zu regeln. Dabei ist es an der Zeit, die Konstruktionsfehler der Währungsunion einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und klare Regeln für den Umgang mit Schuldenländern zu entwickeln. Europa bleibt nur dann stark, wenn jedes Mitgliedsland die Verantwortung für sein eigenes Handeln übernimmt und wir nicht auf eine Schuldenunion zusteuern. Dies würde dazu führen, dass die Menschen und damit auch die Steuerzahler den Glauben an das europäische Projekt verlieren. Unter diesen Umständen ein neues Hilfsprogramm zu starten, kann ich nicht verantworten und werde deshalb mit Nein stimmen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist heute das dritte „Rettungspaket“ für Griechenland. Die beiden ersten sind kläglich gescheitert. Sie haben den wirtschaftlichen Aufschwung nicht gebracht. Die soziale Situation im Land und die Wirtschaftslage sind nicht besser als vorher, sondern dramatisch schlechter geworden, zum Verzweifeln. Die Sparzwänge hatten verheerende Folgen. Und die Schulden sind enorm gewachsen auf weit über 300 Milliarden Euro. Die Wahrheit, die in der deutschen Regierung keiner hören will, ist: Der griechische Staat wird die Schulden nie zurückzahlen können. Ich stimme zum dritten Rettungspaket wieder mit Nein. Denn wie sollen die neuen Kredite in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro und neue Sparzwänge mit Hunderten von Auflagen, die in mehr als 30 Seiten des Memorandums aufgelistet sind, nun Rettung bringen? Die bisher aufgezwungene restriktive Sparpolitik wird in keinem Punkt korrigiert. Ganz im Gegenteil: Kleinere Verbesserungen durch die neue Regierung werden nun „korrigiert“. Die Kredite zusätzlicher Finanzhilfe für Griechenland aus dem ESM werden die wirtschaftliche und soziale Lage im Land nicht verbessern. Denn sie dürfen ausschließlich für die Bedienung der bisherigen Schulden und die Sanierung der Banken eingesetzt werden. So sind von der ersten Tranche von 26 Milliarden Euro 16 Milliarden für Rückzahlungen und 10 Milliarden für Rekapitalisierung und Abwicklung von Banken vorgesehen, insgesamt können es bis zu 25 Milliarden sein. Von der Gesamtsumme der Kredite bis zu 86 Milliarden gehen 54,1 Milliarden in den Schuldendienst, 7 Milliarden in den Abbau von Zahlungsrückständen und 7,6 Milliarden in den Aufbau von Reserven. Der Rest reicht nicht mal für die Gebühren und Zinsen der neuen Kredite. Die Gesamtschuldenlast aber wird erheblich höher. Im Memorandum sind zwar hehre Ziele für die Regierung formuliert, wie die „Notwendigkeit sozialer Gerechtigkeit und Fairness innerhalb der und zwischen den Generationen“, sowie die „Schaffung von 50 000 Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose“, aber die ESM-Finanzhilfen dürfen dafür nicht eingesetzt werden. 50 000 Arbeitsplätze sollen es kurzfristig sein, gar Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für 150 000 Arbeitslose bis März 2016. Nur, dafür und für die ebenfalls im Memorandum angekündigte Einführung garantierter Mindesteinkommen sowie den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle – auch unversicherte Personen – sind die Gelder aus den Krediten nicht da, auch nicht für die Verbesserung der katastrophalen Lage der Flüchtlinge im Land. Die neuen Kredite helfen nur den „Institutionen“, also den Gläubigern, und das auch nur, solange das neue Geld reicht. Sie helfen nicht bei der Finanzierung der dringend notwendigen Investitionen in Griechenland. Immer neue Kredite und Schulden sind der verhängnisvoll falsche Weg, wie spätestens nach dem Scheitern der bisherigen Rettungsschirme deutlich geworden ist. Ein deutlicher Schuldenschnitt und ein mehrjähriges Moratorium bei der Bedienung der Restschulden, verbunden mit einem gezielten Investitionsprogramm für Wirtschaft, Infrastruktur und die sozialen Sicherungssysteme für Griechenland, sind unverzichtbar. Sie sind auch vertretbar, schließlich hat Deutschland circa 100 Milliarden Euro an den niedrigen Zinsen für die eigenen Schulden seit der Griechenland-Krise gespart, Das wäre der richtige Weg – humaner und solidarischer. Deshalb stimme ich dem Antrag der Bundesregierung nicht zu. Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Bei der heutigen namentlichen Abstimmung zum Antrag des Bundesministeriums der Finanzen „Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands“ werde ich nach reiflicher Überlegung zustimmen. Zur Abstimmung steht ein hartes und ambitioniertes Reformpaket mit einem strengen Kontrollmechanismus. Damit ist das grundlegende Prinzip – Hilfe nur gegen Reformen – eingehalten. Die Auszahlung erfolgt – so wie in der letzten Stimmerklärung von mir gefordert – erneut nur in einzelnen Tranchen und nur dann, wenn Griechenland die geforderten Reformvorhaben erfolgreich umsetzt. Griechenland hat sich stark bewegt und bereits wichtige Reformen beschlossen. Nun kommen weitere harte Einschnitte auf das Land zu: Die Strukturreformen, die die Vorgängerregierungen immer wieder versprochen, aber nicht umgesetzt haben, sollen nun endlich durchgeführt werden, etwa die Abschaffung von Frührenten, -Reformen auf dem Arbeitsmarkt oder Privatisierungen. Zudem soll der Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung verschärft werden. Die griechische Regierung hat einen weiten Weg zurückgelegt und – ausgehend von der Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit – endlich erkannt, dass es den Euro nicht zum Nulltarif gibt, sondern nur, wenn man die gemeinsamen Regeln innerhalb der Euro-Gruppe einhält. Dies liegt nicht zuletzt an der harten Verhandlungslinie unseres Finanzministers Dr. Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Entscheidend für mich war ebenso, dass die EU auch bei einer Staatspleite Griechenlands zahlen müsste, und zwar in Form von humanitären Hilfen, die nicht in Form von Krediten, sondern direkt fließen würden. Allerdings hätte die EU dann nicht die Möglichkeit, die Auszahlung an die Verabschiedung von Reformvorhaben zu knüpfen. Hilfe darf es aber nur gegen Reformen in Griechenland geben. Es kommt jetzt darauf an, dass Griechenland auf diesem Weg bleibt und weiterhin liefert. Das wird von den Institutionen in engen Zeitabständen überprüft, und die Auszahlung der einzelnen Tranchen erfolgt nur dann, wenn Griechenland die geforderten Reformvorhaben weiterhin erfolgreich umsetzt. Vor diesem Hintergrund habe ich heute dem Hilfsprogramm zugestimmt. Kai Whittaker (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag soll bei seiner heutigen Abstimmung über ein drittes Hilfspaket für Griechenland entscheiden. Im Vorfeld -dieser Abstimmung hat der Deutsche Bundestag der Bundesregierung mit seinem Votum vom 17. Juli 2015 das Mandat erteilt, mit Griechenland über Finanzhilfen in Verhandlungen zu treten. Folgende Punkte sind anzumerken: 1. Mit der Erklärung des Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 ist es gelungen, die Konditionalität von Kredithilfen gegen Reformen einstimmig in der Euro-Gruppe durchzusetzen. Dies findet sich auch in der -Erklärung der Euro-Gruppe vom 14. August 2015 wieder. Dabei wird das Reformprogramm nach wie vor von der Europäischen Kommission, der Europäischen -Zentralbank, dem ESM und dem IWF beaufsichtigt und kontrolliert. Damit gibt es keine Sonderbehandlung für Griechenland, sondern Griechenland wird wie alle vorherigen Programmländer behandelt. 2. Mit der Erklärung der Euro-Gruppe vom 14. August 2015 ist ein detailliertes Reformprogramm erarbeitet worden. Dieses Programm hat zum Ziel, den maroden Bankensektor zu reformieren, die Staatseinnahmen zu erhöhen, Ausgaben zu senken, die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft zu steigern und eine effiziente Staatsverwaltung aufzubauen. Damit haben wir eine realistische Aufgabenbeschreibung für die griechische Regierung und gleichzeitig eine sehr eng-maschige, permanente Kontrolle in den nächsten drei Jahren. 3. Seit dem 15. Juli 2015 hat das griechische Parlament mit großer Mehrheit alle wesentlichen vereinbarten Maßnahmenpakete verabschiedet, die als Vorbedingung für ein drittes Hilfspaket gefordert waren. Mit der erfolgreichen Abstimmung im Parlament hat die griechische Regierung das innenpolitische Mandat für den entsprechenden Reformkurs erteilt bekommen. Bemerkenswert ist dabei, dass sich eine überparteiliche Mehrheit für die Maßnahmen ausgesprochen hat. Damit scheint die griechische Regierung sich endlich zum Prinzip der Konditionalität zu bekennen. Dies muss ich anerkennen. Selbstverständlich bleiben nach wie vor Zweifel über den eingeschlagenen Weg. Das Vertrauen, das die griechische Regierung in den letzten Monaten zerstört hat, lässt sich nicht ohne Weiteres durch einige Beschlüsse oder Absichtsbekundungen in wenigen Wochen wieder aufbauen. Nun sind Taten gefordert. Zweifel bleiben auch über die zukünftige Rolle des IWF. Für mich ist klar, das es keinen Schuldenschnitt für ein Land innerhalb der Euro-Zone geben kann und dass gleichzeitig der IWF weiterhin als Kreditgeber im Boot bleiben muss. Aus heutiger Sicht ist nicht klar, wie ein Engagement des IWF aussehen wird und unter welchen Bedingungen es erfolgen kann. Dies erfüllt mich mit großer Sorge. Dennoch bin ich für mich zu dem Schluss gekommen, diese letzte Chance der griechischen Regierung zu geben. Durch die harten Verhandlungen der deutschen Bundesregierung ist es gelungen, dass die von uns immer geforderte Konditionalität, das heißt europäische Hilfe gegen Reformen, durchgesetzt wurde. Es wäre aus deutscher Sicht unverantwortlich, wenn wir nun trotz unseres Verhandlungserfolgs Griechenland nicht helfen würden, obwohl alle wesentlichen Bedingungen Deutschlands vonseiten Griechenlands akzeptiert worden sind. 1Anlagen 2 bis 5 2Ergebnis Seite 11487 C ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 11470 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11471 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 11514 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 118. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 19. August 2015 11513