undePlenarprotokoll 18/119 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 119. Sitzung Berlin, Dienstag, den 8. September 2015 Inhalt Glückwünsche zum heutigen Geburtstag des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke . . . . . . . . . 11513 A Glückwünsche zum Geburtstag des Bundes- ministers Dr . Gerd Müller sowie der Abge- ordneten Anette Hübinger, Arnold Vaatz, Kees de Vries, Gerda Hasselfeldt, Josef Göppel, Manfred Zöllmer, Dr . Hans-Peter Uhl und Erika Steinbach . . . . . . . . . . . . . . . . 11513 B Nach Deutschland kommende Flüchtlinge . . 11513 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11514 C b) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11514 C Dr . Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11514 D Allgemeine Finanzdebatte (einschließlich Einzelpläne 08, 20, 32 und 60) Dr . Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 11520 C Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . 11522 B Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11524 C Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 11526 B Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11528 B Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 11530 B Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11531 B Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11533 A Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11534 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 11535 C Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11537 B Kerstin Radomski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11539 A Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . 11540 D Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 11543 A Dr . Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11544 B Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11546 A Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11547 B Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11547 D Dr . Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . 11548 B Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11550 A II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 08. September 2015 Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11551 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11553 D Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11555 C Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11557 C Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11558 B Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Ver- braucherschutz Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 11560 C Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11562 D Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11564 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11565 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 11567 B Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11568 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . 11570 A Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11571 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11573 A Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 11574 D Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11576 A Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . 11577 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11577 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 11578 B Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) . . . . . . . . 11579 C Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11581 C Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11583 D Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11584 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11586 C Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 11587 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 11589 C Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11590 D Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11592 B Dr . André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 11593 C Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11595 C Dr . Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11596 D Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 11598 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11599 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 11601 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 08. September 2015 11513 (A) (C) 119. Sitzung Berlin, Dienstag, den 8. September 2015 Beginn 10 .00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie bitte Platz . Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zu unserer ersten planmäßigen Sitzungswoche nach der zweimal unterbrochenen parla- mentarischen Sommerpause, in der wir traditionsgemäß in die Beratung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2016 eintreten, bevor wir das in den Ausschussberatungen dann im Einzelnen vertiefen . Heute hat der Kollege Wolfgang Gehrcke seinen 72 . Geburtstag, dem ich im Namen des ganzen Hauses herz- (B) lich gratulieren möchte . (Beifall) Ich nutze die Gelegenheit gerne, die guten Wünsche für ihn und sein neues Lebensjahr zu verbinden mit ähnlich guten Wünschen für den Bundesminister Gerd Müller, die Kollegin Anette Hübinger, den Kollegen Arnold Vaatz und den Kollegen Kees de Vries, die vor wenigen Tagen ihren 60 . Geburtstag begangen haben, die Kollegin Gerda Hasselfeldt, den Kollegen Josef Göppel und den Kollegen Manfred Zöllmer, die 65 Jah- re alt geworden sind, und den Kollegen Hans-Peter Uhl sowie die Kollegin Erika Steinbach, die diese stolze Zahl sogar noch leicht überboten haben . Ihnen allen ganz herzliche Glückwünsche! (Beifall) Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit unserer letzten Plenarsitzung haben die nach Deutschland kommen- den Flüchtlinge sowie die Reaktionen auf ihre Nöte die öffentliche Diskussion bestimmt . Wir sehen verzweifelte Menschen auf ihrem Fluchtweg nach und durch Europa und erschütternde, kaum erträgliche Bilder derer, die die- sen Weg mit dem Leben bezahlt haben – darunter auch viele Kinder . In unser Mitgefühl und unsere Trauer mischen sich berechtigte Sorgen, wie wir mit dem weiter anhaltenden Zustrom in unseren Kommunen fertig werden und die Kontrolle über das eigene Land, seine Grenzen und sei- ne Rechtsordnung behaupten können . Wir sprechen jetzt in Deutschland und in Europa über unseren Umgang mit diesem humanitären Ausnahmezustand . Wir dürfen und müssen, auch in der Haushaltsdebatte, gewiss streiten über nötige und mögliche Maßnahmen, über rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, über vorrangige und nachrangige Aufgaben . Dass heute Menschen in Not in unserem Land, in Deutschland, den freien und sicheren Ort erkennen, der ihnen Schutz und Hilfe gewährt, ist angesichts unserer Geschichte ebenso erstaunlich wie ermutigend . Ein wirk- licher Grund, stolz zu sein, ist die imponierende Bereit- schaft der heute in Deutschland lebenden Menschen, die- se humanitäre Herausforderung anzunehmen . (Beifall im ganzen Hause) Viele Bürgerinnen und Bürger helfen spontan, freiwil- lig, ehrenamtlich, häufig mit bewundernswertem Einsatz an Zeit und Geld . Sie ermöglichen Sprachunterricht, sie geben Nachhilfestunden, sie helfen im Umgang mit Be- hörden und bei Arztbesuchen, sie übernehmen Vormund- schaften für unbegleitete Kinder, die in Deutschland buchstäblich gestrandet sind, sie laden zu Nachbarschaft- streffen und Ausflügen ein; manche leisten Bürgschaften und bieten die Unterbringung von Flüchtlingen in der eigenen Wohnung an . Diesen vielen Tausend haupt- und ehrenamtlichen Helfern überall in Deutschland möchte ich im Namen aller Mitglieder des Bundestages aus- drücklich danken und unseren Respekt bezeugen . (Anhaltender Beifall im ganzen Hause) Ihr Engagement ist die überzeugendste Antwort auf dumpfe Vorbehalte und offenen Fremdenhass, die und den es auch gibt . Auch das gehört leider zur Realität unseres Lan- des: beschämende gewalttätige Ausschreitungen gegen Flüchtlinge, Unterkünfte und Polizisten, verübt von ei- ner kleinen lautstarken Minderheit, um eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung zu schüren . Nicht selten werden auch diejenigen unter Druck gesetzt, die sich vor Ort um eine Willkommenskultur bemühen . Ja, es gehört zur Freiheit dieses Landes, auch gegen politische Entscheidungen zu protestieren und zu de- monstrieren, die man falsch oder gar unzumutbar findet. (D) Präsident Dr . Norbert Lammert (A) Aber es darf keine Toleranz geben für Pöbeleien, per- sönliche Beleidigungen, anonyme Hass-Mails oder gar tätliche Angriffe . (Beifall im ganzen Hause) Dies ist die gemeinsame, unmissverständliche Positi- on aller im Parlament vertretenen Parteien und ihrer Ab- geordneten . Das Asylrecht ist und bleibt die unantastbare Selbstverpflichtung unserer Verfassung und unserer Ge- schichte, und die Menschenwürde gilt ausnahmslos für alle, die hier leben, unabhängig davon, wie lange sie hier sind und wie lange sie bleiben können . (Beifall im ganzen Hause) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa kann weder die Grenzen für alle öffnen noch seine Grenzen herme- tisch abriegeln . Es ist ein Gebot der Redlichkeit, auch deutlich zu machen: Nicht alle, die aus ihrer Heimat vor Not und Armut flüchten, werden nach Deutschland kom- men oder in Deutschland bleiben können . Zur Redlich- keit gehört im Übrigen auch, deutlich zu sagen, dass die humanitäre Herausforderung, vor der wir aktuell stehen, keine schnell vorübergehende Aufgabe ist . Das hat die Bundeskanzlerin wie viele andere in den letzten Tagen aus guten Gründen immer wieder als große gemeinsame nationale Aufgabe beschrieben . Dabei werden wir nicht nur staatlichen Behörden und gesellschaftlichen Einrich- tungen in den nächsten Monaten einiges abverlangen müssen, sondern auch den Flüchtlingen, wenn die Inte- gration gelingen soll . (B) Vorrangig bedarf es einer gemeinsamen politischen An- strengung von Bund, Ländern und Kommunen, um so flexibel wie möglich und so zügig wie nötig eine men- schenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge sicherzu- stellen . Aber es braucht auch eine verbindliche europä- ische Lösung . Wir müssen von allen, ausnahmslos allen, Mitgliedstaaten der Europäischen Union erwarten, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten daran beteili- gen – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger . (Beifall im ganzen Hause) Das haben auch die europäischen Parlamentspräsidenten aus den G-7-Staaten bei ihrer Konferenz am vergangenen Samstag in Leipzig einvernehmlich festgestellt . Diese große humanitäre, politische und kulturelle Herausforderung wird Deutschland verändern . Ich bin sicher, dass dies letztlich zum Vorteil unseres Landes geschieht, wenn wir so mutig und entschlossen handeln, wie das auch bei anderen großen Herausforderungen wie zuletzt der Finanz- und Bankenkrise geschehen ist . (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Dieses Bewusstsein sollte unsere Debatte in dieser Woche prägen, vor allem aber unser weiteres gemeinsa- mes Handeln in Staat und Gesellschaft . (Beifall im ganzen Hause) Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind im Rahmen der Haushaltsberatung für die heutige Aus- sprache im Anschluss an die 40minütige Einbringung des Haushalts durch den Bundesminister der Finan- zen 6 Stunden und 24 Minuten, für die Aussprache am Mittwoch 8 Stunden und 32 Minuten, am Donnerstag 8 Stunden und 29 Minuten und am Freitag 4 Stunden und 48 Minuten vorgesehen . Das wird am Ende vermutlich eher ein bisschen mehr als weniger werden, aber es wäre schon gut, wenn wir uns an diese zeitlichen Vereinbarun- gen hielten, wenn wir sie denn jetzt gleich anschließend beschließen . – Ich sehe jedenfalls dazu keinen Wider- spruch . Dann ist der Zeitplan damit so beschlossen . Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bun- desminister der Finanzen, Dr . Wolfgang Schäuble . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan- zen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie, Herr Präsident, eben schon eindrucksvoll gesagt haben, steht auch diese Haushaltsdebatte im Zeichen der aktu- ellen Flüchtlingssituation . Sie ist eine Bewährungsprobe für Deutschland und für Europa, und sie stellt uns alle, Staat und Gesellschaft, vor die größte Herausforderung seit langer Zeit . Deshalb hat die Bewältigung dieser an- spruchsvollen Aufgabe absolute Priorität . Die Aufgabe stellt sich jetzt, und wir werden sie jetzt bewältigen, und wir müssen sie auch jetzt finanzieren – wenn möglich, ohne neue Schulden . Dem haben sich dann andere Aus- gabenwünsche unterzuordnen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Es kommt jetzt darauf an, die Flüchtlingssituation durch eine enge Zusammenarbeit aller staatlichen Ebe- nen zu meistern . Wir brauchen passgenaue Antworten, die allen Beteiligten gerecht werden, und danach ent- scheidet sich, welche staatliche Ebene welche Aufgabe wahrnehmen soll . Aus den Antworten darauf muss sich die Finanzierung ableiten und nicht umgekehrt . Wir haben uns im Koalitionsausschuss am Sonntag- abend auf ein umfassendes Paket verständigt . Auf dem Flüchtlingsgipfel mit den Regierungschefs der Länder am 24 . September sollen die Maßnahmen dieses Pakets abschließend besprochen werden . Deswegen macht es jetzt wenig Sinn, in einen Überbietungswettbewerb ein- zutreten, wer wie viel konkret bezahlen soll, bevor nicht (C) (D) (A) abschließend geklärt ist, wer was konkret tun soll . Ein solcher Streit um Milliardenbeträge würde im Ergebnis auch nur schaden . Er würde die öffentliche Akzeptanz der Flüchtlingssituation nicht verbessern, sondern ge- fährden . Wir werden dieser Aufgabe nur gerecht, wenn wir uns auf die drei wesentlichen Punkte konzentrieren: Erstens: die Aufnahme der Flüchtlinge . Jetzt geht es darum, die Zahl der Erstaufnahmeplätze auszubauen . Der Bund wird Länder und Kommunen beim Ausbau von rund 150 000 winterfesten Plätzen in Erstaufnahmeein- richtungen unterstützen . Zweitens: die zügige Klärung des Duldungsanspruchs und gegebenenfalls die Rückführung in das Heimatland . Asylbewerber sollen so lange in den Erstaufnahmeein- richtungen bleiben, bis über ihren Antrag entschieden worden ist . Wenn der Antrag abgelehnt wird, soll die Rückführung direkt aus der Erstaufnahmeeinrichtung erfolgen . Das wäre für die Kommunen eine große Ent- lastung . Drittens: die Integration der Flüchtlinge mit einer Bleibeperspektive . Wir werden die Integrationskurse und die Programme zum Spracherwerb weiter ausbau- en . Wir müssen die Menschen so schnell wie möglich in die Lage versetzen, Arbeit aufzunehmen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, ihren Unterhalt selbst zu bestrei- ten . Wir werden auch mehr Bundesfreiwillige und mehr Hauptamtliche in die Flüchtlingshilfe einbeziehen . Wir haben verabredet, beim Freiwilligendienst des Bundes (B) bis zu 10 000 zusätzliche Stellen einzurichten . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Übrigens hat der Bund schon zuvor einiges auf den Weg gebracht, um die Situation zu verbessern . Länder und Kommunen erhalten in diesem Jahr pauschal 1 Milli- arde Euro zusätzlich . Wir werden diese Mittel angesichts der steigenden Zahl der Flüchtlinge natürlich erheblich aufstocken müssen . Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat schon rund 190 Liegenschaften mit rund 38 000 Unterbrin- gungsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Asylsuchende zur Verfügung gestellt, und das mietzinsfrei . Der Bund ist auch bereit, die für die Herrichtung von Bestands- gebäuden notwendigen Kosten und die erforderlichen Erschließungskosten für diese Gebäude zu überneh- men, und zwar rückwirkend ab dem 1 . Januar 2015 . Wir werden das auf alle verfügbaren Bundesliegenschaften ausweiten . Damit werden übrigens nicht nur Länder und Kommunen unterstützt, die die erste Anlaufstelle für die Flüchtlinge sind, sondern wir helfen vor allem den Men- schen selbst, die nach teilweise lebensbedrohlicher Reise hier vor Ort eine feste Unterkunft benötigen . Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhält zur schnelleren Bearbeitung der Asylverfahren 2 000 zu- sätzliche Stellen . Für die Integrationskurse werden die Mittel entsprechend dem gestiegenen Bedarf erhöht . In anderen Bereichen der Bundesverwaltung soll das Perso- nal so flexibel wie möglich eingesetzt werden. Man muss sich immer im Klaren sein: Zusätzliche Stellen heißt noch nicht, dass man schon die Menschen hat, die die Stellen auch ausfüllen können. Erst muss man sie finden, und dann muss man sie oft auch noch ausbilden . Deswe- gen werden geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zolls übergangsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Bundespolizei unterstützen . Ich kann mit großem Respekt vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zollverwaltung sagen, dass dort eine große Bereitschaft vorhanden ist, sich freiwillig für diese Aufgaben zur Verfügung zu stellen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD und der LINKEN) Wir wollen übrigens die zusätzlichen Stellen für die Mindestlohnkontrolle, die wir verabredet haben, prag- matisch dazu nutzen, die derzeitige Situation kurzfristig zu bewältigen . Das bedeutet natürlich – das muss man klar sagen –, dass wir das für den Ausbau der Mindest- lohnkontrollen durch den Zoll ursprünglich vorgesehene Tempo verlangsamen werden . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) - Ja, so ist das mit dem Bundesarbeitsministerium ver- abredet . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben im Übrigen verabredet, bei der Bundespoli- zei in den nächsten drei Jahren 3 000 zusätzliche Stellen zu schaffen . Wir haben schon im Haushaltsentwurf und im Ent- wurf für die mittelfristige Finanzplanung die Mittel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit beträcht- lich erhöht . Damit können und sollen die Fluchtursachen in den wichtigsten Herkunftsländern zusätzlich bekämpft werden . Auch im Haushalt des Auswärtigen Amtes sol- len die Unterstützungsmittel für die Versorgung und Be- treuung von Flüchtlingslagern in den Krisenregionen und für die Stabilisierung von Herkunfts- und Transitländern um 400 Millionen Euro aufgestockt werden . Die Integration von Menschen aus unterschiedlichen Ethnien, mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen, mit unterschiedlichen, teils auch traumatischen Erfah- rungen wird ein Kraftakt für unser Land und unsere Ge- sellschaft sein; das sollte niemand kleinreden. Aber wir sollten diese Situation auch als Chance für uns selbst be- greifen . Wir dürfen Flüchtlinge und Asylsuchende nicht nur unter Kostengesichtspunkten betrachten . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD so- wie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir sehen in diesen Tagen: Manchmal sind große Teile der Bevölkerung weiter als die verfasste Politik . Auch die Wiedervereinigung vor 25 Jahren ist ein Beispiel dafür, was Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Verwaltung schaffen können, wenn es wirklich darauf ankommt . Die zur Bewältigung der Flüchtlingssituation diskutierten Änderungen etwa im Bau- oder Vergaberecht sind Bei- spiele dafür, wie Deutschland seine Anpassungsfähigkeit verstärken muss . Wir erhalten dadurch in diesen Rechts- bereichen eine Flexibilität, mit der wir uns bisher sehr schwertun, die wir aber dringend brauchen . Auch darin liegt eine Chance zur Erneuerung und Fortentwicklung insgesamt für uns . (C) (D) Bundesminister Dr . Wolfgang Schäuble (A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir können diese Herausforderung meistern . Unser Land hat die Kraft dazu . Unsere wirtschaftliche Lage ist gut, nicht zuletzt aufgrund unserer Finanz- und Wirt- schaftspolitik in den letzten Jahren . Das spiegelt sich übrigens in den Haushalten von Bund, Ländern und Ge- meinden . Vor ein paar Wochen war von hohen gesamt- staatlichen Überschüssen im ersten Halbjahr die Rede . Es handelt sich dabei nicht um Haushaltszahlen, und Halbjahreszahlen sagen nicht allzu viel aus; außerdem wurden gesamtstaatliche Zahlen, also von Bund, Län- dern, Gemeinden und Sozialversicherungen, errechnet . Aber immerhin: Angesichts unserer guten wirtschaftli- chen Entwicklung haben wir eine gute Entwicklung bei den Steuereinnahmen . Die Zinsbelastungen der öffent- lichen Haushalte sind weiterhin niedrig . Das gilt, was man angesichts der öffentlichen Debatte gelegentlich gar nicht glauben mag, für den Bund gleichermaßen wie für Länder und Gemeinden . Im Bund gewinnen wir in diesem Jahr zusätzlichen Handlungsspielraum . Den können und müssen wir zur Bewältigung der großen Aufgabe nutzen . Diesen Hand- lungsspielraum sollten wir gegebenenfalls mit einem Nachtragshaushalt auch für die nächsten Jahre erschlie- ßen, damit wir ihn in den nächsten Jahren ebenfalls nut- zen können . Wir haben in der Koalition am Sonntagabend verabredet, dass wir zur Bewältigung dieser prioritären Aufgabe die Ansätze im Bundeshaushalt, wie er im Ent- wurf vorliegt, um insgesamt 3 Milliarden Euro erhöhen und zugleich Ländern und Kommunen die gleiche Sum- (B) me zur Bewältigung ihres Anteils an den Aufgaben zur Verfügung stellen werden . Wir wollen das ohne neue Schulden schaffen . Die Rechnung für die Aufgaben, die sich uns jetzt stellen, sollten wir nämlich nicht an kom- mende Generationen weiterreichen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind in der Lage, jetzt auf diese große Herausforderung angemessen zu reagieren, weil wir uns in den letzten Jahren finanzielle Handlungsfähigkeit erarbeitet haben . Das darf man, weil das so oft kritisiert worden ist, auch einmal sagen . Das ist das Resultat der konsequenten Sanierung des Bundes- haushalts . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Wie wichtig es ist, dass wir diese Handlungsfähigkeit zurückgewonnen haben, hat sich übrigens schon bei der Umsetzung der im Koalitionsvertrag beschlossenen pri- oritären Maßnahmen, bei der weiteren Stärkung von In- vestitionen des Bundes und der Kommunen und bei der Finanzierung der Energiewende gezeigt . Unsere erfolgreiche Finanz- und Haushaltspolitik hat im Übrigen maßgeblich dazu beigetragen, dass es uns wirtschaftlich gut geht . Unsere Wirtschaft wächst seit 2010, dem Startjahr der Schuldenbremse, zuletzt um 1,6 Prozent in 2014 . Wir haben eine robuste Konjunk- tur, trotz aller Risiken im weltwirtschaftlichen Umfeld . Dieses und nächstes Jahr ist weiterhin mit gutem Wachs- tum zu rechnen, übrigens vor allem getragen durch die hohe Inlandsnachfrage, und diese gründet maßgeblich auf Vertrauen in die Nachhaltigkeit unserer Politik . Der psychologische Faktor in der Wirtschaftspolitik wird ja gelegentlich unterschätzt, insbesondere international; aber man sollte ihn nicht unterschätzen . Ohne Vertrauen gehen Investitionen wie Konsumnachfrage schnell zu- rück . Die Europäische Kommission sagt übrigens auch für den Euro-Raum für dieses und die beiden folgenden Jahre ein Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent voraus . Das ist nicht überragend hoch, aber es ist solide . In Deutschland hat die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Jahr mit fast 43 Millionen erneut ein Rekordhoch erreicht . Das zeigt, dass es uns in den letzten Jahren gelungen ist, eine Reihe zusätzlicher Arbeitskräfte in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erhöht sich weiter, und die Reallöhne sind seit 2010 deutlich gestiegen, allein im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 1,7 Prozent . Vermutlich steigen sie in diesem Jahr noch stärker . Dies sind reale Steigerun- gen, nicht nominale . Sie kommen den Menschen zugute . Das stärkt nicht nur die Inlandsnachfrage, sondern auch den Wohlstand der Bevölkerung in unserem Lande . Auch das ist unserer Haushaltspolitik geschuldet . Die Finanz- und Wirtschaftskrisen seit den 80er-Jahr- en haben doch vor allem eins gezeigt: Ein zu stark auf Krediten, also privaten und öffentlichen Schulden, be- ruhendes Wachstum ist niemals nachhaltig . Zu starkes Kreditwachstum löst keine strukturellen Probleme, son- dern führt zu Finanz- und Schuldenkrisen . Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbanken können daran übrigens auf Dauer wenig ändern . Heftige Finanzkrisen verringern nicht nur das aktuelle Wachstum, sondern eben auch die langfristigen Wachstumsmöglichkeiten, weil heftige Kri- sen die Erwartungen von Investoren und Konsumenten verschlechtern und die Investitions- und Konsumbereit- schaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verringern . Eine stetige Finanz- und Wirtschaftspolitik, die nicht darauf aus ist, kurzfristiges Wachstum mit Gewalt er- zwingen zu wollen, sondern die sich daran orientiert, die Chancen für nachhaltiges Wachstum zu verbessern, ist der gesündere und erfolgreichere Ansatz . Indem wir in Deutschland für solides und nachhaltiges Wachstum sorgen, kommen wir auch unseren Verpflichtungen ge- genüber Europa und gegenüber der Weltwirtschaft nach . Welche Lage hätten wir eigentlich in Europa und außer- halb, wenn auch Deutschland nicht für Stabilität stehen würde? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Im internationalen Rahmen hat endlich eine Diskus- sion über die Frage begonnen, warum eigentlich in den letzten 30 Jahren – so lange geht das – trotz stark steigen- der Schulden das Wachstum in den entwickelten Volks- wirtschaften so mäßig ausfällt und langfristig immer stärker zurückgeht . Es wird international immer klarer, dass nachhaltiges Wachstum auch nachhaltige Finanzen voraussetzt . So werden auch in den internationalen Debatten die Stimmen lauter, die dafür stehen, dass das Übergewicht (C) (D) (A) des Finanzsektors gegenüber der Realwirtschaft, verur- sacht insbesondere durch die immens hohen kurzfristi- gen Gewinnchancen, eine Gefahr für nachhaltiges globa- les Wachstum ist . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Es ist unbestritten, dass weltweit hohe Liquidität und Verschuldung die Risikobereitschaft im Finanzsektor und die Gefahr neuer Blasen fördern, weitere Verschul- dungen erleichtern und zu Fehlinvestitionen führen . Das steigende Verschuldungstempo verringert gleichzeitig den Glauben der Anleger an die dauerhafte Tragfähigkeit der Schulden . Auch da kommt wieder der psychologi- sche Faktor ins Spiel, der, wie gesagt, leider oft unter- schätzt wird . So ist es übrigens auch nicht verwunderlich, dass wir uns womöglich auf eine noch längere Phase niedriger Zinsen einstellen müssen, auch wenn natürlich das Ziel bleiben muss, die weltweit außergewöhnlich expansive Geldpolitik der Notenbanken schrittweise abzubauen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir arbeiten im Rahmen unserer – allerdings begrenz- ten – Möglichkeiten daran, dass Sparer und Unternehmer in Deutschland mit der Niedrigzinsphase zurechtkom- men können . Wir haben mit dem Lebensversicherungs- reformgesetz einen fairen Ausgleich zwischen den In- teressen verschiedener Kundengruppen geschaffen . Wir bereiten aktuell ein Gesetz vor, mit dem den Bauspar- (B) kassen mehr Spielräume, etwa in der Immobilienfinan- zierung, ermöglicht werden sollen, um diese bewährte Sparform auch unter den veränderten Zinsbedingungen zukunftsfest zu machen . Ferner suchen wir gemeinsam für die betriebliche Alterssicherung nach Lösungen . Es geht bei alldem darum, in einem schwierigen Zinsumfeld Stabilität zu wahren . Was wir in Deutschland machen und was wir in Eu- ropa wollen, ist, dass die Schuldenstände sich an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jeweiligen Landes anpassen . Dabei dürfen die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung nicht wachsen . Sie sollen vielmehr, abhängig vom Schuldenprofil, schrittweise zurück- geführt werden . So haben wir das zuletzt wieder beim G-20-Finanzministertreffen in Ankara formuliert, und so steht es in allen europäischen Regeln . Das ist auch nicht zu viel verlangt, und es liegt im Interesse jedes einzel- nen Landes . Es hat rein gar nichts mit sogenannter Aus- teritätspolitik zu tun . Deutschland muss sich nicht dafür rechtfertigen, dass es sich selbst – wenn auch leider im Gegensatz zu manch anderem – an die auf globaler und europäischer Ebene gemeinsam getroffenen Vereinba- rungen hält, zumal wenn diese von allen Beteiligten für richtig gehalten werden . Die Ökonomen im In- und Ausland – eigentlich eher Politiker und Journalisten als Ökonomen –, die, die Nachfrage in Deutschland jetzt schuldenfinanziert noch weiter steigern wollen und sich dabei natürlich auf Key- nes berufen, den sie, wie ich vermute, alle nicht gelesen haben, möchte ich dann doch darauf hinweisen, dass man Keynes nur verstanden hat, wenn man in konjunkturell guten Zeiten keine neuen Schulden macht . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Wahrscheinlich liegen wir in Deutschland viel näher an John Maynard Keynes als so mancher sogenannte Starökonom auf internationalem Parkett . (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) In nahezu jeder wirtschaftlichen Lage – es ist ja manchmal schon langweilig –, ob sie nun gerade besser oder schlechter ist, für immer mehr Schulden und für eine weitere Flutung der Märkte mit Geld der Notenbanken zu sein, ist weder originell noch seriös . Ich würde mir manchmal schon mehr Substanz in diesen Diskussionen wünschen . Zumal sich genau dies in den vergangenen Jahren eben nicht als besonders erfolgreiche Wirtschafts- politik erwiesen hat . Die Frage, die uns wirklich umtreiben sollte, ist: Wie bekommen wir Europa wieder in Form – wirtschaftlich wie politisch? Die institutionellen Regeln und Verfah- ren in Europa – das haben wir in den letzten Jahren und Monaten genügend erlebt – sind dafür noch nicht aus- reichend . Die Entscheidungsfähigkeit Europas muss ver- bessert werden . Ein starkes Europa lebt von Vertrauen und Solidarität: Vertrauen darauf, dass die Mitgliedstaaten die gemein- sam vereinbarten Regeln auch einhalten, gepaart mit So- lidarität bei nichtvorhersehbaren Herausforderungen . Wir hatten als Reaktion auf die Krisen der letzten Jah- re die Wirtschafts- und Währungsunion Schritt für Schritt stabiler gemacht . Wir werden diesen Weg weitergehen, ohne Europa zu überfordern . Der Bericht der fünf Prä- sidenten von Kommission, Zentralbank, Euro-Gruppe, Europäischem Rat und Parlament zur Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion bietet dazu Gele- genheit . Es ist richtig, jetzt die Debatte über eine stärke- re europäische Integration zu führen, aber solange Mit- gliedstaaten nicht in der Lage sind, europäische Regeln einzuhalten – (Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland zum Beispiel!) - Wir halten uns daran . Ich habe gerade erläutert, dass wir uns im Gegensatz zu anderen an die Regeln des europä- ischen Stabilitäts- und Wachstumspakts halten und dass wir uns dafür auch nicht kritisieren lassen, sondern uns gegen solche Kritik wehren . (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will Ihnen ein anderes Beispiel nennen . Wir alle sind der Überzeugung, dass eine Bankenunion zur wei- teren Stabilisierung der Währungsunion jetzt ganz zwin- gend ist . Deswegen haben wir mit großem Hochdruck an der Bankenrestrukturierungsrichtlinie gearbeitet . Wir haben verabredet – das wurde auch so festgeschrieben –, dass sie spätestens zum 1 . Januar 2015 in nationales Recht umzusetzen ist . Es gibt aber elf Mitgliedsländer, (C) (D) Bundesminister Dr . Wolfgang Schäuble (A) die sie bis heute nicht umgesetzt haben . Es wären zwölf, wenn wir Griechenland nicht gezwungen hätten, sie als „Prior Action“ umzusetzen . Solange wir solche Regeln nicht rechtzeitig in nationales Recht umsetzen, so lange sollten wir nicht über neue Ansätze zur weiteren Verge- meinschaftung von Risiken reden . Wir dürfen den zwei- ten Schritt nicht vor dem ersten tun . Jeder muss seinen ersten Schritt gehen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Das ist keine legalistische Petitesse; ich werde es dem Zwischenrufer gleich noch einmal erklären . Nur wenn das Regelwerk zur Bankenabwicklung im nationalen Recht jedes Mitgliedstaats verankert ist, können die Ei- gentümer und Gläubiger der Banken im Falle einer Plei- te auch zur Kasse gebeten werden . Das haben wir doch alle in großen Reden seit 2008 immer gesagt: Die sollen selber haften und nicht die Steuerzahler . – Dazu braucht man aber die Umsetzung der Bankenrestrukturierungs- richtlinie . Es reicht nicht, wenn wir sie nur beschließen und große Reden halten . Vielmehr müssen wir sie umset- zen und anwenden . Ich sagte schon: Elf Mitgliedstaaten – ich sage nicht welche; aber das kann man nachlesen – haben sie bisher noch nicht umgesetzt . Dem Argument, die Steuerzahler sollten nicht für das Risiko der Banken haften, stimmen alle zu . Aber es ist eben kein Argument, das Risiko vom Steuerzahler eines Landes auf die Steuerzahler anderer Länder zu verschieben, was zu viele unter dem Stichwort „Vergemeinschaftung“ verstehen . (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Johannes Kahrs [SPD]) Wenn man also über die Vergemeinschaftung von nationalen Systemen redet, dann muss man zuerst die vereinbarten nationalen Systeme ausbauen und den Ban- kenrestrukturierungsfonds aufbauen . Ich habe eine Über- sicht angefordert, wer eigentlich schon eingezahlt hat . Die deutschen Banken zahlen seit 2011 in einen solchen Restrukturierungsfonds ein . Bevor wir solche Fonds ver- gemeinschaften, sollten bitte auch die anderen erst ein- mal anfangen, ein bisschen einzuzahlen . Sonst untergräbt man Vertrauen in die Verlässlichkeit . Verlässlichkeit ist aber die Grundlage für Solidarität . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Es kann übrigens auch nicht sein, dass manche in Eu- ropa meinen – und dies auch noch in deutschen Zeitun- gen sagen –, sie würden die in ihrem Land notwendigen Reformen für uns in Deutschland machen, und deswegen sollen wir bezahlen, wenn sie solche Reformen durch- führen . (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde, jedes Land muss die notwendigen Reformen im Eigeninteresse machen . Dass die wirtschaftlich Stär- keren im Interesse eines starken Europas mehr als andere bezahlen müssen, ist klar . Dass Solidarität eine Selbst- verständlichkeit ist, ist auch wahr . Aber es darf eben kei- ne Ausrede geben . Man muss auch selbst das Notwendi- ge tun . Ein jeder muss insofern vor seiner eigenen Tür kehren . Von Deutschland wird zu Recht erwartet, dass es Eu- ropa voranbringt . Damit wir das tun können, müssen wir selbst dauerhaft stark sein und stark bleiben . Dafür ist es notwendig, dass wir gezielt in die Zukunft investie- ren . Das klingt fast schon banal . Aber, meine Damen und Herren, es ist eben doch nicht banal, dass die Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gegen- über dem Vorjahr wieder um gut 1,1 Milliarden Euro auf knapp 16,4 Milliarden Euro erhöht werden . Seit dem Be- ginn meiner Zeit als Finanzminister sind die Mittel im Haushalt für Bildung und Forschung damit um 60 Pro- zent gesteigert worden . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben Deutsch- lands haben bereits 2012 das EU-Ziel von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht . Wir liegen damit welt- weit auf dem fünften Platz, vor den Vereinigten Staaten von Amerika und weit vor Frankreich oder Großbritan- nien . Natürlich beruhigt es in diesem Zusammenhang be- sonders, Herr Kollege Gabriel, dass sogar das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin festge- stellt hat, dass die seit 2007 steigenden Forschungsaus- gaben vor allem an den gestiegenen öffentlichen Inves- titionen liegen . Aber natürlich sind neben Investitionen in Bildung auch Investitionen in klassische Infrastruktur notwen- dig, um Deutschlands wirtschaftliche Stärke zu sichern . Folgerichtig liegen die Ausgaben im Einzelplan des Bun- desministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur im Haushalt für 2016 mit rund 24,4 Milliarden Euro um 1,1 Milliarden Euro über denen des Vorjahrs . Dieser Aus- gabenanstieg spiegelt in erster Linie die Ausweitung der Verkehrsinvestitionen . Andererseits wird auch im Bundeshaushalt 2016 gut jeder zweite Euro für soziale Leistungen ausgegeben, und das trotz der guten Arbeitsmarktlage . Ich sage es in jeder Haushaltsdebatte: Wir müssen mittelfristig über die richtige Ausrichtung und Prioritätensetzung in unseren Haushalten verstärkt nachdenken . (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Johannes Kahrs [SPD]) Die Leistungen des Bundes an die gesetzliche Ren- tenversicherung stellen nach wie vor den größten Aus- gabenblock im Bundeshaushalt dar . Sie erhöhen sich gegenüber dem Vorjahr um rund 2,3 Milliarden Euro und belaufen sich in 2016 auf insgesamt 86,6 Milliar- den Euro . Auch der Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung bleibt mit 14 Milliarden Euro auf einem hohen Niveau . Der Bund unterstützt die Kommunen trotz der grund- gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung, nach der die Län- der für die Kommunen zuständig sind, seit der letzten Legislaturperiode so stark wie nie zuvor . Bei sozialen Leistungen entlastet der Bund die Kommunen um mehr (C) (D) (A) als 42 Milliarden Euro in den Jahren 2011 bis 2017 . Beim Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige hat der Bund allein bis 2014 5,4 Milliarden Euro über- nommen, und er unterstützt die Kommunen auch bei den laufenden Betriebskosten . Wenn die Kommunen vom Bund zur Bewältigung der Flüchtlingssituation nun weitere Mittel erhalten wer- den, so kann ein Teil dieser Mittel für die Bereitstellung von zusätzlichen Kitaplätzen verwendet werden . Da der Bund die Länder und Kommunen bei der Bewältigung der gestiegenen Asylbewerberleistungen so massiv, wie es die Koalition beschlossen hat, unterstützt, ist der Streit darüber, wie die Mittel für die Betreuung unserer Kinder verwendet werden sollen, wirklich müßig . Im Übrigen bleibt es bei der Zusage, dass die Kommu- nen ab dem Jahr 2018 jährlich um weitere 5 Milliarden Euro entlastet werden . Im Vorgriff darauf erhalten sie von 2015 bis 2017 bereits 4,5 Milliarden Euro zusätz- lich . Diese Mittel sind in der mittelfristigen Finanzpla- nung enthalten . Die Konsolidierung nützt im Übrigen auch den Bür- gerinnen und Bürgern . Der Abbau der kalten Progressi- on – auch bei geringerer Preissteigerungsrate – und die Anhebung von Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kin- derzuschlag sowie des Entlastungsbetrages für Allein- erziehende führen zu einer dauerhaften Entlastung der Arbeitnehmer und ihrer Familien von immerhin mehr als 5 Milliarden Euro pro Jahr . Trotz der Gesamtausgaben des Bundes in Höhe von (B) 312 Milliarden Euro in 2016 bleibt es bei der schwarzen Null, und zwar nicht nur im kommenden Jahr, sondern auch in den Folgejahren . Wir wollen nicht mehr ausge- ben, als wir einnehmen . Der Ausgabenanstieg wird im Verhältnis zur Entwicklung der Wirtschaftskraft moderat bleiben, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart ha- ben . Wir verschieben bei den Ausgaben den Fokus ver- stärkt auf die Investitionen. Das ist notwendig; denn das Produktivitätswachstum hat sich in den letzten Jahren in vielen Industrieländern deutlich verlangsamt . Am wich- tigsten für Produktionsfortschritte ist langfristig der tech- nische Fortschritt, also Innovationen . Innovationen kann aber eben niemand wirklich planen . Aber in der begrün- deten Erwartung und Hoffnung, dass Investitionen und Innovationen Hand in Hand gehen werden, können wir öffentliche Investitionen erhöhen und private Investitio- nen fördern . Bei aller Notwenigkeit öffentlicher Investitionen dürfen wir nie vergessen, dass private Investitionen für unser Wachstum entscheidend sind . Die Bruttoanlag- einvestitionen in Deutschland betragen circa 20 Prozent des Volkseinkommens, also rund 600 Milliarden Euro . Im Vergleich dazu sieht der Bundeshaushalt, wie gesagt, Gesamtausgaben von 312 Milliarden Euro vor . Private Investitionen sind also von einer viel größeren volkswirt- schaftlichen Bedeutung . Deswegen ist es wichtig, neue Wege zu gehen, um mehr privates Kapital zu mobilisie- ren – auch privates Kapital für die Finanzierung öffentli- cher Infrastrukturprojekte . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie des Abg . Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]) Die Europäische Kommission hat eine Investitions- offensive gestartet, bei der die Europäische Investitions- bank durch die Bereitstellung von Risikokapital in den nächsten drei Jahren öffentliche und private Investitionen von über 300 Milliarden Euro freisetzen soll . Damit Investitionen Wirkungen zeigen, müssen wir übrigens typische Fehler vermeiden . Wir sollten nicht prozyklisch und flächendeckend in die öffentliche Infra- struktur investieren, sondern stetig und vor allem ziel- genau . Um die Wirkungsorientierung des Haushalts zu ver- bessern, wird das Haushaltsaufstellungsverfahren erst- mals um einnahme- und ausgabeseitige Haushaltsana- lysen in ausgewählten Politikbereichen – sogenannte Spending Reviews – ergänzt . Mit der Einführung der Schuldenbremse sind wir zu einem Top-down-Verfahren übergegangen, das sich sehr bewährt hat . Mit der Festlegung von Haushaltseckwerten im März erhält jedes Ressort sein Budget, das es weitge- hend selbstständig ausgestalten kann . Das erfordert aber natürlich, dass wir von Zeit zu Zeit gemeinsam analy- sieren, ob die einzelnen Teilbudgets auch die angedachte Wirkung entfalten . Bis zum März kommenden Jahres sollen nun zu den Themen „Förderung des kombinierten Verkehrs“ und „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungs- orientierten Jugendlichen aus Europa“ erste Reviews dieser Art durchgeführt werden, damit wir einmal sehen, ob durch die Mittel auch das gewünschte Ziel erreicht werden kann . Danach kann entschieden werden, ob eine Mittelumschichtung notwendig und sinnvoll ist . Wenn sich dieses Verfahren der Spending Reviews bewähren sollte, werden wir es natürlich auch bei der In- frastrukturplanung einsetzen . Wir schaffen mit Spending Reviews ein regelgebundenes Verfahren, um die Quali- tät unserer öffentlichen Ausgaben besser überprüfen zu können . Übrigens wird auch der von meinem Kollegen Dobrindt geplante Infrastrukturbericht helfen, die Dis- kussion um Infrastrukturinvestitionen zu versachlichen . Dazu könnte auch eine privatrechtlich organisierte Infra- strukturgesellschaft für Bundesfernstraßen beitragen, an deren Konzept die Bundesregierung arbeitet . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich will noch eine Bemerkung zur Neuordnung der Bund-Län- der-Finanzbeziehungen machen . Sie kann nur als für alle Beteiligten tragfähige Lösung gelingen . Dafür müs- sen Bund und Länder konstruktiv zusammenarbeiten . Die Bundesregierung hat Vorschläge vorgelegt, um den Bund-Länder-Finanzausgleich transparenter zu machen und die Gestaltungsspielräume sowohl von Zahler- als auch von Empfängerländern zu verbessern . Wenn wir uns nicht einigen sollten, ist die wahrscheinlichste Lösung, dass wir den Status quo, der bis 2019 gilt, fortschreiben (C) (D) Bundesminister Dr . Wolfgang Schäuble (A) müssen . Aber das wäre nicht gerade ein Ruhmesblatt für unseren Föderalismus . Es ist sowohl bei der Flüchtlingshilfe als auch bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wich- tig, Fehlanreize zu vermeiden und starke Anreize für eine wirtschaftliche und effiziente Aufgabenwahrnehmung zu setzen . Wo Aufgaben vor Ort diskretionär wahrgenom- men werden können, sollte eine Abweichungsmöglich- keit für dezentrale Gestaltung möglich sein . Umgekehrt fördert eine Beteiligung an der Finanzierung durch die Ebene, die die Aufgaben erfüllt, nach aller Erfahrung eine eher sparsame Mittelverwendung . Oder um es ein- facher zu sagen: Die Schwaben sind nur bei der Verwen- dung eigenen Geldes sparsam . Mit anderer Leute Geld sind sie viel großzügiger . (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Um das zu ermöglichen, brauchen wir über die erwähnte Infrastrukturgesellschaft hinaus begrenzte Anpassungen unseres Grundgesetzes . Das Angebot des Bundes steht . Jetzt sind die Länder am Zug, untereinander zu einer Einigung zu kommen . Aber vielleicht verbessern die aktuellen Gespräche über die Flüchtlingsproblematik auch die Chancen für eine grundsätzliche Einigung im Bund-Länder-Verhältnis . Damit könnten wir dann endlich auch Klarheit über die weiteren Regionalisierungsmittel für den ÖPNV schaf- fen, die dringend notwendig ist, damit die notwendigen Infrastrukturprojekte keine Verzögerungen erleiden müs- sen . (B) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich will zusammenfassen: Die aktuelle Flüchtlingssituation stellt uns in Deutschland vor große politische, aber vor allem auch gesellschaftliche Herausforderungen . Wir kön- nen sie meistern: Bürgerinnen und Bürger, Gemeinden, Länder, Bund, auch die Flüchtlinge selbst . Gemeinsam schaffen wir das! Wir müssen auf europäischer Ebene zu dauerhaft tragfähigen Lösungen kommen . Dann können wir die schwierige Lage zum Guten wenden – für die zu uns Kommenden wie für uns selbst . Unsere Haushaltspolitik in den vergangenen Jahren hat dazu beigetragen, dass wir diese Probleme jetzt be- wältigen können . Das ist das, was ich immer zu sagen versucht habe: Unsere Haushaltspolitik eröffnet Hand- lungsspielräume, um auf unerwartete, drängende, neue Herausforderungen reagieren zu können, ohne dass wir die langfristigen Prioritäten, mehr Investitionen in Bil- dung, Forschung und Infrastruktur, vernachlässigen müssen, und ohne neue Schulden zu machen . Genau das setzen wir mit dem Haushalt 2016 konsequent fort: Wir steigern die Zukunftsinvestitionen kontinuierlich wei- ter, entlasten zugleich die Kommunen in beispiellosem Ausmaß, damit sie ihre wichtigen Aufgaben gut erfüllen können . Diese Politik für Wachstum ohne Neuverschuldung macht uns widerstandsfähiger, auch gegen etwaige Ein- trübungen der wirtschaftlichen Lage, mit der wir ja im- mer rechnen müssen . Weniger Schulden, weniger Krisen, mehr nachhaltiges Wachstum, Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Das ist die beste Politik, die wir in diesen Zeiten machen können . (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke . (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst Gelegenheit nehmen, um Ihnen, Herr Bundestagspräsident, ganz herzlich für Ihre Worte zu Be- ginn zu danken, mit denen Sie es ja geschafft haben, das gesamte Haus zu einen . Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- ordneten der SPD und des Abg . Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]) Ich will auch die Gelegenheit nutzen, um noch ein- mal den vielen ehrenamtlich Engagierten, den vielen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern – im Übrigen parteiübergreifend –, aber auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Behörden aus- drücklich zu danken, die Hervorragendes leisten . Ich finde es übrigens auch richtig, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 2 000 weitere Stellen geschaffen werden . Herzlichen Dank dafür! Wir können stolz sein, was in unserem Land geschieht . (Beifall bei der LINKEN) Herr Schäuble, ich will auch sagen, dass Sie der Flüchtlingsproblematik hier zu Recht eine große Auf- merksamkeit eingeräumt haben . Es ist richtig: Flücht- linge sind Herausforderung, aber Flüchtlinge sind eben auch Chance für uns . (Beifall bei der LINKEN) Ich will in dieser Debatte aber den Fokus auf die Fra- ge richten: Warum hatten wir eigentlich vor zehn Jah- ren oder vor drei Jahren nicht so viele Flüchtlinge? Die Flüchtlinge sind Botschafter des schreienden Unrechts und der Kriege in dieser Welt, meine Damen und Herren . (Beifall bei der LINKEN) Schauen wir uns das einmal konkret an . Libyen . Was ist denn das Ergebnis des Engagements der sogenannten Koalition der Vernunft? Gaddafi ist weg. Jetzt haben wir einen fürchterlichen Bürgerkrieg . Von Libyen aus starten die Schiffe mit Flüchtlingen, teilwei- se auf drei Etagen verteilt . Wer das einmal gesehen hat, weiß: Das ist eine Katastrophe als Ergebnis von Politik . Afghanistan . Seit 13 Jahren engagieren wir uns – jetzt Gott sei Dank auch mehr zivil – vor allen Dingen mi- litärisch . Was ist das Ergebnis? Die Flüchtlingszahlen steigen . Syrien . Für die Menschen in Syrien ist es völlig egal, ob sie unter dem Terror des IS, von Assad oder von (C) (D) Dr . Dietmar Bartsch (A) al-Nusra leiden . Es ist eine Schande, dass die Weltge- meinschaft da zusieht . Ich war mit Kollegen in Flücht- lingslagern in Jordanien . Da leben 85 000 Menschen . Die Zustände sind katastrophal . Wer ein Zelt hat, ist schon privilegiert . Der Irak ist nach der USA-Intervention ein zerfallen- des Land . All das ist Ergebnis von Politik, meine Damen und Herren . Es ist auch Ergebnis des Versagens der Au- ßenpolitik Europas und auch der deutschen Außenpolitik . (Beifall bei der LINKEN) Ein wesentliches Element, meine Damen und Her- ren, sind eben auch die Waffenexporte. Im Gebiet des IS werden überhaupt keine Waffen produziert . Es gibt dort Waffen aus China, Russland und den USA, aber eben auch unsere Waffen . Im Übrigen produzieren die Waffen- exporte von heute die Flüchtlinge von morgen. Gucken Sie sich doch einmal an, was Saudi-Arabien im Jemen tut: Das ist eine Intervention . Dazu gibt es aber kein Wort der Bundesregierung . Und natürlich werden als Nächstes Menschen von dort zu uns kommen . Auch was die Türkei mit den Kurden macht, ist doch völlig inakzeptabel . (Beifall bei der LINKEN) Es muss Schluss sein mit Waffenexporten in diese Re- gion, meine Damen und Herren . Eine Bemerkung zu Europa . Europäische Lösung – d’accord . Während der Finanzkrise aber gab es Gipfel auf Gipfel . Mir ist nicht bekannt, dass die Kanzlerin und auch Sie, Herr Schäuble, Ihren Einfluss für eine mo- (B) derne europäische Flüchtlings- und Asylpolitik mit der Hartnäckigkeit geltend gemacht haben, wie es bei den Griechenland-Hilfen der Fall war . Das ist aber notwen- dig . Hier sollte Deutschland Führungsstärke zeigen und das mit den Mitteln durchsetzen, die uns zur Verfügung stehen . (Beifall bei der LINKEN) In diesem Zusammenhang sei mir eine Bemerkung auch zu Ungarn gestattet . Sitzen Sie nicht mit den An- gehörigen der Partei von Herrn Orban im Europäischen Parlament in einer Fraktion? Können Sie da nicht auch einmal deutlichere Worte finden? (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Was da geschieht, ist doch in Mitteleuropa inakzepta- bel, meine Damen und Herren . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zuletzt müssen sich diese Punkte doch auch im Haus- halt widerspiegeln . Seit Jahren reden wir darüber, dass der Anteil für Entwicklungspolitik am Bruttoinlandsprodukt 0,7 Prozent betragen soll . Was tun Sie denn konkret? Es gibt minimale Erhöhungen . Jetzt wäre doch Zeit, zu han- deln . Wir haben mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) eine Organisation, die das auch könnte . Wir müssen dort mehr tun, wenn wir wirklich Fluchtursachen bekämpfen wollen . Das wäre notwendig . (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ein weiterer Punkt, der den Haushalt betrifft: Herr Schäuble, Sie haben zu Recht gesagt, es dürfe jetzt kei- nen Überbietungswettbewerb geben . Aber was es auch nicht geben darf, ist ein unwürdiges Gezerre um das Geld zwischen Ländern, Kommunen und dem Bund . Der Bund sollte die Leistungen für Asylsuchende vollständig übernehmen, bis der Antrag auf Asyl jeweils rechtskräf- tig entschieden ist . Das wäre eine klare Aussage . Das würde zu einer Entlastung führen . (Beifall bei der LINKEN) Lassen Sie mich zum Haushalt wenige Bemerkun- gen machen . Sie haben zum Schluss von „bester Poli- tik“ und „erfolgreicher Wirtschafts- und Finanzpolitik“ gesprochen. Ich bin bei so etwas biografisch bedingt ein bisschen allergisch . Ich kann dazu nur feststellen: In der Überschrift Ihres Koalitionsvertrages heißt es „Deutsch- lands Zukunft gestalten“ . Wo sind denn die großen Re- formvorhaben? Das bewegt sich alles auf dem Niveau der Maut, bei der es so kommen wird, dass die Aussage der Kanzlerin „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“ doch stimmt, oder des Betreuungsgeldes, das das Bun- desverfassungsgericht kassiert hat . Es gibt keine großen Reformvorhaben . Sie verwalten, statt zu gestalten, und das angesichts einer problematischen Weltlage . Das ist die Situation . Wenn Sie das DIW zitieren, dann will ich das auch einmal machen . Das DIW sagt, dass Deutschland „er- hebliche Wachstumschancen verpasst“ hat . Und genau das setzen Sie fort . Das ist de facto eine Haushaltspolitik ohne Kreativität . Wir fordern: Kein Weiter-so und kein Sonnen in der schwarzen Null . Denn wir sind doch diejenigen, die aktuell vom niedrigen Kurs des Euro, von den extrem niedrigen Zinsen und den niedrigen Rohstoffpreisen pro- fitieren. Das sind die Ursachen der schwarzen Null, aber nicht die tolle Politik, die Sie machen . (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Der DIHK-Hauptgeschäftsführer spricht von einem geliehenen Aufschwung . Das ist die Wahrheit . Es ist ein geliehener Aufschwung . Wenn es so ist, dass Haushaltsfragen Zukunftsfragen sind, dann muss die Investitionsquote erhöht werden, und dann hilft auch kein Verweis auf Starökonomen . Einer der Autoren von Herrn Gabriels Studie zur Investitions- müdigkeit sagt: Wir brauchen zusätzlich zu den jetzigen Mitteln einen zweistelligen Milliardenbetrag für Investi- tionen in Breitbandausbau, Bildung, Energiewende und den ökologischen Umbau . Sie machen keine Schulden gegenüber den Finanz- märkten, aber Sie machen Schulden gegenüber den Bundesbürgern, insbesondere gegenüber den jüngeren, meine Damen und Herren, weil Sie viel zu wenig in die Zukunft investieren . (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (C) (D) Dr . Dietmar Bartsch (A) Das könnten Sie übrigens, wenn Sie den Mut hätten, die ungleiche Einkommens- und Vermögensentwicklung in Deutschland nicht nur zu thematisieren, sondern auch Schlussfolgerungen daraus zu ziehen . Es ist doch inak- zeptabel, dass 0,1 Prozent der Bevölkerung in Deutsch- land über 17,3 Prozent des Vermögens und die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland nur über 2,5 Prozent ver- fügen . (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn 10 Prozent 50 Prozent der Steuern bezahlen müssen!) Wann zeigen Sie endlich die Bereitschaft, hier etwas abzuholen? Wir brauchen eine Reform der Erbschaft- steuer, um höhere Einnahmen zu generieren . Wir brau- chen eine Vermögensteuer in Form einer Millionärsteuer . (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Alte Ladenhüter!) Das wäre notwendig, wenn wir die Aufgaben der Zu- kunft wirklich realisieren wollen . Ich freue mich, dass es einen Nachtragshaushalt gibt . Aber dabei sollten Sie genau diese Fragen mit ansprechen, damit wir die vor uns liegenden Aufgaben im Hinblick auf die Flüchtlinge und die Gestaltung unseres Landes und Europas realisieren können . Herzlichen Dank . (Beifall bei der LINKEN) (B) Präsident Dr. Norbert Lammert: Carsten Schneider ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine ungewöhnliche Haushaltsdebatte . Denn die Bun- desregierung hat durch Bundesfinanzminister Schäuble einen Haushalt eingebracht, der jedenfalls so nicht Be- stand haben wird . So ist jetzt schon klar – wir Parlamen- tarier behalten uns natürlich generell vor, Änderungen vorzunehmen –, dass wir es in einer Größenordnung von einigen Milliarden Euro mit neuen Herausforderungen zu tun haben, die zu meistern sind . Es ist richtig: Die ökonomische Lage in Deutschland ist gut . Für Europa würde ich das nicht sagen, aber zu- mindest für Deutschland gilt dies . Das hat es uns ermög- licht, in den vergangenen Jahren darauf verzichten zu können, Haushalte aufzustellen, die eine Schuldenauf- nahme vorgesehen haben . Deswegen war es auch klug, dass wir in den vergange- nen Jahren umsichtig gewirtschaftet und Reserven gebil- det haben, die wir jetzt in einer Situation nutzen können, in der wir uns aufgrund der bereits von vielen Kollegin- nen und Kollegen genannten Flüchtlingskrise besonde- ren Herausforderungen, aber auch besonderen Chancen gegenübersehen . Und diese Chancen werden wir nutzen . Ich werde noch im Einzelnen darauf eingehen . Über die Lage des Landes und die Frage, welchen Einfluss die Finanzpolitik darauf hat, gibt es, glaube ich, unterschiedliche Analysen und Antworten, Herr Minister Schäuble . Sie haben vorhin sehr stark darauf abgehoben, dass die solide Finanzpolitik, die wir machen, Vertrau- en schafft und dies die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs sei . Ich bin der Meinung, dass sie ein Teil des Erfolgs ist, aber der kleinere . Sie haben bestimmt zehn Minuten Ihrer Redezeit damit verbracht, mehr oder we- niger verklausuliert die Notenbanken – die Europäische Zentralbank, die amerikanische Zentralbank, Fed, und die Bank of England – wegen ihrer expansiven Geldpoli- tik zu kritisieren . Das hat mich sehr an das erinnert, was Frau Wagenknecht hier immer vorträgt . (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da gibt es schon einen Unterschied!) - Lieber Michael Grosse-Brömer, das, was Herr Schäuble hier vorgetragen hat, war in Teilen der Analyse sehr ähn- lich, insbesondere in der Antwort auf die Frage nach der Entsparung der deutschen Sparer . Ich will dem klar entgegenhalten: Ohne die expansive Geldpolitik der Notenbanken, ohne die Tatsache, dass die EZB agiert hat und in großem Maße in die Finanzmärkte eingegriffen hat, ohne die Interventionen der Notenban- ken weltweit hätten wir die Finanz- und Wirtschaftskrise niemals bewältigt . (Beifall bei der SPD) Diese Interventionen waren Grundvoraussetzung zur Krisenbewältigung, weil wir als Staatengemeinschaft gar nicht handlungsfähig waren und weil uns auf euro- päischer Ebene die Instrumente, die es uns ermöglichten, gezielt, schnell und handlungsstark zu agieren, fehlten . Das ist ein Grundfehler der Euro-Politik . Wir werden vielleicht nicht in den nächsten Wochen, wohl aber in den nächsten Monaten Antworten auf die Frage zu ge- ben haben, wie die Zukunft der Euro-Zone aussehen soll: Wird es eine stärkere Zusammenarbeit geben, oder wird die Euro-Zone wieder in kleinere Nationalstaaten ausei- nanderfallen? Zu unserem Haushalt . Warum ist er ausgeglichen? Da- für gibt es zwei Ursachen . Er ist nicht ausgeglichen, weil wir so rigide gespart haben . Das ist nicht der Fall . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch!) Die erste Ursache ist der extrem gute Arbeitsmarkt bzw. die gute Wirtschaftslage; das ist das Allerwich- tigste . Hier ist vor allem die starke Binnennachfrage zu nennen . Herr Minister, Sie haben bereits auf die Realloh- nentwicklung hingewiesen . Diese ist absolut positiv . Die Arbeitnehmer werden in diesem Jahr aufgrund der nied- rigen Inflation und der durch die Gewerkschaften endlich erzielten höheren Lohnabschlüsse in die Lage versetzt, mehr Geld in der Tasche zu haben und mehr konsumieren zu können . Das sehen wir an den Lohnsteuereinnahmen, die um 7,5 Prozent steigen, und an den Umsatzsteuerein- nahmen, die um 2,5 Prozent steigen . Das heißt, wir ha- ben es mit einem binnenmarktgetriebenen Aufschwung zu tun . (C) (D) Carsten Schneider (Erfurt) (A) Wir erfahren aber auch an anderer Stelle eine enorme Entlastung, nämlich bei den Zinsen . Allein 20 Milliarden Euro an Zinsen sparen wir in diesem Jahr im Vergleich zu dem, was Sie in den Jahren 2010 und 2011 geplant hat- ten. Das ist ein implizierter Windfall Profit. Aber wir hät- ten einen Haushalt ohne Neuverschuldung niemals allein durch andere Maßnahmen erreichen können . Das ist ein Teil dessen, was uns die Notenbanken quasi geschenkt haben . Daher ist es ein bisschen wohlfeil, zu sagen: „Die sind schuld“, wenn man selbst Profiteur dieser Entwick- lungen ist . Das wird dem nicht gerecht . Es ist eigentlich guter Brauch, dass sich der Finanzminister als Exekutive vor dem Bundestag nicht explizit zur Notenbankpolitik äußert; denn so wird die Unabhängigkeit der Zentralban- ken angegriffen . Ich dachte, es wäre Konsens, dass die Unabhängigkeit der Zentralbanken unabdingbar ist, um klug zu agieren . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine weitere Frage, auf die wir im Haushalt eine Ant- wort geben wollen, lautet – hier wird sich die Koalition trotz unterschiedlicher Auffassungen einigen müssen : Woher kommt das Wachstum noch? Wie ich bereits aus- geführt habe, ist die eine Ursache die binnenmarktgetrie- bene Entwicklung, die zu höheren Löhnen geführt hat . Ein großer Erfolg der SPD ist in diesem Zusammenhang, den Mindestlohn durchgesetzt zu haben . (Beifall bei der SPD) Inzwischen besagen auch Studien arbeitgebernaher Institute, dass es durch den Mindestlohn keine Verdrän- (B) gungseffekte gibt . Im Gegenteil: Wir haben höhere Lohn- abschlüsse zu verzeichnen . So verdienen 30 Prozent der Bevölkerung in Erfurt mehr . Was Thomas Oppermann zur Einführung des Mindestlohns gesagt hat, stimmt: Das ist die größte Lohnerhöhung aller Zeiten . Des Wei- teren haben wir eine Umwandlung von Minijobs in sozi- alversicherungspflichtige Beschäftigung zu verzeichnen. Angesichts dessen war es richtig, hier ordnungspolitisch einzugreifen . Ich bin froh, dass an dieser Stelle die Poli- tik der SPD und der Gewerkschaften wirkt und dass wir dafür ausreichend Unterstützung haben . (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Ich wüsste nicht, wie es um die Aufnahmebereitschaft der deutschen Bevölkerung bestellt wäre, wenn es kei- nen Mindestlohn gäbe . Denn eines ist klar: Die Flücht- linge, die nun auf unseren Arbeitsmarkt kommen und die wir schon unter demografischen Gesichtspunkten benö- tigen, werden – weil ihr Bildungsniveau nicht unseren Abschlüssen entspricht – vor allen Dingen im unteren Einkommensbereich einen Verdrängungswettbewerb auslösen . Ohne den Mindestlohn ginge der Trend eher nach unten . Deswegen ist es auch für die Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung umso wichtiger, dass wir eine Lohnuntergrenze eingeführt haben . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dank der Notenbanken haben wir im Vergleich zum Dollar einen extrem niedrigen Euro-Kurs. Das macht die Exporte billig, und das schafft Raum für zusätzliches Wachstum . Außerdem sorgen die Ölpreise dafür, dass die Kaufkraft steigt . Das alles sind Außenfaktoren, die wir nicht direkt beeinflussen können. Jetzt ist die Frage, wie wir als Bundestag, als Haus- haltsgesetzgeber, darauf finanzpolitisch reagieren. So- wohl was die Bekämpfung der europäischen Krise als auch was die Konjunkturstimulierung betrifft – da bin ich Ihrer Auffassung; man sollte investieren, wenn man im Abschwung ist, nicht im Aufschwung –, sind wir zurück- haltend. Ich bin froh, dass jetzt auch im Bundesfinanz- ministerium klar ist, dass wir in Deutschland einen In- vestitionsnachholbedarf haben . Das war im vorigen Jahr noch nicht so . Da haben wir als Sozialdemokraten immer wieder gesagt, dass Investitionsnachholbedarf besteht . Sigmar Gabriel hat die Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ unter Leitung des DIW-Präsidenten Fratzscher ins Leben gerufen . Damit hat er das Thema gesetzt . Es ist vollkommen richtig: Wir brauchen auch mehr private Investitionen . Ob sie dann allerdings in den Stra- ßenbau fließen, wie es in Österreich der Fall ist, oder ob es nicht klüger ist, dafür öffentliche Mittel einzusetzen, das wird noch zu entscheiden sein . Das wird vor allem eine Frage der Effizienz sein. Zumindest bisher sind in einigen Bereichen die Antworten noch nicht schlüssig . Der entscheidende Punkt wird sein, das anzugehen, worauf ein Zuruf abzielte, der hier eben von einem Abge- ordneten der Grünenfraktion gemacht wurde . Darin wur- de behauptet, Deutschland halte sich nicht an die Regeln . Herr Minister Schäuble hat gesagt: Alle müssen sich an die Regeln halten; dann können wir weitere Vertiefungs- schritte in der Europäischen Union vollziehen . – Wir halten uns an die Regeln, was die Verschuldung betrifft . Aber wir haben uns neue Vorgaben im Rahmen des soge- nannten Six-Pack gesetzt. Dabei geht es auch um die Frage des Leistungsbilan- züberschusses . Wir haben in Deutschland einen Leis- tungsbilanzüberschuss von über 8 Prozent . Wir haben uns dazu verpflichtet, dass er bei maximal 6 Prozent im Dreijahresdurchschnitt liegen soll . Es geht darum, dass wir hier in Deutschland mehr produzieren und verkau- fen und weniger importieren . Auf Dauer geht das nicht gut . Was passiert nämlich, wenn es so weitergeht? Dann geschieht eins: Wir exportieren Waren und bekommen dafür Schuldscheine, und irgendwann platzt die damit verbundene Blase, weil die meisten nicht bezahlen kön- nen . Folglich kommt es zu immer mehr Abschreibungen, und es müssen wieder Banken gerettet werden . So war die Situation ab dem Jahr 2007 . Daher ist es nur klug, sich auch diesem Aspekt zu widmen und ihn nicht auszublenden . Das ist das, was insbesondere US-amerikanische Ökonomen und andere bemängeln. Ich finde, wir sind klug beraten, da auch die Vorschläge der Europäischen Kommission ernst zu neh- men . Das hat ein bisschen etwas mit unseren Ausgaben zu tun . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (C) (D) Carsten Schneider (Erfurt) (A) Welche sind das? Herr Minister Schäuble hat gesagt: Wir haben jetzt eine Priorität – die Flüchtlingshilfefinan- zierung. Das war’s; mehr Neues gibt es nicht. – Nein, dieser Drops ist noch nicht gelutscht . Das gilt insbeson- dere vor dem Hintergrund, dass wir noch einen enormen Bedarf an Infrastrukturinvestitionen haben . Insgesamt erhöhen wir diese Investitionen zwar um 10 Milliarden Euro, erhöhten Investitionsbedarf gibt es aber auch im Bereich Kitaausbau, also bei der Betreuung von Klein- kindern . Hier gibt es einen enormen Nachholbedarf . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Europäische Kommission, der Internationale Währungsfonds, all diese Institutionen schreiben uns ins Stammbuch, dass wir dort mehr machen müssen . Ich bin froh darüber, dass das Verfassungsgericht das Betreuungsgeld gekippt hat . (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Jahre 2018 haben wir zusätzlich 1 Milliarde Euro zur Verfügung . Es ist so, dass es nicht nur in hohem Maße integrativ wirkt, in einer Kita zu sein, die Landessprache zu lernen etc ., sondern der Kitaausbau ist auch ökono- misch klug, weil damit die Frauen- und auch die Männer- erwerbstätigkeit verbessern werden können . Deswegen sollten wir hier nicht so apodiktisch sein und einfach nur sagen: „Die Kommunen bekommen jetzt von uns 3 Mil- liarden Euro, und das war’s“; denn das würde diesem Bereich nicht gerecht . Diese Mittel würden nicht ausrei- (B) chen, um alle damit einhergehenden Kosten zu decken . Eine Kürzung der Mittel in den jeweiligen Kommunen und Ländern für Kitas und anderes, um die Notsituati- on von Flüchtlingen zu lindern, würde deren Akzeptanz nicht fördern . Deswegen sage ich ganz klar: Wir wollen, dass insbesondere die direkten Transfers zugunsten des Ausbaus der Kinderbetreuung in Deutschland verstärkt werden . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vor uns liegen in den nächsten drei Monaten sehr spannende Beratungen, auch vor dem Hintergrund einer eventuellen Einigung über den Länderfinanzausgleich. Ich sehe ihnen trotz der Herausforderung, die vor uns steht, optimistisch entgegen . Wir haben gezeigt: Diese Koalition wird hier handeln . Auch wenn wir das eine oder andere Mal anderer Auffassung sind, werden wir uns im Endeffekt einigen . Ich glaube, dass Deutschland stark genug ist, diese Herausforderung anzunehmen und daraus auch eine Chance für dieses Land zu machen . Vielen Dank . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Kollege Kindler das Wort . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt – das wurde schon gesagt -: Es gibt einen Überschuss 2015 . Kurzfristig scheint es ganz gut auszusehen für den Bundeshaushalt; ich will das hier auch gar nicht kleinreden . Aber ich will einmal die Frage stellen: Woher kommt eigentlich dieser Überschuss? Es gibt historisch niedrige Zinsen, einen stabilen Arbeits- markt, eine gute Konjunktur . Das alles hat eigentlich eher weniger mit dieser Bundesregierung zu tun, eher weniger auch mit der Haushaltspolitik . Das ist keine große Leis- tung, die da erbracht wurde . (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ach so? Wenn es schlecht läuft, hat die Regierung auch keine Schuld, oder?) Deswegen, finde ich, sollte man in dieser Debatte ernsthaft diskutieren, wie es mit der Haushaltspolitik weitergeht . Da sollte man sich nicht feiern . Da wünsche ich mir weniger Selbstlob und mehr Zukunftsorientie- rung, mehr Blick nach vorn . Das wäre angebracht . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Seit fünf Jah- ren die gleichen Worte!) Wenn man in die Zukunft schaut, wenn man sich die nächsten Jahre anschaut und wenn man die Risiken in diesem Haushalt betrachtet, dann sieht man, dass die Re- gierung, ohne etwas gegen Altersarmut zu tun, die Ren- tenkasse geleert hat . Das wird teuer werden . Man sieht, dass die Investitionen weiterhin zu gering sind . Das wird für uns teuer werden . Man sieht, dass es Milliarden- risiken bei den Zinsen gibt . Die Klimakrise wird nicht angegangen; sie verschärft sich weiterhin. Es gibt eine große Spaltung zwischen Arm und Reich in Deutsch- land und in der Welt . Das alles sind große Risiken für diesen Haushalt . Sie werden mit diesem Entwurf leider nicht angegangen . Hier wird leider nur mutlos verwaltet, obwohl man eine so große Mehrheit hat . Eine 80-Pro- zent-Mehrheit verwaltet nur mutlos, statt zu gestalten, statt jetzt wirklich in die Zukunft zu investieren und das anzupacken . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Johannes Kahrs [SPD]: Aber die Opposition stört ja auch nicht!) Auch in der Flüchtlingspolitik sieht man das: keine große Idee, kein großes Konzept, nur Kurzsichtigkeit . Sie haben die letzten Jahre einfach verschlafen . Dabei war schon absehbar, dass viele Flüchtlinge zu uns kom- men, zum Glück, und mit Recht auch hier bleiben wer- den, weil es nämlich viele Kriege und viel Gewalt in der Welt gibt . Diese Kriege werden nicht einfach aus der Welt verschwinden . Deswegen werden auch noch mehr Flüchtlinge kommen . Man hätte Vorsorge treffen müs- sen, weil man schon seit vier Jahren weiß, dass es einen blutigen, schrecklichen Krieg in Syrien gibt . (Johannes Kahrs [SPD]: Ihre Anträge dazu habe ich nie gesehen!) (C) (D) Sven-Christian Kindler (A) Deswegen, finde ich, muss endlich Schluss sein mit den Notoperationen, mit den Einmaleffekten . Jetzt muss es endlich einen großen Wurf geben . Dieses kurzfristige chaotische Krisenmanagement der Bundesregierung bei der Flüchtlingspolitik muss aufhören . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es braucht einen großen Wurf für die menschenwür- dige Aufnahme und auch für die Integration, damit wir nicht die Fehler wiederholen, die wir bei den Gastar- beitern gemacht haben . Das heißt, man muss jetzt im Haushalt die Voraussetzungen dafür schaffen . Bei den Jobcentern, bei Integrationskursen, beim sozialen Woh- nungsbau, bei Bildung und Ausbildung, bei der Integrati- on in die Krankenversicherung darf man nicht kleckern; da muss man jetzt klotzen, da muss man jetzt vernünftig Geld bereitstellen . Das wäre jetzt notwendig, und zwar schnell . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich finde, man darf nicht wieder nur Einmaleffekte bewirken . Man muss jetzt die Kommunen strukturell und dauerhaft entlasten . Wenn man sich das Paket vom Sonntag anguckt, sieht man: Darin stehen 3 Milliarden Euro für 2016, aber nichts ist dauerhaft und strukturell angelegt . Wir wissen doch eigentlich schon jetzt: Das Geld wird nicht ausreichen . Mindestens 5 Milliarden Euro sind zur strukturellen Entlastung notwendig, und die Entlastung muss jetzt schnell kommen und dauerhaft (B) angelegt sein . Ein guter Schritt wäre zum Beispiel die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Integration von Flüchtlingen in das soziale Sicherungssystem . Mit Notoperationen und Einmaleffekten werden die Kommu- nen nicht aus der Krise kommen . Die Kommunen müssen jetzt endlich strukturell und dauerhaft entlastet werden . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Noch einen Satz zum Paket vom Sonntag. Ich finde, es gibt einige gute Punkte; das will ich gar nicht wegreden. Ich finde es auch ausdrücklich richtig, dass die Bundesre- gierung am Wochenende die Flüchtlinge aus Ungarn auf- genommen hat; das war richtig. Aber man muss natürlich auch sehen, dass massive Verschärfungen in dem Paket enthalten sind, dass die Union an vielen Stellen leider wieder ihre berühmte Giftliste durchgedrückt hat . Die SPD ist eingeknickt . In dem Paket stehen verfassungs- widriger Bargeldentzug, Asylrechtseinschränkung durch Festlegung sogenannter sicherer Drittstaaten, Verschär- fungen für Geduldete, Zwangsaufenthalte in Erstaufnah- meeinrichtungen . Wir brauchen jetzt schnelle und unbürokratische Hilfe für Flüchtlinge und Unterstützung für die Kommunen . Diese sollte man aber nicht mit Repressionen und der Abwehr von Flüchtlingen koppeln. Das finde ich unred- lich . Das sollte man nicht machen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Mit diesem Haushalt sollten auch Mittel bereitge- stellt werden, um die Fluchtursachen anzugehen . Es ist richtig, dass die Ausgaben für die Entwicklungszusam- menarbeit steigen . Aber insgesamt bleibt die Quote für Entwicklungszusammenarbeit bei 0,4 Prozent stabil . Sie steigt nicht, wie es eigentlich notwendig wäre . 0,7 Pro- zent wurden schon 1970 versprochen . Das ist 45 Jahre her. Ich finde, jetzt ist endlich die Zeit gekommen, auch international Versprechen einzulösen: beim internationa- len Klimaschutz, bei der Entwicklungszusammenarbeit . Deswegen werden wir Grüne in den Haushaltsberatun- gen einen Aufholplan vorlegen, damit die Versprechen beim Klimaschutz und der Entwicklungszusammenar- beit eingehalten werden können . Das ist jetzt notwendig . Wir müssen die Versprechen einhalten und dürfen sie nicht wieder brechen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Spärlicher Beifall bei den Grünen!) Durch Umschichtungen und Einnahmeverbesserun- gen können wir die Gengenfinanzierung gestalten. Wir müssen dafür sorgen, dass es endlich ein vernünftiges Controlling im Bundeshaushalt gibt . Es kann nicht sein, dass sich Herr Schäuble in zentralen Investitionshaus- halten daran gewöhnt hat, dass es Kostensteigerungen in Milliardenhöhe gibt, beispielsweise im Rüstungsbereich oder bei der Großbaustelle BER oder bei neuen Autobah- nen . Das ist nicht akzeptabel . Wir brauchen Good Go- vernance, gute Regierungsführung, gutes Controlling im Haushalt. Ich finde, Herr Schäuble, hier kann man sich nicht immer wegducken . Hier muss man handeln . Man muss dafür sorgen, dass die Verschwendungen, die Kos- tensteigerungen im Haushalt aufhören . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Auch beim Subventionsabbau kann man viel Geld ein- sparen . Da muss man handeln, da muss man anpacken . Jedes Jahr werden über 52 Milliarden Euro für klima- schädliche Subventionen ausgegeben: im Flugverkehr, bei Dienstwagen, bei Atom, bei Kohle und bei Öl . Hier ist ganz viel zu holen; kurzfristig kann man mindestens 10 Milliarden Euro einsparen . Natürlich weiß ich, dass es anstrengend ist, dass es nervig ist, dass man sich mit Lob- bys anlegen muss . Aber darum geht es im Haushalt . Man muss anpacken, man muss kämpfen, man muss gestalten, man muss umbauen. Ich finde, das ist notwendig. Man sollte nicht wieder mutlos verwalten und ein bisschen Geld verteilen, sondern man sollte Strukturen verändern, damit der Haushalt in Zukunft gut aufgestellt ist . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann hat man auch Geld, um Investitionen zu finan- zieren . Beim Thema Investitionen muss man sagen: null Konzept, null Idee . Obwohl die Ausgaben im Finanzplan bis 2019 auf 333 Milliarden Euro kräftig steigen, sinkt die Investitionsquote . Die Ausgaben verharren nominal bei 30 Milliarden Euro . Das ist ein echtes Zukunftsrisiko für diesen Haushalt . Nachfolgende Generationen werden das teuer bezahlen, wenn die Infrastruktur nicht stimmt, wenn nicht in die Zukunft investiert wird . Das verstößt (C) (D) Sven-Christian Kindler (A) unserer Ansicht nach gegen die Generationengerechtig- keit . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist auch ein Werteverzehr . Wir haben gesehen, dass sich in den letzten 20 Jahren das private Nettover- mögen gerade bei den obersten 10 Prozent auf 10 Billio- nen Euro verdoppelt hat . Das staatliche Nettovermögen ist von 800 Milliarden Euro auf nahezu null geschrumpft . Das muss jetzt gestoppt werden . Deswegen muss man auch haushaltspolitisch handeln . Wir Grüne schlagen deshalb vor, die Schuldenbremse durch eine ehrliche Bi- lanzierung in den zentralen Investitionshaushalten zu er- gänzen . Wir wollen eine Investitionsregel, die klarmacht, dass man nicht weiter öffentliches Vermögen abschmel- zen kann, dass Werte erhalten bleiben, dass im Haushalt gut gewirtschaftet wird, dass wir für die Zukunft vorsor- gen . Darum muss es jetzt gehen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Frage ist: Wie soll diese Gesellschaft in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren aussehen? Was muss man dafür jetzt machen? Wenn man nicht jetzt, in diesen günstigen Zeiten, mit den glücklichen Umständen im Haushalt, wirklich gestaltet, anpackt und Veränderun- gen vorantreibt, dann wird man nachher große Probleme haben . Deswegen darf man nicht nur mutlos verwalten und kurzsichtig agieren, sondern man muss jetzt dafür sorgen, dass man anpackt, in den Haushaltsberatungen für die Zukunft sorgt und Änderungen an dem Entwurf (B) vornimmt . Hier werden wir uns ganz kräftig einbringen . Wir hoffen, dass Sie, wenn Sie selbst keine Idee haben, sich von unseren Ideen inspirieren lassen . Vielen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat der Kollege Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern titelte eine große deutsche Tageszeitung in ihrer On- lineausgabe: Politik im permanenten Ausnahmezustand . Lassen wir einmal die vergangenen sieben Jahre Re- vue passieren: 2008 die Bankenkrise, anschließend die Konjunkturkrise, daran anschließend Haushaltsentwürfe mit einer Verschuldung von 80 Milliarden Euro . Dann ging es weiter mit der großen Euro-Krise: erst Grie- chenland, dann Portugal, dann Irland, dann Spanien und dann Zypern . Dabei wurde uns prophezeit, dass der Euro auseinanderbrechen werde . Dann ging es weiter mit den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine, mit dem Krieg an der dortigen Ostgrenze, der fürchterliches Leid für die Menschen bedeutete . Großes Leid für die Menschen bedeuteten aber auch die Sanktionen . Sie brachten gro- ße Einbußen für die deutsche Wirtschaft, insbesondere für die Landwirtschaft, mit sich . Wir haben das gestern anhand des Protestes gesehen . Dann wiederholte sich die Griechenland-Krise ein zweites und ein drittes Mal . Jetzt sind wir wieder in einem permanenten Ausnahme- zustand, weil viele Menschen vor unseren Türen stehen, die zu uns wollen . Sie möchten an unserer Freiheit, an unserem Rechtsstaat, aber auch an unserem Sozialstaat und an unserem Wohlstand partizipieren . Wenn man das alles betrachtet, kann man sagen: Politik im permanenten Ausnahmezustand . Obwohl wir uns seit sieben Jahren im Ausnahmezu- stand befinden, brummt die Wirtschaft in Deutschland wie nie zuvor . Die Wirtschaftskraft ist groß . Das Wachs- tum ist gut . Wir erzielen hohe Steuereinnahmen . Wir ha- ben vor allen Dingen – und das ist das allerwichtigste – gute Beschäftigungsdaten . Meine Damen und Herren, das alles schlägt sich auch im Haushaltsentwurf 2016 nieder . Das schlägt sich inso- fern nieder, als dass das nicht nur, wie es die Opposition gesagt hat, wie es auch Herr Schneider gesagt hat, dem Zufall äußerer Umstände geschuldet ist . Da Sie mich an- getriggert haben, kann ich es Ihnen und auch dem Kol- legen Kahrs nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass für die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen dieselben günstigen Umstände gelten wie für uns . Auch dort gibt es niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen . Trotzdem schafft sie es nicht, einen ausgeglichenen Haushalt zu er- reichen, (Johannes Kahrs [SPD]: Erbe von Schwarz- Gelb!) wie wir es seit 2014 schaffen . 2014 hatten wir im Haus- haltsvollzug einen ausgeglichenen Haushalt . Wir hatten 2015 einen ausgeglichenen Haushalt . Nach der Planung für 2016 haben wir auch im Jahr 2016 einen ausgegliche- nen Haushalt . Wir haben das geschafft, obwohl – oder vielleicht auch weil – wir die Steuern nicht erhöht und keine neu- en Steuern auf den Weg gebracht haben . Wir haben das geschafft, obwohl und weil – der Bundesfinanzminister hat es erläutert – wir Investitionen auf den Weg gebracht haben, übrigens nicht nur beim Bund mit dem 10-Milli- arden-Euro-Paket, sondern auch bei den Kommunen mit dem 3,5-Milliarden-Euro-Paket, das im kommenden Jahr tatsächlich Wirkung entfalten wird . Wir haben das geschafft – der Bundesfinanzminister hat auch das erläutert –, obwohl und weil wir die Aus- gaben für Bildung und Forschung in einem bisher nie gekannten Ausmaß gesteigert haben . Wir haben das ge- schafft, obwohl und weil wir Steuererleichterungen auf den Weg bringen wollen, wir die kalte Progression an- gehen und den Kinderfreibetrag und das Kindergeld an- heben . Wir haben dies geschafft, obwohl und weil wir keine Kürzungen im Sozialbereich vorgenommen haben . Im Gegenteil: Wir haben Mehrausgaben im Familienbereich und im Bereich der sozialen Sicherungssysteme . Das al- les passt zusammen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (C) (D) Ralph Brinkhaus (A) Nichtsdestotrotz stehen wir vor einer großen Heraus- forderung . Das ist auch in allen Reden zuvor angeklun- gen . Als dieser Bundeshaushaltsentwurf im Frühling und im Sommer dieses Jahres im Bundesfinanzministerium aufgestellt worden ist, konnten wir uns alle nicht vorstel- len, dass Hunderttausende von Menschen und vielleicht über Jahre hinweg Millionen von Menschen zu uns nach Deutschland kommen werden . Deswegen werden diese Haushaltsberatungen sehr schwierige Haushaltsberatungen werden . Es ist jetzt leicht zu sagen, dass wir das lösen, indem wir das auf- geben, was wir erreicht haben, wie zum Beispiel die schwarze Null und die Nichtkürzung in anderen Berei- chen . Das kann aber nicht unser Ziel sein . Unser Ziel muss es sein, diesen Haushalt ausgeglichen hinzubekommen, obwohl wir sehr viele Mittel aufwen- den müssen, um die Menschen, die zu uns kommen, nicht nur zu beherbergen, ihnen nicht nur eine medizinische Versorgung zu bieten, sondern sie auch zu integrieren . Meine Damen und Herren, momentan gibt es bei uns in Deutschland wunderbare Bilder . Menschen stehen mit Luftballons an Bahnhöfen . Die Spendenbereitschaft für Erstaufnahmeeinrichtungen ist groß . Zur Ehrlichkeit ge- hört aber auch, zu sagen, dass das die ersten zehn Meter eines Marathonlaufs sind, und dieser Marathonlauf wird für uns alle verdammt lang und für uns Haushälter eine sehr große Herausforderung werden . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich möchte hier etwas sagen, was Haushälter an die- (B) ser Stelle immer sagen und wozu die Kollegen aus den einzelnen Fachressorts sagen: „Das ist doch irgendwie langweilig“ und „Das ist kalter Kaffee“ . Ich bin jetzt fast versucht, zu sagen: „So wie die sich alljährlich wiederho- lenden Reden vom Kollegen Kindler“; aber das wäre et- was polemisch . Die Geschichte ist folgende – es ist nicht langweilig, was ich jetzt sage; es ist bitterer Ernst -: Wir haben in diesem Haushalt keinen Raum für zusätzliche Wünsche, für gute Ideen und für Dinge, die man immer mal tun wollte . Wir müssen uns wirklich darauf konzent- rieren, die Dinge zu priorisieren . Wichtig ist, dass wir mit den Hunderttausenden von Menschen, die zu uns kom- men, anständig umgehen und sie so integrieren, dass sie vielleicht tatsächlich eine Chance für diese Gesellschaft sind, weil sie dann auch zur Wirtschaftskraft dieses Lan- des beitragen . Deswegen meine dringende Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen – wir Haushälter wissen, wer bei uns vor der Tür steht, wenn es ernst wird und zur Bereinigungssitzung geht -: Wir müssen priorisieren, und Priorisierung heißt, dass wir jetzt die wichtigsten Dinge zuerst machen . Dementsprechend müssen wir den einen oder anderen Wunsch zurückstellen . Meine Damen und Herren, das ist das Tagesgeschäft . Der Kollege Kindler hat zu Recht angesprochen, dass wir über den Tag hinaus denken müssen . Wir müssen uns auch mit den strukturellen Fragen im Haushalt beschäf- tigen . Wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir irgendwann einmal aus diesem Alarm- und Krisenmodus herauskommen, der die letzten sieben Jahre angehalten hat . Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir das aufgrei- fen, was der Bundesfinanzminister gesagt hat: Über 50 Prozent der Mittel des Bundeshaushalts fließen in die So- zialsysteme, der größte Teil davon im Übrigen in die so- zialen Sicherungssysteme . Das wird mehr werden . Dem- jenigen, der wieder eine Idee hat, wie man die Bereiche Rente, Krankenversicherung usw . kostenmäßig aufbla- sen kann, sage ich: Das geht nicht . Wir müssen gucken, dass wir die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfähig machen . Wir müssen sie nachhaltig gestalten . Da gibt es keinen Platz mehr für zusätzliche Wünsche . Wir müssen an dieser Stelle konsolidieren . (Beifall bei der CDU/CSU) Eine weitere Strukturfrage, die wir uns stellen müssen, ist die der Investitionen . Wir haben zu Recht angespro- chen, dass wir ab 2016 ein 10-Milliarden-Paket auf den Weg bringen . Es ist zu Recht angesprochen worden, dass wir die Kommunen unterstützen . Wir erleben als Haus- hälter aber momentan auch eines – die Verkehrspolitiker können das sicherlich bestätigen -: Wir stoßen langsam an die Grenzen, wenn es darum geht, das Geld auszuge- ben . Wenn wir in einigen Bundesländern nicht genügend planfestgestellte Straßenverkehrsprojekte und kein Bau- recht haben, dann können wir dort auch nicht bauen . (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen reicht es nicht, nur Geld zur Verfügung zu stellen . Wir müssen auch die entsprechenden Ressourcen schaffen . Es ist insbesondere Aufgabe der Bundesländer, dass dieses Geld auch verbaut werden und somit nütz- liche Effekte für unsere Volkswirtschaft entfalten kann . Wir müssen uns auch die Tatsache vor Augen halten, dass wir aufgrund der günstigen wirtschaftlichen Situati- on momentan Steuereinnahmen haben wie nie . Es ist aber nicht garantiert, dass dies so bleibt; das ist auch schon mehrfach gesagt worden . Vielleicht hat der eine oder andere aufgrund dessen, was in den letzten Wochen in China passiert ist, eine ungefähre Vorstellung davon ent- wickelt, wie dünn das Eis ist, auf dem unsere Wirtschaft momentan steht . Wir müssen daher Vorsorge treffen . Wir müssen damit rechnen, dass die Steuereinnahmen wieder sinken . Wir müssen auf der anderen Seite aber auch alles dafür tun, dass diese Wirtschaft, die die Steuereinnahmen generiert, funktioniert und dass die Steuereinnahmen, die von Menschen durch ihre Beschäftigung generiert wer- den und die wir dann für viele Zwecke aufwenden, auch erwirtschaftet werden können . Ich würde mir wünschen, Herr Kindler, dass wir in dieser Haushaltsdebatte ein bisschen mehr über das Erwirtschaften unserer Steuer- einnahmen und unseres Wohlstandes und nicht nur über das Ausgeben sprechen . (Beifall bei der CDU/CSU) Der Bundesfinanzminister hat noch ein weiteres Pro- jekt angesprochen; er hat es „Spending Review“ genannt. Es gibt verschiedene andere englische Begriffe dafür, zum Beispiel „More Value for Money“ . Es geht einfach darum – das ist an dieser Stelle auch schon gesagt wor- den –, dass wir aus jedem Euro, den wir im Bundeshaus- halt ausgeben, ein Stückchen mehr herausholen, als das in der Vergangenheit der Fall war . Wenn wir 10 Prozent effektiver bauen und wenn wir die Leistungen, die wir für Langzeitarbeitslose aufwenden, und die Sozialaus- (C) (D) Ralph Brinkhaus (A) gaben mit einem um 10 Prozent höheren Wirkungsgrad einsetzen könnten, dann hätten wir schon sehr viele Pro- bleme gelöst . Deswegen geht es auch darum, dass wir uns in den Haushaltsberatungen nicht nur mit der Quan- tität der Ausgaben, der Menge, den Zahlen beschäftigen, sondern uns auch viel mehr damit beschäftigen, wie wir dieses Geld effizient oder zumindest effektiver ausgeben können . Auch das gehört zur Haushaltspolitik . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Ich schließe und fasse zusammen: Erstens . Wir sind natürlich im Ausnahmezustand, aber ich glaube, wir haben gelernt, damit umzugehen . Zweitens . Der Haus- haltsplan ist gut, es gibt das dritte Mal hintereinander die schwarze Null . Drittens . Das Ziel, die zusätzlichen Belastungen in diesen Haushaltsplan einzubauen, ist sehr ambitioniert . Dabei müssen wir uns alle anstrengen . Viertens . Wir müssen an die Strukturen denken und nicht nur an das Tagesgeschäft . Fünftens – und hier fand ich Ihre Bemerkung, Herr Bundesfinanzminister, sehr wich- tig –: Die Bewältigung dieser momentanen Herausfor- derung im Zusammenhang mit den Flüchtlingen ist die Aufgabe unserer Generation . Wir dürfen sie nicht durch Schulden auf die nächsten Generationen übertragen, weil die nächsten Generationen wieder vor neuen Herausfor- derungen und Aufgaben stehen werden, denen sie sich dann stellen müssen . Das sollte der Maßstab für unsere Haushaltsberatungen sein . Danke schön . (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen wir uns einmal die Herausforderung des Jahres 2015 zurückverlegt in das Jahr 2010 vor, als der Bundes- haushalt mit Schulden in Höhe von 86 Milliarden Euro im Soll war und die Konjunktur sich nur langsam erhol- te . Was wäre gewesen, wenn wir vor der gleichen Her- ausforderung wie heute gestanden hätten? Wir hier im Deutschen Bundestag sind für den Haushalt zuständig . Wir sollten einmal Revue passieren lassen, was in den letzten fünf Jahren passiert ist, und den Blick auf dieses Jahrzehnt werfen . Erste Bemerkung: In dieser Zeit, vereinbart bis 2019 und teilweise schon vollzogen, gab es finanzielle Zu- geständnisse des Bundes an Länder und Kommunen in Höhe von 150 Milliarden Euro . Dabei war die Grundsi- cherung im Alter der größte Brocken . Hinzu kamen die komplette Übernahme des BAföG, der Kitaausbau – der Bundesfinanzminister hat die Summe von 5,4 Milliarden Euro genannt –, der Hochschulpakt usw . Kollege Schneider, ich wäre ein bisschen vorsichtig, ständig das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld zu zitieren . Der Bund ist auch nicht zu- ständig für Kitas und auch nicht für Schulen . Der Bund ist auch nicht zuständig für Hochschulen, liebe Kollegin- nen und Kollegen . (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen uns fragen: Wofür sind wir zuständig, und was tun wir politisch? Stichwort „Steuereinnahmen“: Wir werden in diesem Jahrzehnt gesamtstaatlich rund 224 Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen haben . Davon entfallen auf den Bund rund 97 Milliarden Euro, auf die Länder 92 Milliarden Euro und auf die Kommu- nen etwa 34,4 Milliarden Euro . Eines hat mich wirklich geärgert, Kollege Bartsch, nämlich wenn man sagt, dies sei alles ein Gezerre . Es be- darf doch erst einmal einer Definition dessen, was struk- turell getan werden muss, um das Problem der Flücht- linge und der Asylbewerber in den Griff zu bekommen, und welche finanziellen Mittel in einem ersten Schritt zur Verfügung gestellt werden müssen . Im Gegensatz zu meinem Heimatland Mecklen- burg-Vorpommern, das nicht das strukturstärkste ist, in dem die Kommunen jedoch die Kosten für die Flücht- linge in voller Höhe ersetzt kriegen, und zwar spitz abgerechnet, sagen jetzt schon die ersten Länder, zum Beispiel der Innenminister aus Nordrhein-Westfalen: Das alles ist viel zu wenig . Dort klagen die Kommunen, dass sie auf 70 Prozent der Kosten sitzen bleiben . Dazu kann ich nur sagen: Wenn wir das Thema Flüchtlinge als gesamtstaatliche Aufgabe ansehen, dann muss auch ent- sprechend gehandelt werden . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Ich sage dies auch noch aus einem anderen Grund: Auch das Land Nordrhein-Westfalen – und ich könnte noch andere Länder nennen; das ist jetzt überhaupt nicht mein Thema – (Johannes Kahrs [SPD]: Hessen zum Bei- spiel!) hat in den letzten 18 Monaten 3 Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen gehabt . Im letzten Jahr waren es 1,7 Milliarden Euro, im ersten Halbjahr dieses Jahres wa- ren es 1,3 Milliarden Euro . Daher lautet meine Botschaft an dieser Stelle gerade zu diesem Thema: Wir sollten fair miteinander umgehen . Ein zweiter Punkt – und hier sind wir alle gefordert; ich sage das nicht zum ersten Mal von dieser Stelle aus : Ich finde es richtig, dass sich die Bundesbauministe- rin Gedanken um das Thema „sozialer Wohnungsbau“ macht. Nicht richtig finde ich aber Folgendes: In den Ent- flechtungsmitteln sind 518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung enthalten . Diese Summe steht den Ländern frei zur Verfügung . Gucken Sie sich aber einmal an, welches Bundesland wirklich den kompletten Betrag aus der alten Verwaltungsvereinbarung für den sozialen Wohnungsbau einsetzt . Wir wären miteinander gesamt- staatlich mehrere Meilen weiter, wenn die Länder die (C) (D) Eckhardt Rehberg (A) Mittel wirklich für den Zweck vereinnahmten und an die Kommunen weitergäben, den wir politisch miteinander vereinbart haben . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Deswegen ist es ganz wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir, wenn wir am 24 . September mit den Ländern und Kommunen die Bereitstellung von Mitteln politisch vereinbaren und danach die entsprechenden Dinge im Bundestag umsetzen – struktureller Nachtrags- haushalt und dann Ausfinanzierung im Haushalt 2016 –, wirklich Mechanismen einfügen, die sicherstellen, dass die Mittel für den vereinbarten Zweck vor Ort ankom- men . Ansonsten wird es in einem halben Jahr oder in einem Jahr, auch wenn das Geld auskömmlich zur Ver- fügung steht, über die Parteigrenzen hinweg heißen – wir haben ganz unterschiedliche politische Farben in den Ländern -: Der Bund stellt nicht genug zur Verfügung . – Wir alle miteinander in diesem Deutschen Bundestag haben nichts gekonnt, wenn das Geld für Flüchtlinge und Asylbewerber, das politisch vereinbart worden ist, nicht für den Zweck vor Ort ankommt, den wir miteinan- der vereinbart haben . Dass es dort ankommt, muss eine Grundbedingung für die Verhandlungen am 24 . Septem- ber sein . (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Carsten Schneider (Erfurt) [SPD]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein dritter Punkt ist mir wichtig: Wir werden das umsetzen, was wir miteinan- der politisch vereinbart haben . Kollege Kindler, die Fra- (B) ge im Verkehrsinfrastrukturbereich, bei Schiene, Straße, Wasserstraße und darüber hinaus, wird nicht mehr sein, ob genug Geld zur Verfügung steht; es wird eine Frage der Umsetzung sein . Das heißt, die Bahn wird gefordert sein, der Bund wird bei der Wasserstraße gefordert sein und die Länder werden beim Straßenbau gefordert sein, dass das Geld – auch das Geld, was gerade im Einzelplan 12 steht – auch wirklich ausgegeben wird . Deswegen war es gut und richtig, die Entscheidung zu treffen, die Be- reitstellung der ganzen Verkehrsinfrastrukturmittel über- jährig zu gestalten . Kollege Kindler, Sie sollten mal den neuen Straßen- bauplan lesen . Ich nehme nur mal das Beispiel der A°14, bei dem Sie von Kostensteigerungen reden . Mittlerweile ist ein Drittel der gesamten Kostensteigerungen ökologi- schen Maßnahmen anzulasten: Ausgleichsmaßnahmen, Wildbrücken, Krötentunnel usw . Gucken Sie sich die Kostensteigerungen bei der A 14 an: 30 Prozent basieren auf diesem Bereich . (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn die Gesellschaft das will, dann müssen wir das auch ausfinanzieren. Aber Sie sollten sich nicht hierhin- stellen und dem Bundesfinanzminister vorwerfen, er hät- te an dieser Stelle ein mangelndes Controlling . Das halte ich für unredlich . Sie sagen, wir dächten nicht an die Zukunft . Natürlich denken wir an die Zukunft . Ich will Ihnen nur sagen: Der Familienetat steigt in dieser Legislaturperiode von 6 Mil- liarden auf über 9 Milliarden Euro . Lassen Sie mich noch einige Sätze zu dem Thema sa- gen, weil der Kollege Schneider damit angefangen hat . Lieber Kollege Schneider, ich bin Haushälter, (Bettina Hagedorn [SPD]: Ich auch!) und in den zukünftigen Jahren möchte ich eines nicht er- leben: dass wir beim Elterngeld ständig Geld nachschie- ben. Der Vorwurf, dass der Bundesfinanzminister kein Herz für Kinder hat, trifft nicht . Wir haben allein in den letzten vier Jahren über 1 Milliarde Euro aus dem Ge- samthaushalt für das Elterngeld nachgeschoben . (Bettina Hagedorn [SPD]: Weil so viele Kin- der geboren wurden! Ist doch super!) Meine Priorität ist, dass das Elterngeld vernünftig ausfi- nanziert wird . Wir haben steigende Nominaleinkommen, wir haben verbesserte gesetzliche Leistungen, und des- wegen sollten wir erst mal die Etats ausfinanzieren, ehe wir dann über neue Projekte reden, für die der Bund zu- dem nicht zuständig ist . (Beifall bei der CDU/CSU) Auch der Vorwurf, dass wir für Forschung und Ent- wicklung nicht genug Geld ausgegeben haben, trifft nicht . Seitdem Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, hat sich der Etat des Einzelplanes 30, der Etat für Bildung und Forschung, schlichtweg verdoppelt . Die Renditen fahren wir mittlerweile ein: Wissenschaftler aus der gan- zen Welt kommen nach Deutschland, die Zahl der Pa- tente nimmt zu, und die Forschungs- und Bildungsland- schaft blüht wirklich . Hier hat der Bund – nehmen wir den Hochschulpakt, den Qualitätspakt Lehre, den Pakt für Forschung und Innovation – keine unmittelbare Zu- ständigkeit . Ich will jetzt gar nicht davon reden, was das eine oder andere Land mit den Mitteln aus dem Hoch- schulpakt macht . Aber wenn der Bund hier nicht massiv eingestiegen wäre, dann wären wir im Forschungs- und Bildungsbereich nicht so weit, wie wir heute sind . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mit dem Kollegen Kahrs völlig einer Meinung (Zurufe von der CDU/CSU: Oha! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das bringt Irritationen bei der SPD, nicht bei uns! – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Er hat doch noch nichts gesagt!) - bei dem, was du, lieber Johannes, heute in der Welt hast verlauten lassen -: Wir werden keine neuen Schulden machen . – Das hat nichts mit einem Fetisch zu tun, mit einem Hobby von irgendwem . Keine neuen Schulden – das ist Generationengerechtigkeit, das ist Basis für die Zukunft, für zukünftige Generationen in Deutschland . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) In dieser Hinsicht gab es einen Tabubruch in der Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 . 2009 wurde dann die Schuldenbremse vereinbart . Die sollten wir wirklich ein- halten und nicht nach dem Motto verfahren, das in den vergangenen Jahrzehnten galt: Es ist uns wurschtegal, wie viele Schulden wir aktuell machen, die nachfolgen- (C) (D) Eckhardt Rehberg (A) den Generationen werden sie schon abbezahlen . – Das ist der Tabubruch, den wir begangen haben . Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Flüchtlings- problematik werden lösen können, und zwar ohne neue Steuern und neue Abgaben . Wir dürfen keine neue Steue- rerhöhungsdebatte anfangen . Herr Ramelow fordert jetzt, dass die Einnahmen aus dem Soli, rund 20 Milliarden Euro jährlich, umgewidmet werden sollen . Die Hälfte der Einnahmen aus dem Soli soll in die Bund-Länder-Fi- nanzbeziehungen gesteckt und die andere Hälfte für die Flüchtlinge ausgeben werden, dann sei man bei null . Ich kann dazu nur sagen: Kollege Ramelow, so macht man vielleicht in Thüringen Haushaltspolitik, aber nicht im Deutschen Bundestag . (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf keine Ab- striche bei den vereinbarten politischen Leistungen im Infrastrukturbereich geben . Ich sage auch ganz klar und deutlich: Wir werden die Bürgerinnen und Bürger weiterhin entlasten, vor allem die Familien, Stichworte: Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kinderzuschlag und kalte Progression . Ich glaube, mit dem Dreiklang – keine neu- en Schulden machen trotz der Herausforderungen durch die Flüchtlingsproblematik, politische Zusagen einhalten und Bürger entlasten – sind wir gut aufgestellt . Herzlichen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das (B) glaube ich auch!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke . (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident . – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Ich möchte mich zuerst im Namen meiner Fraktion bei allen Menschen bedanken, die geholfen haben, Flüchtlinge in Deutschland menschenwürdig aufzunehmen . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD und des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben eine Welle der Hilfsbereitschaft der Anständi- gen erlebt von Bürgerinnen und Bürgern, die der Über- zeugung sind, dass man Flüchtlinge wie Menschen be- handeln muss . Da der Name Ramelow fiel, möchte ich ihn hier aus- drücklich loben und hervorheben, dass er als Minister- präsident persönlich auf die Flüchtlinge zugegangen ist und dass er sich persönlich für sie eingesetzt hat. Ich fin- de, das verdient unser aller Hochachtung . (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Sonja Steffen [SPD]) Gleichzeitig haben wir wieder erleben müssen, dass die Zuständigen in der Bundesregierung sehr lange ver- sagt haben . Sie haben die Städte und Gemeinden sehr lange allein gelassen und damit Chaos produziert . Aber Abschreckung funktioniert nicht . Flüchtlinge, die aus Krisengebieten kommen, lassen sich nicht von überfüll- ten Heimen und auch nicht von „Sachleistung statt Geld“ abschrecken . Das sollten Sie endlich zur Kenntnis neh- men . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist gut, dass auf dem Koalitionstreffen vom Wo- chenende 6 Milliarden Euro zusätzlich für die Flücht- lingshilfe versprochen wurden . Allerdings wissen wir, dass damit längst noch nicht alle Probleme gelöst sind . Viele der zuständigen Verwaltungen sind personell hoff- nungslos überfordert . Nur ein Beispiel: Hier in Berlin lässt der zuständige CDU-Senator Hotelgutscheine für Flüchtlinge ausgeben . Die Hotels nehmen aber keine Flüchtlinge mehr auf, weil der Senat über Monate die Rechnungen nicht bezahlt hat . Es fehlte einfach Perso- nal, das die Rechnungen bearbeitet . Das darf so nicht weitergehen . (Beifall bei der LINKEN) Die Kürzungspolitik der vergangenen Jahre hat zu einem drastischen Stellenabbau im Bereich der bürger- nahen Verwaltung geführt . Der öffentliche Dienst ist in vielen Bereichen nicht mehr in der Lage, seine gesetzli- chen Aufgaben zu erfüllen . Dazu kommt noch die Priva- tisierungspolitik in vielen Bereichen . In Krisensituationen wie dieser wird besonders deut- lich, wie falsch es ist, staatliche Aufgaben zu privatisieren und öffentliches Eigentum zu verkaufen . Jetzt müssen für viel Geld Grundstücke gemietet oder zurückgekauft bzw . Dienstleistungen eingekauft werden . Es gibt leider auch einige windige Geschäftemacher, die sich am Elend der Flüchtlinge bereichern wollen . Ich sage ganz deutlich: Es wird Zeit, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben endlich wieder von der öffentlichen Hand übernommen werden . (Beifall bei der LINKEN) Ungeplante Ereignisse sind in dem Haushaltsentwurf, so wie er jetzt vorliegt, nicht vorgesehen . Alles ist auf Kante genäht . Alles wird der schwarzen Null untergeord- net . Das führt in eine Sackgasse . Wir wissen alle, dass die Flüchtlingshilfe nur ein ers- ter kleiner Schritt ist . Die Integration der Menschen in unsere Gesellschaft wird uns mehr abverlangen . Ich sage es ganz deutlich – wir als Linke sind davon überzeugt: Als eines der reichsten Länder Europas können wir diese Aufgabe auch erfüllen . (Beifall bei der LINKEN) Darum schlage ich vor, dass wir ein Integrationskon- junkturprogramm auflegen. Das wäre nämlich für alle gut . Es geht ja nicht nur um fehlende sanitäre Einrich- tungen und Sprachkurse . Wir müssen in Kitas, Schulen, Wohnungen und Krankenhäuser investieren . Mit solch einem Programm könnten Tausende Arbeitsplätze ge- schaffen werden, auch für Langzeitarbeitslose . (C) (D) Dr . Gesine Lötzsch (A) (Beifall bei der LINKEN) Wäre es nicht an der Zeit, dass der Wirtschaftsminister die Unternehmensverbände an den Tisch holt? Am Wo- chenende sagte der Chef von Porsche, Herr Müller, dass die Wirtschaft mehr Verantwortung übernehmen müsse . Ich finde, das klingt nach einem Angebot, und das muss man aufgreifen . Wer in Zukunft Fachkräfte braucht, der muss sich jetzt um Integrationsprogramme kümmern . Man kann nicht alles den Steuerzahlern überlassen . Hier sind auch die Unternehmen gefragt . (Beifall bei der LINKEN) Wäre es nicht an der Zeit, dass sich die Arbeitsminis- terin dafür einsetzt, dass Flüchtlinge, wie es in Schweden der Fall ist, ab dem ersten Tag arbeiten dürfen und nicht drei Monate warten müssen? (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich könnte hier für jeden Minister eine sinnvolle Auf- gabe im Rahmen eines solchen Integrationskonjunk- turprogramms nennen . Ich setze mich dafür ein, dass wir während der Haushaltsberatungen die finanziellen Grundlagen für ein solches sinnvolles Programm schaf- fen . Meine Damen und Herren aus der Koalition: Sie wol- len doch keinen Nach-mir-die-Sintflut-Haushalt, kein Testament vorlegen . Wir müssen jetzt an einem Zu- kunftspaket arbeiten . Die Linke ist dazu bereit . (B) Vielen Dank . (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss (We- sel I) [CDU/CSU]: Gott sei Dank geht das auch ohne euch!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Johannes Kahrs ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in den letzten Tagen in Hamburg Er- staunliches erlebt – viele werden das bei sich zu Hause auch erlebt haben : Gute Freunde von mir haben sich eine Woche Urlaub genommen, sind in die Messehallen ge- gangen und haben geholfen . Es gibt lange Schlangen von Menschen, die sich freiwillig melden . Andere haben ihre Kleiderschränke ausgeräumt . Wenn große Teile der Bevölkerung nicht nur reden, sondern auch tun, dann ist es gut, dass die Bundesregie- rung, Frau Merkel, Sigmar Gabriel und all die anderen, am Wochenende Beschlüsse gefasst haben, von denen wir alle gehofft haben, dass sie kommen . Das ist eine Ansage: 6 Milliarden Euro sind auch in einem Bundes- haushalt viel Geld . Wenn man sich anschaut, dass auch 3 000 neue Stellen für die Bundespolizei, Stellen für das BAMF und 10 000 Stellen für den Bundesfreiwilligen- dienst, für die Bufdis, vorgesehen sind, dann erkennt man, dass Bevölkerung, Regierung, die Parteien, dass alle an einem Strang ziehen . Ich glaube, dass das wichtig ist . Der Kollege Brinkhaus hatte recht, als er gesagt hat: Das ist jetzt kein kurzer Sprint, sondern das sind die ers- ten Schritte bei einem Marathon, und der wird dauern . Deswegen ist es wichtig, dass wir hier einen Haus- halt vorlegen, mit dem nicht nur für das kommende Jahr die Weichen gestellt werden, sondern auch langfristig . Schauen wir uns an, was das für die Bundespolizei be- deutet: Die ersten Polizisten, die über dieses Programm eingestellt werden, stehen nach ihrer Ausbildung, also in drei Jahren, zur Verfügung . Das heißt, in der Zwischen- zeit muss man Arbeiter einstellen, die einfache Arbeiten übernehmen, für die man nicht lange ausgebildet wer- den muss . Man wird Kompromisse machen müssen . Wir werden an Regelwerke herangehen müssen . Auch beim Bauen und in anderen Bereichen müssen wir schauen, wie wir das hinbekommen . Die deutsche Gesellschaft ist sehr gut organisiert, einen Hauch überbürokratisiert und manchmal auch ein bisschen behäbig . Ich glaube, dieser Aufbruch, dieser Schwung muss alle erfassen und darf nicht an Verwaltungsvorschriften, an Bürokratie zer- schellen . Man muss gemeinsam etwas tun . Es ist wichtig, dass auch wir Abgeordnete unseren Teil dazutun . Wir Haushälter sind ja manchmal nicht nah an den Inhalten . Wir fragen immer erst einmal: Was soll das kosten? Die Kollegen kriegen deswegen oft die Krise, wenn wir um die Ecke kommen . Und dann fragen wir auch noch: Wer soll das bezahlen? Das macht es nicht besser . Ich glaube, in dieser Situation muss man die Ver- hältnisse umdrehen . Man muss fragen: Was ist notwen- dig? Und dann muss man das tun . Bezahlt bekommen wir das schon . Ich glaube, das ist die Einstellung der Bun- desregierung, die diesen Haushaltsentwurf vorgelegt hat . Mit den Überschüssen, die in diesem Jahr erzielt werden, wird hoffentlich Vorsorge dafür getroffen, dass wir im nächsten Jahr alles bezahlen können . Ich glaube, das ist die eine wichtige Botschaft, die aus dieser Debatte her- ausgehen muss . Eine andere Botschaft muss aber sein, dass wir trotz all dieser Anstrengungen für Flüchtlinge die Aufgaben, die wir sonst in diesem Land haben, auf jeden Fall weiter erledigen, dass wir nicht eine Gruppe gegen eine andere ausspielen, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sondern weiterhin helfen, weiterhin investieren und wei- ter unsere normalen Hausaufgaben machen, damit dieser Staat weiter funktioniert und so erfolgreich bleibt . Herr Schäuble hat es ja gesagt . Er hat aufgezeigt, wie es um die Haushaltslage in Deutschland bestellt ist . Das liegt eben daran, dass wir – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern – vor vielen Jahren un- sere Hausaufgaben gemacht haben . Ich hatte die große Freude, seit 1998 dabei zu sein . Gerhard Schröder und Rot-Grün haben die Grundlagen geschaffen . Wir haben zurzeit Wirtschaftswachstum . Wir haben niedrige Zin- sen . Wir haben Steuermehreinnahmen . Wir haben mehr Menschen in Arbeit . Deutschland sieht gut aus . Das ist aber auch die Voraussetzung dafür, dass wir helfen kön- (C) (D) Johannes Kahrs (A) nen . Helfen kann man nur, wenn es einem gut geht, wenn man in der Lage dazu ist . Wir sind dazu in der Lage . Des- wegen tun wir das . Wir dürfen aber alles andere nicht vergessen . Man möge mir verzeihen, wenn ich die eine oder an- dere Anmerkung zu dem mache, was weiterhin diskutiert worden ist . Ich hätte mich gefreut, wenn am Wochenende auch die Bereitstellung von 500 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau beschlossen worden wäre . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, dass das gerade in den Großstädten, in den Ballungszentren – bei mir in Hamburg oder anderswo – wichtig sein wird, wenn die Flüchtlinge, die irgendwann die Einrichtungen verlassen und Wohnungen suchen, auf die Einwohner treffen, die auch Wohnungen suchen . Da darf es nicht zu einem Wettbewerb, zu einem Gegenei- nander kommen, sondern man muss gucken, dass man das entzerrt . (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Harald Petzold (Havelland) [DIE LIN- KE]) Ich glaube weiterhin, dass wir das Geld, das wir über das Betreuungsgeld freibekommen haben, in die Verbes- serung der Qualität von Kitas investieren sollten . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE (B) GRÜNEN) Da muss man den Kommunen jetzt unter die Arme grei- fen . Dieser Kitastreik muss beendet werden . Das können viele Eltern nicht mehr ab . Ein Kompromiss kann sein, dass man in Qualitätsverbesserung investiert, in kleine Gruppen . Ich glaube, da das Geld ja für Familien vor- gesehen war, ist es keine Mehrausgabe; vielmehr wird es umgeschichtet und dem Zweck zugeführt . Das sollen die Bundesländer dann individuell für sich entscheiden . Aber ich würde es zumindest für wichtig halten . Wenn wir uns den Bereich Flüchtlinge angucken, dann ist es so, dass wir nicht nur im Wohnungsbau etwas tun müssen, sondern insbesondere für die Integration ar- beiten müssen . Da ist es mir jedenfalls sehr wichtig, dass man viel Geld in Sprachkurse investiert . (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Dr . Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]) Ich habe es erlebt: Wer in Deutschland kein Deutsch spricht, der hat Probleme, eine Ausbildung zu machen, zu studieren und zu arbeiten . Ich glaube, dass hierfür die Beseitigung der strukturellen Unterfinanzierung bei den C1-Sprachkursen, die seit längerem vorhanden ist und die wir auch durch den Nachtragshaushalt nicht ganz haben beheben können, wichtig ist . Akademiker, Ärzte und andere Fachleute, etwa Ingenieure, müssen Deutsch können . Nur wenn sie Deutsch können, können sie arbei- ten . Deswegen war es gut, dass wir im Nachtragshaushalt Geld für C1-Sprachkurse zur Verfügung gestellt haben . Nur ist das Geld schon wieder alle . Die Nachfrage ist un- endlich groß . Es sollte uns freuen, dass die Nachfrage so groß ist; denn das ist etwas, mit dem wir auch für uns selber etwas tun, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg . Dr . Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) weil Menschen, die hier arbeiten, sich besser integrieren . Das ist auch für uns alle am Ende gut . Wenn wir uns das alles angucken, glaube ich, dass dieser Haushalt mit all dem, was vorliegt, viele wirk- lich gute Akzente setzt . Ich glaube, dass es gut ist, dass wir mehr Geld für das BMZ ausgeben . Ich glaube aber auch, dass die Gelder, die über das hinausgehen, was in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen war – das sind bei 880 Millionen Euro mehr immerhin 560 Milli- onen Euro –, in den Ländern eingesetzt werden sollten, aus denen die Flüchtlinge kommen, oder in den Nach- barländern, um denjenigen zu helfen, die vor Ort bleiben wollen, damit diese da eine Zukunft haben . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen glaube ich, muss man auch beim BMZ um- schichten . Da muss man Schwerpunkte setzen . Da kann man nicht business as usual machen, sondern da muss auch der Minister Müller – er hat das ja angekündigt – Mittel konzentrieren, und da muss man dann auch helfen . Ich bin sicher, wir kriegen das im Haushaltsausschuss gemeinsam hin . Dann, glaube ich, werden wir alle auch eine gute Chance bekommen . Zum Schluss möchte ich auf jeden Fall noch einmal dem Kollegen Rehberg danken, nicht nur für die gute Zu- sammenarbeit, sondern auch für das, was er eben gesagt hat: Wir werden auf der einen Seite, was die Flüchtlinge angeht, alles Notwendige tun . Ich hoffe auch, dass es bei den Ländern nicht länger dieses ewige Hin und Her gibt . Die einen haben ja schon über NRW geredet . Ich könnte jetzt lange über Herrn Bouffier reden, der schon gesagt hat, dass das, was der Bund macht, nicht reicht . Alles Kindergarten! Ich glaube, wir werden es gemeinschaft- lich hinbekommen, das Geld zur Verfügung zu stellen . Gleichzeitig müssen wir aber auch unseren normalen Betrieb, also das, was wir sonst machen, hinbekommen . An dieser Stelle kann man vielleicht einfach einmal er- wähnen, dass es Dinge gibt, die wir zugesagt haben . Das Bundesteilhabegesetz ist eines davon . (Beifall bei der SPD) Die Kollegin Nahles ist damit befasst . Es wird gerade an einem Gesetzentwurf gearbeitet . Das Bundesteilhabe- gesetz ist für Behinderte wichtig . Dieses Vorhaben darf jetzt nicht, weil wir andere Schwerpunkte haben, den Bach runtergehen, sondern muss energisch fortgeführt werden . Auch das wird nicht umsonst sein . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der nächste Punkt – da hat der Kollege Rehberg mich richtig zitiert und natürlich auch recht – ist: Generatio- nengerechtigkeit bedeutet, dass wir diesen Haushalt so aufstellen, dass wir keine neuen Schulden machen . Wir (C) (D) Johannes Kahrs (A) Sozialdemokraten haben in der letzten Großen Koali- tion mit der CDU die Einführung der Schuldenbremse durchgesetzt . Wir waren und sind in der Lage, sie in 2014 und 2015 einzuhalten . Ich bin mir sicher, dass wir das auch in 2016 und in den folgenden Jahren hinbekommen . Ich glaube, dass das auch das Markenzeichen von Herrn Schäuble in dieser Großen Koalition ist: keine neuen Schulden . Daran soll man uns messen . Vielen Dank . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Mit Harmo- nie! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: CDU/ CSU: Ich bin überrascht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen hat der Kollege Tobias Lindner das Wort . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überraschung der Kollegen der Unionsfraktion über die Betonung der Harmonie seitens des Kollegen Kahrs will ich direkt aufgreifen. Lieber Johannes, wenn du Volker Bouffier zitierst und darauf hinweist, dass er gesagt hat, dass das, was am Sonntagabend beschlossen wurde, nicht reicht, dann will ich nur entgegenhalten: Hannelore Kraft sagt das auch. Wenn sich Volker Bouffier, Hannelore Kraft und Winfried Kretschmann in diesem Land einig sind, (B) dann mag da ein wahrer Kern drin sein . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will nicht in Abrede stellen, dass 6 Milliarden Euro nicht nichts sind . Darum geht es nicht . Es geht auch nicht um Überbietungswettbewerbe, was die Zahlen betrifft . Was am Sonntagabend an Finanziellem beschlossen wur- de – daran haben wir viel zu kritisieren; Kollege Kindler ist darauf eingegangen –, war zwingend notwendig, aber wenn Sie mich dazu befragen, sage auch ich, dass es bei weitem nicht ausreichend ist . Wir brauchen am 24 . Sep- tember Fortschritte . Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir ste- hen, liegen die Mühen der Ebenen erst noch vor uns . Im Moment leisten wir Nothilfe . Wenn wir über die Mühen der Ebenen reden, wenn wir über das reden, was mittel- fristig und langfristig notwendig sein wird – die Stich- worte sind hier genannt worden –, dann braucht es nicht nur die richtigen Konzepte, sondern auch eine Versteti- gung der Mittel, dann braucht es Verbindlichkeiten der Haushaltsplanung des Bundes und mehr als einzelne Pa- kete zur Entlastung der Kommunen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) dann braucht es endlich auch einen fairen und vernünf- tigen Durchbruch bei den Bund-Länder-Finanzbeziehun- gen und eine dauerhaft auskömmliche Ausstattung der Kommunen . All dies ist angesichts der Herausforderun- gen, vor denen wir in diesem Land stehen, notwendig . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es war ja für Haushaltsberatungen bisher eine span- nende Debatte . Sie war deshalb spannend, weil Sie, Herr Schneider und Herr Schäuble, sich vielfach über die Po- litik von Notenbanken ausgetauscht haben und eher we- niger zum Haushaltsentwurf gesagt haben . Überraschend war auch, Herr Minister, dass Sie auf John Maynard Keynes eingegangen sind . Ja, als Wirtschaftswissenschaftler habe ich Keynes gelesen . Ich teile vieles von dem, was er sagt, aber bei weitem nicht alles . Wenn Sie weitergelesen hätten, dann hätten Sie gemerkt, dass er nicht nur Aus- sagen zur Staatsverschuldung macht, sondern auch zu der Frage, wie man strukturell und wirtschaftspolitisch mit einem Staatshaushalt umgeht . Wenn Sie auf Keynes hören würden, dann würde er Ihnen raten, gerade in die- sen Zeiten, in denen wir Mehreinnahmen haben, gerade in diesen Zeiten, in denen Staatsverschuldung nicht das Restringierende ist, in denen wir am Ende kein Problem mit dem Summenstrich haben, auch einmal den Haushalt durchzukehren, saubere strukturelle Weichenstellungen zu treffen und an einzelnen Punkten auch zu sagen: Hier können Mittel gekürzt werden, hier kann Geld umge- schichtet werden, und hier braucht es mehr Geld . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was haben die Rednerinnen und Redner der Koaliti- on stattdessen gemacht? Sie haben vor allem zurückge- blickt, sich gefeiert und sich gelobt . (Johannes Kahrs [SPD]: Weil wir gut sind!) Ich glaube, Sie können die schwarze Null immer noch nicht ganz begreifen und verkraften . Aber, um ehrlich zu sein, Sie müssen nach vorne blicken . Ja, es ist rich- tig, lieber Eckhardt Rehberg, dass die Ausgaben im Bil- dungsbereich gestiegen sind . Aber gucken wir doch – wir leben in Zeiten der Globalisierung – einmal auf andere Länder auf diesem Planeten, die schon längst begriffen haben, dass Bildung, Ausbildung, Qualifikation, Wissen und Forschung der Rohstoff der Zukunft sein werden . Es reicht eben nicht, nach hinten zu blicken und sich auf die Schulter zu klopfen, liebe Kolleginnen und Kollegen . Sie müssen nach vorne blicken und überlegen, wie wir hier noch mehr Anstrengungen unternehmen können . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Noch mehr? Das ertrage ich nicht!) Ich habe Ihnen zum Abschluss etwas mitgebracht . (Der Redner hält ein Bild hoch) Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an dieses Bild erinnern . (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Oh ja! Schö- nes Bild! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Guckt mal, ich bin ganz hübsch getroffen!) Das ist die Arbeitsgruppe der CDU/CSU vor einer gro- ßen schwarzen Null – so groß, dass der Kollege Körber fast dahinter verschwunden ist . (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist Kreativität!) (C) (D) Dr . Tobias Lindner (A) Da haben Sie sich im letzten Jahr gefeiert . (Sabine Weiss (Wesel I) [CDU/CSU]: Zu Recht gefeiert!) Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass im Vorfeld die- ser Haushaltsberatungen viele in ihrem Büro saßen, diese pappschwarze Null angeblickt, die Füße auf den Tisch gelegt und gedacht haben: Na ja, es ist ja vieles gut . (Sabine Weiss (Wesel I) [CDU/CSU]: Wer macht denn hier die Füße auf den Tisch? Also, wir nicht!) Ich kann Sie nur zu einem auffordern: Packen Sie dieses schwarze Pappteil in Ihren Schrank, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ach, Sie sind doch nur ein bisschen neidisch! Sie möchten wohl auch mal so ein Foto machen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) nehmen Sie sich den Haushaltsentwurf vor, und gucken Sie sich die Vorschläge an, die wir machen werden, um diesen Entwurf wirklich zukunftsfähig und in Anbetracht der Herausforderungen, die vor uns liegen, angemessen zu gestalten . Herzlichen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Als Nächstes erhält der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion, das Wort . (B) (Beifall bei der CDU/CSU) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr . Lindner, wir können Sie ja das nächs- te Mal einladen und Sie mit auf das Bild nehmen . (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vielleicht strahlen Sie dann genauso gut und machen einen genauso guten Eindruck . (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Johannes Kahrs [SPD] – Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, danke! Ich strahle auf anderen Bildern!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich werden diese Haushaltsdebatte und die anstehende Haus- haltsberatung in besonderer Weise vor dem Hintergrund der Bewältigung der Flüchtlingszahlen und der Asylpro- blematik stattfinden. Es ist ja heute schon fast alles Wich- tige gesagt worden . Aber, Kollege Dr . Lindner, wenn Sie jetzt Frau Kraft, Herrn Bouffier und Herrn Kretschmann anführen und darauf verweisen, dass die alle meinen, das, was wir tun, würde nicht reichen, dann sage ich nur: Ich glaube, die Koalition hat am Sonntagabend einen wirk- lich wegweisenden Beschluss gefasst und eine Basis ge- legt, auf der man gut arbeiten kann . Jetzt sollte man nicht wieder als Erstes herumkritisieren und herummäkeln, sondern man sollte jetzt gemeinsam die Ärmel aufkrem- peln und das tun, was viele Menschen in diesem Lande tun: die Probleme gemeinsam angehen . Ich bin über- zeugt, dann wird das gelingen . Sollten irgendwann wei- tere Maßnahmen erforderlich werden – keiner von uns kann im Moment sagen, wie sich die Entwicklung im nächsten und übernächsten Jahr darstellen wird –, dann werden wir wieder gesamtstaatliche Antworten geben . Aber jetzt sollte mit diesem Klein-Klein Schluss gemacht werden . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/ CSU]: Sehr ehrliche Worte!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will ein paar andere Aspekte ansprechen . Vor wenigen Tagen ist von europäischer Seite bzw . von einem Repräsentanten eines anderen europäischen Landes kritisiert worden, Deutschland würde die strukturellen Probleme, die Haus- haltsprobleme und die Wirtschaftsprobleme in Europa zu sehr mit der Mentalität eines Buchhalters angehen . Das sollte natürlich eine Kritik sein . Ich sage: Das ist eher ein Lob . Als Kaufmann weiß man: Wenn die Buchhaltung nicht in Ordnung ist, dann ist der ganze Betrieb nicht in Ordnung, und das Ende ist absehbar . (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Aber es kommt auch auf die Mentalität dahinter an!) Wir glauben, dass ordentliche Haushalts- und Finanz- politik die Grundvoraussetzung dafür ist, dass es uns in Deutschland und uns in Europa gut geht und gut gehen kann . Herr Kindler hat gesagt, wir würden nur ideenlos ver- walten . (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es ja leider auch!) Nein, nein! Das Geld muss gut verwaltet werden . (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das reicht eben nicht! Man muss es auch gut anlegen!) Es ist das Geld der Steuerzahler, das wir treuhänderisch verwalten . Nur ein sparsamer Umgang mit den Finan- zen, ein sparsamer Umgang mit Geld hat uns auch in der Vergangenheit ermöglicht, die Spielräume zu schaffen, die wir brauchen, um Zukunftsinvestitionen zu tätigen – dazu ist bereits viel gesagt worden – und die soziale Si- cherung zu gewährleisten . Eine solide Haushaltspolitik und die notwendigen Reformen – auch davon wurde be- reits gesprochen – sind die Grundlage des Erfolgs . Diese Politik ist richtig . Sie gilt für Deutschland, sie gilt aber auch in Europa . Auch die Länder, die Krisen zu bewälti- gen hatten, beweisen, dass dieser Weg ein Erfolgsweg ist . Schauen Sie nach Irland, nach Portugal und nach Spani- en! Es wäre auch gut gewesen, Griechenland hätte diesen Weg konsequent fortgesetzt . Wir hoffen, dass dieser Kurs dort wieder eingeschlagen wird . Deutschland ist nicht Buchhalter in einem engstirni- gen Sinne, sondern Deutschland ist für Europa Ideenge- ber, Ratgeber, Impulsgeber, in vielen Fällen Motor und gelegentlich auch Lastesel . Unser Wohlstand hängt aber ganz wesentlich davon ab, dass Europa zusammenhält, hängt von der Stabilität und dem Zusammenhalt in Eu- (C) (D) Bartholomäus Kalb (A) ropa ab, und damit meine ich nicht nur den Euro im en- geren Sinne . Wenn wir uns die aktuelle Entwicklung vor Augen führen – die Flüchtlingsproblematik, eine neue politi- sche Entwicklung in der Türkei, die Ukraine-Krise, die Vorgänge in Asien, insbesondere auch die wirtschaftliche Entwicklung in China und anderen Teilen dort, einige Wolken, die am Horizont der Weltwirtschaft aufziehen, und die anderen bekannten Krisenherde –, dann sehen wir, dass Europa gut beraten ist, jetzt enger und fester zu- sammenzurücken und nicht der Versuchung zu erliegen, die Dinge auseinanderdriften zu lassen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deutschland hat eine Führungsverantwortung . Es ist das stärkste Land in Europa . Diese Führungsverantwor- tung wird von unserer Bundesregierung in ausgezeichne- ter Weise wahrgenommen, und wir müssen dieser Ver- antwortung natürlich auch gerecht werden . Deutschland steht gut da; das ist sogar von Oppositi- onsrednern zum Teil bestätigt worden . Im Moment ha- ben wir 42,8 Millionen Erwerbstätige – ein Spitzenwert in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland . Auch bei den sogenannten sozialversicherungspflichtigen Be- schäftigungsverhältnissen haben wir einen Spitzenwert erreicht . Ich denke, das kann sich sehen lassen . Weil aus ehemaligen Unterstützungsempfängern Beitragszahler geworden sind, können unsere sozialen Sicherungssys- teme finanziell gut dastehen, und sind die Steuereinnah- men bei Bund, Ländern und Gemeinden gut . Wir müssen (B) Wert darauf legen, dass diese Entwicklung nachhaltig ist und auf Dauerhaftigkeit angelegt ist . Wenn gelegentlich kritisiert wird, wir würden zu wenig für Soziales tun, muss darauf hingewiesen wer- den, dass der Bund mit 158 Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von 312 Milliarden Euro mehr als die Hälfte für Soziales ausgibt . Ich glaube, damit unterstrei- chen wir, dass wir auch ein Sozialstaat sind und dass wir wissen, wo die Menschen draußen im Lande der Schuh drückt und was die Nöte und Sorgen der Menschen sind . Wir müssen haushaltspolitisch aber auch Vorsorge treffen . Wir dürfen nicht glauben, dass wir großzügig werden und leichtfertig Geld einsetzen können, wenn wir eine gute Einnahmesituation haben . Wir wissen, dass die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die Einnah- mesituation der öffentlichen Kassen in Zyklen verlaufen . Deswegen müssen wir natürlich in besonderer Weise sparsam mit dem Geld umgehen und haushalten . Diese Aufgaben haben wir auch unabhängig von den aktuellen Herausforderungen im Hinblick auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise aufgrund unserer Verantwortung gegen- über den jungen Menschen – Stichwort: demografische Entwicklung . Das gebietet es geradezu, dass wir für die laufende Finanzierung keine Schulden aufnehmen, son- dern ausgeglichene Haushalte haben, mit dem Geld, das wir einnehmen, also auskommen . Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass es uns bei den anstehenden Be- ratungen trotz aller zusätzlichen Herausforderungen und Anforderungen – 6 Milliarden Euro sind keine Kleinig- keit – gelingen wird, auch für das Jahr 2016 einen ausge- glichenen Bundeshaushalt vorzulegen . Herzlichen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Lothar Binding . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben von den Kollegen des Haushaltsausschusses schon sehr viel ge- hört . Sie sind für die Ausgaben im Staat zuständig . Des- halb ist das auch so eine dicke Drucksache . Ich bin im Finanzausschuss . Wir im Finanzausschuss kümmern uns um die Einnahmen . Diese machen in der Drucksache zum Haushalt nur ganz wenige Seiten aus . Darin steht, wie viele Steuern wir einnehmen . Immerhin nehmen wir 312 Milliarden Euro im Bund und 640 Milliarden Euro im Gesamtstaat ein . Die Ein- nahmen des Staates setzen sich aus denen des Bundes, der Länder, der Kommunen, also aller Städte, und der Sozialkassen zusammen . Ich möchte hier nun denen dan- ken, die das alles zahlen . Das sind nämlich unsere Bürger . (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gute Idee!) Egal wie viel und wen wir jetzt auch immer kritisieren: Die Bürger, die das gezahlt haben, haben sich wirklich angestrengt, das Gemeinwesen zu unterstützen . Das ist eine große Leistung . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Minister Schäuble hat gesagt: Die Inlandsnachfra- ge ist eine der Hauptursachen dafür, dass der Haushalt gut dasteht . – Das stimmt . Er erklärte außerdem: Die Inlandsnachfrage gründet auf Vertrauen . – Auch das stimmt . Carsten Schneider hat angeführt, dass es nicht nur das Vertrauen ist, und auf die günstigen Energiekos- ten verwiesen, auf die gegenwärtigen Wachstumsimpul- se, auf die Beschäftigung, auf die Reallohnentwicklung und ihre Auswirkungen auf die Binnennachfrage, auf die Zinslage – für die Geldversorgung –, auf den Wechsel- kurs – zur Stärkung des Exports –, aber in diesem Zu- sammenhang auch auf die immensen Zinsersparnisse in unserem Haushalt . Wenn wir all die Effekte dieser günstigen Bedingun- gen herausrechnen, dann wissen wir: Steuerpolitik könn- te noch einmal wichtig werden; denn zukunftsfähig ist der Haushalt ja nur, wenn die Struktur der Einnahmen und die Einnahmen auch dann tragen, wenn wir diese Ef- fekte nicht mehr haben . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Warum macht ihr dann keine Steu- erpolitik? – Sven-Christian Kindler [BÜND- (C) (D) Lothar Binding (Heidelberg) (A) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht ihr in der Steuerpolitik denn?) Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit des Haushalts . Deshalb stelle ich mit Blick auf die 640 Milliarden Euro, die ich erwähnt habe und die auch Sie, unsere Gäste auf der Tribüne, zahlen, zunächst einmal fest, dass wir ein gutes Steuersystem ha- ben. Unser Steuersystem ist manchmal recht komplex; das stimmt . Das liegt daran, dass wir alles sehr genau machen und unsere Bürger in komplexen Verhältnissen leben . Aber wir haben einen sehr guten Vollzug . Ich spre- che jetzt von unseren Finanzbeamten . In unseren Ämtern arbeiten sehr gute Leute, die es offensichtlich schaffen, 600 Milliarden Euro von motivierten Bürgern einzuneh- men . (Beifall der Abg . Margaret Horb [CDU/ CSU]) - Die Kollegin Finanzbeamtin klatscht, und zwar ver- dient . – Warum erwähne ich all das? Der Grund dafür ist: Wer unser Land mit dem benachbarten Ausland ver- gleicht, der weiß die Arbeit unserer Beamten sehr zu schätzen . Deshalb will ich unseren Finanzbeamten aus- drücklich danken . (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das darf man auch!) Allerdings möchte ich jetzt eine politische Aussage machen – jetzt komme ich vielleicht zu kleinen Disso- nanzen zwischen der CDU/CSU und uns –: (B) (Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur ganz kleine!) Man muss natürlich die Steuereinnahmen, die man haben kann, auch haben wollen . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es ist schon toll, wenn man die Möglichkeiten, die man hat, tatsächlich nutzt . Damit das nicht nur an der CDU/ CSU hängen bleibt, will ich von dem Sonderermittler- ausschuss TAXE zu staatlich organisiertem Steuerdum- ping in der EU erzählen . Die Kollegen im Europäischen Parlament haben dazu einen Abschlussbericht vorgelegt . Da kann man sehen, dass staatlich organisierte Steuervermeidung kein Verse- hen war, sondern ein Geschäftsmodell; das steht explizit in diesem Bericht . Das ist kein Einzelfall, sondern das ist die Regel . Dabei ist das Unrechtsbewusstsein übrigens nur sehr mager entwickelt . Daran könnte man sicherlich noch etwas arbeiten . In diesem Abschlussbericht wird gefordert, effektive Regeln gegen solche Auswüchse, so Peter Simon, einzuführen . Also, wir brauchen in Europa einen effektiven Rechtsrah- men, mit dem diese Gestaltungsmöglichkeiten, die von Staaten bewusst eingerichtet wurden, beendet werden . Was passiert eigentlich, wenn das kurzfristige Interesse einzelner Staaten, nur marginale, also lächerlich nied- rige, Steuern zu erheben, mit dem Interesse bestimmter Unternehmen, keine oder geringe Steuern zu zahlen, zu- sammenfällt? Dann werden die Privaten immer reicher und die Staaten, also die Gesellschaften, immer ärmer . Wenn das noch eine Weile so geht, dann können wir al- les das, was wir Sozialstaat, soziale Marktwirtschaft und Infrastruktur nennen, vergessen, weil dann die Grundlage unseres Systems in der Praxis zusammenbricht. Das will natürlich keiner . Deshalb muss man sich schon noch Ge- danken machen . Wir haben ein paar Vorschläge gemacht . Ich will ei- nen nennen: Wir wollen in Europa eine einheitliche Bemessungsgrundlage; denn im Moment vergleichen wir immer auf diese Weise: In Irland werden 12,5 Pro- zent Körperschaftsteuer gezahlt, in Deutschland sind es 15 Prozent . Da denkt jeder, bei uns ist sie höher und bei denen niedriger . Aber keiner weiß, ob es vergleichbar ist, weil keiner weiß, worauf die Steuer bezahlt wird . Denn die Bemessungsgrundlage ist sehr unterschiedlich und nicht vergleichbar . Es gibt einen zweiten Vorschlag, ein Zauberwort, nämlich Transparenz: Wer zahlt wo unter welchen Be- dingungen wie viel Steuern in welchem Land? Wenn wir das genau wüssten, dann könnten wir eine noch bessere Politik machen bzw . unsere Steuerpolitik daran orientie- ren . (Beifall bei der SPD) Ich habe jetzt viel gelobt und auch ein bisschen geta- delt . Da, wo Tricks angewendet werden, haben wir eine Riesenherausforderung . Und zwar besteht diese in der Gewährleistung einer gewissen Gerechtigkeit . Wir sagen: Die Steuerlast – das, was der Bürger zahlt – soll nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen werden . Jetzt merken wir plötzlich, dass da gewisse Dinge nicht stimmen . Schauen Sie sich einmal das Durchschnittsein- kommen an . Es beträgt im Land 30 000 Euro im Jahr . Viele Rentnerinnen und Rentner haben sehr, sehr, sehr viel weniger . Aber es gibt auch Leute, die verdienen 46 000 Euro am Tag . Jetzt merkt man, dass man da eine Steuerpolitik machen muss, die nicht ganz leicht ist . Es gibt auch Leute – in diesem Fall aus der Branche der Reiseanbieter –, die zu uns kommen und sagen, sie könnten die Steuern nicht mehr bezahlen . Es sei alles ganz schwierig, und sie würden dann in den Ruin getrie- ben . Wenn man einmal genauer nachguckt, sieht man: In dieser Branche gibt es Gehälter in Höhe von 17 Millio- nen Euro im Jahr . Das heißt, wenn zwei Manager ent- lassen würden, hätte man schon so viel Geld übrig, wie heute überhaupt an Steuern bezahlt wird . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Da merkt man: Es gibt eine Asymmetrie der Wahrneh- mung in Bezug darauf, was gezahlt wird und worin die Aufgabe besteht . Ich will das, was unsere Aufgabe ist, ins Positive wenden . In Schweden heißt Steuer „skatt“ . „Skatt“ heißt „Schatz des Volkes“ . Die schwedischen Steuerpolitiker sehen ihre Aufgabe darin, allen Bürgern möglichst gute Gelegenheiten zu geben, sich am Schatz des Volkes zu beteiligen. Denn das, was ich an Steuern zahle, finde ich als Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben wieder . Das ist überall in der Welt so . Darauf kann ich zurückgreifen . Manchmal kann ich darauf fahren; manchmal kann ich meine Kinder in die Schule schicken . Das sind wichtige (C) (D) Lothar Binding (Heidelberg) (A) Dinge, die die Gemeinschaft braucht . Und dafür lohnt es sich, Steuern zu zahlen . Das ist auch sehr wichtig! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will abschließend ein Beispiel dafür nennen, wo wir noch nicht so richtig zusammenkommen . Die Ver- mögensverteilung in Deutschland befindet sich in exor- bitanter Schieflage. Gott sei Dank haben wir die Erb- schaftsteuer in der Diskussion . Wir versuchen ja, die vom Verfassungsgericht bestätigte Überprivilegierung der Unternehmen zu kompensieren . Ich will jetzt ein Beispiel bringen, damit Sie merken, worin ich den CDU-Kollegen nicht folge . Christian von Stetten sagt, ich soll mir einmal (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr guter Mann!) – ein sehr guter Mann, aber leider an dieser Stelle mit einer schlechten Überlegung; trotzdem ist es aber ein netter Mann – einen Studenten vorstellen, der nichts hat und den man deswegen bedauert . Plötzlich erbt der 100 Millionen Euro . Ab dann hat er ein Riesenproblem . – Christian von Stetten erklärt mir dann immer, warum der Student ein Problem hat . Ich meine, viele andere Bürger würden sich solche Probleme wünschen . (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb müssen wir Steuerpolitik machen, mit der wir auf dem Pfad der Gerechtigkeit gehen . Da wäre es toll, (B) wenn ihr uns dabei ein bisschen stärker helfen würdet . (Beifall bei der SPD) Alles Gute und noch einen schönen Tag! (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Kerstin Radomski [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Als Nächste hat jetzt die Kollegin Antje Tillmann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort . (Beifall bei der CDU/CSU) Antje Tillmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat heute nachvollziehbar sehr unter dem Eindruck der wachsenden Asylbewerberzahlen gestan- den . Es ist wichtig, dass wir darüber sprechen . Ich würde in meinem Beitrag aber gerne wieder auf die Menschen zurückkommen, die auch schon gestern hier gelebt ha- ben, auch gestern hier Steuern gezahlt haben, auf Fa- milien, die hier leben und ihre Kinder großziehen, auf Menschen, die hier die Hochschulen besuchen, und auf Menschen, die in Deutschland alt werden wollen . Denn für all diese Menschen, die auch jetzt schon in Deutsch- land leben, ist das ein guter Haushaltsentwurf . Es ist ein Entwurf für den Haushalt 2016 – das Jahr, wo die Schul- denbremse das erste Mal tatsächlich ziehen würde . Ich bin sehr dankbar, dass unser Finanzminister dieses Thema schon vor zwei Jahren abgeräumt hat . Wir haben die schwarze Null, die mal positiv, mal negativ diskutiert wird . Das ist ein Beitrag zur Gerechtigkeit für künftige Generationen . Das erlaubt es uns, mit der derzeit schwie- rigen Situation einer wachsenden Zahl von Zuwanderern umzugehen . Dieser Entwurf ist gut für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler . Einig bin ich mit meinem Kollegen Lothar Binding in dem Dank dafür, dass diese Menschen – Sie bzw . wir alle – jeden Morgen aufstehen und diesen Staat dadurch am Laufen halten, dass wir uns bemühen, unsere Löhne und Gehälter zu verdienen, und einen wesentli- chen Teil davon an den Staat abgeben . Diese Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlasten wir mit dem Entwurf zum ersten Mal in dieser Legisla- turperiode um eine sehr große Summe, nämlich um 5,5 Milliarden Euro . Lohnerhöhungen, die es Gott sei Dank wieder in nennenswertem Umfang gibt, sollen nicht weg- besteuert werden, sondern man soll diese Lohnerhöhun- gen tatsächlich spüren . Deshalb werden wir einen ersten Schritt in Höhe dieser großen Summe unter anderem bei der kalten Progression machen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieser Entwurf ist gut für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, weil wir den Grundfreibetrag erhöhen . Der Grundfreibetrag, der das Existenzminimum sicherstellt – das gilt erst dann, wenn man überhaupt Steuern zahlen muss –, wird im kommenden Jahr auf 8652 Euro erhöht . Auf Einkommen unterhalb dieser Grenze zahlt man kei- ne Steuern; damit kann man sich auf seinen eigenen Le- bensunterhalt konzentrieren . Der Gesetzentwurf ist aber auch gut, lieber Lothar Binding, weil es keine andere Regierung gibt, die mehr für internationale Steuergerechtigkeit getan hat als die- se . Dank dem automatischen Informationsaustausch, der Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige, dank BEPS, den internationalen Standards zur Besteuerung, und der Transparenz bei Steuergestaltungen sind in die- sem Haushalt auch Einnahmen derjenigen enthalten, die bisher versucht haben, sich davor zu drücken: ehemalige Steuerhinterzieher, die Gott sei Dank auf den Weg der Tugend zurückkommen . (Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Zwangsweise!) Ein Teil der Einnahmen ist auch denen zuzuschreiben . Auch das ist ein guter Schritt für die Steuerzahlerin- nen und Steuerzahler, die immer schon ordentlich ihren Pflichten nachgekommen sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dieser Haushaltsentwurf ist aber auch gut für Steu- erzahlerinnen und Steuerzahler, weil bestimmte Dinge nicht drinstehen, zum Beispiel Zahlungen für Banken und Hilfen für andere Staaten . Denn wir haben im Rah- men der Bankenunion viele Risiken in den nächsten Jahren abgefedert, die uns in der Vergangenheit Proble- me bereitet haben . Die Krisen in Griechenland, Portu- gal, Spanien und Zypern waren ganz extrem auch mit Schwierigkeiten von Banken verbunden . Wir haben über (C) (D) Antje Tillmann (A) eine gemeinsame Bankenaufsicht, über einen Rettungs- schirm, den ESM, über eine Regelung zur Abwicklung von Banken und über den Abwicklungsfonds für Banken Gelder – und zwar Gelder der Eigentümer – zur Verfü- gung gestellt, sodass Steuerzahlerinnen und Steuerzah- ler künftig in weitestgehendem Umfang nicht mehr für Banken aufkommen müssen . Das tun die Banken bzw . die Eigentümer und Gläubige demnächst selbst . Darin sind wir in Europa Vorreiter . Finanzminister Schäuble hat schon darauf hingewiesen, dass nicht jeder dabei so gut und so weit vorangeschritten ist wie wir . Wir werden in der nächsten Sitzungswoche mit dem Abwicklungs- mechanismusgesetz das Ganze abrunden, sodass wir ziemlich optimistisch sind, dass Banken uns im Haushalt nicht mehr belasten werden, weil wir Vorsorge getroffen haben . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Schön wär’s!) Dieser Haushalt ist aber auch gut für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, weil wir auf europäischer Ebene etwas Ähnliches wie die deutsche Schuldenbremse durchge- setzt haben, nämlich den Fiskalvertrag . Der Fiskalvertrag besagt, dass alle europäischen Länder, insbesondere auch die der Euro-Zone, Schuldenbremsen in ihrer Verfassung einführen und auch umsetzen müssen, sodass das, was uns mit Griechenland, Portugal und Spanien passiert ist, hoffentlich nicht wieder passiert . Wir sind auf dem Weg zur Einhaltung des Fiskalver- (B) trags, also nie mehr als 60 Prozent Schulden, gemessen am BIP, zu machen, ein gutes Stück weiter als andere . Wir haben unsere Verschuldung im Verhältnis zum BIP erheblich abgebaut, und alle, die meinen, wir müssten die schwarze Null nicht so ernst nehmen, sollten sich daran erinnern, dass wir Verträge unterschrieben haben . Es ist immer leicht, auf andere europäische Partner zu zeigen und zu sagen: „Ihr haltet die Verträge nicht ein“; wir selber sollten das aber auch tun . Deswegen ist dieser Haushaltsentwurf ein Weg hin zur Erfüllung des Fiskal- vertrags und ist deshalb gut . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie des Abg . Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]) Dieser Haushaltsentwurf ist aber auch gut für Famili- en, die hier leben und ihre Kinder erziehen . Ich füge in Klammern hinzu: Wer weiß, was ein unbetreuter minder- jähriger Asylbewerber an Kosten verursacht, der dankt vielleicht endlich einmal den Familien für die Leistun- gen, die sie bei ihren Kindern erbringen: dass sie sie pünktlich in die Schule schicken, sie kleiden und ihnen eine Leistungsbereitschaft mit auf den Weg geben . Herz- lichen Dank an alle Eltern, die das tun! Jeder, der das in Zweifel zieht und meint, Familien könnte man durch Sozialarbeiter und andere Einrichtungen ersetzen, liegt falsch. Das ist finanziell nicht zu schultern, und deshalb sage ich an der Stelle neben den Steuerzahlern auch ein Riesendankeschön den Eltern, die ihre Kinder zu verant- wortungsbewussten Bürgern machen und damit auch den Staatshaushalt entlasten . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie des Abg . Dr . Karl-Heinz Brunner [SPD]) Wir geben einen kleinen Teil dieser Leistungen zurück, indem wir den Freibetrag für Kinder und das Kindergeld sogar zweimal nacheinander erhöhen . Wir erhöhen zu- dem den Alleinerziehendenentlastungsbetrag in erhebli- chem Umfang, weil Mütter und Väter mit Kindern allein weniger leistungsfähig sind als beide Elternteile zusam- men . Wir werden ab 1 . Juli 2016 den Kinderzuschlag er- höhen . Diesen bekommen Eltern, die zwar ihren eigenen Bedarf decken können, nicht aber den ihrer Kinder . Wir haben schon lange mit Programmen für Spra- chintegration und frühkindliche Sprachförderung begon- nen, weil auch deutsche Kinder teilweise Defizite bei der deutschen Sprache haben. Auch hier finanziert der Bund in erheblichem Umfang mit . Diese Mittel werden noch einmal aufgestockt, sodass Logopäden halbtags in vielen Kindereinrichtungen dieses Landes auf Kosten des Bundes Kindern die deutsche Sprache nahebringen können . Wir haben außerdem die Mittel für Bildung und Forschung noch einmal um 1 Milliarde Euro erhöht . Das ist gut für junge Menschen, die in Deutschland studieren wollen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Neben den Steuerzahlern und den Familien ist der vor- liegende Haushaltsentwurf gut für Länder und Kommu- nen . In erheblichem Umfang erledigen wir als Bund Auf- gaben, die Länder und Kommunen eigentlich erfüllen müssten, wozu sie sich aber nicht in der Lage sehen . Wir erhöhen die Investitionen in die öffentliche Infrastruk- tur und übernehmen den Finanzierungsanteil der Länder beim BAföG, sodass ihnen jährlich 1,2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen, die beispielsweise dazu ver- wendet werden können, sich schulischen Aufgaben zu widmen . Wir finanzieren zudem Mehrgenerationenhäuser in den Kommunen . Wir haben in den letzten Jahren die Kommunen, Herr Kollege Kindler, strukturell und dau- erhaft um insgesamt 145 Milliarden Euro entlastet, in- dem wir als Bund beispielsweise die Finanzierung der Grundsicherung im Alter übernehmen und die Kinderta- gesbetreuung mitfinanzieren. Wir stehen den Kommunen auch bei den Kosten der Versorgung der Asylbewerber zur Seite . Wir sind die Regierung – das gilt auch für die Koalition in der letzten Legislaturperiode –, die die Kom- munen am meisten entlastet hat . Die kommunalen Spit- zenverbände wissen trotz all der Probleme, die sie noch immer an uns herantragen, sehr genau, dass wir als Re- gierung berücksichtigen, dass die Bürgerinnen und Bür- ger auf kommunaler Ebene am ehesten merken, wenn es finanzielle Sorgen gibt. Auch hier stehen wir zu unserem Wort . Der nun zur Diskussion stehende Haushaltsplanent- wurf ist also gut für alle Generationen, auch für die jün- gere Generation, weil wir den Haushalt ohne neue Schul- den finanzieren. Das haben wir uns in den letzten Jahren zusammen mit dem Finanzminister sowie den Kollegin- nen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss erarbei- tet . Wir aus dem Finanzausschuss geben uns Mühe, dazu (C) (D) Antje Tillmann (A) beizutragen . Ich bin sicher, dass es in den Beratungen noch die eine oder andere Nachbesserung geben wird . Aber insgesamt stellt dieser Haushaltsentwurf eine gute Grundlage dar, um die Haushaltsberatungen für das Jahr 2016 fortzusetzen . Die Länder sollten unserem Beispiel folgen und nicht wie Thüringen als Erstes nach Steuer- mehreinnahmen und Steuererhöhungen schreien . (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht! Das stimmt überhaupt nicht!) Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger mit diesem Haushalt entlasten . Das haben sie angesichts der An- strengungen in den letzten Jahren auch verdient . Ich danke Ihnen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Radomski, CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Kerstin Radomski (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Vorredner von der Opposition ge- hört habe, war ich enttäuscht . (Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE (B) GRÜNEN]: Wir können gerne noch einmal reden!) In einer meiner letzten Reden habe ich Sie aufgefordert, sich doch einmal mit uns über ein Ende der Neuverschul- dung in den letzten beiden Haushalten zu freuen . Nun muss ich aber erleben, dass der Kollege Tobias Lindner hier ein Foto der Haushalts-AG der CDU/CSU-Fraktion zeigt, auf dem eine von mir gezeichnete schwarze Null zu sehen ist . Herr Bartsch sitzt, nachdem ihm das Foto von Tobias Lindner übergeben wurde, da und schaut es sich an . Das scheint bei Ihnen noch nicht angekommen zu sein . (Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ich bin fasziniert! Ich rahme es ein! – Lothar Binding (Heidelberg) [SPD]: Das ist ein Missverständ- nis! – Heiterkeit und Beifall bei der CDU/ CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie haben offensichtlich noch immer nicht verstanden, dass wir es zum ersten Mal seit Jahrzehnten im Bund ge- schafft haben, ein Ende der Neuverschuldung herbeizu- führen . Vielleicht sind wir so schnell, dass der eine oder andere nicht mehr Schritt halten kann; denn wir erwarten nun sogar ein Haushaltsplus in Milliardenhöhe . Das liegt natürlich an der guten Konjunktur und der guten Be- schäftigungslage in unserem Land . (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An den niedrigen Zinsen!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Oppositi- on, wenn wir auf unsere Nachbarländer schauen, dann stellen wir fest, dass diese uns um die Entwicklungen in Deutschland beneiden, um unsere wirtschaftliche Stärke und unsere soliden Finanzen und darum, dass wir das al- les trotz sehr bewegter Zeiten haben . Unser Garant für diese Finanzpolitik und das Augenmaß, das dieser Politik zugrunde liegt, und auch für das unbedingte Pochen auf Reformen in Griechenland ist Wolfgang Schäuble, unser Finanzminister, dem dafür unser Dank gilt . (Beifall bei der CDU/CSU) Gerade angesichts eines Haushaltsplus in Milliarden- höhe kommt es jetzt darauf an, Augenmaß zu bewah- ren und sich nicht in ideologische Verteilungskämpfe zu versteigen; denn in diesen Wochen erleben wir eine Situation, die keiner von uns erwartet hat und die uns als verantwortliche Politiker vor enorme, vor allem auch finanzielle Herausforderungen stellt. Ich möchte mich heute in dieser Debatte deshalb auch dem Flüchtlingsthe- ma und seiner Finanzierung zuwenden . Hunderttausende Flüchtlinge kommen derzeit in unser Land, von denen viele auch dauerhaft bleiben werden . Angesichts dieses Ausmaßes brauchen wir gemeinsame Lösungen statt Streit und parteipolitische Grabenkämp- fe . Die Beschlüsse der Koalition vom Sonntagabend sind wegweisend für die kommenden Wochen und die zu er- wartenden Mehrkosten; denn die Bundesarbeitsministe- rin hat gegenüber dem Finanzminister für das kommende Jahr schon einen Mehrbedarf von 3,3 Milliarden Euro angemeldet . Wir wissen alle, dass dies auch andere Res- sorts betreffen wird . Für die Flüchtlinge, die kommen, geht es um viel, etwa um Sprachkurse oder Maßnahmen zur Aufnahme einer Arbeit . Viele Menschen, die in diesen Wochen an- kommen, hatten bisher nicht das Lebensziel, ihre Heimat zu verlassen . Sie waren Ladenbesitzer, Ärzte, Handwer- ker; aber ihre Heimat ist zerstört. Diese Menschen be- nötigen unsere Hilfe . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass das nicht leicht wird und auch unsere Bevölkerung vor Herausforderungen stellt . Dennoch – das möchte ich auch in einer Debatte wie dieser sagen, in der es eher um große Zahlen als um einzelne Schicksale geht – nehmen wir Flüchtlinge auf, die vor Krieg und Terror fliehen und bei uns Schutz suchen, und wir heißen sie auch willkommen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir nehmen ebenso die Sorgen von Teilen der Bevölke- rung angesichts der neuen Situation ernst; aber dumpfe Vorurteile gegen Flüchtlinge bringen niemanden weiter . Lassen Sie mich im Rahmen dieser Beratungen einige Beispiele dafür nennen, dass der Bund deutlich mehr leis- tet als bisher . Im Bundeshaushalt 2016 wurden die Mittel des Bundesinnenministeriums für Integrationskurse um 40 Millionen Euro auf 309 Millionen Euro erhöht . Im vergangenen Jahr haben rund 700 000 Menschen einen Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen . Natürlich wissen wir alle: Die Teilnehmerzahlen werden noch stei- gen . Die Bundesregierung plant, Integrationskurse auch für geduldete Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive zu öffnen . Zudem gibt es in den Städten Berlin, Dort- mund, Duisburg und München ein Modellprojekt, vom (C) (D) Kerstin Radomski (A) Bund finanziert, mit sozialpädagogischer Betreuung der Kursteilnehmer . Wir wissen alle: Der Erwerb von Deutschkenntnissen ist eine, wenn nicht sogar die entscheidende Grundvor- aussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in unserem Land . In den rund 600 Stunden umfassenden Sprachkursen lernen die Teilnehmer Deutsch, aber auch wichtige Themen des alltäglichen Lebens, wie zum Bei- spiel „Arbeit und Beruf“ oder „Ausbildung und Erzie- hung“ . In diesem Zusammenhang möchte ich einer Forde- rung nach der Aussetzung der Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern, die vor einigen Tagen zu hören war, eine klare Absage erteilen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir dürfen die Jüngsten – und das ist fast ein Drittel de- rer, die um Asyl bitten – nicht im Stich lassen, sondern müssen ihnen ein Fundament der Bildung und Berufsper- spektive geben . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]) Deshalb ist es richtig, dass das Bundeskabinett unter Leitung von Angela Merkel vor kurzem beschlossen hat, dass die Bundesagentur für Arbeit nicht länger zustim- men muss, wenn es um Praktika zur Berufsorientierung für Geduldete und Asylbewerber geht . Das Bundespro- gramm für junge Flüchtlinge „Willkommen bei Freun- (B) den“ wird von vielen zusätzlichen Maßnahmen begleitet, darunter die kindgerechte Ausstattung von Flüchtlings- unterkünften, die Förderung von Müttern mit Migrati- onshintergrund und eine gezielte Unterstützung junger Migranten . Es gibt unzählige weitere Maßnahmen, zum Beispiel die Möglichkeit, in Zukunft auch BAföG und Berufsbildungsbeihilfe zu beantragen oder an der assis- tierten Ausbildung teilzuhaben, die verhindern soll, dass es zu Ausbildungsabbrüchen kommt . Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch am heutigen Tag gilt es, festzuhalten, dass der Bund seiner Verantwor- tung nachkommt und die notwendigen finanziellen Mit- tel zur Verfügung stellt . Aber wenn man jüngsten Zahlen des Kinderhilfs- werks der Vereinten Nationen hört, dann wird einem anders: Derzeit können vier von zehn Kindern in den Konfliktländern Syrien, Libyen, Irak, Jemen und Sudan nicht zur Schule gehen . Das sind nicht weniger als rund 14 Millionen junge Menschen, die ihrer Bildungspers- pektive beraubt sind . Dabei ist mit Blick auf den Bundeshaushalt auch nicht zu vergessen, dass Deutschland allein seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien mit mehr als 1 Milliarde Euro vor Ort geholfen hat . Wir können nicht von heute auf morgen alles ändern; aber die eben genannten Maßnahmen sind ein erster Schritt, die Situation zu verbessern . Doch auch ohne Fokussierung auf die aktuelle Flücht- lingsthematik ist es eine Tatsache, dass wir in unserem Land generell mehr Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter benötigen . Beim jüngst veröffentlichten ifo-Bildungsba- rometer 2015 bestätigten rund drei Viertel der Befragten, dass die Schul- und Bildungspolitik ein zentrales The- ma für die Menschen in unserem Land ist und dass die- ses Thema auch für ihre persönliche Wahlentscheidung wichtig ist . So möchte ich zumindest kurz noch darauf eingehen, dass der Bund auch in anderen Bildungsbereichen stär- ker tätig wird, zum Beispiel bei der Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung. Die Ausgaben hierfür werden um 7 Prozent erhöht . Die Ausgaben für den in- ternationalen Austausch und die Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung werden um 15,6 Prozent gesteigert. Und nicht zuletzt: Das BAföG für Studierende wird im kommenden Jahr um 5,5 Prozent erhöht . Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufwüchse in diesen Zukunftsfeldern sind wichtig für unser Land . Für den Gesamtetat betone ich zum Abschluss noch einmal: Halten wir trotz des Haushaltsplus Maß, um die notwen- digen Ausgaben für die Zukunft tätigen zu können! So müssen natürlich zunächst einmal die konkreten Kosten der Flüchtlingshilfen betrachtet werden und muss die Steuerschätzung im Herbst abgewartet werden . (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist ganz richtig!) Begeben wir uns angesichts der jüngsten Entwicklungen nicht in parteipolitische Grabenkämpfe, sondern wenden wir uns gemeinsam der Verantwortung zu und werden dieser auch gerecht! Die Menschen, die unsere Hilfe benötigen, haben dies verdient – und natürlich auch das deutsche Volk . Danke schön . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte vor . Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes- ministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15 . Es wäre schön, wenn Sie jetzt zügig Ihre Plätze ein- nehmen würden . Dann hätte nämlich der Bundesminister Hermann Gröhe, dem ich jetzt das Wort für die Bundes- regierung gebe, die notwendige Aufmerksamkeit . (Beifall bei der CDU/CSU) Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Menschen in unserem Land vertrauen dem Gesund- heitswesen, geben ihm in Umfragen immer wieder Best- noten . Sie wissen: Im Falle von Unfall, von Krankheit, von Pflegebedürftigkeit können sie sich in diesem Land wie nur in ganz wenigen Ländern der Welt darauf verlas- sen, dass sie die erforderliche Hilfe erhalten . 5 Millionen Menschen geben in diesem Land in den unterschiedlichs- ten Bereichen unseres Gesundheitswesens ihr Bestes, da- mit es anderen besser geht . (C) (D) (A) Zugleich wissen die Menschen aber auch, dass un- ser Gesundheitswesen vor großen Herausforderungen steht . Die erfreulicherweise ansteigende Lebenserwar- tung, auch das Ergebnis einer gesünderen Lebens- und Arbeitsweise sowie des medizinischen Fortschritts, führt zu einer steigenden Zahl hochbetagter, mehrfach und chronisch erkrankter pflegebedürftiger Menschen. Bei- spielhaft sei die wachsende Zahl demenziell Erkrankter in unserem Land genannt . Die deutlich abnehmende Zahl erwerbstätiger Menschen und ein zum Teil massiver Bevölkerungsrückgang in ein- zelnen ländlichen Regionen werfen weitere Fragen auf: Wie steht es um eine gute medizinische und pflegerische Versorgung im ländlichen Raum? Wie stellen wir ange- sichts schon jetzt fehlender Fachkräfte beispielsweise im Pflegebereich den wachsenden Fachkräftebedarf im Ge- sundheitswesen sicher? So sorgen innovative Therapien, Arzneimittel und Medizinprodukte für Hoffnung bei Er- krankten, weisen uns aber auch auf die Herausforderung hin, auch weiterhin alle Menschen in unserem Land am medizinischen Fortschritt in guter Weise teilhaben zu las- sen . Die Bürger erwarten zu Recht, dass wir uns diesen Fragen stellen, und wir tun das . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Bei den zahlreichen Gesetzgebungsvorhaben im Gesundheitsbereich gilt: Stets verbinden wir die pati- entenorientierte Ausgestaltung der Leistungen für Pfle- gebedürftige und Kranke mit Maßnahmen und Regeln, die zeigen, dass wir die nachhaltige Leistungsfähigkeit (B) unseres Gesundheitswesens im Blick haben und stärken . In dieser Haushaltsberatung will ich mit der nachhalti- gen Finanzierung unseres Gesundheitswesens beginnen . Unsere leistungsstarke gesetzliche Krankenversicherung ist finanziell solide aufgestellt. (Beifall bei der CDU/CSU) In der Jahresmitte 2015 gab es bei Gesundheitsfonds und gesetzlicher Krankenversicherung Reserven von rund 24 Milliarden Euro . 20 Millionen Menschen in diesem Land konnten zu Jahresbeginn von niedrigeren Kranken- versicherungsbeiträgen profitieren, gemessen an der frü- heren Beitragsvorgabe . Diese gute Lage ist das Resultat sowohl gesundheitspolitischer Weichenstellung als auch der guten wirtschaftlichen Lage in unserem Land . Ein leistungsstarkes solidarisches Gesundheitswesen braucht eine starke Wirtschaft und eine gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt . Richtig war es deshalb, dass wir in den Jahren 2014 und 2015 durch eine vorübergehen- de Absenkung des Bundeszuschusses einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung und damit zur Wachstumsför- derung in unserem Land geleistet haben . Nun halten wir Wort . Im Jahr 2016 wird dieser Bundeszuschuss 14 Mil- liarden Euro, ab dem Jahr 2017 dauerhaft 14,5 Milliarden Euro betragen . Deshalb ist es richtig, dass sich die Koa- litionspartner darauf verständigt haben, den Arbeitgeber- beitrag einzufrieren . Mit einer Politik für sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze stärken wir die Grundlagen unse- rer sozialen Sicherheit . (Beifall bei der CDU/CSU) Zugleich ist klar: Damit Leistungsausweitungen mit Augenmaß möglich sind, muss die Effektivität im Sys- tem, wo immer vertretbar, erhöht werden . Deshalb zielte bereits das erste Gesetz dieser Koalition auf die Verlän- gerung des Preismoratoriums bei den Arzneimitteln und die Erhöhung des Herstellerabschlags . Das sind Maß- nahmen, die die gesetzliche Krankenversicherung um jährlich 650 Millionen Euro entlastet haben . Die Verbin- dung von konkreten Leistungsverbesserungen für unsere Patientinnen und Patienten einerseits und die Stärkung struktureller Nachhaltigkeit des Gesundheitswesens an- dererseits prägen alle unsere Gesetzesvorhaben . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz stärken wir die Versorgung im ländlichen Raum, indem wir beispiels- weise den Kassenärztlichen Vereinigungen die Mög- lichkeit geben, mit konkreten Niederlassungsanreizen rechtzeitig die Weichen für eine Sicherstellung des An- gebots zu stellen . Wir stärken die Allgemeinmedizin, aber auch die Weiterbildung in den grundversorgenden Facharztdisziplinen . Zugleich schaffen wir mit einem neuen Innovationsfonds – pro Jahr 300 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren – die Voraussetzung, sektor- übergreifende Versorgungsformen zu erproben, um sie alsbald in die Regelversorgung einzuführen . Wir haben lange genug Mauern zwischen den Sektoren gebaut . Mit diesem Innovationsfonds bauen wir Brücken für die Pati- entinnen und Patienten . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zugleich erhöhen wir damit auch die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Gesundheitswesen . Mit der Krankenhausreform sichern wir gut erreich- bare Krankenhausversorgung und machen im Interesse der Patientinnen und Patienten die Qualität der Kran- kenhausleistung zum entscheidenden Maßstab künftiger Krankenhausplanung . Wir verbinden die Sicherstellung ortsnaher Grund- und Regelversorgung mit besserer Fi- nanzierung der besonderen Aufgaben von Zentren, etwa in den Hochschulkliniken oder im Bereich der Notfall- versorgung, aber auch mit dem Abbau von Überversor- gung und mit einem strukturierten Zweitmeinungsver- fahren, um überflüssige Operationen zu vermeiden. Das ist im Interesse der Patientinnen und Patienten und stei- gert die nachhaltige Leistungsfähigkeit unseres Gesund- heitswesens . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Der Forderung eines selbstbestimmten Lebens gerade älterer Patientinnen und Patienten – dabei denke ich bei- spielsweise an die Arzneimitteltherapiesicherheit, an den Medikationsplan sowie an eine bessere Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Leistungserbringern, auf die gerade mehrfach und chronisch erkrankte Menschen angewiesen sind – dient unser Gesetz für die sichere di- gitale Kommunikation und Anwendung im Gesundheits- wesen, kurz E-Health-Gesetz . Zugleich stärkt es den Da- tenschutz in diesem wichtigen Bereich . (C) (D) Bundesminister Hermann Gröhe (A) Mit dem Präventionsgesetz haben wir eine jahrelan- ge Debatte zu einem guten Ergebnis geführt . Wir stärken die Gesundheitsförderung in allen Lebensbereichen, von der Kita über die Schulen und den Arbeitsplatz bis hin zur Altenpflege. Dies dient der Lebensqualität der Men- schen, da lebensstilbedingte Krankheiten vermieden oder in ihrem Verlauf günstig beeinflusst werden können. Das dient aber auch der nachhaltigen Leistungsfähigkeit un- seres Gesundheitssystems . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Im Haushalt unterstützen wir die Ziele des Präventions- gesetzes beispielsweise mit 3 Millionen Euro für Infor- mationskampagnen zur Erhöhung der Impfrate, aber auch erstmals mit 3 Millionen Euro für Projekte zur Ver- meidung von Diabetes mellitus . Meine Damen, meine Herren, einen echten Kraftakt stemmen wir bei der umfangreichen Stärkung der Pflege in Deutschland. Jahrelang wurde über den neuen Pflege- bedürftigkeitsbegriff diskutiert . Jetzt kommt er . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Damit erhalten demenziell erkrankte Menschen erstmals einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Damit wird sich die Pflege künftig stärker an der individuellen Bedürftigkeit, aber auch an den individuellen Möglichkeiten der Pflegebedürftigen oder des Pflegebedürftigen ausrichten. Individuellere (B) Pflege ist unser Ziel. Bereits zum 1. Januar dieses Jahres haben wir mit einer umfassenden Leistungsverbesserung nicht zuletzt die Situation von demenziell erkrankten Pflegebedürftigen und deren Angehörigen verbessert und den Grundsatz „ambulant vor stationär“ gestärkt, der dem Wunsch der allermeisten Menschen entspricht, möglichst lange, auch pflegebedürftig, zu Hause leben zu können. Wenn wir jetzt den Grundsatz „Reha vor Pflege“ mit Leben füllen wollen, dann dient auch dies der Lebens- qualität des Einzelnen, da wir Pflegebedürftigkeit verhin- dern, hinauszögern oder im Verlauf günstig beeinflussen. Es dient aber auch der Nachhaltigkeit unserer Struktur zur Absicherung im Falle von Pflegebedürftigkeit. Diese umfassende Leistungsverbesserung von unge- fähr 20 Prozent wird durch eine Beitragserhöhung von 0,5 Prozent paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitneh- mern aufgebracht . Dies ist unserer Überzeugung nach gut angelegtes Geld . Wir wissen, dass die überwältigen- de Mehrheit der Menschen in diesem Land diese Bei- tragserhöhung bejaht, weil gute Pflege ein Ausdruck der Menschlichkeit in unserer Gesellschaft ist . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zugleich gibt es wohl kaum einen Bereich, in dem Hilfe des Sozialstaats in dieser Weise Hilfe zur Selbsthil- fe ist . Vergegenwärtigen wir uns einmal, dass ganz viele pflegebedürftige ältere Menschen von selbst in hohem Alter befindlichen Pflegepersonen bzw. Partnerinnen und Partnern gepflegt werden. Diese haben wahrlich unsere Unterstützung verdient. Mit dem Pflegevorsorgefonds sorgen wir zugleich dafür, dass dieser Leistungsausbau in generationengerechter Weise gestaltet wird . Dankbar bin ich für den großen Konsens, der in die- sem Haus herrscht im Hinblick auf die Verbesserung in der Palliativ- und Hospizversorgung . Was wir an guter medizinischer, pflegerischer und menschlicher Beglei- tung Schwerstkranker und Sterbender heute leisten kön- nen, muss auch überall in diesem Land angeboten wer- den . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Ich danke in diesem Zusammenhang den rund 100 000 Menschen, die ehrenamtlich im Bereich der Hospizver- sorgung tätig sind . Die Frage einer guten medizinischen Versorgung ist zunächst eine lokale Frage, also die Frage nach dem An- gebot bei mir vor Ort . Und doch hat uns der Ebolaaus- bruch im vergangenen Jahr erneut in eindringlicher Weise gezeigt, dass eine gute Gesundheitsversorgung auch eine internationale Dimension hat . Deshalb stand in diesem Jahr die globale Gesundheitspolitik in besonderer Wei- se im Zentrum des Handelns der Bundesregierung . Ich nenne die deutsche Gastgeberrolle bei der internationa- len Impfallianz im Januar dieses Jahres, die gemeinsame Reise mit Bundesminister Gerd Müller nach Westafrika mit dem Ziel, den dort Aktiven bei der Hilfe der Länder Westafrikas Dank zu sagen, aber auch zu unterstreichen, dass wir Lehren aus diesen Vorgängen ziehen wollen, die Rede der Bundeskanzlerin vor der Jahreshauptver- sammlung der Weltgesundheitsorganisation, aber auch die herausragende Rolle, die die Gesundheitsthemen beim G-7-Gipfel im bayerischen Elmau gespielt haben . In wenigen Wochen werde ich die Gesundheitsminister der G-7-Staaten, die Generaldirektorin der WHO und weitere internationale Repräsentanten in Berlin begrü- ßen, damit wir diesen Prozess vorantreiben, Lehren aus der Ebolakrise ziehen und die WHO stärken . Ich danke dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit dafür, dass wir im Zusammenwirken freiwillig Beiträge für die WHO in Höhe von 6 Millionen Euro vorsehen, um die Stärkung und den Reformprozess in der WHO voranzubringen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zu der gesundheitspolitischen Dimension internatio- naler Entwicklung gehört auch eine gute und angemesse- ne Versorgung der Flüchtlinge in unserem Land . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich habe vor wenigen Tagen entsprechende Einrichtun- gen in Lebach und St . Wendel im Saarland besucht und kann nur sagen: Was dort von Haupt- und Ehrenamtli- chen für eine gute Versorgung der ankommenden Flücht- linge geleistet wird, verdient höchste Anerkennung und jede Unterstützung . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (C) (D) (A) Die Verabredung der Ministerpräsidenten und Minis- terpräsidentinnen mit der Bundeskanzlerin und den Res- sorts der Bundesregierung sowie die Beschlüsse der Ko- alition vom Sonntag sind eine gute Grundlage, die große Herausforderung, zum Beispiel der Erstuntersuchun- gen, gemeinsam zu meistern . Dazu führen wir intensive Gespräche mit den Ländern . Ich nenne als Stichworte nur die Nutzung medizinischen Sachverstands bei den Flüchtlingen selbst und die Frage, wie wir die Erstunter- suchung schnell und zeitnah umsetzen können . Dies alles ist nur zu leisten, weil viele Menschen das ihnen Mögliche für eine bestmögliche Versorgung tun . Dafür bin ich dankbar . Ich freue mich auf die vor uns liegenden Haushaltsberatungen . Herzlichen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Als Nächste hat die Kollegin Dr . Gesine Lötzsch das Wort für die Fraktion Die Linke . (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Ich habe mich in der vergangenen Woche mit Geschäfts- führern mehrerer Krankenhäuser unterhalten . Alle be- richteten gleichermaßen von großen finanziellen Proble- (B) men bei der Reparatur und Instandhaltung ihrer Häuser . Es fehlt seit Jahren an Investitionsmitteln . Das darf so nicht weitergehen . (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Da sind Sie bei uns ganz falsch!) Was machen die Krankenhäuser in ihrer Not? Sie redu- zieren Personalmittel, um die notwendigsten Reparatu- ren bezahlen zu können . Das ist natürlich fatal angesichts 214 000 fehlender Pflegekräfte in den nächsten zehn Jah- ren, wie es das DIW berechnet hat . Diese Gespräche haben für mich noch einmal ein- drucksvoll belegt, was wir durch die Statistiken schon lange wissen: Im Vergleich zum Jahr 1991 sanken die Fördermittel für die Krankenhäuser bis 2012 um mehr als 28 Prozent, und die Kosten der Krankenhäuser haben sich mehr als verdoppelt . Das ist eine Politik gegen die Patienten, und die muss endlich beendet werden . (Beifall bei der LINKEN) Gestern fand – das zum Zwischenruf „Länder“ – hier im Bundestag eine außergewöhnlich gut besuchte Anhö- rung zum Krankenhausstrukturgesetz statt . Aus vielen Stellungnahmen der Anzuhörenden lässt sich der Schluss ziehen, dass die Bundesregierung mit diesem Gesetz nicht eine bessere gesundheitliche Versorgung erreichen möchte, sondern augenscheinlich öffentliche Kranken- häuser schließen will . Das ist mit uns nicht zu machen . (Beifall bei der LINKEN) Für das Jahr 2017 sieht die Bundesregierung für alle Krankenhäuser eine Kürzung von 1 Milliarde Euro vor, und der Versorgungszuschlag, der 500 Millionen Euro ausmacht, soll vollständig wegfallen . Wenn ich dies allein auf mein Land, auf Berlin, umrechne, so wären dadurch 500 Pflegestellen gefährdet. Absurder geht es nicht . (Beifall bei der LINKEN) Wie passen diese Kürzungen mit der Forderung nach mehr Qualität zusammen? Ich sage: überhaupt nicht . Wenn es nach der Bundesregierung geht, soll die Qualität der Krankenhäuser über ihre Existenz entscheiden. Das klingt vernünftig, ist es aber nicht . Wir als Linke möch- ten die beste Versorgung aller Patienten und Patientinnen sichern, unabhängig davon, ob sie gesetzlich oder privat versichert sind . (Beifall bei der LINKEN) Doch mehr Qualität gibt es nicht, wenn man den Geld- hahn immer wieder zudreht . Darum fordern wir für den Haushalt 2016 wie auch in den vergangenen Jahren In- vestitionen in die Krankenhäuser . In den vergangenen Jahren haben Sie von der Koalition diese Forderung lei- der immer wieder abgelehnt . Das war eine falsche Ent- scheidung . Ich hoffe, dass Sie diese Entscheidung in die- sem Jahr korrigieren . (Beifall bei der LINKEN) Immer wieder wird davon gesprochen, dass die Bun- desregierung der nächsten Generation keine neuen Schul- den aufbürden möchte . Das klingt gut . Doch Sie müssen der nächsten Generation auch sagen, dass sie dafür eine verschlissene Infrastruktur aufgebürdet bekommt . (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Genau!) Jeden Euro, den wir heute nicht in kaputte Schulen, Brücken und Krankenhäuser investieren, muss die nach- folgende Generation aufbringen, und das wird nicht rei- chen; denn sie muss ein Vielfaches aufbringen, um den heutigen Standard wiederherzustellen . (Beifall bei der LINKEN – Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: So ist es! Das darf nicht so sein!) Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass es einen weiteren Grund für Ihren Investitionsstreik gibt . (Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Unzustän- digkeit!) Mit Ihrer dauerhaften Verweigerungshaltung wollen Sie den Weg für kommerzielle Kliniken freimachen . Wäh- rend die Anzahl der Krankenhäuser insgesamt abnimmt – im Jahr 2011 gab es 152 Krankenhäuser weniger als im Jahr 2003 –, steigt die Anzahl der kommerziellen Kli- niken, die wesentlich in der Hand von vier Konzernen liegen . Die Bundesregierung hilft also bei der Marktbe- reinigung im Gesundheitswesen, und das darf wirklich nicht wahr sein . (Beifall bei der LINKEN) Keiner sollte glauben, dass durch die kommerziellen Kliniken Qualität und Effizienz gesteigert werden. Im (C) (D) Dr . Gesine Lötzsch (A) Gegenteil: Für die Patienten wird es auf alle Fälle teurer . Der Trend ist schon jetzt deutlich zu erkennen . Auch die öffentlichen, die kommunalen Krankenhäuser werden mit den Fallpauschalen auf Profit getrimmt. Ich denke nicht, dass wir eine Entwicklung haben wollen, die es in anderen Ländern schon gibt . Ich nenne ein Beispiel: Die Anzahl der Kaiserschnitte ist in Deutschland seit 2005 um 27 Prozent gestiegen . Je 1 000 Geburten wurden 314 Kaiserschnitte durchgeführt . (Zuruf von der CDU/CSU: Weil die Frauen es wollen!) Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis Kliniken nur Ge- burten per Kaiserschnitt anbieten werden, weil ihnen das einfach mehr Geld einbringt . (Mechthild Rawert [SPD]: Nein, nein!) Das ist nämlich die Wahrheit . Diesen Weg wollen wir doch nicht beschreiten . (Beifall bei der LINKEN) Wir von der Linken wollen eine solidarische Kranken- versorgung, die aus Ärzten keine gewinnmaximierenden Geschäftsleute und aus Krankenschwestern keine Fließ- bandarbeiterinnen macht . Investitionen in das Gesund- heitswesen sind gut angelegtes Geld . Alles andere wird in der Zukunft teurer . Vielen Dank . (Beifall bei der LINKEN) (B) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Nächster Redner ist Dr . Karl Lauterbach, SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Karl Lauterbach (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal will ich auf das aktuelle The- ma eingehen, nämlich die Flüchtlingskrise, die uns na- türlich alle bewegt, und hier für unsere Fraktion ganz klar in den Vordergrund stellen, dass es nicht sein kann, dass Menschen den riskanten, langen, gewagten Weg nach Deutschland auf sich nehmen und ihn schaffen, hier willkommen sind, aber dann durch vermeidbare Kompli- kationen von bestehenden Krankheiten ihre Gesundheit erneut aufs Spiel setzen und vielleicht sogar versterben . (Zuruf von der LINKEN: Sie können ja einen Antrag dazu stellen!) Daher werden wir im Gesundheitssystem dafür sorgen, dass der schnelle Zugang zu den Leistungen, die benötigt werden, gegeben ist . Wir setzen uns dafür ein, dass die Gesundheitskarte für Flüchtlinge zur Verfügung steht, (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) und zwar in einer Art und Weise, die den Zugang zum System beschleunigt, ohne dass den Krankenkassen – nicht dass dieser Vorschlag missverstanden wird! – dabei Kosten entstehen; diese Kosten sind selbstverständlich vom Steuerzahler zu übernehmen . Die oft vorgetragene Befürchtung, das zöge Menschen erst an, nach Deutschland zu kommen, halte ich für ab- wegig . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Natürlich!) Es ist nicht so, dass ein Mensch nach Deutschland oder nach Europa flieht, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Die ziehen nicht nach Europa, sondern nach Deutschland! Das ist ein Unterschied!) weil er glaubt, für ein paar Monate in den Genuss einer Krankenversicherung zu kommen, die er sowieso wie- der verlöre, wenn er hier nicht bleiben könnte, und die er sowieso bekäme, wenn er bleiben könnte . Von daher geht es sozusagen um einen Übergang für wenige Mo- nate . Das ist aber ein Übergang, der gerade für Kinder, für traumatisierte Menschen lebenswichtig sein kann . Da können wir uns nicht aus ideologischen Gründen einer unbürokratischen Lösung versperren . Daran werden wir gemeinsam arbeiten . (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg . Birgit Wöllert [DIE LINKE]) Wir schaffen in dieser Legislaturperiode vier wichtige Gesetze; wir schaffen auch ein paar kleine Gesetze, aber ich gehe auf vier Gesetze in der gebotenen Kürze ein . Ich will einmal versuchen, es zu strukturieren: Beim ersten Gesetz steht sehr stark die Modernisierung unseres Ge- sundheitssystems im Vordergrund . Beim zweiten Gesetz steht sehr stark die Verbesserung der Qualität im Vorder- grund . Beim dritten Gesetz steht die Humanisierung im Vordergrund und beim vierten Gesetz der Ausbau des Systems . Das ist die Zusammenfassung . Bei der Modernisierung geht es im Wesentlichen um das Gesetz, das wir als E-Health-Gesetz bezeichnen und diesen Namen durchaus verdient . Wir haben in Deutsch- land bisher keine gute Infrastruktur im Gesundheits- system, was die Vernetzung angeht . Die elektronische Vernetzung unseres Gesundheitssystems ist kein unwich- tiger Bereich; das ist nichts Technokratisches. Es besteht langfristig die dringende Notwendigkeit, in den Berei- chen, in denen wir eine flächendeckende Versorgung nicht mehr gut darstellen können, zur interdisziplinären Zusammenarbeit von Ärzten zu kommen und telemedi- zinische Leistungen stärker zu nutzen . Das werden wir ohne die Schaffung dieser Infrastruktur niemals schaf- fen . Wir brauchen das EHealth-Gesetz, um bei der Zu- sammenarbeit von Ärzten und bei der flächendeckenden Versorgung mit Telemedizin überhaupt voranzukommen . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Hier geht es nicht um Kleinigkeiten . Zum Beispiel ist es heute so, dass Ärzte oft nicht wissen, welche Medi- kamente Menschen nehmen . Wenn jemand eine geisti- ge Einschränkung hat – beispielsweise ein behinderter Mensch –, kann er nicht einfach aufzählen, welches Me- (C) (D) Dr . Karl Lauterbach (A) dikament er in welcher Dosierung gerade einnimmt . Da- her kommt es nicht nur zu vermeidbaren Nebenwirkun- gen; es wird auch oft etwas eingesetzt, was gar keinen Sinn macht, weil der Patient es schon in einer anderen Form bekommt oder bekommen hat und es nie gewirkt hat . Daher brauchen wir elektronisch verfügbare Me- dikationspläne als ersten Schritt auf dem Weg zu einer komplett elektronischen Patientenakte . Sie muss natür- lich den modernsten Sicherheitsstandards mit doppelter Verschlüsselung entsprechen . Aber diese Aufgabe ist lösbar . Sie ist keine Kleinigkeit: Hier geht es um die Vernetzung von 200 000 Ärzten, 2 000 Krankenhäusern, 20 000 Apotheken . Es ist also eine riesige Aufgabe . Aber wenn wir dies schaffen, dann haben wir einen wesent- lichen, notwendigen Schritt zur Modernisierung unseres Gesundheitssystems getan . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – La- chen und Beifall der Abg . Kordula Schulz- Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Hier wird gelacht . Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen werden . (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eher selbstkritisches Lä- cheln!) Ich kann jetzt nicht das konkrete Gesetz vortragen; aber das konkrete Gesetz enthält aus meiner Sicht wich- tige Schritte, setzt Fristen und macht entsprechenden Druck auf die Selbstverwaltung . Hier kommt es aus mei- ner Sicht zu einer technisch gut vorbereiteten Lösung, die (B) der Selbstverwaltung die notwendigen Anreize bietet, die in der Vergangenheit oft gefehlt haben, um hier voranzu- kommen . Bei der Humanisierung des Gesundheitssystems den- ke ich natürlich im Wesentlichen an unser Gesetz zur Hospiz- und Palliativversorgung . Es ist ganz klar: Der Aspekt, wie das Lebensende von einem Menschen erlebt wird, wie er auf das Lebensende vorbereitet wird, was er erwarten kann, wie er es selbst erlebt, wie die Angehöri- gen es erleben, wenn ein Mensch stirbt, aus dem Leben scheidet, ist ganz wesentlich, wenn es darum geht, wie menschlich ein Gesundheitssystem ist . Da haben wir in der Vergangenheit nicht genug gemacht; das muss man klar sagen . Aber wir haben in den letzten Jahren viel erreicht . Wir haben unser System der Palliativ- und Hospizversorgung ausgebaut . Jetzt gehen wir den nächsten Schritt, bei dem es im Wesentlichen darum geht, dass wir die ärztlichen und die pflegerischen Leistungen in der Hospiz- und auch in der Palliativversorgung besser vergüten, dass wir Rechtsansprüche schaffen, dass wir in den Bereichen, in denen es trotz langer Verhandlungen noch keine Verträ- ge gibt, die Verträge durch ein Schiedsverfahren auf den Weg bringen, damit es endlich eine flächendeckende Ver- sorgung gibt . Wir wollen die Hospizversorgung in Krankenhäusern, aber auch die ambulante Hospizversorgung in Pflegeein- richtungen und in den Pflegediensten deutlich verbes- sern. Wir flexibilisieren so die Hospizversorgung und stärken insbesondere die ambulante Hospizversorgung . Neben höheren Sachkostenbeiträgen ist auch eine höhe- re Abdeckung der geleisteten Zuschüsse vorgesehen; die Einzelheiten werden wir hier noch breit diskutieren . Aus meiner Sicht sind das sehr wichtige Schritte . Das Ziel muss sein, dass wir im Bereich der Palliativmedizin und in der Hospizversorgung vorbildlich sind . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir haben in diesem Bereich schnell Fuß gefasst, aber wir müssen sowohl auf europäischer Ebene als auch weltweit Vorbild sein . Daran wollen wir uns messen lassen . Mit dem Krankenhausstrukturgesetz soll die Qualität in den Krankenhäusern gesteigert werden . Frau Lötzsch, Sie haben vorgetragen, es gebe keine Anreize für die Steigerung der Qualität . Sie befürchten, dass sich die Qualität verschlechtert . (Harald Weinberg [DIE LINKE]: War ja ges- tern in der Anhörung!) – Die Anhörung ist sehr kompliziert gewesen . Es gab sehr differenzierte Meinungen, die Sie hier auf zwei, drei kritische Punkte reduziert haben . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ich hatte auch nur fünf Minuten Zeit! Wenn Sie mir Ihre Redezeit abgeben, rede ich länger darüber!) Das ist nicht angemessen . Ich bringe ein paar Beispiele, die zeigen, dass Sie die Entwicklung in den Ländern, in denen Sie mitregieren, selbst in der Hand haben . Wir erlauben es den Ländern zum Beispiel, den As- pekt Qualität bei der Krankenhausplanung zu berück- sichtigen . Das war bisher nicht erlaubt . Qualitätsaspekte konnten in der Krankenhausplanung bisher – ich sage einmal: absurderweise – nicht berücksichtigt werden . Ich hoffe, dass Sie es den Ländern, in denen Sie mitregieren, zutrauen, die qualitätssteigernde Möglichkeit zu nutzen; um Ihnen ein Beispiel zu nennen, wie wir durch dieses Gesetz Qualität schaffen . Ich bringe ein weiteres Beispiel . Bei guter Qualität gibt es demnächst Zuschläge . Wenn es stimmt, was Sie vortragen, also dass die nichtkommerziellen Anbieter in der Qualität besser sind, dann gehen diese Zuschläge fast ausschließlich an die kommunalen Häuser . Dann hätten Sie die Entwicklung, die Sie wünschen . Zu sagen, dass wir keine entsprechenden Anreize setzen, würde bedeu- ten, dass wir das System verknappen . Aber da hören Sie doch nur auf die Krankenkassen, denen Sie, wie auch wir, in vielen Bereichen nahestehen . Es ist ganz klar: Die Krankenkassen beklagen in diesem Bereich Mehraus- gaben von mehreren Milliarden Euro . Wenn man Ihnen zugehört hat, dann hätte man den Eindruck gewinnen können, dass wir die Mittel verknappen . Aber wir haben Mehrausgaben, die bereits so hoch sind, dass wir von einer Beitragssatzerhöhung ausgehen müssen . Sie selbst haben bereits die zu erwartenden Zusatzbeiträge beklagt und gefragt: Wo geht denn das Geld hin? – Entweder es ist richtig, dass wir mehr Geld ausgeben und dass wir mehr Finanzierung im paritätischen Sinne benötigen – auch ich glaube, dass wir das Gesundheitssystem lang- fristig wieder paritätisch finanzieren müssen – (C) (D) Dr . Karl Lauterbach (A) (Beifall bei der SPD) seit gut einem Jahr, durch die Einigung mit den Län- (C) oder wir verknappen die Mittel . Aber beides kann nicht stimmen . Ich komme zum Schluss . Das Gesetz zum Ausbau der Pflegeversicherung hat Gesundheitsminister Gröhe breit dargestellt. Der Ausbau der Pflegeversicherung ist groß- artig . Das ist etwas, was in der jetzigen Zeit unbedingt gemacht werden muss . Wir können uns dies leisten . Die gute wirtschaftliche Lage hat das möglich gemacht . Das ist paritätisch finanziert. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Umstellung des Systems auf Pflegegrade einer individualisierten, am Menschen ausgerichteten besseren Pflege den Weg ebnen wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem Bereich einiges erreichen werden . Wir haben sehr viel vor in dieser Legislaturperiode . Ich darf mich ganz herzlich für die vorzügliche Zusam- menarbeit in der letzten Runde bedanken und freue mich auf die Arbeit . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Als Nächstes hat die Kollegin Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ange- (B) sichts der bewegenden Bilder von völlig erschöpften Menschen, die nach langer und kräftezehrender Flucht bei uns ankommen und mit offenen Armen und über- ragenden Hilfen von sehr vielen Freiwilligen begrüßt werden, müssen wir hier darüber reden, wie wir schnell, unbürokratisch und vor allem solidarisch und langfristig helfen können . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dabei kann Ihr gestriges, mit heißer Nadel gestricktes Maßnahmenpaket höchstens ein Anfang sein . Lassen Sie mich an dieser Stelle, auch wegen der Zwischenrufe von eben, an die Adresse der Damen und Herren von der CDU/CSU, die regelmäßig meinen, die Gesundheitskarte für Asylsuchende würde falsche Anrei- ze schaffen, Folgendes sagen: Wir reden hier von Men- schen, die auf der Flucht vor Krieg, vor Misshandlung, vor Vergewaltigung, vor höchster Lebensgefahr drama- tischen Erlebnissen ausgesetzt waren, die auf der Flucht physisch und psychisch verletzt wurden . Es ist unsere Pflicht, ihnen zu helfen. Es geht um menschenwürdige Gesundheitsversorgung hier in Deutschland, vom ersten Moment an . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Die 6 Milliarden Euro für zusätzliche Hilfen für Flüchtlinge werden nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie keine Probleme lösen . Dabei haben Sie, Herr Mi- nister Gröhe, und Ihr Haus schon seit Herbst 2014, also dern den Auftrag, die flächendeckende Einführung einer Gesundheitskarte für Asylsuchende zu prüfen und die Kostenübernahme durch den Bund sicherzustellen . Herr Minister Gröhe, das vorbildliche Vorgehen der Landesre- gierung von Nordrhein-Westfalen führt, wie zuvor schon in Hamburg und Bremen, zu einer rettenden Verbesse- rung; denn die Menschen können im Krankheitsfall nun direkt und ohne bürokratische Hürden einen Arzt aufsu- chen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Mechthild Rawert [SPD]) Herr Minister Gröhe, Ihre Aufgabe und Ihre Pflicht ist es, für eine gute und diskriminierungsfreie gesundheitli- che Versorgung aller Flüchtlinge zu sorgen . Ich fordere Sie hier und heute auf, den notwendigen Gesetzentwurf für eine bundesweite Gesundheitskarte bis zum 24 . Sep- tember 2015 vorzulegen, das heißt, bevor der zweite Flüchtlingsgipfel beginnt . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Angesichts der Äußerungen von Herrn Dr . Lauterbach bin ich guter Dinge, dass man hier doch noch zur Ver- nunft kommt . (Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD] und Harald Weinberg [DIE LINKE]) – Danke schön . Natürlich gibt es noch weitere ungelöste Probleme, so den eklatanten Mangel an Dolmetschern und die unzurei- chende psychotherapeutische Versorgung, um nur zwei Beispiele zu nennen . Wir wissen aus vielen Untersuchun- gen, dass ein Großteil von schwer traumatisierten Men- schen große Schwierigkeiten hat, ihren Gesundheitszu- stand zu verbessern oder sich zu integrieren . Herr Gröhe, wo sind Ihre Antworten auf diese Proble- me? Sie werden als Gesundheitsminister zum Synonym für Ideen- und Mutlosigkeit, und das nicht nur beim The- ma Flüchtlinge . Ihnen fehlt der Mut für eine gute Ge- sundheitspolitik für alle Menschen, die in Deutschland leben . Wie soll die Gesundheitsversorgung der Zukunft aussehen, und vor allem, wie kann sie solidarisch finan- ziert werden? Die Zeichen des demografischen Wandels sind deutlich; aber Sie halten stur Abstand von kon- fliktträchtigen Reformen, von einer stabilen und gerech- ten Finanzierung, von der flächendeckenden integrierten Versorgung in allen Regionen, von einer besseren Aufga- benverteilung in den Gesundheitsberufen . (Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie wissen ganz genau, dass das nicht wahr ist!) Nur für die verschiedenen Besitzstandswahrer haben Sie offene Ohren . Einige Akteure im Gesundheitswesen wer- den mit Geschenken und kleinen Detailverbesserungen bei Laune gehalten, aber die notwendigen Strukturre- formen bleiben aus . Bezahlen müssen das am Ende die Versicherten . Sie werden die gesetzlich Versicherten 2016 erneut zur Kasse bitten . Die Zusatzbeiträge werden steigen . Die Versicherten werden somit den absehbaren Kostenanstieg im Gesundheitswesen alleine stemmen müssen . (D) Kordula Schulz-Asche (A) Wir Grünen fordern, dass die paritätische Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung vollständig wiederhergestellt wird . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Kollege Lauterbach, ich nehme Sie beim Wort . Kommen Sie zurück zur Parität, kommen Sie zurück zu mehr Gerechtigkeit! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei der LINKEN sowie der Abg . Mechthild Rawert [SPD]) Nun zu einer anderen Marotte der Bundesregierung, zum Ausgeben des Geldes der gesetzlich Versicherten für staatliche Aufgaben und Zwecke . Das Beispiel: die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, eine Bundesbehörde . Dort wird das Personal jetzt mithilfe von Mitteln aus der gesetzlichen Krankenversicherung aufgestockt . Wir sagen dazu ganz klar, meine Damen und Herren: Gesamtgesellschaftliche Aufgaben müssen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden; die Mittel dafür dürfen nicht der Solidargemeinschaft der Versicherten entzogen werden . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das i-Tüpfelchen Ihrer versicherten- und patienten- feindlichen Politik ist die Vergabe der Unabhängigen Patientenberatung an ein privates Unternehmen mit Pro- fitinteressen. Damit wird die Unabhängige Patientenbe- ratung – die den Patienten vor Ort übrigens durch Gesetz (B) garantiert wird – als wichtige Institution zur Verankerung von Patienten- und Versichertenrechten zu Grabe getra- gen . Zukünftig steht Patienten nur noch ein Callcenter zur Verfügung, ein Callcenter, welches im Kern ein Dienstleister für Krankenkassen und Leistungserbringer ist, aber nicht für die Patienten und ihre unabhängige Be- ratung . Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht . Und was machen Sie, Herr Minister Gröhe? Sie schweigen sich aus . Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, ist ein schweigsamer Minister, der die großen Konflikte scheut, jedoch fatal. Auf bestimmte Interessengruppen ausgerichtete Politik ist weder nach- haltig noch generationengerecht . Stellen Sie endlich die Menschen, die Patienten, die Versicherten in den Mit- telpunkt, und zwar nicht nur in Sonntagsreden, sondern endlich auch im konkreten Handeln . Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Nächster Redner für die CDU/ CSU-Fraktion ist der Kollege Dr . Georg Nüßlein . (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Eine Haushaltsdebatte mitten in der Legislaturperiode ist na- türlich die Gelegenheit, eine Halbzeitbilanz zu ziehen . Ich meine, der Herr Bundesgesundheitsminister hat eine gute Halbzeitbilanz gezogen, und er hat es auch zu Recht getan . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Ich weiß natürlich, dass es für die Opposition gera- dezu konstitutiv ist, dass sie das kritisiert . Aber, Frau Schulz-Asche, so wie Sie das gerade eben gemacht haben, nämlich bis hin zu dem Vorwurf der Patienten- feindlichkeit, halte ich es für absolut unangemessen . Das Beispiel mit der Ausschreibung der Patientenberatung, das Sie gebracht haben, ist kein gutes Beispiel . Dieses Thema wurde ausgeschrieben . Es gab ein Vergabeverfah- ren dazu, das eine Seite gewonnen hat . Meine Damen, meine Herren, so ist es eben, wenn man solche Dinge ausschreibt . (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Interessen- konflikte kann man ausschließen!) Da gibt es keinen Anspruch desjenigen, der das vor- her gemacht hat, dass er das in Zukunft weitermachen darf . Wenn es umgekehrt gewesen wäre, wenn es vor- her ein Wirtschaftsunternehmen gehabt hätte, dann hät- ten Sie doch auch nicht darauf bestanden, dass die das in Zukunft so weitermachen dürfen und ihre Angebote so lange nachbessern dürfen, bis sie das beste Angebot abgeben . Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege, – Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Gleich am Anfang? Vizepräsidentin Ulla Schmidt: – gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schulz-Asche? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Gern . Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön . Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Herzlichen Dank . – Ich wollte, weil Sie mich jetzt persönlich angesprochen haben, einfach nur noch einmal fragen, ob Ihnen aufgefallen ist, dass sowohl beim The- ma Unabhängige Patientenberatung als auch beim The- ma Gesundheitskarte der Kollege Dr . Lauterbach von Ihrem Koalitionspartner die gleiche Position vertreten hat wie ich . Danke schön . (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt nicht!) (C) (D) Kordula Schulz-Asche (A) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Frau Kollegin, auf diesen Punkt werde ich gleich noch zusätzlich eingehen . Ich möchte Sie zunächst nur darauf hinweisen, dass hier ein erstinstanzliches Urteil da ist, nach dem ganz klar ist, dass man die Unabhängigkeit ge- prüft hat, sodass es von dieser Seite aus gar kein Problem gibt . Der Kollege Lauterbach wird das wahrscheinlich anschließend noch selber klären . Um auf das Thema Gesundheitskarte zu kommen: Ja, natürlich ist es so, meine Damen und Herren, dass es in einer Großen Koalition an dem einen oder anderen Punkt unterschiedliche Auffassungen gibt . Gerade beim The- ma Gesundheitskarte werden wir noch an verschiedenen Stellen diskutieren müssen . Erstens befürchtet die CDU/ CSU-Fraktion – aus meiner Sicht nicht zu Unrecht – ei- nen gewissen Pull-Effekt, nicht in Bezug auf die Flücht- linge, die zu Recht hier herkommen, sondern in Bezug auf die, die aus anderen, insbesondere ökonomischen Erwägungen versuchen, hier Asyl zu bekommen und dann irgendwann mit Zeitverzögerung zurückgeschickt werden . Zweitens stellt sich für uns die Frage, wie abge- grenzt wird, dass diese Flüchtlinge nur Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen . Auch das muss klargestellt werden . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das gehört abgeschafft! Lesen Sie mal das Verfas- sungsgerichtsurteil!) Das müssen wir noch klären . Ansonsten gibt es an dieser Stelle bei der CDU/CSU-Fraktion noch ganz klar ausge- prägte Skepsis, über die wir im Fortgang des Verfahrens (B) noch reden werden . Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Nüßlein, auch der Kollege Lauterbach möchte Ihnen eine Frage stellen, ehe Sie nachher in Ihrer Rede noch auf ihn eingehen, wenn Sie dies gestatten . – Bitte schön, Herr Kollege Lauterbach . Dr. Karl Lauterbach (SPD): Vielen Dank . – Kollege Nüßlein, Sie stimmen mir doch hoffentlich zu, dass ich zur UPD in meinem Beitrag gar nichts gesagt habe (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN) und die Kollegin Schulz-Asche mich daher in meiner Rede wahrscheinlich missverstanden hat? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ich gehe sogar davon aus, dass Sie noch besser als ich wissen, wozu Sie gar nichts gesagt haben, Herr Kollege . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Das kommt auf jeden Fall in der heute-show, Kol- lege! Das ist schon einmal klar!) Meine Damen, meine Herren, ich möchte, nachdem es an dem einen oder anderen Punkt durchaus Meinungs- verschiedenheiten in der Großen Koalition gibt, noch auf eine andere Diskussion eingehen, nämlich die über die Beitragsentwicklung; darüber wurde in den vergangenen heißen Tagen diskutiert . Auch da tut Aufklärung not . Ich weiß nicht, ob Kollege Lauterbach anschließend wieder Stellung nimmt, ob er etwas bzw . was genau er dazu gesagt hat . Ich will deutlich betonen: Die GKV hat seit Jahren stabile Beiträge und hohe Rücklagen . Das bleibt auch so, wenn die Wirtschaft weiter floriert. Das wieder- um hängt von vielem ab, unter anderem aber auch davon, ob wir unnötige verunsichernde Debatten über die Anhe- bung von Lohnnebenkosten führen . (Mechthild Rawert [SPD]: Paritätisch!) – Ich komme gleich dazu . Die diskussionsgegenständlichen Defizite liegen ganz besonders an zu niedrig angesetzten Zusatzbeiträgen . Gegen jeden Rat 0,83 Prozent statt 0,9 Prozent als Zu- satzbeitrag zu verlangen und dann nachher zu lamentie- ren, dass das Geld nicht reicht, ist nicht besonders klug . (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Jetzt fallen Sie Ihrem Gesundheitsminister in den Rü- cken!) Das muss man einmal in der Klarheit formulieren . Es geht also um ein hausgemachtes kassenindividuelles Problem . Wir lassen uns an dieser Stelle keine Beitrags- diskussion allgemeiner Art aufdrängen und – das sage ich ganz ausdrücklich – auch keine parteipolitisch motivierte Diskussion über die paritätische Finanzierung der Bei- träge . SPD und CDU/CSU haben sich im Koalitionsvertrag aus gutem Grund und wohlüberlegt, wie ich meine, auf die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrages verständigt . Frau Schulz-Asche, SPD und Grüne müssen davon schon früher, nämlich im Jahr 2003, überzeugt gewesen sein . Es war nämlich die rot-grüne Bundesregierung, die damals von einer vollparitätischen Finanzierung abgewichen ist . (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei der SPD wieder offen!) Zur historischen Wahrheit gehört also auch, dass Sie da- mit angefangen haben . (Beifall bei der CDU/CSU) Vermutlich haben Sie sich seinerzeit etwas dabei gedacht . Wenn das in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Sinn ge- macht hat, dann macht es auch Sinn, das so fortzufüh- ren, um nicht in schwierige Situationen zu kommen . Ich weiß, dass das natürlich auch an die SPD geht, die sich ab und zu nicht gern an die eigenen Taten oder Schand- taten – je nachdem, wie Sie es sehen wollen – erinnert . (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hilde Mattheis [SPD]: Aber Vorsicht, Herr Kollege!) Teil unserer Agenda – dieses Wort wollte ich in die- sem Zusammenhang eigentlich nicht verwenden; aber ich bleibe dabei –, unserer gesundheitspolitischen Agen- da müssen natürlich Sparen in guten Tagen und Investie- ren in qualitative und strukturelle Verbesserungen sein . Das kostet zunächst einmal Geld, aber bringt mittelfristig auch wirtschaftliche Verbesserungen . Auch da tragen die Kassen ihre eigene Finanzverantwortung . Das möchte ich an dieser Stelle deutlich machen . (C) (D) Dr . Georg Nüßlein (A) Selbst wenn Sie es jetzt als populistisch auffassen, es gibt einen Grund, warum ich das sage: Ich habe kein Verständnis für fragwürdige Werbeaktionen, also für Wohlfühlreisen mit Nordic Walking, Aquafitness oder Hatha-Yoga-Kurse . Die Tatsache, dass ich gar nicht ge- nau weiß, was ein Hatha-Yoga-Kurs ist, ist ein Hinweis darauf, dass das nicht mir eingefallen ist, sondern dass ich das der Rüge des Bundesversicherungsamtes ent- nommen habe und diese Rügen berechtigt sind . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Man soll- te nie stolz sein, dass man etwas nicht weiß!) Meine Damen und Herren, wir haben vor der Som- merpause das Präventionsgesetz verabschiedet, (Beifall des Abg . Helmut Heiderich [CDU/ CSU]) um einen wichtigen Teil, nämlich die Gesundheitsvorsor- ge, aus dem Kassenmarketing herauszuziehen . Ich sage das deshalb, weil ich glaube, dass wir als Große Koaliti- on – um mit den Kollegen von der SPD wieder Frieden zu schließen – hier Großartiges geleistet haben . (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oha, was für ein Schlingerkurs!) Mehrere Bundesregierungen haben sich an diesem Ge- setz die Zähne ausgebissen . Wir haben es streitfrei be- schlossen, die Mittel aufgestockt, die Gesundheitsför- derung verbessert: in Arztpraxen, Betrieben und in den Lebenswelten . Dass dabei das Impfen eine besondere Gewichtung (B) hatte und eine besondere Rolle gespielt hat, halte ich per- sönlich für ausgesprochen wichtig . Auch diese Randnotiz sei mir erlaubt: Es wird angesichts der Flüchtlingsströ- me, die zu uns kommen, noch sehr viel wichtiger wer- den, weil plötzlich wieder Krankheitsbilder in Deutsch- land auftauchen, die es hier bisher so nicht gab . Deshalb, sehr geehrter Herr Gesundheitsminister, ist das, was dort passiert, für uns natürlich eine grandiose, große Heraus- forderung . Es geht darum, wie man gesundheitspolitisch mit dieser Thematik umgeht . (Beifall bei der CDU/CSU) Das ebenfalls vor der Sommerpause verabschiedete Versorgungsstärkungsgesetz bietet Ansatzpunkte, um dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegenzuwir- ken . Ich sage ganz bewusst „Ansatzpunkte“ . Die Um- setzung liegt jetzt an der Selbstverwaltung . Das ist kein Selbstläufer, sondern die Selbstverwaltung wird das um- setzen müssen . Auch da sei mir ein Seitenhieb gestattet: Die Vorstände der KVen sollten sich, meine ich, eher auf diese Aufgabe statt auf sich selbst konzentrieren . Die Berichterstattung der letzten Tage ist jedenfalls keine Ei- genwerbung für die KVen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich will den Blick nach vorn richten und das Kran- kenhausstrukturgesetz erwähnen . Im Vorfeld gab es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe . Ich sage ganz offen: Nach 13 Jahren im Parlament und angesichts all dessen, was ich bei solchen Vorabstimmungen bisher erlebt habe, werde ich immer kritischer . Es ist immer dasselbe: Die Länder kommen und verhandeln mit uns . Dann gehen sie raus und tun – bis hin zur Selbstverleugnung – so, als ob sie gar nicht dabei gewesen wären; sie sind dann plötz- lich unschuldig und unbeteiligt . Das ärgert mich . Man muss nicht das Vermittlungsverfahren nach vorne legen, um anschließend ein zweites am Ende durchzuführen . Ich sage das auch an die Adresse der eigenen Länder . Ich bedanke mich ausdrücklich beim BMG . Der Herr Bundesgesundheitsminister hat sich selber die Mühe ge- macht, die Wortwahl und die Formulierungen abzustim- men . Trotzdem wissen die Länder nicht so genau, ob und wie sie sich dazu verhalten sollen . Meine liebe Kollegin Frau Lötzsch, wenn es um die Zuständigkeit der Länder geht, können Sie sich nicht einmal daran erinnern, dass eigentlich sie für die Investitionen verantwortlich sind . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Doch, doch!) Ich hätte von Ihnen als Haushälterin vorhin erwartet, dass Sie das richtig zuordnen, dass Sie sagen, für die Investiti- onen in die Häuser vor Ort sind die Länder zuständig und nicht der Bund, und nicht so tun, als ob wir daran etwas ändern könnten . (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Natürlich ist das so!) Nun gibt es eine Menge Kritik an diesem Gesetz; sie ist sehr breit gespannt . Die GKV sagt, das würde sie 6-Milliarden Euro mehr kosten, die Deutsche Kranken- hausgesellschaft rechnet mit 1 Milliarde Euro Verlust – und da sollen wir jetzt wissen, wo dazwischen die Wahr- heit liegt . Wahr ist, dass vermutlich die eine Seite nur die Abschläge und die andere Seite nur die Zuschläge gese- hen hat . Man muss das schon insgesamt richtig sehen . Wir werden bei der Mengensteuerung etwas tun müs- sen . Ich glaube auch, meine Damen und Herren, wir wer- den beim Thema der Notfallversorgung nachjustieren müssen . Die ambulante Notfallversorgung in den Kran- kenhäusern macht allen – landauf, landab – Schwierig- keiten . Es ist nun einmal Fakt, dass Ärzte Notfallpatien- ten ins Krankenhaus schicken, insbesondere abends und am Wochenende, und dass dort die diagnostischen Mög- lichkeiten andere sind; auch die Kosten, die sich daraus ergeben, sind andere . Hier müssen wir etwas dafür tun, dass das so abgefangen wird, dass die Patientinnen und Patienten im Notfall richtig und gut versorgt werden und die Krankenhäuser nicht draufzahlen . Denn am Schluss ist der Maßstab, dass diejenigen, die ihre Hausaufgaben schon längst gemacht haben, die gut aufgestellt sind und erreichbare Krankenhäuser haben, nicht in Schwierig- keiten kommen, dass aber auch diejenigen, die das nicht gemacht haben, die zu viele Krankenhäuser haben – auch da bin ich im Übrigen wieder bei Nordrhein-Westfalen –, einen Weg gewiesen bekommen, um diese Strukturen zu bereinigen . Da kann die Linke noch so sehr schimpfen . Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Nüßlein (C) (D) (A) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Es ist notwendig, die Strukturen anzupassen . Diesen Weg werden wir gemeinsam gehen . Vielen herzlichen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke . – Nächster Redner ist der Kollege Harald Weinberg, Die Linke . (Beifall bei der LINKEN) Harald Weinberg (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit drei kurzen Vorbemerkungen beginnen: Erste Vorbemerkung . Herr Nüßlein, die Kassen auf der einen Seite in den Markt und in den Wettbewerb zu schicken und auf der anderen Seite hier, von diesem Pult aus, die Folgen zu beklagen, ist schofel; das muss ich ehrlich sagen . (Beifall bei der LINKEN) Die zweite Vorbemerkung geht auch an Ihre Adresse: Sie müssten unseren Antrag zur Kofinanzierung wirklich lesen . Wir schlagen darin vor, dass wir den Ländern ei- nen Anreiz bieten sollten, den gleichen Betrag obendrauf zu legen . Das hat es schon einmal gegeben, und das hat auch gewirkt . Insofern ist dies durchaus eine Sache, die (B) zwischen dem Bund und den Ländern geklärt und orga- nisiert werden kann . (Beifall bei der LINKEN) Dritte Vorbemerkung . Zu dem Thema Flüchtlinge nur ein paar kurze Sätze: Ich denke, der diskriminierungs- freie Zugang zur allgemeinen Gesundheitsversorgung und nicht zu der eingeschränkten Gesundheitsversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist ein soziales Menschenrecht . Darüber reden wir . (Beifall bei der LINKEN) Unser Antrag zur Gesundheitskarte ist im Verfahren . Lassen Sie ihn uns einfach zur Grundlage für die weite- re Diskussion machen, und lassen Sie uns dafür sorgen, dass daraus etwas Vernünftiges wird . Ich würde mich auf jeden Fall darüber freuen . (Beifall bei der LINKEN) Die Haushaltsdebatte bietet immer auch Gelegenheit, Bilanz hinsichtlich der Gesundheitspolitik zu ziehen; das ist ja schon einmal gesagt worden . Sehr geehrter Minis- ter, einen Vorwurf kann man Ihnen gewiss nicht machen, nämlich den des Aussitzens . Ihr Ministerium hat geliefert und hält das Parlament in einer hohen Frequenz mit Ge- setzentwürfen auf Trab . Dass die Lieferungen aus unserer Sicht ganz über- wiegend in die falsche Richtung gehen, ist eine andere Frage . Sie arbeiten den Koalitionsvertrag mit seinen teilweise sehr detailreichen Vereinbarungen ab: Arz- neimittelreform, Finanzreform, ambulante Versorgung, E-Health-Gesetz, Prävention, Krankenhausversorgung – das ist derzeit im Verfahren –, Pflegepolitik Teil 1 und demnächst Pflegepolitik Teil 2. (Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Macht er gut!) Die Grundausrichtung der Koalitionsvereinbarung im Gesundheitsbereich haben wir bereits mehrmals kri- tisiert . Sie entfernen sich von einer Gemeinwohlorien- tierung des Sozialstaatsgebotes des Grundgesetzes und bauen das Gesundheitswesen in Deutschland mit immer mehr Wettbewerbselementen marktwirtschaftlich um . Sie entlasten die Arbeitgeber und belasten die Versicher- ten einseitig . (Karin Maag [CDU/CSU]: Unsinn!) Wir haben das alte Problem, dass die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung noch immer stärker wachsen als die Einnahmen . Diese Koalition hat zu ver- antworten, dass alleine die Versicherten den finanziellen Mehrbedarf, den Aufwuchs, per Zusatzbeitrag zahlen müssen . Hier beginnt Ihr Problem, Herr Gröhe . Dabei ist es relativ unbedeutend, dass die SPD nun in Bezug auf die paritätische Finanzierung aufmuckt . Die SPD hat das mit Ihnen ja schriftlich vereinbart . Darauf können Sie recht bequem verweisen, und das tun Sie ja auch immer wie- der . Ihr Problem sind aber die Menschen in diesem Land . Sie werden noch vor der nächsten Wahl merken, dass sie für dieselbe Leistung immer mehr zur Kasse gebe- ten werden . Es wird für Sie schwierig, das zu erklären . Mit dem üblichen Verweis auf die angeblichen Nöte der Arbeitgeber dürfen Sie hier nicht auf das Verständnis der Wählerinnen und Wähler hoffen . (Beifall bei der LINKEN) Ich empfehle Ihnen daher im eigenen Interesse: Sor- gen Sie dafür, dass die Arbeitgeber wieder zur Hälfte an der Beitragszahlung beteiligt werden . Das wäre ein gro- ßes neues Projekt, für das Sie Respekt erhalten könnten und für das Ihnen auch die Stimmen der Opposition si- cher wären . (Beifall bei der LINKEN) Nun weiter zur Bilanz: Was uns die Große Koalition bisher an Gesundheitspolitik geboten hat, war mehr oder weniger eine Fortsetzung der Politik der Vorgängerregie- rungen . (Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Gut!) Sie haben der Gesundheitspolitik keine neue Richtung gegeben . Sie haben es fortgesetzt, immer mehr Wettbe- werbselemente in diesen Teil des Sozialstaates einzufüh- ren, und Sie haben das Unwesen fortgesetzt, den Lobbys der Leistungserbringer mehr entgegenzukommen als den berechtigten Interessen der Versicherten . Früher konnte man ja meinen, dass die FDP der Motor für diese Art von Neoliberalisierung gewesen ist . (Maria Michalk [CDU/CSU]: Oh nein!) (C) (D) Harald Weinberg (A) Nun ist die FDP aber weg, und die Grundrichtung hat sich nicht geändert, auch nicht durch den Eintritt der SPD in die Große Koalition . (Mechthild Rawert [SPD]: Sie haben den Koalitionsvertrag nicht genau gelesen!) Im letzten Jahr gab es zum Beispiel das GKV-Versor- gungsstärkungsgesetz . Damit wollten Sie die Ärztinnen und Ärzte zwingen, ihre Praxen dort zu eröffnen, wo sie gebraucht werden, und nicht dort, wo sie am meisten Privatpatienten vorfinden. Sie hatten hier ursprünglich eine Regelung vorgesehen, die schon recht harmlos war; denn nur in Gebieten, die schon zu 110 Prozent versorgt sind, sollte – so Ihr Gesetzentwurf – der zuständige Aus- schuss aus Ärzteschaft und Krankenkassen gemeinsam entscheiden, dass eine Praxis, deren Inhaber aus Alters- gründen ausscheidet, nicht nachbesetzt wird . Darin sind schon drei Bedingungen enthalten: Erstens . Die Region muss überversorgt sein . Zweitens . Die Ärzte müssen zustimmen, dass diese Praxis tatsächlich nicht gebraucht wird . Drittens . Diese Regelungen treffen kei- nen einzigen aktiven Arzt, weil sie nur im Falle eines Eintritts in den Ruhestand zur Geltung kommen . Die Ärzteschaft hat dann ihre ganze Lobbykampfkraft mobilisiert, und Sie haben tatsächlich nachgegeben . Nun hat die Regelung gar keine Zähne mehr, weil sie nur noch dort gilt, wo ein Versorgungsgrad von 150 Prozent und mehr erreicht ist, also nur noch in ganz wenigen Regi- onen . (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Nur (B) noch am Starnberger See!) So werden wir nie eine gute Versorgung auf dem Land oder in vernachlässigten innerstädtischen Gebieten ha- ben . Noch ein Beispiel . Mit der gerade laufenden Gesetz- gebung zur Krankenhausreform werden die drängenden Probleme nicht gelöst . (Beifall bei der LINKEN) Es werden keine Anreize gesetzt, damit die Länder ihren Investitionsverpflichtungen gegenüber den Krankenhäu- sern nachkommen . (Maria Michalk [CDU/CSU]: Fragen Sie das mal die Frau Kollegin Lötzsch!) Als Versicherter muss man weiterhin befürchten, zur Ver- besserung der wirtschaftlichen Situation des Kranken- hauses operiert zu werden und nicht aus medizinischen Gründen . Das, was Sie in Sachen Pflegenotstand machen, ist nicht einmal Homöopathie . Der Kern des Gesetzes, die qualitätsorientierte Vergütung, wird vermutlich nie funktionieren, wie Ihnen gestern bei der Anhörung so- gar die Institution ins Stammbuch geschrieben hat, die damit beauftragt werden soll, der Gemeinsame Bundes- ausschuss . Der Weg in den simulierten Wettbewerb wird fortgesetzt . Dabei wird manches Krankenhaus, das für die Versorgung eigentlich notwendig wäre, geschlossen oder der Privatisierung anheimgestellt . Wir meinen: Das darf nicht sein . (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir brauchen auch hier eine Neuausrichtung: weg vom Fetisch des Wettbewerbs hin zu einer gemeinwohl- orientierten und sektorübergreifenden Gesundheitsver- sorgung . Das wird aber mit dieser Koalition nicht zu machen sein . Dafür braucht es in diesem Lande größere Veränderungen, vor allen Dingen eine stärkere Linke . Vielen Dank . (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Nächste Rednerin für die SPD-Frakti- on ist die Kollegin Petra Hinz . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Petra Hinz (Essen) (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- gen! Liebe Gäste auf den Besuchertribünen! Bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, möchte ich ein Wort zu Ihnen sagen, Herr Dr . Nüßlein . Sie haben beim Thema Parität erklärt, dass wir an der Gesetzgebung zu diesem Thema beteiligt gewesen wären, die CDU/CSU hingegen nicht . – Nein, das stimmt so nicht . Wer bei der Gesetzge- bung zu diesem Thema immer dabei war, war die CDU/ CSU . Als wir mit Rot-Grün in der Regierungsverantwor- tung waren, war die Frage, wie wir die Unterstützung des Bundesrates zur Änderung der vollparitätischen Finan- zierung bekommen . Sie waren also auch beteiligt . Sie waren also immer mit im Boot, als es um die Frage der Parität ging . (Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Wir bekla- gen sie auch nicht!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden heute über den dritten Haushalt der Großen Koalition . Ich muss sa- gen: Ich fand es sehr interessant, was die Fachkollegin- nen und Fachkollegen gesagt haben . Das, was Sie im zurückliegenden Jahr – ich rede nicht von den letzten zwei Jahren, sondern in der Tat vom zurückliegenden Jahr – hier an Gesetzen verabschiedet und umgesetzt haben, was eine Anhörung und Beratung im Ausschuss voraussetzt, ist eine großartige Leistung . Egal wie Sie ab- gestimmt haben: Unter dem Strich haben Sie sich mit der gesamten Thematik des Gesundheitswesens beschäftigt . Als Haushälter muss man einfach einmal sagen: Das ist eine großartige Leistung . (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herzlichen Dank!) In den zurückliegenden Haushalten haben wir uns, als zum Beispiel der Haushalt 2014 eingebracht worden ist, die Frage gestellt: Wie gehen wir mit der Finanzierung der AIDS-Stiftung um? Dieser Herausforderung haben wir im Haushalt Rechnung getragen . Nichtsdestotrotz bleibt das Thema auf der Tagesordnung . Wie wird es hier in der Perspektive langfristig weitergehen? In den (C) (D) Petra Hinz (Essen) (A) Haushaltsberatungen stellt sich also die Frage: Welche Gespräche haben Sie dazu geführt? Erinnern wir uns – auch das hat gerade der Gesundheits- minister, Herr Gröhe, angesprochen – an das Thema Ebo- la . Im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2015 haben wir uns in wirklich jeder Sitzung des Haushaltsausschus- ses, aber haben auch Sie sich in den Fachausschüssen mit dem Thema Ebola beschäftigt . Jetzt hört man nichts mehr, sehr wenig oder nur noch punktuell davon, wenn man nachfragt . Was ist aus diesem Thema geworden? Steht jetzt nur noch die Flüchtlingshilfe im Vordergrund? Gibt es das Problem Ebola jetzt nicht mehr? Was passiert in den Krisenregionen? Was ist aus den Maßnahmen ge- worden, die wir angeschoben haben? Das sind Fragen, die wir im Rahmen der Haushaltsberatungen auf jeden Fall stellen werden . Da müssen wir auch noch einmal darauf sehen, ob das, was wir in der Krisensituation geleistet haben, tatsäch- lich auch Bestand für andere Zeiten – über diesen Haus- halt hinaus – hat . Haushalt 2016: Heute ist der erste Tag der Haushalts- beratung mit der Einbringung des Haushaltes . Ich glau- be, jeder Rednerin und jedem Redner ist es wirklich ein Herzensanliegen, noch einmal die Situation der Flücht- linge – der Menschen, die aus der Krise herauskommen – deutlich zu machen und auch deutlich zu machen, wie stark uns das bewegt . Dabei wird jeder sicherlich ganz unterschiedliche Schwerpunkte mit ganz unterschiedli- chen Ausrichtungen haben . Unterm Strich aber beschäf- tigt es uns sehr, und es liegt uns allen insgesamt am Her- (B) zen . Das ist vor allem so, wenn man die Kinder sieht, die ohne Familie, ohne Eltern bzw. Erwachsene flüchten, hier stranden und mit ihren Sorgen und Nöten – das geht bis hin zu Traumata – fertig werden müssen . Damit müs- sen wir umgehen . Dieses Umgehen heißt für uns auch, in Bezug auf den Einzelplan 15 des Haushalts – er betrifft den Gesundheits- bereich – zu fragen: Wie gehen wir mit den Menschen um, die nach Flucht und Vertreibung aus Krisenregionen hierher kommen? Das sind nicht nur Wirtschaftsflücht- linge . Vielmehr ist es so, dass sich die Menschen – das muss man sich einfach noch einmal bewusst machen – in ein Gummiboot setzen, dann über Stunden und Tage hinweg über das offene Meer fahren, um irgendwo zu landen, wo sie Frieden und Sicherheit haben . Da ist die Frage: Wie nehmen wir diese Menschen auf? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Also, für mich stellt sich in Bezug auf unseren Gesund- heitsetat schon die Frage: Wie viel von den 6 Milliarden Euro bleibt denn tatsächlich bei uns im Gesundheitsetat hängen? Wie werden wir das in unserem Etat wiederfin- den? Das heißt, dass schon deutlich gesagt werden muss, dass es nicht nur um die Frage des Durchimpfens geht . Auch geht es nicht nur um die Frage, dass wir ihnen – das ist natürlich so – Schutz und im Notfall eine Versorgung bieten . Für mich stellt sich aber – so wie es mein Kollege gerade deutlich gemacht hat – auch die Frage: Was ist mit der Gesundheitskarte? Wir müssen doch eine Antwort auf diese Frage finden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN) Insofern hoffe ich auch, dass im Rahmen des Bund-Län- der-Gipfels ein entscheidender Durchbruch kommt . Wir fordern eindeutig, dass es hier eine klare Positionierung zur Gesundheitskarte geben wird . (Beifall bei der SPD) Das waren – erst einmal grob dargestellt – die Themen allgemein . Der Haushalt beschäftigt sich aber auch noch mit vielen anderen Dingen . Das haben Sie, liebe Fach- kolleginnen und Fachkollegen, in dem zurückliegenden Jahr auch sehr deutlich gemacht . Was die Größe des Haushalts anbelangt: Wir reden in der Tat nicht über den größten Haushalt, aber über einen, der die Menschen insgesamt betrifft . Gesundheit, Krank- heit und Pflege gehen uns alle an. Auch Vorsorge und Prävention sind Themen, die uns insgesamt beschäfti- gen . Insofern geht es nicht um die Größe des Haushaltes, sondern um die Fragen: Was machen wir mit dem, was uns zur Verfügung steht? Und setzen wir in der Tat da die richtigen Prioritäten? Wir haben im Haushalt 86,4 Millionen Euro in Bezug auf die Setzung von Schwerpunkten erstens im Bereich von Prävention und Aufklärung bzw . zweitens der Or- ganspendekampagne . Auch da wird noch einmal kritisch nachgefragt werden . Wir haben im Jahr 2014 – als es in den Krankenhäusern den einen oder anderen Missstand im Rahmen der Organvergabe gab – dieses Geld noch einmal aufgestockt . Was ist in der Zwischenzeit gesche- hen? Dabei ging es – drittens – um die Aids- und Droge- naufklärung sowie – viertens – um die Bekämpfung von Diabetes . In diesem Zusammenhang rede ich nicht nur über den Diabetes Typ 2, Altersdiabetes, sondern, was ja viel schlimmer ist, über Diabetes bei jungen Menschen bzw . Kindern, die aufgrund falscher Ernährung und nicht vorhandener Aktivitäten im Sportbereich – nicht vorhan- dener Aktivitäten überhaupt – krank werden . Was die Be- kämpfung von Diabetes angeht, ist auch der Aspekt von Migration und Integration diesmal im Haushalt nachzu- lesen . Fünftens geht es um die Förderung von Maßnahmen im Bereich der Kindergesundheit und sechstens im Be- reich der Pflege bzw. Pflegeberufe. Da haben wir – ha- ben Sie –, denke ich, eine ganze Menge auf den Weg gebracht . Das ist so, wenn ich sehe, wie jetzt die Fragen von Pflege und Demenz angegangen werden. Das war längst überfällig und ist jetzt, denke ich, auch zu Recht auf den Weg gebracht worden . Nichtsdestotrotz werden wir auch da nachfragen: Ist das, was mit dem Gesetz auf den Weg gebracht worden ist, das Einzige? Und was ist darüber hinaus noch im Haushalt zu finden? Gibt es da Überschneidungen? Gibt es da möglicherweise Dinge, die verändert werden müssen? Siebtens geht es um die Frage der internationalen Zu- sammenarbeit . Auch die haben wir immer wieder sehr deutlich und sehr intensiv diskutiert, wenn es um die Fra- ge ging: Leisten wir genug, wenn wir einen Pflichtbei- trag leisten? Oder soll es darüber hinaus auch freiwillige (C) (D) Petra Hinz (Essen) (A) Maßnahmen geben? Das wird sicherlich auch noch ein- mal ein Thema dieser Haushaltsberatungen sein . (Beifall der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich möchte gerne bezüglich des Haushaltes noch zwei oder drei Punkte aufgreifen . Einmal geht es um Präven- tion und Kindergesundheit . Das liegt, denke ich, allen Gesundheitspolitikern gerade in dieser Legislatur sehr am Herzen . Wir haben in diesem Bereich den Titel „Kin- derprävention“ der letzten Koalition, der eigentlich aus- gelaufen wäre, reaktiviert . Wir haben ihn wieder neu mit Geld versehen . Das soll in dieser Form verstetigt werden . Ich möchte zum Thema Prävention und Kinderge- sundheit hervorheben, dass die Drogenbeauftragte, Frau Mortler, in der Sommerpause Schulklassen bereist hat, die an dem Programm Klasse 2000 teilnehmen . Unter anderem war sie auch in meinem Wahlkreis . Wir haben uns angesehen, was unter dem Stichwort „Klasse 2000“ umgesetzt wird . Ich muss sagen: Großartiges . Die Grundschule in meinem Wahlkreis hat uns in ganz großartiger Weise gezeigt, wie wichtig das für die Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse ist . Ich weiß, dass es auch im Kitabereich Projekte gibt . Aber was ist mit den jungen Erwachsenen danach, wenn sie zur weiterführen- den Schule gehen und Fragen im Zusammenhang mit der Pubertät usw . dazukommen? Es gibt also noch eine ganze Menge Punkte, wo wir im Rahmen der Haushaltsberatungen genau hinsehen werden . Den Punkt Suchthilfe, Methadontherapie und (B) sonstige Programme will ich aus Zeitgründen nicht an- sprechen . Ein weiterer Schwerpunkt, der mir auch sehr am Her- zen liegt, sind Menschen mit Behinderung . (Beifall der Abg . Mechthild Rawert [SPD]) Wenn man als gesunder Mensch krank wird, ist das schon schlimm . Aber wenn man behindert ist, ist das noch eine sehr viel größere Herausforderung, der wir uns stellen . Wir haben in dem aktuellen Haushalt für 2015 Gelder für den Bereich Special Olympics bereitgestellt . Ich habe in diesem Zusammenhang genauer hingesehen und auch mit Ärzten gesprochen . Dabei habe ich gelernt, dass intellektuell behinderte Menschen bzw . Menschen mit Downsyndrom fast nie einer Augenuntersuchung unterzogen werden . 80 Prozent der Kinder und jungen Erwachsenen unter den Menschen mit intellektueller Behinderung werden gar nicht untersucht . Das heißt, sie können teilweise nicht etwa deshalb nicht arbeiten, weil sie nicht arbeiten könnten, sondern weil sie nicht gut se- hen . Im Rahmen der Special Olympics sind täglich 250 Athletinnen und Athleten untersucht worden . Rund 100 Brillen sind jeden Tag angefertigt worden . Das sollte uns auf jeden Fall interessieren, und da sollten wir genauer hinsehen . (Beifall im ganzen Hause) Ich möchte gerne noch einen anderen Punkt anspre- chen, und zwar die Pflege im Umgang mit behinderten Menschen, die ins Krankenhaus kommen . Das gilt für Kinder wie für ältere Menschen, aber nehmen wir zu- nächst die Kinder, weil sie unseren besonderen Schutz benötigen . Zurzeit fehlt es noch an Assistenz . Die jungen Eltern können nicht jeden Tag der Arbeit fernbleiben, um beim Kind zu sein . Die Eltern müssen sicher sein, dass sie in diesem Bereich auf jeden Fall eine Assistenz haben, die dann, wenn sie zur Arbeit gehen oder ande- ren Aktivitäten nachgehen müssen, dafür sorgt, dass das Kind oder auch der ältere Mensch gut versorgt ist . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) All dies sind Themen, die wir im Rahmen dieser Haus- haltsberatungen sicherlich aufgreifen werden . Zum Schluss möchte ich unserer Staatsministerin Aydan Özoğuz ganz herzlich danken, die im Frühjahr dieses Jahres ins Kanzleramt eingeladen und dazu auf- gerufen hat, die Charta der Vielfalt zu unterzeichnen . Im Rahmen dieser Veranstaltung sind sehr viele Maßnah- men gerade im Bereich der Migration und Integration be- sprochen worden, die wir jetzt in diesem Haushalt suchen werden . Wir werden darauf achten, ob sie tatsächlich in dieser Form umgesetzt werden . Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Präsidentin . Mein Kollege Dirk Heidenblut und ich haben in der zurückliegenden Woche das Thema Hospiz und Palliativversorgung in unseren Wahlkreisen angesprochen . Es war eine großartige Ver- anstaltung, aber ganz zum Schluss hat uns eine Palliativ- medizinerin mit auf den Weg gegeben: Wir müssen hier vor Ort in Berlin im Rahmen unserer politischen Aufga- be und Verantwortung darüber diskutieren, was uns der Mensch insgesamt im Bereich der Gesundheit und der Pflege wert ist. Es geht nicht darum, was es uns kostet, sondern darum, was uns Gesundheit und Pflege wert sind. (Beifall bei der SPD) Vor diesem Hintergrund werden wir insgesamt die Haushaltsberatungen durchführen, und ich möchte Sie, liebe Fachkolleginnen und Fachkollegen, dazu aufrufen, uns als Haushälterinnen und Haushälter in dieser Frage zu unterstützen . Ganz herzlichen Dank . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . –Als Nächste hat Elisabeth Scharfenberg, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister Gröhe! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehr- te Damen und Herren! Die Binsenweisheit „Viel hilft viel“ mag auf einiges zutreffen, aber sie wird nicht auf die Pflege und die Pflegepolitik zutreffen. Viel hilft viel? Zwei Pflegestärkungsgesetze, das Krankenhausstruktur- gesetz, das Hospiz- und Palliativgesetz und die Reform der Pflegeausbildung sollen dieses Jahr noch kommen, (C) (D) Elisabeth Scharfenberg (A) und diese Regierung tut so, als würde sie keine Kosten und Mühen scheuen . Ja, es wird viel Geld ausgegeben . Dass dieses Geld das Geld der Versicherten ist, das ver- schweigen Sie ganz geflissentlich. Also: Viel hilft viel, und das viele auch noch ganz schnell . Aber Masse ist eben nicht automatisch Klasse . Da ist das Pflegestärkungsgesetz II. Damit soll endlich der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden. Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff machen Sie nun schon seit Wochen einen auf ganz dicke Hose . Sie können vor Kraft fast nicht laufen, und das, obwohl der entsprechende Gesetzentwurf noch nicht einmal einge- bracht wurde . Mit diesem Gesetz soll mehr Geld in die Pflegeversicherung fließen. Das ist lange überfällig. Aber dadurch allein wird Pflege nicht besser. Für die Verbesse- rung der Pflege brauchen wir auf jeden Fall mehr qualifi- ziertes Personal . Dazu müssen sich dringend die Arbeits- bedingungen der Pflegekräfte verbessern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Zum Teil sind diese Arbeitsbedingungen himmelschrei- end. Wir alle wollen, dass die Pflegeberufe attraktiver werden und dass Pflegekräfte mehr Anerkennung be- kommen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie, lieber Herr Laumann, sagen immer gerne: Geld pflegt nicht. – Das stimmt. Das ist ein schöner Satz, und damit haben Sie vollkommen recht . Allerdings, Herr Laumann, kann ich Ihnen nicht mehr so wirklich glau- (B) ben . Seit Sie Patientenbeauftragter sind, haben Sie die unabhängige Patientenberatung faktisch kaputtgemacht . Auf Ihr Wort, Herr Laumann, sollten sich die Pflegekräf- te zukünftig lieber nicht verlassen . Sie haben zwar mit einem Gutachten belegt, wie unterschiedlich die Bezah- lung von Pflegekräften in der Bundesrepublik ist. Gepol- tert haben Sie auf jeder Veranstaltung, auf der ich Sie ge- sehen habe . Aber Sie ändern nichts . Was folgt, sind reine Alibiaktionen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da ist das Pflegestellenförderprogamm in Kranken- häusern . Das hat in der gestrigen Anhörung zur Kran- kenhausreform zu Recht vernichtende Kritiken erfahren . Personalbemessungsverfahren? Ja, wir lesen im zweiten Pflegestärkungsgesetz etwas von einem Personalbemes- sungsverfahren; das fordern wir Grüne seit Jahren. Aber das soll bis Mitte 2020 gerade einmal entwickelt und er- probt werden . Sie hören richtig: entwickelt und erprobt, nicht etwa eingeführt! Das dauert doch viel zu lange . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dann wollen Sie die drei Pflegeberufe zusammenführen. Sie sagen, das werde den Pflegeberuf aufwerten. Es tut mir leid, aber das ist keine Aufwertung, sondern eher Wahnsinn . Das genaue Gegenteil werden Sie letztendlich damit erreichen . Schwarz-Rot redet auch viel von den Belastungen pflegender Angehöriger. Aber Reden alleine genügt nicht. Das hilft keinem einzigen pflegenden Angehöri- gen . Ihr Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, also die neue Pflegezeit und die neue Familienpflegezeit, ist wirklich nicht der große Wurf. Dieses Gesetz ist – das muss man so ehrlich sagen – eher ein Rohrkrepierer . Ich weiß, Herr Gröhe, dass das nicht Ihr Ressort ist . Es ist aber Ihre Regierung, die dieses Ge- setz verabschiedet hat . Offensichtlich haben Sie dieses unsinnige Gesetz einfach abgenickt und durchgewunken . Dieses Gesetz ist ein Witz . Es lädt alle Last auf den An- gehörigen ab . Es hilft nur denjenigen, die es sich leisten können, ihre Auszeit selbst zu finanzieren. Dieses Ge- setz deckt nicht einmal alle Betriebe ab . So gut wie kein Mensch nimmt dieses Angebot wahr . Das sage nicht ich, sondern das sind aktuelle Informationen Ihrer Regierung auf unsere diesbezügliche Kleine Anfrage . Zum Schluss noch zur Finanzierung . Schließlich re- den wir heute auch über gute Haushaltsführung . Sie verplanen hier Milliarden von Versichertengeldern, und selbst haben Sie keine Idee für ein nachhaltiges Finanzie- rungskonzept . Das ist mehr als unverantwortlich . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bis maximal 2022 wird das Geld der Pflegeversicherung reichen. Und was dann? Der völlig unsinnige Pflegevor- sorgefonds, den Sie uns aufgedrückt haben, bringt jeden- falls überhaupt nichts; das wissen wir alle doch hier im Raum . Langfristig führt kein Weg an der Bürgerversiche- rung vorbei; auch das wissen Sie genau. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ceterum censeo!) Alle Bürgerinnen und Bürger sowie alle Einkommens- arten müssen in diese Versicherung einbezogen werden . Das ist gerecht . Das ist solidarisch, und das ist nachhal- tig . Das sieht die SPD im Übrigen genauso, oder, Herr Lauterbach? Ich denke, darin sind wir uns einig . Darüber sprechen Sie aber nicht, sondern darüber schreiben Sie nur in dem SPD-Positionspapier zur Pflege. (Mechthild Rawert [SPD]: Ist doch gut!) Dort wird das Problem der Personalbemessung ange- sprochen, und dort fordern Sie sogar die Einführung der Bürgerversicherung, und das in einer Zeit, in der Sie ein anderes Gesetz einbringen . (Dr . Karl Lauterbach [SPD]: Schritt für Schritt!) Ehrlich gesagt ist das nichts anderes als eine Bankrotter- klärung der SPD-Beteiligung in der Gesundheitspolitik und der Pflegepolitik. (Dr . Karl Lauterbach [SPD]: Nein!) Vielen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Als Nächstes hat die Kollegin Maria Michalk, CDU/CSU-Fraktion, das Wort . (Beifall bei der CDU/CSU) (C) (D) (A) Maria Michalk (CDU/CSU): Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- ten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Be- vor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich zunächst einmal Frau Scharfenberg etwas sagen . Als Sprecherin Ihrer Fraktion für die Pflege sollten Sie zumindest ein- mal öffentlich anerkennen, was für Pakete wir in dieser Legislaturperiode für die Pflegebedürftigen, ihre pflegen- den Angehörigen und die, die sich in Heimen um Pflege- bedürftige kümmern, auf den Weg gebracht haben . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Sie ignorieren einfach Tatsachen, die vorher niemand in dieser Kompaktheit geschaffen hat . (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir legen den Finger in die Wun- de!) Deshalb gilt unserem Bundesminister und natürlich auch dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevollmächtigten für Pflege ein großes Dankeschön . Es ist eine hervorragen- de Vorleistung, was wir hier im Parlament beraten ha- ben und beim nächsten Gesetzentwurf auch noch beraten werden . Danke schön! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Eins geht gar nicht: dass Sie unseren Patientenbeauf- tragten mit Ihren Vorwürfen rund um die UPD-Vergabe dermaßen öffentlich diskreditieren; das können wir so (B) nicht stehen lassen . Denn in der Zwischenzeit müssten auch Sie über den Gesundheitsausschuss die Drucksache mit der Stellungnahme der Vergabekammer zum abge- laufenen Vergabeverfahren erhalten haben . Darin sind alle Kritikpunkte im Einzelnen dezidiert entkräftet . Des- halb bitte ich einfach, in der Realität anzukommen . (Beifall bei der SPD) Ich kann mich eigentlich nur der Kollegin Hinz an- schließen, die als Haushälterin einfach noch einmal be- kräftigt hat, dass in diesem Gesundheitsausschuss bisher ein riesengroßes Paket zugunsten der Versicherten in der Kooperation mit der Selbstverwaltung, mit den Leis- tungserbringern geschnürt worden ist, um unser Gesund- heitswesen insgesamt zu verbessern . Diese Arbeitsinten- sität gibt es wohl kaum in einem anderen Ausschuss als im Haushaltsausschuss . Vielen Dank für Ihr Lob, Frau Hinz! Ich möchte an dieser Stelle Herrn Weinberg sagen: Sie waren derjenige Ihrer Fraktion, der öffentlich noch ein- mal erklärt hat, dass die Deckung der Kosten für Investi- tionen in Krankenhäuser in die Länderzuständigkeit fällt . Dies steht im Gegensatz zu Ihrer Kollegin Lötzsch, die es andersherum bewertet hat . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Haben Sie das wieder falsch verstanden?) Aber die Frage ist doch: Wenn wir als sehende Poli- tiker den Bedarf, in Krankenhäuser zu investieren, jetzt insofern angehen, als dass wir Lösungen suchen (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) wobei wir die Länder übrigens nicht aus der Verantwor- tung entlassen; vielmehr gilt der im Bundesgesetz ver- ankerte jeweilige Länderanteil – dann ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung . Denn den drohenden und in vielen Häusern bestehenden Investitionsbedarf können wir nicht unberücksichtigt lassen . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aber die Stellungnahmen haben Sie gelesen?) Frau Lötzsch, von daher ist Ihre Kritik absolut unberech- tigt gewesen . (Beifall bei der CDU/CSU) Was aber überhaupt nicht stimmt, Herr Weinberg, ist, dass in Zukunft die Versicherten für ein und diesel- be Leistung immer tiefer in die eigene Tasche greifen müssen . Sie wissen ganz genau, dass wir bei unserer Beschlussfassung zur Finanzierung des gesetzlichen Ge- sundheitswesens die Krankenkassen ermächtigt haben, über Satzungsleistungen besondere Leistungen für ihre Versicherten anzubieten . Sie haben die Möglichkeit, die- ses Leistungsspektrum durch Zusatzbeiträge zu finanzie- ren . Es bleibt in der Zuständigkeit einer jeden Kasse, das so zu regeln, dass sie für ihre Versicherten das Optimum anbieten, und die Versicherten haben die Wahlfreiheit . Was, bitte schön, spricht dagegen? Das wird von vielen Versicherten genutzt, wie die Anzahl der Krankenkassen- wechsel zeigt . Auch wir finden, dass die gleiche Leistung nicht das Gleiche kostet . Sie verkennen daran, dass wir im Grun- de genommen permanent auch über die Forschung, auch über die hervorragenden medizinischen Erkenntnisse und die Fertigkeiten der Leistungserbringer immer besser in die Lage versetzt wurden, operieren zu können, nach Methoden, die vielleicht nicht so einen extremen Eingriff für den Patienten bedeuten, die unterm Strich auch in der Nachsorge günstiger sind . Sie müssen das Ganze schon in seiner Komplexität sehen. Da wir das als Politiker hier in unserem öffentlichen Haus nicht selber entscheiden können, arbeiten wir ganz dezidiert mit der Selbstverwaltung zusammen . Dort sitzen die Experten. Dort werden die Richtlinien und Durchführungsbestimmungen gemacht . Wenn uns etwas nicht klar ist, dann haben wir immer das Recht, nach- zufragen, und das tun wir auch . Neuerdings gehen wir sogar dazu über, auch Fristen zu setzen . Ich will damit sagen: Da ist ein guter Weg eingeschlagen worden, und auf dem wollen wir weitergehen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Ich möchte Ihnen, Frau Schulz-Asche, die Sie kriti- siert haben, dass wir mit unserem Bundeshaushalt klein- lich sind und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stiefmütterlich behandeln, (Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Nein, das hat sie gar nicht gesagt! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit falschen Mitteln behandeln Sie sie!) (C) (D) Maria Michalk (A) einfach noch einmal einen kleinen Punkt in Erinnerung rufen, nämlich dass wir jetzt zusätzlich drei Stellen, steu- erfinanziert, im Haushalt haben. Sie können also nicht so tun, als wenn wir nicht reagieren . Das ist ein kleiner Punkt, aber ein wichtiger Punkt, ein Signal . (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie aber eine grund- sätzliche Frage des Präventionsgesetzes nicht verstanden!) – Doch! Ich komme gleich noch zu dem Präventionsge- setz . Es gab viele Kritikpunkte . Ich habe versucht, das in der Summe klarzustellen . Ich will jetzt sagen: Das deut- sche Gesundheitssystem genießt weltweit große An- erkennung . Wir haben noch nie so stabile Verhältnisse gehabt wie jetzt . Das muss man auch einmal anerken- nen . Es gibt hier diese Kombination von ambulanter und stationärer Versorgung mit Rehabilitation, Vorsorge, Prävention, medizinisch-technischem Fortschritt, immer besseren Erkenntnissen . Der Austausch mit Gesundheits- systemen innerhalb Europas und in der Welt, wie wir schon gehört haben, zeigt, dass wir da an der Spitze der Bewegung sind und viele Länder dieser Welt uns um un- seren Mut, um unsere Konsequenz und manchmal auch um unsere Gründlichkeit beneiden . Deshalb gilt unserem Gesundheitsminister, der die Vorlagen macht, ein herzli- ches Dankeschön . (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will auch noch auf einen Punkt eingehen, der hier (B) mit Blick auf die Gesundheitskarten für Flüchtlinge eine Rolle gespielt hat . Alle in diesem Haus wissen, dass wir im Grunde genommen jetzt die Regelung haben, dass die Länder auf freiwilliger Basis mit den Krankenkassen Ver- einbarungen treffen können . Dass das funktioniert, sehen wir in Hamburg, Bremen und jetzt Nordrhein-Westfalen . Dass es weitere Länder gibt, die dies auch gern wollen, wo aber die Kassen es nicht möchten oder sich zumin- dest jetzt noch verschließen, wie auch immer, gehört zum System . Das kann uns aber nicht den Vorwurf einbrin- gen, dass wir die Menschenwürde nicht achten, wie Herr Weinberg ihn gemacht hat . Auch uns als Union liegt die gute medizinische Versorgung für alle Menschen, vor al- len Dingen für die, die aus den Kriegsgebieten zu uns kommen, am Herzen . Wir wollen, dass die medizinische Versorgung weiterhin im Grunde genommen auf der Ba- sis der jetzt geltenden Gesetze erfolgt . Wenn wir aber sehen, dass es durch die Menge, durch die Fülle, durch den riesigen Arbeitsaufwand, der jetzt vor allen Dingen auf die Landkreise und auf die Gesundheitsämter vor Ort zukommt, neue Probleme oder ungeklärte Fragen gibt, dann ist es legitim, dass wir auch innerhalb der Koalition die Ausgestaltung noch einmal ganz genau diskutieren . Darum geht es bei dieser Frage innerhalb der Koalition . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Es ist doch viel ein- facher!) – Lassen Sie uns doch diskutieren! (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr seid so genial!) Wir müssen schon auch die Punkte auf den Tisch brin- gen, weil wir gerade bei dieser Frage nicht permanent Nachbesserungen vornehmen können . Wir haben uns jetzt angeschaut, was in den Ländern funktioniert und was nicht, und daraus werden wir unsere Konsequenzen ziehen . Ohne Diskussion wird das nicht gehen . In der Zwischenzeit werden die Flüchtlinge weiterhin versorgt . Deshalb gilt unser herzlicher Dank auch gerade den Mit- arbeitern, den Ärzten, den Schwestern, den freiwilligen Helfern, die sich in den Gesundheitsämtern, in den Ein- richtungen für eine gute medizinische Versorgung der Flüchtlinge einsetzen . Herzlichen Dank! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Birgit Wöllert [DIE LINKE]) Das Präventionsgesetz ist jetzt schon von mehreren an- gesprochen worden . Ich möchte es unbedingt erwähnen, weil dieses Paket mit der Maßgabe, 7 Euro pro Versicher- ten jährlich einzusetzen, und der Verpflichtung, davon 2 Euro für die Kindergesundheit und 2 Euro für die betrieb- liche Gesundheitsversorgung einzusetzen, ein klarer Be- schluss dieses Hauses ist . Für uns ist klar: Die Gesund- heit unserer Kinder steht an vorderster Stelle . Sie sind unsere Zukunft . Die betriebliche Gesundheitsversorgung muss vor allen Dingen auch in die mittelständischen Un- ternehmen einziehen . Dafür haben wir jetzt die rechtli- chen Möglichkeiten und die finanzielle Unterstützung geschaffen . Das ist wichtig . Ich bitte uns alle – nach dem Motto „Wiederholung ist die Mutter des Erfolgs“ –, das immer wieder zu thematisieren; denn das Gesetz ist das eine und die Umsetzung das andere . Wir sind schlecht beraten, wenn wir meinen, dass sich das dann schon ein- plätschern wird . Ich möchte zum Schluss meiner Rede – das erlaube ich mir jetzt – auf Folgendes hinweisen: Ende August vor 25 Jahren haben wir in der frei gewählten Volkskammer entschieden, das staatlich orientierte Gesundheitssystem in ein gegliedertes Gesundheitssystem umzuwandeln . Wer von Ihnen weiß noch, dass wir am 31 . August 1990 das Krankenkassen-Vertragsgesetz in die Volkskammer eingebracht, am gleichen Tag mit acht Änderungen im Schnelltempo im Ausschuss diskutiert und dann ver- abschiedet haben? Den Erbringern vor Ort, sprich: den Ärzten, den Apothekern, den Tierärzten und allen Leis- tungserbringern, haben wir im Gesetz zur Umstruktu- rierung des staatlichen ambulanten Gesundheitswesens aufgegeben, ihre Angebote zu machen, um die Räume, in denen sie bisher praktiziert hatten, pachten oder kaufen zu können . Diese Entscheidung – auch das stand im Ge- setz – musste innerhalb von vier Wochen gefällt werden . Weshalb führe ich dieses Beispiel an? Es ist eine un- geheure Aufbauleistung erbracht worden, nicht nur in personeller, sondern auch in finanzieller Hinsicht, die zu dem heutigen gesamtstaatlichen deutschen Gesund- heitswesen geführt hat, und zwar mit Fristen, die ich mir manchmal auch für unsere heutige Arbeit wünsche . Wir werden im nächsten Vierteljahr viele Sitzungen gemein- sam verbringen, in denen weitere Gesetze beschlossen werden . Ich hoffe, dass die kurzen Fristen, die dabei not- wendig sind, nicht auf Unmut stoßen . Ich freue mich auf die Beratungen . (C) (D) Maria Michalk (A) Vielen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die SPD spricht jetzt der Kollege Burkhard Blienert . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Burkhard Blienert (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Haushaltsreden; die erste Lesung des Regierungsent- wurfs zum Einzelplan 15, zum Gesundheitsetat, steht an . Die Beiträge, auch der letzte Beitrag, zeigen eine deutli- che Tendenz: Es geht, wie so oft bei der Beurteilung von Regierungsvorlagen, um die Einschätzung, ob das Glas halb leer oder halb voll ist . Ich bin der Meinung, dieser Etatentwurf ist eine sehr gute Beratungsgrundlage für die nächsten Wochen . Letztendlich wird ein schlüssiges Ge- samtwerk zur Verabschiedung stehen . Schauen wir uns einmal die einzelnen Positionen an . Das Finanzpolster ist gut; wir müssen es im Auge be- halten . Die Finanzreserven von Krankenkassen und Ge- sundheitsfonds betragen zurzeit geschätzte 24 Milliarden Euro . Die Abschaffung der Kopfpauschale im Rahmen des FQWG und die gleichzeitige Einführung der einkom- mensabhängigen Zusatzbeiträge haben das System sozial gerechter und wettbewerbsfähiger gemacht, und das bei steigenden Leistungen im Gesundheitsbereich . Sie sollen (B) nach dem Etatentwurf verstetigt und an wichtigen Stellen intensiviert werden . 14 Milliarden Euro werden seitens des Bundes für den Gesundheitsfonds eingestellt, wie seit der Regierungsübernahme zugesagt . Insgesamt gibt es im Einzelplan einen Ausgabenzuwachs von zwölf Pro- zent im Vergleich zum Vorjahr . Neben dem Gesundheits- fonds gibt es bei den disponiblen Positionen 7 Millionen Euro mehr als 2015 . Die Koalition geht ihren Weg in der Gesundheitspolitik somit unbeirrt weiter . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben doch wirklich einiges in unserem Bereich vorzuweisen . Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben sehr ausgiebig dar- gelegt, wie intensiv der Gesundheitsausschuss getagt und gearbeitet hat . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zu Beginn des Jahres trat die erste Stufe der Pflege- reform in Kraft, die wir im Koalitionsvertrag beschlos- sen haben . Bereits in wenigen Monaten folgt die zweite Stufe . Diese Reformschritte sind dringend notwendig an- gesichts der drängenden Herausforderungen durch eine älter werdende Bevölkerung und die steigende Belastung der Pflegekräfte, und wir setzen damit den Pflegebedürf- tigkeitsbegriff um . Es ist nur wenige Wochen her, dass wir mit dem Ver- sorgungsstärkungsgesetz wichtige Weichenstellungen für eine bessere wohnortnahe und patientenorientierte Versorgung getroffen haben . Fast zeitgleich hat, nach- dem wir viele Jahre darauf gewartet haben, es diese Ko- alition geschafft, endlich ein Präventionsgesetz zu ver- abschieden . Noch kurz vor der Sommerpause waren wir in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf zur Digitalisie- rung des Gesundheitswesens und mit der Krankenhaus- reform befasst . Wir wollen die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den Krankenhäusern, insbesondere im nichtärztlichen Dienst, verbessern . Das ist eines der wichtigsten Ziele, die die SPD verfolgt . (Beifall bei der SPD) Das alles sind keine Kleinigkeiten, sondern das sind Entscheidungen mit großer Wirkung, die getroffen wur- den . In den kommenden Monaten wird es noch einige weitere wichtige Entscheidungen geben müssen . Nicht zuletzt die aktuellen politischen Entwicklungen fordern von uns wichtige Entscheidungen, auch im Gesundheits- bereich . Mich freut es daher, dass wir auch im Einzelplan 15 Mittel für Aspekte der Migration und der Integration ein- gestellt haben . Außerdem freue ich mich darüber, dass nun auch NRW einen unbürokratischen Weg für die Ein- führung einer Gesundheitskarte für Asylsuchende gefun- den und frei gemacht hat . (Beifall bei der SPD) Wichtig ist – deshalb heiße ich es auch gut – der Sach- verhalt, dass im Etatentwurf der Ressortforschung mehr Gewicht beigemessen wird . Knapp 2,5 Millionen Euro Zuwachs im Vergleich zu 2015 sind ein richtiger Schritt . Profitieren wird hiervon zum Beispiel der zu entwickeln- de Masterplan Medizinstudium 2020 . Lassen Sie mich noch einige Aspekte zum Drogen- und Suchtbereich nennen, da dieser ein wichtiger Be- standteil der Präventionsarbeit und der gesundheitlichen Aufklärung ist . In der Sommerpause schlugen die Wellen im Drogen- und Suchtbereich wieder hoch . Nicht zuletzt durch die Sicherstellung einer Rekordmenge Crystal Meth in Berlin wird deutlich, dass sich diese Gefahr aus- breitet und durchaus leider auch außerhalb Sachsens und Bayerns angekommen ist . Auch die Entwicklungen im Bereich der „Legal Highs“, dieser oftmals todbringenden Kräutermischun- gen, mahnen uns, vorhandene Modellmaßnahmen aus- kömmlich zu finanzieren. Der im Entwurf enthaltene Aufwuchs ist ein Schritt in die richtige Richtung . An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass nicht alle sinnvollen Maßnahmen im Bereich der Dro- gen- und Suchtpolitik Geld kosten müssen . Vor einem Jahr habe ich in der Haushaltsdebatte Stellung bezogen zu der Frage des Kinder- und Jugendschutzes im Zusam- menhang mit E-Zigaretten und E-Shishas . Ich bin durch- aus damit einverstanden, dass sich nun auch die Bun- desregierung mit Familienministerin Manuela Schwesig hierfür starkgemacht hat und jetzt Klarheit geschaffen wird . Als Gesundheitspolitiker plädiere ich in Bezug auf E-Zigaretten allerdings für noch weiter gehende Maß- nahmen . Es kann doch nicht sein, dass alle anderen technischen Geräte, bevor sie in den Verkauf kommen, (C) (D) Burkhard Blienert (A) auf Herz und Nieren geprüft werden müssen, um etwa- ige Gefahren für Anwender zu minimieren, dies bei der E-Zigarette aber nicht der Fall ist . Zahlreiche Fragestel- lungen in Bezug auf mögliche Gesundheitsgefahren und den Verbraucherschutz bleiben nahezu offen, zum Bei- spiel: Wie hoch ist die krebserregende Konzentration der Liquids? Wie gesundheitsgefährdend ist Passivdampf in abgeschlossenen Räumen? Wie verhalten sich die Stoff- zusammensetzungen, wenn die Akkuleistung absinkt und die Verbrennungstemperatur sinkt? Daher gehört für mich die E-Zigarette aus gesund- heitspolitischer Sicht zumindest auch den Regelungen der Tabakprodukt-Richtlinie unterworfen . Sie gehört nicht in Kinderhand, und nichtrauchende Bürgerinnen und Bürger müssen vor Passivdampf genauso geschützt werden wie vor Passivrauch . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Die gleiche Entschlossenheit fordere ich beim The- ma Tabak . Lassen Sie uns endlich das längst überfällige Werbeverbot für Tabakprodukte umsetzen! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Perspektivisch sollte auch die Werbewirkung von Verpa- ckungen weiter beschränkt werden . Ein letzter Punkt . Wichtig vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen über HIV-Neuinfektionen sind die ver- stetigten Haushaltsmittel im Bereich Aids . Es wäre fatal, auf diesem Gebiet die Präventionsarbeit bzw . die For- (B) schung einzuschränken . Es zeigt sich, dass manche die Ansicht vertreten, dass wir diese Krankheitsgefahr über- wunden hätten . Wir dürfen daher nicht in der Aufklärung über Ansteckungsgefahren nachlassen . Vielmehr müssen wir die Forschung an Heilungsmethoden fortsetzen . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Meine Kollegin Petra Hinz hat bereits darauf hingewie- sen, wie wichtig uns dieser Punkt ist . Alles in allem liegt uns ein guter Entwurf vor . Nach dem vielzitierten Struck‘schen Gesetz werden wir in intensiven Beratungen die Ansätze bewerten und wei- terentwickeln . Ich bin sicher, dass wir dies ähnlich gut machen werden wie in den vorangegangenen Haushalts- beratungen und am Ende einen guten Haushaltsbeschluss fassen können . Ich freue mich auf die Diskussionen und danke für die Aufmerksamkeit . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Helmut Heiderich von der CDU/CSU . (Beifall bei der CDU/CSU) Helmut Heiderich (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man als Haushälter am Ende dieser langen Debatte die Dinge betrachtet, dann ist man eigentlich wieder da, wo der Minister einleitend begonnen hat, (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da schließt sich der Kreis!) nämlich bei der Erkenntnis, dass das deutsche Gesund- heitssystem leistungsstark und nach wie vor unter den führenden Systemen weltweit ist . Der Vorwurf, der vorhin vonseiten der Grünen kam, die Patienten würden nicht im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen, ist eine ziemlich heftige Unterstellung . (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Der Patient ist das Mittel!) Sagen Sie mir: Wo auf der Welt steht der normale Pati- ent, der normale Versicherte so sehr im Mittelpunkt eines Gesundheitssystems? Wo, wie hier bei uns, in unserem Land, hat er noch die Möglichkeit, die gesamten Leis- tungen in Anspruch zu nehmen? Das muss man an dieser Stelle einmal festhalten . (Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz- Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da fallen mir noch andere Gruppen im Gesund- heitswesen ein, die davon profitieren!) Wir haben eben schon gehört, dass der Minister in die- sen beiden Jahren in dichter Folge neue Gesetzentwürfe vorgelegt hat; der Kollege Weinberg war so freundlich, sie hier alle vorzutragen, sodass ich das nicht zu wieder- holen brauche . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ach, bit- te!) Die Fachpolitiker haben diese in intensiver Arbeit um- gesetzt . Deswegen glaube ich, dass wir sagen können: Von uns ist im Gesundheitsbereich in den letzten Jahren ordentlich geliefert worden . Es ist sachlich fundiert ge- liefert worden . Die Dinge sind inhaltlich gut abgesichert und strukturell zukunftsorientiert entschieden worden . Auch das ist eine Leistung, die diese Koalition gebracht hat . Wir dürfen stolz darauf sein, dass wir das in dieser kurzen Zeit geschafft haben . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Das, was die Opposition hier immer als Generalvor- wurf benutzt, widerlegt sich eigentlich von selbst . Ich möchte einmal ein Beispiel nennen . Im vergangenen Jahr wurde im Rahmen der Haushaltsdebatte vonseiten der Grünen Folgendes gesagt: Es bleibt dabei, dass wichtige Vorhaben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, wie die Einführung des neuen Pflegebegriffs, eine Kran- kenhausreform oder das Präventionsgesetz . Ich glaube, die Entwicklung zeigt, wie weltfern die Grünen mit ihren Behauptungen sind . Denn das Präven- tionsgesetz ist in Kraft . (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf den Inhalt kommt es an!) (C) (D) Helmut Heiderich (A) Selbst die Länder haben im Sommer mit Beteiligung der Grünen diesem Gesetz zugestimmt . Zur Krankenhaus- reform wurde gestern eine Anhörung durchgeführt . Der neue Pflegebegriff ist in der praktischen Anwendung, und der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass dieser neue Pflegebegriff kommt. Das also, was Sie im vorigen Jahr auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben haben, haben wir innerhalb eines Jahres geschafft . Das ist eine Leistung dieser Koalition . (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich noch einmal auf das Thema der Prä- vention zurückkommen . Für mich ist das eines der we- sentlichen und wichtigsten Themen der Zukunft . Denn für mich beginnt Solidarität im Gesundheitswesen nicht erst dann, wenn man die Leistungen in Anspruch nehmen muss, sondern sie beginnt schon dann, wenn man eigen- verantwortlich dafür sorgt, möglichst wenige Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen, und zwar indem man durch gesundheitsbewusstes Verhalten einer Inanspruch- nahme vorbeugt . Deshalb unterstütze ich gerne alle Ini- tiativen dieser Art, auch die, die nicht aus diesem Hause, sondern aus dem Privatbereich kommen . Ich möchte einmal auf eine solche Initiative eingehen . Wir alle haben für die nächste Sitzungswoche die Einla- dung einer Privatinitiative bekommen, die seit dem Jahr 2003 unter dem Titel „Deutschland bewegt sich!“ fir- miert und versucht, die Bürger für Prävention in diesem Bereich zu begeistern . ZDF, BARMER GEK und Bild am Sonntag haben sich dafür auf der Grundlage einer gemeinsamen Orientierung zusammengetan . Diese Initi- (B) ative hat es sich wörtlich zum Ziel gesetzt, „zu eigenver- antwortlichem und gesundheitsförderndem Verhalten zu motivieren“ . Das ist ein Ansatz, den wir gar nicht genügend un- terstützen können . Ich denke, wir brauchen noch viele weitere Initiativen dieser Art und noch viele weitere Mit- bürger, die wir für diese Entwicklung gewinnen können . Gerade das Gesundheitsverhalten der jungen Generati- on – darauf wurde schon mehrfach eingegangen – wird immer problematischer . Ein steigendes Körpergewicht und die steigende Anfälligkeit für Diabetes – Kollege Monstadt arbeitet in besonderer Weise in diesem Be- reich – zeigen, dass wir viel zu tun haben . Deswegen ist es gut – Frau Hinz hat schon darauf hingewiesen –, dass wir jetzt im Haushalt einen Ansatz für diesen Bereich ha- ben . Hier sollten wir weiter Unterstützung leisten . Diese Art der Prävention und der Förderung der Gesundheit ist ein ganz entscheidendes Thema . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Lassen Sie mich noch kurz ein zweites Thema anspre- chen, das ich heute ganz vermisst habe . In den Debat- ten der letzten beiden Jahre haben wir uns vonseiten der Opposition ständig dem Vorwurf aussetzen müssen, wir hätten den Gesundheitsfonds für den Haushalt verändert . (Roland Claus [DIE LINKE]: Ach, jetzt fehlt dir was!) Es gab Vorwürfe, wir griffen mit vollen Händen in die Sozialkassen und finanzierten dies auf dem Rücken der Beitragszahler, die Beiträge würden steigen, und es wür- de wer weiß was passieren . Heute habe ich darüber kein Wort mehr gehört . (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Das zeigt, dass die Vorwürfe, die Sie erhoben haben, nicht sehr fundiert waren . (Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Natürlich!) In dem gesamten Zeitraum der letzten drei Jahre ist nicht ein einziger Beitrag gestiegen . Jetzt, da wir zurückgehen und wieder die vollen Leistungen in den Gesundheits- fonds einzahlen, sagen Sie kein Wort zu diesem Thema . (Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!) Ich denke, wir als Haushälter sollten durchaus im Auge behalten, den Gesundheitsfonds auch in den kommenden Jahren weiter aufzustocken . (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Lesen Sie mal das Handelsblatt dazu!) Ich hätte diese Forderung von Ihrer Seite erwartet . Wir behalten aber in Erinnerung: Der Gesundheits- fonds ist für uns eine wesentliche Quelle zur Finanzie- rung des Gesundheitssystems, und wir wollen die Mittel in diesem Zusammenhang entsprechend wieder einbrin- gen . Ein drittes Thema, das auch schon angesprochen wur- de und das ein wesentliches Zukunftsthema ist, ist die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum . Wir haben hier gemeinsam in den letzten Jahren schon eine ganze Reihe von Entscheidungen getroffen . Wir sind da lange noch nicht am Ziel; das wissen wir alle. Ich will aber ein Beispiel dafür liefern, dass die Schritte, die wir gemacht haben, durchaus schon Erfolg zeigen . Ich selbst habe ei- nen Wahlkreis im ländlichen Raum und weiß, worüber ich hier rede . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist schon mal gut!) Wir haben es mit diesen Maßnahmen geschafft, in den letzten beiden Jahren in meinem Wahlkreis 15 Arztsitze entweder neu zu besetzen oder aber fortzuführen . Das heißt, unsere Projekte, Maßnahmen und Beschlüsse sind nicht so weltfremd, wie es von der Opposition immer versucht wird darzustellen, sondern sie sind hilfreich auf dem Weg, die Gesundheitsversorgung flächendeckend zu erhalten . Das wollen wir weiterentwickeln, aber wir sind hier schon einen ganz ordentlichen Schritt vorangekom- men . Wir haben in Hessen gemeinsam mit der Landesregie- rung auch dafür Sorge getragen, dass junge angehende Mediziner im Medizinstudium unterstützt werden im Bereich der Allgemeinausbildung und bei der Weiterbil- dung im Bereich Allgemeinmedizin . (Beifall bei der CDU/CSU) Diese jungen Leute bekommen einen Zuschuss pro Se- mester, und es zeigt sich, dass wir auch hier erfolgreich (C) (D) Helmut Heiderich (A) sind und dass bereits eine große Zahl von Studenten in diesen Bereich wechseln . Wir können Hoffnung haben, dass wir da auch in der Zukunft weitere Leistungen er- reichen können . Wir haben in der Zusammenarbeit der einzelnen Ge- sundheitsbereiche – der Kassen, der Ärzte, der Kranken- häuser, aber auch der Rehaeinrichtungen – Effekte, die wir vorher nicht hatten, und Verbesserungen erreichen können . Deshalb glaube ich, dass die medizinischen Ver- sorgungszentren weiterhin stark in diese Entwicklung eingebunden werden müssen, damit wir entsprechende Vorteile für die Zukunft gewinnen können . (Beifall der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ein letzter Punkt ist die internationale Verantwortung . Es ist eben schon darauf hingewiesen worden, dass sich Deutschland im Bereich der Ebolabekämpfung stark ein- gebracht hat . Wir sind auch international für unsere tech- nische Hilfe anerkannt worden; wir haben große Zustim- mung erhalten . Aber wir sind auch gebeten worden – ich nenne das Stichwort Antibiotikaresistenz –, uns stärker bei der WHO zu engagieren . Deswegen freue ich mich, dass es mit diesem Haushalt möglich wird – im Zusam- menhang mit dem BMZ wurde darauf schon hingewie- sen –, mit freiwilligen Leistungen bei der WHO einzu- steigen . Was heißt „freiwillige Leistungen“? Wir haben damit die Möglichkeit, in die programmatische und die strukturelle Weiterentwicklung der WHO einzugreifen, uns zu beteiligen, mit eigenem Personal Unterstützung zu leisten und somit die Zukunftsentwicklung der WHO (B) positiv zu beeinflussen. Das ist für uns ein großes Thema. Es wurde schon gesagt: Die Generaldirektorin der WHO wird hier nach Berlin kommen . Frau Bundeskanzlerin hat sich bei der Generalversammlung persönlich dafür ausgesprochen . Ich glaube, es steht uns sehr gut an, mit diesem Haushalt auch Unterstützung für die Zukunfts- entwicklung der WHO zu leisten . Ich freue mich auf die Beratungen und auf die Verstär- kungen, die wir an der einen oder anderen Stelle noch erreichen können . Wir bleiben auf dem Weg . Deutsch- land hat ein leistungsstarkes Gesundheitssystem, und wir wollen es weiter verbessern, damit wir im weltweiten Wettbewerb vorne bleiben . Vielen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor . Deshalb verlassen wir den Geschäftsbe- reich des Bundesministeriums für Gesundheit . Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- desministeriums der Justiz und für Verbraucher- schutz, Einzelplan 07 . Darf ich die Kolleginnen und Kollegen, die sich an der Aussprache zu Justiz und Verbraucherschutz beteiligen werden, bitten, die Plätze einzunehmen? – Dann kön- nen wir jetzt beginnen . Als erstem Redner erteile ich das Wort dem Bundesminister Heiko Maas . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver- braucherschutz: Vielen Dank . – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein guter Brauch, dass die Bundesregierung die Haushaltsdebatte nutzt, um nicht nur die Zahlen des Einzelplans zu diskutieren, sondern auch noch einmal die Vorhaben zu definieren, die in die- ser Legislaturperiode und vor allen Dingen im nächsten Haushaltsjahr anstehen . Diese Möglichkeit will ich heute hier auch ergreifen . Es gibt Gesetzentwürfe und Vorhaben, über die es breite Diskussionen und Debatten in der Öffentlichkeit gibt . Es gibt andere, bei denen dies nicht der Fall ist, die aber dennoch rechts- und verbraucherschutzpolitisch au- ßerordentlich wichtig sind . Insofern will ich einige Vor- haben völlig unabhängig von der Frage, wie sie öffent- lich debattiert werden, hier in Erinnerung rufen und noch einmal vortragen, was wir dort vorhaben . Bei dem Thema Freiheit und Grundrechte und der Fra- ge, wie wir diese besser schützen, geht es auch um eine Reform der strafrechtlichen Psychiatrieunterbringung; denn die Unterbringung ist ein tiefer Eingriff in die per- sönliche Freiheit . All diejenigen, die in der Rechtspolitik unterwegs sind, wissen, dass wir darüber schon seit ei- niger Zeit sehr intensiv diskutieren . Wir werden die ent- sprechenden Maßnahmen auf wirklich gravierende Fäl- le beschränken . Außerdem sollen die Fälle in kürzeren Abständen überprüft werden . Darüber ist lange diskutiert worden, aber auch darüber, dass es notwendig ist, dies mit wechselnden Gutachtern zu tun . Diese Reform wird insbesondere das Vertrauen in die Justiz stärken . Wir alle wissen, dass es in der Vergangenheit gerade durch den Fall Mollath eine sehr intensive Diskussion gegeben hat . Meine Damen und Herren, wir werden im Strafrecht Gerechtigkeitslücken schließen . Korruption im Gesund- heitswesen schadet den Krankenkassen, dem Wettbe- werb und dem Vertrauen in unser Gesundheitssystem insgesamt . Bislang kann korruptes Verhalten nicht in al- len Fällen bestraft werden . Das ist nicht gerecht, und des- halb werden wir auch das ändern . Dazu werden wir dem Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf, den wir bereits angekündigt haben, vorlegen . Wir wollen außerdem sicherstellen, dass Frauen vor sexueller Gewalt besser geschützt werden. Deshalb schlagen wir vor, sexuelle Handlungen unter Strafe zu stellen, bei denen der Täter einen Überraschungsmoment oder die Furcht des Opfers ausnutzt . Bislang gab es hier eine Lücke im Recht . Das konnte vor Gericht nicht ge- ahndet werden . Wir haben Verurteilungsquoten von etwa 10 Prozent, und das ist alles andere als zufriedenstellend . Es ist also überfällig, diese Lücke im Strafrecht zu schlie- ßen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir werden in den kommenden Wochen den Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes und eines Gesetzes gegen (C) (D) Bundesminister Heiko Maas (A) Spielmanipulation hier im Parlament diskutieren . Das ist notwendig . Spätestens nach den Enthüllungen, die es in den letzten Wochen gegeben hat, wurde klar, dass in den internationalen Verbänden, zum Beispiel im Leichtath- letik-Verband, nichts getan worden ist, was im Kampf gegen Doping als ausreichend angesehen werden kann . Deshalb ist es richtig: Auch der Staat muss eine Rolle im Kampf gegen Doping einnehmen . Das wollen wir mit dem Anti-Doping-Gesetz tun . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollen den Zugang zum Recht erleichtern . Im Durchschnitt sind Menschen erst dann bereit, vor Gericht zu ziehen, wenn der Streitwert bei etwa 2 000 Euro liegt . Damit Verbraucher auch bei kleinen Schäden zu ihrem Recht kommen, werden wir die außergerichtliche Streit- beilegung ausbauen . Wenn es Ärger mit dem neu gekauf- ten Computer oder der Reparatur am Auto gibt, dann muss man künftig nicht gleich vor Gericht ziehen . Wir schlagen vor, flächendeckend Stellen zu schaffen, die dafür sorgen, dass Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen beigelegt werden können, und zwar schnell, unbürokratisch und ohne große Kosten . Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen, der auf politischer Ebene schon lange diskutiert wird und den wir angehen werden . Wir werden Vorschläge zur Modernisierung des Urheberrechtes vorlegen . In diesem Bereich, sicherlich ein außerordentlich komplexer und schwieriger Bereich, sind bereits viele große Reformen angekündigt worden, geschehen hingegen ist relativ we- (B) nig . Deshalb wollen wir auch gar keine unerfüllbaren Er- wartungen wecken, sondern wir wollen Vorschläge für ganz konkrete Schritte vorlegen . Wir werden zunächst das Recht der Verwertungsge- sellschaften reformieren . Dazu gibt es bereits einen Ge- setzentwurf . Der zweite Schritt wird dann eine Reform des Urhebervertragsrechtes sein . Auch dazu werden wir in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem wir ins- besondere die Kreativen und die Urheber stärken wollen . Wir wollen sicherstellen, dass sie für ihre Leistungen tatsächlich eine angemessene Vergütung erhalten, so wie das eigentlich auch gesetzlich vereinbart ist . Für Teile der Kulturwirtschaft steht das zurzeit bedauerlicherweise viel zu häufig nur auf dem Papier. Ein Recht, das man hat, nutzt nur dann, wenn man es auch durchsetzen kann . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir werden Mieter, Bankkunden und alle, die sich zum Beispiel im Internet bewegen, besser schützen . Nach der Mietpreisbremse geht die Reform weiter . In ei- nem zweiten Schritt werden wir darüber reden, wie wir Mieter davor schützen, dass sie nach Modernisierung ih- rer Wohnung finanziell überfordert werden. (Beifall bei der SPD) Damit das Girokonto nicht zur Schuldenfalle wird, wollen wir mehr Transparenz bei den Dispozinsen schaf- fen . In Zukunft sollen Banken offenlegen, wie hoch die Zinsen bei ihnen wirklich sind . (Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]: Senken Sie lieber die Dispozinsen!) Wir wollen die Verbraucherzentralen stärken durch mehr Personal, mehr Geld und vor allen Dingen durch die neuen Marktwächter . Sie haben den Finanzmarkt und die digitale Welt im Visier, und sie werden den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern helfen, den Durchblick zu behalten . (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, über all diese Vorhaben werden wir in den kommenden Wochen und Monaten in aller Ausführlichkeit debattieren . Aber die größte Her- ausforderung derzeit – das hat die Debatte heute Morgen schon gezeigt – ist ganz sicherlich die Hilfe für Flüchtlin- ge . Auch das ist ein Thema, das die Rechtspolitik angeht . Recht ist der Wille zur Gerechtigkeit, und die Gerechtig- keit verlangt ein menschenwürdiges Dasein für alle Men- schen, unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe . Die Würde der Menschen wird in diesen Tagen bedroht, und sie ist auch schon verletzt worden . Wenn sich Menschen in Not gewissenlosen Schleppern anvertrauen, wenn ihr Leben auf dem Mittelmeer in Gefahr gerät oder wenn sie in einem Lastwagen qualvoll ersticken, dann bleibt die Würde der Menschen auf der Strecke . Wenn Familien mit kleinen Kindern über Wochen und Monate auf der Flucht sind und unter freiem Himmel schlafen müssen, wird ihre Würde verletzt . Und wenn Rechtradikale bei uns Stimmung machen gegen Menschen, die gerade al- les verloren haben, wenn sie Flüchtlinge anpöbeln oder Brandsätze schmeißen, dann sind das Angriffe auf die Würde der Schwächsten, die unerträglich sind . (Beifall im ganzen Hause) Deshalb haben wir die Verpflichtung, wie auch Herr Schäuble das heute Morgen ausgeführt hat – er hat die Prioritäten klar benannt –, Flüchtlinge menschenwürdig zu versorgen. Ich weiß, das ist manchmal schwer; aber wie leicht wiegen unsere Probleme im Vergleich mit den Problemen dieser Menschen . Deshalb bin ich froh und dankbar, dass gerade jetzt, auch als Reaktion auf das, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen ist, so viele Menschen helfen: in den Kommunen, in den Hilfs- organisationen, bei der Polizei und auch bei der Bundes- wehr . Ich bin auch dankbar dafür, dass viele Menschen dem Hass und der Hetze gegen Flüchtlinge deutlich ent- gegentreten . Davor habe ich großen Respekt . Dabei ist aber auch die Rechtspolitik gefordert . Das Wort von der ganzen Härte des Rechtsstaats, die rechte Täter spüren müssen, darf keine leere Drohung bleiben . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeord- neten der CDU/CSU und der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE] und Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das ist ein Grund gewesen, warum wir das Strafgesetz- buch geändert haben . Rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Motive eines Täters können bei der Strafzumessung jetzt ausdrücklich be- rücksichtigt werden . Seit dem 1 . August 2015 ist diese (C) (D) Bundesminister Heiko Maas (A) Regelung in Kraft, und ich bin mir sicher, dass unsere Gerichte sie sehr konsequent anwenden werden . Mit diesem Bundeshaushalt werden wir die Bundes- anwaltschaft so ausstatten, dass sie bei rechtsradikalen Taten künftig früher eingreifen kann . Dafür gibt es mehr Planstellen, und dafür gibt es auch mehr Geld . Es war richtig, dass die Bundesanwaltschaft nach dem Brandan- schlag auf eine Unterkunft für Asylbewerber in Salzhem- mendorf sofort aktiv geworden ist . Aber wir wollen nicht nur Gewalttäter verfolgen und bestrafen, sondern wir müssen auch verhindern, dass es zu solchen Verbrechen überhaupt erst kommt . Deshalb dürfen wir zum Beispiel nicht zulassen, dass das Internet zu einem Ort wird, an dem Hass und Hetze unkontrolliert verbreitet werden . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- wie bei Abgeordneten der LINKEN) In der vergangenen Woche ist das Bild des toten Aylan Kurdi um die Welt gegangen . Das Bild des ertrunkenen Kindes am Strand von Bodrum hat Millionen Menschen auf der ganzen Welt tief erschüttert . Aber es gab auch Extremisten, die keine Skrupel hatten, den Tod eines un- schuldigen Kindes zu bejubeln . In diesem Fall haben Po- lizei und Justiz schnell gehandelt . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich kann aber nicht verstehen, dass man sich dort, wo solche Dinge veröffentlicht worden sind, wie etwa bei Facebook, erneut sehr schwergetan hat, rasch und ent- (B) schlossen gegen solche Hetze vorzugehen . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- wie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich finde, das ist ein Thema, über das wir reden müs- sen . 12 Millionen Menschen in unserem Land haben eine Tageszeitung abonniert, aber 28 Millionen Menschen aus Deutschland sind auf Facebook aktiv . Heute prägt auch das Internet die Debattenkultur und das gesellschaftliche Klima . Deshalb sollte niemand ignorieren, was dort vor sich geht. Die Justiz darf das nicht; diejenigen, die mit dem Internet Geld verdienen, dürfen das aber auch nicht . Deshalb bin ich mit Facebook im Gespräch . Das hat dem Unternehmen sicherlich deutlich gezeigt, dass wir dieses Thema ernst nehmen . Wenn es Beschwerden über rassis- tische Einträge oder Aufrufe zur Gewalt gibt, dann muss man dort reagieren und solche Posts rasch löschen . Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und Facebook darf kein Forum für Neonazis sein . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- wie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, in diesen Tagen jährt sich der Beginn des Zweiten Weltkrieges . Vor einem Men- schenalter hat Deutschland Krieg, Hass und Elend über die Welt gebracht . Heute sind wir ein Land der Freiheit, des Rechts und des Wohlstands . Das Grundrecht auf Asyl war eine Lehre aus unserer eigenen Vergangenheit . Niemand verlässt leichtfertig seine Heimat . Für viele Menschen aus Syrien, Irak oder Eritrea ist Deutschland heute ein Ort der Hoffnungen und Chancen, aber auch ganz einfach ein Ort der Rettung . Ich meine, auf diesen Zuspruch für unser Land sollten wir nicht mit Angst und Ablehnung reagieren . Ganz im Gegenteil: Es ist ein Grund, stolz zu sein auf das, was viele Menschen dazu in Deutschland beigetragen haben . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Viele Flüchtlinge werden dauerhaft bei uns bleiben . Wir dürfen uns deshalb nicht wieder der Illusion hinge- ben, die beim Wort von den Gastarbeitern mitschwang . Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit bei der Integra- tion nicht wiederholen, und wir sollten uns klarmachen: Ja, wir müssen aus Flüchtlingen möglichst rasch Bürger machen, meine sehr verehrten Damen und Herren . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Vielfalt der Kulturen, der Religionen und der Tra- ditionen ist manchmal anstrengend – wir erleben es heu- te schon –, und sie wird in einer Einwanderungsgesell- schaft, die wir sind und die wir noch mehr werden, auch nicht weniger werden . Wir haben aber die beste Grund- lage, meine Damen und Herren, die man sich vorstellen kann, um ein gutes Zusammenleben zu organisieren: Das ist unser Grundgesetz . Es bietet die Freiheit, verschieden zu sein, und es garantiert die Gleichberechtigung trotz al- ler Unterschiede . Es gibt den Freiraum, so zu leben, wie man möchte . Aber es stellt klar, dass an den Grundrech- ten nicht gerüttelt wird, zum Beispiel dass Frauen und Mädchen die gleichen Rechte haben, dass jeder selbst entscheidet über seine Religion und auch über seine Art, zu leben . Meine Damen und Herren, wir brauchen in den nächs- ten Wochen und Monaten große Anstrengungen auf allen Ebenen . Alle anderen Politikbereiche verlieren nicht an Bedeutung . Auch die Rechtspolitik wird dabei gefordert sein . Die Debatte über ein Einwanderungsgesetz oder da- rüber, wie wir Einwanderung organisieren, wird weiter- gehen, und wir werden die Strafvorschriften gegen den Menschenhandel ausbauen . Ich bin überzeugt, dass wir beides brauchen: legale Möglichkeiten der Einwande- rung und die Verfolgung von gewissenlosen Schleppern . Beides zusammen kann mithelfen, Menschenleben zu retten . Meine Damen und Herren, das ist gerade in diesen Tagen die größte Aufgabe in Europa, aber auch bei uns in Deutschland . Herzlichen Dank . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Roland Claus . (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun- desminister Maas, ich fasse Ihre Rede einmal kurz zu- sammen und komme zu dem Schluss: Biete viel Rechts- staatlichkeit für relativ wenig Geld . – Das wäre die (C) (D) Roland Claus (A) Chance für die Koalition zum Beifall gewesen . Relativ wenig Geld: Das stimmt in der Tat; denn die Steuerzahler kostet jeder Euro für das Ministerium von Heiko Maas nur 25 Cent . Das hängt mit den hohen Einnahmen dort zusammen . Herr Bundesminister, Sie haben Anfang dieses Jahres zu einer denkwürdigen Begegnung eingeladen; so kann man Neujahrsempfänge auch bezeichnen . Als Haupt- rednerin hatten Sie die Intendantin des Berliner Ma- xim-Gorki-Theaters Shermin Langhoff eingeladen. Frau Langhoff hat eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten und dort gefragt – ich zitiere : Sind die Unzumutbarkeiten . . . des . . . Zuwande- rungs- und Einbürgerungsrechts mit unseren Idea- len von Freiheit und demokratischer Teilhabe ver- einbar? . . . Wie lange wollen wir noch Migration aus nationalstaatlicher Perspektive betrachten, ohne die . . . Schicksale der von Flucht betroffenen Menschen zum entscheidenden Faktor zu machen? Ich glaube, sie hat die wichtigen und entscheidenden Fragen gestellt . Sie hat diese Fragen in Ihrem Hause, Herr Bundesminister, aber auch deshalb gestellt, weil sie Antworten von Ihnen, von uns will . Die Antworten ste- hen noch aus, und das, finde ich, darf nicht so bleiben, meine Damen und Herren . (Beifall bei der LINKEN) Deshalb müssen wir sehr wohl über die neue Rolle von Justiz und Rechtspolitik in der Flüchtlingspolitik reden . Ja, wir erleben doch einerseits offene Arme, offene Her- (B) zen von zahlreichen Menschen, die Flüchtlingen in Not helfen, und andererseits wie noch nie zuvor öffentlich ar- tikulierten Hass . So eine Polarisierung im Rechtsstaats- verständnis gab es seit vielen Jahren nicht mehr . Das meine ich mit dieser neuen Herausforderung an die Justiz auf allen Ebenen . Da haben wir es natürlich damit zu tun, dass in Deutschland die Justiz wegen fehlender radikaler Reformen vorwiegend an sich selbst erstickt. Ich finde, da kann auch das Bundesjustizministerium nicht stillhal- ten . Diese radikalen Reformen müssen endlich auf den Tisch . (Beifall bei der LINKEN) Herr Bundesminister, Sie haben sich an Facebook ge- wandt und auch zu Twitter Ihren Kommentar abgegeben . Das finden wir in Ordnung. Richtig ist: Wir alle wollen keine digitale Hasswelt . (Beifall bei der LINKEN) Aber, Herr Minister, es geht nicht nur darum, den Mund zu spitzen, Sie müssen auch pfeifen, und zwar laut und mit Konsequenzen . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das macht er!) – Die Konsequenzen sehe ich noch nicht . Sie haben mit der CSU einen Koalitionspartner, der sich gegenwärtig dafür abfeiert, bei den Koalitionsver- handlungen das Prinzip „Sachleistungen statt Geldleis- tungen“ für Flüchtlinge durchgesetzt zu haben . (Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist auch richtig so!) Diese Entscheidung bedeutet eine Freiheitseinschrän- kung . (Beifall bei der LINKEN) Da muss ein Justizministerium einschreiten . Übrigens, die Weltmeister beim Prinzip „Sachleistungen statt Geld- leistungen“ kommen aus Nordkorea . (Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Haben Sie jetzt gerade Nordkorea mit Bayern vergli- chen? Das finde ich daneben!) Herr Bundesminister, ich darf Sie zitieren, weil Sie in Ihrer Rede zu dem Thema nichts gesagt haben . Im De- zember 2014 haben Sie den Satz veröffentlicht: Vorrats- datenspeicherung lehne ich entschieden ab; sie verstößt gegen das Recht auf Privatheit und den Datenschutz . – Ich kann Ihnen natürlich nicht ersparen, an jenen denk- würdigen SPD-Konvent im Frühsommer dieses Jahres zu erinnern . Zuvor waren Sie von Ihrem Parteivorsitzenden öffentlich regelrecht genötigt worden, Ihre Position zu verändern . Dann kam es noch dicker . Sie sollten dem Konvent erklären, dass man jetzt zustimmen muss . Sie haben das gemacht, Herr Maas . Angesichts des knappen Ergebnisses habe ich mich gefragt: Hätte Maas vielleicht nur geschwiegen, wäre dann das Ergebnis ein anderes gewesen? (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir hatten im Sommer auch den Skandal um die Er- mittlungen wegen – man höre und staune – Landesverra- tes gegen das Portal netzpolitik .org . Danach musste der Generalbundesanwalt gehen . Die Vorratsdatenspeiche- rung aber soll bleiben . Ich sage Ihnen: Die richtige Lehre aus diesem Skandal des Sommers wäre gewesen, jetzt auch die Vorratsdatenspeicherung zu beerdigen, Herr Bundesminister . (Beifall bei der LINKEN) Deshalb sage ich Ihnen: Ehe Ihre von mir mit „viel Rechtstaatlichkeit für relativ wenig Geld“ kurz zusam- mengefasste Ansage haushaltspolitische Wahrheit wird, müssen Sie noch sehr viele Vorschläge der Opposition annehmen . Das Gute daran ist: Die Opposition will hel- fen . Die Opposition kann das auch, liebe Kollegen von der Koalition . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass wir alle eine lebendige Parlamentsdebatte wollen . Bundesminis- ter Schäuble hat heute Morgen gesagt, die Spielräume im Haushalt seien jetzt erschöpft . Es hat nur noch ge- fehlt, dass er dann „Basta!“ gesagt hätte . Was heißt es denn, dass die Spielräume erschöpft sind? Das heißt doch nichts anderes, als dass Regierung und Parteivorsitzen- de entschieden haben, das Parlament solle abnicken und sich allenfalls vor der schwarzen Null verneigen . Dazu (C) (D) Roland Claus (A) sagen wir: Mit uns nicht . Wir wollen eine lebendige Haushaltsdebatte . Diese werden wir auch haben . (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse- Brömer [CDU/CSU]: Die schwarze Null ist Ihnen unheimlich!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Kollege Dr . Patrick Sensburg spricht jetzt für die CDU/CSU . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich teile die Zu- sammenfassung der Rede des Ministers durch meinen Vorredner nicht . Der Minister hat deutlich mehr ausge- führt . Herr Kollege Claus, Sie haben in Ihren sechs Mi- nuten Redezeit so gut wie gar nichts zur Rechtspolitik und zur Verbraucherpolitik gesagt . Sie hätten die Zeit besser nutzen können . Von daher haben Sie Ihr Angebot, dass die Opposition konstruktiv mitarbeiten kann, durch Ihre Rede schon widerlegt . Schade eigentlich . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Das Einzige, worin ich Ihnen zustimme, Herr Kollege Claus, ist die Analyse, dass der Haushalt des Einzelplans 07 in der Gesamtheit und im Volumen – es ist einer der kleinsten Haushalte – eine exzellente Rechtspolitik ge- (B) währleistet . Das hat der Einzelplan 07 schon in den letz- ten Jahren getan . Die Haushälter und der Minister haben auch diesmal wieder bewiesen, dass man mit wenig Geld, 736 Millionen Euro, und mit einer guten Deckungsquo- te, 525 Millionen Euro, Arbeit machen kann, die auch in anderen Ressorts als wichtig wahrgenommen wird . Wir haben eine Deckungsquote von 72 Prozent . Das ist et- was weniger als in den vorherigen Jahren . Da hatten wir Deckungsquoten von rund 83, 85 und 87 Prozent . Die Haushälter werden sicherlich noch ausführen, woran das vielleicht liegen mag . Aber man kann sagen: Der Justiz- haushalt und jetzt auch der Verbraucherschutzhaushalt – daran müssen wir Juristen uns erst gewöhnen – leistet für alle Ressorts übergreifend eine wesentliche und ex- zellente Arbeit . In der zweiten und dritten Lesung – das debattieren wir heute nicht – werden wir auch den Haushalt des Ein- zelplans 19 beschließen, den des Bundesverfassungsge- richts . Auch da zeigt sich die große Anerkennung für den Beitrag, den die Rechtspolitik und die Institutionen der Justiz leisten . Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist ganz wichtig . Deswegen ist auch das Vertrauen in die Institu- tionen so wichtig . Herr Kollege Claus, Sie haben eben die Diskussion um den Generalbundesanwalt angesprochen . Darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Warum eigentlich nicht?) Ich glaube, wir müssen aber darüber nachdenken (Zuruf des Abg . Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]) – das können Sie ja gleich noch machen –, ob wir bei- spielsweise das Thema Weisungsrecht für beide Seiten verklaren (Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]: Abschaffen!) und zum Beispiel die schriftliche Weisung regeln . Ich glaube, das täte beiden Seiten, Angewiesenem und An- weisendem, gut . Darüber sollten wir in der Justizpolitik einmal nachdenken . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Um zum Inhalt zu kommen: Die Syndikusanwälte sind ein Thema, das uns in dieser Legislaturperiode in- tensiv beschäftigt hat und uns auch weiter beschäftigen sollte . Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2014 haben wir in der ersten Lesung im Juni dieses Jahres breit darüber debattiert . Wir haben am 1 . Juli 2015 eine Anhörung durchgeführt . Es gibt aber noch viele offene Fragen, die beantwortet werden müs- sen. Dabei geht es um die Haftpflichtversicherung, die Gleichstellung der Syndikusanwälte mit anderen Rechts- anwälten und um die Frage: Greift die Berufshaftpflicht, oder greift möglicherweise die Firmenhaftpflicht? All das muss geklärt werden . Ich glaube, hier eilt die Zeit . Die Rechtsanwälte befinden sich seit inzwischen über einem Jahr in einem unklaren Zustand . Hier müssen wir sehr zeitnah Lösungen finden. Herr Minister, lassen Sie sich nicht ausschließlich von Ihrem Ministerium beraten, sondern gehen Sie voran, und lösen Sie dieses Problem gemeinsam mit uns . Die Anwälte in unserem Land wer- den es Ihnen danken . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Johannes Fechner [SPD]: Das ist alles ab- gesprochen mit den Anwälten!) Wir kommen zum Thema StPO-Reform . Ein wesent- licher Baustein in dieser Legislaturperiode wird die Re- form der Strafprozessordnung sein . Ich glaube, das ist eines der großen Vorhaben dieser Regierungszeit . Wir wollen die StPO reformieren: vom Ermittlungsverfahren über das Zwischenverfahren bis zum Hauptverfahren . Das Rechtsmittelverfahren und das Vollstreckungsver- fahren sollen eingeschlossen sein . Wir wollen also einen großen Wurf . (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie dazu mal ein bisschen was Konkreteres!) Man hört aber aus der Kommission, die beim Bun- desjustizministerium arbeitet, dass viele Dinge gar nicht mehr eingeschlossen werden sollen, beispielsweise das Thema Berufung . Ich würde mir wünschen – die Län- der haben hier ja Vorschläge gemacht –, dass es der Kommission gelingt, dort, wo keine eigenen Vorschläge eingebracht werden, zum Beispiel im Hinblick auf die Berufung, nichts auszuklammern . Wir sollten weiterhin versuchen, bei der StPO-Reform ein umfangreiches Pa- (C) (D) (A) ket zu schnüren und dieses auch zu verabschieden . Ziel sollte die Effizienzsteigerung im Bereich der Strafpro- zessordnung sein . Nach allem, was man von der Arbeit der Kommission hört, habe ich aber den Eindruck, das scheint nicht mehr gänzlich zu gelingen . Ich nenne drei Beispiele, von denen wir gehört haben . Bei der Zeugen- und Beschuldigtenvernehmung soll es schon im Ermittlungsverfahren Videoaufzeichnungen geben . Ich glaube, das kann als Ziel so nicht bestehen bleiben . Wenn dies der Fall wäre, würde das zu mehr Arbeit und zu der Verpflichtung der Richter führen, sich später alle Videoaufzeichnungen anzusehen . Auch in der Hauptverhandlung soll es umfassende Vi- deodokumentationen geben . Videodokumentationen sind nichts Falsches; in vielen Bereichen, in denen sie Sinn ergeben, kennen wir sie schon . Aber umfangreiche Vi- deodokumentationen halte ich für überflüssig. Es muss auch nicht so sein, dass der Pflichtverteidiger immer schon ab der ersten Beschuldigtenvernehmung bestellt wird, und zwar auch dann, wenn das nicht ge- wollt ist . Auch dies würde zu mehr Aufwand führen . Das sind Dinge, die man aus der Kommission hört . Darüber müssen wir, wenn es so weit ist, noch einmal intensiv sprechen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: (B) Herr Kollege Dr . Sensburg, gestatten Sie eine Zwi- schenfrage des Kollegen Ströbele? Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Ja, die hat er eben schon angekündigt . Ich weiß jetzt zwar nicht, zu welchem Punkt – es hat ein bisschen ge- dauert, bis die Frage kam –, aber Kollege Ströbele darf immer fragen . (Dr . Eva Högl [SPD]: Andere nicht?) – Bei anderen überlege ich es mir manchmal . Sie, Frau Kollegin Högl, dürfen auch immer fragen . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Danke, Herr Kollege Sensburg . – Sie sagen das in fast jeder Rede, die Sie hier im Bundestag zur Rechtspoli- tik halten, und das sind ja nicht wenige . Können Sie ein bisschen konkreter sagen, wie Ihre Auffassung und die Auffassung der Union zur Reform der StPO ist? Sie ha- ben zwar einige Punkte erwähnt . Aber sind Sie nun dafür, dass sich da etwas ändert, oder wird in den Gerichtssä- len weiter so wie bisher protokolliert, dass also von ei- ner Mitarbeiterin, einer Protokollführerin oder einem Protokollführer alle Viertelstunde ein halber Satz aufge- schrieben wird? Oder neigen Sie auch dem zu, dass man Hauptverhandlungen etwas vollständiger nachvollziehen können sollte, was gerade bei großen, langandauernden Prozessen von eminenter Bedeutung ist? Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Herr Kollege Ströbele, für die Fra- ge . – Der entscheidende Punkt ist – so lange debattieren wir das ja noch gar nicht; denn das ist das Kernthema dieser Legislaturperiode –, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit zwei Jahren!) dass wir das gesamte Strafverfahren wieder konsistent gestalten . Sie kennen die vielen Änderungen, die es seit der großen Reform in der Strafprozessordnung über die Jahre gab . Dort sind bestimmte punktuelle Stückwerke entstanden . Das Strafverfahren beginnt gemäß der Strafprozes- sordnung beim Ermittlungsverfahren und endet beim Strafvollzug . Daran erkennen wir die Brüche, die über die Jahre entstanden sind . Deswegen ist es das erste Ziel – das haben wir mit dem Koalitionsvertrag, in dem die StPO-Reform enthalten ist, ebenfalls verfolgt –, Kon- sistenz und Effektivität zu erreichen . Ich hatte die Punkte angesprochen, die mir Sorgen machen und die nicht zur Effektivität beitragen, weil sie nur punktuelle Regelun- gen sind . Konsistenz und Effektivität sind also der Oberbe- griff. Darum gibt es ja auch die Expertenkommission beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher- schutz . Sie ist aus sehr guten Leuten zusammengesetzt und hat sich sehr viel Zeit genommen, um zu schauen, wo die Brüche in der Strafprozessordnung sind . Diese zu beheben, ist also das Ziel; das ist der gute Teil. Jetzt hören wir aber – das werden Sie vielleicht auch gehört haben –, dass die Länder zum Beispiel Vorschlä- ge zum Berufungsverfahren gemacht haben, die von der Kommission aber abgelehnt worden sind . Die Kommissi- on scheint nicht genügend Zeit zu haben, um hier eigene Vorschläge zu entwickeln und einzubringen . Das würde ich mir aber wünschen; denn wenn bestimmte Bereiche vom Ermittlungsverfahren bis hin zum Berufungs- und Revisionsverfahren ausgeklammert werden, dann errei- chen wir diese Konsistenz und Effektivität nicht mehr . Das ist aber unser Kernziel . Sobald die Kommission ihre Vorschläge vorlegt, werden wir sie uns im Rechts- ausschuss sicherlich anschauen, darüber eine Diskussion führen und Verbesserungsvorschläge machen . Sie kennen den Spruch: Kein Gesetz verlässt den Deutschen Bundestag so, wie es die Bundesregierung eingebracht hat . – Das hat sich gerade im Bereich der Justizpolitik in den letzten Jahren öfters gezeigt . Ich denke, gemeinsam können wir uns eine Effektivierung dieses Gesetzentwurfs und der Arbeit der Kommission vorstellen . – Danke schön, Herr Kollege Ströbele . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber immer noch keine konkrete Position!) Ich komme zu einem weiteren Bereich, der uns beson- ders wichtig ist, nämlich zum Thema „Scharia-Recht“ . Wir haben uns das – Herr Kollege Ströbele, das habe ich wirklich sehr oft angesprochen; auch in der letzten (C) (D) Dr . Patrick Sensburg (A) Legislaturperiode – genau angeschaut und festgestellt, dass es in manchen Bereichen wirklich einen eigenen Rechtsraum gibt, in dem versucht wird, eine andere Rechtskultur zu pflegen, wo also keine Gerichte, keine Schlichtungsstellen, keine Schiedsgerichtsbarkeiten und keine Mediationen genutzt werden, sondern wo sich et- was parallel entwickelt . Man spricht dementsprechend auch von Paralleljustiz . Wir haben darüber öfters beraten . Auch im Justizmi- nisterium prüft eine eigene Stelle, wie die Situation aus- sieht . Ich glaube, wir müssen einmal schauen, ob es hier genügend Anhaltspunkte gibt, um rechtspolitisch tätig zu werden . Wenn ja, dann sollten wir das auch tun . Wenn es die aber nicht gibt, dann müssen wir das auch offen sagen . Deswegen ist es gut, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz diesen Bereich in den Fokus nimmt und hier Klarheit schafft . Wir würden uns wünschen, diese Ergebnisse gemeinsam zu diskutie- ren . Weitere wichtige Themen sind die organisierte Kri- minalität und die Gewinnabschöpfung . Das haben wir auch schon diskutiert, als es um das Scharia-Recht ging . Ich glaube, durch das Abschöpfen der Gewinne werden wir vielen das Wasser abgraben und die Problemberei- che austrocknen . Wir müssen darüber nachdenken, ob die Gewinnabschöpfung so geregelt werden kann, dass wir die treffen, die wir treffen wollen, und dass wir die Bereiche, die möglicherweise im Verdacht sind, nicht un- ter einen Generalverdacht stellen . Deswegen müssen wir genau hinschauen, ob uns bei der Gewinnabschöpfung (B) die Beweislastumkehr weiterhilft, um die Bereiche aus- trocknen zu können, die innerhalb der organisierten Kri- minalität tätig sind und hohe Gewinne machen . Dadurch können wir einen Beitrag dazu leisten, die organisierte Kriminalität einzudämmen . Der nächste Bereich, den ich ansprechen möchte, ist die Cyberkriminalität . Herr Bundesminister, Sie haben diesen Bereich auch schon angesprochen und gesagt: „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“, was ich für richtig halte . Wir erleben, dass viele Delikte speziell im Internet stattfinden. Dort sind bestimmte Gruppen tä- tig . Daneben gibt es Delikte, die es auch im alltäglichen Leben gibt und speziell mithilfe des Internets verübt wer- den . Wir haben das IT-Sicherheitsgesetz umzusetzen . Das wird uns schon viel bringen, aber es wird nicht der letzte Schritt sein, den wir machen müssen . Wir müssen das BSI stärken . Wir müssen auch die anderen Ämter stär- ken, die auf diesem Gebiet tätig sind . 50 Milliarden Euro beträgt der jährliche Schaden durch das Ausspähen un- serer Wirtschaft im Bereich der Cyberkriminalität; das ist noch sehr zurückhaltend geschätzt . Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, rechtspolitisch und unter Wahrung rechtsstaatlicher Ansätze auch hier einen Beitrag zu leis- ten. Wir haben einen Beitrag geleistet; auch das haben Sie angesprochen, Herr Minister . Das Thema Mindestspeicherfristen ist kein leichtes Thema; das wissen wir. Über dieses Thema haben wir sehr oft debattiert und diskutiert . Im Rahmen der Anhö- rung am 21 . September 2015 – ich freue mich, dass die Berichterstatter aller Fraktionen intensiv arbeiten, für uns ist das der Kollege Dr . Ullrich – werden wir eine Lösung finden, die den Ansprüchen des Bundesverfassungsge- richts an Verfassungskonformität, aber auch den Ansprü- chen des Europäischen Gerichtshofs Rechnung trägt . Ich habe Ihnen das aktuelle Heft des BusinessMaga- zins BERLINboxx mitgebracht. Ich freue mich, dass der Justizsenator von Berlin mit der Überschrift zitiert wird: „Ich bin Verfechter der Verkehrsdatenspeicherung .“ Das ganze Heft ist mit „Industrie 4 .0“ überschrieben . Es geht um Standortperspektiven . Wenn wir nicht erkennen, dass Sicherheit im Internet – dazu gehören auch Mindest- speicherfristen – mit Datenschutz und Offenheit gegen- über Medien einhergeht, dann werden wir den Standort Deutschland nicht sichern . Deshalb sind Mindestspei- cherfristen nach meiner Meinung ein wesentlicher Be- standteil für den Industrie- und Internetstandort Deutsch- land . (Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Par- tei gehört der Justizsenator an?) Lassen Sie mich noch zu zwei Punkten kommen, die mir wichtig sind . (Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die ande- ren nicht?) Das eine Thema ist die außergerichtliche Streitbeile- gung; das ist hier angesprochen worden. Ich glaube, wir haben gute Ansätze im Bereich des Verbraucherschutzes bei der Umsetzung zweier Gesetzgebungsakte aus Euro- pa, der sogenannten ADR-Richtlinie und der sogenann- ten ODR-Verordnung . Es geht darum, Regelungen zu schaffen, mit denen Verbrauchern ein leichter Zugang zu außergerichtlicher Streitbeilegung ermöglicht wird . Es muss aber auch gelingen, die Wirtschaft mit den Kosten dieser Verfahren nicht allein zu lassen . Vielleicht wäre es hier klug, einmal auf Bundesebene in der Art einer allgemeinen Schlichtungs- und Media- tionsstelle ein Pilotprojekt zu initiieren – dazu müssten wir allerdings Gelder in den Haushalt einstellen – und dadurch eine Stelle zu etablieren . Voraussichtlich ist mit rund 12 000 Fällen zu rechnen . Das wird ein Kostenvo- lumen von 2,4 Millionen Euro haben . Das lässt sich aus dem derzeitigen Haushaltsplan nicht finanzieren. Von da- her müssen wir in den Beratungen diskutieren, ob hier nicht ein weiterer Ansatz für eine allgemeine bundesweit tätige Schlichtungs- und Mediationsstelle möglich ist . Ich sage extra „Mediationsstelle“, weil wir in der letz- ten Legislaturperiode das Mediationsgesetz verabschie- det haben und ich mir wünsche, dass diese Gesetze auf- einander abgestimmt werden, sodass wir in Deutschland neben Gerichtsbarkeit, Schiedsgerichtsbarkeit, Schlich- tungsverfahren und Mediation nicht ein neues Verfahren mit Stellen etablieren, sondern dass wir hier Konsistenz erreichen . Darüber wird es noch Diskussionen geben . Aber ich glaube, dass sowohl das Ministerium als auch wir Abgeordnete aller Fraktionen im Deutschen Bundes- tag auf einem guten Weg sind . Das letzte Thema, das mir wichtig ist – ich reiße es nur kurz an –, ist das Thema Insolvenzrecht . Es gibt hier drei (C) (D) (A) große Bereiche: Delisting, Pensionsrückstellungen und Insolvenzanfechtungen . Hier wünsche ich mir, dass gera- de im Bereich der Insolvenzanfechtungen, der für unsere Wirtschaft sehr wichtig ist, nicht darauf gewartet wird, ob sich die Rechtsprechung noch in eine andere Richtung entwickelt – die Firmen leiden tagtäglich unter dieser Si- tuation –, sondern dass wir vonseiten der Politik gemein- sam mit Ihnen, Herr Minister, die Dinge anpacken . Un- ser Berichterstatter, Herr Kollege Hirte, hat hierzu viele Vorschläge gemacht . Ich wünsche mir, dass wir sie in den aktuellen Beratungen aufnehmen . Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit für so vie- le Themen . Herr Claus, Sie sehen, man kann sehr viele rechts- und verbraucherpolitische Themen ansprechen . (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Bei 12 Mi- nuten!) Ich wünsche mir jetzt eine konsensorientierte Beratung und ein gutes Ergebnis . Danke schön . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (B) Kollegen! Sehr geehrter Herr Maas, so als Zuhörerin wundert man sich doch ein bisschen, dass der Kollege Sensburg betont, dass die StPO-Reform das Kernpro- jekt dieser Legislaturperiode ist, während Sie sie in Ih- rer Rede gar nicht erwähnt haben . Vielleicht könnten Sie sich in der Koalition über Ihre Schwerpunkte noch ein- mal abstimmen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]) Fast wäre es in der Sommerpause zwischen zwei Son- dersitzungen einmal etwas ruhiger geworden, wenn da nicht der Generalbundesanwalt gewesen wäre . Es wird Sie nicht überraschen, dass das Thema hier jetzt noch einmal zur Sprache kommt . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]) Ja, die Entlassung war unvermeidlich, das sehen wir auch so . Das Management war trotzdem suboptimal . Nach unserer letzten Ausschusssitzung steht jetzt Aus- sage gegen Aussage . Der Generalbundesanwalt behaup- tet, er sei geradezu erpresst worden . Wer die Wahrheit sagt, werden wir nicht mehr ermitteln können, weil die gesamte Kommunikation zwischen Ihrem Ministerium und dem Generalbundesanwalt informell und telefonisch ablief . Warum haben Sie den GBA denn nicht frühzeitig um einen Bericht bzw . ein Rechtsgespräch gebeten und sich seine Rechtsauffassung einmal darlegen lassen? Be- sonders die Frage nach dem subjektiven Tatbestand der Schädigungsabsicht wäre doch interessant gewesen . Ich wage nicht, zu spekulieren, ob dieses Gespräch bei Herrn Range zu weiteren Erkenntnissen geführt hät- te . Auf jeden Fall hätten Sie uns Parlamentariern einen nachvollziehbaren und dokumentierten Ablauf vorlegen können, statt uns auf Auszüge aus der Ermittlungsakte in der Geheimschutzstelle zu verweisen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Warum diese Unterlagen überhaupt in der Geheimschutz- stelle liegen, obwohl sie gar nicht Geheim, sondern nur VS-Vertraulich eingestuft sind, verstehe ich bis heute nicht . Dass die Einschätzungen des Innenministeriums und des Justizministeriums in diesem Kabinett völlig quer zueinanderstehen, ist nun weiß Gott kein Staatsge- heimnis . – So weit zu den aktuellen Vorkommnissen . Jetzt aber will ich die Haushaltsdebatte zur Legisla- turhalbzeit nutzen, um einige grundsätzliche Dinge zu besprechen . Der Justizhaushalt selbst betrifft ja bekannt- lich das kleinste Ressort im Bundeshaushalt, was aber keinesfalls Rückschlüsse auf die Bedeutung der Justiz in unserem Rechtsstaat zulässt . Pro Einwohner kostet uns die gesamte Justiz in Bund und Ländern gerade ein- mal 53 Euro . Im Vergleich dazu kostet uns die militäri- sche Verteidigung 400 Euro pro Person . Aber auch der Rechtsfrieden will verteidigt werden . Schließlich steht und fällt der Frieden im Inneren mit einem funktionie- renden Rechtswesen . Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist bei uns immer noch besser als in vielen unserer Nachbar- staaten . Das bleibt aber nicht von alleine so . Mangelnde Wertschätzung oder gar Vernachlässigung sind eine echte Gefahr . Das Verfassungsgericht hatte gerade erst das zweifel- hafte Vergnügen, über die rechtsstaatlichen Untergrenzen der Richterbesoldung entscheiden zu dürfen . Wie konn- te es eigentlich so weit kommen? Warum liegen junge Richterinnen und Richter, die eine hochqualifizierte und international anerkannte Ausbildung absolviert haben, unter dem deutschen Durchschnittseinkommen? (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Das ist doch Ländersache!) Wollen wir wirklich, dass künftig gerade die Richterin- nen und Richter Karriere machen, die auf Schnelligkeit und Fallzahlen statt auf Gründlichkeit fixiert sind? Dass diese Frage nicht einfach durch Bundesgesetzgebung ge- löst werden kann, ist mir schon klar, Herr Kollege . Wir können es aber auch nicht einfach so laufen lassen . Hier gibt es ein übergeordnetes Interesse aller und eine große Aufgabe auch für einen Bundesjustizminister . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Unmittelbar zuständig jetzt wiederum sind Sie für die Bundesrichterwahlen und die Richterwahlausschüsse . Auch hier muss sich einiges ändern . Selbst der weiße Rauch bei einer Papstwahl ist transparenter als das der- zeitige Verfahren . (C) (D) Katja Keul (A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das stimmt!) Ich bin der Meinung, dass es für Richterinnen und Richter wenigstens die Möglichkeit geben muss, sich für die Vorschlagsliste zur Bundesrichterwahl zu bewerben . Die zunehmende Zahl von Konkurrentenklagen bei der Besetzung oberster Bundesgerichte ist eine Belastung für alle Beteiligten . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wichtig – um nicht zu sagen: existenziell – für ein funktionierendes Rechtswesen ist der Zugang zum Recht für alle . Und auch hier droht Gefahr . Wenn die Amtsge- richte in der Fläche verschwinden, wie es jetzt in Meck- lenburg-Vorpommern passiert, ist das offensichtlich . Aber auch die Anwaltschaft bedarf dringend höherer Wertschätzung, wenn der Zugang zum Recht für alle er- halten werden soll . Ich rede jetzt ausnahmsweise einmal nicht von den Syndikusanwälten in den Großkanzleien, sondern von den Anwälten vor Ort, die als Mittler und Übersetzer den Menschen den Zugang zum Recht ge- währen, ob es um Ärger mit dem Chef, dem Vermieter oder in der Familie geht . Der Jahresbruttogewinn der Einzelanwälte beträgt seit über einem Jahrzehnt unverändert 40 000 Euro . Gerade erst haben alle Post von ihren Kammern bekommen, dass sie sich ein elektronisches Postfach zulegen sollen, weil wir als Gesetzgeber beschlossen haben, ab 2022 nur noch mit der elektronischen Akte zu arbeiten . Ich habe in der Sommerpause mit etlichen Kollegin- (B) nen und Kollegen gesprochen . Sie scheuen keine Mühe und Kosten, um die Umstellung der Software sowie die Aufrüstung von Hardware zu bewältigen, auch wenn das – gerade für die Einzelanwälte – teilweise existen- zielle Ausmaße annimmt . Nun stellen sich beim elektronischen Rechtsverkehr noch andere Fragen als die der Kosten für die Anwalt- schaft . Wir wissen seit Snowden bestens, dass es eine ab- solute Sicherheit für elektronische Daten gar nicht geben kann . Mit welchem Recht will der Staat den Anwälten verbieten, dem Mandanten einen sicheren und gegebe- nenfalls auch analogen Umgang mit ihren Daten anzu- bieten? Warum soll ich gerade einen sensiblen Schrift- satz nicht persönlich in den Briefkasten des Gerichtes einwerfen dürfen? Bei Atomkraftwerken zum Beispiel durfte noch nie digitale, sondern darf ausschließlich ana- loge Technik verarbeitet werden . Warum sollten wir bei sensiblen Mandantendaten diesen Schutz nicht gewähren dürfen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch der Gesetzgeber kann neue Erkenntnisse durch- aus dazu nutzen, alte Entscheidungen noch einmal zu überdenken . Der elektronische Rechtsverkehr sollte im Interesse der Rechtssuchenden eine freiwillige Option bleiben . Aber zurück zu den Amtsgerichten: Hier wird den Bürgerinnen und Bürgern heute auch bei geringen Streitwerten ein ordentliches Verfahren gewährt, das im Durchschnitt weniger als fünf Monate dauert . Mit Ihrem Entwurf zur Verbraucherschlichtung könnten die Bürger künftig an die privaten Schlichtungsstellen verwiesen werden, und das auch noch per AGB, was nur dann güns- tiger für sie ist, wenn sie sich nicht anwaltlich vertreten lassen . Prozesskostenhilfe ist jedenfalls nicht vorgese- hen . Ein geeigneter Schlichter ohne Befähigung zum Rich- teramt soll dann nach Billigkeit im schriftlichen Verfah- ren entscheiden . Diese Entscheidung wird weder veröf- fentlicht, noch ergeht sie im Namen des Volkes, kann aber vom Gerichtsvollzieher vollstreckt werden . Ich frage Sie: Wo bleiben die Vorhersehbarkeit der Entscheidung, die Verlässlichkeit und die Rechtsfortbildung? Bei der Umsetzung dieser EU-Richtlinie ist beson- deres Augenmaß angesagt, um das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten . Freiwillige Schlichtung ja, aber keine Paralleljustiz . Was wir brauchen, ist vielmehr eine Rechtsstaatsinitiative für Deutschland, damit unser Rechtswesen funktionsfähig bleibt . Vielen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als Nächster spricht der Kollege Dennis Rohde für die SPD . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dennis Rohde (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat mit seinem Ausspruch, dass die Welt aus den Fugen geraten sei, die, wie ich finde, prägnanteste Zusammenfassung der momentanen Situation, der wir gegenüberstehen, gegeben. Ich finde, diese Formulierung lässt uns gleichzeitig erahnen, vor welchen Herausforde- rungen wir heute und in den kommenden Jahren stehen bzw . stehen werden . Natürlich bringt die veränderte globale Lage auch eine besondere Verantwortung für unseren Rechtsstaat mit sich . Es gibt zweifellos neue Herausforderungen, auch im Bereich der inneren Sicherheit, die wir werden meis- tern müssen . So hat zum Beispiel der Generalbundesanwalt als oberster Staatsanwalt unseres Landes die Aufgabe, ge- waltsamen Extremismus – gleich welcher Couleur – zu verfolgen und so zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger beizutragen . Ich will deshalb zwei Beispiele nen- nen, wie wir auch die Justiz im Lichte dieser Herausfor- derungen im Haushaltsjahr 2016 unterstützen werden: Zunächst ist das Thema Rechtsextremismus zu nen- nen, das natürlich nicht mit dem Prozess gegen die Rechtsterroristen des NSU abgeschlossen ist . Das Jahr hat gezeigt, dass Rassismus und rechte Gewalt am Rande der Gesellschaft fortleben, dass sie auch in einer offenen, (C) (D) Dennis Rohde (A) demokratischen Gesellschaft existieren. Und ich sage: Angriffe auf Flüchtlingsheime, auf Menschen, die zu uns kommen, weil sie Schutz und Frieden suchen, und men- schenverachtende Aufmärsche – sie sollten, sie müssen uns alle beschämen . (Beifall bei der SPD und der LINKEN so- wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vor dem Hintergrund der fortwährenden Herausforde- rung durch Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge und sogar gegen die Menschen, die sich in der Hilfe engagieren, ist es umso wichtiger, dass die Justiz die notwendigen Ressourcen erhält, um mit allen Mitteln des Rechtsstaa- tes konsequent gegen rechtsextreme Gewalt vorgehen zu können . Auch deswegen setzen wir die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses weiter und nach- haltig um . Denn wir wissen: Der Generalbundesanwalt nimmt zunehmend eine Rolle als koordinierende Instanz und Schnittstelle zwischen den Ermittlungsbehörden wahr . Die personelle Ausstattung für diesen gewachse- nen Aufgabenbereich muss dieser Rolle entsprechen . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Im Haushaltsentwurf sind deswegen für den GBA auch weitere Stellen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus vorgesehen. Ich finde, das ist gerade in Anbetracht der Zeichen der Zeit eine immens wichtige Maßnahme . Eine ähnliche Schnittstellenfunktion erfüllt der Gene- ralbundesanwalt beim Thema islamistischer Terrorismus . Hier sehen wir zunehmend die Herausforderung der so- (B) genannten Rückkehrer, also Dschihadisten, die aus den von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ besetzten Ge- bieten in Syrien und im Irak zurück nach Deutschland kommen . Wir müssen alles daransetzen, dass die Personen, die Tod und Leid über so viele Menschen gebracht haben, hier in Deutschland die gesamte Härte unseres Rechts- staates zu spüren bekommen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Genau daran arbeitet der Generalbundesanwalt . Mittler- weile sind dort über 300 Prüfvorgänge anhängig . Darum korrigieren wir auch hier den Stellenplan für eine ange- messene Amtsausstattung . Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die Flüchtlingssituation mit ihren unfassbaren Bildern mo- mentan die gesellschaftliche und politische Debatte be- herrscht, möchte ich noch weitere Schwerpunkte aus dem Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ansprechen . So schreibt der Regierungsentwurf zum Haushalt 2016 das fort, was wir mit dem Haushalt 2015 begonnen haben, nämlich eine massive Stärkung des Deutschen Pa- tent- und Markenamtes als Investition in Innovation und Fortschritt . Mit Verabschiedung dieses Bundeshaushalts werden wir seit Regierungsübernahme Stellen für weit über 100 neue Patentprüferinnen und Patentprüfer ausgebracht ha- ben . Weitere Stellen werden nicht – wie eigentlich vorge- sehen – wegfallen, sondern zur Abarbeitung des uns allen bekannten Antragsstaus verwandt werden . Die personel- le Entwicklung beim DPMA ist mit Sicherheit eine der positivsten seit vielen Jahren . Lange wurde nicht mehr so viel für dieses Amt getan . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Die Große Koalition stärkt das Patent- und Marken- wesen . Sie stärkt damit die deutsche Wirtschaft, indem sie denen, die erfinden und Ideen haben, die benötigte Rechtssicherheit gibt, um aus einem Patent auch wirt- schaftlichen Erfolg werden zu lassen . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich sage Ihnen – das klang vorhin schon an –: Das ist auch gut für unseren Bundeshaushalt . Ein Einnahmeplus von 20 Millionen Euro beim DPMA im Vergleich zu 2014 sorgt mit dafür, dass der Haushalt des Justizmi- nisteriums auch zukünftig eine hervorragende ressort- führende Deckungsquote haben wird; denn verantwor- tungsvolle Haushaltspolitik bedeutet eben nicht nur, den effizientesten Einsatz von Finanzen zu fördern und Ein- sparmöglichkeiten durchzusetzen . Verantwortungsvolle Haushaltspolitik bedeutet eben auch, einmal genau nach- zusehen, wo die Einnahmeseite sinnvoll und nachhaltig verstärkt werden kann . (Beifall bei der SPD) Abschließend ein paar Worte zum Thema Verbrau- cherschutz; meine Kollegin Elvira Drobinski-Weiß wird gleich noch genauer auf das Thema eingehen . Wir wis- sen, dass die heutigen Märkte oft komplex oder sogar unübersichtlich sind, dass viele der alten Gewissheiten im Konsumverhalten heute nicht mehr gelten . Wir set- zen konsequent und mit Nachdruck auf Transparenz und Information der Verbraucherinnen und Verbraucher, da- mit jeder auf den Märkten nicht nur die beste Kaffeema- schine, sondern auch die für ihn passende Altersvorsorge oder das richtige Bankkonto finden kann. Ich freue mich daher, dass wir den guten Weg der letzten Jahre fortset- zen . Der Ansatz für den Verbraucherschutz beläuft sich auf 35,8 Millionen Euro . Das sind 4,7 Millionen Euro mehr als 2015 und 11,6 Millionen Euro mehr als 2014 . Ich finde, dass das sinnvolle Aufwüchse sind. Sie zeigen, dass wir es ernst meinen mit der Information und dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher . (Beifall bei der SPD) In den kommenden Haushaltsverhandlungen werden sicherlich die Herausforderungen und die Chancen des momentanen Flüchtlingsstroms im Mittelpunkt – auch der medialen Wahrnehmung – stehen . Wir als für den Einzelplan des Bundesministers der Justiz und für Ver- braucherschutz zuständige Haushälter werden sicherstel- len, dass die rechts- und verbraucherpolitischen Themen am Ende nicht herunterfallen werden . Vielen Dank . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (C) (D) (A) Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Kollege Harald Petzold, Die Linke, spricht als Nächster . (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, für die lin- ke Opposition bleibt es dabei: Der Einzelplan des Bun- desministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wird den Anforderungen, vor denen wir aktuell in der Justiz- und Verbraucherpolitik stehen, nicht gerecht . (Beifall der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Zuspitzend möchte ich sagen: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel . Ich werde Ihnen das an zwei Beispielen erläutern . Daran ändern auch zahlenakrobatische Spiele vom Kollegen Dr . Sensburg nichts, der uns in atemberau- bender Logik vorgerechnet hat – eigentlich hätte er das in Zahlen viel kürzer sagen können –, um wie viel der Haushalt angewachsen ist . (Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ich wollte es verständlich sagen!) Natürlich haben wir das nicht übersehen . Aber ich will Ihnen anhand meiner Beispiele deutlich machen, dass es in zentralen Punkten dieses Haushalts keine herausforde- rungsgerechte Ausfinanzierung gibt. (B) Ich beginne mit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter in Wiesbaden, die Deutschland auf der Basis des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmensch- liche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe errich- tet hat . Folter ist ein Grund, warum Menschen aus vielen Ländern nach Deutschland flüchten. Deswegen ist es gut, dass wir die Nationale Stelle haben . Es handelt sich um eine unabhängige nationale Einrichtung zur Prävention von Folter und Misshandlung . Sie erfüllt sehr wichtige Aufgaben und soll regelmäßig Orte des Freiheitsentzugs aufsuchen, um dort zu überprüfen, inwieweit Menschen- rechte eingehalten werden bzw . erniedrigende Behand- lung von Menschen stattfindet. Sie soll auf Missstände aufmerksam machen, Verbesserungsvorschläge unter- breiten und darüber unter anderem hier im Deutschen Bundestag berichten . Diese Stelle müsste eigentlich un- angemeldet die entsprechenden Einrichtungen besuchen . Aber das kann sie aufgrund der personellen Ausstattung leider nicht tun . An dieser Stelle sage ich: Für uns ist es nicht hin- nehmbar, dass diese Nationale Stelle in finanzieller Hin- sicht nicht aufgabengerecht ausgestattet wird . Sie haben sich im vergangenen Jahr, Herr Bundesminister, feiern lassen, als Sie uns erklärten, dass der Bundesanteil auf 180 000 Euro aufgestockt werden soll . Sie legen uns nun erneut einen Haushalt vor, der diese Aufstockung nicht nachvollzieht . Das ermöglicht den Ländern die Ausrede, ihren Anteil nicht aufzustocken . Dabei ist gesetzlich vor- geschrieben, wie die Aufstockung zu erfolgen hat . Somit ist die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter mit Sitz in Wiesbaden eben nicht ausreichend ausgestat- tet, und das ist für die Linke nicht akzeptabel . Wir wer- den beantragen, das zu ändern . Deutschland kritisieren im Übrigen auch die Vereinten Nationen, die in ihrer letz- ten Überprüfung auf diese finanzielle Ausstattung hinge- wiesen haben . Der zweite Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte, ist der Umgang mit Stiftungen . Es gibt in Bonn die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zu- sammenarbeit, IRZ. Es ist gut, dass es diese Stiftung gibt; denn diese Stiftung berät unter anderem osteuropäische und südosteuropäische Länder in Sachen Demokratie und in Sachen Marktwirtschaft . Ich sage, auch dabei geht es darum, dass Menschen auf der Flucht nach Deutsch- land sind, und deswegen brauchen wir diese Beratung . Insofern ist es gut, dass diese Stiftung von der Bundes- regierung mit Beträgen in Millionenhöhe gefördert wird und dass es im nächsten Jahr sogar eine Aufstockung der Finanzen dieser Stiftung auf 5,5 Millionen Euro geben wird . Im Gegensatz dazu steht zum Beispiel die Arbeit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld . Diese Stiftung ist 2011 gegründet worden und finanziert sich lediglich aus den Erlösen des Stiftungskapitals . Die Zinsen sind im Moment so niedrig, dass die Erlöse, die die Stiftung er- zielt, nicht einmal ansatzweise ausreichen, um die vielen Aufgaben, die die Stiftung erfüllt, finanzieren zu können. Es ist wichtig und sehr gut, dass wir diese Stiftung ha- ben; denn nichtheterosexuelle Orientierung, nichthetero- sexuelle Identität stehen in Ländern wie Afghanistan, Irak oder Syrien entweder unter Strafe oder unter erheblicher gesellschaftlicher Ächtung und sind daher Fluchtgründe . Deswegen ist es gut, dass wir eine Stiftung haben, die sich um die Schaffung von Akzeptanz von Menschen mit einer nichtheterosexuellen Orientierung kümmert. Die Projekte, die diese Stiftung umsetzt, sind unter anderem das Archiv der anderen Erinnerungen, wo das Unrecht durch Verurteilung nach § 175 StGB aufgear- beitet werden soll, zahlreiche Projekte zur Akzeptanz ge- schlechtlicher und sexueller Diversität sowie die aktive Bekämpfung von Homophobie, beispielsweise im Sport . Das Projekt „Fußball für Vielfalt“ will ich hier nennen . Bekannter Botschafter dieses Projekts ist etwa der ehe- malige Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger . Hinzu kommen Hirschfeld-Tage und umfangreiche Pu- blikationen, durch die Bildungs- und Aufklärungsarbeit geleistet wird . Diese Liste ließe sich fortsetzen . Die Arbeit dieser Stiftung wird lediglich mit einem Geschäftsführer und gegenwärtig drei halben Referen- ten- bzw . Sachbearbeiterstellen geleistet . Der Rest ist Ehrenamt. Ich finde, das ist eine Ungleichbehandlung, die wir nicht akzeptieren können . (Beifall bei der LINKEN) Ich sage deutlich: Ich neide der IRZ überhaupt nicht die ihr zur Verfügung stehen Millionen, im Gegenteil . Meine Fraktionskollegin Frau Dr . Lötzsch, die im Kuratorium der IRZ sitzt, würde mir den Kopf abreißen, wenn ich an dieser Stelle etwas anderes sagen würde . Aber ich ver- (C) (D) Harald Petzold (Havelland) (A) lange eine Gleichbehandlung dieser Stiftung und damit entweder eine erhebliche Erhöhung des Stiftungskapitals für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung oder eine auskömm- liche institutionelle Förderung . Erlauben Sie mir, dass ich abschließend dem Ge- schäftsführer der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Herrn Litwinschuh, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für diese umfangreiche Arbeit für so wenig Geld danke . Ich denke, auch das ist einmal einen Beifall dieses Hauses wert . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- ordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Da kann sogar die Union klatschen . – Denn im Kura- torium dieser Stiftung sitzen sehr aktive und engagierte Mitarbeiter . Last, but not least: Zum Leben zu wenig, zum Ster- ben zu viel . Der Einzelplan 07 wird aus unserer Sicht den Anforderungen nicht gerecht . Die Linke wird in den Aus- schüssen entsprechende Änderungsanträge unterbreiten . Vielen Dank . (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Mechthild Heil . (Beifall bei der CDU/CSU) (B) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute Politik muss nicht immer viel kosten . Mit rund 736 Millionen Euro hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den kleinsten Etat aller Ministerien. Ich sage „klein, aber fein“; denn gute Verbraucherpolitik hängt nicht immer von einem großen Budget ab . Sie hängt ab von einer guten Gesetzgebung – klar, gute Gesetzgebung; das hilft immer –; aber wir ha- ben auch andere Mittel, um die Position der Verbraucher in Deutschland zu stärken . Das tun wir im Verbund mit vielen Initiativen aus der Zivilgesellschaft, von Verbän- den und der Wirtschaft . Gemeinsam kommen wir da ein gutes Stück voran . Deswegen an dieser Stelle ihnen al- len, die sie dabei helfen, einmal ein herzliches Danke- schön für ihre Arbeit und die wichtigen Beiträge, die sie uns im Bereich der Verbraucherpolitik liefern . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg . Bärbel Bas [SPD]) Aber: Schuster, bleib bei deinem Leisten . – Wie sieht es mit unseren Aufgaben aus? Als Gesetzgeber haben wir die Weichen für mehr Verbraucherschutz gestellt . Wir haben die Marktwächter eingeführt, digitalen und finan- ziellen Verbraucherschutz damit auf den Weg gebracht . Das haben wir im Koalitionsvertrag so festgeschrieben, und so haben wir das auch umgesetzt . Heute stehen im Haushaltsplan dafür immerhin 10 Millionen Euro zur Verfügung . Und: Das Kleinanlegerschutzgesetz haben wir schon verabschiedet . Praktiken, wie sie Prokon in der Öffentlichkeit betrieben hat, wollen wir nicht mehr sehen . Auf manchen Märkten müssen Verbraucher halt mehr geschützt werden als auf anderen Märkten . Die Umsetzung der ADR-Richtlinie – das Schlich- tungsverfahren in Verbraucherangelegenheiten – steht noch vor uns . Mit der außergerichtlichen Streit- schlichtung wollen wir aufwendige Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen und Verbrauchern vermeiden . Gerichte werden entlastet, und Kunden kommen unbü- rokratisch und kostengünstig zu ihrem Recht . Der Auf- bau und der Betrieb der Schlichtungsstellen ist Sache der Länder . Inwieweit der Bund an dieser Stelle koordinie- rend eingreifen sollte, werden wir im weiteren Verfahren zu diskutieren haben . Mir liegt daran, im Sinne der Ver- braucher bundesweit einheitliche Strukturen zu schaffen und die Schlichtungsstellen so schnell wie möglich und auch so flächendeckend, wie es irgend geht, ans Arbeiten zu bringen . Welche Themen sind derzeit für Verbraucher interes- sant? Ich möchte Ihnen vier Themen nennen, die aktuell auch auf meiner Agenda stehen: Da wäre zunächst einmal die Tachomanipulation zu nennen, die Tachomanipulation auf dem Gebrauchtwa- genmarkt . Nach Schätzungen vom ADAC ist jeder dritte Tacho manipuliert . Der dadurch entstandene Schaden be- läuft sich jährlich auf rund 8 Milliarden Euro – 8 Milliar- den Euro, die die Kunden zu viel bezahlen . Was können wir dagegen unternehmen? Wie können wir die Verbraucher vor dieser offenbar weitverbreiteten Praxis besser schützen? Ich habe dazu die verschiedenen Akteure – Hersteller, Werkstätten, TÜV, Dekra und viele andere mehr – zu einem runden Tisch eingeladen, und gemeinsam haben wir darüber diskutiert und auch Maß- nahmen erarbeitet . An erster Stelle zu nennen sind härtere Strafen für die Manipulierer, aber auch eine Verpflichtung der Herstel- ler, sichere Chips einzubauen . Die Hersteller könnten das, aber seit Jahren und Jahrzehnten tun sie es nicht . Das wichtigste Instrument: die Einführung einer Da- tenbank für die Laufleistung der Autos auf freiwilliger Basis . In Ländern wie Belgien oder den USA hat sich die Zahl der Missbrauchsfälle dadurch deutlich reduziert . Wie soll das genau funktionieren? Sobald man in eine Werkstatt fährt, zum TÜV, zur ASU, die Reifen wechseln lässt, eine Scheibe reparieren lässt, abgeschleppt wird, eine Panne hat, sich bei der Versicherung meldet oder was auch immer mit seinem Auto macht: Der Kilometer- stand wird erfasst, und es wird freiwillig der Lebenslauf des Wagens gespeichert . Wenn der Wagen dann verkauft werden soll, hat man eine lückenlose Dokumentation . Eine Manipulation am Kilometerzähler wird deutlich er- schwert . Die CDU/CSU-Arbeitsgruppe Verkehr erarbeitet des- halb aktuell einen Gesetzentwurf oder eine Gesetzesän- derung . Da kann ich als verbraucherpolitische Sprecherin nur sagen: Das ist eine klasse Zusammenarbeit mit den Kollegen . Vielen Dank dafür! Es ist auch wirklich eine gute Verbraucherpolitik, die wir da machen . Sie hilft den Verbrauchern direkt . Sie hilft den redlichen Händlern, (C) (D) Mechthild Heil (A) sorgt für einen fairen Wettbewerb und verhindert natür- lich auch Schäden an der Volkswirtschaft . (Beifall bei der CDU/CSU) Ich bin deswegen auch wirklich zuversichtlich, dass so den Käufern von Gebrauchtwagen oder Nutzern von Leasingfahrzeugen – in dem Bereich ist das auch ein gro- ßes Problem – konkret geholfen werden kann . Ein weiteres Thema, das mich umtreibt, möchte ich gern ansprechen: die mangelnde Augenhöhe zwischen Anbietern und Kunden im Finanzmarkt . Wir haben in den letzten Jahren viele Maßnahmen ergriffen, um für die Verbraucher Licht ins Dunkel der Finanzanlagen zu bringen . Wir haben Informations- und Dokumentations- pflichten für Unternehmen eingeführt. Wir haben über deren Haftung gesprochen . Das ging hin bis zur Einfüh- rung des Finanzmarktwächters oder des Kleinanleger- schutzgesetzes . Ich möchte auf diesem Weg weitergehen, aber an einer anderen Stelle ansetzen, nämlich einen Schritt vorher, beim Verbraucher selbst . Die Altersvorsorge und siche- re Geldanlagen sind von zentraler Bedeutung für jeden Verbraucher . Damit jeder Verbraucher entscheiden kann, was für ihn eine gute und sinnvolle Geldanlage oder Al- tersvorsorge ist, benötigt er gute und strukturierte Infor- mationen . Aber er muss auch mit den Informationen umgehen können, er muss sie verstehen und bewerten können . Verbraucherfinanzbildung – so möchte ich es einmal nennen – wird in den kommenden Jahren ein wichtiges (B) Thema sein . Es gibt bereits viele Initiativen: von Finan- zinstituten über Präventionsnetzwerke bis zu Schuldner- hilfen, die die Kompetenz der Verbraucher, insbesondere der jungen Verbraucher, stärken sollen und wollen . Das finde ich toll. Aber wer findet sich bei diesen ganzen Ini- tiativen noch zurecht? Ich möchte deshalb – dafür werbe ich an dieser Stelle – eine zentrale Anlaufstelle im Inter- net schaffen, auf der man auf einen Blick die für seine Altersgruppe oder Lebensphase relevanten und vorhan- denen Angebote finden kann. Das Ganze könnte FiWiKo heißen: Bundesnetzwerk Finanz- und Wirtschaftskompe- tenz . Wer könnte ein solches Portal betreiben? Ich denke, die Stiftung Warentest, Finanztest, wäre hierfür ein guter Ort, und ich finde, die Haushaltsberatungen sind eine gute Stelle, darüber zu diskutieren und nachzudenken . Die Idee hat auch Einzug in ein Papier der CDU, in das Papier der Kommission für Nachhaltigkeit, gefun- den . Unter der Leitung von Julia Klöckner wurde es er- arbeitet und soll im Dezember auf dem Bundesparteitag verabschiedet werden . Ich hoffe, dass es so beschlossen wird . (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte Ihnen einen dritten Bereich in der Verbrau- cherpolitik nennen, der mir wichtig ist . Er gehört zwar nicht direkt zum Einzelplan 07, ist aber Kern der Ver- braucherpolitik . Das ist die Ernährungspolitik . Ich hatte vorhin gesagt, dass sich gute Politik nicht an der Höhe der Haushaltsmittel bemessen lässt . Gute Politik besteht auch nicht nur darin, Gesetze zu machen . Ich stimme deshalb Bundesernährungsminister Christian Schmidt zu, wenn er sagt, er wolle den Teller nicht mit Gesetzen vollpacken . (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ist das lustig!) Wir können unsere ernährungs- und gesundheitspoli- tischen Herausforderungen nicht nur mit Gesetzen und Verboten lösen . Werbeverbote, sei es für Kindernahrung oder für Genussmittel, sind für mich eindeutig der falsche Weg . Stattdessen wollen wir die Ernährungskompetenz stärken . Bundesminister Schmidt hat angekündigt, seine Bildungsinitiative im Bereich Ernährung für Kinder und Jugendliche auszubauen . Nur so können wir sie zu einem gesunden Lebensstil motivieren . (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wir sind beim Einzelplan 07!) Als vierten und letzten Bereich möchte ich den Bereich Digitalisierung ansprechen . Die Digitalisierung schreitet voran . Wir sehen einen Trend weg vom Eigentum hin zur Nutzung . Es wird verliehen, geteilt und wieder verkauft . Der Bereich der Share Economy wächst . Das Internet macht das Zusammentreffen von Anbietern und Nach- fragern so leicht wie nie zuvor . So sind Carsharing oder Unterkunftsbörsen Modelle, die bereits heute von vielen Menschen genutzt werden . Das bringt viele Vorteile mit sich . So habe ich heute mehr Wahlmöglichkeiten, um von A nach B zu kommen . Aber es birgt auch Risiken . Uber und Co . stellen uns vor neue Fragen: Ist der Nachweis von Ortskenntnis notwendig, wenn ich ein Navigations- gerät habe? Wie muss der Sachkundenachweis gestaltet werden? Wie sind die Insassen im Schadensfall abgesi- chert? Wem gehören die erfassten Daten, und wie wer- den sie genutzt? Ganz neue Fragen stellen sich auch bei den Unterkunftsbörsen, die sich neben den traditionellen Hotels und Jugendherbergen etabliert haben: Ab wann handelt es sich um eine gewerbliche Nutzung? Wie sieht es im Schadensfall mit der Versicherung aus? – Uns als CDU/CSU-Fraktion sind diese Fragen wichtig . Sie müs- sen immer im Ausgleich der Interessen von Verbrauchern und Wirtschaft gelöst werden . Meine sehr verehrten Damen und Herren, an den von mir genannten vier Beispielen können Sie sehen: Die Bereiche, die Verbraucherpolitik im 21 . Jahrhundert um- fasst, sind sehr vielfältig . Es gibt Themen, an die wir vor einigen Jahren überhaupt noch nicht gedacht haben . So befindet sich unsere Verbraucherpolitik in einem stetigen Wandel, bei dem wir immer abwägen müssen, wo Regu- lierung sinnvoll und notwendig ist und wo die Freiheits- rechte des Einzelnen zu stark beschränkt werden . Das gilt im Finanzmarkt genauso wie im Ernährungsbereich . Gute Verbraucherpolitik ist mehr als nur Verordnung, Gesetz und Haushaltsmittel . Es gibt verschiedene Mög- lichkeiten, die Verbraucher und ihre Rechte zu stärken . Wir nutzen all diese Möglichkeiten . Wir nutzen sie er- folgreich . So sieht nachhaltige Verbraucherpolitik aus . Vielen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU) (C) (D) (A) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Maisch für Bündnis 90/Die Grünen . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Frau Heil, ich finde es schon eigenartig, dass offensichtlich selbst die Union glaubt, dass Herr Maas als Verbraucherschutzminister nun auch Ernährungsthemen behandeln muss. Ich finde, das soll man ihm nicht auch noch aufbürden . Da könnte Herr Schmidt doch auch ein- mal selbst aktiv werden . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Mechthild Heil [CDU/CSU]: Sie sollten meine Rede noch einmal nachlesen!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ansonsten haben Sie sich kräftig auf die eigene Schulter geklopft . Zuletzt hat dies der Kollege Rohde getan, als er die Erhöhung der Mittel für die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher um 4 Millionen Euro gelobt hat . Man muss sagen, eine Erhöhung klingt zunächst einmal nicht schlecht . Wenn man sich dann aber einmal genau an- schaut, was Sie alles in diesen armen kleinen Haushalts- titel gequetscht haben, dann sieht das doch gleich viel weniger üppig aus . (Beifall des Abg . Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]) 10 Millionen Euro von diesen 16 Millionen Euro sind (B) allein für die Marktwächter Finanzen und Digitales ver- anschlagt . Wir müssen sagen: Das sind gut investierte 10 Millionen Euro . Die Grünen haben diese Idee schon seit Jahren . 2008, als die SPD konzeptionell noch am „Münte-TÜV“ festgehalten hat, haben wir schon den Marktwächter gefordert . Nun wird er eingeführt . Das ist gut, aber das kann es nicht gewesen sein beim Thema Verbraucherinformation . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir uns einmal an, wie viel für alle anderen Projekte zur Verbraucherinformation und -aufklärung übrig ist – für Gesundheit, für nachhaltigen Konsum, für Telekommunikation außerhalb des Internets –, dann stellen wir fest, dass das nur noch 6,8 Millionen Euro sind . Das ist wirklich zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Als wir noch gemeinsam in der Opposition saßen, war es immer unsere gemeinsame Position, dass die Markt- wächter als zusätzliche Struktur anzusehen sind . Wir finden, diese Zusätzlichkeit, dieses zusätzliche Angebot an die Verbraucherinnen und Verbraucher muss sich auch im Haushalt widerspiegeln . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da wir gerade bei den Marktwächtern sind: Ich finde, wenn man eine so gute Idee hat und diese dann auch in den Koalitionsvertrag hineinboxt, dann muss man diese gute Idee auch richtig umsetzen . Was den Haushalt an- geht, bedeutet das, dass wir kein befristetes Projekt, son- dern eine institutionelle Förderung brauchen . Die Befristung, die von Ihnen immer wieder so ange- legt wird, zeigt doch, dass die Union nur darauf wartet, die Marktwächter wieder loszuwerden . Sie wollten sie nie . Ich glaube, der Hintergedanke ist, dass man diese möglichst schnell wieder loswerden will . Verlässliche Mittel sind aber leider nicht das einzige, was den Marktwächtern in der schwarz-roten Version noch fehlt . Wir brauchen dringend ein institutionelles Bindeglied zwischen der Finanzaufsicht und den Markt- wächtern . Wir wissen, in einem Rechtsstaat kann der Wachhund nur bellen . Beißen muss die Aufsicht . Es fehlt jedoch an einer institutionellen Verzahnung . Hier sollten Sie nacharbeiten, damit die 10 Millionen Euro auch wirk- lich wirksam werden . (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben mit dem Kleinanlegerschutzgesetz mit Ih- rer Mehrheit ein neues Aufsichtsziel bei der BaFin etab- liert . Das haben wir immer unterstützt . Das müssen Sie jetzt aber auch strukturell mit Leben füllen . Das darf nicht irgendwie als Querschnittsaufgabe miterledigt wer- den, sondern es bedarf angemessener Ressourcen und hochrangigen Personals in der Behörde, damit das nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch in der Behörden- wirklichkeit gelebt wird . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Kollegin Heil hat mit ihren interessanten Ausfüh- rungen zum Thema „manipulierte Tachos“ ein gesell- schaftliches Großthema angesprochen . Ich möchte daher auch noch erwähnen, was wir als verbraucherpolitische Großthemen ansehen, bei denen wir finden, dass Sie dazu bisher nicht viel vorzuweisen haben . (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Sagen Sie et- was zur Ernährung!) Sie haben etwas zum Thema Finanzmarkt unternom- men . Das sehen wir auch . Man kann sich vielleicht noch darüber streiten, wie man es besser machen kann . Es gibt aber drei Themen, die Sie bisher gar nicht beackert ha- ben . Dies betrifft zunächst den nachhaltigen Konsum . Da- bei ist seit vielen Jahren, eigentlich seitdem Renate auf- grund blöder Mehrheiten leider etwas anderes machen muss, wirklich nichts mehr passiert . (Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat das so entschieden?) Wo sind denn Ihre Ansätze zur Eindämmung der Sie- gelflut? Was haben Sie denn zum Thema „geplante Ob- soleszenz“ zu sagen? (Zurufe von der CDU/CSU) – Offensichtlich regt Sie das furchtbar auf . Sie könnten aber auch einmal antworten . Was haben Sie denn zum Thema „geplante Obsoleszenz“ zu sagen? (C) (D) Nicole Maisch (A) (Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Es geht um das Wort „blöd“! – Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Sie können doch nicht die Wäh- ler als blöd bezeichnen!) – Das habe ich auch nicht gemacht . Stellen Sie doch eine Zwischenfrage und pöbeln Sie nicht . Das wäre doch ein angemessener Umgang . (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zu- ruf der Abg . Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Wie schätzen Sie denn das Potenzial grüner Geldan- lagen für die Transformation unserer Wirtschaft ein? Wo sind Ihre Antworten darauf? Dazu haben wir seit vielen Jahren keine Antwort von Ihnen gehört . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]) Wir finden, wenn Sie sich mit dem Thema Verhaltens- ökonomie befassen, müssen Sie auch die Frage beant- worten, was diese für nachhaltige Konsummuster leisten können muss . Die Umwelt ist eine große Leerstelle in der sozialdemokratischen Politik in dieser Legislaturperiode . Das gilt leider nicht nur für das Verbraucherschutzminis- terium, sondern auch für andere Ressorts . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein weiterer Punkt, den ich wichtig finde und den ein Verbraucherschutz- und Justizminister meines Erachtens bearbeiten müsste, bezieht sich auf Big Data . Natürlich (B) ist es schwer, wenn man gerade die Vorratsdatenspei- cherung und damit quasi staatliches Schnüffeln etabliert hat, sich dann Gedanken zu machen, wie man die Bürger davor schützen kann, seitens der Privatwirtschaft ausge- schnüffelt zu werden . Trotzdem erwarte ich von diesem Minister, dass er sich Gedanken macht und dass er Vor- schläge macht, wie wir mit dieser allumfassenden Da- tensammlung über unser persönliches Leben umgehen . Das fängt ja an bei den smarten kleinen Armbändern, die Herzschlag, Bewegung, Kalorienverbrauch und alles Mögliche messen . Was passiert mit diesen Daten? (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Direkt an die NSA!) Welche Versicherungskonzerne interessieren sich dafür? Wer hat Interesse an diesen Daten? Sie glauben doch selbst nicht, dass die einfach auf Jahre hin ungenutzt bei den Konzernen liegen . Wenn Sie das doch glauben, zeigt das, dass in diesem Bereich bei der Union offensichtlich eine Leerstelle an Diskurs besteht . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Mit zwei E oder mit H?) Ein Punkt, bei dem Frau Heil und ich uns vielleicht sogar einig sind, ist, dass, wie wir beide finden, die neue Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher in der Sha- ring Economy diskutiert werden muss . Wenn Sie aber sagen: „Das ist uns sehr wichtig . Wir haben uns darüber Gedanken gemacht“, dann frage ich mich schon, warum wir diese ganzen guten Gedanken nicht kennen . Die Le- gislatur läuft nicht erst seit gestern, und so könnte man allmählich einmal damit anfangen, konkrete Projekte zu diskutieren . (Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Und dann nennen Sie uns dumm!) Es gibt das Kleinanlegerschutzgesetz . Da hat man einen ersten Schritt getan und sich überlegt, was man beim Thema Crowdfunding regulieren kann . Man könnte da ganz konkret in die politische Debatte einsteigen . Außer Überschriften habe ich aber von Ihnen nichts gehört . Da- bei sind Sie ja auch nicht erst seit gestern verbraucherpo- litische Sprecherin . All das ist, wie wir finden, ein bisschen dürftig. Bei den Zukunftsthemen, bei den wirklich großen Debatten – Big Data, Sharing Economy, nachhaltiger Konsum –, da sind Sie blank ohne Ende, und das finde ich ziemlich traurig . (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch!) Vielleicht ein letzter Wunsch: Das mit den Tachos fin- de ich super, aber Big Data, Sharing Economy, nachhalti- ger Konsum fänden wir noch ein bisschen wichtiger . (Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie sollten nicht von sich auf andere schließen!) Vielen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Dr . Johannes Fechner für die SPD . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Johannes Fechner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Halbzeit der Legislaturperiode können wir festhalten, dass die Große Koalition in der Rechtspolitik enorm viel geleistet hat, viele wichtige Gesetze beschlossen hat, die von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen werden und die ihnen unmittelbare Vorteile bringen . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Welche denn?) Ein erstes Beispiel ist die Änderung des Maklerrech- tes . Nun hat der Besteller den Makler zu bezahlen . (Beifall der Abg . Dr . Katarina Barley [SPD]) Mit der Mietpreisbremse bewahren wir die Mieterinnen und Mieter vor explodierenden Mieten. Wir haben mit der Frauenquote ein wichtiges Stück Gleichberechtigung in der Privatwirtschaft geschaffen, (C) (D) Dr . Johannes Fechner (A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Jetzt tun Sie wieder so, als seien Sie der Erfinder der Frauenquote!) und im Strafrecht haben wir Strafbarkeitslücken ge- schlossen, um Kinder und Jugendliche besser vor Miss- brauch zu schützen . Zur Halbzeit der Legislaturperiode ist also festzuhal- ten: Wir haben in diesen beiden Jahren viel erreicht für die Bürgerinnen und Bürger . Mein Dank geht an unseren äußerst aktiven Justizminister (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) und an alle, die intensiv an diesen Gesetzgebungsprozes- sen mitgewirkt haben . Es waren zwei gute und erfolgrei- che Jahre für die Rechtspolitik, (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Und den Ver- braucherschutz!) und wir haben weiterhin viel vor . Ich will aber nicht verschweigen, dass die SPD-Frakti- on in einigen Bereichen auch gerne mehr getan hätte . Wir hätten gerne die Ehe für alle eingeführt, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wir hätten gerne die Mietpreisbremse umfangreicher ge- staltet, und wir hätten im Verbraucherschutz gerne einen gesetzlichen Deckel für die teilweise astronomisch ge- stiegenen Dispozinsen geschaffen . (B) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Aber diese Regelungen hier sind sinnvoll und wichtig . Deswegen werden wir bei diesen Themen weiter am Ball bleiben . (Beifall bei der SPD) Wir haben auch in der zweiten Halbzeit dieser Legis- laturperiode noch viel vor . Wir wollen mit den Kollegen vom Sport ein Anti-Doping-Gesetz verabschieden, mit dem wir den Betrug im Sport endlich auch in Deutsch- land effektiv bekämpfen können . Wir wollen noch mehr für Mieterinnen und Mieter tun, indem wir die Berech- nung der Mietspiegel auf eine breitere Basis stellen . Und wir wollen die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe entlasten und ihnen helfen bzw . sie unterstützen, indem wir den sogenannten Handwerkerregress regeln, damit Handwerker, wenn sie mangelhaftes Material einbauen, nicht auf den hohen Schäden sitzen bleiben, die sie nicht verursacht haben . (Beifall der Abg . Dr . Katarina Barley [SPD]) Handeln müssen wir auch, wenn es darum geht, Men- schen zu schützen, die in einer wehrlosen Lage sind, die ausgebeutet werden . Wenn bei uns in Deutschland Men- schen ausgebeutet werden, etwa durch Zwangsprostituti- on, dann müssen wir handeln . Ich hoffe, dass wir schon bald eine sinnvolle strafrechtliche Regelung für diese Fälle beschließen, und zwar für alle Fälle unmenschlicher Ausbeutung: Menschenhandel, Zwangsprostitution und Ausbeutung jeglicher Art darf es in Deutschland nicht geben . Jeder, der dies tut, muss hart bestraft werden . Wir schaffen dafür die strafrechtlichen Voraussetzungen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Allerdings helfen bekanntlich die besten Gesetze nichts, wenn wir zu wenig Personal zu ihrer Umsetzung haben . Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass auf un- seren Vorschlag hin 3 000 Stellen bei der Bundespolizei und weitere 1 000 Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschaffen werden . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Angesichts der zunehmenden Ermittlungsverfahren im Bereich des islamistischen Terrorismus – Kollege Rohde hat schon darauf hingewiesen – ist auch wichtig, dass im Haushalt neue Stellen für den Generalbundesanwalt be- willigt wurden . Und wir stärken den Verbraucherschutz durch 15 Stel- len bei der Verbraucherzentrale . Zudem stärken wir den Innovationsstandort Deutschland, indem wir 56 neue Stellen beim Deutschen Patent- und Markenamt schaf- fen . Das alles zeigt, dass wir bei diesen Behörden für mehr Personal sorgen, damit diese ihre wichtigen Aufga- ben effektiv wahrnehmen können . Nicht ausreichend ist aus meiner Sicht die Personal- ausstattung beim Bundesgerichtshof, und zwar einerseits bei den Zivilsenaten aufgrund einer deutlichen Erhöhung der Anzahl der Verfahren durch die ZPO-Reform und andererseits bei den Ermittlungsrichtern, weil die Ein- gangszahlen bei Verfahren im Bereich des islamistischen Terrorismus deutlich angestiegen sind . Hier besteht in den Haushaltsberatungen Handlungsbedarf . Zum Schluss: Zu Recht steht im Mittelpunkt der po- litischen Diskussion derzeit die große Zahl an Flüchtlin- gen . Ein ausdrückliches Lob an den Justizminister, der in dieser Frage immer klar und deutlich Stellung bezogen hat gegen Fremdenfeindlichkeit . Ich fand, das war vor- bildlich . Vielen Dank hierfür . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Leider kam und kommt es in Deutschland zu häufig zu fremdenfeindlichen Aktionen gegen Flüchtlinge . Ich glaube, es war richtig, dass wir eine härtere Bestrafung dieser Hasskriminalität ermöglicht haben durch einen neuen Strafzumessungsgrund, damit Rassisten stärker bestraft werden können, wenn sie Flüchtlinge angreifen, Unterkünfte in Brand stecken oder in diesem unsägli- chen Umfang, wie wir ihn leider in Onlineforen erleben, menschenverachtende Hetze verbreiten . Das können wir nicht dulden, und es war richtig, hier das Strafgesetzbuch zu verschärfen und entsprechend abzuändern . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (C) (D) (A) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr . Volker Ullrich . (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- ren! (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Was sagt der Tacho?) Die Debatte um die Rechtspolitik steht im Mittelpunkt der Diskussion um den Einzelplan 07, und sie ist auch stets eine Standortbestimmung in der Frage: Welche De- fizite haben wir in der Rechtsetzung, und wo muss der wertgebundene und wehrhafte Rechtsstaat nachsteuern, um ein wesentliches Ordnungsmerkmal unserer freiheit- lich-demokratischen Grundordnung zu bewahren, näm- lich Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten? Dazu gehört, dass wir in der nächsten Sitzungswoche bereits den Ge- setzentwurf über die Speicherung von Verbindungsdaten verabschieden . (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das wird den Rechtsstaat retten!) Wir haben stets darauf hingewiesen, dass zur Aufklä- rung schwerer und schwerster Straftaten der wehrhafte Rechtsstaat Ermittlungsansätze nutzen muss, die sich in der digitalen Sphäre befinden, weil oftmals digitale Spu- ren der einzige Ermittlungsansatz sind und wir den Straf- verfolgungsbehörden zumindest Waffengleichheit mit (B) den Straftätern und damit Chancengleichheit zugestehen müssen . Das ist eine wesentliche Kernforderung unserer Justizpolitik . (Beifall bei der CDU/CSU) Die Debatte darf aber auch heute nicht geführt wer- den, ohne auf die Vorkommnisse der letzten Wochen und Monate hinzuweisen . Es ist in vielerlei Umständen zu unerträglichen Ausschreitungen und Äußerungen von Hass, zu Hetze und zu Gewaltaufrufen gekommen . Es ist richtig – und da sind wir uns hier in diesem Hohen Hause einig –, dass der wehrhafte Rechtsstaat, alle demokrati- schen Parteien in diesem Bundestag, Gewalt, Hetze und Hass gegen Schwache und Verstöße gegen die Würde des Menschen auf das Schärfste verurteilen . Dazu gibt und darf es keine Alternative geben . (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben im Frühjahr dieses Jahres den § 46 des Strafgesetzbuches reformiert und deutlich gemacht, dass rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschen- verachtende Beweggründe strafschärfend zu berücksich- tigen sind . Einige haben damals angeführt, das sei doch nur Symbolpolitik, man bräuchte diese Regelung gar nicht . (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab sie vorher schon!) Aber die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben bewiesen, dass der wehrhafte Rechtsstaat auch diese Strafzumessungsvorschriften braucht, weil er damit ein klares Signal aussendet, dass wir diese Umtriebe in die- sem Land nicht dulden . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon einmal ins Strafgesetzbuch geschaut?) In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen, Herr Bun- desminister Maas, für unsere Fraktion die vollste Unter- stützung zusagen, wenn es darum geht, gegenüber Face- book, Twitter und anderen sozialen Netzwerken klar und deutlich zu sagen, dass Hass und Hetze sowie Aufrufe zu Gewalt in diesem Bereich nichts verloren haben . (Beifall bei der CDU/CSU) Sicherlich ist festzustellen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist und dass es auch in diesem Land er- laubt sein mag, unsinnige oder gar absurde Meinungen zu äußern. Aber die Meinungsfreiheit findet ihre Gren- zen im Recht des anderen, dort, wo die Ehre, die Wür- de des Menschen durch Straftatbestände verletzt sind . Soziale Netzwerke mögen in einem anderen Land, aus einem anderen Rechtskreis heraus betrieben werden; sie stehen aber nicht außerhalb des Rechts, sondern müssen sich an das halten, was sie selbst in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorschreiben und was letzten En- des der Anstand gebietet: dass diese Kommentare ohne weitere Umstände gelöscht werden und dass das Internet kein Raum sein darf, in dem Hass und Gewaltfantasien ausgelebt werden . Wir dürfen es aber nicht bei Appellen belassen . Wir dürfen nicht nur die sozialen Netzwerke bitten, entspre- chende Stellen zu löschen, sondern müssen auch dafür Sorge tragen, dass die Strafverfolgungsbehörden ent- sprechenden Hinweisen nachgehen können, dass in den Ländern bei Polizei und Justiz eine ordentliche Ausstat- tung vorhanden ist, um diese Umtriebe zu verfolgen und abzustellen . Auch das gebietet der wehrhafte Rechtsstaat . Ich glaube, wir müssen noch weiter gehen . Aus mei- ner Sicht brauchen wir auch die Wiedereinführung der Strafbarkeit der Sympathiewerbung für Terrororganisa- tionen . Diese Strafvorschrift ist vor 13 Jahren aus dem Strafgesetzbuch getilgt worden . (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich!) Man muss aber feststellen, dass die Umstände dieser Til- gung möglicherweise nicht mehr in dem Maße tragen, dass wir sie auch heute als notwendig ansehen müssen . Meine Damen und Herren, Menschen strömen zu uns, weil sie vor dem „Islamischen Staat“ fliehen. Diese Men- schen sollten nicht in ein Land kommen, welches Sym- pathiewerbung für diese Terrorbande nicht bestraft . (Beifall bei der CDU/CSU) Wer Werbung für terroristische Organisationen betreibt, soll zukünftig wieder mit dem Staatsanwalt zu tun be- kommen . Wichtig ist für uns auch der Kampf gegen die Schleu- serkriminalität . (C) (D) Dr . Volker Ullrich (A) (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Legale Zugangswege gibt es ja nicht mehr!) Allein in Bayern sind 2 500 entsprechende Ermittlungs- verfahren anhängig . Fast 700 Tatverdächtige in Sachen Schleuserkriminalität befinden sich in Haft. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schaffen Sie endlich legale Einreise- möglichkeiten!) Wir haben einen überproportionalen Anstieg von Vor- fällen, der zwischen 2010 und 2015 mittlerweile 250 Prozent beträgt . Der wehrhafte Rechtsstaat muss sich fragen: Wie gehen wir mit einem Kriminalitätsfeld um, welches mittlerweile zu Recht in die Nähe organisierter Kriminalität wie Drogenhandel, Waffenhandel und Men- schenhandel gerückt wird? Wie gehen wir mit skrupello- sen Banden um, die ihre Geschäfte auf dem Rücken der ärmsten Menschen machen? (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Deswegen machen wir die Grenzen dicht? – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist das Beste!) Es ist ein richtiges Signal, wenn man fordert – – Vizepräsident Johannes Singhammer: Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wawzyniak? (B) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Ja . Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Keine Angst, ich frage nicht nach dem Tacho, sondern ich frage etwas zu dem Punkt, den Sie gerade angespro- chen haben, nämlich zur Schleuserkriminalität . Sehen Sie es möglicherweise so, dass man den Schleusern das Geschäftsfeld entziehen könnte, indem man legale Zu- gangswege für Geflüchtete nach Deutschland schafft? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – La- chen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Alle zu uns, oder? – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Was für eine naive Vorstellung! Das ist der Wahnsinn! Das ist so naiv!) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Kollegin Wawzyniak, wir bekämpfen diese ter- roristischen Gruppen, die mit den Ängsten und mit den Nöten der Menschen ein Geschäft machen . Wir kämpfen gegen die Menschen, die für viele Tausend Euros und Dollars die Ärmsten in Lastwagen sperren und über die Grenzen bringen oder Menschen auf Booten über das Mittelmeer schicken . (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was ist denn die Alternative? Was ist denn mit dem legalen Zugang?) Deswegen brauchen wir eine Strafschärfung in diesem Bereich . § 96 des Aufenthaltsgesetzes sieht als Mindest- strafe lediglich eine Geldstrafe oder eine Strafe von ei- nem Monat Freiheitsentzug vor . Das ist viel zu wenig . (Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Richtig!) Wir brauchen ein deutliches rechtspolitisches Signal, dass Schleuserkriminalität zur Schwerkriminalität ge- hört . Deswegen brauchen wir hier eine klare und deutli- che Strafschärfung . (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege, Frau Kollegin Maisch möchte ebenfalls eine Zwischenfrage stellen . (Dr . Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Und die blöden Mehrheiten beschimpfen!) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Kollege, dass Sie meine Zwischenfra- ge zulassen . – Ich würde gerne die Frage der Kollegin Wawzyniak wiederholen, weil ich glaube, dass sie nicht beantwortet wurde . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was sagen Sie denn zu der Alternative zum Schleu- serunwesen, indem man legale Zuwege für die schafft, die nach Deutschland flüchten wollen? (Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Die haben wir doch! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir haben doch legale Wege, Frau Kollegin!) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Kollegin Maisch, man geht davon aus, dass die- ses Jahr etwa 800 000 Menschen zu uns kommen, bei uns Zuflucht finden und bei uns aufgenommen werden, und zwar in einer Art und Weise, wie das kein anderes Land auf dieser Welt tut . (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie über Schlepper hierher- geschleppt worden sind!) Die Menschen können über die Blaue Karte oder über die Beschäftigungsverordnung zu uns kommen . Wir ge- währen Hunderttausenden Menschen Asyl und Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention . Es gibt genü- gend legale Wege, nach Deutschland, nach Europa zu kommen . (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was wir nicht brauchen, sind die Auswüchse des Schleu- serunwesens . Wir bekämpfen diese Kriminalität, weil wir die Menschen schützen wollen . (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist doch wirklich zynisch! – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kommen die über das Mittelmeer?) (C) (D) Dr . Volker Ullrich (A) Ich möchte auf den Umgang mit dem Thema „Asyl und Migration“ aus rechtspolitischer Sicht zu sprechen kommen . Das Grundrecht auf Asyl steht vor dem Hin- tergrund unserer Geschichte, vor dem Hintergrund der christlichen Nächstenliebe und Humanität in keiner Wei- se zur Disposition . (Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind Sie groß bei der CDU/CSU!) Wer aus politischen Gründen, aus rassischen Gründen oder aus religiösen Gründen verfolgt wird, der kann zu uns kommen, und er bekommt Schutz und Aufnahme . (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wenn er es über das Mittelmeer schafft! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn er einen Schleuser findet!) Die Wahrheit ist allerdings auch, dass nicht jeder, der zu uns kommen möchte, auch zu uns kommen kann . Nicht jeder, der bei uns ist, wird auf Dauer ein Bleibe- recht haben . Wir müssen die rechtlichen Regelungen in Bezug auf den Aufenthalt und die Gewährung von Asyl und Zuflucht auf den Prüfstand stellen und dafür sorgen, dass unser Land genügend Kapazitäten hat, um den wirk- lich Schutzbedürftigen und den Menschen mit Bleibe- perspektive zu helfen . Das heißt auch, dass wir diejeni- gen, die keine Bleibeperspektive und keinen Asylgrund haben, bitten, in ihre Heimat zurückzukehren . Nur so können wir das Grundrecht auf Asyl auf Dauer aufrecht- erhalten . Das ist die Kehrseite der Medaille . (B) (Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!) Deutschland ist im Augenblick für viele Menschen auf der Welt ein Sehnsuchtsort und ein Ort der Hoffnung, ein Ort der Weltoffenheit und der Toleranz . Dazu trägt auch unsere Verfassungsordnung bei, der ein freiheitlicher Gedanke zugrunde liegt, die Menschen akzeptiert, ihnen Würde und Mitgestaltung bietet, die aber auch durch ein hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit geprägt ist . Es ist unse- re Aufgabe, diese Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten und mit den notwendigen Maßnahmen zukunftsfest zu machen . Vielen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die SPD spricht jetzt die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß . (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle- gen! Herr Minister Maas! Uns alle beschäftigen in diesen Tagen die Bilder von Asylsuchenden in vollgestopften Zügen, von Asylsuchenden, die, untergebracht in Hallen oder anderen Notunterkünften, auf ihre Registrierung warten . Wir erleben, dass die deutschen Erstaufnahmes- trukturen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen . Die EU-Länder diskutieren verstärkt darüber, wie sie mit den Flüchtlingen umgehen sollen . Ich denke, eine für alle befriedigende Lösung wird es wahrscheinlich – lei- der – so schnell nicht geben können . Ich bin deshalb froh darüber, dass sich viele Menschen engagiert in privaten Initiativen, in den Kommunen oder beim Technischen Hilfswerk um die Erstversorgung dieser Menschen küm- mern . Oft tun sie sogar mehr als das . Doch wie geht es für die Asylsuchenden danach wei- ter? Wie sieht es mit Unterbringung, finanzieller Un- terstützung, Zugang zu Arbeit und Bildung aus? Diese Fragen müssen möglichst schnell geklärt werden . Ein ganz zentraler Punkt dabei ist – das ist oft die Voraus- setzung für eine Teilnahme am öffentlichen Leben – der Zugang zu einem Girokonto, der für uns ganz selbstver- ständlich ist . Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Finanzministerium haben im Sommer einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der euro- päischen Zahlungskontorichtlinien vorgelegt, um finan- ziell schwachen Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch Menschen ohne einen festen Wohnsitz künf- tig den Zugang zu einem Konto zu ermöglichen . Das ist dringend notwendig . Ich begrüße, dass die BaFin bereits jetzt die Vorgaben für Dokumente gelockert hat, um die Auszahlung von Sozialleistungen zu ermöglichen, eben auch an Asylsuchende . So flexibel und kreativ wie die BaFin in dem Fall re- agiert hat, müssen wir sein, um auch in anderen Lebens- bereichen Lösungen zu finden. Viele der Flüchtlinge sind der deutschen Sprache nicht oder noch nicht mächtig und schon allein deswegen verletzliche Verbraucher . Sie wis- sen, dass wir von der SPD ein differenzierteres Bild von der Verbraucherin oder dem Verbraucher haben . Stichpunkt Verbraucherinformation . Die Bundesre- gierung will auch 2016 viel Geld in die Hand nehmen, um die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken. Ein Großteil der Gelder fließt, wie von uns gefordert, in den Verbraucherzentrale Bundesverband für den Marktwächter Digitale Welt und für den Finanz- marktwächter, der bereits einige Male genannt worden ist . Neben anderen Projekten ist der Verbraucherschutz von Migranten, insbesondere in der digitalen Welt, ein Projekt im Titel „Information der Verbraucherinnen und Verbraucher“ . Bis zur zweiten und dritten Lesung des Haushaltsgesetzes müssen wir aber kritisch prüfen, ob die geplanten Gelder ausreichend hoch sind, ob die Pro- jekte und Maßnahmen ausreichend informativ und trans- parent sind . Stichpunkt Verbraucherbildung . Die Zuwanderer müs- sen sich jetzt mit unserer Kultur auseinandersetzen und viele Kaufentscheidungen treffen . Fragen Sie sich ein- mal, wie Sie Ihre Entscheidungen treffen . Wahrscheinlich oftmals auf Empfehlung aus dem Freundes- oder Famili- enkreis . Da die Zuwanderer solche familiären Netzwerke hier nicht haben, müssen sie sich auch diesbezüglich neu orientierten. Das heißt, wir müssen Wege finden, diese Verbrauchergruppe zu unterstützen und zum Beispiel zu vermitteln, was bei Vertragsabschlüssen zu beachten ist . (C) (D) Elvira Drobinski-Weiß (A) Neben der Flüchtlingsthematik treten andere verbrau- cherpolitische Themen – einige sind bereits angespro- chen worden – in den Hintergrund: Eine positive Meldung lautete in der vergangenen Wo- che: Mietpreisbremse in Berlin wirkt . Der Aufbau der Marktwächter funktioniert gut, aber lautlos . Die Marktwächter haben ihre Arbeit aufgenom- men . Die Finanzmarktwächter sollen im Besonderen Kleinanleger sowie Kredit- und Versicherungsnehmer besser vor unseriösen Anbietern und riskanten Finanz- produkten schützen. Das ist richtig; denn bei dem großen Angebot an Finanzprodukten verliert man schnell den Überblick . Thema Transparenz: Die Umsetzung der sogenannten Wohnimmobilienkreditrichtlinie steht an . Viele wichtige Punkte wie zum Beispiel eine Verpflichtung der Banken zu Warnhinweisen beim Übertritt in den Dispositionskre- dit, eine Verpflichtung zum Angebot kostengünstiger Al- ternativen oder die Verpflichtung der Banken, die Höhe der Dispozinsen auf ihrer Webseite deutlich sichtbar darzustellen, finden wir in dem Referentenentwurf. Ich hoffe, er erreicht bald als Gesetzentwurf den Bundestag . Nicht akzeptabel ist allerdings, dass einige Banken sich die entgangenen Gewinne jetzt beispielsweise durch die Erhöhung der Gebühren an Geldautomaten für soge- nannte Fremdabheber zurückholen wollen . Ich denke, Abhebegebühren in Höhe von 4,50 Euro sind einfach unanständig für einen technischen Vorgang, der weniger als 1 Euro kostet . (B) (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Deshalb ist es wichtig, dass wir hier deckeln . Die Deckelung soll zukünftig verhindern, dass die Verbrau- cherinnen und Verbraucher, wenn sie denn plötzlich im ländlichen Raum Geld brauchen und ihre Sparkasse, ihre Bank nicht finden, aber eben auch auf Reisen, an Flug- häfen und auf Bahnhöfen nicht im Übermaß zur Kasse gebeten werden . Die Verbraucherpolitik, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, – Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin, Stichwort „Übermaß“ – ein Blick auf die Uhr, bitte . Elvira Drobinski-Weiß (SPD): – steht nicht nur, aber insbesondere in Anbetracht der besonderen aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation vor Herausforderungen; sie sind einfach da. Diese müssen wir hier berücksichtigen . – Sie haben mich hier jetzt etwas irritiert, Herr Präsident . Lassen Sie uns deshalb gemeinsam prüfen, welche Verbesserungen wir für die zweite und dritte Lesung des Haushaltsgesetzes noch erreichen können . Danke für Ihre Aufmerksamkeit . – Herr Präsident, vielen Dank . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Als letztem Redner zum Geschäftsbereich des Bun- desministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz erteile ich das Wort dem Abgeordneten Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der CDU/CSU) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge- ehrter Herr Bundesminister! Bevor ich als letzter Redner auf die ganz schlichten Zahlen des Einzelplans eingehe, lassen Sie mich mit einem Zitat aus einer Veröffentli- chung der Bundeszentrale für politische Bildung begin- nen . Da heißt es: Das Recht sichert Frieden und gewährleistet Freiheit . Es verbietet Vergeltung und Faustrecht und dient so der Vorbeugung von Konflikten. Die Rechtsordnung sorgt dafür, dass Streitigkeiten friedlich in einem geregelten Verfahren ausgetragen werden . In der Bundesrepublik Deutschland leben die Men- schen friedlich zusammen . Es herrschen Recht und Gesetz, wenn es auch keine perfekte Sicherheit vor dem Verbrechen gibt . Das ist keineswegs selbstverständlich . In vielen Ländern der Welt herrschen keine rechtsstaatlichen Verhältnisse . In einigen Staaten hat sich die Rechts- ordnung förmlich aufgelöst . In sinnlosen Kriegen wird keine Rücksicht auf die wehrlose Zivilbevöl- kerung genommen . Der Text ist von der Bundeszentrale für politische Bil- dung 2009 veröffentlicht worden . Aber ich glaube, er ist heute so aktuell wie eigentlich nie zuvor, heute, wo wir feststellen müssen, dass viele Menschen zu uns kommen, nicht nur weil sie den Wohlstand suchen, sondern weil sie eben auch in Frieden und Freiheit und in einer rechts- staatlichen Ordnung leben wollen . Übrigens sollten wir uns an der Stelle daran erinnern, dass vor 80 Jahren Menschen dieses Land verlassen ha- ben, um überleben zu können, und dass noch vor 30 Jah- ren Menschen von dem einen Teil Berlins in den ande- ren flüchten mussten, um in Freiheit zu leben. Vielleicht sollte der eine oder andere, der heute meint, er müsse irgendwo protestieren, darüber einen ganz kleinen Mo- ment nachdenken . (Beifall der Abg . Elisabeth Winkelmeier- Becker [CDU/CSU]) Die aktuelle Flüchtlingssituation, meine Damen und Herren, führt uns vielleicht auch wieder dahin, dass wir uns darüber klar werden, welche Qualität diese Rechts- staatlichkeit eigentlich hat . Keiner von uns hat ja heute Angst vor staatlicher Willkür . Das ist auch ein angeneh- mes Stück Lebensqualität . Das ist natürlich auch eine Situation, die dazu beiträgt, dass dieses Land so erfolg- reich ist . Dass dafür gesorgt wird, dass bei uns eben nicht das Recht des Stärkeren und kein religiös hergeleitetes Recht gilt, sondern dass wir der Gesetzgeber sind, dass die Rechtsprechung das Recht formt und die Staatsan- waltschaft dafür sorgt, dass dieses Recht notfalls auch (C) (D) Klaus-Dieter Gröhler (A) mithilfe der Polizei durchgesetzt wird, das ist, glaube ich, etwas, worüber sich – wenn ich das einmal so sagen darf – Otto Normalverbraucher manchmal nicht genug Gedanken macht . Die Situation, in der wir im Moment sind, führt viel- leicht auch dazu, dass man für einen kleinen Moment wieder darauf zurückgeführt wird, dass dieser Satz „Recht sichert Freiheit; Gerechtigkeit schafft Frieden“ für jeden Einzelnen von uns auch eine ganz wesentliche Basis ist . Ich glaube, wir werden auch gut daran tun – das wird eine sehr wesentliche Integrationsaufgabe sein –, dieje- nigen, die zu uns kommen und die bisher nicht in einer rechtsstaatlichen Situation gelebt haben, und diejeni- gen, die möglicherweise mit unserer Rechtsordnung gar nicht klarkommen, davon zu überzeugen, dass sie diese Rechtsordnung annehmen und dass sie sie am Ende des Tages auch aktiv mit uns leben müssen, wenn sie bei uns leben wollen . Wir werden auch denen, meine Damen und Herren, die meinen, Gewalt gegen Menschen oder Flüchtlingsunter- künfte verüben zu müssen, zeigen, dass der Rechtsstaat sich wehren kann und dass er es auch tun wird . Dass das Geld kostet, ist klar . Der Entwurf der Bundesregierung setzt in dieser Situation, wie ich finde, richtige Schwer- punkte und wird auch einer Sondersituation gerecht . Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die Ge- neralbundesanwaltschaft im Haushaltsentwurf 16 neue Planstellen bekommt, nachdem wir 2015 bereits 6 Stel- (B) len zugebilligt hatten . Es wird auch zusätzliches Geld fließen. Ich war vor der Sommerpause zusammen mit dem Kollegen Dr . Lindner in Karlsruhe und habe mich über die Arbeitssituation beim Generalbundesanwalt und bei den Strafsenaten informieren können . Ich muss sa- gen – wenn ein Haushälter dies sagt, bedeutet das etwas –: Ich bin nicht sicher, ob diese Zahl an zusätzlichen Stel- len wirklich ausreicht . Das werden wir uns in aller Ruhe anschauen müssen . Die Arbeitsbelastung, die ich dort wahrgenommen habe, ist immens . Die Anzahl der Ver- nehmungen und der Vorführungen hat sich dramatisch gesteigert . Es gibt eine Verdreifachung der Haftbefehle in 2014 gegenüber 2013 und noch einmal eine Verdoppe- lung in 2015 gegenüber 2014 . Die Zahlen muss man sich einmal sehr deutlich anschauen . Uns darf nicht passieren, dass jemand, der in den Na- hen Osten gegangen ist und für IS gekämpft hat oder ihn unterstützt hat, nach Deutschland zurückkommt und wir aufgrund personeller Unterausstattung nicht in der Lage sind, diese Person zu verfolgen . Diese Leute müssen die gesamte Härte des Rechtsstaats erfahren . Dafür brauchen wir eine vernünftige personelle und finanzielle Ausstat- tung sowohl des Generalbundesanwalts als auch der Strafsenate beim BGH . (Beifall bei der CDU/CSU) In diesen Kontext passt auch – darauf ist vorhin aus- nahmsweise zu Recht von der Opposition, Herr Petzold, hingewiesen worden –, dass die Mittel für die Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit um 20 Pro- zent gesteigert werden und sieben neue Stellen entstehen, Stichwort Export von Recht made in Germany. Das ist auch eine Bekämpfung von Fluchtursachen . Wir werden in den weiteren Beratungen schauen müssen, Herr Bun- desminister, ob man an der Stelle nicht noch einmal ein Stück drauflegen sollte. Denn ich glaube, dieses Geld ist gut investiert . Mein Koalitionskollege Dennis Rohde hat, wie ich finde, zu Recht darauf hingewiesen, dass es in diesen Zeiten aber noch andere Themen gibt und nicht nur die Flüchtlingsproblematik . Zu Recht hat er angesprochen, dass wir noch einmal Stellen beim Bundespatentamt auf- satteln, wenn ich das einmal so flapsig sagen darf. Es gibt 56 zusätzliche Stellen in 2016, nachdem wir ein Jahr zu- vor im Haushalt 2015 schon 58 aufgesattelt haben . Damit sichern wir die Früchte des Wissenschafts- standortes Deutschland . Wir haben ja vorhin gehört, dass sich die Ausgaben für Bildung und Forschung unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel verdoppelt haben . Dementsprechend gibt es auch mehr Innovationen und mehr Patentanmeldungen . Aber eines müssen wir auch sehen: Dieser zusätzliche Aufwuchs an Personal führt gerade einmal dazu, dass die neuen Patentanmeldungen abgearbeitet werden können; das heißt, es gibt keinen Abbau des Rückstandes . Auch darüber werden wir uns noch einmal sehr intensiv unterhalten müssen . Ein Wort noch zum Verbraucherschutz . 36 Millionen Euro stehen im Haushalt – das haben die Kollegen ge- lobt; natürlich haben wir im Koalitionsvertrag hier einen Schwerpunkt gesetzt –, das sind fast 5 Millionen Euro mehr als in 2015 . Der Verbraucherzentrale Bundesver- band bekommt noch einmal fast 16 Stellen dazu . Damit wird der Verbraucherschutz noch ein Stück wirksamer . Dieses zarte Pflänzchen, das einmal unter Ludwig Erhard eingeführt wurde – 1964 wurde die Stiftung Warentest als erste Verbraucherschutzmaßnahme gegründet; es soll keiner sagen: Verbraucherschutz ist kein Herzensanlie- gen von CDU/CSU –, ist inzwischen zu einem üppigen Baum geworden . Aber eines will ich als Haushälter an dieser Stelle deutlich sagen: Ich glaube, wir werden im Frühjahr 2016, Herr Minister, eine Evaluierung vornehmen müssen . Wir haben jetzt zwei Jahre lang sehr intensiv Geld und Stellen in das Thema Verbraucherschutz gelenkt . Das ist okay; das steht im Koalitionsvertrag, gar keine Frage; es ist auch notwendig in einer Gesellschaft, die immer älter wird, die immer globaler und immer digitaler wird . Aber wir werden uns am Ende des Tages auch fragen müssen: Was haben wir damit tatsächlich erreicht? Mehr Geld und mehr Stellen bedeuten ja nicht automatisch, dass es besser geworden ist . Ich glaube, wir werden nach zwei Jahren einmal einen Schnitt machen und fragen müs- sen: Was haben wir erreicht? Wo sind Defizite abgebaut worden? Wo sind Defizite möglicherweise immer noch vorhanden? Ich bin nicht davon überzeugt, dass nur zu- sätzliches Geld und nur zusätzliche Stellen immer alles besser machen . (Beifall bei der CDU/CSU) Das Bundesministerium hat uns bereits darauf hinge- wiesen, dass gegenüber dem Regierungsentwurf wohl (C) (D) Klaus-Dieter Gröhler (A) noch einmal 6 Millionen Euro mehr gebraucht werden, und hat eine lange Liste vorgelegt . Der Kollege Claus hat vorhin gesagt, jede Festlegung auf „keine neue Staatsverschuldung“ behindere eine le- bendige Parlamentsdebatte . Dem will ich ausdrücklich widersprechen, weil ich glaube, eine lebendige Parla- mentsdebatte und eine lebendige Debatte in den Haus- haltsberatungen, Herr Kollege, entstehen gerade dann, wenn man Deckungsvorschläge machen muss, wenn man eben nicht immer noch eine Million und noch eine Milli- on oben draufsattelt, sondern wenn man schaut: „Was ist notwendiger als das andere?“, wenn man Schwerpunkte setzt und sich auch ein bisschen mit dem Geld, das man hat, bescheiden kann . Dann kann man nämlich wirklich politisch debattieren . Zu Ihrem Vorwurf von vorhin, wir würden uns, nur weil die Parteivorsitzenden sagen: „Wir wollen keine neuen Schulden machen“, fügen, sage ich Ihnen: Es ist Unionsgrundgen, dass wir keine neuen Schulden machen wollen . Das muss uns kein Parteivorsitzender sagen, son- dern jeder Einzelne in unserer Fraktion ist davon völlig überzeugt; ich glaube, inzwischen sind es auch die Kol- legen unseres sozialdemokratischen Koalitionspartners . Eine letzte Bemerkung, Herr Bundesminister, die et- was kritischer ausfällt . Ich habe mir einmal Ihre Ausga- ben für Öffentlichkeitsarbeit angeschaut . Während Ihr Vorgänger im Jahr 2013 mit 155 000 Euro auskam, kam es bei Ihnen zu einer Steigerung um 519 Prozent . Ich will nur sagen: Das ist ein Thema, dem ich mich im Bericht- (B) erstattergespräch sicherlich noch einmal ein ganz klein wenig widmen werde . (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegen der Vorratsdatenspeiche- rung!) Dafür mag es gute Gründe geben; das will ich gar nicht in Abrede stellen . (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist alles wegen eurer Vorrats- datenspeicherung!) Aber ich würde ganz gerne eine Begründung hören und erfahren, ob das denn tatsächlich so üppig ausfallen muss . Sonst, glaube ich, ist das ein guter Entwurf der Bun- desregierung, sowohl zu diesem Einzelplan als auch zu den anderen . Ich freue mich auf die Beratung . Herzlichen Dank . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- ministeriums des Innern, Einzelplan 06 . Ich erteile für die Bundesregierung das Wort Bundes- minister Dr . Thomas de Maizière . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In- nern: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat beginnen – vielleicht erinnern Sie sich –: Jeder weiß, dass die Zuwanderung bei vielen Men- schen starke Emotionen auslöst – gute und weniger gute . Gerade deswegen müssen wir darüber mög- lichst offen sprechen, möglichst unaufgeregt und re- alistisch. Häufig bleibt zu vieles unausgesprochen. . . . Wir müssen überall in der Gesellschaft über Zu- wanderung und Zusammenleben in Deutschland re- den – über die Chancen und über die Probleme . Und wir müssen handeln – und zwar ohne Angst und ohne Träumereien . Erfolgreich können wir nur dann handeln, wenn wir zwei Haltungen überwinden, die zu weit verbreitet sind: Wir müssen Unsicherheit und Angst überwinden, die manchmal zu Fremden- feindschaft, zu Hass und Gewalt führen . Wir müs- sen eine falsch verstandene Ausländerfreundlichkeit überwinden, die so tut, als gebe es überhaupt keine Probleme und Konflikte, wenn Menschen unter- schiedlicher Herkunft zusammenleben . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Das sagte Johannes Rau, der Altpräsident, in einer Rede – einige haben sie gehört – zehn Jahre nach der deutschen Einheit . Heute bringe ich den Haushalt des BMI, des Bundes- ministeriums des Innern, für das kommende Jahr ein . Ich möchte meine Rede mit dem Thema beginnen: In welcher Haltung führen wir diese Debatte? Überall wird diskutiert . Die einen schauen vor allem auf die überwäl- tigende Hilfsbereitschaft der Deutschen . Die anderen schauen vor allem auf die steigende Zahl von Anschlä- gen, auf Hass und Gewalt . (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Man muss auf beides schauen!) Dazwischen gibt es viele, die sich nicht äußern – oder nicht öffentlich . Viele denken an ihre eigene Geschich- te von Flucht und Vertreibung und fragen: Was ist da- ran vergleichbar? Aber auch: Was nicht? Viele fragen: Wie soll das weitergehen? Gibt es eine Grenze unserer Aufnahmefähigkeit oder -bereitschaft? Wie wird sich das Gesicht unseres Landes im Lichte dieser Entwick- lung ändern? Welche Chancen bietet die Aufnahme von Flüchtlingen unserem Land? Wie bringen wir die unter- schiedlichen Religionen friedlich zusammen? Ja, wie bleibt es überhaupt friedlich? Das alles sind berechtigte Fragen; das sind wichtige Fragen für alle Menschen in unserem Land, und darüber müssen wir miteinander diskutieren . Dazu gehören Streit und Auseinandersetzung genauso wie Einheit, Unterstüt- zung und Zusammenhalt . Bitte leugnen wir nicht die großen Herausforderun- gen, die nach der freundlichen Aufnahme im Alltag von morgen und übermorgen anstehen . Aber bitte erliegen wir auch nicht der Versuchung, das Problem so groß zu (C) (D) Bundesminister Dr . Thomas de Maizière (A) beschreiben – das können wir Deutschen immer am al- lerbesten: ein Problem groß zu beschreiben –, dass alle, die zuhören, schon den Mut verlieren, an Lösungen über- haupt erst zu arbeiten . Keine Angst und keine Träumereien: Ja, das könnte eine Haltung sein, die wir brauchen . Ich persönlich füge hinzu: Wir haben auf dem Evangelischen Kirchentag in Stuttgart das wunderbare Lied Vertraut den neuen Wegen gesungen . Ja, das sollten wir tun, ob wir mitsingen kön- nen oder nicht . Meine Damen und Herren, bei alledem, über das wir diskutieren und streiten, sollten wir in ein paar Überzeu- gungen einig sein: Erstens . Wer in diesem Land lebt, hat andere Men- schen zu respektieren und deren Leben und Würde zu achten . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wer in dieses Land kommt, hat ein Recht darauf, anstän- dig behandelt und respektiert zu werden . (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das Leben ist zu schützen!) Wer das nicht akzeptiert, wer Hass verbreitet, wer Straf- taten begeht und dazu aufruft, der kann weder Verständ- nis noch Toleranz erwarten . Zweitens . Wer in unser Land kommt, hat ebenfalls an- dere Menschen zu respektieren und unsere Gesetze zu (B) achten . Das gilt auch für den Fall einer Verteilung inner- halb Europas oder auch nur innerhalb Deutschlands – ich sage das nicht ohne Grund –, und das gilt für den Fall der Anerkennung einer Bleibeperspektive in Deutsch- land genauso wie bei unserer Entscheidung, unser Land wieder verlassen zu müssen . Auch dann erwarten wir die Achtung unserer Gesetze . Drittens . Deutschland leistet seinen Beitrag – auch aus humanitärer Überzeugung –, aber niemand in Europa und darüber hinaus soll glauben, dass unser Land allein diese Aufgabe schultern wird oder auch nur will . Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen und Wochen haben wir im Innenministerium wesentliche Tei- le des Konzeptes erarbeitet, das der Koalitionsausschuss am Sonntag beschlossen hat . Ich will jetzt nicht über jede einzelne dieser Maßnahmen referieren; ich gehe davon aus, dass sie im Wesentlichen bekannt sind . Als Innenminister freue ich mich natürlich besonders über die Entscheidung, dass die Bundespolizei 3 000 neue Stellen bekommt . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das ist eine großartige Antwort auf die Leistungen der Bundespolizei, eine notwendige Antwort auf die Belas- tung der Bundespolizei und ein gutes Signal an die Län- der, Gleiches oder Ähnliches zu tun . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Für mich ist wichtig – ohne dass ich jetzt die Ein- zelheiten referiere –, dass wir über ein paar Grundsätze sprechen, die hinter diesen Maßnahmen stehen: Einer dieser Grundsätze ist, dass wir zwischen den Menschen unterscheiden, die zu uns kommen . Wir un- terscheiden zwischen jenen, die wegen Krieg und Ver- folgung Aussicht auf Asyl haben, und denen, die keine Chance auf eine Zukunft in Deutschland haben . Viele Menschen brauchen Schutz vor Krieg und Ver- treibung . Wir werden diese Menschen – es werden viele Hunderttausend sein – aufnehmen und ihnen helfen, sich bei uns zu integrieren . Aber auch hier muss ich diesen und allen Beteiligten sagen: Bitte etwas Geduld! All das geht nicht über Nacht . Viele Antragsteller haben aber auch keine Perspekti- ve, in Deutschland zu bleiben . Sie werden unser Land verlassen müssen . Beides gehört zusammen, und beides hat Folgen . Wer aus einem sicheren Land kommt, der soll wäh- rend des Asylverfahrens anders behandelt werden kön- nen als jemand aus einem Kriegsgebiet, zum Beispiel in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben müssen und gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden, damit sein Verfahren schnell bearbeitet werden kann . Wer nach einem abgeschlossenen Asylverfahren aus- reisen muss, der soll weniger Leistungen bekommen als jemand, der dauerhaft hierbleiben darf . Ich glaube, auch das ist ein wichtiger, allerdings neuer Grundsatz, den wir Sonntag beschlossen haben . (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Unterscheidung ist die Voraussetzung für eine breite Akzeptanz des Grundrechts auf Asyl in unserer Bevölkerung . Sie ist notwendig für die Erhaltung der Aufnahmekapazitäten in unserem Land . Auf Dauer kann ein Land wie Deutschland 800 000 Flüchtlinge im Jahr nicht aufnehmen und integrieren . Auch das ist Teil einer offenen Diskussion . Wir werden also versuchen müssen, die Zahl der zu uns kommenden Flüchtlinge zu senken . Wir werden dafür unsere Außen- und Entwicklungspolitik stärker auf die Bekämpfung der Fluchtursachen in den wichtigsten Herkunftsländern konzentrieren müssen: national genauso wie auf der Ebe- ne der Europäischen Union . Beim Treffen der europäischen Innenminister am nächsten Montag werde ich dafür eintreten, dass Eu- ropa endlich zu einem gemeinsamen Vorgehen findet. Dazu gehört die unverzügliche und schnelle Einrich- tung der Hotspots, und dazu gehört die faire Verteilung schutzbedürftiger Flüchtlinge innerhalb der Europäi- schen Union . Ich sage auch: Wenn es zu einer solchen Verteilung kommt, heißt Verteilung auch Verteilung . Wir werden nicht den Asylbewerbern, die nach Deutschland kommen, obwohl sie auf ein anderes Land verteilt wur- den, bei uns Asylbewerberleistungen geben, sondern sie an das Land verweisen, in das sie verteilt worden sind . Sonst macht Verteilung nämlich überhaupt keinen Sinn . Meine Damen und Herren, wir werden jetzt all dies und noch viel mehr mit den Ländern verhandeln . Wir (C) (D) Bundesminister Dr . Thomas de Maizière (A) hoffen, dass wir dann Ende September ein Gesetzespa- ket zusammen haben . Wir hoffen, dass wir dieses Geset- zespaket dann sehr schnell in den Deutschen Bundestag einbringen . Ich möchte den Bundestag schon jetzt bitten, dieses Gesetzespaket so gründlich wie möglich, aber auch so schnell wie möglich so zu beraten, dass wir noch im Oktober die zweite und dritte Lesung durchführen können . Die Bundeskanzlerin hat es schon gesagt: Wenn es uns in zwei oder drei Wochen gelingt, durch Gesetz- gebung Banken zu retten, dann sollten wir uns auch hier anstrengen, die Verfahren so durchzuführen, dass wir das in einem Gesetzespaket im Oktober zu Ende beraten . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Trotz der Sorge wegen des Themas Flüchtlinge müs- sen und werden wir natürlich auch die anderen Aufgaben erfüllen . Ich nenne aus Zeitgründen nur ganz wenige: die Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kri- minalität, der Kampf gegen den Wohnungseinbruch, die Digitalisierung unserer Gesellschaft mit all den Heraus- forderungen, die dazugehören . Der versuchte Anschlag im Schnellzug Thalys in Frankreich hat uns allen vor Au- gen geführt, dass es beim Terrorismus keine Pause gibt, auch wenn wir vielleicht gerade von dem Flüchtlingspro- blem absorbiert sein könnten . Zur Sicherheit gehören auch der Cyberraum und das Internet . Das haben wir hier im Bundestag und auch anderswo in den letzten Monaten erfahren müssen . Die Fragen rund um die Informationstechnik erfordern eine stärkere zentrale Koordinierung . Wir bündeln viele die- ser Aufgaben im Bundesinnenministerium ab 1 . Oktober (B) unter einem eigens dafür zuständigen Staatssekretär . Alle diese Themen finden im vorgelegten Haushalt ihre erforderliche und angemessene Berücksichtigung . Ich bitte neben der Konzentration auf das Flüchtlingsthe- ma auch dazu um eine umfassende gute, gründliche und konstruktive Beratung . Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf das Flüchtlingsthema zurückkommen und das mit der Fra- ge verbinden, wie wir an das Thema herangehen . Ich will das am Beispiel der Standarderleichterung tun . Das klingt so technisch . Wir hatten nach der deutschen Einheit ein schreckliches Wortungetüm . Das hieß – Sie werden sich erinnern – Verkehrswegeplanungsbeschleu- nigungsgesetz . Das kam ziemlich technisch daher, aber es war eine Schlüsselvoraussetzung für den Aufbau der Infrastruktur in den ostdeutschen Ländern . Das, was wir jetzt „Standarderleichterungsgesetz“ oder „Standard- beschleunigungsgesetz“ nennen, kommt auch ziemlich technisch daher . Sie werden sich noch wundern, wie vie- le Paragrafen wir da anfassen: im Bauplanungsrecht, im Immissionsschutz, in der Energieeinsparverordnung und, und, und . Was steckt dahinter? Dahinter steckt gerade angesichts der Flüchtlingskrise – ich nenne es jetzt einmal so –, die wir vor uns haben, Folgendes: Manche glauben, das Leben sei dann gut ab- geschlossen oder ein Tag gut zu Ende geführt, wenn wir uns einig sind, dass wir Vorschriften eingehalten haben . Ich glaube das nicht . Ich glaube, dass ein Tag dann gut zu Ende geht und wir dann gute Arbeit geleistet haben, wenn wir sagen können: Wir haben eine Aufgabe gelöst und dabei auch Vorschriften beachtet . Was die Flüchtlingskrise anbelangt: Das Wort „Krise“ kommt aus dem Griechischen und hat zwei Bedeutungen, Chance und Risiko. – Die Chinesen kennen das; bei ih- nen gibt es dafür auch einen Ausdruck . – Wir betrachten gerne die Risiken . Das Thema „Standarderleichterung“ ist nur ein Beispiel . Es gibt aber viele andere Aspekte, zum Beispiel die Integration von qualifizierten Asylbe- werbern und Flüchtlingen in unseren Arbeitsmarkt . Da liegen – gerade für junge Menschen und junge Famili- en – Chancen . Wenn es uns gelänge, das Thema „Flücht- lingskrise“ nicht nur unter dem Gesichtspunkt nicht zu leugnenderRisiken – Johannes Rau hat gesagt: „Und wir müssen handeln – und zwar ohne Angst und ohne Träu- mereien“ –, sondern auch unter dem Blickwinkel der Chancen zu diskutieren, wenn wir eine Mentalität entwi- ckeln würden, nicht nur darauf zu schauen, ob wir auch die Vorschriften einhalten, sondern eine Aufgabe zu lö- sen, dann läge in dem, was vor uns steht, eine verdammt große Chance . Wir sollten sie nutzen . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge- ordneten Jan Korte, Fraktion Die Linke . (Beifall bei der LINKEN) Jan Korte (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich daran anknüpfen, glaube aber, dass das Einerseits-andererseits in der Situation, in der wir uns befinden, leider nicht mehr angemessen ist. Im Herbst 2015 erleben wir ein mehrfach gespaltenes Land . Herr Innenminister, Sie haben zwei Vorgänge angesprochen . Auf der einen Seite gab es eine großartige Welle von So- lidarität mit Flüchtlingen und Mitmenschlichkeit – man kann auch „Nächstenliebe“ sagen . Ich denke dabei an München, Saalfeld oder meinen Wahlkreis, wo Sportver- eine Lauftraining für Flüchtlinge organisieren . Auf der anderen Seite ist es aber so, dass jeden Tag eine Unter- kunft angezündet und abgefackelt wird und dass es in den sozialen Medien geradezu Vernichtungsphantasien nachzulesen gibt . Es gibt – das haben Sie, wie heute schon viele Redner, erwähnt – das Bild des kleinen Aylan Kurdi, das uns alle mehr als bewegt hat . Jedoch gibt es eine genauso schlim- me Fortsetzung . Jeden Tag ertrinken Flüchtlinge im Mit- telmeer, Frauen, Kinder und Männer . Es geht einfach so weiter . Und Sie weigern sich, endlich die richtige Ant- wort zu geben, nämlich legale und sichere Einreisewege zu erlauben . Das wäre eine Antwort der Menschlichkeit . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In dieser Woche ist es, glaube ich, in der Tat für alle hier im Hause von entscheidender Bedeutung, sich zu entscheiden, wo man steht . Sag mir, wo du stehst? Das ist in dieser Woche die entscheidende Frage, die Sie be- (C) (D) Jan Korte (A) antworten müssen, vor allem Sie, liebe Freunde von der CSU . Denn es gibt im etablierten Politikbetrieb – ich will es einmal zuspitzen – zwei Möglichkeiten: Entweder ma- chen Sie es wie die Landesregierung in Thüringen, die versucht, auch in der etablierten Politik eine Willkom- menskultur zu leben, bei der selbst der Ministerpräsident die Flüchtlinge am Bahnhof begrüßt . Oder Sie machen es wie Teile der CSU . Ich will das mit Zitaten belegen . Ihr Generalsekretär Scheuer – ich darf zitieren – sagt: Der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen nur nach Deutschland muss gestoppt werden . Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident, sagt: Wir sind nicht das Sozialamt für den Balkan . Und der bayerische Innenminister Herrmann, der ja gerade als besonders kompetenter Integrationsexperte aufgefallen ist, sagt zu der richtigen Entscheidung der Bundesregierung, die Flüchtlinge aus Ungarn einreisen zu lassen, dass dies – Zitat – „ein völlig falsches Signal innerhalb Europas“ sei . Sie müssen sich entscheiden, ob Sie weiter rumzündeln oder bei denen stehen wollen, die Solidarität und Nächstenliebe großschreiben . Das ist die entscheidende Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) In diesem Zusammenhang – auch weil Sie, Kollege Spahn, gerade anwesend sind; das richtet sich aber auch an die Kollegin Schröder und an meine alte Bekannte, Erika Steinbach – sage ich: Diejenigen, die im Kern aus (B) Unterkünften für Menschen Krematorien machen wol- len, auch nur ansatzweise mit denen in eine Reihe zu stellen, die sich davorstellen, um dies zu verhindern, die elendige Gleichsetzung von links und rechts muss sofort aufhören . Dafür ist im Übrigen auch eine Entschuldigung fällig, um das klar zu sagen . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Aber in der Innenpolitik läuft es insgesamt nicht gut . Sie können sich das nicht vorstellen; (Zurufe von der CDU/CSU: Nein!) aber ich will versuchen, nachzuweisen, dass es auch sonst in der Innenpolitik nicht gut läuft . Wir hatten die NSA-Affäre . Was heißt, wir hatten? Sie läuft Tag für Tag weiter . Aufklärung durch die Bundes- regierung und den Innenminister: Völlige Fehlanzeige! Handyüberwachung, Wirtschaftsspionage und die Bei- hilfe der deutschen Dienste: Auch das war folgenlos . Es geht alles so weiter . Dann gab es im Sommer einen der größten Knaller in Ihrer Amtszeit . Wenn kritische Journalisten erfreuli- cherweise darüber berichten, was Sie uns nicht sagen – weder dem Parlament noch der Öffentlichkeit –, dass nämlich die Überwachungsinfrastruktur in einem kaum noch fassbaren Ausmaß immer weiter ausgebaut wird, dann wird beim Bundesamt für Verfassungsschutz durch seinen Präsidenten die ganz große Keule herausgeholt, übrigens ein Relikt aus den 50er- und 60er-Jahren, und Herr Maaßen erstattet Anzeige wegen Landesverrat . Ich sage – Sie haben das auch schon auf Anfragen der Grü- nen und der Linken eingeräumt -: Natürlich wussten das BMI und das Kanzleramt, was dort abläuft und was ge- plant worden ist . Präsident Maaßen, mit dem ich mich oft und gerne streite, ist ein sehr, sehr deutscher Beam- ter, und bei solch einem schwerwiegenden Vorgang ist es schlicht nicht zu glauben, dass der oberste Dienstherr und das Kanzleramt das nicht wussten und nicht involviert waren . Dazu kam von Ihnen hier und auch vorher nichts . Es ist das Mindeste, sich dafür zu entschuldigen und die Landesverratsbestimmungen dahin zu befördern, wohin sie gehören, nämlich auf den Müllhaufen der Geschichte (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Es läuft in der Innenpolitik in der Tat sehr viel schief . Ich habe leider nur wenig Redezeit . (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Gott sei Dank!) Man könnte noch so viel sagen, nämlich dass ausgerech- net in dieser Situation das Bundesamt für Verfassungs- schutz erneut 20 Millionen Euro mehr bekommt . In zwei Jahren bekommt es 45 Millionen Euro mehr . Dabei ist es weiter intransparent . Wir können leider nicht im Detail miteinander diskutieren, an welchen Stellen wir es für sinnvoll und an welchen Stellen wir es für unsinnig hal- ten; denn es wird weiter alles unter Verschluss gehalten. Der Einzelplan 06 ist ein in Zahlen gegossenes Do- kument einer grundsätzlich verkehrten Richtung in der Innenpolitik . Schalten Sie um auf mehr Solidarität, mehr Grundrechte und mehr Datenschutz! Denn das führt zu einer offeneren Gesellschaft, und die brauchen wir . Wann, wenn nicht jetzt? Vielen Dank . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge- ordneten Eva Högl, SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD) Dr. Eva Högl (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- be Kollegen! Auch ich möchte mit einem Zitat beginnen, mit einem schönen Satz, wie ich finde: „Politisch Ver- folgte genießen Asylrecht .“ Das ist Artikel 16 a unseres Grundgesetzes, und dieser Satz ist für uns alle ein Be- kenntnis . Er drückt die Werte aus, denen wir uns verbun- den fühlen und die wichtig für uns sind . Er ist für uns auch eine Verpflichtung, danach zu handeln. Er drückt das Recht unseres Rechtsstaats aus und ist Ausdruck un- serer tief empfundenen Humanität und Menschlichkeit . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, freue ich mich sehr, dass wir im Deutschen Bundestag eine sehr (C) (D) Dr . Eva Högl (A) große Einigkeit – ich hoffe sogar, Einstimmigkeit – ha- ben, angesichts der aktuellen Debatte diesen Artikel 16 a Grundgesetz so zu lassen, wie er ist . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist unser Grundrecht auf Asyl, unsere Verpflichtung und unser Ausdruck von Werten und von Menschlichkeit . Ich freue mich über diese Einigkeit, weil wir Anfang der 90er-Jahre eine ganz andere Debatte hatten, und hoffe sehr, dass es dabei bleibt . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letz- ten Wochen und Monaten und vor allem am letzten Wo- chenende gesehen, dass viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land diesen Satz mit Leben füllen, indem sie Flüchtlinge willkommen heißen . Überall dort, wo die Flüchtlinge ankommen und wo sie untergebracht werden müssen, stehen Menschen hilfreich zur Seite, spenden Geld und Sachmittel, verteilen Essen und Trinken und helfen dort, wo sie können . Das ist ein wirklich tolles zi- vilgesellschaftliches Engagement . Es ist an dieser Stelle mehr als angebracht, dafür ganz herzlich Dankeschön zu sagen . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir sagen Danke allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern . Ich möchte aber auch ausdrücklich all denjeni- gen Danke sagen, die mit hoher Professionalität helfen . Ich meine damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des (B) Technischen Hilfswerks, des Deutschen Roten Kreuzes, der Kirchen, der Sozialeinrichtungen und der Wohlfahrts- verbände sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, auf die sonst viel geschimpft wird, die uns aber mit ihrem Engagement und ihrer Hilfe für Flüchtlinge Anlass geben, stolz zu sein . Auch dafür herz- lichen Dank! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir alle, die wir heute in erster Lesung über den Haus- halt sowie über Flucht und Migration diskutieren, wissen, dass wir weiterhin damit werden umgehen müssen, dass Menschen ihre Heimat verlassen und zu uns kommen . Sie fliehen vor Krieg, Terror und Gewalt und suchen bei uns Frieden und Schutz sowie eine Perspektive für sich und ihre Familien. Ja, Menschen fliehen auch vor Hunger und Armut . Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht . Diese Zahl können wir kaum erfassen . Diese Zahl wird hoch bleiben . Ja, wir werden hier in Deutsch- land viele dieser Menschen aufnehmen und ihnen eine Perspektive geben . Wenn wir nicht wollen, dass Menschen im Mittel- meer ertrinken, dass sie in Lkws ersticken und dass sie auf Schlepper angewiesen sind – auch diejenigen, die bei uns eine Bleibeperspektive haben, sind auf solche Wege bislang angewiesen, zum Beispiel die Syrerinnen und Syrer genauso wie die Menschen aus Afghanistan, die zu fast 100 Prozent bei uns Asylrecht bekommen –, und wenn wir die entsprechenden Bilder nicht länger ertra- gen können, dann müssen wir so ehrlich sein, zuzugeben, dass wir eine völlig andere Asylpolitik betreiben müssen, und zwar in Gesamteuropa; das gehört zur Wahrheit. Wir brauchen legale Wege nach Europa, wenn wir diese Bil- der nicht länger ertragen und die Menschen nicht in den Tod schicken wollen . (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Herr Minister, Europa wird sich darüber Gedanken machen müssen, wie es die Außengrenzen sichern und gleichzeitig die Innengrenzen weiterhin transparent hal- ten und das Schengen-System erhalten kann . Ich sage noch etwas, was mir nicht leicht über die Lip- pen geht, was aber zur Wahrheit gehört . Wir wissen ganz genau, dass nicht alle Menschen, die verfolgt werden und auf der Flucht sind, zu uns kommen können . Nicht alle können kommen, und nicht alle können wir so herzlich willkommen heißen, wie wir das in den letzten Wochen und Monaten getan haben . Nicht alle Menschen können bleiben . Auch darüber müssen wir uns sehr sorgfältig Gedanken machen . Deswegen halte ich es für unbedingt erforderlich – das ist für mich eine der wichtigsten For- derungen bei den Diskussionen über die Maßnahmen, die wir demnächst beschließen und ergreifen werden –, die Asylverfahren zu beschleunigen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Menschen müssen schnell eine Antwort darauf be- kommen, ob sie hier bleiben dürfen oder ob sie unser Land wieder verlassen müssen, ob sie hier Schutz bekommen oder nicht . Für diejenigen, die hier Schutz bekommen und denen wir hier Frieden und eine Perspektive geben, müssen wir mehr und schneller etwas tun, wenn es um ihre Integration geht . Diese Menschen dürfen wir nicht vertrösten und ihnen sagen: Geduldet euch! – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, Herr Minister, dass das nicht von heute auf morgen geht . Aber auch hier müssen wir schneller und besser werden, sodass die betreffenden Menschen eine Perspektive bekommen . Wir stehen vor einer großen Herausforderung . Aber ich sage heute genauso deutlich: Wir sind nicht überfor- dert . Wir schaffen das in Deutschland . (Beifall bei der SPD) Wir können das mit einer gemeinsamen gewaltigen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen schaffen . Auch in Europa ist eine gemeinsame Kraftan- strengung notwendig . Wir legen in der heutigen Debatte dafür die Grundlagen . Der Haushalt, über den wir in ers- ter Lesung beraten, ist schon jetzt Makulatur . Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen darüber diskutieren, an welchen Stellen wir mehr Mittel brauchen und wie wir aufstocken . Aber wir bringen nun ein gutes Paket auf den Weg . Ich begrüße ausdrücklich die Beschlüsse des Koa- litionsausschusses von Sonntagabend . Ich halte das für ein hervorragendes Papier . Auf sieben Seiten steht viel Richtiges und Wichtiges . Für mich stellt dieses Papier eine gute Grundlage für die weitere Diskussion und die vor uns liegende gewaltige Kraftanstrengung dar . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (C) (D) Dr . Eva Högl (A) Neben Aufnahme, Unterbringung und gesundheitlicher Versorgung der Flüchtlinge halte ich – wie bereits ange- deutet – kürzere und schnellere Verfahren für erforder- lich . Deswegen ist es wichtig, dass wir die Mittel für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiter auf- stocken . Wir werden noch mehr Entscheiderinnen und Entscheider brauchen, vermutlich sogar noch mehr, als wir bereits beschlossen haben . Auch ich habe keine Glas- kugel; aber es ist absehbar, dass noch mehr Menschen kommen, und diese Menschen brauchen eine schnelle Entscheidung . Ich begrüße ausdrücklich, dass die SPD-Forderung aufgenommen wurde, bei der Bundespolizei ganz kräf- tig aufzustocken, nämlich um 3 000 Stellen . Das ist eine richtige und wichtige Entscheidung . Die Bundespolizei braucht unsere Unterstützung . Sie leistet gute Arbeit und kann auch hier einen ganz wichtigen Beitrag leisten . Mit diesen 3 000 Stellen legen wir dafür eine gute Grundlage . Ich habe es schon angedeutet: Wir müssen noch mehr tun für die Integration derjenigen in den Arbeitsmarkt, die bleiben können, und auch für die Sprachförderung . Ich möchte zu einem Punkt kommen, der mir in dieser Debatte ebenfalls sehr wichtig ist . Ich sagte schon: Nicht alle können kommen; nicht alle können bleiben. Aber wir müssen uns hier im Deutschen Bundestag weiter darüber unterhalten, dass viele Menschen zu uns kommen, die vor Hunger, wirtschaftlicher Not und Armut fliehen, die für sich und ihre Familien eine Perspektive wollen und die nicht politisch verfolgt sind, aber trotzdem in unserer Gesellschaft, in unserem Land eine Perspektive bekom- (B) men können. Darüber müssen wir uns verständigen; auch das gehört zur Politik für Flüchtlinge und zum Thema Einwanderung . Ich wünsche mir, dass dies der Auftakt zu einer Debatte darüber ist, wem wir über diejenigen hinaus, die ohnehin kommen, eine Perspektive geben . Denn wir können unseren Wohlstand, die Lebensquali- tät unserer Gesellschaft nur sichern, wenn wir Einwan- derung haben . Einwanderung ist essenziell erforderlich für unsere Gesellschaft . Zu uns kommen viele Menschen, auch solche, die nicht politisch verfolgt sind, die quali- fiziert sind, die hoch motiviert sind, die lernen wollen, die unsere Sprache sprechen wollen, die sich in unsere Gesellschaft integrieren wollen, die arbeiten wollen, die ein neues Leben suchen und eine neue Perspektive . Auch sie sollten wir herzlich willkommen heißen . Ich möchte noch eine Bemerkung zum Thema „Rechts- extremismus und Hass“ machen. Das ist natürlich die Kehrseite dessen, worüber wir zuletzt gesprochen haben . Was die Willkommenskultur angeht, haben wir jetzt eine ganz andere Situation als Anfang der 90er-Jahre . Aber während wir über unsere Willkommenskultur sprechen, brennen Unterkünfte für Flüchtlinge, werden Anschläge verübt . Deswegen brauchen wir – das ist heute schon ge- sagt worden; ich erwähne es noch einmal – ein konse- quentes Vorgehen . Notwendig sind sofortige Aktivitäten der Polizei, der Staatsanwaltschaft . Wir müssen auch in diesem Bereich die Mittel aufstocken, damit wir Hass- und Gewalttätern keinen Platz einräumen . Dafür ist in unserer Gesellschaft kein Raum . Auch da müssen wir konsequent handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen . Das gehört zur Wahrheit hinzu . Mir ist ein weiterer Aspekt sehr wichtig: Wenn wir für Vielfalt, Toleranz und unsere Demokratie werben wollen, dann müssen wir mehr in Prävention, in unsere Demo- kratie, in das, was unsere Demokratie ausmacht, inves- tieren, und dann müssen wir auch sämtliche Projekte, Programme und Träger, die die Demokratie befördern, besser und konsequenter ausstatten . Auch beim Haushalt der Bundeszentrale für politische Bildung kann vielleicht eine Schippe draufgelegt werden; denn auch sie leistet viel für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft . (Beifall bei der SPD) Ich freue mich, wenn wir hier große Einigkeit haben, und ich freue mich auf die weiteren Debatten . Ich denke, wir haben hiermit eine gute Grundlage für die weitere Diskussion über Flüchtlinge und Einwanderung gelegt . Herzlichen Dank . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge- ordneten Anja Hajduk, Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grü- nen . Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim Thema Flüchtlinge ist gerade Einigkeit beschworen worden . Bei aller vorhandenen Einigkeit über die Bereitschaft, Flüchtlinge gut aufzunehmen und zu versorgen, möchte ich doch einmal darauf hinweisen, dass wir nicht vergessen dürfen, dass wir uns bei dieser Aufgabe – wir Grünen werden uns daran beteiligen, und wir werden lösungsorientiert mitarbeiten – aber auch dar- auf verlassen können wollen, dass sie gut gemanagt wird . Es reicht nicht, wenn wir uns hier zurufen: Wir schaffen das . – Das ist eine gute Botschaft an die Gesellschaft . Wenn ich mir aber die Zahlen anschaue, die verdeutli- chen, was in den letzten Monaten geschehen ist und was versäumt wurde, dann muss ich ganz klar feststellen: Dass wir uns gegenseitig „Wir schaffen das“ zurufen, darf nicht das Einzige sein, was wir tun . Man muss auch nachweisen, dass man die Herausforderung bewältigen kann und die Aufgabe professionell managt . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, ich muss schon sagen, dass ich ein biss- chen erschüttert bin, nachdem ich mir angeschaut habe, was im letzten Jahr eigentlich passiert ist . Wir haben vor einem Jahr bei den Haushaltsberatungen 350 neue Stellen für das BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – bewilligt . Während der Beratungen zum Nachtragshaushalt am 8 . Mai ist zum ersten Mal von Regierungsseite verkündet worden: Wir brauchen 2 000 zusätzliche Stellen im BAMF, 1 000 in 2015, 1 000 in 2016 . – Ich habe nachgefragt und habe vor knapp zwei Wochen, am 26 . August, aus Ihrem Haus die Antwort er- halten: 161 von den 750 zusätzlichen Stellen haben Sie besetzt, bezogen auf die erste 1 000er-Tranche, und nur 35 von 200 Stellen für Entscheider, 16 Prozent, sind dort besetzt . – Mit diesem Management werden wir der Her- ausforderung nicht gerecht . (C) (D) Anja Hajduk (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Burkhard Lischka [SPD]: Die Stellen waren ja zum 1 . Juli erst frei!) Herr Minister, es ist nicht einfach, diese Sache anzu- gehen . Das ist überhaupt nicht unser Vorwurf . Aber ich kann nicht erkennen, dass mit dem nötigen Nachdruck daran gearbeitet wird . Ich redete von den ersten 1 000 Stellen . Was die zweiten 1 000 Stellen angeht, haben Sie nur 300 im Regierungsentwurf ausgebracht . Das heißt, die zweiten 1 000 Stellen werden überhaupt erst ab dem 1 . Januar 2016 ins Ausschreibungsverfahren gebracht . Die ersten 1 000 und die zweiten 1 000 Stellen, diese Personalaufstockung für das BAMF, haben Sie kalkuliert bezogen auf einen Stand von 450 000 Flüchtlingen in diesem Jahr . Wir wissen jetzt, dass es 800 000 sein wer- den . Ich kann nicht erkennen, dass Sie personell die Auf- nahme und die Bearbeitung der Anträge dieser Flüchtlin- ge im Griff haben . Ich glaube, wir alle müssen uns ganz andere Maßnahmen überlegen, wie wir das wirklich be- wältigen wollen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) damit das Vertrauen der Bevölkerung darauf, dass wir nicht nur den Willen haben und Mittel im Haushalt da- für einstellen, sondern das auch managen, bleibt . Wenn ich mir das jetzt ansehe, muss ich wirklich sagen: Herr de Maizière, ich bin ein bisschen entsetzt darüber, wie schlecht wir in diesem September 2015 vorbereitet sind . Das Ganze hat auch den Hintergrund, dass der Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gesagt hat: Wir schaffen es wirklich, die Anträge schneller zu (B) bearbeiten . Er sagt: Da liegen 250 000 Anträge auf Hal- de . 200 000 arbeiten wir bis zum Ende des Jahres ab . – Das alles basiert doch noch auf der Prognose von 450 000 Flüchtlingen – und das bei der Stellenbesetzungskultur, die ich gerade vorgetragen habe! Wenn das so weitergeht, dann haben wir in einem halben Jahr und in einem Jahr immer noch denselben Mangel in der Bearbeitungssitu- ation . Vor diesem Hintergrund möchten Sie auch verste- hen, dass wir nicht das Vertrauen haben, dass wir, wenn gesagt wird: „Wir beschleunigen die Verfahren, indem wir sichere Herkunftsländer festlegen“, unsere Konzent- ration und unsere Power an der richtigen Stelle einsetzen, wenn es darum geht, was eigentlich zu tun ist . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich hätte mir gewünscht, dass der Leiter des Bundes- amts für Migration und Flüchtlinge sich im August nicht darüber ausgelassen hätte, welche Geldleistungen ange- messen sind und ob man Taschengeld streichen kann . Er hätte zusehen sollen, wie er, was wir seit Monaten wis- sen, viel mehr Hilfe bekommt, um die Aufgabe in seinem Amt zu bewältigen . Sie haben Verantwortung dafür, dass er das begreift und dass er das macht . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Letzter Punkt . Wir reden hier auch über Sicherheit und Sicherheitspolitik . Wir Grünen sind bereit, die wirklich hohen Aufstockungen beim Personal im Sicherheitsbe- reich wohlwollend zu prüfen und da mitzugehen . Aber, Herr Minister, es ist für uns wirklich inakzeptabel, dass Sie in der Innenausschusssitzung am 2 . September, die eigens einberufen worden war, um über das Thema „Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte“ zu sprechen, zu den wesentlichen Fragen meiner Fraktionskollegen dazu, was vorgefallen ist, wie Sie das erfassen, um was für Straftatbestände es sich handelt, gesagt haben: Ich kann Ihnen dazu keine Auskunft geben . – Auch das halte ich für ein Missmanagement bei der Sicherheitsaufgabe und der Problematik, die wir alle gerade mit Betroffen- heit zu gewärtigen habe, dass es nämlich Übergriffe gibt auf Asylbewerber und auf diejenigen, die sich für diese engagieren, auch für deren richtige Unterbringung . Sie haben auch eine Verantwortung, gegenüber dem Parla- ment auskunftsfähig zu sein, wie die Sicherheitssituation aussieht . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zum Schluss . Herr Minister, Sie haben gesagt: Lassen Sie uns über die Haltung reden . Darauf will ich gerne zurückkommen . Ich bin jetzt sehr kritisch gewesen . Sie haben darauf hingewiesen, wir sollten an das Lied denken, das beim Kirchentag viel und gern ge- sungen wird: Vertraut den neuen Wegen . Wissen Sie, wie das Lied weitergeht? „… weil Leben heißt: sich regen“ . Bitte machen Sie mehr, und managen Sie das besser . Nur so behalten wir das Vertrauen und die Stimmung in der Bevölkerung für diese Aufgabe . Schönen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Nächster Redner ist der Abgeordnete Thomas Strobl, CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Herr Präsident Hintze! Verehrte Kolleginnen und Kol- legen! In diesem Sommer ist der syrische Bürgerkrieg endgültig nach Deutschland gekommen . Wer geglaubt hat, der Nahe Osten sei weit weg und Deutschland könne sich trotz seiner Stärke aus der Weltpolitik heraushalten und zurückziehen, ist eines Besseren belehrt worden . Hunderttausende fliehen aus den Krisengebieten und haben sich auf den Weg nach Europa, nach Deutschland gemacht . In ihren Zug reihen sich Tausende Flüchtlinge aus Afrika und den Balkanstaaten ein, die in ihren Län- dern keine Zukunft mehr für sich sehen . Auf der Flucht spielt sich täglich Dramatisches ab . Der Schrecken hat eine Chiffre bekommen: Ein kleines Kind liegt tot am türkischen Strand, mit dem Gesicht im Sand . Wer angesichts solcher Bilder kein Mitgefühl, keine Scham, keine Trauer empfindet, der hat kein Herz. Wer aber Mitleid und Gefühl allein zum Maßstab politischen Handelns macht, der vergisst seinen Verstand und wird, was weit schlimmer ist, in letzter Konsequenz zerstören, was wir alle miteinander erhalten und bewahren wollen, nämlich ein Zufluchtsort für Menschen zu sein, die ver- folgt werden, die um ihr Leben fürchten, die aus einem brutalen Bürgerkrieg in Syrien flüchten müssen, die vor Gewalt, Folter und Tod aus dem nördlichen Irak fliehen (C) (D) Thomas Strobl (Heilbronn) (A) müssen . Ja, für diese Menschen wollen wir in Deutsch- land auch in Zukunft ein offenes Herz haben und sie mit offenen Armen empfangen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Was ist zu tun? In Europa erleben wir derzeit das Ge- genteil von dem, was eigentlich getan werden müsste . Wir erleben nicht die Konzentration der großen euro- päischen Kraft, sondern viel kleinlichen nationalstaatli- chen Egoismus . Mit Vorsatz wird jeden Tag europäisches Recht tausendfach gebrochen, und man ist froh, dass man selber nicht die Belastungen tragen muss, die mit der Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern verbunden ist . Man ist froh, dass der große Nachbar Deutschland diese Lasten schultert . Zurzeit nimmt Deutschland 40 Prozent aller Flücht- linge auf, also fast so viele wie alle anderen Staaten in der Europäischen Union zusammen. Ich finde, das muss im Deutschen Bundestag einmal sehr klar gesagt werden: Wir stellen uns europäische Solidarität nicht so vor, dass sich in Europa 2, 3 Länder der Flüchtlingsproblematik annehmen und sich 25 andere Länder einen schlanken Fuß machen . Das können wir nicht akzeptieren, und das werden wir auch nicht akzeptieren . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir sind sehr weit von europäischer Solidarität entfernt und brauchen doch dringend eine gemeinsame europäi- sche Asylpolitik . Auf diese zielt die Initiative der deut- schen Bundeskanzlerin und des französischen Staat- (B) spräsidenten . Das unterstützen wir, wie wir auch die Bemühungen und Initiativen des Bundesinnenministers Thomas de Maizière unterstützen . Wir brauchen gemein- same Aufnahmezentren in den europäischen Grenzstaa- ten . Deutschland muss und wird mit aller Kraft dort ein- steigen, mit Personal und mit Geld . Wir brauchen in Europa eine gemeinsame Definition von sicheren Herkunftsländern . (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Was ist denn das für eine Lage – das sind unsere Nach- barländer –, wenn in Frankreich ein Balkanstaat ein si- cheres Herkunftsland ist, wenn in Österreich ein Balkan- staat ein sicheres Herkunftsland ist, in Deutschland das aber nicht der Fall ist? Wir brauchen eine gemeinsame faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa . Ich persönlich füge hinzu: Wir brauchen auch ein einheitliches soziales Niveau für die Flüchtlinge in Europa . Ich will ausdrücklich sagen: Der französische Staatspräsident beteiligt sich an dieser Ini- tiative in einer Situation, in der auf ihm durch die Stärke des rechtsextremen radikalen Front National ein außer- gewöhnlicher Druck lastet. Ich finde, dafür gebührt dem französischen Staatspräsidenten große Anerkennung . Was brauchen wir in Deutschland? Wir werden die Herausforderungen nur mit einer ge- meinsamen nationalen Kraftanstrengung meistern kön- nen . Die Bundeskanzlerin hat den Ministerpräsidenten im Juni zugesagt, dass der Bund seine bisherigen Leistungen erhöhen und sich noch stärker an den Kosten beteiligen wird . Wir werden nicht Millionen, sondern wir werden Milliarden mobilisieren . Im Bundeshaushalt 2016 wer- den wir die Ansätze um 3 Milliarden Euro erhöhen und Ländern und Kommunen weitere 3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen . Das ist richtig so . Den Ländern indessen müssen wir aber auch sagen: Am Ende der Verhandlungen kann nicht allein mehr Geld vom Bund stehen, sondern das Ergebnis muss ein umfas- sender Maßnahmenkatalog sein . Dazu muss erstens eine Verkürzung der Verfahren beim BAMF selbstverständlich gehören . Deswegen ha- ben wir für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im letzten und in diesem Jahr bereits die Schaffung von 1 650 neuen Stellen beschlossen . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darauf können Sie sich doch angesichts der Entwicklung nicht ausruhen!) Wir werden dieses Amt 2016 mit bis zu 1 000 zusätz- lichen neuen Stellen ausstatten . Frau Kollegin Hajduk, wenn es mehr Stellen sein müssen, dann werden wir uns mit dieser Frage auch aufgeschlossen befassen . Unser Ziel muss es sein, die Asylverfahren nicht in Monaten, sondern in Wochen zu entscheiden . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben anscheinend die Herausforderungen noch gar nicht verarbeitet!) In manchen Nachbarstaaten werden sie in Tagen ent- schieden . Niemand bestreitet, dass das Rechtsstaaten sind . Die Länder müssen dann allerdings auch für rasche Gerichtsverfahren sorgen, und sie müssen Ausreisever- pflichtungen konsequent durchsetzen. Hier erwarten wir nicht nur Absichtsbekundungen der Bundesländer, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist total neben dem Thema!) sondern quotierte Zusagen für eine Aufstockung des Per- sonals bei den Ausländerbehörden und den Verwaltungs- gerichten . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir müssen zweitens genau unterscheiden zwischen denen, die unseres Schutzes bedürfen, und denen, die letztlich einen Asylantrag in Deutschland stellen, weil sie in ihren Heimatländern keine wirtschaftliche Zukunft sehen . Letztes gilt insbesondere für die Menschen vom westlichen Balkan, deren Schutzquote gegen null ten- diert . Mögen ihre Motive für eine Reise nach Deutsch- land menschlich sehr nachvollziehbar sein, wir müs- sen ihnen klar und deutlich sagen: Eine wirtschaftliche Notlage ist kein Asylgrund . Einwanderung erfolgt in Deutschland nicht über das Asylrecht . Das ist ein klarer Grundsatz, über den wir uns eigentlich hier verständigen können müssten . (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie einmal einen Vor- schlag für ein Einwanderungsgesetz!) (C) (D) Thomas Strobl (Heilbronn) (A) Nur wer an diesen beiden Grundsätzen festhält, wird die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung langfristig sichern . Nur wer die Aufnahmebereitschaft in der Bevöl- kerung sichert, wird das Grundrecht auf Asyl und zentra- le Errungenschaften der Europäischen Union dauerhaft und uneingeschränkt bewahren können . Weil wir den Schutzbedürftigen auch in Zukunft Schutz gewähren wollen, werden wir Zehntausende ab- weisen und zurückführen müssen, nicht aus Hartherzig- keit, sondern aus Einsicht in die Grenzen unserer Mög- lichkeiten und von dem Willen bestimmt, auch in Zukunft den tatsächlich Schutzbedürftigen hier eine Heimstatt zu geben . (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen drittens genau prüfen, welche Auswir- kungen bestimmte Regelungen im Ausland haben . In der Phase der Erstaufnahme erhält eine Familie mit zwei Kindern zusätzlich zu allen Sachleistungen 400 Euro im Monat . In der Kommune wächst dieser Betrag auf über 1000 Euro an . Für Menschen aus den Ländern des west- lichen Balkans ist das sehr viel Geld . (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber nicht hier!) Nicht nur der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, sondern viele, die sich im Kosovo ausken- nen, sagen uns, dass allein das schon ein Anreiz ist, die Reise nach Deutschland anzutreten . Ihre Kollegin Marieluise Beck etwa, die von Migration, vom Balkan, von Osteuropa wirklich etwas versteht, hat in der Frank- (B) furter Allgemeinen Zeitung berichtet, dass unsere Zah- lungen es vielen Familien aus dem Balkan gestatten – ich zitiere –, „Geld für die Zeit nach der Rückkehr anzuspa- ren“. Ich glaube nicht, dass das im Sinne des Erfinders ist . Deswegen führt am Beschluss des Koalitionsaus- schusses vom Sonntag kein Weg vorbei: Wir brauchen mehr Sachleistungen und weniger Bargeld . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, all das, was ich angesprochen habe, betrifft nicht nur den Haushalt des Bundesinnenministers, den wir heute debattieren, und all das wird uns nicht Monate, sondern wahrschein- lich Jahre beschäftigen . Die Flüchtlingsfrage ist zur größten politischen Aufgabe unserer Zeit geworden . Wir werden sie vor allem dann lösen können, wenn wir an ei- nem Strang ziehen, wenn wir sie nicht zuallererst als ein Feld parteipolitischer Profilierung betrachten. (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Was war das denn gerade?) Die heutige Debatte könnte ein guter Ansatz sein für die Debatten in den nächsten Wochen, in diesem und im nächsten Monat, dass wir eher das uns miteinander Ver- bindende als das uns voneinander Trennende herausar- beiten . Vielen Dank fürs Zuhören . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke . (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal der Kollegin Högl an- schließen, weil auch ich der Meinung bin, dass eigentlich das ganze Haus dankbar sein muss über das großartige Beispiel der Solidarität mit den Flüchtlingen. Ich finde es unglaublich, dass sich mitten in der Nacht in Dort- mund Hunderte Menschen aufmachen und die Flücht- linge freundlich empfangen . Deswegen sage ich auch im Namen meiner Fraktion: Herzlichen Dank! (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist aber richtig: Auf der anderen Seite haben wir auch ein ganz anderes, ein hässliches Gesicht . Die Ge- walttaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte sind in die Höhe geschnellt . Tagtäglich erleben wir in diesem Land Hetze, Anschläge und Aufmärsche von NPD, Pegi- da und rassistischem Mob . Das sind die hässlichen Sei- ten; aber auch auf das Gerede, das Sie, Kollege Strobl, und auch Sie, Herr Minister, heute wieder über den an- geblich massenhaften Asylmissbrauch veranstalten, trifft das zu . Ich möchte einmal darauf zurückkommen . Sie ha- ben den Westbalkan angesprochen . Da wird im Grunde genommen pauschal einer ganzen Flüchtlingsgruppe das Recht abgesprochen, dass deren Asylanträge unvoreinge- nommen geprüft werden . Das kann meines Erachtens so nicht gehen . Ich will ein paar Beispiele bringen: Im Juni waren 28 Prozent der Flüchtlinge aus dem Westbalkan, nämlich 3 611 Menschen, Roma . Selbst die EU-Kommission bzw . EU-Kommissare berichten in ihren Unterlagen, dass die- se Menschen extremer sozialer Ausgrenzung, rassistisch motivierter Gewalt – auch durch staatliche Institutionen – ausgesetzt sind . Sie tun hier aber einfach so, als wenn all diese Leute vor allen Dingen auf den Arbeitsmarkt wollten, und diskriminieren diese Menschen dadurch, dass Sie ihnen im Grunde genommen das Recht abspre- chen, hier Asyl zu beantragen . Deswegen sage ich ganz eindeutig: Das Asylrecht darf nicht ausgehöhlt werden . Die Linke wird jedenfalls bei der geplanten Form der Aushöhlung nicht mitmachen . Schauen wir uns doch einmal um: 43 Prozent der Flücht- linge aus dem Kosovo wurden dort im vergangenen Jahr anerkannt . In Frankreich sind 20 Prozent der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina ebenfalls anerkannt worden . Dies sage ich, um hier nur wenige Beispiele zu nennen . Wir verlangen hier ganz klar von Ihnen eine klare Prü- fung jedes einzelnen Asylantrags statt pauschaler Verur- teilungen von Flüchtlingsgruppen, die aus dem Westbal- kan kommen . (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, zu den Vorschlägen der Koalition, die gestern vorgelegt wurden, nachdem im Mittelmeer bereits über 2 000 Menschen ums Leben ge- (C) (D) Ulla Jelpke (A) kommen sind, und angesichts der Gewalt an den Gren- zen in Europa und der grausamen Bilder, wie in Ungarn, Montenegro und in anderen Ländern mit Flüchtlingen umgegangen wurde, muss man wirklich sagen: Dieses Papier mit den von Ihnen gemachten Vorschlägen ist ei- gentlich mehr als kläglich . Zu den 3 Milliarden Euro, die jetzt den Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen, kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Das wird viel zu wenig sein . Wir brauchen endlich eine gesetzliche Regelung, dass Bund und Län- der gleichermaßen für die Unterkunft der Flüchtlinge aufkommen müssen . Das bedeutet zum Beispiel, von Anfang an bundesweit die Kosten für die Flüchtlings- aufnahme zu übernehmen und den Kommunen das zu überlassen, was wichtig ist, nämlich die Integration von Anfang an, also Sprachunterricht, Eingliederung in den Arbeitsmarkt und die Dinge, die nötig sind, damit die Menschen hier schnell wirklich ankommen . Es hat lange genug gedauert, bis Sie überhaupt re- agiert haben . Gestern hat die Bundeskanzlerin gesagt: Wir waren schnell beim Retten der Banken, jetzt müs- sen wir schnell beim Retten von Flüchtlingen sein . – Ich meine, dass es viel zu viele Monate gedauert hat, bis hier wirklich etwas geschehen ist . Fakt ist jedenfalls: Im Moment werden viele in rie- sigen Sammelunterkünften untergebracht, Lager werden schnell hergerichtet . Wir wollen verhindern, dass solche Notlösungen zu Dauerlösungen werden . Deswegen muss ganz schnell etwas passieren, damit die Flüchtlinge auf einen entsprechenden bezahlbaren Wohnraum verteilt (B) werden und auch zu Freunden und Familienangehörigen gehen können . Insbesondere was die Stigmatisierung durch solche Massenlager angeht und diese befördert, muss etwas passieren . Die Koalition hat hier unter anderem eingebracht, dass kein Bargeld, sondern Sachleistungen vergeben werden . Das ist hier heute auch noch einmal gesagt worden . Ich halte das für den reinsten Populismus, denn sparen lässt sich damit nicht wirklich . (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Der bürokratische Aufwand für die Ausgabe von Sach- leistungen wird – dies ist von den Kommunen immer wieder gesagt worden – viel höher und viel teurer sein . Deshalb wird man hier nicht sparen . Ausgerechnet beim Taschengeld wollen Sie sparen . Das, was man damit gerade noch erledigen kann, gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen, nämlich Telefonate führen, Busfahr- karten kaufen oder vielleicht auch einmal irgendwo einen Kaffee trinken . Ausgerechnet hier wollen Sie Sachleis- tungen vergeben. Ich finde, das treibt Flüchtlinge wirk- lich in die Isolation und verhindert jede Teilhabe am öf- fentlichen Leben . Deswegen werden wir solche Attacken auf die Menschenwürde der Flüchtlinge auf gar keinen Fall mitmachen . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, Zuwanderung muss eine Bereicherung sein . Es ist durch Studien erwiesen, dass Zuwanderung eben nicht Zuwanderung in unsere Sozial- systeme heißt . In der Tat werden die Wirtschaft und die Sozialsysteme sogar gestärkt . Deshalb denke ich: Egal ob Menschen aus Angst vor Verfolgung, Krieg, Hunger oder Armut fliehen, es muss darum gehen, Fluchtursachen zu beseitigen . Das bedeutet die Beendigung von Kriegen insbesondere im Mittleren und Nahen Osten . Es bedeutet aber auch, die Fluchtursachen, die jeden Tag neu geschaf- fen werden, zu beseitigen . Ich schaue in die Türkei, wo Erdogan Krieg gegen die Kurden führt . Was höre ich von der Bundesregierung dazu? Nichts . Im Gegenteil, man schweigt . Ich schaue nach Frankreich, wo man verstärkt Luftangriffe gegen Syrien fliegen will. Auch hier passiert nichts . Solange die Fluchtursachen nicht bekämpft wer- den, werden die Flüchtlinge hierherkommen, und weitere werden hierherkommen . Deswegen sage ich: Machen Sie endlich etwas gegen die Fluchtursachen, reden Sie nicht nur darüber . Hören Sie auf, Länder wie die Türkei oder andere Länder mit Waffen zu füttern . Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Jelpke, achten Sie bitte auf die Zeit . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Das ist die einzige Lösung, die wirklich hilft: dass Menschen in ihren Herkunftsländern bleiben können und ihr Leben dort perspektivisch aufbauen können . Danke . (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Burkhard Lischka hat für die SPD-Frak- tion das Wort . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Burkhard Lischka (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt manchmal Rekorde, die möchte man eigentlich nicht er- zielen . Wenn in diesem Jahr bis zu 800 000 Menschen zu uns kommen, zu uns kommen müssen, weil sie vor Krieg, Tod, Elend und Vertreibung fliehen, dann ist das ein solcher Rekord . Als „Allzeithoch“ wird das in diesen Tagen sehr gerne in unseren Zeitungen beschrieben . Aber es ist eben kein Hochdruckgebiet auf der Wetterkarte, das mit dem Sommer 2015 wieder abzieht . Der Umgang mit Flüchtlingen – das wissen wir alle – wird uns viele, viele Jahre beschäftigen und auch herausfordern . Das Ganze ist nicht nur eine Herausforderung, sondern eine wirkli- che Herkulesaufgabe, die vor uns liegt, die wir meistern können – ja! –, bei der wir aber auch scheitern können . Viele Menschen in unserem Land wissen das schon längst . Sie engagieren sich oftmals bis an die Grenze der Erschöpfung dafür, dass uns diese Aufgabe gelingt – durch die Vermittlung und Aufnahme in Unterkünf- ten, Verpflegung, Spielsachen, Betreuung von Kindern, Deutschunterricht oder ganz einfach durch Zuspruch und Begegnung . Sie sorgen dafür, dass Kinder wieder lachen (C) (D) Burkhard Lischka (A) können, dass Menschen, die zum Teil alles verloren ha- ben, wieder Hoffnung schöpfen . Diese vielen Menschen sind derzeit die Helden des Alltags . Sie geben unserem Land gerade in diesen Tagen ein menschliches Gesicht, und dafür kann man nicht oft genug Danke sagen . (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- geordneten der LINKEN) Aber ich weiß auch: Schon dieser letzte Satz des Dan- kes wird dafür ausreichen, dass ich gleich nach dieser Debatte in meinem Büro mit einem Stapel böser E-Mails konfrontiert werde - (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Hassmails! – Dr . Eva Högl [SPD]: Wir alle!) E-Mails, die teilweise so widerwärtig sind, dass es mir manchmal schwerfällt, meine Sprache wiederzufinden. Ja, es macht mich sprachlos, wenn Tag für Tag vor deut- schen Flüchtlingsunterkünften traumatisierte Menschen ankommen, die oft nur ihr nacktes Leben retten konnten, und dort auf Glatzköpfe und sogenannte Wutbürger tref- fen, die die ankommenden Busse mit Steinen bewerfen und skandieren: Weg mit dem Dreckspack! – In solchen Momenten bin ich sprachlos und schäme mich . Aber ich weiß: Ja, es gibt dieses hässliche Gesicht in unserem Land, aber dieses Gesicht steht nicht für unser Deutsch- land im Sommer 2015 . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- (B) NISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn es um Not und Mitmenschlichkeit geht, dann ste- hen die Menschen hier in übergroßer Mehrheit zusam- men . Auch das haben wir am letzten Wochenende erlebt, und das hat Deutschland oft bewiesen . So wird es auch diesmal sein . Richtig ist aber auch, dass diese Zuschriften, die wir ja alle kennen, zeigen, wie weit sich einige Teile dieser Gesellschaft voneinander entfernt haben, wie wenig Grundkonsens es gibt zwischen denen, die eine unein- geschränkte Solidarität mit Flüchtlingen fordern, und anderen, die meinen, es wären eh schon viel zu viele . Es wird auch eine der Hauptaufgaben der Politik in diesen Tagen sein, immer wieder für den Grundkonsens, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land zu ar- beiten . Denn das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir diese Herausforderung meistern und das überhaupt schaffen können . Ja, wir können das schaffen . Aber die bittere Wahrheit ist auch: Wir wollen keine Zäune errichten wie andere und nicht so tun, als wenn uns der Rest der Welt nichts angin- ge, aber wir können auch nicht so tun, als seien unsere Möglichkeiten unbegrenzt . Die Motive der Menschen, die zu uns kommen, sind allesamt ehrenwert, aber nicht allen Verzweifelten werden wir Arbeit, Sicherheit und Zukunft geben können . Der Politik fällt in diesen Tagen auch die Aufgabe zu, die Grenze zwischen Möglichem und Unmöglichem zu ziehen . Da ist „Flüchtling“ in die- sem Zusammenhang ein völkerrechtlich klar definierter Begriff, genauso wie das Grundrecht auf Asyl . Das klare Kriterium ist Verfolgung, nicht wirtschaftliche Not . Dass jemand zu uns kommt, weil er in seiner Heimat keine wirtschaftliche und persönliche Perspektive sieht, ist ver- ständlich und übrigens auch kein Verbrechen, aber es ist eben kein Asylgrund. Ich finde, das ist keine unmenschli- che oder zynische Einstellung . In einem Kommentar, den ich vor einigen Tagen gele- sen habe, wurde nicht ganz zu Unrecht die Situation, in der wir uns derzeit befinden, verglichen mit einem Arzt, der zu einem Massenunfall mit vielen Verletzten geru- fen wird . Wenn sich dieser Arzt zuerst um die Schwer- verletzten kümmert, dann ist das nicht unmenschlich, sondern durchaus verantwortungsbewusst . Deshalb, lie- be Kolleginnen und Kollegen, werden wir einigen, die nicht vor Verfolgung fliehen, ehrlich sagen müssen: Das Asylverfahren ist der falsche Weg, um nach Deutschland zu kommen . Selbst wenn wir alle hier unser Bestes ge- ben, werden wir nicht allen gerecht werden können . Wir sollten das sagen, ohne Ressentiments und Vorurteile zu schüren; denn jemand ist ja kein Unmensch, wenn er für sich und seine Familie eine neue Lebensperspektive sucht. Er ist übrigens auch kein Betrüger, ich finde, auch kein Asylbetrüger . (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg . Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Insofern bin ich über manchen Debattenbeitrag der letz- ten Wochen irritiert . Es kommt jetzt aber auch darauf an, nicht jeden frommen Wunsch als problemlose Realität zu verkaufen . Wir alle wissen: Es gibt viele Schrauben, an denen jetzt gedreht werden muss, und manche Schrauben sind sehr schwergängig . Das A und O wird jetzt sein, für schnelle Asylverfahren zu sorgen . Davon hängt alles andere ab, bis hinunter zu den Kommunen . Hier ist der Bund und sonst niemand gefordert . (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn 60 000 Menschen derzeit länger als ein Jahr auf eine Erstentscheidung in ihrem Asylverfahren warten, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Problembeschreibung kennen wir schon!) 12 000 Menschen länger als zwei Jahre, und wir 265 000 unerledigte Asylanträge haben, dann müssen wir jetzt al- les dafür tun, dass sich das ändert, und zwar auch mit diesem Bundeshaushalt . (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn?) Ich glaube, da werden die 2 000 Neueinstellungen, die wir uns bis zum Frühjahr vorgenommen haben, nicht rei- chen . Denn das bedeutet, dass wir bis zum Jahresende 1 000 Entscheider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben . Schafft ein Entscheider im Durch- schnitt 500 Fälle, dann macht das bei 1 000 Entscheidern 500 000 Fälle im Jahr . Man muss keine weiterführende Schule besucht haben, um zu erkennen: 800 000 Asylan- träge in diesem Jahr plus 265 000 Altfälle – das kann mit (C) (D) Burkhard Lischka (A) 1 000 Entscheidern mehr nicht funktionieren . Da müs- sen wir mehr tun . Wir müssen jetzt einen entscheidenden Schritt nach vorn gehen, sonst bleibt vieles andere, was wir anpacken, nur Stückwerk . Stückwerk würden wir auch abliefern, wenn wir uns nicht mit allen Kräften darum kümmern würden, die Menschen, die zu uns kommen und bei uns bleiben, ab dem ersten Tag zu integrieren und ihnen beim Erlernen unserer nicht einfachen Sprache zu helfen . Wenn die Zu- gewanderten auf eigenen Beinen stehen können, wenn ihre Kinder zur Schule gehen, wenn ihre Kinder einen Job haben, dann würden alle Seiten davon profitieren in einem Land, dem in den nächsten 30 Jahren ein Drittel seiner Fachkräfte verloren geht . Dann wäre das, was wir jetzt erleben, nicht nur eine Herausforderung, sondern eine echte Chance für unser Land . Aber auch dafür müs- sen wir jetzt mit diesem Haushalt die Weichen stellen und nicht erst morgen und übermorgen . Herr Minister, Sie werden die SPD an Ihrer Seite ha- ben, wenn es darum geht, in Europa Tacheles zu reden . Dieses Europa wird eines Tages in den Geschichtsbü- chern auch daran gemessen werden, wie es mit seinen Flüchtlingen umgegangen ist . Da muss man im Augen- blick leider den Eindruck gewinnen, wir lebten in einer Union der Egoisten, und einige Regierungschefs sind derzeit dabei, Hochverrat an unseren gemeinsamen Wer- ten zu verüben . Die Friedensnobelpreisträgerin EU hat im Augenblick viel zu verlieren, vor allen Dingen ihre Glaubwürdigkeit und ihre menschliche Orientierung . (B) „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das ist der erste und der allerwichtigste Satz unseres Grundgeset- zes – ohne Vorbehalt . Da ist nicht zu lesen: Es sei denn, es sind zu viele Menschen . – Insoweit stehen wir vor ei- ner großen Bewährungsprobe . Scheitern dürfen wir dabei nicht . Danke . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Kollegin Luise Amtsberg das Wort . Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Haushaltsdebatte – im Besonderen die Debatte über den Etat des Innenministeriums – ist nicht nur eine Debatte über Zahlen, und ich bin froh, dass sie auch in den vergangenen Minuten nicht so geführt wurde . Wir als Parlament müssen mit diesem Haushalt eine Antwort darauf geben, wie wir mit dieser historischen Aufgabe, dieser nationalen Verantwortung und Herausforderung umgehen . Diese historische Aufgabe ist eben nicht die schwarze Null, sondern die Versorgung und Aufnahme von Hunderttausenden Schutzbedürftigen in Deutsch- land, von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung ge- flohen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was wir derzeit in Deutschland erleben – das gilt insbesondere für die Bilder von den Bahnhöfen in die- ser Republik –, macht Hoffnung . Mit dieser Hilfsbereit- schaft, aber auch den richtigen politischen Maßnahmen wird Deutschland in den kommenden Jahren nicht nur vielen Menschen Schutz bieten können, sondern für viele auch dauerhaft ein neues Zuhause werden können . Das höchste Gut, das wir derzeit haben, sind diese unglaubli- che Hilfsbereitschaft, der Mut und das Engagement von Menschen in Deutschland. Ihnen gilt unser Dank; denn sie waren dort zur Stelle, wo der Staat versagt hat oder politische Mühlen zu langsam gemahlen haben . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Hilfsbereitschaft der Menschen hängt maßgeblich davon ab, was jetzt politisch passiert . Sie hängt davon ab, ob wir es schaffen, Maßnahmen auf den Tisch zu le- gen, die den derzeitigen Ausnahmezustand beenden . Hier müssen wir tatsächlich über Inhalte streiten . Am Samstag hatte die Bundesregierung noch mit einer großzügigen Geste mehreren Tausend am Budapester Hauptbahnhof festsitzenden Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland erlaubt, und schon am Sonntag präsentierte die Große Koalition einen Beschluss, der unter anderem zahlreiche restriktive Maßnahmen enthält . Maßnahmen zur Verein- fachung von Asylverfahren findet man in dem Papier nicht . Darin sehen wir, die grüne Fraktion, aber den we- sentlichen Schlüssel . Frau Kollegin Högl, im Gegensatz zur SPD haben wir definiert, wie die Vereinfachung und Beschleunigung von Asylverfahren gelingen kann . Der Beschluss vom Sonntag zeigt, dass man in vie- len Punkten hinter die Vereinbarungen der vergangenen Jahre zurückfallen will. Die Residenzpflicht soll wieder ausgeweitet werden und das Sachleistungsprinzip wieder eingeführt werden . Ich frage mich: Warum eigentlich? Das Sachleistungsprinzip ist nicht nur diskriminierend, sondern es verursacht auch einen enormen bürokrati- schen Aufwand, genauso wie die Residenzpflicht, die sich im Übrigen aus der geplanten Verlängerung des Ver- bleibs in den Erstaufnahmeeinrichtungen ergibt . Dieser enorme bürokratische Aufwand ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Zum Vorschlag des Innenministers, den Verbleib in der Erstaufnahmeeinrichtung auf sechs Monate zu ver- längern: Wieso halten Sie sich eigentlich mit solchen Vorschlägen auf, obwohl Sie wissen, dass es in der jet- zigen Situation überhaupt nicht möglich ist, Flüchtlinge so lange in zentralen Aufnahmeeinrichtungen zu halten? Es ist doch eher so, dass wir die Flüchtlinge schnell auf die Kommunen verteilen, weil die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen fehlen . Daran werden auch 150 000 Erstaufnahmeplätze nichts ändern . Statt die Län- der damit in eine schwierige Situation zu bringen, sollte der Fokus des Innenministers endlich auf der Entlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge liegen . Das fällt in Ihre Zuständigkeit . Der Bearbeitungsstau von mittlerweile über einer Viertelmillion Anträgen kann nur durch Verfahrungserleichterungen beseitigt werden . Ich frage mich: Warum verwenden Sie so viel Kraft darauf, (C) (D) Luise Amtsberg (A) sich an Nationalitäten mit niedrigen Schutzquoten ab- zuarbeiten, obwohl es bei Nationalitäten mit besonders hohen Schutzquoten so viel Raum für Hilfe durch büro- kratische Erleichterungen gibt? Syrien 100 Prozent, Af- ghanistan 78,4 Prozent, Irak 99,7 Prozent – es dauert zu lange, wenn Asylsuchende aus diesen Ländern im Durch- schnitt 11 bis 18 Monate auf eine Entscheidung warten müssen . Hierauf sollte der Fokus liegen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Um ein bisschen konkreter zu werden: Es ist Ressour- cenverschwendung, wenn man alle Asylanträge von an- erkannten Flüchtlingen nach drei Jahren erneut überprüft . Im zweiten Quartal dieses Jahres kam es zur Einleitung von über 3 000 Widerrufsverfahren, über 500 davon ge- gen anerkannte Syrer . Diese Widerrufsprüfungen binden unnötige Kapazitäten im Bundesamt und verunsichern anerkannte Flüchtlinge . Das ist doch völliger Quatsch . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Fraktion ist der Auffassung, dass, um tatsäch- lich einen Anreiz zur Beschleunigung der Verfahren zu setzen, nach einem Jahr ein Schnitt gemacht werden soll- te, dass für Asylverfahren, die nicht innerhalb eines Jah- res beschieden werden, quasi eine Altfallregelung gelten sollte . Das würde das BAMF wieder voll arbeitsfähig machen und überlange Verfahren endlich beenden . Aber solche Vorschläge bleiben Sie in Ihrem Papier leider Got- tes schuldig . (B) Bedauerlicherweise findet sich auch kein Wort im Ko- alitionsbeschluss zur Zukunft des Dublin-Verfahrens – auch ein wesentlicher Punkt, und das, obwohl die Bun- deskanzlerin gerade gestern noch der Presse verkündet hat, dass die derzeitige europäische Flüchtlingspolitik komplett gescheitert ist . Im Übrigen sehen wir das schon seit vielen Jahren so und stimmen ihr da ausdrücklich zu . Allerdings liegt der Schlüssel auch hier in der Verkür- zung von Verfahren . Wir Grünen wollen, dass die Dub- lin-Überstellungen neben Syrern auch für andere Staats- angehörige ausgesetzt werden . Denn wie wollen Sie bitte schön erklären, dass man Syrer nicht nach Ungarn, Itali- en oder Bulgarien abschieben darf, eritreische oder ira- kische Flüchtlinge aber schon? Das macht keinen Sinn, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) zumal es um die Abschiebung in ein Land geht, das Flüchtlinge interniert, kriminalisiert und demnächst mit Notstandsgesetzen und drakonischen Strafen bei illegaler Einreise reagiert . Deshalb appelliere ich namens meiner Fraktion an Sie, die regierungstragenden Fraktionen, vor allen Dingen in den Gesprächen mit den Ländern diese Vorschläge of- fen zu prüfen, vielleicht auch zu konkretisieren und zu übernehmen; denn das würde tatsächlich helfen, dem BAMF wieder die Kapazitäten zu geben, die es braucht, um Asylverfahren schnell zu bearbeiten, und auch in der Perspektive – wir müssen davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren ähnlich viele Menschen nach Deutsch- land kommen und Schutz suchen – mit den jetzigen Per- sonalkapazitäten in irgendeiner Form handlungsfähig zu bleiben . Meine Kollegin Anja Hajduk hat das beschrie- ben . Das ist derzeit nicht absehbar . Da müssen wir drin- gend aktiv werden . Herzlichen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr . André Berghegger für die CDU/CSU-Fraktion . (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir bera- ten hier den Regierungsentwurf 2016 für den Bereich des Bundesministeriums des Innern und seiner Behörden . Der Bereich hat ein Gesamtvolumen von 6,8 Milliarden Euro . Das ist eine Steigerung von gut 520 Millionen Euro im Vergleich zum letzten Jahr . Es werden deutliche Schwer- punkte in diesem Bereich gesetzt . Aus meiner Sicht sind es zwei Schwerpunkte, die wir vernehmen können, und zwar die Stärkung der Terrorismusbekämpfung und der Bereich des Asylverfahrens und der Integration . Zum ersten Bereich, der Stärkung der Terrorismusbe- kämpfung . Über 4 Milliarden Euro – das sind gut zwei Drittel des Etats – werden in den Sicherheitsbereich ein- gebracht und dort verwendet . Das sind insbesondere die Bereiche der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes, des THW, des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik . Die Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus stellt unsere Sicherheitsbe- hörden vor große Herausforderungen . Da nenne ich ins- besondere das Bundeskriminalamt als Zentralstelle für die deutschen Polizeibehörden und als zuständige Be- hörde für die internationale Zusammenarbeit . Hier wer- den nach derzeitigem Stand zusätzlich 200 Stellen und 12 Millionen Euro als Sachmittel hinzugegeben . Nennen möchte ich auch die Bundespolizei, die nach dem Stand des Regierungsentwurfs zusätzlich 350 Stel- len und 26 Millionen Euro an Sachmitteln bekommt . Insbesondere hat sie die Aufgabe, die kritischen Infra- strukturen wie Bahn und Flughäfen zu schützen . Nicht vergessen wollen wir das Bundesamt für Verfassungs- schutz . Seit zwei Jahren hat sich insbesondere der Konflikt in Syrien zum Anziehungspunkt für gewaltbereite Isla- misten aus ganz Europa und damit auch aus Deutschland entwickelt . Die Ausreise nach Syrien sowie die Rück- kehr stellen besondere Gefahrenlagen für die Sicherheit in Deutschland dar . Über 700 Islamisten aus Deutschland sind in Richtung Syrien und in den Irak gewandert . Rund ein Drittel dieser gereisten Personen ist zurzeit wieder in Deutschland, davon rund 50 Personen, die sich aktiv an bewaffnetem Widerstand beteiligt haben . Damit ist die Gefahr von dschihadistisch motivierten Gewalttaten im Bundesgebiet jederzeit so, dass sie sich konkretisieren (C) (D) Dr . André Berghegger (A) kann . Deswegen denke ich, dass der Aufwuchs in diesen beiden Bereichen dieses Einzelplans, so wie ich es gera- de beschrieben habe, gut und richtig ist und dass diese Schwerpunktsetzung stimmt . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Der weitere Schwerpunkt „Asylverfahren und Integra- tion“ – wir haben es heute in vielen Beiträgen gehört – ist ein äußerst emotionaler Bereich . In den letzten Wochen haben wir ständig Bilder von leidgeplagten Menschen vor Augen, die auf der Flucht vor Krieg und Elend alles verloren haben und nach Sicherheit suchen und sich des- wegen auf nach Europa gemacht haben . Ich habe neulich gelesen, dass Kinderfotos uns die Wahrheit in all ihrer Emotionalität und Bandbreite näher- bringen sollen; das ist richtig. Zwei Bilder haben sich bei mir besonders eingeprägt . Eines ist heute schon mehrfach erwähnt worden . Das ist das Bild des kleinen syrischen Jungen, der leblos an die türkische Küste gespült worden ist . Das ist eine Bandbreite der Skala . Das andere Bild zeigt das lachende kleine Mädchen mit den schwarzen Locken, das sich freut, in Deutschland zu sein, das sich aufs Lernen freut, weil es Ärztin werden will . Diese Bil- der berühren uns alle, und es kommen täglich neue hinzu . Trotz aller Emotionen – da schließe ich an die Aus- sagen von Thomas Strobl an – brauchen wir, glaube ich, die – ich will es einmal so formulieren – richtige Balance zwischen Herz und Verstand, um dieser Aufgabe gerecht zu werden, um diese Herausforderung der Asyl- und (B) Flüchtlingspolitik zu lösen . Das wird die größte Heraus- forderung, der wir uns gegenübersehen . Ich glaube auch, dass sich die Denkweise dieser Unterscheidung mehr und mehr in der Bevölkerung verbreitet . Diese Herausforderung wird Auswirkungen auf viele Bereiche des Haushaltes haben. Wir sollten die finan- ziellen Spielräume, die wir dieses Jahr haben, für die- se Aufgabe nutzen . Das wird schwierig genug, und das erfordert Disziplin . Aber wir können das schaffen und dennoch die langfristigen Haushaltsziele einhalten, als da sind: ein ausgeglichener Haushalt, eine Steigerung der Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung und im Bereich der Bildung . Andere Wünsche sollten sich hier zurücknehmen und unterordnen . Die Situation rund um die Flüchtlinge zeigt aus mei- ner Sicht ein Weiteres: Der Haushalt von einem Jahr, so wie wir es systematisch kennen, ist manchmal viel zu langfristig gedacht . Er kann mit den Entwicklungen in der Realität gar nicht Schritt halten . Bei Aufstellung des Entwurfs des Haushaltsplans ging die Prognose noch – wir haben es gehört – von 400 000, 450 000 Flüchtlingen aus . Das ist erst einige Wochen her . Im August prognos- tizierte der Innenminister dann die Ankunft von 800 000 Flüchtlingen in diesem Jahr . Natürlich hat das Auswirkungen . Es hat Auswirkun- gen auf Stellen und Sachmittel . Ich knüpfe da an Frau Hajduk an . Natürlich hat das einen weiteren Schritt zur Folge . Die Beschlusslage hier bei uns im Hohen Haus ist das eine, aber die Beschlüsse müssen umgesetzt werden . Wir müssen uns in nächster Zeit darüber unterhalten, wie wir bei diesen gestiegenen Anforderungen ausgewiesene Stellen weiterhin schnellstmöglich besetzen können, um dieser Aufgabe effektiv nachgehen zu können . Darüber werden wir während des Haushaltplanverfahrens, denke ich, im Detail diskutieren . Diese Entwicklung ist aus meiner Sicht auch ein Beleg dafür, dass es gut ist, den Haushalt auf Sicht zu fahren, nicht vorschnell Spielräume nachhaltig zu verplanen, sondern Freiräume zu erarbeiten, um flexibel auf genau solche Situationen zu reagieren, wie wir sie jetzt vorfin- den . Ich glaube, man kann es nur immer wieder betonen: Die Menschen in Deutschland begegnen den Flücht- lingen mit einer überwältigenden Hilfsbereitschaft und Solidarität . Ich habe das Bild vom Wochenende vor Au- gen: Spalier stehende Menschen in München, wo am Wochenende Tausende am Bahnhof angekommen sind . Das stimmt mich und, ich denke, uns alle zuversichtlich . Dieses große Engagement gemeinsam mit unserer wirt- schaftlichen Stärke in unserem Land ist der Grund da- für, dass wir die Herausforderung selbstbewusst angehen können und dass wir sie auch stemmen können . Die größte Belastung entsteht natürlich bei den Kom- munen . Die Aufgabe können wir lösen, aber wir können sie nur gesamtgesellschaftlich lösen, Staat und Zivilge- sellschaft gemeinsam . Für dieses große Engagement, teilweise über die Belastungsgrenze hinweg – Frau Högl, hier möchte ich gerne an das anknüpfen, was Sie gesagt haben –, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, möchte ich an dieser Stelle allen Menschen danken, die sich da einge- setzt haben . Danke für dieses Engagement! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir sind ein weltoffenes, tolerantes und solidarisches Land . Darauf können wir stolz sein . Deshalb gibt es bei uns auch keinerlei Toleranz für diese empörenden Vor- gänge der Extremisten und radikalen Gewalttäter in der letzten Zeit . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Im Gegenteil: Wir werden das staatliche und das ehren- amtliche Engagement im Bereich der Flüchtlingsarbeit in Zukunft weiter verstärken und verstetigen . Wir müssen aber auch die Behördenstrukturen und die Verfahren in den Fokus nehmen und auf ein dauerhaft hohes Niveau anpassen und nicht dauerhaft nur improvisieren . Das gilt für den Bund ebenso wie für die Länder. Ich finde, es ist ein wichtiges Signal, was der Koalitionsausschuss am Wochenende beraten und beschlossen hat . Frau Jelpke, natürlich kann man sagen, dass 3 Milliarden Euro zu we- nig sind, aber ich möchte eines anmerken: Lassen Sie uns nicht in einen Wettbewerb der Überbietung gehen, wel- che Zahl richtig ist . Ich glaube, wir sollten erst die Auf- gabe beschreiben, an der Lösung arbeiten und uns dann gemeinsam um die Finanzierung kümmern . (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Uns geht es auch mehr um die grundsätzliche Struktur: Bund und Länder! – Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: Das ist die richtige Reihenfolge, ja!) (C) (D) Dr . André Berghegger (A) Am Wochenende wurde im Koalitionsausschuss fest- gehalten – so verstehe ich es -: Alle, die zu uns kom- men, werden menschenwürdig behandelt . Alle, die zu uns kommen, werden menschenwürdig aufgenommen . Die, die einen Asylgrund haben, werden schnell auf die Kommunen verteilt, und die Integration soll frühestmög- lich – so wie Sie es beschrieben haben, Herr Lischka – anfangen . Wir haben in Deutschland einen Rechtsstaat, um den uns viele in der Welt beneiden . Ich bin aber der tiefen Überzeugung, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung, die wir jetzt haben, auch davon abhängt, dass ein Rechts- staat vollzogen wird . Deshalb müssen diejenigen ohne Asylgrund, so schwer es auch ist, schnell in ihre Heimat zurückgeführt werden, so menschlich nachvollziehbar wirtschaftliche oder andere soziale Gründe auch sind . Unser Asylrecht bietet keinen geeigneten Weg hierfür . (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Richtig!) Ich appelliere an dieser Stelle an die Länder, ihrer Ver- antwortung nachzukommen und sich dort, höflich formu- liert, noch mehr zu engagieren . Wir werden für Angehörige der Weltbalkanstaaten die Möglichkeit der Einwanderung insbesondere bei Vor- liegen eines Arbeitsvertrages oder eines Ausbildungs- vertrages deutlich machen, um legale Einreisewege aus der Heimat aufzuzeigen . Wir werden Fluchtursachen in den Heimatländern stärker bekämpfen und natürlich die Solidarität anderer EU-Länder einfordern . Hierzu hat der Minister am Anfang ein umfassendes Maßnahmenpaket (B) vorgestellt . Denn eines ist klar: Bei weltweit geschätzten 60 Millionen Flüchtlingen geht es auf Dauer nicht, dass einige wenige Länder mit der Bewältigung dieser Ent- wicklung alleingelassen werden . Neben der europäischen Solidarität müssen wir auf ein gemeinsames Asylsystem drängen, immer wieder Wert darauf legen und dafür werben . Wir werden schnell handeln, so wie es auch bei anderen Themen geschehen ist und wie es beispielsweise Kardinal Marx angemerkt hat . Den Zeitplan haben wir gehört: Wenn alles glatt läuft und alle mitmachen, werden wir Mitte Oktober ein großes Maßnahmenpaket beschlossen haben, in die Um- setzung gehen können und gute, nachhaltige Lösungen erarbeiten . (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Burkhard Lischka [SPD]) Zum Schluss kann ich sagen: Die Menschen in diesem Land erwarten von uns eine sachliche Debatte ohne par- teipolitisches Klein-Klein . Der Regierungsentwurf für diesen Haushalt und die Beschlusslage im Koalitionsaus- schuss liefern hierfür eine gute Grundlage, eine Chance, diese gesellschaftliche Herausforderung anzugehen . Der Wunsch ist eine möglichst große Zustimmung . Ich kann für die CDU/CSU-Fraktion sagen, dass wir sicherlich un- seren Beitrag dazu leisten werden . Ich freue mich auf die anstehende Debatte und bedan- ke mich fürs freundliche Zuhören . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Gabi Fograscher für die SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD) Gabriele Fograscher (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie München am vergangenen Wochenende die Ankunft von Zehntausenden von Flüchtlingen bewältigt hat, war großartig und vorbildlich . Wir können dankbar sein für die Hilfsbereitschaft der vielen ehrenamtlichen und frei- willigen Helferinnen und Helfer . In diesen Dank möchte ich ausdrücklich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und der Verwaltung einbezie- hen, die in diesen Tagen mehr als ihren Job machen . (Beifall im ganzen Hause) Diese Haltung der Menschen steht im krassen Gegen- satz zu den Äußerungen einiger aus der CSU . (Jan Korte [DIE LINKE]: Oh ja, das ist wahr!) Heute, kurz vor der Debatte, gegen 15 Uhr gab es eine Tickermeldung mit dem Wortlaut: Aus der CSU wird die Forderung laut, abgelehnte Asylbewerber auch in das Bürgerkriegsland Syrien abzuschieben . (Jan Korte [DIE LINKE]: Straubinger!) … Max Straubinger …: „Nicht überall in Syrien wird gekämpft . Aleppo ist nicht Damaskus .“ Straubinger – so heißt es in dieser Meldung weiter – kri- tisierte die Aussage des SPD-Vorsitzenden Gabriel, der gesagt hat, dass Deutschland mit einer halben Million Flüchtlingen klarkomme . Für Straubinger ist dies „ein falsches Signal nach draußen“ . Herr Straubinger, geben Sie im Netz nur die Stichwor- te „Aleppo“ und „Damaskus“ ein . Dann sehen Sie zer- störte und umkämpfte Städte . (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Der soll da hinfahren! Dann weiß er, wovon er redet!) Die CSU will abschieben, abschrecken, abschotten und dann noch die Schuld der SPD zuweisen . So leisten Sie keinen Beitrag zur Bewältigung der wahrhaft großen Aufgabe, vor der wir stehen . (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zum Haushalt: Der vorliegende Entwurf des Ein- zelplans 06 für 2016 sieht Ausgaben in Höhe von rund 6,8 Milliarden Euro vor . Das sind rund 8,2 Prozent mehr als 2015, und er enthält eben noch nicht das Maßnah- menpaket, das der Koalitionsausschuss am Wochenende beschlossen hat . Mehr Geld, mehr Personal und mehr Flexibilität sind nötig, um die Aufnahme und die Inte- gration der Flüchtlinge nicht nur kurzfristig bewältigen zu können . (C) (D) Gabriele Fograscher (A) Schon seit Jahren steht die Bundespolizei am Rand der personellen und sachlichen Kapazitäten . Der Einsatz bei Großereignissen, der Kampf gegen die Alltagskri- minalität an Bahnhöfen und an Flughäfen und der Be- förderungsstau im mittleren Polizeivollzugsdienst wa- ren in den vergangenen Jahren immer Themen in den Haushaltsdebatten . Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Koalitionsausschuss am vergangenen Sonntag be- schlossen hat, in den kommenden drei Jahren zusätzliche 3 000 Stellen zu schaffen . Uns ist es wichtig, dass diese zusätzlichen Stellen nicht nur wegen der aktuellen Lage geschaffen werden, sondern langfristig erhalten bleiben . (Beifall bei der SPD) Vor der Sommerpause haben wir die Reform des Bun- desamtes für Verfassungsschutz beschlossen . Diese Kon- sequenz aus dem NSU-Untersuchungsausschuss bildet sich jetzt im Haushaltsentwurf ab . Die Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden der Länder und die Analysekompetenz im Bereich Rechtsextremismus sol- len und werden sich durch diese Aufstockung der Mittel verbessern . Die Bundeszentrale für politische Bildung leistet ei- nen wesentlichen Beitrag zur Extremismusprävention. Sie hat im Bereich „Salafismus und Dschihadismus“ einen Aufgabenschwerpunkt gesetzt . Deshalb ist die im Haushaltsentwurf vorgesehene Kürzung der Mittel von 6,8 Prozent kontraproduktiv . Sie muss im parlamentari- schen Verfahren korrigiert werden . (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Monika (B) Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Digitalisierung unserer Gesellschaft schreitet unaufhaltsam voran . Neben den positiven Seiten steigt auch die Gefährdung der digitalen Infrastruktur . Deshalb ist die Aufstockung der Mittel für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik um 11 Millionen Euro notwendig . Wie wichtig die Arbeit des BSI ist, ha- ben wir hier im Deutschen Bundestag selbst erfahren, als das Bundestagsnetz das Ziel eines Hackerangriffs war . Auch das Bundeskriminalamt braucht eine moderne und leistungsfähige Software- und IT-Ausstattung . Der vorliegende Entwurf hält für das BKA einen Aufwuchs der Mittel für den Bereich „Software und Informations- technik“ um 3,7 Prozent bereit . Die wachsende Cyberkriminalität auf der einen Seite und das zunehmende digitale Abwickeln von Geschäften und Behördenangelegenheiten auf der anderen Seite ma- chen das BSI und das BKA zu unverzichtbaren Behör- den, die gut ausgestattet werden müssen . Datenschutz und Datensicherheit sind elementar für das Funktionieren der digitalen Welt . Die Datenschutz- beauftragte hat jetzt mit einer eigenen Behörde die not- wendige Unabhängigkeit, um öffentliche Stellen beraten und kontrollieren zu können . Um ihrem Auftrag gerecht zu werden, ist eine angemessene personelle und sach- liche Ausstattung notwendig . Der Haushalt der Daten- schutzbeauftragten ist von 9 Millionen Euro in 2013 auf 13,2 Millionen in 2016 gestiegen . Aber auch für die Zu- kunft gilt: Mit steigenden Aufgaben muss auch die Per- sonalausstattung mithalten . Das Technische Hilfswerk ist im In- und Ausland im Einsatz . Die technische Ausstattung, der Fahrzeugbe- stand und die Liegenschaften entsprechen noch immer nicht den vielfältigen Aufgaben, die es zu bewältigen hat . Auch die vorgesehenen Kürzungen beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe werden wir in den Beratungen nochmals thematisieren . Das BMI und seine nachgeordneten Behörden stehen beim Thema „Integration und Innere Sicherheit“ vor gro- ßen Herausforderungen . Wir werden bei den Beratungen zum Bundeshaushalt und zum Nachtragshaushalt alles daransetzen, dass das BMI diesen Herausforderungen gerecht werden kann . Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Menschen, die nach Deutschland kommen, erhoffen sich Perspekti- ven, und sie wollen in Sicherheit leben . Perspektiven und Sicherheit erwarten auch die Menschen hier in Deutsch- land . Diese Aufgabe, vor der wir stehen, beschrieb Johannes Rau bereits 2000 in seiner Berliner Rede, aus der auch Sie, Herr Innenminister, zitiert haben, treffend: Wir brauchen eine neue Anstrengung für das Zu- sammenleben aller Menschen in Deutschland – ohne Angst und ohne Träumereien . Ich danke für die Aufmerksamkeit . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr . Reinhard Brandl hat für die CDU/ CSU-Fraktion das Wort . (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, als Sie am Wochen- ende die Bilder aus Ungarn und vom Münchener Haupt- bahnhof gesehen haben . Ich persönlich war hin- und hergerissen . Auf der einen Seite ging mir das Herz auf, als ich sah, mit welchem Engagement, mit welcher Hilfs- bereitschaft zahlreiche Ehrenamtliche und Vertreter von Hilfsorganisationen den Menschen auf der Flucht und in Not sofort unkompliziert beigestanden sind . Auf der anderen Seite ist mir auch bewusst, dass ge- nau diese Bilder dazu geeignet sind, falsche Hoffnungen bei Abertausenden Menschen zu wecken, die ebenfalls auf der Flucht sind und die vielleicht auch nach Deutsch- land kommen wollen . Es ist heute schon mehrmals ge- sagt worden: Wir können nicht alle aufnehmen . Wir kön- nen auch nicht allen, die zu uns wollen, eine Perspektive für Integration in Deutschland bieten . Meine Damen und Herren, ich werde gleich darüber sprechen, was wir in unserem Haushalt alles an Maß- nahmen stehen haben, um die aktuelle Krise in Deutsch- land und in Europa zu bewältigen . Aber ich will eines vorausschicken: Lösen können wir das Problem nicht in Deutschland und auch nicht in Europa . Die Lösung muss in den Herkunftsländern gefunden werden . (C) (D) Dr . Reinhard Brandl (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Wir befinden uns momentan gesamtstaatlich in ei- nem Notfallmodus . Die Zahl der Asylbewerber wächst exponentiell. Jede Prognose ist eine Verdoppelung der vorhergehenden Prognose . Erst waren es 200 000, dann 400 000, jetzt 800 000 Menschen . Damit wir dieses Problem lösen, reicht es jetzt nicht, nur mehr Geld und Personal bereitzustellen – das werden wir auch in den kommenden Wochen tun –, sondern wir müssen auch an Strukturen, an Gesetze und Standards herangehen . Ich will Ihnen ein Beispiel nennen . Ich war letzte Wo- che mit einem Fall befasst, bei dem sich ein Landrat fast gezwungen sah, ein ehemaliges Kasernengebäude der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zu be- schlagnahmen, weil er keine andere Möglichkeit mehr gesehen hat, die ihm zugewiesenen Flüchtlinge unter- zubringen . Dank einer guten Kooperation mit der BImA konnte in letzter Minute eine Lösung gefunden werden . Wir werden jetzt daran arbeiten, wie in solchen Fällen die Kommunen bei den Herrichtungskosten unterstützt werden . Aber das eigentliche Problem ist ein anderes . In dieses Gebäude sollte ursprünglich eine Hochschule einziehen . Dieser Plan ist zumindest zeitlich verschoben worden . Das Problem ist auch, dass wenige Kilometer davon ent- fernt an einer Bahnlinie Flächen zur Verfügung stehen, auf denen man Unterkünfte bauen und Asylbewerber unterbringen wollte, aber dann waren sie zu nah an der Bahnlinie, und aus immissionsschutzrechtlichen Grün- (B) den war es nicht möglich, dort Unterkünfte zu errichten . Selbst wenn das möglich gewesen wäre, gab es noch eine andere Sache . Der Bürgermeister vor Ort sagte mir: Wenn er jetzt hier etwas Massives, etwas Festes bauen möchte und er sich dabei an die bei uns geltenden Bau- vorschriften und Vergabeverfahren hält, dann dauert das Ganze mindestens ein halbes Jahr, bevor er überhaupt daran denken kann, einen Auftrag zu vergeben . Deswe- gen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir in der nächsten Woche nicht nur mehr Geld und Personal be- reitstellen, sondern wir müssen insbesondere auch unsere Standards der Situation anpassen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Aber trotzdem bin ich ein Stück weit zuversichtlich, dass wir die Situation meistern, weil ich in den letzten Wochen gesehen habe, welche Kraft in unserem Land steckt . Ich habe vorher die Ehrenamtlichen und die Hilfs- organisationen erwähnt . Aber was unsere Mitarbeiter auf allen staatlichen Ebenen im Moment leisten, ist schier unbeschreiblich . Ich möchte mich deswegen an dieser Stelle explizit bei den Mitarbeitern im Bund bedanken, vor allen Dingen bei denen im BAMF und in der Bun- despolizei, bei den Mitarbeitern in den Ländern, aber vor allem auch bei den Mitarbeitern in den Kommunen, in den Landkreisen, die vor Ort täglich damit befasst sind, neue Unterkünfte zu organisieren, zu schauen, wie man Menschen unterbringen und ihnen unkompliziert helfen kann . Es ist unglaublich, wie sie über sich hinauswach- sen . Meine Damen und Herren, herzlichen Dank von die- ser Stelle aus . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Gleiches gilt für die Bürgermeister und Landräte, die diese Aufgabe als das begreifen, was sie ist, nämlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir profitieren als Gesamtgesellschaft auch davon, dass wir in einem der stabilsten, wohlhabendsten und sichersten Länder der Welt wohnen dürfen . Meine Damen und Herren, dann müssen wir auch damit umgehen, dass von uns für alle Menschen, die nicht so wie wir hier leben können, eine magnetische Anziehungskraft ausgeht . Meine Damen und Herren, ich habe es vorhin erwähnt: Wir können nicht alle, die zu uns kommen, bei uns auf- nehmen . Das fairste Verfahren für alle Beteiligten ist es, den Menschen, die zu uns kommen, frühzeitig mitzutei- len, ob sie in unserem Land eine Perspektive haben, und, wenn sie eine solche haben, ihnen schnellstmöglich In- tegrationsangebote – zum Beispiel in Form von Sprach- kursen – zu machen . Wenn sie keine Perspektive haben, sollten wir ihnen das auch offen sagen, sie zur Ausreise auffordern oder notfalls zurückführen . Gerade deshalb haben wir bereits in den letzten Jahren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kontinu- ierlich verstärkt . Wir haben es im letzten Jahr um 300 Mitarbeiter und in diesem Jahr in einer ersten Tranche um 350 Mitarbeiter verstärkt, und in einer zweiten Tran- che gab es eine Aufstockung um 750 Mitarbeiter . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie wissen mittlerweile selber, dass das nicht konzentriert genug angegangen wird!) Liebe Frau Kollegin Hajduk, Sie haben jetzt gerade den Vorwurf gemacht, dass dort auch noch zu viele unbesetz- te Stellen vorhanden sind . Man muss aber natürlich sa- gen: 750 Stellen gelten seit dem 2 . Juli 2015 . Seitdem ist der Nachtragshaushalt in Kraft . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden seit dem 8 . Mai von den 2 000!) Seitdem läuft auch die Besetzung, und ich bin zuversicht- lich, dass das Bundesamt bis Ende des Jahres all seine Stellen besetzt haben wird . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und dann reicht das, glauben Sie?) Wir merken es auch bei den Verfahren . In den letzten Jahren wurden die Asylverfahren deutlich beschleunigt . In 2014 hatten wir eine durchschnittliche Verfahrensdau- er von 7,1 Monaten . Jetzt sind wir mittlerweile schon bei 5,3 Monaten . Bei Syrern sind es 3,9 Monate . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Brandl, Sie können so nicht wei- termachen!) Das Problem ist nur, dass die Anzahl der Flüchtlinge viel schneller wächst, als dass wir in gleichem Tempo Perso- nal seriös einstellen und qualifizieren können; denn wir haben hohe Anforderungen an dieses Personal, was die Qualität ihrer Entscheidungen angeht . (C) (D) Dr . Reinhard Brandl (A) (Thomas Strobl (Heilbronn) [CDU/CSU]: So ist das! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reiten ins Chaos, wenn Sie so weitermachen!) Meine Damen und Herren, der Konflikt in der arabi- schen Welt, insbesondere in Syrien, betrifft uns nicht nur in Bezug auf die Flüchtlinge, sondern es gibt im Moment auch die größte Gefährdung – es ist die größte überhaupt in unserer Geschichte – durch islamistischen Terroris- mus . Auch wenn das jetzt momentan in den Medien nicht so sehr präsent ist – die Anschläge in Paris und Belgien sind erst wenige Monate her : Wir müssen uns auch, was die Sicherheitsbehörden anbelangt, auf diese Lage ein- stellen . Wir haben bei der Bundespolizei im letzten Jahr für dieses Jahr bereits 400 Stellen genehmigt . Dann ka- men die Anschläge . Der Minister hat das Antiterrorpaket mit verhandelt . Danach gab es 350 weitere Stellen . Und jetzt, angesichts der Eskalation der Flüchtlingskrise, gab es noch einmal 3 000 Stellen für die Bundespolizei . Sehr geehrter Herr de Maizière, sehr geehrter Herr Schäuble, vertreten heute durch Jens Spahn, ich möchte mich ganz herzlich bei BMI und BMF für den Schritt bedanken, der am letzten Sonntag getan worden ist . Das ist ein starkes Signal für die innere Sicherheit in unserem Land . Herzlichen Dank dafür . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, ich könnte noch über an- dere Sicherheitsbehörden sprechen . Die Frau Kollegin Fograscher hat vorhin angesprochen, dass das BSI groß- (B) artige Leistungen bei der Bewältigung des Cyberangriffs gezeigt hat . Ich wüsste gar nicht, wie wir es ohne das BSI geschafft hätten . Der Präsident der Bundeshelfervereinigung des THW hat mich explizit auch noch einmal gebeten, etwas zum THW zu sagen . Das mache ich – insbesondere auch im Kontext der aktuellen Flüchtlingskrise – gern. Denn das THW ist die Organisation, die wirklich überall hilft . Auf der einen Seite muss es dorthin, wo Flüchtlinge ankom- men und kurzfristig in großem Maße schnell und unkom- pliziert untergebracht werden müssen . Auf der anderen Seite gilt das aber auch für die Herkunftsländer . Wir – Kollege Gerster und Frau Hajduk waren auch dabei – waren in al-Zaatari, einem Flüchtlingslager in Jordanien mit über 80 000 Flüchtlingen, die dort unter- gebracht sind . (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die handeln ganz andere Zahlen! Genau!) Das deutsche THW baut dort Kläranlagen und trägt vor Ort massiv dazu bei, dass die Menschen dort blei- ben . Deswegen haben wir das THW schon im laufenden Jahr mit einem großen Liegenschaftsprogramm gestärkt . Überall in Deutschland werden im Moment Liegenschaf- ten renoviert und neu gebaut . Ich möchte mich bei Bun- desminister de Maizière bedanken, der dem THW bereits im Regierungsentwurf 2 Millionen Euro mehr für Inves- titionen zur Verfügung gestellt und es auch bei den Ein- sparungen deutlich entlastet hat . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundes- innenministers ist nicht der größte im Bundeshaushalt, aber der Minister, sein Haus und der Haushalt werden einen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob wir die aktuellen Krisen bewältigen . Herr Minister, unsere Un- terstützung haben Sie dabei . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Matthias Schmidt für die SPD-Fraktion . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das wichtigste Thema dieser Debatte ist selbstverständ- lich die Flüchtlingspolitik . Ich möchte trotzdem meinen Schwerpunkt auf den Sport legen . Denn auch der Sport kann für Flüchtlinge eine Brücke in unsere Gesellschaft bauen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Grundsätzlich, Herr Minister, hat es der Sport im BMI-Haushalt nicht immer leicht, sich zu behaupten . Das galt nie für die Höhe des Haushaltsvolumens oder für die konkrete Sportförderung, aber politisch wurde der BMI-Haushalt immer von anderen Themen dominiert . Auch in diesen Haushaltsberatungen ist das sehr offen- sichtlich . Flüchtlingspolitik ist das beherrschende The- ma, und das ist auch richtig und gut so . Gleichwohl, auch der Sport geht weiter . Hamburger Zeitungen fragen im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte schon, ob in diese Zeiten überhaupt eine Olym- piabewerbung passt . Ich meine: Ja, unbedingt . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der Sport leistet einen wichtigen Beitrag zur Integ- ration . Er kann ihn leisten . Nicht nur der Sport kann das leisten – viele andere Bereiche der Gesellschaft können es auch –, und der Sport kann es schon gar nicht alleine tun, aber er leistet einen wichtigen Beitrag . Er ermöglicht Gemeinschaftserlebnisse, er lehrt Regeln, und er ist ge- wöhnlich sehr fair . Dem Spitzensport, den wir fördern, kommt gemein- sam mit dem Breitensport eine enorme gesellschaftliche Bedeutung zu . In diesem Sinne hat das Bundesministeri- um des Innern einen sehr guten Haushaltsentwurf vorge- legt, der auf hohem Niveau verbleibt, was angesichts der Herausforderungen unserer Zeit wahrlich keine Selbst- verständlichkeit ist . (Beifall bei der SPD) (C) (D) Matthias Schmidt (Berlin) (A) Ich möchte einige Punkte positiv hervorheben . So ist die Förderung für „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“, worüber wir im Par- lament sehr gestritten haben, fortgeschrieben worden . Sie bleibt erhalten . Es gibt Aufwuchs für wichtige Projekte für Fair Play und im Kampf gegen Rechtsextremismus. Auch das ist ein sehr aktuelles Thema . Der Haushalt sorgt weiter dafür, dass Doping bekämpft werden kann, mit Zuschüssen an die WADA und an die NADA . Dazu passt auch unser Anti-Doping-Gesetz, das wir im Parlament noch beraten und beschließen werden . Ich möchte zusätzlich sehr positiv erwähnen, dass die Förderung bei IAT und FES, die beide für den Spitzen- sport einen sehr wichtigen Beitrag leisten, auf hohem Niveau erhalten geblieben ist . Wenn es uns gelingt, der Sportwissenschaft ein wenig Konkurrenz einzuhauchen und dort zu neuen Ergebnissen zu kommen, dann ist das auch nicht schlecht . Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten . Das Erste, worüber man im Haushalt stolpert, Herr Minister, ist, dass bei der Olympiabewerbung für Hamburg eine Null eingestellt ist . Wir hatten im Nachtragshaushalt 10 Mil- lionen Euro für dieses Jahr und für die beiden folgenden Jahre beschlossen . Ich hatte erwartet, dass das im Haus- halt auch so fortgeschrieben wird . Das ist nicht der Fall . Ich habe heute schon einmal mit Herrn Staatssekretär Schröder darüber diskutiert . Ich habe die Gründe nicht genau verstanden . Auch aus dem Schwerpunktpapier des Einzelplans 06 geht das nicht eindeutig hervor . Aber da- für gibt es auch noch die Ausschussberatungen, in denen (B) wir dies beraten können . Der Ansatz für den Behindertensport erfährt leider eine leichte Absenkung . Es handelt sich zwar nur um 7 000 Euro . Gleichwohl ist das ein falsches Signal, das wir an dieser für unsere Gesellschaft so wichtigen Stelle aussenden . Auch die Mittel für Verbände mit besonderer Aufgabenstellung werden erheblich gekürzt . Aber all das sind Themen, die wir in den Ausschussberatungen be- handeln werden . Es gibt neben dem Haushalt in der Sportpolitik eine wichtige Sache, die ich ganz kurz ansprechen möchte, Herr Minister . Der deutsche Sport steht vor einer Neu- ausrichtung der Spitzensportförderung . Dazu haben Sie ein Beratungsgremium aus jeweils drei Mitgliedern des BMI und des DOSB einberufen . Auch die SMK ist ver- treten. Sieben Expertinnen und Experten runden dieses Gremium ab . Wir Abgeordnete sind nicht dabei . Aber wir sind der Haushaltsgesetzgeber. Ich finde, Sie müssen schon versuchen, uns an den Tisch zu holen und unseren Sachverstand einzubeziehen . Ich möchte diese Gelegen- heit nutzen, diese Forderung noch einmal zu untermau- ern . Ich glaube, wir Sportpolitikerinnen und Sportpoliti- ker wären sehr froh, wenn wir dabei wären . Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und einen schönen Abend . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor . Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- ordnung . Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- tages auf morgen, Mittwoch, den 9 . September 2015, 9 Uhr, ein . Ich wünsche Ihnen bis dahin alles Gute . Die Sitzung ist geschlossen . (Schluss: 18 .06 Uhr) (C) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 08. September 2015 11601 (A) Anlagen zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com, Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333