Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 121. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 10. September 2015 Inhalt Begrüßung des neuen Abgeordneten Volker Mosblech 11701 A Wahl der Abgeordneten Dr. Jan-Marco Luczak und Matthias Hauer als Mitglieder des Kuratoriums der Bundesstiftung ­Magnus Hirschfeld 11701 B Erweiterung der Tagesordnung 11701 B Nachträgliche Ausschussüberweisung 11701 C Begrüßung des früheren Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan 11719 D Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 11701 C b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 11701 D Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 11702 A Roland Claus (DIE LINKE) 11707 A Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) 11708 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi (Erklärung nach § 30 GO) 11710 C Roland Claus (DIE LINKE) 11710 D Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11711 A Hubertus Heil (Peine) (SPD) 11712 C Klaus Ernst (DIE LINKE) 11714 B Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) 11715 D Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11717 A Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11719 A Thomas Jurk (SPD) 11720 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 11721 B Karl Holmeier (CDU/CSU) 11722 B Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11724 B Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 11725 B Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) 11727 B Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 11729 A Roland Claus (DIE LINKE) 11731 D Hubertus Heil (Peine) (SPD) 11733 B Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11735 C Albert Rupprecht (CDU/CSU) 11736 D Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) 11739 B Swen Schulz (Spandau) (SPD) 11740 C Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11742 B Tankred Schipanski (CDU/CSU) 11743 D Marianne Schieder (SPD) 11746 C Anette Hübinger (CDU/CSU) 11747 C Oliver Kaczmarek (SPD) 11749 B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abwicklung der staatlichen Notariate in Baden-Württemberg Drucksache 18/5218 11750 D b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte Drucksache 18/5563 11750 D c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG) Drucksache 18/5867 11702 A d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts Drucksache 18/5918 11750 D e) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2014: – Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2014 – Drucksache 18/5128 11751 A f) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2014: – Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2014 – Drucksache 18/5291 11751 A Tagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013: – Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013: – Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – – zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2014 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2013) – zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2014 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes: – Weitere Prüfungsergebnisse – Drucksachen 18/1930, 18/1809, 18/3300, 18/3617 Nr. 1, 18/4650, 18/4865 Nr.1, 18/5387 11751 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes: Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2014: – Einzelplan 20 – Drucksachen 18/5020, 18/5388 11751 D Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 11701 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 11702 A Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Soziales Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS 11752 A Katja Kipping (DIE LINKE) 11754 B Karl Schiewerling (CDU/CSU) 11755 B Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11757 C Ewald Schurer (SPD) 11758 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 11760 C Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) 11761 B Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11763 A Ralf Kapschack (SPD) 11764 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 11765 C Mark Helfrich (CDU/CSU) 11766 C Kerstin Griese (SPD) 11768 B Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) 11769 B Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 11771 B Heidrun Bluhm (DIE LINKE) 11774 A Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 11775 C Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11776 C Johannes Röring (CDU/CSU) 11777 D Cajus Caesar (CDU/CSU) 11778 C Karin Binder (DIE LINKE) 11780 B Willi Brase (SPD) 11781 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11783 B Waldemar Westermayer (CDU/CSU) 11784 C Rainer Spiering (SPD) 11786 B Alois Gerig (CDU/CSU) 11788 A Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11802 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11790 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11790 C Alois Gerig (CDU/CSU) 11790 D Johann Saathoff (SPD) 11791 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ 11793 A Michael Leutert (DIE LINKE) 11795 C Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) 11796 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11800 D Petra Crone (SPD) 11735 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) 11800 A Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) 11806 B Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 11807 B Ulrike Gottschalck (SPD) 11806 B Sylvia Pantel (CDU/CSU) 11807 B Sönke Rix (SPD) 11809 C Alois Rainer (CDU/CSU) 11810 D Nächste Sitzung 11812 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 11813 A 121. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 10. September 2015 Beginn 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich. Bevor wir unsere Haushaltsdebatte fortsetzen, möchte ich den Kollegen Volker Mosblech als neues Mitglied im Deutschen Bundestag begrüßen, der für den verstorbenen Kollegen Philipp Mißfelder nachgerückt ist. Ich begrüße Sie herzlich, und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. (Beifall) Wir müssen noch eine Wahl durchführen. Für den aus dem Kuratorium der Bundesstiftung Magnus ­Hirschfeld als ordentliches Mitglied ausscheidenden Kollegen Jens Spahn soll das bisherige stellvertretende Mitglied Dr. Jan-Marco Luczak als ordentliches Mitglied gewählt und als dessen Nachfolger der Kollege Matthias Hauer als persönliches stellvertretendes Mitglied berufen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann sind die beiden gerade genannten Kollegen Luczak und Hauer in ihrer jeweiligen Funktion als Mitglieder des Kuratoriums gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um den in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkt zu erweitern: ZP 1 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 2) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Luftverkehrsabkommen vom 16. und 21. Juni 2011 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei und zu dem Zusatzabkommen vom 16. und 21. Juni 2011 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei und dem Königreich Norwegen als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens vom 16. und 21. Juni 2011 Drucksache 18/5580 Überweisungsvorschlag: A. f. Verkehr und digitale Infrastruktur Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Die am 3. Juli 2015 gemäß § 80 Absatz 3 der Geschäftsordnung überwiesene nachfolgende Unterrichtung soll zusätzlich dem Ausschuss für Gesundheit (14. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Unterrichtung durch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Tätigkeitsbericht 2013 und 2014 der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – 25. Tätigkeitsbericht – Drucksache 18/5300 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Sportausschuss A. f. Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss A. f. Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss A. f. Familie, Senioren, Frauen und Jugend A. f. Gesundheit A. f. Verkehr und digitale Infrastruktur A. f. Menschenrechte und humanitäre Hilfe A. f. Tourismus A. f. Kultur und Medien Ausschuss Digitale Agenda Ich möchte auch hier fragen, ob es Widerspruch gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt 1 – fort: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Wir haben am Dienstag für die heutige Aussprache eine Redezeit von insgesamt achteinhalb Stunden beschlossen. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Einzelplan 09. Das Wort hat der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir in dieser Woche den Bundeshaushalt 2016 beraten, dann sind die Gedanken aller hier im Parlament und die Gedanken derjenigen, die uns beobachten, nicht nur bei diesem Zahlenwerk, sondern bei der vermutlich größten nationalen und europäischen Herausforderung seit der Wiedervereinigung: 800 000 Menschen suchen Sicherheit und Lebensperspektive hier bei uns in Deutschland; Millionen Menschen sind auf der Flucht, so viele wie nie zuvor; Hunderttausende davon setzen ihre Hoffnung auf uns und rufen nach Aufnahme in Deutschland. Alle Routine ist verschwunden. Zahl und Wucht dieser Menschenflucht haben wahrhaft historische Dimensionen. Angesichts dieser großen Herausforderung kann man schon sagen: Selten hat Deutschland so zusammengestanden wie jetzt. Das tut uns gut, und das tut den Flüchtlingen gut. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Denen, die Menschen in Not helfen, möchte ich, wie Sie sicherlich alle auch, nicht nur Respekt ausdrücken, sondern vor allen Dingen danken. Das gilt aber auch – auch das darf man einmal sagen – für die Angehörigen unseres öffentlichen Dienstes. Ich finde, die Arbeit von Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes widerlegt in diesen Tagen und Wochen alle Vorurteile, die es ihnen gegenüber gelegentlich gibt. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland ist gefordert, aber Deutschland ist auch stark. Ohne die wirtschaftliche Stärke unseres Landes, ohne Wachstum und sichere Arbeit würden wir diese Herausforderung wohl nicht so optimistisch anpacken. Erst die wirtschaftliche Leistungskraft unseres Landes, gepaart mit soliden Finanzen, erspart uns jetzt schwere Entscheidungen und Konflikte darüber, wie wir die Aufnahme und die Integration so vieler Menschen in Deutschland schaffen und finanzieren wollen. Hätten wir in den Jahren zuvor auf die gehört, die uns aufgefordert haben, diesen soliden Pfad zu verlassen – mehr Schulden zu machen, nicht so sehr auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu achten –, hätten wir heute nicht die Kraft, ein so großes Paket für die Flüchtlingshilfe auf den Weg zu bringen, wie wir es am Sonntag getan haben, ohne dass es zu Leistungskürzungen für unsere Bürgerinnen und Bürger und zu Steuererhöhungen kommt. Dass wir gemeinsam Kurs gehalten haben, meine Damen und Herren, zahlt sich jetzt aus – für die Flüchtlinge und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die deutsche Wirtschaft ist auf einem soliden Wachstumspfad. Die Entwicklung in diesem Jahr zeigt, dass die Prognose der Bundesregierung von 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem und im nächsten Jahr realistisch ist. Das zahlt sich für die Menschen aus. Auch 2015 rechnen wir mit einer steigenden Zahl von Erwerbstätigen – ausgehend von einer Rekordbeschäftigung von über 42 Millionen Menschen in Deutschland. Das Wachstum wird auch von einer robusten Binnenkonjunktur getragen. Diese wiederum wird durch gute Tarifabschlüsse, den Mindestlohn, höhere Investitionen und übrigens auch den Verzicht auf Rentenkürzungen getragen. Dazu kommen positiv wirkende Außenfaktoren wie die Erholung der Vereinigten Staaten, der niedrige Ölpreis und der Wechselkurs des Euro. Wachstum und Beschäftigung bringen uns auch in diesem Jahr höhere Steuereinnahmen als erwartet. Der Bund bzw. die Koalition hat am letzten Sonntag verabredet, dass wir diese gestiegene Finanzkraft jetzt einsetzen wollen, um Länder und Kommunen noch einmal dauer­haft, strukturell und übrigens auch dynamisch – und nicht, wie gestern in einem Redebeitrag gesagt wurde, einmalig – zu entlasten. Es wird eine Hilfe zur Verfügung gestellt werden, die am Ende natürlich von der Entwicklung der Flüchtlingszahlen abhängig sein muss. Länder und Kommunen brauchen diesen Beistand für die menschenwürdige Unterbringung und Versorgung, aber vor allen Dingen auch für die Integration von Flüchtlingen. Vergessen wir nicht: Von den Hunderttausenden, die zu uns kommen, werden viele auf Dauer bleiben. Wir müssen sie integrieren, und auch dem müssen wir uns gesamtstaatlich widmen. Der Bund muss die Voraussetzungen bei der Grundsicherung des SGB II, aber auch bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik, bei Sprachkursen und bei der Qualifizierung schaffen, um eine größere Zahl von Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hier liegen Chancen und Risiken der Zuwanderung ganz dicht beieinander. Schaffen wir es, die Menschen, die zu uns kommen, schnell auszubilden bzw. weiterzubilden und in Arbeit zu bringen, dann lösen wir eines unserer größten Probleme im Hinblick auf die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes, den Fachkräftemangel. Deutschland hat ja ein Experiment vor sich, das noch kein anderes Industrieland der Erde hat schaffen müssen. Bis 2030 werden wir 6 Millionen Arbeitskräfte weniger haben – 6 Millionen Menschen, die nicht für die Erarbeitung unseres Wohlstands am Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden. Das ist nicht nur eine Gefahr für die betroffenen Unternehmen vor allem im Mittelstand und im Handwerk, sondern auch eine Gefahr für den Wohlstand der ganzen Gesellschaft; denn alternde Gesellschaften wachsen langsamer, sind weniger innovativ und verlieren an wirtschaftlicher Dynamik. Die Zuwanderer, die jetzt kommen, können uns helfen, das zu ändern. Wenn es gut läuft, wenn wir es gut machen, dann nutzen wir einen Willen, den alle diese Menschen haben, nämlich zu einem besseren und sicheren Leben zu kommen. Sie haben Kinder bei sich, denen sie das versprechen wollen, was uns unsere Eltern versprochen haben, nämlich: Du sollst es einmal besser haben als wir. – Wenn wir es schaffen, das zu nutzen, wenn wir sie zu gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes machen, dann erinnern wir uns vielleicht auch selbst an manche der Tugenden, die wir in unserem Land haben. Manchmal verschwinden dann vielleicht auch ein bisschen Trägheit und Selbstzufriedenheit. Die, die kommen, können uns wirklich im wahrsten Sinne des Wortes bereichern, wenn sie Bürgerinnen und Bürger dieses Landes werden. Aber auch das Risiko liegt auf der Hand. Kümmern wir uns zu spät um Sprachausbildung, suchen wir nicht nach der Qualifikation der Menschen, die zu uns kommen, und lassen wir sie monatelang oder noch länger untätig bleiben, dann werden die Integrationsprobleme wachsen. Dann werden aus Leistungsträgern Leistungsempfänger. Ich appelliere deshalb an die Unternehmen, die Wirtschaftsverbände und die Kammern, gemeinsam mit Betriebsräten, Gewerkschaften und mit uns in der Bundesregierung eine Ausbildungsinitiative für Flüchtlinge zu starten. Zu einem entsprechenden Gespräch haben wir schon eingeladen. (Beifall bei der SPD) Fragen Sie in den Unternehmen ihre Meister und ihre Ausbilder! Diese wissen, was man braucht, um Menschen, die noch nicht über ausreichende Qualifikationen verfügen, anzulernen. Die Bereitschaft vieler Unternehmen, jetzt zu helfen, ist groß. Ich habe ein wunderbares Erlebnis gehabt. Ein mittelständischer Industrieller, der in diesem Jahr 66 Jahre alt wurde, hat mich gefragt: Was kann ich eigentlich machen, um zu helfen? Ich habe ihm gesagt: Du musst Ausbildungsplätze schaffen. Einen Tag später hat er 66 neue nur für Flüchtlinge geschaffen. Das ist ein großartiges Beispiel. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Wir müssen Sprachkurse anbieten und die Anerkennung von Abschlüssen weiter beschleunigen. Wir müssen die richtige Nachqualifizierung finden, und wir müssen umdenken. Flucht und Asyl dürfen nicht jahrelanges Nichtstun bedeuten. Ausbildung und Arbeit sind die beste Integration. Integration und soziale Teilhabe bedeuten vor allem auch Kindertagesstätten- und Schulplätze sowie bezahlbarer Wohnraum, übrigens für alle, die ihn brauchen, nicht nur für Flüchtlinge. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bund, Länder und Kommunen werden in den kommenden Jahren das damit verbundene Ausgabenwachstum spüren. Das ist keine einmalige Angelegenheit. Wir müssen die Ausgaben nicht nur in diesem und im nächsten Jahr, sondern auch in den nächsten fünf, zehn Jahren absichern. Deshalb müssen wir vor allem in der Wirtschaftspolitik neue Anstrengungen unternehmen. Denn klar ist uns allen: Nur eine Wirtschaft, die wächst, kann einen Staat und eine Gesellschaft finanzieren, die so große Aufgaben wahrnimmt. Schaffen wir das nicht, werden Verteilungskonflikte entstehen und wird der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ganz schnell in Gefahr geraten. Die Bundesregierung hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft weiter nachhaltig zu stärken. Wir erhöhen Investitionen. Wir bauen Bürokratie ab. Wir entlasten Bürgerinnen und Bürger und stärken die Kommunen. Die Bundesregierung hat die öffentlichen Investitionen erhöht. Das wollen wir fortsetzen und haben das in Haushalts- und Finanzplanung verankert. Bis einschließlich 2019 werden die investiven Ausgaben des Bundes jährlich bei rund 31 Milliarden Euro liegen; vor ein paar Jahren waren das noch etwas mehr als 20 Milliarden Euro. Das wird auch private Investitionen auslösen und die Konjunktur stützen. Zu den herausragend wichtigen Zukunftsinvestitionen zählen natürlich in allererster Linie die Digitalisierung, ihre Infrastruktur und vieles andere, was damit zusammenhängt. Aber ich zähle auch die im Rahmen unserer Klimaschutzziele vorgesehene Steigerung der Energieeffizienz dazu. Diese ökologische Modernisierung senkt den CO2-Ausstoß. Sie senkt aber zugleich auch Kosten und erhöht unsere Wettbewerbsfähigkeit. Die Bundesregierung wird deshalb sicherstellen, dass die Mittel des Bundes für die Energieeffizienz auf Rekordhöhe steigen. Wir werden außerdem mit dem Gesetzespaket zum neuen Strommarkt mehr Markt und Wettbewerb bei der Energiewende ermöglichen. Auch das wird Wirtschaftlichkeitsreserven heben und Kosten senken. Übrigens sind die Strompreise in diesem Jahr gesunken. Die EEG-Umlage ist zum ersten Mal seit 15 Jahren gefallen, und zwar ohne dass wir, wie manche behauptet haben, einen dramatischen Einbruch bei den erneuerbaren Energien zu verzeichnen haben. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Photovoltaik! Biogas!) – Herr Krischer, bei der Windenergie hatten wir 2,5 Gigawatt vorgesehen. Wir lagen letztes Jahr, glaube ich, bei 4,7 Gigawatt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist 2017?) Das ist nicht gerade ein Einbruch, Herr Krischer. Ich bin sicher, dass die Entwicklung bei der Solarwirtschaft ähnlich verlaufen wird, wenn wir die Förderung wieder verstetigen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) – Das tun wir, unter anderem mit den Ausschreibungsmodellen, die übrigens exzellent laufen, ganz im Gegensatz zu Ihren Prognosen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es beteiligen sich Energiegenossenschaften und Bürger. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine einzige Genossenschaft hat ein Projekt gewonnen!) – Sir, Sie wissen ganz genau, dass wir erst vor der zweiten Runde stehen. Ich finde das eigentlich gut: Sie machen die Prognose, und wir zeigen später, dass sie nicht stimmt. Das ist schon okay. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Auch bei der regionalen Strukturpolitik stellen wir in Ost und West mehr Geld für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zur Verfügung. Die Lage in Ostdeutschland hat sich in den letzten 25 Jahren natürlich drastisch verbessert, aber nicht gut genug. Deshalb wird es über das Jahr 2019 hinaus nötig sein, die strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands weiter zu fördern. Die Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums dafür wachsen auf. Die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ werden von 580 Millionen Euro im Jahr 2013 auf jetzt 600 Millionen Euro erhöht. Davon gehen übrigens 80 Prozent in die ostdeutschen Bundesländer. Beim Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand sind es immerhin 42 Prozent. Auch der hier im Haus so umstrittene Kompromiss mit der Braunkohlewirtschaft hat etwas mit der Unterstützung Ostdeutschlands und mit Strukturpolitik insgesamt zu tun. Ja, wir haben im Wirtschaftsministerium, wie wir finden, ein nach wie vor relativ preiswertes Instrument – die Klimaabgabe – zur Erreichung der CO2-Ziele bis zum Jahr 2020 entworfen. Aber wir haben jetzt eine Alternative gewählt. Und ja, die Alternative zum Erreichen dieser Ziele ist teurer. Wir erreichen die Ziele genauso wie mit der Klimaabgabe. Aber es stimmt: Die Alternative ist teurer; sie kostet deutlich mehr Geld. Die stärkere Förderung von KWK, die Sicherung der Existenz der Stadtwerke und auch die Begleitung des Strukturwandels in der Braunkohle kosten Geld. Aber das Risiko einzugehen, dass es zu Strukturbrüchen in der Braunkohle kommt, hätte uns noch viel mehr Geld gekostet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ob es wirklich klug ist, zu sagen: „Wir in der Politik mit unseren Gutachten wissen das am Ende besser als die, die vor Ort das Risiko tragen“, wenn sich herausstellte, dass man sich geirrt hat? Da waren wir eben anderer Meinung. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vom Paulus zum Saulus!) 10 000 Arbeitsplätze sind keine Kleinigkeit für Regionen, die den Schock der Deindustriealisierung nicht vergessen haben. Die vergütete Stilllegung von Braunkohlekraftwerken senkt die CO2-Emissionen erheblich; aber sie kostet Geld – klar. Außerdem hilft sie den Unternehmen und den Beschäftigten, den Strukturwandel sozial sicher zu vollziehen. Wer dagegen ist und dagegen polemisiert, dem rate ich, mal hinzufahren und mit den Menschen zu reden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Zukunft unserer Unternehmen und unseres Landes liegt in den Investitionen, natürlich auch in Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Dafür haben wir mit Professor Fratzscher Vorschläge entwickelt, die im November dieses Jahres ins Kabinett kommen, damit wir sie umsetzen können. Unsere Wirtschaft wird aber nur stark bleiben, wenn auch die privaten Unternehmen mehr investieren. Die Nettoinvestitionsquote deutscher Unternehmen muss einem seit mehr als zehn Jahren große Sorge machen; sie ist nämlich viel zu niedrig. Dafür wollen wir die Rahmen­bedingungen weiter verbessern. Es geht um mehr Innovationen, um Fachkräftemobilisierung, um das Lösen von Investitionsbremsen. Das Bürokratieabbaugesetz schafft eine Entlastung von 700 Millionen Euro. Für die Mobilisierung von Venture Capital für die Wachstumsphase von Unternehmen verabschieden wir gemeinsam mit dem Finanzministerium in diesen Tagen die Vorschläge. Von der günstigen Wirtschafts- und Finanzentwicklung profitieren auch die Bürgerinnen und Bürger  vor allen Dingen durch sichere Beschäftigung und ordentliche Löhne. Große Ungleichheit, sagen IWF, OECD und jetzt auch das Weltwirtschaftsforum, behindert und blockiert eine Wirtschaft. Mehr Chancen und bessere Zugänge für mehr Menschen hingegen vergrößern das Wachstumspotenzial. Die Entwicklung der Reallöhne in Deutschland ist gut. Im vergangenen Jahr sind die Löhne je Arbeitnehmer um knapp 4 Prozent gestiegen. Ordentliche Tarifabschlüsse, Tarifbindung, mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stehen dahinter. Das ist gut und muss weitergehen. Verteilungsfragen sind soziale und wirtschaftliche Zukunftsfragen. Wir können ein durchlässiges Bildungssystem am Ende nur finanzieren, wenn wir dafür die Kraft und die Mittel haben. Also geht es immer wieder auch um eine gerechte und faire Steuerpolitik. Insbesondere die in Europa nach wie vor existierende Ungerechtigkeit beim Steuerzahlen müssen wir beseitigen. Es kann nicht sein, dass sich große Konzerne vor einem angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens drücken können. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]) Wer nach dringend notwendigen Reformen in Europa fragt, der hat hier eine Antwort: Die großen Konzerne müssen endlich mehr zahlen, damit wir die mittleren und niedrigen Einkommen von der zu hohen Last der Steuern und Sozialabgaben, die Weltwirtschaftsforum, OECD und andere kritisieren, entlasten können. Europa ist nicht durch Griechenland in Gefahr, sondern durch den wachsenden nationalen Egoismus seiner Mitgliedstaaten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wenn wir den nicht überwinden, dann werden wir die Menschen von der europäischen Idee nicht mehr überzeugen können. Insofern müssen wir den Blick auch auf die Zukunft und die vor uns liegenden zehn Jahre richten. Wir müssen eine Vorstellung davon entwickeln, wovon wir 2025 ­leben wollen. Wir müssen die Quellen unserer wirtschaftlichen Stärke beachten. Im Inland geht es um höhere Investitionen – aber wahrlich nicht nur in Beton, Glasfaser und Maschinen –, vor allen Dingen aber geht es um die Menschen, die wir hier haben: soziale Teilhabe, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, übrigens auch gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit; (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) denn die Art und Weise, wie wir Menschen in Pflegeberufen bezahlen – schlecht nämlich –, ist der eigentliche Grund, warum wir dort Nachwuchssorgen haben. (Zuruf der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE]) – Ich glaube schon, dass das so ist. Das gilt im Inland wie übrigens auch in der internationalen Vernetzung; denn die internationale Vernetzung ist die zweite Quelle unseres wirtschaftlichen Wohlstands. Deutschland bekommt jede internationale Krise zu spüren. Wo sich Märkte verschließen, droht unsere Produktion zu erlahmen. Ukraine, Russland, Strukturprobleme, Börsenturbulenzen in China, Wachstumsschwäche in Schwellenländern, Unsicherheiten in der Eurozone und in Europa – wenn alles zusammenkommt, ist unsere wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr sicher. Deshalb glaube ich: Zusammenhalt, Stabilität und Vertiefung der Europäischen Wirtschafts- und Währungs­union ist in unserem vitalen Interesse. Der Kollege Schäuble hat richtigerweise gefordert, dass sich die Mitgliedstaaten der Währungsunion an die Regeln halten müssen; keine Frage. Aber zur finanziellen Stabilität des Euroraums gehören ganz sicher auch die Harmonisierung von Steuerbemessungsgrundlagen und eine weitgehende Harmonisierung der Körperschaftsteuer. Dazu gehört übrigens auch, dass wir nicht immer nur sehr klar wissen, wie finanzielle Solidität organisiert wird, sondern endlich genauso klar wissen, dass wir die zweite Säule brauchen. Wir brauchen Klarheit darüber, wie Wachstum und Beschäftigung sowie Arbeit und Innovation in Europa finanziert werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Daran mangelt es in Europa. Meine Damen und Herren, für Deutschlands Stärke im kommenden Jahrzehnt gibt es, glaube ich, wichtige Grundwerte in unserer Republik. Wir dürfen uns nicht abschotten oder abkehren von der internationalen Entwicklung, nicht von Europa und nicht vom Nahen Osten oder von Afrika. Das Signal, dass Deutschland Flüchtlinge nicht abweist, sondern aufnimmt, ist übrigens ein Zeichen der Stärke, das unsere Partner in der Welt gut verstehen. Jedenfalls international wird es klar verstanden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Natürlich müssen wir Fluchtursachen bekämpfen. Wir müssen für Stabilität sorgen. Gestern ist in der Debatte zu Recht, ich glaube, von Frau Göring-Eckardt, auf die Rüstungsexportthemen hingewiesen worden. Sie hat gesagt: Das dürft ihr nicht machen. – Sie hat, glaube ich, zu mir gesagt, dass sie mich am Handeln messen möchte. Deswegen habe ich mir vorgenommen, heute dazu zumindest ein paar Bemerkungen zu machen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist sie nicht da! Schade!) – Da gibt es welche, die ihr das sicher erzählen werden. (Heiterkeit bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie jetzt was sagen!) Wenn ich fertig bin, könnte es sein, dass sie es ihr lieber nicht erzählen. Der Gesamtwert der Rüstungsexporte, Herr Krischer, ist 2014 um 1,8 Milliarden Euro gesunken. Das sagt aber eigentlich gar nichts über die Qualität von Rüstungs­exporten aus. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) Es können kleine Summen sein, weil Kleinwaffen preiswert sind. Sie sind aber viel gefährlicher als vielleicht ein teures, großes Schiff. Wir haben die Verkaufszahlen von Kleinwaffen, Herr Krischer, halbiert, und wir haben den Rüstungsexport in Entwicklungsländer ebenfalls halbiert. Die Top Vier bei Kleinwaffen sind heute: NATO, EU, NATO-gleich­gestellte Länder. 2015 haben wir in Deutschland den Kleinwaffenexport so stark reduziert, dass für das erste Halbjahr der geringste Wert seit 15 Jahren ausgewiesen wird. Ehrlich gesagt, ich lasse mich bei dieser Bilanz gern an meinem Handeln messen. Ich finde, das kann noch besser werden, aber so schlecht wie in der Vergang­enheit ist es in Deutschland Gott sei Dank nicht mehr. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Die Große Koalition ist weit restriktiver als alle Vorgängerregierungen, deren Genehmigungen übrigens noch immer zum Teil die Ausfuhrstatistik prägen. Ich gebe zu, dass ich mich darüber ärgere, dass ich immer noch Ausfuhrgenehmigungen mittragen muss, die von Vorgängerregierungen erteilt wurden. Die Bilanz wäre noch besser, wenn ich das nicht müsste. Allerdings finde ich es besonders ärgerlich, wenn ausgerechnet Kollegen von den Grünen mich dafür kritisieren; denn ich habe jedenfalls keine Lizenzen erteilt, Fabriken für deutsche Gewehre in Spannungsgebieten zu errichten. Im Gegenteil: Wir haben in der Bundesregierung mit unseren Kleinwaffengrundsätzen gerade beschlossen, dass es solche Lizenzfertigungen in Zukunft gar nicht mehr geben wird. Wir haben Schluss gemacht mit dem Liefern und Vergessen. Wir verschärfen die Endverbleibskontrolle vor Ort, und wir haben keine Kampfpanzer für Regionen genehmigt, in denen Krieg herrscht und aus denen die Leute fliehen. Vorgängerregierungen haben das getan. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, schlimm genug, dass es auch eine rot-grüne Regierung gewesen ist, die das gemacht hat. Ich finde es nur nicht ganz fair, wenn ausgerechnet ich für die Politik kritisiert werde, die wir gemeinsam mit Ihnen – ich nicht; ich war nicht dabei, aber ein paar von Ihnen  (Volker Kauder [CDU/CSU]: Joschka!) damals gemacht haben. Deswegen würde ich doch herzlich darum bitten, dass wir in der Debatte anständig und fair miteinander umgehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Statt Waffen brauchen wir einen neuen Nord-Süd-Dialog. Das fängt damit an, mehr Mittel für internationale Hilfsorganisationen zur Verfügung zu stellen. Es ist ja eine Schande, wie die derzeitige Lage in Syrien ist. Das UN-Flüchtlingshilfswerk verzeichnet für Syrien eine Finanzierungslücke von 200 Millionen Euro. 65 Prozent der notwendigen Kosten sind nicht gedeckt. Dem regionalen Hilfsprogramm für syrische Flüchtlinge im Nahen Osten fehlen 800 Millionen Euro – eine Unterfinanzierung von 60 Prozent. Das Welternährungsprogramm für Syrien ist ebenfalls zu 60 Prozent unterfinanziert. Das ist, finde ich, eine große Schande für die internationale Staatengemeinschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, darf ich Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Sie fröhlich die Redezeit Ihrer Fraktion verbrauchen? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das macht nichts! – Gegenruf des Abg. Thomas Jurk [SPD]: Das macht schon was!) Ich habe damit überhaupt kein Problem, möchte nur vermeiden, dass Sie ein Problem mit Ihrer eigenen Fraktion bekommen. (Heiterkeit – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er eh schon! – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Wir nehmen es auch von der CDU!) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Präsident, ich würde sagen: Solange die noch klatschen, geht es. (Heiterkeit – Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann wollen wir einmal abwarten, wie lange das anhält. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Wenn es das einzige Problem bleibt, dann ist doch alles gut. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!) Ich will der Ermahnung gerne nachkommen. Zwei abschließende Bemerkungen. Ich glaube, dass wir neben der Hilfe in den Herkunftsländern und den Nachbarstaaten dringend einen legalen Zugang nach Europa und nach Deutschland brauchen. Wir brauchen eine Alternative zu Schlepperbanden und zu Menschenhändlern. Solange Menschen keine andere Chance sehen, als über Schlepper und Menschenhändler nach Europa zu kommen, werden wir das Elend an unseren Grenzen nicht los. Migration lässt sich nicht verbieten oder verhindern. Die Migration, wie wir sie jetzt haben, wird stattfinden, auch auf lange Zeit. Was wir brauchen, sind Wege geordneter Migration. Deswegen rate ich uns dringend, in Deutschland das Thema Einwanderungs­gesetz voranzutreiben und übrigens auch in Europa für eine solche Politik zu werben. (Beifall bei der SPD) Ich fand die gestrigen Worte des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker bewegend und bin froh, dass wenigstens ein erster Schritt getan wurde. Aber ich finde, angesichts der Zahlen, die jetzt in Rede stehen, muss man auch realistisch bleiben. Wenn Jean-Claude Juncker 160 000 Flüchtlinge, die sich derzeit in Italien und Griechenland aufhalten, auf die europäischen Mitgliedstaaten gerecht verteilen will und Deutschland noch einmal 31 000 davon aufnehmen soll, also 20 Prozent, dann muss man die Zahlen ein bisschen einordnen: Deutschland hat bis vorgestern den Zugang von 450 000 Flüchtlingen registriert. Allein im August waren es 105 000, und in den ersten acht Tagen des September waren es bereits 37 000. Vielleicht werden es im September mehr als 100 000. Das zeigt, ehrlich gesagt, dass die Umverteilung von 160 000 Flüchtlingen in Europa ein erster Schritt ist, wenn man es freundlich bezeichnen will. Man kann auch sagen: ein Tropfen auf den heißen Stein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Damit darf nicht alles erledigt sein. Wenn wir Europa erhalten wollen, haben wir viel zu tun. Aber vor allen Dingen muss Europa zeigen, dass es seine humane Orientierung beibehält. Wir sind hier in Europa keine Zugewinngemeinschaft, bei der man mitmacht, wenn man Geld kriegt, sondern eine Verantwortungsgemeinschaft. Juncker hat den ersten Schritt getan; die Mitgliedstaaten Europas müssen deutlich mehr Schritte tun. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Roland Claus das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundes­minister Gabriel, Sie haben, wie ich finde, berechtigterweise den Zusammenhang zwischen Ihrem Etat und den aktuellen Flüchtlingsfragen beschrieben. Die gute Absicht dabei will ich Ihnen auch nicht absprechen, aber bei den Konsequenzen mangelt es erheblich. Die gravierendste Ursache von Flucht und Vertreibung sind bekanntlich Kriege. Vertreter der Koalition haben in dieser Haushaltswoche zu Recht häufig gesagt, es gehe darum, die Fluchtursachen zu überwinden. Für Kriege benötigt man Waffen. Deutschland liefert nach wie vor Waffen, auch in Kriegsgebiete. Zum Beispiel führt ­SaudiArabien mit deutschen Waffen Krieg im Jemen. Das Wirtschaftsministerium ist für Waffenexportgenehmigungen zuständig, freilich nicht allein, aber maßgeblich. Herr Bundesminister, Sie sind auf diesen Vorgang eingegangen. Ich will Ihnen belegen, dass Sie die Zahlen, die Sie ausgewählt haben, in Ihrem Sinne geschönt haben. (Beifall bei der LINKEN) In der Welt vom 24. Juni werden Sie, Herr Bundesminister, mit den Worten zitiert: Waffenexporte dürfen „kein Mittel der Wirtschaftspolitik“ sein. Wie wahr. Fakt ist aber – auch das ist nachzulesen –, dass im ersten Halbjahr 2015 Waffenexporte in Höhe von 6,5 Milliarden Euro genehmigt wurden. Das sind genauso viele wie im ganzen Jahr 2014, Herr Bundesminister. Das ist die Wahrheit. Hier hilft es nicht, wenn Sie sich einzelne Zahlen heraussuchen. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Jurk [SPD]: Sie können das ja mal mit 2012 oder 2013 vergleichen!) Nachzulesen ist das im Spiegel vom 9. August dieses Jahres, und zwar in der Auswertung einer Anfrage meines Fraktionskollegen Jan van Aken. Der Spiegel vermutet – ich denke, nicht zu Unrecht –, dass das Jahr 2015 ein Rekordjahr deutscher Waffenexporte ist. Herr Minister, konsequent im Sinne der Bekämpfung von Fluchtursachen wäre es doch, zu sagen: Schluss mit den Waffenexporten! Verbieten Sie sie! Das wäre eine Konsequenz. (Beifall bei der LINKEN) Eine zweite Konsequenz im Umgang mit dem Flüchtlingsproblem wäre, sich mit Industrieverbänden und Kammern dafür einzusetzen, dass Flüchtlinge und Asylsuchende schnell in Arbeit und Ausbildung kommen. Das will die Industrie bekanntlich. Aber Sie wissen wie wir, dass das Asylrecht, das Zuwanderungsrecht dem enge Grenzen setzt. Sie müssten sich doch zusammen mit Bundesministerin Nahles und den Vorschlägen, die der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, gemacht hat, auf den Weg machen und ein großes Programm auflegen, um die Situation zu vereinfachen und Flüchtlingen und Asylsuchenden den Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen. (Beifall bei der LINKEN) Ich höre immer, man solle die Regeln vereinfachen, man solle entbürokratisieren. Das wäre genau die Stelle, bei der Sie beginnen sollten. (Beifall bei der LINKEN) Die Linksfraktion hat zu diesem Problem Anfang Juni eine Anhörung zum Thema „Industriepolitik in Ostdeutschland“ durchgeführt. Dort hat die Bundesagentur für Arbeit ihre Vorschläge vorgetragen. Wir wundern uns schon darüber, dass diese Vorschläge nicht im großen Stil aufgegriffen werden. Wir fordern Sie auf, hier etwas zu tun. Der Wirtschaftsetat, meine Damen und Herren, ist nach wie vor zur Hälfte für die Subventionierung staatsnaher Monopolisten vorgesehen, insbesondere in der Luft- und Raumfahrt. Das so hoch gepriesene Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand macht gerade ein Drittel der Subventionen für die staatsnahen Monopolisten aus. Das ist keine vernünftige Mittelstandspolitik. (Beifall bei der LINKEN) Ich will noch ein Wort zur wirtschaftlichen Situation in Ostdeutschland sagen. Ich freue mich darüber, dass der Bundesminister heute auf dieses Thema eingegangen ist, im Unterschied zu vorherigen Reden. Offenbar hat die Kritik der Opposition doch einige Wirkung erzielt. Ich habe bereits gesagt, dass wir im Juni zum Thema „Industriepolitik in Ostdeutschland“ mit Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft gesprochen und ihre Erkenntnisse wahrgenommen haben. Wir finden, dass es noch immer eine große Reserve in diesem Land gibt. Ostdeutsche Industrieunternehmen haben einen ungeheuren Erfahrungsvorsprung beim Bewältigen von Transformationen, mit denen wir es in der Wirtschaft noch zu tun haben werden. Wir fordern Sie auf: Nutzen Sie diese Erkenntnisse! Bringen Sie sie ein! Nutzen Sie sie auch für eine gesamtdeutsche Entwicklung! Hier ist noch vieles zu leisten. (Beifall bei der LINKEN) Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf verweisen, dass wir in Ostdeutschland ein großes Problem mit dem hohen Anteil an Niedriglohn-, Zeitarbeits- und Fristverträgen haben. Im Osten ist diese Gruppe der Beschäftigten trotz Mindestlohn nach wie vor etwa doppelt so stark vertreten wie im gesamten Bundesdurchschnitt. Da müssen endlich Änderungen auf den Tisch gebracht werden. (Beifall bei der LINKEN) Herr Bundesminister, Sie sagen häufig wohlklingende Worte zur Energiewende. Sie haben ja auch die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien. Wir möchten Sie aber darauf hinweisen – das haben wir auf Anfrage herausgefunden –, dass beim Umweltbundesamt die vorgesehenen Haushaltsmittel aus Ihrem Ministerium noch immer nicht angekommen sind. Also: Machen Sie nicht nur flotte Sprüche, sondern erledigen Sie die Hausaufgaben! Und vergessen Sie nicht: Die Fluchtursachen können Sie angehen, indem Sie Waffenexporte einstellen und verbieten. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Völliger Quatsch!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Michael Fuchs ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hubertus Heil (Peine) [SPD]) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 800 000 Flüchtlinge in 2015, das müssen wir uns einmal plastisch vorstellen: Das ist so viel, wie die Stadt Frankfurt am Main an Einwohnern hat. Das heißt, eine Stadt wie Frankfurt kommt neu zu uns. Das ist eine gewaltige Herausforderung für uns alle. Und machen wir uns nichts vor: Das ist nur eine Momentaufnahme. Denn wer garantiert uns denn, dass das am 1. Januar 2016 nicht so weitergeht, wie es bis zum 31. Dezember 2015 läuft? Wer sagt uns denn, dass wir nächstes Jahr nicht vor der gleichen Herausforderung stehen? Für uns alle bedeutet das eine gewaltige Kraftanstrengung. Wir müssen uns gemeinsam, und zwar in allen Bereichen dieses Landes, zusammenreißen und dafür sorgen, dass wir diese Herausforderung meistern. Dass so viele Leute eine Willkommenskultur zeigen, ist nur erfreulich und zeigt, wie reif unsere Demokratie ist und wie reif und auch wie reich unser Land ist, weil wir uns das leisten können. Die Flüchtlingsherausforderung meistern wir allerdings nur, wenn die deutsche Wirtschaft gut läuft. Machen wir uns bitte nichts vor: Ohne ein funktionierendes Wirtschaftssystem in Deutschland werden wir solche Herausforderungen nicht bewältigen können. Denn nur, wenn die Wirtschaft gut läuft, gibt es haushälterische Spielräume, die wir Gott sei Dank zurzeit haben und die uns in die Lage versetzen, diese Herausforderung ohne Neuverschuldung – dazu kann man dem Bundesfinanzminister nur gratulieren – zu meistern. Nur dann haben wir auch einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt und vor allen Dingen einen aufnahmefähigen Ausbildungsmarkt, sodass gerade die jungen Leute, die zu uns kommen, untergebracht werden können. Das Wichtigste aber ist für mich: Die gesellschaftliche Akzeptanz für den Zustrom der Flüchtlinge ist umso höher, je besser die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist und je weniger sich die Einheimischen um ihren Arbeitsplatz Sorgen machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Volker Kauder hatte vollkommen recht, als er gestern sagte: Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die Wirtschaft weiterhin so gut läuft. – Ich bin ihm dafür dankbar. Das muss für uns eine Mahnung sein, der wir nachkommen sollten. Ich möchte an dieser Stelle einen Dreiklang nennen: Erstens. Wir brauchen mehr Flexibilität und keinen zusätzlichen bürokratischen Schnickschnack; (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jawohl!) den können wir uns gerade in der jetzigen Situation nicht leisten. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweitens. Es darf zu keinen weiteren oder neuen Belastungen für die Wirtschaft kommen. Drittens. Jeglicher Rückenwind, den wir ihr geben können, ist wichtig. Ich komme zu den einzelnen Punkten. Zur Flexibilität. Wer als Flüchtling anerkannt ist, der sollte schnellst­möglich hier arbeiten können. Das heißt, wir müssen die Arbeitsagentur schon jetzt, und zwar im frühen Stadium, in die Flüchtlingscamps, die es gibt, einbinden. Gleichzeitig müssen wir Leute finden, die wir einsetzen können, um die Sprachkenntnisse zu verbessern. Da kann man auch unkonventionelle Methoden anwenden. Man kann zum Beispiel darüber nachdenken, ob wir Pensionäre bitten, mitzuhelfen; das ist ja durchaus denkbar. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden wir das Problem auch nicht gelöst bekommen. Ohne Sprachkenntnisse wird es nicht gehen. Aber auch die Unternehmen müssen ein Stück weit Flexibilität zeigen. Wir können nicht erwarten, dass jeder hannoverisches Hochdeutsch spricht. (Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Herr Krischer, Sie können das nicht. Deswegen regen Sie sich nicht auf. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hannoveranisch kann ich nicht! Das gebe ich zu!) Daher ist es richtig, dass die Bundesregierung am Wochenende zum Beispiel beschlossen hat, dass es einen erleichterten Zugang von Flüchtlingen zur Zeitarbeit gibt. Ich halte das für richtig; denn die Zeitarbeit ist immer eine vernünftige Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gewesen und ist gerade für Flüchtlinge eine Chance. Das gilt aber auch für Werkverträge. – Jetzt ist die Ministerin nicht da; aber Sie werden es ihr bestimmt ausrichten: Wir brauchen hier keine Verschärfungen. Die Überlegungen, die es im BMAS gibt, lassen wir lieber in der Schublade. Zurzeit brauchen wir auf dem Arbeitsmarkt mit Sicherheit keine neuen Hürden. (Beifall bei der CDU/CSU) Zur notwendigen Flexibilität gehört auch der zielgenaue Einsatz der Angestellten und Beamten. Ich bin einem SPD-Kollegen dankbar, der einmal nachgefragt hat, was denn mit den ganzen Zöllnern passiert, die zum 1. Januar ihre Arbeit aufgenommen haben, um die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren. Wir sollten uns die Zahlen einmal auf der Zunge zergehen lassen: Es sind 24 970 Betriebe überprüft worden. Nun raten Sie einmal, was man dabei festgestellt hat. – In 146 Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das heißt, 0,58 Prozent der überprüften Unternehmen haben sich nicht an den Mindestlohn gehalten. (Zurufe von der SPD) Prima vista, und die Einleitung eines Verfahrens bedeutet ja nicht, dass wirklich etwas falsch gemacht wurde. Das muss erst einmal bewiesen werden. – Das zeigt also, dass wir hier vielleicht einen Fehler gemacht haben und die 1 600 Zöllner vernünftiger einsetzen können. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich halte es deswegen für völlig richtig, dass Wolfgang Schäuble gesagt hat: Die nächsten 400 Zöllner stellen wir nicht für die Kontrolle des Mindestlohns ein, weil wir ein Misstrauen gegenüber den Unternehmen nicht in dem Maße begründen können, wenn es maximal um 0,58 Prozent geht, sondern schicken wir zum BAMF und sorgen dafür, dass die Integration und die Asylverfahren beschleunigt werden. Genau das ist der richtige Weg. Hier sollten wir umdenken. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen auch bei den Prinzipien des Asylrechts klare Kante zeigen. Ich bin dafür, dass wir das Asylrecht so beibehalten, wie es ist. Es muss und darf in keiner Weise infrage gestellt werden. Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Aspekte müssen sich einer stringenten Asylpolitik unterordnen. Dazu gehört auch eine konsequente Abschiebepraxis. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Derjenige, der langfristig kein Bleiberecht und kein Asylrecht in Deutschland bekommen kann, weil er aus einem sicheren Herkunftsland kommt, der muss zurückgeführt werden, und zwar nicht erst nach sechs Monaten, sondern so schnell es geht. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich weiß nicht, ob es der richtige Weg ist, über das Thema Arbeitsmarktzuwanderung zu diskutieren, wenn wir über 500 000 Leute noch nicht integriert haben. Wir sollten uns da sehr zurückhalten und jetzt keine Diskus­sion darüber führen, weil das momentan nicht zielführend wäre. Auch bei allen anderen Entscheidungen, die wir treffen müssen, sollten wir uns fragen: Nützen oder schaden sie der Wirtschaft? Lieber Herr Minister, ich denke da an Gesetzgebungsvorhaben, über die wir in nächster Zeit heftig zu diskutieren haben werden, gerade zum Thema Energiepolitik. Sie haben eben selbst davon gesprochen: Mir macht der Kostenanstieg bei der Energiepolitik erhebliche Sorgen. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden ganz sicher deutliche Kostenerhöhungen beim Netzausbau haben. Wir werden für die Kapazitätsreserve Geld zahlen müssen. Machen wir uns nichts vor: Das geht nicht kostenlos. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die wollten Sie doch! Das ist ja echt unglaublich!) All das wird über den Strommarkt und über den Strompreis zu finanzieren sein. Meine Damen und Herren, machen wir uns bitte nichts vor: Wir haben schon heute die höchsten Strompreise der Welt. (Thomas Jurk [SPD]: Das stimmt doch nicht!) Schauen wir einmal auf die USA. Die Amerikaner haben sich vorgenommen, über niedrige Energiepreise ihren industriellen Standort zu reindustrialisieren. Es kommt zu einer Welle von Einwanderungen großer Firmen in die USA, weil die Energiepreise so fantastisch niedrig sind, dass es sich für sie lohnt, wegzugehen. Das darf uns nicht passieren. Vor allem darf nicht passieren, dass dadurch Wertschöpfungsketten kaputtgemacht werden. Hier sind wir gefordert. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich denke auch, dass wir bei der Klimapolitik vorsichtig sein müssen; denn der Emissionshandel muss zumindest auf dem europäischen Feld so sein, dass wir das berühmte Level Playing Field erhalten und dass wir keine zusätzlichen Kosten für unsere Unternehmen verursachen, die andere Unternehmen in Europa nicht zu tragen haben. Auch bei sozialpolitischen Entscheidungen müssen wir sehr vorsichtig sein. Die Rente mit 63 ist kein Renner. Es sind zwar sehr viele in die Rente gegangen – insofern ist es schon ein Renner –; aber es ist insofern schlecht, dass gerade die, die jetzt so früh in Rente gegangen sind, als Leistungsträger und auch als Ausbilder in den kleineren Betrieben wegfallen. Genau die Leute könnten wir zurzeit gut brauchen. (Beifall der Abg. Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) [CDU/CSU]) Das war kein Erfolgsmodell. Für mich gilt natürlich, dass wir alles tun müssen, um der Wirtschaft Rückenwind zu geben. Ich bin froh, dass der Bundesverkehrsminister höhere Investitionen in die Infrastruktur und auch in die Digitalisierung vornimmt. Das ist richtig. Last but not least muss es unser Ziel sein – Herr Minister, wir sollten gemeinsam daran arbeiten; ich weiß, dass Sie da voll auf unserer Seite stehen –, TTIP vo­ranzutreiben. Ich ärgere mich darüber, mit welcher Verve in Deutschland NGOs wie Campact etc. gegen TTIP kämpfen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei mir zu Hause kämpft die CDU dagegen!) Ich frage mich allerdings auch, woher diese Herrschaften überhaupt das Geld bekommen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gute Frage!) Wir sollten da mal über Transparenz diskutieren. Es wäre ja ganz nett, wenn wir von denen die Transparenz erhalten würden, die sie von uns permanent erwarten. (Beifall bei der CDU/CSU) Da ich gerade bei TTIP bin, möchte ich gerne ein Beispiel dafür nennen, wie positiv ein Freihandelsabkommen wirken kann. Die EU hat vor drei Jahren mit Korea ein Freihandelsabkommen geschlossen. Das ist für uns Deutsche eine dicke Erfolgsstory. Wir haben innerhalb von drei Jahren fast 32 Prozent mehr Exporte nach Korea erreicht. Ich weiß, dass die Automobilindustrie am Anfang Angst davor hatte. Wenn man heute über koreanische Straßen fährt, dann stellt man fest, dass dort gerade unsere teuren Autos sehr präsent und überall vertreten sind. Das heißt: Das Freihandelsabkommen ist ein Erfolgsmodell. Warum soll das nun mit den Amerikanern anders laufen? Wir haben 176 Abkommen geschlossen. Diese 176 Abkommen machen einen Großteil unseres Erfolges aus. Das wird bei einem Abkommen mit der größten Wirtschaftsmacht genauso sein. Insofern hoffe ich, dass das schnell passiert. Am besten wäre es, unser Abkommen mit den Amerikanern würde vor dem Freihandelsabkommen geschlossen, das die Amerikaner zurzeit mit den Asiaten aushandeln. Denn eines steht fest: Wenn mit den Asiaten Standards gesetzt sind, dann wird man uns vermutlich von amerikanischer Seite sagen: Wir haben mit 1,8 Milliarden Menschen ein Freihandelsabkommen geschlossen; da müsst ihr 500 Millionen Europäer euch schon an diese Standards angliedern. (Beifall bei der CDU/CSU) Da ist also dringender Handlungsbedarf gegeben. Ich würde mir wünschen, dass das schnell vorangetrieben wird. Bei allen Herausforderungen der aktuellen Flüchtlingswelle gibt es auch Chancen. Ich sehe die Chance darin –die Bundeskanzlerin hat das in ihrer Rede gesagt –, dass wir ein Stück weit entbürokratisieren, wieder flexibler werden und die Verkrustungen, die wir uns mittlerweile geleistet haben, aufbrechen. Ich will ein Beispiel nennen: Wer aus Syrien geflohen ist, der braucht kein Lärmschutzgutachten, wenn er neben einer Tischlerei wohnt. Wer in eine neue Unterkunft kommt, der braucht nicht unbedingt den allerletzten Energieeffizienzstandard. Wir haben uns über die Jahre Dinge geleistet, die alle schön sind – „nice to have“, wie es so schön heißt –; aber wir können uns das in dieser Phase nicht leisten. Wenn wir das eine oder andere jetzt auf den Prüfstand stellen, dann kann das durchaus ein Programm sein, das sich für uns alle lohnt. Ich glaube, dass wir das schaffen können. Wir sollten die Verkrustungen, die wir haben, aufbrechen, und wir sollten jetzt gemeinsam Lösungen finden, die der Wirtschaft helfen, die schwierigen Aufgaben zu lösen. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Zu einer klarstellenden Erklärung zur Aussprache nach § 30 unserer Geschäftsordnung erhält nun der Bundeswirtschaftsminister noch einmal kurz das Wort. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kollege Claus, Sie haben mich persönlich angegriffen und gesagt, ich hätte im ersten Halbjahr 2015 Lieferungen von Waffen in einer Größenordnung von über 6 Milliarden Euro vor allen Dingen in Spannungsgebiete genehmigt. Sie haben Saudi-Arabien genannt. Ich will nur zur Klarstellung sagen: Dieser Betrag – das weiß Ihr Kollege, weil wir ihm korrekt geantwortet haben – ist deshalb so hoch, weil darin allein 1,1 Milliarden Euro für Tankflugzeuge enthalten sind, aber für Großbritannien, und auch ein U-Boot für Israel. So zu tun, als sei der übergroße Teil der Lieferungen im Umfang von 6 Milliarden Euro in Spannungs- und Kriegsgebiete gegangen, weise ich ausdrücklich zurück. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Claus. Roland Claus (DIE LINKE): Herr Bundesminister, wenn Sie in Ihrer Rede nicht so vollmundig und so selbstgefällig auf die Waffenlieferungen eingegangen wären, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – ­Volker Kauder [CDU/CSU]: Langsam! – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Jetzt ist aber gut!) wäre die Kritik nicht so klar ausgefallen. Aber Fakt ist: 6,5 Milliarden Euro im gesamten Jahr 2014 stehen 6,5 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2015 gegenüber. Das ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung, nachzulesen im Spiegel. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist ja Quatsch, was Sie da veranstalten!) Das können Sie nicht wegreden, indem Sie hier einen Einzelposten hervorheben. (Widerspruch bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deshalb sage ich noch einmal an Ihre Adresse gerichtet: Ein Stopp der Rüstungsexporte wäre der richtige Weg und nicht die Rechtfertigungsversuche, die Sie hier unternehmen. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Dass Sie was gegen Israel haben, das wissen wir ja!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun hat der Kollege Hubertus Heil das Wort. (Zurufe von der SPD: Nein!) – Nein? – Entschuldigung. (Volker Kauder [CDU/CSU], an Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gewandt: Jetzt ignoriert Sie schon der Präsident!) Zunächst hat der Kollege Oliver Krischer das Wort, danach der Kollege Heil. (Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Alter vor Schönheit, Herr Präsident!) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, ich hoffe, ich muss das nicht persönlich nehmen. Aber der Kollege Heil redet, glaube ich, auch gerne nach mir. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gabriel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie hier klare Worte zum Thema Flüchtlinge, zum Thema Integration und zum Thema Einwanderung gefunden haben. Ich kann mich erinnern, dass sich der Privatmann Sigmar Gabriel vor nicht allzu langer Zeit in Debatten noch ganz anders geäußert hat. Ich begrüße es, dass Sie offensichtlich einen Erkenntnisgewinn haben. Ich hoffe, dass sie angesichts der Herausforderungen, vor denen wir hinsichtlich der Integration der Flüchtlinge stehen, Führung zeigen – gerade Sie als Wirtschaftsminister haben hier eine herausragende Aufgabe –, (Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Eine ganz billige Nummer!) indem Sie dafür sorgen, dass die Menschen, die in unser Land kommen, eine Perspektive haben, indem Sie klarmachen, dass Flüchtlinge aufgrund des demografischen Wandels eine Chance für unser Land sind. Ich hoffe, dass der Wirtschaftsminister hier, anders als manche Populisten – dafür ist Herr Seehofer zuständig –, klare Kante zeigt und eine vernünftige Politik macht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wozu Sie überhaupt nichts gesagt haben, Herr Minister Gabriel, ist das Thema Investitionen. Das wundert mich ehrlich gesagt; denn wir alle wissen, dass es in unserem Land sowohl im staatlichen als auch im privaten Sektor ein riesiges Defizit bei den Investitionen gibt. Sie haben mit großem Tamtam die Fratzscher-Kommission ins Leben gerufen, die vor ein paar Monaten ihre Ergebnisse vorgestellt hat. Ich würde nun erwarten, dass der Wirtschaftsminister unseres Landes im Zuge der Haushaltsberatungen sagt, was jetzt passiert. Aber darüber haben Sie kein einziges Wort verloren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Mal ein bisschen zuhören!) Wir haben nachgefragt: Was wird denn nun aus den Ergebnissen der Fratzscher-Kommission? Die Antwort ist: Die Bundesregierung prüft. – Ja, meine Damen und Herren, es wundert schon, dass Sie angesichts der Investitionsschwäche, die wir haben, einen Haushalt vorlegen, in dem die Investitionen weiter zurückgehen, (Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Was? Unfug!) und dass die ohnehin schon verfehlte OECD-Quote in der mittelfristigen Finanzplanung noch weiter abgesenkt wird. (Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Unsinn!) Das ist nicht nachhaltig, das ist nicht zukunftsfähig. Das macht den Erfolg, den wir im Moment haben, in Zukunft kaputt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben viele Punkte angesprochen; ich möchte einen herausgreifen. Sie haben über die Digitalisierung der Wirtschaft gesprochen. Was genau Sie vorhaben, habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Aber eines ist doch klar: Wir bekommen in Deutschland nicht einmal die Basics der Digitalisierung hin. Vom unzureichenden Breitbandausbau will ich gar nicht reden. In ländlichen Regionen beklagen sich die Unternehmen ständig, dass sie deswegen ihre Geschäfte nicht richtig betreiben können. Aber was ist mit dem kostenlosen Zugang zu WLAN? Das haben uns einige Länder voraus. Sie verhindern mit Ihrer Politik und dieser absurden Regelung zur Störerhaftung, dass es in unserem Land endlich überall und flächendeckend kostenloses WLAN gibt. In anderen Ländern gibt es das längst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es ist doch ein Treppenwitz der Geschichte, dass eine Graswurzelbewegung namens Freifunk nun ein Problem löst, wozu Sie als Regierung nicht in der Lage sind. Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Danke Freifunk! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zum Thema „Energiewende und Klimaschutz“. Den Klimaschutz haben Sie einmal erwähnt, nur am Rande, und das trotz über 20 Minuten Redezeit. Vor zwei Jahren habe ich gelesen, das Management der Energiewende sei für Sigmar Gabriel der Weg zur Kanzlerschaft. Von einer erfolgreichen Energiewende sind wir genauso weit entfernt wie von der Kanzlerschaft von Sigmar Gabriel. Der Zusammenhang trifft zu, aber im Negativen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich frage mich: Wo im Haushalt spiegelt sich die Energie­wende wider? Wo spiegelt sich all das wider, was wir in Sachen Klimaschutz im Vorfeld der Konferenz in Paris tun müssen? Das ist alles viel zu wenig. Das ist dieser globalen Herausforderung nicht angemessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ganz offen gesagt: Was haben wir in der Zeit der Großen Koalition in Sachen Energiewende eigentlich gemacht? (Bernd Westphal [SPD]: Eine Menge!) Sigmar Gabriel hat einen einzigen relevanten Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht, den Entwurf einer EEG-Novelle, der vor einem Jahr verabschiedet worden ist. Das Ergebnis dieser EEG-Novelle ist: Die Biogasbranche ist tot. Beim Solarausbau liegen wir weit unterhalb der Korridore. Im Bereich Windenergie gibt es einen Schlussverkaufseffekt, und kein Mensch weiß, wie es nach 2017 in dieser Branche weitergeht; das wird Ihnen jeder bestätigen. Sie machen Ausschreibungen, die eines beweisen: Es wird teurer und bürokratischer. Die Bürgerenergiewende wird ausgebremst. Dazu sage ich: Die Abrissbirne der Energiewende funktioniert ganz offensichtlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei allen anderen Themen kommt überhaupt nichts im Bundestag an. Wir diskutieren über Strommarktdesign. Es gibt Grünbücher, Weißbücher, Gelbbücher, was weiß ich alles. Es gibt ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission bezüglich der Energieeffizienz. Es gibt etliche Projekte, zum Beispiel das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Herr Post, es wurde vor einem Jahr angekündigt, hundertmal versprochen, aber es liegt nichts vor. Sie simulieren, Politik zu machen. Das Ministerium kündigt an und formuliert Überschriften. Vielleicht erstellen Sie das eine oder andere bunte Konzept; aber hier, wo die Musik spielt, im Bundestag, kommt am Ende nichts an. (Thomas Jurk [SPD]: Das stimmt doch nicht! So ein Quatsch!) Das ist genau das Problem. Sie simulieren an dieser Stelle Politik, aber die notwendigen Entscheidungen werden nicht getroffen. Sie erwecken den Eindruck, dass Sie etwas tun, aber in der Praxis passiert nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) An einer Stelle wäre es mir lieber, wenn nichts passieren würde. Aus dem sinnvollen Instrument der Kohleabgabe haben Sie das exakte Gegenteil gemacht – man hätte auch etwas anderes vorschlagen können –: Wir steigen jetzt, just zu dem Zeitpunkt, zu dem wir es geschafft haben, endlich die Subventionierung des Steinkohlebergbaus zu beenden, in die Subventionierung der Braunkohle ein. Es ist doch ein Treppenwitz, dass Deutschland vor der Konferenz in Paris anfängt, die Braunkohle zu subventionieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das hat nichts mit Energiewende zu tun. Das hat nichts mit Klimaschutz zu tun. Das ist die Zementierung der Vergangenheit. Präsident Dr. Norbert Lammert: Lieber Herr Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sollten eigentlich aus den Defiziten der Subventionierung des Steinkohlebergbaus gelernt haben. Das wäre eine richtige Botschaft, die der Wirtschaftsminister vermitteln müsste. Das tut er aber nicht. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Und nun erhält der bereits angekündigte Kollege Heil das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In fünf Minuten Redezeit einige Sätze zu meinen Vorrednern: Erstens. Herr Claus, das Notwendige zum Thema Rüstungsexporte hat der Minister selbst klargestellt. Winston Churchill wird folgendes Zitat zugeschrieben: Glaube nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast. – Wenn Sie Durchschnittszahlen nehmen und sie nicht unterlegen, wenn Sie nicht sagen, worum es geht, um Ihre Argumentation zu bekräftigen, dann ist das nicht nur wahrheitswidrig, sondern dann steckt im Kern auch eine ideologische Lüge dahinter. Das müssen Sie sich sagen lassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Roland Claus [DIE LINKE]: Was Sie mir jetzt vorwerfen, trifft aber auch auf den Minister zu!) Zweitens. Geschätzter Kollege Fuchs, eine Bitte habe ich für diese Debatte: Das Flüchtlingsthema ist mir zu wichtig, um hier alte ideologische Debatten über den Arbeitsmarkt zu führen. Das muss ganz klar sein. (Beifall bei der SPD) Es kann nicht sein, dass diese Herausforderung zum Vorwand genommen wird, um alles, was man schon immer richtig gefunden hat, hier auf die Tagesordnung zu setzen. Worum geht es praktisch? Wir haben einen großen Konsens in der Koalition, dass wir das gemeinsam schaffen wollen, dass wir die Stärke dieses wirtschaftlich starken und mitfühlenden Landes aktivieren wollen, um diese Riesenherausforderung bewältigen zu können, um die – wie hat der Minister das genannt? – dreifache Integrationsaufgabe leisten zu können: Erstens soll die große Zahl derjenigen, die hier eine Perspektive haben, die das Recht haben, dauerhaft hier zu bleiben – nicht alle haben das Recht, hier dauerhaft zu bleiben –, integriert werden. Dafür haben wir alles zu tun. Zweitens müssen wir unsere Gesellschaft während dieses Prozesses zusammenhalten. Drittens müssen wir Europa zusammenhalten und auch auf dieser Ebene für Integration sorgen. Das sind die drei Integrationsaufgaben, die wir haben. Da ist die Investition in Sprache, in den Zugang zum Arbeitsmarkt etwas, Herr Kollege Fuchs, was wir gemeinsam sehen. Was aber nicht passieren darf, ist, dass in der deutschen Bevölkerung der Eindruck erweckt wird, dass das zum Vorwand für eine Deregulierung am Arbeitsmarkt führt, damit mit Billiglohnkräften hier gesellschaftlicher Unfrieden gestiftet wird. (Beifall bei der SPD – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Wir haben doch den Mindestlohn gemacht!) Das muss ganz klar sein. Wenn das Konsens ist, dann ist das an dieser Stelle gut. Deshalb habe ich den Zusammenhang mit den Kontrollen beim Mindestlohn nicht ganz begriffen. Aber das besprechen wir vielleicht noch einmal. (Beifall bei der SPD – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Völlig überzogen!) Lieber Kollege Krischer, ich weiß nicht, womit Sie sich vor den Debatten immer betanken. Das muss irgendein Zaubertrank sein. (Heiterkeit bei der SPD) In der kurzen Redezeit so eine Suda von Polemik und Unterstellungen loszulassen, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Polemik? Ich war ausgesprochen nett heute!) ist vielleicht dem innerparteilichen Wettbewerb um die Listenplätze der Grünen beim nächsten Mal geschuldet. Aber mit der Sache hat es wenig zu tun. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ich sage noch einmal: Wir können uns damit auseinandersetzen. Wir haben in dieser Legislaturperiode energiepolitisch eine ganze Menge vorgelegt, nicht nur die EEG-Reform. Sie wissen ganz genau, dass jetzt ein sehr großes Paket vor uns steht. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kündigen Sie seit einem Jahr an! Es kommt aber nichts!) Sie werden genug Gelegenheit haben, Ihre Kompetenz in der Energiepolitik, die Sie zweifelsohne haben, außerhalb der Polemik in diesem Hause unter Beweis zu stellen. Da können Sie sich ein bisschen mehr austoben als mit solchen Reden. (Beifall bei der SPD) Der Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Stärke und der Bewältigung der Aufgaben, die wir jetzt vor uns haben, liegt in der Frage, dass wir uns eben nicht zurücklehnen, sondern dass wir investieren. Herr Kollege Krischer, Sie haben die Fratzscher-Kommission angesprochen. Zweifelsohne hat dieses starke Land eine ganze Menge zu tun, zu investieren, damit es auch langfristig ein starkes Land bleibt. Das betrifft öffentliche Investitionen, das betrifft privatwirtschaftliche Investitionen. Sie haben gesagt, da täte diese Bundesregierung nichts – eine glatte Unwahrheit. Schauen Sie einmal in den Haushalt! Schauen Sie sich an, was wir getan haben, um Kommunen zusätzlich zu entlasten! Wir werden jetzt dafür sorgen, dass den Kommunen durch die Flüchtlingshilfe gezielt geholfen wird, damit diese Entlastung nicht wieder aufgefressen wird. 60 Prozent der öffentlichen Investitionen sind kommunale Investitionen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch endlich!) Diese zu stärken und zu stützen, damit wir tatsächlich eine gute Infrastruktur, eine gute Daseinsvorsorge vor Ort haben, ist auch wirtschaftlich vernünftig und im Interesse von kleinen mittelständischen Unternehmen in diesem Land. (Beifall bei der SPD) Genau das tun wir mit den zusätzlichen Paketen, die wir beschlossen haben, mit den 5 Milliarden Euro, die wir in diesem Jahr für die kommunale Entlastung zur Verfügung stellen. (Beifall bei der SPD) Zusätzlich unterstützen wir finanzschwache Kommunen, die strukturelle Probleme haben. Wir haben die Mittel im Bereich der Infrastruktur deutlich erhöht. Wir haben zusätzlich 4,3 Milliarden Euro für Verkehrswege und digitale Infrastruktur. Auch das kann sich sehen lassen. Nicht zuletzt bei Bildung und Forschung haben wir einen Rekordhaushalt, über den wir gleich noch reden werden. Es gibt über 16 Milliarden Euro für Bildung und Forschung in diesem Land. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden hier über Wirtschaft!) Es geht nicht nur um physische Infrastruktur, sondern es geht um die Potenziale, die wir im Bereich Bildung und Bereich Forschung in diesem Land heben. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Investitionsquote geht zurück!) – Nein, wir investieren mehr. Das kann man auch nicht verfälschen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind die Zahlen von Herrn Schäuble!) Sie haben gefragt, was wir für Energieeffizienz tun. Wir haben in diesem Haushalt zusätzlich 1,2 Milliarden Euro für Energieeffizienz. Herr Kollege Krischer, ich weiß nicht, ob Sie evangelischer oder katholischer Christ sind – an was Sie glauben, ist Ihre private Sache –, aber auch für Sie gilt der Satz: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt einfach nicht!) was die Frage der Investitionsquoten in diesem Haushalt betrifft. (Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht nicht einmal der Koalitionspartner! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Quote geht wirklich zurück!) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland ist ein starkes und mitfühlendes Land. Wir haben eine ganze Menge vor uns, damit dieses Land wirtschaftlich stark bleibt und damit es die Aufgaben in der Welt, die vor uns stehen, auch bewältigen kann: ob es die Frage der Digitalisierung ist, die Frage der Fachkräfte­sicherung, die Frage der Energiewende und auch die Frage, wie wir uns als exportorientiertes Land international aufstellen. Dieses Land hat alle Chancen, das zu schaffen. Die Voraussetzungen sind ausgezeichnet. Wer aber, wie zumindest die Linkspartei, in diesem Land so tut, als sei Deutschland auf dem Weg in die Verelendung, der ist nicht nur am Lebensgefühl der Menschen vorbei, sondern auch an der Realität. Es geht darum, berechtigte Hoffnungen zu machen und ohne Träumereien die harten Aufgaben anzugehen. Wir können das schaffen. Diese Bundesregierung leistet einen Beitrag, dass wir auf dieses Land wirtschaftlich stolz sein können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Klaus Ernst (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Heil, wir würden den Weg in die Verelendung propagieren oder so tun, als wäre – Woher haben Sie das? Sie werfen hier dem Kollegen Krischer Polemik vor. Wenn es nicht die höchste Form der dummen Polemik war, so einen Quatsch zu erzählen, dann weiß ich es wirklich nicht mehr. Ein Linker vertritt nie eine solche Position. (Beifall bei der LINKEN) Herr Fuchs, Stichwort TTIP: Jetzt fahren Sie doch einmal nach Korea, dann sehen Sie dort deutsche Autos, fahren Sie nach Japan, dann sehen Sie dort deutsche Autos. Warum Handelsabkommen? (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Korea war schon richtig!) Schauen Sie einmal, wir waren doch zusammen in China. Haben wir ein Freihandelsabkommen mit China? Nein. Was haben wir dort gesehen? VW, Audi. Was sehen wir, wenn wir in den USA sind? Deutsche Autos. Sie tun ja so, als wäre der Export der Bundesrepublik tot, wenn es kein TTIP gibt. Sie wissen, dass es bei TTIP um etwas anderes geht. Es geht darum, die Regeln nach unten zu drücken. Deshalb sind wir gegen TTIP, Herr Fuchs. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn! So ein Quatsch!) Herr Minister, Sie haben natürlich die positive Entwicklung Deutschlands angesprochen. Da sind wir uns einig. Ja, Wachstum toll, Beschäftigung gut, Steuermehreinnahmen. Aber einige Punkte müssen wir schon noch aufgreifen. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Herr Ernst!) Der erste Punkt ist: Wir haben Exportüberschüsse, die den Zusammenhalt Europas gefährden. Das wissen Sie. Jetzt kann man natürlich Exportweltmeister sein. Das ist nicht schlimm, im Gegenteil. Wir sind nicht gegen Exporte – das werfen Sie uns ja auch immer vor –, aber wir sind dagegen, dass wir zu wenig Importe haben. Darüber müssen wir reden. Warum haben wir zu wenig Importe? Weil die Lohnentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn Jahren eben nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung mitgehalten hat, weil die Löhne von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt wurden. Deshalb ist natürlich zu wenig Kaufkraft in der Bundesrepublik vorhanden, übrigens auch zu wenig Mittel für Investitionen und auch dafür, dass wir genügend Importe haben. Dazu habe ich – das tut mir leid – in Ihrem Vortrag überhaupt nichts gehört. (Beifall bei der LINKEN) Die Kreditanstalt für Wiederaufbau sagt: ... der Staat vernachlässigt mit den langjährig negativen Nettoinvestitionen in die Infrastruktur eine seiner ökonomischen Kernaufgaben. Viel zu wenig Initiative. Sie wissen: Was Sie machen, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch mit diesem Haushalt bleibt das Investitionsvolumen weit hinter den Anforderungen zurück; das wissen Sie. Warum? Weil sich diese Bundesregierung nicht traut, die wirklich Reichen über angemessene Steuern für das Gemeinwohl heranzuziehen. Das ist das Problem. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist der Kern!) Wenn die CSU diskutiert, die Erbschaftsteuer sogar ganz abzuschaffen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist ein sehr interessanter Vorschlag. In der Bayerischen Verfassung heißt es wörtlich: Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. Schlau waren die Bayern damals bei der Formulierung ihrer Verfassung. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Ein wenig dieser Klugheit würde ich ihnen heute wünschen. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie als bayerische Abgeordnete einer Abschaffung der Erbschaftsteuer wirklich zustimmen und dieses Vorhaben vorantreiben, kann ich Ihnen sagen: Dann sind Sie ein Fall zumindest für den bayerischen Verfassungsschutz. Der müsste sich dann um Sie kümmern. (Beifall bei der LINKEN) Dabei ist es dringend notwendig, die massive Ungleichheit in Deutschland anzugehen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sagt: Das reichste Tausendstel der Deutschen besitzt 17,3 Prozent des Nettovermögens. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 10 Prozent zahlen über 50 Prozent der Steuern!) Ein Tausendstel! Die untere Hälfte, also 50 Prozent der Deutschen, müssen sich mit 2,5 Prozent des Nettovermögens begnügen. Da wäre es doch tatsächlich eine Möglichkeit, diese Gruppe von Superreichen zumindest ein wenig mehr bei der Finanzierung des Gemeinwohls heranzuziehen. Aber da scheuen Sie sich, da trauen Sie sich nicht heran. Das führt dazu, dass Sie dann bei der Frage der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur auf ganz absurde Ideen kommen. Herr Krischer hat darauf hingewiesen. Sie kommen auf die Idee, die Privaten sollen doch bitte die öffentlichen Aufgaben übernehmen und die öffentliche Infrastruktur finanzieren. Glauben Sie eigentlich, dass die das umsonst machen? Die machen das nur gegen Rendite, und zwar gegen ausreichende Rendite. Weil Sie ihnen das Geld, das sie zu viel haben, nicht abschöpfen, versuchen sie natürlich, das Geld gewinnbringend anzulegen. Das gelingt ihnen zurzeit nicht so richtig. Also will der Staat diesen hohen Vermögen auch noch die Rendite garantieren. Deshalb machen Sie diese Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften bei der öffentlichen Infrastruktur. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!) Die Zeche zahlt der Bürger über höhere Steuern, weil er die Rendite finanziert, oder über die Gebühren bei der Maut, dem dümmsten Projekt seit dem Turmbau zu Babel. Das ist der Punkt. (Beifall bei der LINKEN) Genau darum geht es. Da sagen wir: Mit diesen Vorstellungen sind wir überhaupt nicht einverstanden. Das, was Sie hier dargestellt haben, ist keine Lösung. Einen Punkt möchte ich noch ansprechen. Es ist ja wirklich kaum zu glauben. Herr Fuchs, ich weiß, dass Ihnen der Mindestlohn nicht gefällt und dass Sie sich nur zähneknirschend bereit erklärt haben, dem zuzustimmen. Jetzt haben wir den Mindestlohn. Jetzt haben Sie endlich  endlich!  eine Begründung gefunden, warum man die Finanzkontrolle Schwarzarbeit nicht so schnell ausbauen muss: Weil doch Flüchtlinge kommen, die aufgenommen werden sollen! Wenn sich die Bundesrepublik Deutschland, unser Land, nicht mehr Finanzkontrolleure und zusätzliche Personen leisten kann, die die Menschen, die zu uns kommen, registrieren, dann kann ich wirklich nur sagen: Armes Deutschland! (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Aber man muss auch erst mal geeignete Menschen finden!) Aber Ihnen geht es um etwas anderes. Sie wollen die Flüchtlingsproblematik benutzen, um die Finanzkontrolle Schwarzarbeit nicht auszubauen. Oder nehmen Sie das Beispiel, wie viele Fälle tatsächlich zu Verfahren geführt haben. Herr Fuchs, mit dieser Argumentation kann man sämtliche Blitzer auf Autobahnen abschaffen, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) wenn man sagt: Moment einmal, es ist ja nur ein kleiner Teil, den es betrifft. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Sie!) – Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, dass ich davon betroffen wäre. – Ich sage Ihnen nur: Wenn Sie die Blitzer abbauen, dann fährt jeder schneller. Genauso ist es beim Mindestlohn. Wenn Sie ihn nicht kontrollieren – das wollen Sie nicht –, dann führt das dazu, dass es mehr Menschen gibt, die ihn nicht einhalten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Ernst. Klaus Ernst (DIE LINKE): Deshalb sage ich Ihnen – ich bin gleich fertig, Herr Präsident –: Ihr eigentliches Ziel ist, den Mindestlohn zu sabotieren, und deshalb auch dieser Vorschlag. Das ist unerträglich. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner der Kollege Joachim Pfeiffer. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Wir müssen den Zoll auch für Redezeit einsetzen!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland geht es gut, und zwar trotz permanenter Krisen seit 2008, egal ob Finanzkrise, europäische Unsicherheiten, Strukturkrisen, Verschuldungskrisen, Ukraine-Krise oder jetzt auch Flüchtlingen. Den anderen Ländern geht es nicht so gut. Warum geht es Deutschland gut? Ich glaube, das hat eine ganze Reihe von Gründen. Ich will einen nennen, der heute und gestern so nicht erwähnt wurde: Deutschland geht es auch gut, weil wir in Deutschland stabile politische Verhältnisse haben, (Zurufe von der LINKEN: Oh!) weil wir in den letzten zehn Jahren stabile, gute Regierungen hatten, (Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Wo?) die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit anerkannt sind und weltweit mithelfen, die Krisen zu bewältigen. Deshalb haben wir auch sozialen Frieden in Deutschland. Deshalb kommen viele Investitionen aus dem Ausland nach Deutschland. Es wird hier investiert: in Infrastruktur – darauf komme ich nachher noch –, in Immobilien oder in Werte. Davon profitieren wir. Diese Investitionen befeuern auch unser Wachstum. Deutschland geht es gut, weil wir heute die Ergebnisse der Saat ernten, die mit Strukturreformen am Arbeitsmarkt ausgebracht wurde. Ich nenne ausdrücklich – auch an den Koalitionspartner gerichtet – die Agenda 2010. Heute profitieren wir davon, dass die SPD damals den Mut hatte, dieses Thema anzugehen. Ich würde mir heute wünschen, Sie wären ein bisschen stolzer auf das, was Sie damals getan haben. (Thomas Jurk [SPD]: Schön, dass Sie stolz auf uns sind!) Manchmal hat man den Eindruck, dass die Agenda 2010 ein vaterloses oder mutterloses Kind ist. Wir haben sie damals aus der Opposition heraus und im Bundesrat unterstützt, weil wir sie für richtig hielten. Heute profitieren wir in Deutschland gemeinsam davon. Wir haben die Negativspirale von immer weniger Beschäftigung, damit weniger Einnahmen in der Sozialversicherung und weniger Steuereinnahmen durchbrochen. Heute sind wir in einer positiven Spirale. Wir haben mit über 43 Millionen Menschen den höchsten Beschäftigungsstand in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, wir haben die höchsten Einnahmen in der Sozialversicherung und können deshalb trotz verschiedener Ausgaben, über deren Sinnhaftigkeit man sich in der Tat streiten kann, beispielsweise den Beitragssatz zur Rentenversicherung senken. Wir haben die höchsten Steuereinnahmen, und wir haben, Herr Finanzminister, eine Nullverschuldung, einen ausgeglichenen Haushalt. Das ist das Beste, was wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen können, dass sie nicht unsere Schulden abzahlen müssen. Wir machen keine neuen Schulden und führen sogar Schulden zurück. Wir haben aber auch positive Effekte, die sicher nicht von Dauer sein werden. Allein die niedrigen Energiepreise bringen in diesem Jahr einen positiven Effekt für die Volkswirtschaft in Höhe von ungefähr 50 Milliarden Euro. Ich glaube, das wird nicht von Dauer sein. Auch bei anderen Rohstoffen ist die Versorgung heute günstiger und sicherer, als es vor Jahren zum Beispiel bei den Seltenen Erden der Fall war. Aber auch hier müssen wir, glaube ich, rechtzeitig handeln, weil auch dies nicht gottgegeben ist. Auch die Zinsen werden auf Dauer nicht so niedrig bleiben, wenngleich wir durch kluges Umschulden jetzt erreichen können, diese niedrigen Zinsen für längere Zeit zu sichern, indem man heute lang laufende oder länger laufende Staatsanleihen auflegt, die mit ihren niedrigen Zinsen dazu beitragen, diesen Effekt, wenn es ihn nicht mehr geben sollte, für die nächsten 10, 15 oder 20 Jahre zu sichern. Das ist solides und nachhaltiges Wirtschaften unter Führung der Union in Deutschland. Deshalb steht Deutschland heute in Europa und in der Welt so gut da. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir dürfen uns aber nicht ausruhen. Denn dieser Wohlstand, den wir erarbeitet haben, braucht weiterhin Wachstum, und Wachstum braucht freien Handel. Wachstum braucht Innovation, und Wachstum braucht Freiheit und Wettbewerb. Deshalb sind das die Stellschrauben, die wir bedienen müssen. Ich will noch einmal zum Freihandel kommen. Es ist seit Ricardos Zeiten unbestritten, dass die Nationen, die sich am freien Handel beteiligen, Vorteile davon haben, und zwar beide Beteiligten und auch die Menschen in diesen Ländern. (Beifall bei der CDU/CSU) Alle Länder dieser Welt, die sich nicht am Freihandel beteiligen, geht es schlechter als denen, die sich beteiligen. Nordkorea geht es in der Tat nicht besser als Südkorea, um damit das Thema Freihandelsabkommen noch einmal anzusprechen. Kollege Ernst, in der Tat haben wir auch vorher Autos nach Südkorea exportiert. Nur: Vor drei Jahren lag in Südkorea der Anteil deutscher Autos im Premiumsegment – der Kollege Fuchs hat es angesprochen – unter 20 Prozent. Die Mehrheit kam aus Japan und Südkorea. Heute hat sich dies durch veränderte Rahmenbedingungen beim Zoll, beim Import und bei den Standards umgedreht. Heute beträgt der Anteil deutscher Autos im Premiumsegment in Südkorea mehr als 80 Prozent. Das ist das Ergebnis des Freihandelsabkommens, und deshalb ist Freihandel gut für Deutschland, für unsere Wirtschaft, die Arbeitsplätze und die Menschen in diesem Land. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb wollen wir mit CETA, dem Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada, und dem Freihandelsabkommen mit den USA, das verhandelt wird, neue Standards in der Welt setzen, und zwar in allen Bereichen die höchsten Standards, die wir haben. Alles, was Sie vorhergesagt haben, ist nicht eingetroffen. Was haben Sie nicht alles bemüht. Das Chlorhühnchen ist in der Versenkung verschwunden, (Zuruf von der LINKEN: Sie holen es wieder heraus!) weil alle gemerkt haben, dass das so nicht stimmt. Die Verbraucherschützer haben gesagt: Nein, das ist überhaupt nicht gesundheitsgefährdend. Dann haben Sie von Geheimverhandlungen gesprochen. Auch das ist an Dummheit nicht zu überbieten. Auch dazu wurden Sie eines Besseren belehrt. Die Schiedsgerichtsverfahren haben Sie unter anderem als Paralleljustiz bezeichnet. Dabei sind wir nicht nur diejenigen, die es erfunden haben, sondern wir wären auch die größten Profiteure. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Pfeiffer, der Kollege Gambke möchte eine Zwischenfrage stellen. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Gerne. Die Redezeit geht eh so schnell um. Vielen Dank. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Pfeiffer, Ihre Behauptungen in Richtung Freihandelsabkommen bedürfen einer Bemerkung von meiner Seite. Sie sagen, dass nur mit einem Freihandelsabkommen – Sie sagen aber nicht, mit welchem – der Autoexport nach Südkorea hätte gesteigert werden können. Ich frage Sie: Würden Sie, wenn Sie heute einen Kreditvertrag abschließen wollen, einen Vertrag über 10 Prozent Zinsen unterzeichnen und sagen: „Jeder Kreditvertrag ist gut“? Oder würden Sie nicht auch meiner Meinung folgen, dass 1,5 bis 2 Prozent Zinsen angemessen wären? Das Gleiche gilt für Freihandels- und Handelsabkommen. Sie können heute Autos in die USA exportieren. Es geht allein um den Zoll, der übrigens für Pick-ups 14 Prozent beträgt. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Nein, nein, nein!) Das heißt, es geht um die Inhalte eines Abkommens und nicht um ein Abkommen als solches. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Völlig falsch!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Das ist doch unstrittig. Da haben Sie völlig recht. Genau deshalb verhandeln wir doch über dieses Freihandels­abkommen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir verhandeln gar nicht! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben gar keinen Zugang dazu!) Wir als Bundesrepublik Deutschland und die anderen 27 Länder der Europäischen Union haben der Europäischen Union, die federführend über das Abkommen verhandelt, ein Mandat erteilt. Darin wurden klare Rahmenbedingungen gesetzt, zum Beispiel, dass die Kommunen hinsichtlich der Daseinsvorsorge keiner Privatisierungspflicht oder Sonstigem, was Sie erwähnen, unterliegen. Die Kommunen können weiterhin entscheiden, ob sie Dienstleistungen der Daseinsvorsorge selber erbringen oder beispielsweise von Dritten erbringen lassen. Wenn sie sie von Dritten erbringen lassen, dann sind diese Dritten – egal ob sie aus Deutschland, aus Westeuropa, aus den USA oder aus Kanada kommen – aber selbstverständlich gleichzubehandeln wie Inländer. Das Gleiche wollen wir in den USA, wo wir heute vom öffentlichen Beschaffungsprozess weitestgehend ausgeschlossen sind. Dort gibt es diese Gleichbehandlung also noch nicht. Deshalb verhandeln wir das. Da haben Sie recht. Die allermeisten der Grünen – von den Linken sowieso – und andere Empörungsaktivisten, die davon leben, dass sie solche Dinge hochziehen, wissen aber anscheinend schon vorher, was dabei herauskommt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Teile der CDU sind gegen TTIP!) Wir wissen noch nicht, was dabei herauskommt, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!) sondern wir verhandeln ernsthaft mit den USA, mit Kanada und auch mit anderen Ländern, zum Beispiel, wie Sie wissen, mit den ASEAN-Staaten und mit China, über ein Freihandelsabkommen. Im Ergebnis wird dies hoffentlich dazu führen, dass der Freihandel weiter zunimmt und damit alle Beteiligten einen positiven Effekt erzielen. Deshalb lohnt es sich, dafür zu kämpfen. Der Bundeswirtschaftsminister hat an dieser Stelle ja auch mehrfach eigene Vorschläge gemacht, zum Beispiel für Schiedsgerichtsverfahren, und gesagt, dass man hier neue internationale Handelsgerichtsbarkeiten etablieren könnte. Daran wird hart gearbeitet. (Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz) Ich bin eigentlich immer noch bei der Beantwortung der Frage des Herrn Gambke. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, ja. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Ich sehe gerade aber, die Uhr läuft weiter. – Nach dem Thema „freier Handel“ möchte ich nun auch auf die Innovationen und den Bereich „Forschung und Entwicklung“ eingehen. Der Kollege Heil hat es angesprochen: Allein für den Forschungsetat stellen wir 16,4 Milliarden Euro zur Verfügung, und 3 Milliarden Euro zusätzlich fließen aus dem Etat des Wirtschaftsministers in die anwendungsorientierte Forschung. Dieses Jahr werden also über 19 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Seit 2005, seitdem die Union in die Regierung gekommen ist und sie seither führt, hat sich dieser Betrag mehr als verdoppelt. Damals waren es 7,5 Milliarden Euro, heute geben wir über 19 Milliarden Euro und damit mehr als 3 Prozent des Bruttosozialprodukts dafür aus. Insbesondere Sie von den Linken sagen zum wiederholten Male, die Ausgaben für Luft- und Raumfahrt wären vergebliche Liebesmühe. Entweder Sie wollen es nicht verstehen, oder Sie können es nicht verstehen. Wahrscheinlich beides. Sie fordern auch den digitalen Wandel. Als Stichworte seien nur einmal genannt: Internet der Dinge, Industrie 4.0, Connected Cars. Wie soll das denn ohne Satelliten und ohne eine genaue Navigation funktionieren? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) Dafür brauchen wir Galileo, das europäische Satellitennavigationssystem. Ohne dieses System würde keine Anwendung funktionieren. Flutbewältigung, Registrierung des Waldwachstums und der CO2-Emissionen, Klimaschutz: Für all dies ist heute eine Erdbeobachtung mithilfe von Satelliten zwingend notwendig. Anders funktioniert es nicht. Hierin sind wir weltweit führend. Wie bringen wir die Satelliten ins All? Mit Raketen, und hoffentlich nicht nur mit russischen, amerikanischen oder chinesischen, sondern mit europäischen Trägersystemen. Deshalb ist es richtig, dass wir die Ariane 6 entwickeln und wir in diesem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel für die internationale und die europäische Luft- und Raumfahrt einstellen. Genau das Gleiche gilt auch in Bezug auf Airbus. Wir müssen hier die Forschung und Entwicklung vorantreiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD]) Das hilft dem Mittelstand und schafft Arbeitsplätze. Für den digitalen Wandel ist in der Tat eine digitale Infrastruktur notwendig. Deshalb fördern wir den Breitbandausbau mit zusätzlich über 1,4 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Dies geschieht aber technologieoffen. Wir brauchen hier mehrere Technologien. Durch den digitalen Wandel ergeben sich auch ganz neue Herausforderungen für den Mittelstand. Ich nenne nur einmal das Stichwort „Cybersicherheit“. Es ist auch für mittelständische Unternehmen eine der größten Herausforderungen, dass ihr Know-how gesichert bleibt und nicht auf irgendwelchen Servern in anderen Ländern dieser Welt auftaucht und die getätigten Investitionen und erzielten Innovationen verloren gehen. Auch dafür müssen wir sorgen. Dabei ist das IT-Sicherheitsgesetz ein erster Punkt. Herr Kollege Krischer, Störerhaftung ist in der Tat ein Problem. Das haben wir erkannt und diskutiert. Am 16. September ist dies im Kabinett, und das Problem wird abgestellt. Sie aber haben sich in der Sache, etwa durch Vorschläge, nicht beteiligt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben einen Antrag gestellt! Sie haben unseren Antrag abgelehnt! Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht!) Das ist ein schwieriges Thema, bei dem man zwischen Datenschutz und Sicherheit abwägen muss. Wir aber werden dieses Problem am 16. September, also nächste Woche, im Kabinett lösen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen es schlimmer!) Der WLAN-Zugang ist dann künftig über ein Passwort möglich. Ich glaube, dieser Vorschlag ist eine gute Lösung. (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen es schlimmer!) Public-private-Partnership ist angesprochen worden. Das, was Sie gesagt haben, Herr Ernst, ist an Dummheit wirklich nicht zu überbieten. Was kann denn daran schlecht sein, wenn man privates Geld mobilisiert? – Ich sehe, der Kollege Ernst meldet sich zu einer Zwischenfrage. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein, mit Blick auf die Gesamtredezeit, die wir vereinbart haben, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) muss ich darauf achten, dass wir im Rahmen bleiben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Weiter!) Ich weiß, dass Sie gerne eine beliebige Zahl von Zwischenfragen zulassen würden. – Bitte schön. Sie haben jetzt noch zehn Sekunden. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er muss aufhören!) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Was kann schlecht daran sein, wenn deutsche Versicherer ihr Geld, privates Geld, in die deutsche Infrastruktur investieren? Warum sollen sie es im Ausland investieren? (Widerspruch bei der LINKEN) Was kann schlecht daran sein, dass ausländische Pensionsfonds in deutsche Infrastruktur investieren? Gar nichts, im Gegenteil. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Wenn es in der Zukunft teurer wird!) Insofern sind Ihre Vorbehalte wirklich nicht nachvollziehbar. Es gäbe noch viel zum Thema Energie, zum Thema Wettbewerb und auch zum Thema Arbeitsintegration zu sagen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, lassen Sie das! Das geht schief!) Aber das müssen wir offensichtlich in der zweiten Runde nachholen. – Sie sehen: Deutschland ist gut regiert und auf gutem Kurs. Wir wollen, dass das weiterhin so bleibt. Die Union wird zusammen mit der SPD in den nächsten Jahren dafür sorgen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Julia Verlinden ist die nächste Rednerin für die Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ziele des Energiekonzepts aus dem Jahre 2010 hätten für die Bundesregierung weiterhin Bestand – das sagen Sie zumindest immer. Wir Grüne haben diese, also Ihre Ziele für das Jahr 2020, mit den aktuellen Zahlen aus diesem Sommer verglichen. Das Ergebnis ist erschütternd: Deutschland ist bei fast allen Indikatoren noch weit von seinen Zielen entfernt. Ob beim Energiesparen im Verkehr, beim Heizen oder beim Stromverbrauch: Das Erreichen Ihrer eigenen Ziele liegt in weiter Ferne, obwohl uns nur noch fünf Jahre bleiben. Auch bei der Nutzung der erneuerbaren Wärme oder der Elektromobilität geht es absolut gar nicht voran. In der Schule gäbe es für dieses Ergebnis eine glatte Sechs. (Ulli Nissen [SPD]: Na, na!) Jetzt könnte man erwarten, Sie machen das wie jede professionelle Organisation oder wie ein Wirtschaftsunternehmen: Sie analysieren die Zahlen, merken, dass Sie nicht auf dem richtigen Pfad sind, und steuern um. Dazu böten jetzt die Haushaltsberatungen eine wunderbare Gelegenheit, etwa Programme aufzulegen, damit Sie das, was Sie sich selbst vorgenommen haben, bis zum Jahr 2020 auch schaffen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt ein gelangweiltes Schulterzucken, und Sie machen einfach weiter wie bisher. So kann man Sie als Regierung echt nicht ernst nehmen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Energiewendeziele sind ja kein Selbstzweck, sondern sie sind angesichts der Klimakatastrophe überlebensnotwendig. In diesem Haushalt sehe ich: Sie haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Haushalt sind viel zu wenig Mittel für Effizienz und Erneuerbare, und Sie fördern weiter fossile Energieträger, anstatt endlich den Ausstieg einzuleiten. Beispiel Energieeffizienz. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist bekanntlich an Ihrem Rumpelstilzchen aus Bayern, an Herrn Seehofer, gescheitert. Die Ersatzmaßnahmen, die Sie nun planen, werden wohl kaum dieselbe Wirkung wie die steuerliche Förderung erzielen. Oder die erneuerbaren Energien im Wärmebereich. Seit Jahren dümpelt der Anteil bei 10 Prozent vor sich hin. Sie erzählten uns noch im Frühjahr, Sie hätten die Förderungsbedingungen für das Marktanreizprogramm verbessert, stellen jetzt dafür aber nur 1 Prozent mehr Mittel ein. Warum trauen Sie Ihren eigenen Verbesserungen nicht mehr zu? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für Kanzlerin Merkel und Minister Gabriel gehen Lobbyinteressen der fossilen Energiewirtschaft vor Klimaschutz und Energiewende. Mit dieser Politik werden Sie beim Klimagipfel in Paris wahrlich niemanden beeindrucken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Frage, die man sich stellen müsste, ist doch: Wen und was wollen wir mit staatlichen Mitteln und Maßnahmen eigentlich unterstützen? Diejenigen, die die Energiewende blockieren, die gegen unsere oder Ihre Ziele arbeiten, weil sie ihre dahinschmelzenden Besitztümer auf Kosten der Allgemeinheit retten wollen? Oder besser diejenigen, die mithelfen wollen, unsere Klima- und Energiewendeziele umzusetzen? RWE, Vattenfall und E.ON haben sich bisher nicht als Verbündete der Energiewende hervorgetan. Im Gegenteil: RWE versucht verzweifelt, das Auslaufmodell Braunkohle weiter am Laufen zu halten. Wie verzweifelt muss ein Konzern sein, der auf friedliche Protestaktionen mit Gewalt antwortet, den Konflikt auf dem Rücken der Polizei austrägt und Journalisten bei ihrer Arbeit hindert? Und dennoch richten Sie, Herr Gabriel, Ihre Energie­politik ausgerechnet an den großen Unternehmen aus, an denen, die die Energiewende bisher weitgehend verpennt haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Arbeiten Sie statt mit den quengelnden Konzernen doch lieber mit den vielen Verbündeten zusammen, mit denen, bei denen die Energiewende immer viel weiter im Vordergrund stand als bei der Politik. Arbeiten Sie doch mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen, die seit Jahren in Erneuerbare und Effizienzprojekte investieren, mit Handwerksbetrieben, die sich auf die Montage von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen spezialisiert haben, mit den innovativen Betrieben aus dem Mittelstand, die Energiespartechniken entwickeln, an Speichertechnologien arbeiten oder dezentrale Energieversorgungskonzepte voranbringen. Das sind die wirtschaftlichen Akteure, die mithelfen wollen, die Klimaziele zu erreichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auf die Unterstützung von E.ON, Exxon, Shell oder RWE können Sie lange waren. Nun gut, Herr Gabriel, die Kohleabgabe war ein Versuch; aber die Lobby hat nun einmal beste Drähte ins Kanzleramt. Deswegen hat Merkel dieses Ansinnen kassiert, bevor es ernst werden konnte – und das nur wenige Tage nach Ihren eigenen Klimabeschlüssen beim G-7-Gipfel. Worte und Taten klaffen bei dieser Bundesregierung leider nach wie vor meilenweit auseinander. Geben Sie doch einfach zu, dass es Ihnen egal ist, ob Sie Ihre eigenen Energiewendeziele erreichen oder nicht. Das wäre wenigstens ehrlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich den früheren Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, auf der Gästetribüne des Bundestages herzlich begrüßen. (Anhaltender Beifall) Lieber Herr Annan, uns ist nicht nur Ihre verdienstvolle Arbeit als Generalsekretär in respektvoller Erinnerung, viele von uns erinnern sich auch gerne an die Rede, die Sie hier im Deutschen Bundestag im Februar 2002 gehalten haben. Wir verfolgen mit nicht geringerem Respekt die Arbeit, die Sie mit Ihrer Stiftung nach dem Ausscheiden aus Ihrem hohen Amt bei den Vereinten Nationen weiter für Frieden und nachhaltige Entwicklung auf sich genommen haben. Wir wünschen Ihnen einen guten und interessanten Aufenthalt in Berlin und viele aufschlussreiche und informative Gespräche. Seien Sie uns herzlich willkommen. (Beifall) Thomas Jurk ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Thomas Jurk (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beinahe wäre ich geneigt, auf die Ursachen für Krieg, Flucht und Vertreibung einzugehen, die ja allzu oft ökonomischen Interessen geschuldet sind. Dabei geht es um mehr als um Waffenlieferungen. Mich hat die polemische Debatte insbesondere vonseiten der Opposition unangenehm berührt. Ich begrüße ausdrücklich die rigide Genehmigungspraxis des Bundeswirtschaftsministers in diesen Fragen, auch wenn ich mir persönlich vorstellen könnte, dass es gar keine Waffenlieferungen gibt. (Beifall bei der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist zu Recht beschrieben worden, dass sich die Wirtschaft in Deutschland momentan in gutem Zustand befindet. Das wollen wir auch fortsetzen, und ich glaube, dass der Bundeswirtschaftsminister der Garant dafür ist. Andererseits operieren wir in einem wirtschaftspolitisch schwierigen Umfeld. Ich konnte vor wenigen Wochen Bundeswirtschaftsminister Gabriel auf seiner Reise nach China begleiten. Ich war als sächsischer Wirtschaftsminister zweimal in China. Ich gestatte mir den Vergleich, dass sich dort vieles zum Negativen verändert hat. Gerade die aktuelle Situation in China sollte uns hellhörig machen, weil sie nicht nur Auswirkungen auf unsere Exporte nach China hat, sondern auch generell enorme konjunkturpolitische Effekte haben kann. Deshalb müssen wir das alles im Auge behalten. Es ist richtig, dass wir das, was wir in der Vergangenheit getan haben, fortsetzen müssen. Wir müssen die deutsche Wirtschaft weiter stärken, Innovationen vorantreiben, Investitionen unterstützen und unsere Fachkräftebasis sichern sowie die Energiewende zum Erfolg führen. Dafür tut diese Bundesregierung eine ganze Menge. Das will ich an dieser Stelle einmal ausdrücklich festhalten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] niest) – Schön, dass das beniest wird. Wenn man sich den Haushaltsplan anschaut, dann stellt man fest – das erspare ich der geschätzten Vorrednerin Frau Verlinden und Herrn Krischer nicht –: Sie dürfen nicht nur den Einzelplan 09 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sehen. All diejenigen, die auf der Zuschauertribüne sitzen, kennen unser Fachchinesisch nicht unbedingt. Deshalb sage ich: Es gibt auch einen Einzelplan 60. Dort ist beispielsweise das Zukunftsinvestitionsprogramm verankert. Da fließen im nächsten Jahr 340 Millionen Euro in Aufgaben der Wirtschaft und der Energiewende. Wenn man das addiert, stellt man fest: Das ist eine großartige Leistung. Das wird uns weiter voranbringen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist einmal Aufklärung!) – Lieber Kollege Mitberichterstatter Andreas Mattfeldt, du hast völlig recht: Wir müssen weiter aufklären. Wir müssen aufklären, dass sich insbesondere die Digitalisierung in diesem Haushaltsplan wiederfindet. Wir stocken dort um 10 Millionen Euro auf und erreichen ein Mittelvolumen von 85 Millionen Euro. Es könnte immer noch mehr sein. Aber wir haben auch andere Verpflichtungen im Rahmen dieses Haushaltes zu bewältigen. Sehr positiv ist – darauf ist Minister Gabriel bereits eingegangen – die Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, ein ganz besonders bewährtes Instrument, das dazu dient, durch Investitionszuschüsse insbesondere die mittelständische Wirtschaft voranzubringen. Hier erreichen wir übrigens, wenn man die Mittel aus dem Einzelplan 09 und dem Einzelplan 60 addiert, wieder das Mittelvolumen von 2009, nämlich 624 Millionen Euro. Das ist ein gutes Signal. Gemeinsam mit den Ländern wollen wir im Rahmen der GRW auch die Wirtschaft in den Bundesländern voranbringen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Nicht nur in Zeiten der großen Migrationsanforder-ungen wird es wichtig sein, in Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung zu investieren. Wir tun dies unter anderem bei den Fortbildungseinrichtungen des Handwerks. Die entsprechenden Mittel erhöhen wir im Vergleich zu 2015 um 7 Millionen Euro. Damit unterstützen wir sowohl die digitale Ausbildung als auch die technologieorientierte Fort- und Weiterbildung im Mittelstand. Wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten im Haushalt. Es wurde bereits angesprochen: Ich bin nicht bereit, zu akzeptieren, dass wir den Mittelansatz bei dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, und der indus­triellen Gemeinschaftsforschung reduzieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich denke, dass wir während der Haushaltsberatungen noch eine Lösung finden werden; denn gerade diese beiden Bereiche sind wichtige Innovationsmotoren für die mittelständische Wirtschaft in Deutschland. Ich denke, dass wir uns über den Kreis der Berichterstatter hinaus einig sind und dafür sorgen werden, dass sich das verändert. (Beifall bei der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das läuft!) Es wurde bereits angesprochen, dass es eine Reihe durchaus sehr sinnvoller Projekte im Rahmen der Luft- und Raumfahrt gibt. Man muss nicht unbedingt ein großer Freund der Ariane 6 sein, der neuen Trägerrakete, die Satelliten ins All befördern soll. Ich hätte mir auch eine Weiterentwicklung der Ariane 5 vorstellen können. Nun ist das aber am 2. Dezember vergangenen Jahres auf europäischer Ebene anders vereinbart worden. Daran kommen wir nicht vorbei. Wir müssen die Mittel bereitstellen. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass wir in Deutschland andere Branchen haben, die es in besonderem Maße verdient hätten, mehr Unterstützung zu erfahren. Ich erinnere beispielsweise an die maritime Wirtschaft, die in Deutschland immerhin 380 000 Menschen Arbeit bietet. Dafür sollten wir während der Haushaltsberatungen Lösungen finden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mein geschätzter Bundesminister Gabriel hat mir zwei Minuten Redezeit geklaut. Deshalb will ich nun zusammenfassen: Wir sind in einer schwierigen, einer ernsten Situation. Wir sprechen seit Tagen darüber. Ich finde, dass das Problembewusstsein in diesem Haus wächst. Mich hat aber an der Debatte gestört, dass die Opposition über manches Klein-klein diskutiert hat. Es ist jetzt nicht die Stunde der Zauderer und Bedenkenträger. Wir müssen diese Aufgaben anpacken. In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen über Einzelplan 09 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern wurde der Referentenentwurf für ein neues Energiewirtschaftsgesetz vorgelegt. Ich habe schon Reaktionen gehört wie: Alles toll! Alles super! Wir erreichen die Klimaziele. Es gibt ein neues Strommarktdesign. – Jetzt kann ich nur sagen: Das wesentliche Ergebnis ist: Die Energiekonzernchefs haben wieder einmal erfolgreich die Hand aufgehalten. Herr Krischer, da wird nichts simuliert, sondern die Regierung schiebt Kohle rüber. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Kohle, ja!) Sie macht ein Geschenk in Höhe von Hunderten von Millionen Euro jährlich für eine Kraftwerksreserve, die eigentlich niemand braucht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Gabriel hat immer wieder von Überkapazitäten gesprochen. Jetzt frage ich mich: Wozu braucht man diese teure Reserve? Wer vergoldet die überflüssigen Braunkohleruinen? Die Bürgerinnen und Bürger – wer auch sonst? – entweder über ihre Stromrechnung oder mit ihren Steuern. Jetzt nennen Sie das auch noch Kapazitäts- und Klimareserve. Dabei nutzt diese Reserve dem Klima eben nicht, auf jeden Fall nicht genug. Sie nutzt nur den Konten der Kohlekonzerne; so ist es. (Beifall bei der LINKEN) Die Kohleindustrie profitiert sogar doppelt: Erstens. Ihr werden von 22 Millionen Tonnen CO2, die einzusparen sie verpflichtet ist, fast 10 Millionen Tonnen, also knapp die Hälfte, einfach geschenkt. Zweitens. Die CO2-Einsparung, zu der sie verpflichtet wäre und die mittels Abschaltung einiger Kohlekraftwerke nun in Reserven überführt wird, bekommt sie großzügig vergütet. Es ist also ein weiterer Superdeal. Das ist blanker Hohn gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag des Klimabeitrags, der durchaus sanft und klug den schrittweisen Kohleausstieg marktgerecht eingeleitet hätte. Diesen Ausstieg hätten wir auch unterstützt, Herr Gabriel. Jetzt können Sie von der Regierung nicht einmal abschätzen, ob die sogenannte Klimareserve überhaupt die erwünschten Einsparungen bringen wird. Das weiß man also noch gar nicht. Das ist einfach schwach, schwach, schwach und enttäuschend. Das muss ich Ihnen leider auch sagen: schwach. (Beifall bei der LINKEN) In den Sommermonaten gab es in Garzweiler an den Kohlebaggern Aktionen, nämlich friedlichen Protest von Klimaaktivistinnen und -aktivisten und Braunkohlegegnern bei der Aktion „Ende Gelände“. Ich war zu dieser Zeit in Bayern. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Ich kann hier nur sagen: Die Linke ist mit diesem Protest solidarisch. (Beifall bei der LINKEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wenn er in Brandenburg ist?) – Genauso. Wenn die Politik in Berlin bei der Kohlefrage versagt, müssen die Bürgerinnen und Bürger umso mehr aufwachen und hellhörig sein und Druck von der Straße ausüben. Das gilt nicht nur für die Kohle, sondern auch für anderes. Da wird es endlich einmal Zeit. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich wünsche, dass es noch mehr werden, die sich gegen die Besitzstandswahrung der Kohleindustrie, aber auch der anderen Konzerne stemmen. Statt der Kohleindustrie ihr vermeintliches Ende zu vergolden, brauchen wir Mittel – Regionalmittel, Strukturmittel –; denn wir brauchen den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle. Er ist dringend notwendig. Ob dies mittels Kohleausstiegsgesetz, wie es die Linke vorgeschlagen hat, oder ob dies via Klimabeitrag geschieht, den wir auch unterstützen, das ist für mich egal. Wichtig ist, es wird gemacht. Es wird jetzt endlich Zeit, dass das Ganze beginnt, und zwar jetzt sofort. (Beifall bei der LINKEN) Ich kann nur sagen: Schade für die betroffenen Regionen, dass Sie deren Chance wegen kurzfristiger politischer Ziele verspielen. Die Regionen bräuchten nämlich die Unterstützung. Jetzt noch etwas zu den Ausschreibungen. Ich habe dazu gehört: Alles super, alles toll, usw. Die Akteursvielfalt ist wirklich gewährleistet. – Ja, bewerben dürfen sich alle, klar. Aber die Ergebnisse sind eben nicht so, wie wir uns das vorstellen. Es sind eben nicht die Bürgerenergiegenossenschaften, die da den Zuschlag erhalten, sondern andere. Der Zuwachs der Bürgerenergiegenossenschaften wird immer geringer. Von 2013 bis 2014 hat er sich um 60 Prozent reduziert. Wir haben immer gesagt: Wir halten diese Ausschreibungen für falsch. Wir waren immer dagegen. Es ist ein Ausstieg aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Deswegen sagen wir: Es ist ein kompletter Systemwechsel. Die Bundesregierung bastelt schon am EEG 2016. Wieder wird beschlossen, Ausschreibungen vorzunehmen. Die Ergebnisse der letzten sind noch nicht richtig da, aber alles ist toll. Wir wollen die Bürgerenergie stützen. Wir wollen die Energiegenossenschaften stützen. Wir wollen eine demokratische Energie und nicht zurück zu den Konzernen. Wir brauchen Akzeptanz für die regenerativen Energien, vor allem auch für die Windkraft. So, wie Sie das jetzt betreiben, wird die Akzeptanz sinken. Wir brauchen aber einen großen Klimabeitrag, und wir brauchen auch Taten vor Paris. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU] – Lachen des Abg. Thomas Jurk [SPD]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Karl Holmeier, dem ich gleichzeitig zu seinem heutigen Geburtstag herzlich gratuliere. Alles Gute für das neue Lebensjahr! (Beifall) Karl Holmeier (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren schaut Europa bewundernd auf Deutschland. Unser Land ist unter der Regierungsverantwortung der Union, unter unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel die unbestrittene schwarze Lokomotive Europas. Dank unserer soliden Wirtschafts- und Finanzpolitik haben wir eine wertvolle finanzielle Handlungsfähigkeit erarbeiten können. Dank dieser Handlungsfähigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir die aktuellen finanziellen Herausforderungen bewältigen, und wir können darauf reagieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Darüber hinaus halten wir an unserem Ziel einer dauerhaften schwarzen Null fest. Wir stärken die Investitionen des Bundes und vor allem der Kommunen. Wir sichern die Finanzierung der Energiewende und des Breitbandausbaus. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich einen Dank an unseren Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble richten. Sehr verehrte Damen und Herren, Wirtschaft und Märkte verlangen nach Vertrauen. Dieses notwendige Verlangen haben wir mit Inhalt und Rückhalt erfüllt. Der Erfolg gibt uns recht: Deutschland steht heute im europäischen Vergleich sehr gut da. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Ganz Europa blickt immer wieder, wie ich schon eingangs gesagt habe, nach Deutschland. Deutschland ist die Lokomotive für Wachstum und Beschäftigung. Deutschland ist aber auch der Garant für ein stabiles Europa. Den Aufschwung in Deutschland haben wir nicht mit Worten herbeigeredet; es waren vielmehr umfassende Anstrengungen auf allen Ebenen des Staates, der Wirtschaft und auch der Beschäftigten. So konnten die Weichen für diese hervorragende Entwicklung in Deutschland gestellt werden. Wichtiger Kompass der Union war und ist der in die soziale Marktwirtschaft eingebettete ordnungspolitische Rahmen. Trotz aller Erfolge dürfen wir in Zukunft aber nicht übermütig werden. Hohe Steuereinnahmen wecken Begehrlichkeiten, und so lauert die größte Gefahr für die Zukunft im Erfolg der Gegenwart. Es kommt daher jetzt darauf an, den konjunkturellen Rückenwind zu nutzen und die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Herausforderungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind groß: Die Globalisierung wird uns einen noch härteren Wettbewerb aufzwingen. Mit dem Abschluss von TTIP und CETA stellen wir uns hier aber aktuell darauf ein. Die Digitalisierung wird alle Lebensbereiche durchdringen, miteinander verbinden und so die Wertschöpfungsketten unserer Wirtschaft, aber auch unsere Arbeitswelt grundlegend verändern. Die Demografie trifft kein Land Europas stärker als Deutschland. Deutschland hat nach Japan die zweitälteste Bevölkerung der Welt. Diese Herausforderung muss uns stets im Bewusstsein bleiben und auch unser Handeln prägen. Wir stehen vor der Aufgabe, Deutschland zukunftsfest zu machen. Unser Ziel ist: Schaffung der bestmöglichen Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen unter dem Leitbild der sozialen Marktwirtschaft. Dabei, meine Damen und Herren, müssen wir der deutschen Wirtschaft so viel unternehmerische Freiheit und Eigeninitiative wie möglich lassen. Bei aller Freiheit und Eigeninitiative hat die deutsche Wirtschaft – darauf legt die CSU besonderen Wert – auch eine gemeinsam zu tragende soziale Verantwortung. Sehr verehrte Damen und Herren, viele Staaten beneiden uns um unseren weltweit einzigartigen ordnungspolitischen Rahmen. Ihn gilt es immer wieder aufs Neue auszubalancieren – für eine gute Zukunft, an der alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes teilhaben. Wir haben Solidität und finanzielle Stabilität wieder zum Kern der Politik gemacht. „Chancen statt Schulden“ lautet die Devise. Für die Union hat das Erwirtschaften von finanzieller Stabilität Vorrang vor dem Verteilen. In Bayern haben wir die schwarze Null schon seit zehn Jahren, beim Bund nun seit 2015. Andere wollten mehr Schulden, neue und höhere Steuern, eine Anhebung des Spitzensteuersatzes und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Wir blieben besonnen. Schulden und höhere Steuern: Beides ist Gift für die Wirtschaft und für die Konjunktur. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Erfolg gibt uns recht: Wir haben 2015 den ersten ausgeglichenen Haushalt seit 45 Jahren beschlossen. Diesen Kurs werden wir fortsetzen und auch 2016 sowie in den nächsten Jahren eine schwarze Null schreiben. Unsere Wirtschaft wächst seit 2010. Das Jahr 2014 konnte mit einem Wachstum von etwa 1,6 Prozent abgeschlossen werden. Die Wirtschaftsschätzungen sehen für 2015 ein Wachstum zwischen 1,6 und 2,2 Prozent und für 2016 zwischen 1,7 und 2,3 Prozent vor. 42,99 Millionen Menschen, also fast 43 Millionen, sind derzeit in Deutschland erwerbstätig – ein neuer Rekordwert. Der Erfolg aus dem Vorjahr konnte nochmals um 160 000 Menschen gesteigert werden. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist mit einem Rekordwert von 30,72 Millionen so hoch wie noch nie. Das ist ein Plus von 1,2 Millionen Beschäftigten innerhalb der letzten zwei Jahre. Deutschland setzt auf Jugend. Die Jugend hat Chancen wie nie zuvor. Liegt der Durchschnitt der Jugendarbeitslosigkeit im Bereich der Euro-Zone bei 21,9 Prozent, so bescheinigt das Statistische Amt der Europäischen Union Deutschland eine Arbeitslosenrate von 7,0 Prozent bei den Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren. Wir sind damit die Besten in Europa. Der unter Verantwortung der Union eingeschlagene Weg aus Wachsen, Konsolidieren und Reformieren war und ist richtig. Er wird immer mehr zum Vorbild für ganz Europa. Darauf können wir stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit dem vorliegenden Bundeshaushalt 2016 tragen wir dazu bei, diese guten Aussichten weiter zu festigen. Der klare Kurs der Haushaltskonsolidierung wird trotz neuer Belastungen, die 2016 auf uns zukommen, auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Der Haushalt weist 2016 zum zweiten Mal in Folge eine schwarze Null aus. Der Erfolgsweg aus Wachsen und Konsolidieren wird unbedingt fortgesetzt. Sehr verehrte Damen und Herren, wir fördern den Mittelstand. Wir fördern Innovationen und investieren weiter in Forschung und Entwicklung; all das wurde bereits angesprochen. Wir unterstützen die Energiewende und setzen auf Energieeffizienz. Der Haushaltsentwurf 2016 ist ein echter Investitionshaushalt. Wir beginnen mit der Umsetzung des bis 2018 angelegten 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramms des Bundes. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, in den Breitbandausbau, in Energieeffizienz, in den Klimaschutz und in die Städtebauförderung. Im Jahr 2016 werden die Investitionsausgaben um rund 3,9 Milliarden Euro gegenüber 2015 steigen. Wir werden die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land durch die Verbesserung der familienpolitischen Leistungen und den Abbau der kalten Progression um 5 Milliarden Euro steuerlich entlasten. Wir stehen zu unserem Versprechen: keine neuen Schulden, keine Steuererhöhungen. Das ist für uns Kern einer verlässlichen und wachstumsfreundlichen Haushaltspolitik. Den mit Abstand größten Anteil an den Ausgaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bilden mit über 3 Milliarden Euro die Mittel für Forschung, Entwicklung und Innovation. Wesentlicher Förderschwerpunkt für den Mittelstand als Innovationsmotor ist auch in Zukunft das bislang sehr erfolgreiche technologie­offene Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM genannt. Es ist mit einem Volumen von knapp 538 Millionen Euro das wichtigste auf Innovation ausgerichtete Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums. Wir erhöhen die Fördermittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, wie im Koalitionsvertrag verankert, um 24 Millionen Euro auf insgesamt 624 Millionen Euro. Es ist ein extrem wichtiges Programm, gerade für die ländlichen Räume und auch für die Grenzregionen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Deutschland, meine Damen und Herren, ist Gründer­land. Wir unterstützen Unternehmensgründungen im Jahr 2016 mit knapp 71 Millionen Euro. Das sind wichtige Zukunftsinvestitionen in den Standort Deutschland. Mit der Digitalen Agenda haben wir ambitionierte Ziele gesetzt. Wir wollen, dass im Jahr 2018 jeder in Deutschland schnelles Internet mit 50 Megabit hat, auch und vor allem im ländlichen Raum. Ein schnelles Internet und eine gute Verkehrsinfrastruktur sind von großer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Wir bauen beides weiter aus, und dies kräftig. Wir stärken damit den Standort Deutschland. Sehr verehrte Damen und Herren, die Energiewende ist beschlossen. Sie ist auf den Weg gebracht. Sie ist ein richtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg in eine Industriegesellschaft der Nachhaltigkeit. Eine der Hauptaufgaben der Großen Koalition ist, die Bürgerinnen und Bürger bei der Energie der Zukunft, bei der Energiewende mitzunehmen. Begeistern wir die Menschen für die Energiewende, dann wird sie auch gelingen. Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und die Zukunft unserer Energieversorgung beschäftigt die Menschen. Für die CSU ist eine sichere, bezahlbare und saubere Energieversorgung entscheidend für unsere Lebensqualität, unseren Wohlstand, eine intakte Umwelt und eine liebenswerte Heimat. Bayern war schon in der Vergangenheit ein Vorreiter der Energiewende. Bayern setzt die Energiewende vor Ort hervorragend um. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: In meinem Heimatlandkreis Cham in der Oberpfalz wurden bereits im Jahr 2014  56,2 Prozent des gesamten Stromverbrauchs, ob für Private oder Wirtschaft, durch erneuerbare Energieträger erzeugt. Wir werden 2015/16 die 60-Prozent-Marke schaffen. Wir brauchen ein neues Marktdesign, mehr Energieeffizienz, Speicherkapazitäten und ein leistungsfähiges Stromnetz. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Stromnetz! Vor allem in Bayern!) Ein zweiter Schwerpunkt des Haushaltsentwurfs 2016 ist daher die kontinuierliche Umsetzung der Energiewende. Es stehen große Herausforderungen an. Dazu werden wir gewisse Fördermaßnahmen auf den Weg bringen. Insgesamt stehen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie knapp 3 Milliarden Euro für die Gestaltung der Energiewende zur Verfügung. Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren: Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf stellt die Bundesregierung unter Beweis, dass sie einen Zukunftsplan hat. Wir planen und gestalten die Zukunft Deutschlands. Wir stärken die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes nachhaltig und langfristig. Deutschland ist das starke Herz im Zentrum Europas. Darauf können wir stolz sein, genauso wie auf unsere Bürgerinnen und Bürger, auf unsere Wirtschaft und auf unser Land. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nach der Gratulation zu Ihrem Geburtstag gratuliere ich Ihnen jetzt auch zur Punktlandung bei der Einhaltung Ihrer Redezeit. Ich erteile nun dem Kollegen Dr. Thomas Gambke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Holmeier, auch ich gratuliere zum Geburtstag, aber nicht zu dieser Rede. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist klar und deutlich! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist jetzt aber nicht nett! Stellen Sie sich nicht so an!) Sie sprachen das Projekt ZIM an. Es ist natürlich ein sehr wichtiges Projekt. Kollege Jurk hat Gott sei Dank darauf aufmerksam gemacht, dass die Mittel hoffentlich noch erhöht werden. Sie haben aber nicht gesagt – das hat Ihnen Ihr Büro anscheinend nicht aufgeschrieben –, dass der Umfang reduziert wurde. Weder Herr Jurk noch irgendjemand hat gesagt, dass dieses Programm leider wegen zu später Ausschreibung des Projektträgers erst einmal fünf Monate auf Eis gelegt wurde. Das ist keine vernünftige Wirtschaftspolitik. Das ist Verhinderung. Ich hoffe, dass wir das im Rahmen der Haushaltsberatungen beheben können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte gar nicht darum herumreden: Es heißt immer, wir haben eine gute wirtschaftliche Situation. Aber ich sage: Wir haben eine hervorragende wirtschaftliche Situation. Das ist gar keine Frage. Peinlich ist es manchmal, zu hören, wer sich die Orden an das Revers heftet. Als Unternehmer sage ich: Auch bei den Unternehmen muss man sehen, dass es eine Menge Windfall Profits – so sagt man – gibt. Das ist der Dollarkurs, das ist der Ölpreis. Das deutet darauf hin, dass wir uns nicht notwendigerweise auf einem Wachstumspfad befinden, sondern dass wir erhebliche Herausforderungen vor uns haben, und zwar nicht nur in der Frage der Flüchtlinge, was hier dankenswerterweise sehr nüchtern, verantwortungsvoll und in großer Breite von uns diskutiert wurde, sondern auch in den Bereichen, die sehr wenig angesprochen wurden: Digitalisierung, demografische Veränderung, Änderung in der Mobilität. Weil wir hier ja gar nicht so viel über Zahlen, sondern mehr über Inhalte reden, hätte ich erwartet, dass die Herausforderungen, die damit verbunden sind, hier auch einmal angesprochen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie mit dem Mittelstand sprechen, stellen Sie fest, dass man sich da heute große Sorgen macht. Unter anderem fragt man sich: Was passiert mit China? Die Abhängigkeit der deutschen Automobilindustrie von China ist eben sehr hoch. Vor vier Wochen war ich in Asien, als gerade die Börsenkurse fielen. Da habe ich sehr viele besorgte Gesichter gesehen. Vor dem Hintergrund, dass ein bayerischer Automobilbauer aus dem Premiumsegment ein Drittel seines Gewinns in China erzielt, weiß man auch, was da auf uns zukommen kann. Insofern – ich sage es noch einmal – sind die Rahmenbedingungen, die wir setzen, wichtig. Damit können wir der Wirtschaft helfen und sie unterstützen. Herr Fuchs, das tun wir aber nicht – Herr Heil hat es in Bezug auf den Mindestlohn gesagt; ich sage es jetzt in Bezug auf die Werkverträge –, indem wir notwendige strukturelle Verbesserungen verhindern. Ganz im Gegenteil: Wir brauchen diese Verbesserungen. Denn das Instrument des Werkvertrags lässt es zu, dass für 3,50 Euro die Stunde gearbeitet wird. Das müssen wir verhindern. Herr Fuchs, da sollten Sie jetzt nicht die alten Dinge ausgraben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Rahmenbedingungen zu thematisieren, bedeutet auch, zu sagen, dass nicht nur der Wirtschaftsminister, sondern auch andere Ministerien gefordert sind. Bei der Digitalisierung geht das gründlich in die Hose. Vier Ministerien streiten sich. Wir sind so zu spät dran. Wir sind nicht koordiniert. Ein Mittelständler sagte mir, er hat gerade privat 3 Millionen Euro in ein Glasfasernetz investieren müssen, um seinen im Schwäbischen angesiedelten Betrieb ans Netz anzubinden und ihn so leistungsfähig zu halten. Ja, das kann doch nicht sein! Erwin Huber hat immer wieder versucht, dieses Problem in Niederbayern dadurch zu lösen, das privat investiert wird. Herr Holmeier, das war vor fünf Jahren falsch, und das ist auch heute falsch, weil es im ländlichen Bereich eben nicht ohne eine substanzielle Unterstützung geht. Herr Dobrindt sagt: Hier sind 3 Milliarden Euro. Macht, was ihr wollt. – Das ist nicht koordiniert. So wird das nicht funktionieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es sind aber auch andere Bereiche gefordert. Kommen wir noch einmal auf die Digitalisierung zurück. Als Uber auf den Markt kam, waren wir alle – ich auch – ja erschüttert, dass die Firma keine Steuern zahlt, keinen Verbraucherschutz gewährleistet und anderes. Die Idee, die dahintersteckt, ist allerdings gut, nämlich über das Netz individuelle Mobilität zu organisieren, gerade im ländlichen Raum. Deshalb ist es notwendig, dass man „proactive“, also in die Zukunft schauend, darüber nachdenken muss, wie man die juristischen bzw. die verbraucherschutzrechtlichen Rahmenbedingungen schafft. Dazu höre ich aber gar nichts. Dabei wäre hier wie in vielen anderen Bereichen Rahmensetzung so wichtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein wenig dazu sagen, was ich als Finanzpolitiker für notwendig erachte. Wir müssen nämlich auch mithilfe der Finanzpolitik für fairen Wettbewerb sorgen; aber den Begriff habe ich weder bei Herrn Gabriel noch bei Herrn Fuchs gehört, und Herr Pfeiffer hatte schon angekündigt, dass er aus Zeitgründen nicht dazu kommt. Herr Gabriel, wir haben einen Umsatzsteuerbetrug im Umfang von 6 bis 10 Milliarden Euro. Das wird im BMF verleugnet; die Länder jedoch sehen einen wettbewerbsverzerrenden Umsatzsteuerbetrug im Umfang von 6 bis 10 Milliarden Euro. Die Methoden liegen auf der Hand. Die sind im Hamburger Taxigewerbe eingeführt worden. Dass hier etwas geschieht, wird aber von der Bundesregierung blockiert. Bitte denken Sie darüber einmal nach. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will jetzt gar nicht auf die Hotelsteuer und andere Branchensubventionen zu sprechen kommen, bei denen wir eigentlich auch etwas tun müssten. Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung hat verflucht viele Hausaufgaben zu machen, nicht nur im Bereich der Flüchtlinge. Ich denke, dass es absolut notwendig und wichtig ist, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen, um das hinzukriegen, was wir brauchen, nämlich mehr Investitionen, vor allen Dingen im privaten Bereich. Das bekommen wir nur hin, wenn Sie endlich Ihre Hausaufgaben machen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächstes hat Andreas Lämmel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern Abend hat der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Herr Kramer, anlässlich des Parlamentarischen Abends von BDI, BDA und DIHK noch einmal deutlich gemacht, dass die deutsche Wirtschaft – das ist ja von niemandem bestritten worden – sich in einer sehr guten Verfassung befindet, allerdings geschmiert durch einen niedrigen Ölpreis, niedrige Zinsen und einen günstigen Wechselkurs. Er hat auch noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass diese positive Entwicklung kein Selbstläufer ist, sondern dass sich erstens die Weltwirtschaft immer wieder in durchaus fragilen Zuständen befindet und zweitens auch die Politik in Deutschland immer wieder einmal dazu neigt, mit Überregulierung und Bürokratisierung den Unternehmen das Leben schwer zu machen. Und er warnte davor, dies weiter auszubauen. Meine Damen und Herren, wenn wir heute über den Haushaltsplan des Bundeswirtschaftsministers diskutieren, den Einzelplan 09, dann muss man erst einmal ganz grundsätzlich sagen: Wirtschaftspolitik ist Zukunftspolitik. Denn die Maßnahmen, die wir heute zum ersten Mal diskutieren und im November dann beschließen werden, wirken ja nicht kurzfristig, sondern sie sind eigentlich alle mittel- und langfristig angelegt. Deswegen muss man sich, wenn man sich den Haushaltsentwurf anschaut, erst einmal – das möchte ich klar sagen – die Frage stellen: Werden die Haushaltsansätze des Wirtschaftsministers letztendlich diesem Grundsatz gerecht, und werden hier die Grundlagen gelegt für eine zukünftige wirtschaftliche Entwicklung? Positiv an dem Haushaltsentwurf ist, dass er deutlich übersichtlicher geworden ist. Die fünf Kapitel, die man jetzt im Haushaltsentwurf findet, sind doch dazu angetan, die Titel etwas besser zu sortieren, obwohl ich sagen muss, dass durch die vielen Querverweise, durch Deckungsvermerke und letztendlich durch die hohe Vorbindung über Verpflichtungsermächtigungen ein klares Bild nicht sofort ablesbar ist. Man muss sich vielmehr bei jedem Titel die Arbeit machen und genau schauen, wie die wirkliche Situation ist. Grundsätzlich kann man aber sagen: Der Haushaltsplanentwurf zeichnet sich aus durch eine hohe Investitionsquote, durch hohe Ausgaben im Bereich Forschung und Technologie. Deswegen kann ich überhaupt nicht verstehen, dass die linke Seite meint, hier werde nicht an der Zukunft gearbeitet. Vielleicht haben Sie ja den Plan von vor zehn Jahren in der Hand gehabt, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Programm ZIM wurde ja schon mehrfach angesprochen. Hier wird sich die Sache daran entscheiden – das muss man noch einmal ganz klarstellen –, dass erstens der Ansatz nicht zurückgeht – über diese Notwendigkeit sind wir uns, glaube ich, hier im Hohen Hause einig – und dass zweitens genau geguckt wird, wie viele Mittel überhaupt noch frei verfügbar sind. Die hohe Vorbindung aus früheren Jahren schränkt im Prinzip die Neuvergabe von Mitteln ein, und das ist – glaube ich – ein Punkt, den wir in den nächsten Wochen noch einmal gründlich diskutieren müssen. Das Gleiche gilt bei der Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe GRW. Hier gibt es aus meiner Sicht zwei Randbedingungen: Zum Ersten müssen die Länder ihre Verpflichtungen erfüllen, das heißt, sie müssen ihren 50-prozentigen Finanzierungsanteil auch bereitstellen. Zum Zweiten ist auch hier die Frage zu stellen: Wie viele freie Mittel sind noch da? Welchen Umfang hat die sogenannte freie Spitze, um überhaupt Neubewilligungen auszusprechen? Hier gibt es also noch einigen Diskussionsbedarf. Ich möchte nun noch auf ein paar kleinere Titel zu sprechen kommen, Herr Minister, die mir aufgefallen sind. Das Explorationsprogramm wird eingestellt. (Thomas Jurk [SPD]: Richtig!) Das Explorationsprogramm diente ja dazu, deutschen Unternehmen den Weg zur Exploration von Rohstoffen zu erleichtern, und es war eigentlich ein neues Programm. Nun schreibt das Bundeswirtschaftsministerium dazu: Der Bedarf war in den letzten Jahren nicht da, deswegen wird das Programm eingestellt. – Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob das wirklich der richtige Weg ist oder ob man nicht noch einmal klarer analysieren müsste, warum es denn so schlecht gelaufen ist. Gab es wirklich keinen Bedarf? Oder sind die Bedingungen schlecht gewesen? Muss man also daran etwas ändern? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich weiß nicht, ob es wirklich gut ist, neu beschrittene Wege so schnell wieder zu beenden. Dann zu dem Themenbereich Außenwirtschaft: Das ist im Prinzip auch ein sehr wichtiger Punkt; denn Deutschland ist wieder Exportweltmeister, und die Begleitung und Unterstützung vor allen Dingen kleiner und mittlerer Unternehmen im Ausland durch den Staat und die Kammern sowie die Präsenz Deutschlands im Ausland sind eine ganz wichtige Sache. Hier bleiben die Ansätze erst einmal bestehen. Man schreibt auch in den Begleittexten: Es werden wieder einige Dependancen etwas aufgewertet. Aber wenn man in Außenhandelskammern nachfragt, zeigt sich das Problem, dass zwar die Grundausstattung vieler Außenhandelskammern finanziell gesichert ist, aber man eigentlich nicht wirklich etwas machen kann, weil die großen Außenhandelskammerstandorte oftmals im Verhältnis zu den kleineren finanziell wesentlich schlechter ausgestattet sind und eigentlich weniger Projektmittel zur Verfügung haben, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Jetzt komme ich auf mein Lieblingsthema: die Präsenz Deutschlands in Afrika. Natürlich weiß ich um das Problem, dass man nicht in jedem der afrikanischen Länder eine Außenhandelskammer oder ein Delegationsbüro eröffnen kann. Aber ich würde trotzdem anregen, Herr Minister, dass man dieses Thema im Außenwirtschaftsbeirat mit auf die Tagesordnung setzt, um einfach für die nächsten Jahre eine Strategie zu entwickeln, wie wir in Afrika präsenter werden können. Zumindest besteht da bei uns ein großes Interesse. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich komme jetzt auch zum Thema Fluchtursachenbekämpfung. Da haben Sie, Herr Minister, einen Haushaltstitel, über den Mittel für Transformationspartnerschaften bereitgestellt werden. Der Ansatz für Transformationspartnerschaften in Ihrem Haushalt ist mit 1 Million Euro ausgestattet, die zunächst vorrangig für Partnerschaften mit Ägypten und Tunesien bereitgestellt werden. Ich halte das grundsätzlich für eine gute Idee. Ob man mit der Million hinkommt, kann ich im Moment nicht einschätzen. Herr Minister, da wäre doch jetzt eigentlich die große Chance, sich mit dem BMZ zusammenzusetzen. Das BMZ hat ja einen enormen Aufwuchs an Mitteln. (Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Ja, die sollen mal machen! – Thomas Jurk [SPD]: Guter Vorschlag! Sehr gut!) Man könnte somit versuchen, über das Mischen von Geldern gemeinsame Projekte mit einem größeren Push zu versehen. Oftmals scheitern die Projekte ja daran, dass sie weder richtig ins Wirtschaftsministerium noch richtig ins BMZ passen. So wäre zu fragen, ob man bei den Transformationspartnerschaften nicht einmal – ich halte es für notwendig, diesen Weg zu beschreiten – inter­ministeriell zusammenarbeiten könnte, um in den beiden Musterländern, mit denen wir diese Partnerschaften eingegangen sind, etwas zu bewegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das würde ich jedenfalls anregen. Wir können Ihnen zusagen, dass wir diesen Prozess sehr intensiv begleiten würden. Denn das könnte ja auch ein Modell für andere Länder werden und dafür sorgen, dass man in verschiedenen Bereichen vorankommt. Dann möchte ich hier natürlich eine Lanze für eine Branche brechen, die während der Haushaltsverhandlungen immer sehr wenig stattfindet: den Tourismus. (Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/CSU]) Meine Damen und Herren, der Tourismus ist für Deutschland eine wichtige Wirtschaftsbranche. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die Unternehmen im Bereich des Tourismus sind meistens mittlere und kleine Unternehmen. Sie können ihre Arbeitsplätze nicht in den Rucksack stecken und nach Tschechien oder nach China gehen, sondern sie müssen mit den Bedingungen hier in Deutschland klarkommen. Die Gästezahlen haben sich in Deutschland in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Das erfreut uns natürlich sehr. (Thomas Jurk [SPD]: Richtig!) Auch die Mittel für das Marketing von Deutschland haben sich in den letzten Jahren etwas nach oben entwickelt. Nun hat aber im Haushaltsentwurf eine Verschiebung stattgefunden, Herr Minister. Dass die Deutsche Zentrale für Tourismus eine halbe Million Euro zusätzlich bekommt, um die Marktbearbeitung im Ausland zu intensivieren, ist erst einmal ganz gut. Aber ich weiß nicht, ob es überall Zustimmung finden wird, dass man das Geld innerhalb des Tourismustitels verschiebt und bei den Mitteln für Studien und Untersuchungen wegnimmt, die dazu da sind, neue Entwicklungen zu untersuchen und herauszufinden, welche neuen Wege in Deutschland beschritten werden könnten. Das ist sicherlich diskussionswürdig, auch wenn wir wissen, dass der Bund eigentlich nicht die Kompetenz im Bereich Tourismus hat, (Thomas Jurk [SPD]: Kompetenz hat er schon!) sondern die Länder hier verantwortlich sind. Meine Damen und Herren, wir wissen auch: Tourismuspolitik ist oftmals ziemliche Kirchturmpolitik. Wenn man also deutschlandweite Initiativen wie zum Beispiel die Servicequalitätsinitiative installieren will – die Servicequalitätsinitiative ist ein gutes Beispiel, weil man es hier erstmalig geschafft hat, ein Label für ganz Deutschland zu schaffen –, dann braucht man auch ein paar Mittel, um von der Bundesebene aus solche Vorhaben mit voranzubringen. (Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Holen Sie das Geld von Schäuble! – Beifall des Abg. Thomas Jurk [SPD]) – Ja, Herr Heil, ich nehme mal an, Sie werden uns dabei helfen. – Ich denke, dass wir im Ausschuss noch einige Diskussionen zu führen haben, bis der Haushaltsentwurf letztendlich verabschiedet werden kann. Grundsätzlich muss man sagen: Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, die Prioritäten sind gesetzt, und jetzt kommt es darauf an, die entsprechenden Details zu regeln. Ich bin insofern optimistisch, dass wir im Haushalt einen guten Einzelplan 09 hinbekommen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Der Kollege Andreas Mattfeldt spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Aber schön beim Haushalt bleiben! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Hubertus Heil, ein bisschen ernsthaft wollen wir schon sein, da wir ja gerade auch bei der Beratung des Haushalts des Wirtschaftsministeriums feststellen konnten, dass die Flüchtlingssituation natürlich auch diese Debatte bestimmt hat. Ich glaube, wir sind uns einig, wenn ich sage, dass dieses Thema vor allem ein Wirtschaftsthema ist; denn bei all den zu bewältigenden Problemen kann Zuwanderung für viele Unternehmen eine große Chance bedeuten, eine Chance, dass wir unseren Wohlstand, der auf einer großartigen Wirtschaftsleistung der vergangenen Jahrzehnte aufbaut, auch zukünftig erhalten. Aber zunächst einmal stellen 800 000 Flüchtlinge eine große Herausforderung dar, vor der wir alle stehen. Zur Wahrheit gehört, dass wir eine solche Anzahl nicht dauerhaft werden bewältigen können. Dass viele Mitbürger in unserem Land angesichts einer solchen Anzahl von Flüchtlingen Ängste haben und sich fragen, wie Bund, Länder und Kommunen die Unterbringung und auch die Integration bewältigen wollen, ist, wie ich glaube, nur allzu verständlich. Nicht alle Mitbürger, die uns kritische Fragen stellen, sind extrem. Mitnichten, viele Mitbürger sind ernsthaft besorgt, sie haben Angst, und wir sollten uns davor hüten – was ich ab und an latent höre –, die Mitbürger, die kritische Fragen aufwerfen, sofort in eine extreme Ecke zu stellen. Wir als Politik müssen Antworten geben, wir müssen Entscheidungen treffen, gerade auch um Ängsten zu begegnen. Deswegen ist es richtig, dass der Koalitionsausschuss Regelungen zur Bewältigung der Flüchtlingssituation getroffen hat. Diese müssen wir jetzt sehr zügig umsetzen. Ob die Maßnahmen ausreichend sind, das werden wir heute sicherlich noch nicht bewerten können; das müssen wir später analysieren. Auch wenn die Wirtschaftspolitik bei diesem Thema nicht federführend ist, so kommt der Wirtschaft in dieser Frage eine besondere Bedeutung zu. Denn nur wenn es gelingt, gemeinsam mit der Wirtschaft das Potenzial und die Motivation der Menschen, die zu uns kommen, zu nutzen, nur dann wird Integration gelingen. Deshalb sage ich ganz deutlich: Für die deutsche Wirtschaft können die Flüchtlinge, von denen nicht alle, aber einige mit guter Ausbildung hierherkommen und die willig sind, sich hier ausbilden zu lassen und zu arbeiten, eine Chance bedeuten. Wir müssen aber – auch das gehört zur Wahrheit, wenn wir keine dauerhaften sozialen Probleme erleben wollen – erfolgreicher sein als bei den Flüchtlingen, die vor drei Jahren zu uns gekommen sind. Von denen konnten lediglich 12 Prozent in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ich glaube, wir sind uns einig: Das ist beileibe zu wenig. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass gerade das neue Ausbildungsjahr begonnen hat und auch in diesem Jahr wieder 40 000 Lehrstellen unbesetzt bleiben. Der Fachkräftemangel führt in einigen Betrieben bereits so weit, dass Aufträge abgelehnt werden, dass bestehende Produktionskapazitäten nicht ausgenutzt werden. Wir sollten aber auch so realistisch sein, zuzugeben, dass wir das Problem des Fachkräftemangels für große Bereiche unserer Wirtschaft nicht ausschließlich durch Flüchtlinge werden lösen können. Deshalb haben wir zur Bekämpfung des Fachkräftemangels zahlreiche Programme, über viele Bundesministerien verteilt, auf den Weg gebracht, die dazu dienen sollen, Fachkräfte im Ausland anzuwerben bzw. die Menschen im Ausland für eine Tätigkeit in Deutschland zu interessieren. Einiges davon ist in dem Einzelplan 09, über den wir heute sprechen, etatisiert. Allein der Titel „Fachkräftesicherung für kleine und mittlere Unternehmen“ ist mit 17 Millionen Euro ausgestattet. In anderen Ressorts sieht es bei solchen Titeln nicht anders aus. Auch dort sind reihenweise Gelder zur Gewinnung von Fachkräften veranschlagt; von den Initiativen der Länder und der Kommunen möchte ich gar nicht sprechen. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass wir dem Fachkräftemangel nur zielführend begegnen können, indem wir alle koordiniert vorgehen. Im Moment habe ich den Eindruck, dass zahlreiche Programme nebeneinander laufen, und ich befürchte, dass das Geld größtenteils versickert, weil die eine Hand häufig nicht weiß, was die andere tut. Ich halte es für wünschenswert, diesen Missstand zu beheben. Vielleicht wäre es zielführend, eine zentrale Abteilung einzurichten, in der alle Bestrebungen, die in diese Richtung zielen, national koordiniert werden. Ich bin mir sicher, dass wir dann, vielleicht sogar mit weniger Geld, bessere Ergebnisse erzielen können als bisher, wenn die Zuständigkeit in einem Ministerium gebündelt wird, wenn ein Minister für dieses Thema zuständig ist. Dabei ist mir ganz egal, ob das das Wirtschaftsministerium, das Sozialministerium oder ein anderes Ministerium ist. Wichtig ist, dass wir einen Ort haben, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Ich halte das für zwingend erforderlich, um gerade dem Mittelstand die notwendige Unterstützung bei der Suche nach Fachkräften zukommen zu lassen. Es mag auch sinnvoll sein, die Gewinnung von Arbeitskräften aus dem Kreis der Flüchtlinge so zu koordinieren; das nur einmal so als Gedankenspiel, bevor jedes Ministerium im Bereich der Flüchtlinge selbst aktiv wird und nichts koordiniert stattfindet. Meine Damen und Herren, zu einem anderen Thema, das der deutschen Wirtschaft Bauchschmerzen bereitet. Das ist die wirtschaftliche Situation in China. Die unruhige Börsensituation dort ist natürlich auch an den deutschen Börsen nicht spurlos vorbeigegangen. Noch vermag hier niemand abzusehen, welche Auswirkungen die Vorgänge in China auf die Weltwirtschaft und somit auch auf die deutsche Wirtschaft haben werden. Einige befürchten jetzt schon – das sind die Pessimisten –, dass die nächste Wirtschafts- und Finanzkrise ausbrechen könnte. Ich persönlich sehe das nicht so pessimistisch. Ich bin mir vielmehr sicher, dass gerade Deutschland, aber auch große Teile Europas wirtschaftlich stark genug sind, um ein Abkühlen des Wirtschaftsklimas in China, welches vielleicht sogar wirtschaftspolitisch nachvollziehbar ist, zu verkraften. Wir sollten nicht vergessen, dass China auch bei einer Abkühlung des Wirtschaftsklimas immer noch ein sehr hohes Nachfragepotenzial für unsere deutschen und unsere europäischen Unternehmen hat. Meine Damen und Herren, es sieht gut aus für die deutsche Wirtschaft. Damit dies auch so bleibt, unterstützen wir mit diesem Haushalt den Mittelstand massiv. So sieht der Entwurf die Bereitstellung von Fördergeldern in Höhe von 781 Millionen Euro vor, die im Zuge von Förderprogrammen wie dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand – übrigens, Herr Gambke, das machen wir schon selber, das setzen wir wieder auf den alten Stand; da können Sie sicher sein – (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Gott sei Dank!) und ähnlichen Programmen ausgezahlt werden. Das ist eine enorme Summe. Dabei belassen wir es aber nicht, sondern es gibt auch noch eine Reihe von Dienstleistungen, die der Bund mittelständischen Betrieben anbietet. Ich möchte hier exemplarisch die Arbeit der Außenhandelskammern nennen, für die auch in diesem Haushaltsentwurf 40 Millionen Euro vorgesehen sind. Die Außenhandelskammern bieten uns Mittelständlern – ich darf das in meinem Betrieb häufig erleben – große Hilfe, wenn wir unsere Produkte im Ausland vermarkten wollen. Gerade Mittelständler sind auf das Know-how unserer Außenhandelskammern angewiesen, wenn ein neuer Markt im Ausland erschlossen werden soll. Die Außenhandelskammern unterstützen häufig eben nicht nur in rechtlichen Fragen, sondern sie können auch die Markt- situation in den jeweiligen Ländern häufig besser abschätzen, als wir in Berlin das können. Mit Stolz kann auch die Luft- und Raumfahrtindustrie auf die vergangenen Jahre zurückblicken, Herr Kollege Claus. Sie hat sich zu einem festen Beschäftigungs- und Innovationsfaktor entwickelt. Sie erhält – Sie haben recht, das ist eine große Summe – 1,6 Milliarden Euro, also einen erheblichen Anteil an Mitteln aus dem Einzelplan 09. Diese Investition zahlt sich besonders in der Luftfahrt aus. Erst kürzlich hat Airbus erneut erfolgreiche Abschlüsse vermelden können. Das Unternehmen hat den Konkurrenten Boeing weiter hinter sich gelassen. Die Bestellung von 250 Maschinen des A320neo durch die indische Airline IndiGo zeigt den Erfolg des Unternehmens. Mit ein wenig Stolz dürfen wir sagen, dass auch die Politik mit geschickten Förderinstrumentarien zu diesem Erfolg beigetragen hat. Das führen wir auf einem sehr, sehr hohen Niveau fort. (Beifall bei der CDU/CSU) Doch, meine Damen und Herren, wir dürfen auch andere wichtige Industriezweige nicht vernachlässigen. Der Tourismus ist eben angesprochen worden. Ich spreche jetzt über den Bereich der maritimen Wirtschaft, die erhebliche Chancen birgt. Von der maritimen Wirtschaft profitieren nicht nur – das ist häufig ein Trugschluss – küstennahe Standorte. Vielmehr gibt es über die ganze Bundesrepublik verteilt eine ganze Reihe von Produktionsstandorten, die Produkte für die maritime Wirtschaft zuliefern. Die maritime Wirtschaft stellt heute inklusive der Zulieferindustrie über 400 000 Arbeitsplätze in Deutschland. Das ist schon eine Hausnummer, meine sehr verehrten Damen und Herren! Allerdings spiegelt sich diese Hausnummer im Haushaltsansatz kaum wider. Gemessen an 1,6 Milliarden Euro für Luft- und Raumfahrt sind 50 Millionen Euro für die maritime Wirtschaft sicherlich sehr bescheiden. Ich bin fest davon überzeugt, dass Deutschland im Bereich der maritimen Technologien noch erhebliches Potenzial und Luft nach oben hat. Wir sollten in den anstehenden Beratungen überlegen, ob wir mit klugen Entscheidungen zugunsten der maritimen Wirtschaft noch in diesem Haushalt dafür Sorge tragen, noch erfolgreicher zu agieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Als letzter Redner möchte ich damit schließen: Ich freue mich auf interessante und konstruktive Haushaltsberatungen in diesem Jahr. Auch in diesem Jahr lade ich die Opposition wieder dazu ein, konstruktiv daran mitzuwirken. Ich bin sicher, wir werden dann, wie schon in den vergangenen Jahren, auch in diesem Jahr einen erfolgreichen Haushalt verabschieden können. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Der Kollege Mattfeldt ist allerdings heute nicht der letzte Redner; da muss ich Sie jetzt enttäuschen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Aber der letzte Redner in dieser Debatte!) Zu diesem Einzelplan jedenfalls liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Einzelplan 30. (Unruhe) – Ich darf dann die Herren bitten, ihre Plätze einzunehmen. Wer noch dringenden Gesprächsbedarf hat, der kann vielleicht außerhalb des Plenarsaals weitersprechen. Für die Bundesregierung erhält jetzt das Wort Bundesministerin Dr. Johanna Wanka. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich diesen Haushalt anschaut, dann sieht man, dass das Thema Bildung und Forschung in der Bundesregierung weiterhin, wie schon seit Jahren und insbesondere seit dem Beginn dieser Legislaturperiode, Priorität hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Haushalt des BMBF wächst wieder: von diesem Jahr zum nächsten um über 7 Prozent. Vom Beginn der Legislaturperiode bis 2016 sind es schon 18 Prozent. Wenn wir weiter zurückgehen, nämlich in das Jahr 2005, dann können wir feststellen, dass sich der Haushalt des BMBF mehr als verdoppelt hat. Im Ergebnis heißt das, dass für das Jahr 2016 16,4 Milliarden Euro eingeplant sind. Nun kann man das hoch- und runterdeklinieren und sich über diese Summe freuen. Wichtig ist aber: Was macht man mit dem Geld? Wird es richtig eingesetzt? Wofür wird es ausgegeben? Für mich steht das Thema Bildungsgerechtigkeit im Fokus; das ist ganz entscheidend. Wir sind ein reiches Land. Bildungschancen sind Lebenschancen. Diese Lebenschancen brauchen wir für die Einheimischen und für die Zuwanderer. Bildungsgerechtigkeit heißt zum Beispiel, dass wir in den nächsten Jahren verstärkt dafür sorgen, dass Erwachsene lesen und schreiben können, Stichwort „Alphabetisierung“. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen in den nächsten zehn Jahren 180 Millionen Euro dafür einsetzen. Wir wollen die Erfahrungen, die wir in den vielen Projekten – über 50 – mit der Wirtschaft in den Betrieben gesammelt haben, in die Breite tragen und aufwachsen lassen, um Chancen zu eröffnen. Zur Bildungsgerechtigkeit gehört auch unser Programm „Kultur macht stark“. Das ist das größte Programm für kulturelle Bildung, das es je in der Bundesrepublik Deutschland gab. Wir haben jetzt eine Zwischenevaluation. Sie zeigt, dass wir mit diesem Programm diejenigen erreichen, die wir erreichen wollen: die Kinder und Jugendlichen, die es schwerer haben, die aus bildungsfernen Elternhäusern kommen, die zum Teil Migrationshintergrund haben. Genau sie werden mit diesem Programm erreicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bildungsgerechtigkeit heißt individuelle und präventive Berufsberatung. Wir machen das auf einem sehr hohen Niveau. Gemeinsam mit dem Arbeitsministerium erreichen wir Hunderttausende. Wir wollen jetzt – das funktioniert schon an der einen oder anderen Stelle, zum Beispiel in Wismar –, dass es diese individuelle und präventive Beratung auch für Gymnasien gibt, damit ein Schüler nicht sofort gesagt bekommt, dass er später studieren muss, sondern damit er im Hinblick auf Studium und Ausbildung beraten wird. Hierzu habe ich alle Länderminister angeschrieben. Es gibt ein großes Interesse daran. Wir werden das jetzt Stück für Stück in den unterschiedlichsten Bundesländern umsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bildungsgerechtigkeit heißt natürlich auch: Chancen für die Begabten, Begabtenförderung. Die Mittel hierfür – für Begabtenförderwerke, für Wettbewerbe, die wir durchführen, und anderes – sind seit 2005 verdreifacht worden. Begabtenförderung heißt auch Deutschland­stipendium. Ich habe jetzt zum Beispiel eine junge syrische Geigerin kennengelernt. Als sie in Damaskus studierte, brach der Krieg aus. Sie ist zu uns gekommen, ist in Weimar jetzt Meisterschülerin und kann sich mit dem Deutschlandstipendium ihren Traum erfüllen. Auch das ist Bildungsgerechtigkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Zusammenhang mit Bildungsgerechtigkeit muss man unbedingt KAUSA nennen, das sind die Koordinierungs- und Beratungsstellen für potenzielle Auszubildende mit Migrationshintergrund. Wir haben die Anzahl dieser Stellen verdoppelt; wir haben jetzt 14 oder 15, jedenfalls eine große Zahl. Wir haben in diesem Bereich Erfahrung sammeln können. Diese Stellen sind zwingend notwendig als Ansprechpartner für die jungen Menschen, die zu uns kommen: Flüchtlinge, Asylbewerber. Wir haben nur vorläufige Zahlen; alle wissen, wie dynamisch dieses Feld ist. Die vorläufigen Zahlen zeigen, dass mehr als ein Drittel derjenigen, die zu uns kommen, jünger als 18 ist, und dass diejenigen zwischen 18 und 25 Jahren im Moment ein Viertel ausmachen. Es ist ganz entscheidend, dass man für diese Menschen Bildung und Arbeit ermöglicht. Die Voraussetzung ist natürlich, Deutsch zu können und gute Schulbildung zu haben. Man kann über vielfältige Möglichkeiten, zum Beispiel über die angebotenen Kurse, Deutsch lernen. Im Rahmen der Alphabetisierung hat der Deutsche Volkshochschul-Verband mit Fördermitteln von uns auch ein Selbstlernprogramm über das Netz entwickelt. Dies hat in den letzten Jahren 500 000 Lernende erreicht. Wir haben jetzt angeschoben, dass dies auch über Smartphones verfügbar wird, weil die Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern mit dieser Technik ausgerüstet sind. Das hilft, ganz viele schnell zu erreichen, zu motivieren und über Deutschland und Ausbildung zu informieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir alle wissen – darüber haben wir hier oft geredet –, dass es junge Leute gibt, die nicht ausbildungsfähig sind. Sie ausbildungsfähig zu machen, ihre Ausbildungsfähigkeit zu stärken, ist das Ziel des Übergangssystems. Wir haben uns dafür auf die Schulter geklopft – ich jedenfalls habe das getan –, dass es uns in den letzten Jahren gelungen ist, dieses Übergangssystem um etwa 40 Prozent zu reduzieren. Aber es wird jetzt wieder wachsen; die Zahl derjenigen, die ausbildungsfähig gemacht werden müssen, wird ansteigen. Denn es wird der Ort sein, wo viele dieser jungen Leute Ausbildungsfähigkeit erreichen müssen. Wir können froh sein, dass wir dieses Instrumentarium haben. Wir müssen es jetzt entsprechend stärken. Wenn jemand, der zu uns kommt, eine Qualifikation hat, dann wird aufgrund des Rechtsanspruches, den er durch das Anerkennungsgesetz hat, seine Qualifikation eingeschätzt, sodass die Wirtschaft weiß, was er kann, auch wenn er keine Papiere hat. Auch das ist jetzt möglich. Hierfür gibt es seit 2012 das entsprechende Instrument. Wir haben im Bereich der Ausbildung seit 1. August geregelt, dass jemand, der eine Ausbildung beginnt, auch wenn er nur geduldet ist, auch wenn er vielleicht wieder gehen muss, diese Ausbildung in Deutschland abschließen kann. Damit hat er, wenn er lange hier bleiben kann, natürlich die beste Chance zur Integration. Wenn er einer von denen ist, die wieder gehen müssen, dann hat er in dieser Zeit in Deutschland immerhin etwas für sein Leben gelernt und wird stärker sein in dem Land, in dem er zu Hause ist und dann lebt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ab 1. Januar 2016 wird die Wartezeit bis zum Anspruch auf BAföG für diejenigen, die zu uns kommen, auf 15 Monate reduziert. Das waren einmal über vier Jahre. Die Hochschulen freuen sich in den Welcome Centern und an anderer Stelle auf die jungen Menschen, die zu uns kommen und in der Lage sind, ein Studium zu beginnen. Das BAföG wird natürlich nicht nur unter dem Aspekt, dass der Zugang für Flüchtlinge vereinfacht wird, verbessert. Ganz klar ist: Es ist ein Riesenpaket. Das kostet wahnsinnig viel Geld, aber es wird dafür sorgen, dass am Ende dieser Legislaturperiode so viele junge Menschen wie seit über 30 Jahren nicht mehr in den Genuss des BAföG kommen. Die Summen, die wir dafür ausgeben, sind beträchtlich. Sie wissen, dass der Bund das alleine finanziert. Als Nächstes zum Meister-BAföG. Wir haben mit den Koalitionsfraktionen vereinbart, es nicht nur zu modernisieren, sondern auch die Leistungen enorm auszuweiten. Genau das brauchen wir. Da wir ja immer wieder über Gleichwertigkeit reden und für duale Ausbildung werben, ist festzustellen: Das Meister-BAföG ist von der Qualität her, so wie es derzeit ausgestaltet ist, ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es gibt eine Frage, über die wir ständig diskutieren, entweder mit Sorge oder mit Begeisterung – sie ist jedenfalls das Thema –: Wie viele Menschen kann Deutschland aufnehmen? Es ist doch ganz klar: Damit die Aufnahmefähigkeit groß ist und zunimmt, müssen wir gut, innovativ und wettbewerbsfähig sein. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass alle, die in diesem Land leben, Chancen haben, auch die Chance, ein Studium aufzunehmen, wenn sie es denn wollen. Deswegen ist der Hochschulpakt – sehen Sie sich einmal an, wie viel Geld er uns allein im nächsten Jahr kostet – ein richtiges Instrument. Er bietet Sicherheit für die nächsten Jahre und ist mit den Ländern vereinbart. Ich glaube, das war nicht nur angesichts der demografischen Entwicklung, sondern auch vor dem Hintergrund der Flüchtlingssituation ein ganz wichtiger und richtiger Schritt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Bund ist seit vielen Jahren ein ganz wichtiger Partner im Bereich der Forschung. Während in vielen anderen europäischen Ländern und darüber hinaus, auch in den USA, der Rotstift angesetzt wurde, war das bei uns nicht der Fall. Bei uns sind die Summen für Forschung in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert worden. Kontinuität gab es zum Beispiel durch den Pakt für Forschung und Innovation. Es bestand die Gefahr, dass dieses gute Instrument nicht mehr fortgeführt wird. Deswegen war es eine große Leistung, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass der Bund die jährliche 3-Prozent-Steigerung der Mittel für den Pakt für Forschung und Innovation allein finanziert. Das führt schon in der nächsten Zeit zu einer Entlastung der Länder um 1,2 Milliarden Euro. Der Pakt für Forschung und Innovation bedeutet nicht nur Tarifsteigerungen oder dass jetzt also alle ein bisschen mehr Geld bekommen und die Situation dadurch etwas komfortabler ist, sondern er bedeutet Innovationen. Ein Beispiel ist die Großforschung der Helmholtz-Gemeinschaft; sie möchte mit der Wirtschaft gemeinsam Labore einrichten. Oder: Die Fraunhofer-Gesellschaft hat Anwendungszentren als ein tolles neues Instrument für Mittelstand und Fachhochschulen entwickelt. Diese Anwendungszentren kann sie jetzt ausbauen und neue einrichten. Wir müssen dort ja etwas in der Breite tun. Oder: Die Leibniz-Gemeinschaft hat sich vorgenommen – ich glaube, das freut auch diejenigen, die vorhin miteinander diskutiert haben –, sich stärker für Gründungsmentalität zu engagieren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten aus den Mitteln des Pakts für Forschung und Innovation Start-ups zu unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Weil wir leistungsstark sind, sind wir auch für viele Studenten ein Zielland, was mich sehr freut; denken Sie nur an Diplomingenieure. Diejenigen, die zu uns kommen, sind in überproportionalem Maße – mehr als in allen anderen Fächern – Studenten, die in Deutschland einen Master im Ingenieurbereich machen wollen. Deutschland ist aber nicht nur das drittbeliebteste Zielland für Studierende aus aller Welt – erster Platz USA, zweiter Platz Großbritannien – also englischsprachige Länder –, dritter Platz Deutschland –, sondern mittlerweile auch ein Standort für hochkarätige Wissenschaftler. Ein Beispiel sind die Alexander-von-Humboldt-Professuren. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist – das ist jetzt allerdings eine Hypothese –, eine der nächsten Nobelpreisträgerinnen – man kann es zwar noch nicht ganz genau sagen, aber ich denke, dass es so kommen wird – zu gewinnen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ui!) – Ja. – Sicher ist schon, dass wir Herrn Böttinger gewonnen haben. Ab 1. November dieses Jahres wird er das Berliner Institut für Gesundheitsforschung leiten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dieses Berliner Institut – ich sage nur: 90 Prozent Bundesfinanzierung – wird unter seiner Leitung, glaube ich, sehr erfolgreich arbeiten. Er ist jemand, der in den USA in der ersten Liga gespielt hat, der genau weiß, was dort läuft, und der dafür sorgen wird, dass wir in der Weltspitze sind. Nur das kann der Anspruch sein, wenn sich der Bund dort in einem solchen Maße engagiert. Meine Damen und Herren, natürlich haben die Investitionen in Bildung und Forschung eine Hebelwirkung für die Wirtschaft. Gerade wurde eine DIW-Studie veröffentlicht, die besagt, dass ein stärkeres Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Forschungsausgaben sehr schnell, also kurzfristig, zu einer Erhöhung des BIP führt und wir in Deutschland auf diesem Gebiet besonders stark sind. Das ist unsere Chance. Ich könnte Ihnen jetzt noch ein paar schöne Zahlen nennen und zum Beispiel darauf hinweisen, dass wir in Europa diejenigen sind, die das meiste Geld für Forschung und Entwicklung ausgeben. Aber: Die anderen schlafen nicht. Es geht auch nicht nur um Europa, sondern um die ganze Welt. Deswegen ist diese Entscheidung mit Blick auf den Haushalt richtig: Der Schwerpunkt, um den es hier insbesondere geht, ist das Thema Digitalisierung und digitaler Wandel. Gerade haben wir die Plattform „Digitalisierung in Bildung und Wissenschaft“, die ein ganz breites Spektrum abdeckt und mit wichtigen Menschen besetzt ist, gestartet. Wir werden – wir machen bekanntlich viel für Frauen im MINT-Bereich – im Januar eine neue Initiative starten, bei der es darum geht, vor allem den Anteil der Frauen in der Informatik zu erhöhen. Das ist einer der Bereiche unter den MINT-Fächern, in dem es immer noch nicht so gut aussieht. Ich glaube, dass wir mit unserem großen Programm für Cybersicherheit für die Wirtschaft – die größte Sorge der Wirtschaft gilt dem Datenklau – dort die richtigen Impulse setzen, und zwar nicht nur für die großen Unternehmen, sondern gerade für den Mittelstand. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Programm „Industrie 4.0 – Forschung auf den betrieblichen Hallenboden“, das im April gestartet ist, funktioniert nur, wenn der Forscher oder die Forscherin einen Mittelständler an der Seite hat, wo man die Dinge auch ganz handfest vor Ort ausprobieren kann; denn es geht nicht nur darum, an einer neuen Publikation zu schreiben. Das brauchen wir. Ich denke, insgesamt kann man sagen, dass die Politik in den letzten Jahren sehr viel dazu beigetragen hat, dass Forschung und Entwicklung in Deutschland gestärkt worden sind. Wir dürfen aber nicht nachlassen, sondern müssen diesen Weg weitergehen. Ich freue mich, wenn Sie uns an dieser Stelle ganz massiv unterstützen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Roland Claus, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin, wenn man Ihnen zuhört – und das mache ich oft –, dann stellt man fest: Bei Ihnen gibt es eigentlich nur drei gesellschaftliche Aggregatzustände. Entweder heißt es „Deutschland geht es gut“ bzw. „Wir sind auf einem guten Weg“, oder wenn die ersten beiden nicht funktionieren, dann ist die Position der Regierung „alternativlos“. So schön und heil ist die Welt aber nicht, Frau Ministerin. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das Hauptargument, das Sie immer anführen, sind die enorm steigenden Ausgaben für Bildung und Forschung. Das kann jeder nachlesen, und das ist auch unbestritten. (Beifall bei der CDU/CSU) Das sagt aber noch nichts über erreichte Ergebnisse und die Effektivität aus. Gemessen wurden die Bienen nicht an ihren Flugkilometern, sondern an dem Honig, den sie nach Hause brachten. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das kommt jedes Mal!) Niemand im Deutschen Bundestag wird gegen eine bessere Finanzierung von Bildung und Wissenschaft anreden. Sie wissen auch, wie viele Projekte und Vorhaben wir durchaus einvernehmlich und gemeinsam unterstützten. Insofern haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass sich der Etat, um den wir heute ringen, seit 2005 mehr als verdoppelt hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber man muss zuweilen an Helmut Kohls gewichtige Aussage erinnern: Wichtig ist dabei, was hinten herauskommt, meine Damen und Herren. (Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie halten die Rede vom letzten Jahr! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sehr viel Gutes!) Dabei muss ich Sie auf ein paar akute Probleme aufmerksam machen. Ein ganz gravierendes Problem sind die befristeten Arbeitsverhältnisse, die Zeitverträge im akademischen Bereich, und zwar durchweg. (Willi Brase [SPD]: Die hat Kohl aber nicht gemeint!) Das Statistische Bundesamt hat kürzlich Vergleichszahlen veröffentlicht. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen: Bei den unter 30-Jährigen beträgt der Anteil der Beschäftigten mit einem Zeitvertrag 80 Prozent. Bei den unter 35-Jährigen sind es noch 70 Prozent, und bei unter 40-Jährigen immer noch 60 Prozent. Jetzt kommt eine Zahl, die mindestens genauso schlimm ist: Fast die Hälfte dieser befristeten Verträge hat eine Laufzeit von unter einem Jahr. Frau Ministerin, diesen Zustand kann man nicht unkommentiert hinnehmen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Denn ein solcher Zustand ist weder sozial noch kreativitätsfördernd. Man versetze sich doch einmal in die Lage eines solchen jungen Menschen, der womöglich einer fantastischen Idee auf die Sprünge helfen und einen wissenschaftlichen Durchbruch erzielen kann, aber feststellen muss, dass in drei, vier oder sechs Monaten sein Vertrag ausläuft und damit auch seine Gehaltszahlung endet. Das ist doch sozusagen wissenschafts- und kreativitätsfeindlich. Es ist aber auch familien- und kinderfeindlich. Das ist nicht zuletzt ein Zustand, mit dem jungen Akademikerinnen und Akademikern ein Stück ihrer Freiheit genommen wird. (Beifall bei der LINKEN) Nun haben Sie, glaube ich, das Problem erkannt und legen eine Novelle des – ich kann nichts für den Begriff – Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vor. Was die Analyse angeht, habe ich, als ich mich damit befasst habe, festgestellt: Das Problem ist erkannt. Aber bei der Lösung des Problems sehe ich auch in diesem Gesetzentwurf nicht wirklich weiterführende Schritte. Wir müssen Sie auffordern, energischer daran zu arbeiten, diesen Zustand zu überwinden, als das bisher der Fall war, Frau Ministerin. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In Ihrem Text heißt es: Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. – Das hat auch in Ihrer Rede eine Rolle gespielt. Leider belegen die OECD-Studie und andere Studien aber das Gegenteil. Ein ungleicher Zugang zu Bildung und Studium reproduziert nach wie vor eine soziale Spaltung der Gesellschaft. Darüber, wie sozial gespalten die Gesellschaft ist, haben wir uns in der Debatte zuvor ja unterhalten. Die Linke wird auch hierzu Vorschläge machen, unter anderem für eine umfassende – Sie werden sagen: radikale, und wir werden nicht darüber streiten – BAföG-Reform. Das wäre ein richtiger Schritt hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Sosehr ich mich für Ihre Geigerin in Weimar freue, Frau Ministerin: Das Deutschlandstipendium ist natürlich nicht der Weg, auf dem wir eine moderne Förderung erreichen können. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Genau da müssen Sie aber selber Verantwortung übernehmen! Das haben Sie noch nie gemacht!) Wir alle wissen doch, dass es zum Beispiel in Ostdeutschland natürlich unendlich schwer ist, 50 Prozent Sponsoring einzuwerben. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wie viel haben Sie denn übernommen? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur da!) Sie sehen sich auch – das können Sie auch nicht ausblenden – einer anhaltenden Kritik des Bundesrechnungshofs an der Erfolgskontrolle der Förderprogramme des Ministeriums ausgesetzt. Der Bundesrechnungshof schreibt Ihnen in seinem Bericht: Inzwischen ist ein unsystematisches Nebeneinander von Instrumenten entstanden. – Das ist keine Kleinigkeit. Wir nehmen das Ministerium hier gerne auch ein bisschen in Schutz und sagen: Gerade bei kreativen Leistungen in der Wissenschaft kann man nicht jede Erfolgskontrolle vorgeben. Hier muss es auch die Möglichkeit von „Versuch und Irrtum“ geben. Das heißt aber noch lange nicht, dass alles erlaubt ist und dass wir uns eine solche Projektträgerlobby, wie sie bei Ihnen anzutreffen ist, einfach unwidersprochen gefallen lassen könnten. Das werden wir zur Sprache bringen. Im Jahr 2014 haben wir Sie dafür kritisiert, dass 18 Beschäftigte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt unmittelbar in Ihrem Ministerium beschäftigt sind. In diesem Jahr stellt der Bundesrechnungshof fest, dass es 27 sind – allerdings von verschiedenen Projektträgern. Wir weisen darauf hin, dass das einen Konflikt bedeutet. Das sind Beschäftigte, die auf der einen Seite Zuwendungsempfänger sind – sie bekommen also Geld des Bundes – und auf der anderen Seite in dem Ministerium darüber entscheiden, wer das Geld bekommt. Der Bundesrechnungshof stellt dazu fest: Dies kann zu Interessenkollisionen und Wettbewerbsverzerrungen führen. – Das haben wir Ihnen vor einem Jahr auch gesagt, aber auf uns haben Sie ja nicht gehört. Nun nehmen Sie wenigstens den Rechnungshof ernst. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe vorhin in der Debatte über den Wirtschaftsetat die Subventionierung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und von Airbus kritisiert. Danach ist mir, wie ich finde, ziemlich platt Forschungsfeindlichkeit unterstellt worden. Das ist natürlich Käse. Wenn diese Forschung so wichtig ist – auch für die Zukunft der Industrie –, dann frage ich mich, warum sich die Industrie immer mehr aus der Finanzierung zurückzieht. Warum musste denn die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau jetzt für einen großen Autokonzern einspringen? (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Richtig!) Da passt doch was nicht zusammen. (Beifall bei der LINKEN) Mein Fazit: Gut, dass es mehr Geld für Bildung und Wissenschaft geben soll, schlecht, dass so viel Geld in ein ineffizientes und veraltetes Bildungssystem fließt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächstes hat Hubertus Heil, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Claus, Sie haben der Ministerin unterstellt, sie würde nur drei Aggregatszustände kennen. Ich würde sagen: Das ist besser, als nur einen, nämlich, alles schlecht zu finden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich finde, wir brauchen hier einen realistischen Blick. Ich bin der Ministerin ausdrücklich sehr dankbar, dass sie darauf hingewiesen hat, was sie auf den Weg gebracht hat und was aber auch noch vor uns steht. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zwar eine Menge!) Ganz klar ist: Die Summe, die wir alle miteinander erfreulich finden – 16,4 Milliarden Euro, was eine Steigerung von immerhin 7,2 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr bedeutet –, sagt an sich noch nichts weiter aus, als dass dieses Land, diese Regierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen mehr Geld in Bildung und Forschung investieren. Das klingt erst einmal gut, aber die spannende Frage ist: Zu welchem Zweck? Das ist von allen Seiten angesprochen worden – auch von der Ministerin. Es gibt in dieser Koalition einen Konsens, dass wir uns unter anderem auf bessere, gleiche und gerechte Chancen im Bereich der Bildung konzentrieren; denn das hat nicht nur etwas mit der Frage zu tun, ob wir wirtschaftlich erfolgreich sind, sondern auch damit, welches Menschenbild wir haben. Das Menschenbild, das uns prägt, sieht so aus, dass Menschen unabhängig von sozialer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder religiösem Hintergrund eine Chance – dafür müssen wir sorgen – auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Dafür ist Bildung ein ganz entscheidender Zugang. Menschen sind nicht durch Geburt und durch Merkmale, für die sie nichts können, in ihren Verhältnissen gefangen. Dass sie selbstbestimmt leben können, dass sie Autor ihres eigenen Lebensweges sein können, dafür schafft Bildung die Voraussetzung. Dafür leistet diese Koalition eine ganze Menge. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anette Hübinger [CDU/CSU]) Um es ganz praktisch zu machen: Natürlich haben wir, Kollege Claus, in unserem Land – das belegen Studien – nach wie vor eine ganze Menge zu tun, um dieser sozialen Selektivität entgegenzuwirken. Da ist der Bund gefragt, da sind die Länder und auch die Kommunen gefragt. Ich will aber auch sagen: Es gibt viele Menschen – dafür muss man einmal Danke sagen –, die sich bürgerschaftlich und zivilgesellschaftlich engagieren, um jungen Menschen eine Chance zu geben. Gerade bei der aktuellen Flüchtlingshilfe erlebe ich ganz viele Ehrenamtliche, die beispielsweise Nachhilfeunterricht geben, die anderen Lesen und Schreiben beibringen und damit dazu beitragen, dass junge, aber auch ältere Menschen stärker teilhaben können und eine Chance haben, irgendwann in Ausbildung und Arbeit zu kommen. Das, meine Damen und Herren, nötigt Respekt ab. Dafür muss der Deutsche Bundestag einmal Danke sagen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber auch der Bund ist nach wie vor in der Pflicht, etwas zu tun. Wir tun in vielen Bereichen ganz konkret etwas, um in diesem Land die Chancen auf Bildung zu verbessern und gerechter zu machen. Ich will zum Beispiel das Thema der Berufsorientierung und der assistierten Ausbildung ansprechen. Das ist Teil der Ausbildungsallianz, die von Sozialpartnern und der Bundesregierung gebildet wurde. Ich glaube, dass assistierte Ausbildung ein wesentlicher Beitrag dafür ist, um benachteiligten Jugendlichen eine zweite oder dritte Chance zu geben, voranzukommen. Hier arbeiten die Ministerien Hand in Hand, nämlich das Bundesarbeitsministerium zusammen mit dem Bundesbildungsministerium. Das ist ebenso wichtig wie die Allianz an sich. Ich komme zu einem weiteren Punkt, den ich ansprechen will. Es ist durch die Allianz für Aus- und Weiterbildung gelungen, mit den Sozialpartnern eine Trendumkehr zu schaffen, was die Entwicklung der Zahl der beruflichen Erstausbildungsplätze betrifft. Diese Zahl steigt Gott sei Dank nach vielen Jahren wieder, nachdem sie lange zurückgegangen war. Nun diskutieren wir darüber, wie wir es schaffen, dass wir keinen Mismatch, also keine unbesetzten Stellen, haben, und darüber, dass wir etwas dafür tun müssen, damit Lehrlinge in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Aber natürlich – das muss man ganz klar sagen – haben wir jahrelang erlebt, dass das Angebot an beruflicher Erstausbildung zurückgegangen war. Jetzt wächst es wieder. Das ist eine gute Nachricht. Auch das war Gegenstand der Gespräche zwischen Sozialpartnern und Bundesregierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich komme zu einem materiellen Punkt. Im Haushalt von Frau Wanka haben wir die BAföG-Reform durchgesetzt. Immerhin wird es in diesem Land ab kommendem Jahr, also ab dem Jahr 2016, ungefähr 100 000 junge Menschen mehr geben, die durch BAföG bessere Bildungschancen bekommen. Auch das ist eine ganz maßgebliche Reform. Nicht zuletzt haben wir – die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern – den Hochschulpakt bis 2020 verlängert. Das heißt: Bis 2020 gibt es sage und schreibe 670 000 zusätzliche Studienplätze. Das sind konkrete Maßnahmen. Es ist einfach, zu sagen: Die Situation ist nicht gut. – Vielmehr geht es darum, sie zu verbessern. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Zumindest das hätten Sie einmal erwähnen können, Herr Claus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Trotzdem sage ich: Diese Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, sind kein Grund, sich zurückzulehnen. Ich erwähne hier das Bildungsbarometer des ifo-Instituts von letzter Woche. Darin wird beschrieben, was Bürgerinnen und Bürger in diesem Land von Politik, unabhängig von Zuständigkeiten, erwarten. Die Menschen in diesem Land erwarten im Bereich der Bildungspolitik große Lösungen. Sie wollen Ganztagsschulen, gebührenfreie Kitas und nicht zuletzt vergleichbare Schulabschlüsse in der Bundesrepublik Deutschland. Keine Frage: Da sind alle gefragt, Bund, Länder und Kommunen. Ich will aber nicht verhehlen, dass dem Bund gerade in der aktuellen Diskussion, in der wir schnell handeln müssen, nämlich bei der Beantwortung der Fragen: „Was tun wir in der Flüchtlingshilfe? Was tun wir für diejenigen, die wir langfristig integrieren wollen?“, durch künstliche, auch durch verfassungsrechtliche Grenzen an der einen oder anderen Stelle die Hände gebunden sind. Ich glaube, dass wir, wenn die Entwicklung so weitergeht, über eine neue und gemeinsame Kraftanstrengung reden müssen, was beispielsweise den Ausbau von Ganztagsschulen in diesem Land betrifft. Hier kann und darf der Bund durch das Kooperationsverbot, durch den in Verfassungsrecht gegossenen Irrtum, derzeit leider nicht tätig werden. Das gilt leider auch für vieles andere, zum Beispiel für die Frage, ob wir mit Bundeshilfen Sozialarbeit, Sprachklassen und Integrationshilfen auf den Weg bringen können. Ich sage: Darüber wird zu reden sein. Aber es ist auch richtig, sich von dieser Grenze nicht aufhalten zu lassen, sondern Mittel und Wege zu finden, die wir zusammen mit der Regierung finden werden und zum Teil auch schon gefunden haben, um Geld tatsächlich dahin zu bringen, wo es hingehört. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mit der Übernahme der BAföG-Finanzierung haben wir einen Weg – zugegebenermaßen ist das ein Umweg – gefunden, um die Länder so zu entlasten, dass ihnen jährlich zusätzlich 1,2 Milliarden Euro für bessere Bildung zur Verfügung stehen, um zum Beispiel in den Hochschulen, aber ebenso – auch das ist möglich – in Schulen der frühkindlichen Förderung die Bildungssituation zu verbessern. Ich füge hinzu: Frau Ministerin Wanka, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind auch Sie der Meinung, dass die Mittel aus dem Betreuungsgeld, die nach der Verfassungsgerichtsentscheidung zur Verfügung stehen, gezielt in den Bereichen Familie und Bildung investiert werden und nicht im allgemeinen Haushalt versickern sollten. Da haben Sie und Frau Schwesig unsere absolute Unterstützung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die eine Seite der Medaille ist, bessere Bildungschancen zu schaffen. Die andere Seite der Medaille im Aufgabenbereich des Ministeriums, über dessen Etat wir gerade diskutieren, betrifft die Frage, wie wir es schaffen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritt in diesem Land zu befördern, um mitzuhelfen, dass aus wissenschaftlichen und technischen Innovationen auch gesellschaftlicher und sozialer Fortschritt wird. Beides ist notwendig. Auch da kann sich sehen lassen, was diese Regierung auf den Weg gebracht hat. Sie haben den Pakt für Forschung und Innovation angesprochen, Frau Ministerin. Der ist ganz wichtig in diesem Bereich. Und ich füge hinzu: Er stärkt beides. Er stärkt die erkenntnisorientierte Grundlagenforschung, die wir in diesem Land genauso brauchen wie anwendungsorientierte Forschung. Es bringt nichts, beides gegeneinander auszuspielen. Wir brauchen Erkenntnisse und Anwendungen in diesem Land. Daraus erwachsen Innovationen. Mit dem Pakt für Forschung und Innovation schaffen wir Planungssicherheit und Freiheit für die Forschung in diesem Bereich. Ich will die Hightech-Strategie, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, sowie die Verstärkung im Bereich der Arbeits- und Dienstleistungsforschung ansprechen. Immerhin ist dafür bis 2020  1 Milliarde Euro vorgesehen. Auch die verstärkte Forschung an Fachhochschulen, die der Bund zusätzlich mit 100 Millionen Euro fördert, will ich in diesem Zusammenhang erwähnen. All das kann sich sehen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir haben allerdings, meine Damen und Herren, in diesem Herbst noch eine ganze Menge vor uns. Das betrifft den Bereich der beruflichen Bildung. Dabei geht es nicht nur um die Reform des Meister-BAföG. Ich bin froh, dass CDU und CSU – sie hatten ja in der letzten Woche eine Klausur – mit uns der Meinung sind, dass der Entwurf der Ministerin eine gute Grundlage ist, wir aber miteinander mehr tun müssen. Dabei geht es darum, dass wir im Bereich der beruflichen Erstausbildung – sie steht im Wettbewerb zu anderen Berufsabschlüssen, die es in Deutschland gibt – auch Aufstieg ermöglichen bzw. die Attraktivität dieses Berufsweges stärken müssen. Auch da können wir, glaube ich, vorankommen. – Herr Claus, können Sie einen Moment zuhören? (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wir hören Ihnen unablässig zu!)  Er ist ein Mann. Ob er multitaskingfähig ist, weiß ich nicht. Ihm traue ich das aber zu. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und CDU/CSU) Herr Claus, Sie haben das Thema der Befristung im Bereich des Wissenschaftsbetriebes angesprochen. Da teilen wir den Befund. Die Zahlen sind unstrittig. Deshalb tun wir etwas, und zwar nicht nur das, was Sie beschrieben haben. Wir reformieren das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Und ich finde, der Gesetzentwurf kann sich durchaus sehen lassen. Wir wollen den Missbrauch von Befristungen zurückdrängen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Roland Claus [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch nicht wirklich!) Wir wollen jungen Menschen die Chance auf eine planbare Zukunft im Wissenschaftsbetrieb geben. Und dafür schaffen wir Voraussetzungen, ohne dass wir die notwendigen Flexibilitäten kaputtmachen. Das gehört dazu. Mit diesem Recht schaffen wir Perspektiven. Wir wissen aber, Herr Claus, dass dies allein das Problem nicht lösen wird, sondern dass es natürlich auch um die Frage geht, was es an Karrierechancen bzw. Karriere wegen im Wissenschaftsbetrieb gibt. Deshalb bin ich froh, dass die Koalitionsfraktionen einen Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs auf den Weg gebracht haben. Frau Ministerin, allerdings äußere ich an dieser Stelle auch einen Wunsch: Ein reines, kleines Tenure-Track-Programm wird nicht ausreichen. Wir müssen auch etwas für den Mittelbau und vor allen Dingen für Personalentwicklungskonzepte tun. Dann wird dieser Pakt auch den Namen „Pakt für wissenschaftlichen Nachwuchs“ verdienen. Beides gehört zusammen: Das Befristungsrecht muss geändert werden, und es müssen in diesem Bereich – das ist wichtig – Chancen geschaffen werden. (Beifall bei der SPD) Zum Schluss, meine Damen und Herren, hätte ich noch gerne etwas zum Thema Exzellenzinitiative gesagt. Denn das ist die große Königsaufgabe, die wir in den nächsten Monaten noch vor uns haben. Wir wollen mehr Exzellenz wagen. Die Exzellenzinitiative hat die Forschung in diesem Land vorangebracht und die internationale Spitzenforschung an unseren Hochschulen gestärkt. Sie hat das – auch in der Spitze –, was Sie vorhin angesprochen haben, hervorgebracht. Wir sagen: Das wollen wir fortsetzen. Aber da ist mehr Potenzial in diesem Land. Wir wollen neben der Forschungslinie bzw. der Förderlinie für Spitzenforscher auch etwas dafür tun, dass neben der Spitzenforschung auch andere Leistungsprofile – bei Lehre und Transfer beispielsweise – in der Exzellenzinitiative zur Geltung kommen können. Darüber wird zu reden sein. Auch das schaffen wir gemeinsam. Ich glaube, dass sich dieser Etat sehen lassen kann – aber nicht nur im Hinblick darauf, was die Summe angeht, sondern auch auf die Instrumente. Das wird unser Land voranbringen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Ekin Deligöz das Wort. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig, der Etat für Bildung und Forschung steigt. Aber, um ehrlich zu sein, das ist noch lange kein Grund, um sich auszuruhen, wenn man das Ziel, 7 Prozent für Bildung und 3,5 Prozent für Forschung auszugeben, ernst nimmt. Dieses Ziel ist nämlich noch lange nicht erreicht, obwohl es eigentlich schon 2010 erreicht werden sollte. Jetzt sind wir bald im Jahr 2016, aber überhaupt noch nicht so weit. Sie wiederholen in allen Reden immer wieder, dass der Etat steigt. Aber Sie wiederholen das so oft, dass man fast den Eindruck gewinnt, dass Sie sich dahinter verstecken und davon ablenken wollen, dass Sie die selbst gesteckten Ziele gar nicht erreichen. Da sollten Sie etwas mehr Ehrlichkeit einkehren lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Ministerin Wanka, Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, dass es nicht nur um die Höhe der Mittel, sondern auch darum geht, wofür das Geld ausgegeben wird. Aber warum handeln Sie dann nicht entsprechend? Warum wird uns das in Ihrem Haushalt so nicht bestätigt? Warum setzen Sie das Geld an vielen Stellen falsch oder schlicht und einfach nicht verantwortungsvoll ein? Ich will Ihnen ein paar konkrete Beispiele nennen, damit Ihnen das, was ich Ihnen sage, auch augenscheinlich wird. Beispiel Nummer eins: In der Erhöhung der Mittel des Einzelplans für Bildung und Forschung sind nach wie vor die Kosten des Rückbaus kerntechnischer Versuchseinrichtungen enthalten. Hier geht es um 328 Millionen Euro, die den Zukunftsinvestitionen entzogen werden und mit denen die Vergangenheit finanziert wird. Dieser Ansatz hat sich in den letzten Jahren verdoppelt – Sie wissen genauso gut wie wir, dass die Kosten explodieren werden; das verschweigen Sie auch nicht. Aber die Kosten steigen unter anderem deshalb, weil die Steuerungsprozesse innerhalb Ihres Hauses unverantwortlich und unkoordiniert ablaufen. Das sage nicht ich, sondern der Bundesrechnungshof. Übernehmen Sie doch endlich einmal Verantwortung, und sorgen Sie dafür, dass das Geld richtig eingesetzt wird, anstatt es zu verschwenden! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Beispiel Nummer zwei ist die Projektmittelüberwachung. Wegen der Defizite bei der Überwachung verjähren Ansprüche des Bundes; sie gehen uns unwiderruflich verloren. Wir reden hier immerhin über 6 Milliarden Euro, die das BMBF jedes Jahr für Bildungs- und Forschungsprojekte gewährt. Auch hier sagt der Bundesrechnungshof: Etwas mehr Verantwortung in diesem Hause täte der Sache gut. – Wir können keinen einzigen Cent aus dem Fenster werfen. Aber genau das machen Sie hier. Übernehmen Sie Verantwortung! Es geht auch darum, wofür das Geld eingesetzt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Beispiel Nummer drei. Sie weisen ständig auf das Deutschlandstipendium hin. 2016 werden wir die Mittel dafür wieder aufstocken. Das verwundert niemanden. Aber ich nenne Ihnen ein paar Zahlen. Im Jahre 2014 wurden gerade einmal 63 Prozent der dafür vorgesehenen Mittel abgerufen. Im laufenden Jahr – die Hälfte des Jahres liegt ja bereits hinter uns – liegt die Quote bei den abgerufenen Mitteln bei noch nicht einmal 40 Prozent. Das bedeutet, dass Sie an einer Ideologie um der Ideologie willen festhalten. Das widerspricht den Grundsätzen der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit; denn in einem solchen Fall müssten Sie die Mittel anpassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Das tun Sie aber nicht. Lieber investieren Sie das Geld in die Deckung hoher Verwaltungskosten, um an dieser Ideologie festhalten zu können. Sie sollten das Geld – dieses Beispiel haben Sie selber genannt – in die Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen investieren. Stattdessen führen Sie seltsame Projekte durch und öffnen zum Beispiel Alphabetisierungskurse für Deutsche auch für Menschen, die überhaupt nicht die deutsche Sprache beherrschen. Diese Menschen brauchen jedoch Unterricht im Fach „Deutsch als Fremdsprache“. Das ist aber etwas komplett anderes. Und deshalb brauchen wir in diesem Land 11 000 Lehrerinnen und Lehrer für Deutsch als Fremdsprache. Aber dafür haben Sie keinen einzigen Cent übrig. Das wäre eine gute Investition und würde bei den Menschen besser ankommen als die seltsamen Pseudoprojekte, die Sie durchführen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir unterstützen Sie darin – um einmal etwas Positives zu nennen –, dass Sie den Flüchtlingen den BAföG-Zugang erleichtern. Das ist gut und wichtig. Das ist eine Investition in die Zukunft dieser Menschen und dieses Landes. Aber warum sollen die Menschen 15 Monate warten? Warum reduzieren Sie die Wartezeit nicht auf drei Monate? 15 Monate im Leben eines jungen Menschen, der zum Nichtstun verdammt ist, ist eine sehr lange Zeit. Geben Sie sich einen Ruck, und machen Sie daraus drei Monate! Wir sind dann sofort dabei. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bleiben wir bei den Zukunftsinvestitionen. Die Infra­strukturen des Wissens bekommen von Ihnen keinen Cent. Was wir brauchen, ist ein Modernisierungsprogramm, gemeinsam aufgelegt von Bund und Ländern, meinetwegen auch zeitlich begrenzt. Der Investitionsstau in diesem Bereich ist jedenfalls unverantwortlich. Auch dafür müssen Sie Verantwortung übernehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein innovatives Land wie Deutschland braucht Orte, wo gedacht, geforscht, gelehrt und auch gelebt werden kann. Hier brauchen wir Investitionen statt Verschwendung. Bei diesen Zukunftsinvestitionen müssen Sie sich noch mehr anstrengen. Ich sage zum Schluss noch etwas Positives die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten betreffend. Das wird in der dualen Ausbildung Möglichkeiten schaffen und dafür sorgen, dass Betriebe ausbilden, die das bislang nicht getan haben. Ich bin froh darüber und sehr dankbar dafür, dass meine Fraktion diese Forderung hier immer und immer wieder hartnäckig eingebracht hat. (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Da haben Sie offene Türen eingerannt, Frau Kollegin!) Dass Sie sehr lange dafür gebraucht haben, das zu übernehmen, tut der Sache keinen Abbruch; vielmehr ist es wichtig, dass Sie das umsetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben noch eine ganze Menge guter Ideen, die Sie sie alle übernehmen können. Das werden wir alle gut finden, und ich werde Sie hier dafür loben. Aber an guten Ideen mangelt es bei Ihnen, und das ist wirklich sehr bedauerlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt Albert Rupprecht das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Albert Rupprecht (CDU/CSU): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Debatte über unseren Haushalt 2016 fällt zusammen mit zehn Jahren Regierungszeit der Unionsfraktion und zehn Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel. Deswegen erlauben Sie mir, dass ich das, was wir jetzt debattieren, ein Stück weit in diese zehn Jahre einzuordnen versuche. Wir starteten als Unionsfraktion mit der Überzeugung, dass das, was Franz Josef Strauß – er hätte in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag gefeiert – einmal gesagt hat, richtig ist: „Konservativ … heißt an der Spitze des Fortschrittes marschieren.“ (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist keine Banalität; (Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Das ist bayerische Dialektik!) denn diese Überzeugung durchzieht alle politischen Bereiche. Wir sind der festen Überzeugung, dass Wohlergehen, Wohlstand, aber auch Gemeinsinn und gesellschaftlicher Zusammenhalt nur zu sichern sind, wenn wir innovativ sind, wenn wir den technischen Fortschritt in unserem Land vorantreiben, ob das die Energieversorgung ist, ob das die Mobilität ist oder ob das die Krebsbehandlung ist. (Marianne Schieder [SPD]: Das ist eine Binsenweisheit!) – Das ist überhaupt keine Binsenweisheit. Wenn man sich das Ganze konkret anschaut – ich hatte heute schon zwei Besprechungen zu genau diesem Thema –, dann stellt man nämlich fest, dass neben den Allgemeinplätzen, die überall von sich gegeben werden, manche sagen: Ach, Transfer, darum brauchen wir uns gar nicht zu kümmern. Das macht die Wissenschaft von allein usw. – Wenn man diese Grundsätze ernst nimmt, dann heißt das, die gesamte Produktionskette ständig anzuschauen, zu optimieren, zu verbessern, dazuzulernen. Grundlage für Innovation ist eben nicht die Sonntagsrede, sondern es sind Bildung und Forschung, aber auch der Anspruch, den man an Bildung und Forschung und an Forscher stellt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir sind vor zehn Jahren gestartet als der „kranke Mann in Europa“; Deutschland hatte 5 Millionen Arbeitslose. Zehn Jahre später sind wir eines der innovativsten und begehrtesten Länder der Welt. Wir erleben es im Zusammenhang mit den Flüchtlingen – mit allen Schwierigkeiten und Herausforderungen, die damit verbunden sind. Wir erleben es aber auch im Zusammenhang mit den Studierenden: Die Zahl der Studierenden, die nach Deutschland kommen, ist so hoch wie noch nie. Immer mehr Wissenschaftler sagen: Deutschland ist das Land, in dem ich forschen und in dem ich tätig werden möchte. Wir sind bei allen internationalen Rankings zur Frage „Was ist das innovativste Land?“ auf einem der Plätze vier, fünf oder sechs. Ich finde, das ist ein tolles Ergebnis, und darauf können wir auch stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Das DIW hat vor Kurzem eine Studie herausgegeben und herausgearbeitet, dass Forschung der Wachstums- und Innovationstreiber schlechthin ist. Das DIW hat festgestellt, dass die Forschungsausgaben in Deutschland seit 2007 enorm gestiegen sind, vor allem deswegen, weil sich die öffentliche Hand – ich füge hinzu: vor allem der Bund – an die Decke gestreckt hat, und dass der Anstieg im internationalen Vergleich nur in Südkorea noch größer ist als in Deutschland. Ich finde, das ist ein herausragendes Ergebnis. Auch darauf können wir stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Zahlen zum BMBF-Haushalt sind mehrfach genannt worden: Seit 2005 wurde dieser Haushalt mehr als verdoppelt, auf 16,3 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg von 116 Prozent. Frau Ministerin Wanka, das ist ein internationaler Spitzenwert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) In den Jahren, in denen Rot-Grün regiert hat, also in den sieben Jahre zwischen 1998 und 2005 – einen solchen Rückblick vorzunehmen, kann ich den Grünen und unserem Koalitionspartner nicht ersparen –, ist der Haushalt von 8 Milliarden Euro im Jahre 1998 auf schlappe 8,5 Milliarden Euro im Jahre 2005 gestiegen. Das heißt, in sieben Jahren gab es einen Anstieg um sechs Prozent. Bei uns ist dieser Haushalt in zehn Jahren um 116 Prozent gestiegen. Darin besteht einfach der Unterschied. Ich wende mich noch einmal an die Grünen. Lieber Herr Gehring, ich schätze all die intelligenten Reden, die Sie hier halten. Nur zu reden, ist aber einfach zu wenig. Man muss als politische Kraft seine Vorhaben irgendwie auch aufs Gleis setzen. Während der grünen Regierungszeit gab es im Bereich der Forschung und Bildung schlichtweg nur finanzielle Stagnation, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Nehmen Sie mal die schwarze Brille ab, damit der Blick frei wird!) Noch einen Tipp an unsere Kollegen der SPD – Frau Schieder, jetzt kommen wir zu Ihnen –: Wenn Sie Ihre forschungs- und bildungspolitischen Träume Wirklichkeit werden lassen wollen, dann haben Sie eine Chance: Regieren Sie mit uns als Juniorpartner. Wir ziehen den Karren! Regieren Sie mit uns! Dann kriegen wir die Sachen auch durch. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil (Peine) [SPD]: Wir nehmen Sie als Juniorpartner!) Der Haushalt 2016 ist wiederum gelebte Priorität für Forschung und Bildung: plus 1,1 Milliarden Euro. Der Haushalt steigt damit auf 16,3 Milliarden Euro. Es ist der viertgrößte Fachhaushalt im Bundeshaushalt. Es ist eine Steigerung um 7,2 Prozent gegenüber einer Steigerung des Gesamthaushalts um 3,4 Prozent. Das ist gelebte Prioritätensetzung. Ich bedanke mich auch im Namen der Fachpolitiker bei unseren Kollegen in den Fraktionen der SPD und der Union, die das mittragen. Ich bedanke mich an dieser Stelle aber auch ganz besonders bei Ihnen, Frau Wanka, weil es keine einfache Übung ist, den Bundesfinanzminister zu überzeugen, dass er im Haushalt über 1 Milliarde Euro drauflegt. Danke schön! (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist mehrfach gesagt worden: Ohne Moos nix los. – Aber das allein reicht nicht, sondern es geht um die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen. Unsere Grundsätze, Leitbilder und Ziele haben sich seit 2005 im Wesentlichen nicht geändert. Da gibt es Kontinuität. Für die stehen wir. Erstens. Wir setzen auf Freiheit und Eigenverantwortung. Deswegen haben wir seit 2012 das Wissenschaftsfreiheitsgesetz – ein historischer Meilenstein. Zweitens. Wir setzen auf Verlässlichkeit. Deswegen gibt es den dritten Pakt für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen von 2016 bis 2020 mit einem Aufwuchs von über 4 Milliarden Euro. Den Aufwuchs, liebe Kolleginnen und Kollegen, zahlen wir vom Bund allein; das ist nicht selbstverständlich. Auch da strecken wir uns wieder nach der Decke. (Beifall bei der CDU/CSU) Drittens. Wir setzen auf Breite, aber auch auf Spitze und Exzellenz. Wir wissen aus der Diskussion über die Exzellenzinitiative: Ohne eine gesunde, eine ausreichende Breite wird es keine stabile Spitze geben. Deswegen ist das Austarieren einer der entscheidenden Punkte. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie das denn machen?) – Dazu komme ich gleich, zu dem, was wir schon machen und was wir machen werden. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir warten seit Jahren!) Ich sage einmal ein paar Punkte dazu, was wir in der Breitenförderung machen: Wir fördern die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen in der Breite, insbesondere beispielsweise die Fachhochschulen. Die Zahlen: Seit 2005 – lieber Herr Kollege Gehring, damals haben wir die Regierung übernommen; vorher ward ihr dran – haben wir die Mittel für die Fachhochschulen verfünffacht, nämlich von damals 10 Millionen Euro auf jetzt 48 Millionen Euro. 1 400 Forschungsvorhaben – 286 Millionen Euro – an 125 Fachhochschulen, das ist Förderung der Breite, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben den Overhead-Anteil für die Projektförderung gesteigert. Von 2016 bis 2020 werden wir 2 Milliarden Euro, wiederum Bundesmittel, zur Verfügung stellen. Das ist Breitenförderung, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. Qualitätspakt Lehre. Es sind 2 Milliarden Euro, die wir vonseiten des Bundes zur Verfügung stellen. Das ist Breitenförderung, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen. Hochschulpakt, das Megathema. In der Gesamtlaufzeit gibt es insgesamt über 20 Milliarden Euro zum Aufbau von Studienplätzen. Das sind Mittel, die wir vom Bund zur Verfügung stellen, obwohl es nicht unsere Verantwortung ist. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bund und Länder! Hälftig finanziert!) Ohne diese 20 Milliarden Euro würde die Hochschullandschaft unseres Landes in der Breite vollkommen anders ausschauen. Das ist Breitenförderung, die wir stemmen – auf Ebene des Bundes. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz (Spandau) [SPD] – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Länder auch!) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es gibt einen Riesenabstand zwischen Breitenförderung und Spitzenförderung. Dennoch braucht es auch die Spitzenförderung. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ohne Breite keine Spitze! Ist doch klar!) Sie ist notwendig. Sie ist zwingend. Wenn wir Deutschland im globalen Maßstab vergleichen, stellen wir fest: Wir sind in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt, aber in der absoluten Spitze gibt es in der Tat etwas zu tun. Das Schanghai-Ranking 2015 zeigt uns, dass unter den 100 besten Universitäten nur vier deutsche sind, nämlich die Uni Heidelberg auf Platz 46, die TU München auf Platz 51, die LMU auf Platz 52 und die Uni Bonn auf Platz 97. Da ist, finde ich, noch etwas zu tun. Da müssen wir noch einmal etwas drauflegen. Das muss besser werden. Das zeigt sich auch bei der Zahl der Nobelpreisträger. Von 1900 bis 1930 gab es 35 deutsche Nobelpreisträger, die auch in Deutschland tätig waren. In den letzten 30 Jahren waren es 22 deutsche Nobelpreisträger, die in Deutschland tätig waren, ein erheblicher Teil bei der Max-Planck-Gesellschaft. Das heißt im Ergebnis, dass es da an den deutschen Hochschulen im Vergleich zu 1900, 1910, 1920 ziemlich mau ausschaut. Deswegen war es ein richtiger, ein notwendiger Schritt, die Exzellenzinitiative zu begründen. An dieser Stelle sei explizit noch einmal anerkannt, dass es die SPD-Ministerin Bulmahn war, die sie angestoßen hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Marianne Schieder [SPD]: Respekt, Herr Rupprecht!) – Ja, das ist die Wahrheit. – Es wurde aber von der Ministerin Schavan nach der Regierungsübernahme durch uns finanziell, technisch und organisatorisch umgesetzt, und zwar in der Großen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU) Es gab damals einen breiten Konsens, dass Exzellenz sowie Spitzenforschung und -förderung notwendig sind. Es war ein Urgestein, der SPD-Minister Zöllner, der dafür gestanden hat. (Swen Schulz (Spandau) [SPD]: Guter Mann! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sehr guter Mann!) – Ein guter Mann, absolut. – Neben den Bundespolitikern waren es der CDU-Minister Frankenberg und der CSU-Minister Goppel, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber Geschichtsklitterung!) die gesagt haben: Natürlich ist es einfacher, 50 statt 8 Universitäten zu sagen: „Ihr bekommt Geld“. Aber es braucht Mut und Weitsicht, zu entscheiden: „Was ist exzellent?“ und es auch mit den Akteuren zu besprechen. – Exzellenz ist nicht, wenn 50 Universitäten nach dem Gießkannenprinzip Geld bekommen, sondern Exzellenz ist, wenn die absoluten Spitzenuniversitäten Geld bekommen. Es heißt nämlich Exzellenzinitiative und bewusst nicht Gießkanneninitiative. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Willi Brase [SPD]: Das hat auch keiner gesagt!) Insofern wünsche ich mir und hoffe, dass die SPD-Kollegen, Herr Kollege Heil, sich in den nächsten Wochen bei diesem Thema ein Vorbild an großen sozialdemokratischen Bildungsministern wie Herrn Zöllner nehmen und den Weg gemeinsam mit uns beschreiten. Wo Exzellenzinitiative draufsteht, muss auch Exzellenz drin sein. Das heißt: Förderung von einigen wenigen Spitzenzentren mit internationaler Ausstrahlung, aber auch von Forschungsfeldern. Ein Forschungsfeld kann durchaus auch ein Fachbereich sein, es kann ein Cluster sein oder anderes, also ausdifferenzierte Strukturen. Ich muss leider enden, weil die Redezeit abgelaufen ist. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank! – Beifall des Abg. Willi Brase [SPD]) Das ist schade; denn ich würde gerne zur beruflichen Bildung und zum wissenschaftlichen Nachwuchs noch etwas sagen. Aber meine nachfolgenden Redner werden das machen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Dr. Rosemarie Hein. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss Ihnen mit ein paar Zahlen kommen. 7 Prozent Steigerung im Einzelplan für Bildung und Forschung: Das klingt nach viel, (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ist es auch!) doch es ist wenig angesichts der permanenten und inzwischen chronisch gewordenen Unterfinanzierung des gesamten Bildungsbereiches. Schauen wir einmal in die einzelnen Kapitel hinein. Im Wissenschaftsbereich, dem größten Haushaltsbereich in diesem Einzelplan, wird der Etat um 9,5 Prozent aufgestockt. Für die Forschungsförderung sind immerhin noch 4 Prozent mehr Geld vorgesehen. Für die allgemeine und die berufliche Bildung, in der die Weiterbildung und die gesamte Nachwuchsförderung untergebracht sind, bleibt gerade einmal eine Steigerung um 2 Prozent. Ich finde, eine ausreichende Bildungsfinanzierung und mehr Chancengerechtigkeit sehen anders aus. (Beifall bei der LINKEN) In diesen Einzelplan gehört auch die gesamte BAföG-Erhöhung hinein. Das heißt, von den 85 Millionen Euro, die hier mehr ausgegeben werden, werden allein schon 40 Millionen Euro für die BAföG-Erhöhung benötigt. Diese 40 Millionen Euro – das haben Sie von uns mehrfach gesagt bekommen – werden nicht ausreichen, um auch nur die Steigerung der Lebenshaltungskosten für Studierende in irgendeiner Weise zu kompensieren. Sie sind also schon jetzt zu wenig. Wenn Ihnen Bildung so wichtig ist, wie Sie immer vorgeben, hätten hier andere Zahlen stehen müssen. (Beifall bei der LINKEN) In dieses Kapitel gehört auch die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ mit den etwa 50 Millionen Euro, die Sie dafür ausgeben wollen. Wir wissen alle, dass in den letzten Jahren die Lehramtsstudierenden darüber klagen, dass ihre Ausbildung nicht hinreichend ist. Wir wissen um die mangelnde Qualität der Lehramtsausbildungen. Wir wissen, dass das ein ungeliebtes Kind der Hochschulen war, weil man dafür keine Drittmittel einwerben kann. Deshalb gibt es jetzt dieses Programm, um die Qualität der Lehramtsausbildung zu verbessern. Es soll ein Wettbewerbsprogramm um die besten Konzepte sein. Die erste Ausschreibungsrunde ist gelaufen. Die ersten 70 Prozent des Etats sind vergeben. 19 Projekte von Hochschulen haben Förderzusagen erhalten. Es gibt aber 120 Hochschulen, die Lehramtsstudierende ausbilden. Drei Viertel der Bewerbungen wurden abgelehnt. Aber eine bessere Lehramtsausbildung brauchen wir doch an allen Hochschulen und nicht nur an 19 oder vielleicht noch an fünf mehr. (Beifall bei der LINKEN) Ich finde, das Instrument des Wettbewerbs ist wenig geeignet, um eine Lehramtsausbildung in dieser Qualität flächendeckend in relativ kurzer Zeit umzusetzen. (Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Planwirtschaft!) Das eignet sich nicht dafür. Hören Sie damit auf. Suchen Sie dafür einen anderen Weg. Aber es geht nicht nur um die Qualität der Lehramtsstudienplätze, sondern auch um ihre Anzahl. Ende August klagte der Philologenverband, dass derzeit etwa 30 000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Das war absehbar. In meinem Bundesland hat man aus Effizienzgründen vor einigen Jahren einen ganzen Ausbildungsstandort geschlossen. Inzwischen gibt es nicht mehr genügend Lehrkräfte, um alle frei werdenden Stellen zu besetzen. Die meisten Bundesländer haben in den vergangenen Jahren zu wenige Lehramtsstudienplätze bereitgestellt. Das haben sie in Erwartung sinkender Schülerzahlen getan. Nun wissen wir, dass sich die Prognose geändert hat. Es werden 800 000 junge Menschen mehr sein, die zur Schule gehen werden. Dafür brauchen wir Lehrkräfte. (Willi Brase [SPD]: Länder!) – Nun ist es falsch, die Schuld einfach auf die Länder zu schieben, Herr Brase. Das ist eine sehr billige Ausrede. Sie konnten nicht wissen, wie sich die Situation entwickelt. Wir haben Ihnen seit 2010 abverlangt, die Ausweitung des Hochschulpaktes zu befördern, und zwar bezogen auf die Lehramtsausbildung mit 30 000 zusätzlichen Studienplätzen. Diese Zahl kommt Ihnen bekannt vor, ich habe sie gerade genannt. Hätten Sie damals auf uns gehört und nicht einfach den Antrag vom Tisch gewischt, so hätten wir heute zumindest ein paar Probleme weniger. (Beifall bei der LINKEN) In die Schülerzahl ist die Anzahl der Flüchtlingskinder noch nicht eingerechnet. Sie kommt noch obendrauf. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Die haben Sie damals schon gewusst!) – Die haben auch wir damals noch nicht gewusst, obwohl man bestimmte Dinge schon absehen konnte. Hier brauchen wir zusätzliche Fachkräfte, nämlich Psychologen, Therapeuten sowie Lehrkräfte, die Deutsch als Zweitsprache oder Deutsch als Fremdsprache unterrichten können. Das können die allermeisten Lehrkräfte nicht. Ich bin Deutschlehrerin, ich könnte es auch nicht. Ich habe es nie gelernt. In meiner Heimatstadt Magdeburg wurde die Aufnahme von Kindern aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien bisher auf wenige Schulen konzentriert. Das wird nun nicht mehr gehen. Sie werden an allen Schulen aufgenommen werden müssen. Dort sind die Lehrkräfte aber nicht darauf vorbereitet. Sie können es auch nicht einfach nebenbei leisten. Dazu ist die Aufgabe viel zu groß. (Beifall bei der LINKEN) In dieser Haushaltsdebatte wurde in jeder zweiten Rede betont, dass die Bildung von Flüchtlingskindern wichtig ist. Das ist richtig, und sie können nicht mehr monatelang darauf warten. Sicher müssen die Hochschulen etwas tun, aber wir brauchen die Lehrkräfte schnell. Ich frage mich: Warum bieten Sie nicht wenigstens ein Weiterbildungsangebot für Deutsch als Zweitsprache oder Deutsch als Fremdsprache an? (Beifall bei der LINKEN) Der Weiterbildungsbereich ist der Bereich im Haushalt, der gekürzt wird. Ganz zum Schluss noch etwas zum Deutschlandstipendium; ich kann es Ihnen nicht ersparen. Die Bundesregierung hat sich sehr gefreut: 22 500 Förderfälle gebe es im Jahr 2014, ein Anstieg um 14 Prozent. Die Bundesregierung verschweigt: Die Zahl der Deutschlandstipendien macht gerade einmal 0,84 Prozent der Zahl der Studierenden aus, also nicht einmal 1 Prozent; ein Verhältnis von 1  100. Ich kenne Lotterien mit höheren Gewinnchancen. (Beifall bei der LINKEN) Schlimmer ist aber noch: Dem Zuwachs von 2 800 zusätzlichen Deutschlandstipendiaten steht im gleichen Zeitraum ein Rückgang von über 19 000 BAföG-Empfängern gegenüber; und das bei steigenden Studierendenzahlen. Ich finde, das ist ein ausgesprochen schlechtes Signal. Darum bleiben wir dabei: Das Deutschlandstipen­dium gehört abgeschafft und in das BAföG überführt. Vielleicht können Sie bis zum Ende der Haushaltberatungen noch einmal über die eine oder andere Anregung nachdenken. Vielleicht können wir hier oder da etwas verbessern. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Swen Schulz. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Swen Schulz (Spandau) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf als Haushälter einmal sagen: Man kann sich immer mehr wünschen oder noch mehr wünschen, gerade vonseiten der Opposition. Auch der eine oder andere Koalitionsabgeordnete wünscht sich mehr. Aber insgesamt ist es ein beachtlicher Rekordhaushalt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Herr Rupprecht, ich will hinzufügen: Ohne SPD wäre das nicht möglich. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich erinnere einmal an die Finanzplanung der Koalition von CDU/CSU und FDP. Die Finanzplanung Ihrer letzten Koalition sah für das Jahr 2016 lediglich 13,6 Milliarden Euro vor. Jetzt sind es etwa 3 Milliarden Euro mehr. Ich will jetzt nicht von einem SPD-Bonus für Bildung und Forschung sprechen, aber auffällig ist das schon. (Beifall bei der SPD) Wie auch immer. Ministerin Wanka darf sich über die tatkräftige Unterstützung der SPD freuen, und wir alle freuen uns über die gute Vorlage der Ministerin Wanka und der gesamten Bundesregierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Natürlich geht es nicht nur um die schiere Größe des Haushaltes, sondern vor allem darum, wie das viele Geld eingesetzt wird. Mit diesem Haushaltsplanentwurf – das will ich ausdrücklich lobend erwähnen – werden die langen Linien der Bildungs- und Forschungspolitik in Deutschland fortgesetzt. Ich kann auch sagen: Der rote Faden wird weitergestrickt. Auf einige dieser roten Fäden will ich näher eingehen. Da ist zuerst das BAföG zu nennen. Die beschlossene Verbesserung greift ab dem nächsten Jahr. Das Schüler-BAföG und das Studierenden-BAföG werden erhöht. Das macht etwa 150 Millionen Euro zusätzlich im nächsten Jahr aus. Die Gesamtausgaben für das BAföG liegen bei deutlich über 2 Milliarden Euro. Mit diesem Geld können sich viele einen Bildungsweg erlauben, der ihnen sonst verschlossen wäre. Das ist ein starkes Stück sozialer Bildungsfinanzierung. (Beifall bei der SPD) Zum Thema BAföG gehört auch das Meister-BAföG. Wir tun also mehr für Schüler und Studierende – wunderbar –, aber wir sollten das genauso für diejenigen tun, die sich beruflich qualifizieren wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen haben wir in den letzten Haushaltsberatungen die Erhöhung des Meister-BAföGs gefordert, und wir halten Wort. Der rote Faden wird verlängert. Immerhin 16 Millionen Euro zusätzlich sind im Regierungsentwurf vorgesehen. Wir wollen in den parlamentarischen Beratungen einmal schauen, ob wir ein bisschen dazutun können, um den Weg für eine starke Gesetzesnovelle zu ebnen. Die berufliche Bildung ist uns nicht weniger wichtig als die akademische Bildung, und das zeigen wir an dieser Stelle. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der nächste rote Faden ist der Hochschulpakt. Die Unterstützung des Bundes für die Hochschulen der Länder beläuft sich inzwischen allein 2016 auf 2,5 Milliarden Euro. Auch hier haben wir unsere Ankündigung des letzten Jahres wahr gemacht. Wir haben zugesagt, dass wir das Geld für die dritte Phase zur Verfügung stellen werden. Wir wollten auch, dass die Lehre besonders bedacht wird. Auch diese Forderung ist praktische Politik geworden. Ich möchte mir die Situation in den Ländern und an den Hochschulen ohne diese starke Hilfe des Bundes gar nicht ausmalen. Hunderttausende können nur studieren, weil es den Hochschulpakt gibt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich darf hinzufügen, was für eine Erfolgsgeschichte die Kooperation von Bund und Ländern im Bildungsbereich ist. Schade, dass sich dieses Konzept der Zusammenarbeit für den Bereich Schule noch nicht durchgesetzt hat. Wir arbeiten aber unverdrossen daran. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo? Wie? Wann?) Ich komme zu weiteren roten Fäden. Die Exzellenzinitiative wird weiter finanziert; wir arbeiten an einem Folgekonzept. Der Pakt für Forschung und Innovation zur Finanzierung der außeruniversitären Forschung wird mit Steigerungen fortgesetzt und sogar vom Bund allein getragen. Das sagt sich so schnell daher. Es wirkt schon fast langweilig, weil das ja keine Neuigkeiten sind. Aber eines muss ich sagen: Die Exzellenzinitiative umfasst im nächsten Jahr immerhin 4 Milliarden Euro für die Forschung an Hochschulen. Zusammen mit der Förderung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen – Leibniz, Helmholtz, Max-Planck, Fraunhofer und DFG – macht das 5,5 Milliarden Euro aus. 5,5 Milliarden Euro! Das gibt nicht jedes Jahr neue Schlagzeilen; aber das ist verlässliche Politik, auf die die Wissenschaft vertrauen und auch bauen kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das stärkt Deutschland nicht nur intellektuell, sondern auch wirtschaftlich und hilft bei der Lösung von Problemen, zum Beispiel in den Bereichen Gesundheit und Klima, in der Arbeitswelt, in der Technologie oder im sozialen Miteinander. Deutschland steht heute in sehr vielen Bereichen deutlich besser da als vor etwa 15 Jahren. Viel wird darüber geredet, welchen Anteil die Wirtschaftspolitik, die Arbeitsmarktpolitik und die Steuerpolitik daran haben. Das ist alles richtig. Aber ich sage: Dass die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder mit der Ministerin Bulmahn eine beispiellose Offensive in der Bildungs- und Forschungspolitik gestartet hat und dass diese von den Koalitionen hinterher noch weitergetragen und intensiviert wurde, hat erheblich dazu beigetragen, dass Deutschland heute stark und noch attraktiver ist. (Beifall bei der SPD) Wir belassen es aber nicht etwa dabei. Wir machen weiter. Wir beginnen, neue rote Fäden zu stricken, etwa mit der Initiative für wissenschaftlichen Nachwuchs; Hubertus Heil hat dazu das Nötige gesagt. Das Wissenschaftssystem steht auf tönernen Füßen, wenn wir uns nicht intensiver bemühen, junge Leute zu gewinnen und dauerhaft zu halten. Darum packen wir das jetzt an. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt eine Reihe weiterer Themen, die wir in den parlamentarischen Haushaltsberatungen noch näher anschauen werden. Um nur Stichworte zu nennen: Alphabetisierung – die Ministerin ist darauf eingegangen –, Arbeits-, Produktions- und Dienstleistungsforschung, die „Häuser der kleinen Forscher“, das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“, die Begabtenförderung im akademischen wie im beruflichen Bereich, die Fachhochschulen, digitale Medien in der Bildung, die Gesundheitsforschung, die Akademien und vieles mehr. Ich sage dies nur, um anzudeuten, dass es auch aus Sicht von Koalitionsabgeordneten durchaus noch einigen Stoff für vertiefte Haushaltsberatungen und vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch noch Veränderungsbedarf gibt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber in diesen Zeiten kann wohl kaum eine Rede gehalten werden, ohne gesondert auf die Flüchtlingsthematik einzugehen. Mir stellt sich die Frage, welchen Beitrag das Ministerium für Bildung und Forschung leisten kann. Ich habe den Eindruck, in der Debatte kommen sehr viele Themen vor, es werden viele Dinge angesprochen, auch mehrere Bundesministerien sind immer wieder im Gespräch, aber das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist dies eigentlich eher wenig. (Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich finde, es hieße, das Ressort unter Wert zu behandeln, wenn man es in der Flüchtlingsfrage außen vor ließe. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ministerin Wanka hat dazu dankenswerterweise vorhin in ihrer Rede schon einiges gesagt. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Genau!) Es ist auch einiges beschlossen, zum Beispiel, den Zugang zum BAföG zu erleichtern. Sehr gut. Außerdem gibt es Maßnahmen zur Alphabetisierung von Flüchtlingen, und die vom Bund geförderte Stiftung Lesen ist aktiv. Es gibt Projekte für Flüchtlinge im Rahmen des Programms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Das ist alles fein und vielleicht auch noch auszubauen, aber ich will trotzdem die Frage stellen: Was ist mit zusätzlichen Stipendien? Was ist mit der Anerkennungsberatung? Was ist mit dem ganzen Bereich der beruflichen Bildung und der Nutzung überbetrieblicher Bildungsstätten? Besteht da vielleicht noch weiterer Handlungsbedarf? Und können wir vielleicht ein Programm für Schulsozialarbeit auflegen? Sollten wir einen neuen Schwerpunkt auf Migrations- und Integrationsforschung legen, die uns gesellschaftlich helfen kann bei der Bewältigung der anstehenden Fragen? Was ist mit der Friedensforschung und – das ist ein ganz anderes Feld – der Forschung im Bereich der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten, die ja in den Heimatländern von Flüchtlingen häufig schlimm wüten? Machen wir da genug? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bildung und Forschung kann nicht alles, und wir Bundespolitiker in diesem Feld können nicht allein die Welt retten, das ist klar. Aber ich weiß, dass wir mit Bildung und Forschung viele Probleme lösen und Fragen beantworten können. Ich hoffe, dass wir in den Haushaltsberatungen unseren Teil dazu beitragen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildung und Forschung sind die Bereiche, in die 2016 mehr Geld investiert werden soll; zwar nicht genug, aber immerhin. Allerdings kann man aus dem Geld mehr machen, als Ministerin Wanka es tut. Deswegen verlangen wir deutliche Korrekturen am Bildungs- und Forschungshaushalt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ministerin Wanka verwaltet ideen- und mutlos alte Projekte ihrer Vorgängerinnen. Mit ihrer Amtszeit verbindet sich keine neue wegweisende Idee. Dieser antriebslosen Politik setzen wir frische Ideen entgegen, damit es in Deutschland innovativer und gerechter zugeht. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollen ein Land der Chancen und Erfinder. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Yes we can!) Seit Anfang Januar können Bund und Länder die Hochschulen dauerhaft unterstützen. Mit der Grundgesetzänderung tun sich völlig neue Chancen auf, das haben Sie abgefeiert. Aber nicht so bei Frau Wanka: Auf ihren Vorschlag für mehr und dauerhafte Kooperation wartet die Welt noch heute. „Ministerin ideenlos“ lässt grüßen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU) Wie wichtig es ist, die Wissenschaftsfinanzierung weiterzudenken, zeigt der Hochschulpakt. Seit Jahren investieren Bund und Länder Milliarden in zusätzliche Studienplätze. Das ist ein wichtiger Kraftakt, der viel bringt. Und trotzdem sind Hörsäle überfüllt und bröckeln Bauten mancherorts vor sich hin, und neue Studierende mit Fluchthintergrund sind in der Berechnung noch gar nicht berücksichtigt. Für bessere Studienbedingungen ist es daher dringend notwendig, die Infrastrukturen des Wissens bundesweit auszubauen und zu erneuern, mit einem Push im Hochschulbau loszulegen. Wir fordern weiter ein Modernisierungsprogramm. Eine kreative Wissensgesellschaft braucht das. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kraftlos und halbherzig geht es beim BAföG zu. Frau Wanka und der Koalition gebührt die zweifelhafte Ehre, eine BAföG-Reform verabschiedet zu haben, die erst Jahre später bei den Studierenden wirklich ankommt. Das muss man sich vorstellen: Sie feiern sich seit Jahren für eine BAföG-Novelle, aber bis heute hat keine Studierende und kein Studierender davon profitiert. Ein weiteres Jahr wird ins Land ziehen. Das ist völlig unverständlich, das ist unfair. Das BAföG muss rauf, und zwar sofort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Planlos sind Sie in der Forschungspolitik. Wir meinen, Forschungsförderung muss aktiv zur Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen. Der Bundesregierung fehlt diese Zielsetzung. Es macht wenig Sinn, die Forschung mit genmanipulierten Organismen zu fördern und das Geld der Steuerzahler in der Fusionsforschung zu versenken. Nachhaltig ist Forschung zur Lösung der Klimakrise, der Energiefrage und des Problems der Ressourcenknappheit sowie zu Demografie und vernachlässigten Krankheiten. Nachhaltig ist eine steuerliche Forschungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nachhaltig ist auch, eine neue Gründerkultur in unserem Land zu entfachen. Genau an diesen Stellen wollen wir in Ihrem Haushalt umsteuern. Ob Exzellenzinitiative oder Nachwuchsprogramm – es gibt bisher keinen Vorschlag der Ministerin und auch keine gemeinsame Idee der Koalition. Da kann man nicht länger warten; denn 2016 muss eine Dekade für den wissenschaftlichen Nachwuchs beginnen. Unsere Hochschulen brauchen ein Bund-Länder-Programm für 10 000 zusätzliche Nachwuchsstellen, vom Mittelbau bis zur Tenure-Track-Professur. Eine zukunftsfähige Wissensgesellschaft verträgt eben kein „Hire and Fire“, sondern braucht deutlich mehr unbefristete Stellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie, Frau Wanka, sind nicht nur Forschungsministerin, sondern auch Bildungsministerin. Da stellt sich akut die Frage: Wie helfen Sie, die Bildung von über 800 000 Flüchtlingen anzuerkennen und zu verbessern, die allein in diesem Jahr nach Deutschland kommen werden? Viele von ihnen werden bleiben, wollen sich einbringen, wollen Neubürger werden. Das birgt ganz neue Chancen, und da sind Sie gefragt, Frau Ministerin. Vor wenigen Tagen bin ich einer jungen Frau aus Eri­trea begegnet. Ihren positiven Asylbescheid hat sie nach neun Monaten und zwei Wochen erhalten. So lange war diese junge Frau zum Hoffen, Warten und Nichtstun verdammt, und das ist kein Zustand. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Und das liegt an Frau Wanka, oder was?) Denn in dieser Zeit hätte die junge Frau zum Beispiel einen Ausbildungsplatz suchen können. Doch welcher Arbeitgeber stellt sie ein, wenn jederzeit die Abschiebung droht? Wie absurd ist das eigentlich? Es wäre für Sie ein Leichtes, daraus eine Win-win-Situation zu machen. Viele Betriebe suchen händeringend nach Azubis und Fachkräften. Die Flüchtlinge wollen arbeiten und sich bilden. Dafür müssen Sie die Bedingungen schaffen. Flüchtlinge müssen zügig eine Ausbildung beginnen und sie auch in unserem Land abschließen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Unter den Neuankömmlingen sind bis zu 400 000 unter 18 Jahren. Die können was und wollen was: die Schule abschließen, Deutsch lernen, eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen oder fortsetzen. Dafür braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung. Integration durch Bildung ist die größte Chance und Herausforderung dieses Jahrzehnts, und da kann der Bund helfen. Wie kann er denn helfen? Die Bund-Länder-Programme zur Dekade für Alphabetisierung sind da ein kleiner, richtiger Schritt. Diesem Schritt müssen aber weitere folgen, wenn es um Bildung für alle geht – mit mehr Sprachkursen, mehr Plätzen und Personal in Kitas, Schulen und Hochschulen, nicht zuletzt mit deutlich mehr Stipendien für Flüchtlinge; auch der Zugang zum BAföG kann und muss schneller erfolgen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Denn jeder junge Flüchtling von heute kann Gründerin, Arzt oder Ingenieurin von morgen sein. (Beifall der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Dafür braucht es übrigens Zigtausend zusätzliche Lehrkräfte und mehr Klassenzimmer. Nordrhein-Westfalen geht voran und schafft allein 3 600 zusätzliche Lehrerstellen zur Flüchtlingsintegration. Hilfen für Schulen sind aber eine nationale, bundesweite Aufgabe, und Sie, Frau Wanka, können da mitwirken. Machen Sie mit uns ein Bund-Länder-Schulmodernisierungsprogramm, um Schulen auszubauen. (Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär: Das ist verfassungswidrig!) Das wäre dringend notwendig, schon länger und erst recht jetzt, wenn man sieht, wie viele Schülerinnen und Schüler zusätzlich kommen. Das können wir machen, und das sollten wir machen: ein Schulmodernisierungsprogramm. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) All das gehört in Ihren Haushaltsentwurf 2016, erst recht in Zeiten von Steuerüberschüssen. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Die gibt es in den Ländern auch! 60 Prozent der Steuerüberschüsse fließen in Kommunen und Länder!) Da muss man gerade bei Zukunftsinvestitionen besonders stark zulegen. Wir werden Hand anlegen und Änderungsanträge zu Ihrem Haushalt für Forschung und Bildung stellen. In diesem Bereich wird Zukunft gedacht und gemacht. Jetzt sind wir Parlamentarier an der Reihe, um Ihren bisweilen ideenlosen Entwurf zu überarbeiten, damit aus unserem Einwanderungsland ein Land der Chancen wird und damit es für alle in Deutschland innovativer und gerechter zugeht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Tankred Schipanski, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Tankred Schipanski (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gehring, Ihre Reden waren schon frischer, sie waren ideenreicher, witziger und auch mal besser. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zuschauer sind so langweilig! Da kann niemand was dafür!) Zudem war es falsch, was Sie erzählt haben. Schauen Sie auf die Geduldeten, die während der Ausbildung eben nicht mehr abgeschoben werden dürfen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ganz toll, so ein Duldungsstatus!) Schauen Sie auf die Programme des BMBF wie „Bildung integriert“ und auf die vielen anderen Ansätze, die heute in dieser Debatte gerade auch mit Blick auf die Flüchtlingspolitik vorgetragen wurden. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren Sie schon einmal in einer Flüchtlingsunterkunft?) Lassen Sie mich Ihnen ein paar Fakten vortragen – Albert Rupprecht hat darauf hingewiesen –: Seit 2005 hat sich der Forschungs- und Bildungshaushalt von 7,6 auf jetzt 16,4 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Das ist ein unwahrscheinlicher Aufwuchs allein in diesem Jahr. Im Jahr 2016 steigt er wieder um 7,3 Prozent oder umgerechnet um 1,11 Milliarden Euro. Das ist – insbesondere im Vergleich zum Gesamthaushalt – ein deutlicher Zuwachs. Bei den Bruttoinlandsausgaben für FuE gab es von 2008 bis 2012 eine Steigerung um 56 Prozent auf 79,1 Milliarden Euro. Die Wirtschaft trägt zwei Drittel dieser Ausgaben. Dazu passt auch, dass von den zehn der forschungsstärksten europäischen Unternehmen fünf aus Deutschland kommen. 92,4 Prozent der internen FuE-Ausgaben der Wirtschaft werden in Westdeutschland eingesetzt. Das ist ein Fakt, der für uns nicht befriedigend ist. Daher legen wir beim Titel „Innovationsförderung in den neuen Ländern“ ein ganzes Stück nach. Wir haben den Haushaltstitel auf 149 Millionen Euro erhöht, um die Innovationskraft und die FuE-Leistungen in den neuen Ländern zu stärken. (Beifall bei der CDU/CSU) Ferner bauen wir – es ist angeklungen – unter Wahrung des eigenständigen Profils von Universitäten und Fachhochschulen den Titel „Forschung an Fachhochschulen“ aus. Lag der Etat für die Fachhochschulen im Jahr 2011 noch bei 37 Millionen Euro, liegt er nun bei überwältigenden 48 Millionen Euro. Das ist ein gutes Zeichen. Auf den Hochschulpakt, die Exzellenzinitiative, den Pakt für Forschung und Innovation möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen; das haben meine Vorredner getan. Die Zahlen, die wir vorgetragen haben, sind das eine. Kardinal Marx sagte am Dienstagabend dieser Woche auf dem traditionellen St.-Michael-Jahresempfang: Wir brauchen ein umfassenderes Bild von Wachstum, nicht nur nackte Zahlen wie Bruttoinlandsprodukt und Arbeitslosenzahlen. – Blicken wir mit diesen Augen auf die Bildungsrepublik Deutschland, lässt sich dieser Haushalt und unsere Politik als eine Politik der Chancengerechtigkeit beschreiben: weniger Schulabbrecher, viele begleitende Maßnahmen, Rekordniveau bei Studierenden, kontinuierliche Stärkung der dualen Ausbildung; unsere Initiative in Bezug auf das Meister-BAföG sei in diesem Zusammenhang besonders erwähnt. (Beifall bei der CDU/CSU) Unsere Politik ist eine Politik nachhaltiger Bildung, Stichwort: kein Abschluss ohne Anschluss. Wir ermöglichen ein durchgängiges System und lebenslanges Lernen; die Nationale Strategie für Alphabetisierung gehört selbstverständlich dazu, liebe Kollegen von den Grünen. Unsere Politik lässt sich beschreiben als eine Politik, die unsere Wissenschaftler motiviert, ermutigt und wertschätzt, sie als Motor der Innovation begreift. Wir begleiten das durch das Wissenschaftsfreiheitsgesetz. Die Berichte über die GAIN-Tagung zeigen: Viele kluge Köpfe der Welt möchten hier in Deutschland als Wissenschaftler arbeiten. Das spiegelt sich auch in der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wider, durch das wir die Einrichtungen regulieren wollen, die sich als schwarze Schafe entpuppt haben und mit ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs nicht so umgehen, wie wir uns das vorstellen. – Sie sehen: In der Bildungsrepublik Deutschland stimmen nicht nur die Zahlen, sondern auch der damit verbundene Geist. (Beifall bei der CDU/CSU) Trotz der positiven Tatsache, dass sich der Bund in höchstem Maß im Bereich Bildung und Forschung engagiert, fragte mich gestern eine Schülerin einer Besuchergruppe, warum so wenig davon bei ihrer Schule vor Ort ankomme. Ein Student meiner thüringischen Heimatuniversität, der TU Ilmenau, fragte, warum dort gegenwärtig massiv Stellen gestrichen werden? Meine Damen und Herren, was ist da los? Warum kommt das Geld nicht vor Ort an? Dafür gibt es einen einzigen Grund: Manche Bundesländer torpedieren durch ihre Landespolitik die Schwertpunktsetzung des Bundes. Lieber Herr Heil, da braucht es keine Ausführungen zum Kooperationsverbot. Auch ich freue mich, dass die Bundesratsbank heute für ihre Verhältnisse relativ gut gefüllt ist. Manche Bundesländer nutzen das großartige Engagement des Bundes, um ihre eigenen Mittel in den Bereichen zurückzufahren, in denen sie eigentlich investieren müssten. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Unmöglich!) Manche Bundesländer nehmen ihren Verfassungsauftrag nicht ernst (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist es!) und finanzieren trotz primärer Zuständigkeit ihre Bildungseinrichtungen unzureichend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können in Berlin noch so viel drauflegen, wir können noch so viele Aufwüchse vorsehen, die Bundesländer müssen mitziehen; denn nur so können unsere Impulse in den einzelnen Bundesländern wirken, nur so können bei Studentinnen und Studenten sowie den Schülerinnen und Schülern positive Effekte ankommen. Ich kann den Bundesländern, die so eine Politik betreiben, nur sagen: Sie verspielen damit Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit; Sie betreiben eine falsche Haushaltspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Hubertus Heil (Peine) [SPD]) Als wir vor circa einem Jahr über den Haushalt 2015 gesprochen haben, kämpfte in Thüringen die Partei Die Linke mit dem Slogan „Wir machen alles besser“ im Landtagswahlkampf. Wir wissen, dass im Freistaat Thüringen dann die erste rot-rot-grüne Koalition entstanden ist unter der Führung eines kommunistischen Ministerpräsidenten, (Zurufe von der LINKEN: Oh!) der mit seinen Genossen den Menschen versprochen hat: Wir machen alles besser. (Caren Lay [DIE LINKE]: So was von gestern!) Wenn ich die Reden der Linken heute hier im Plenum höre, stelle ich fest: Das ist genau der gleiche Tenor. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wir sind in einer Partei!) Schauen wir doch einmal auf die Bildungs- und Hochschulpolitik in Thüringen, wo die Linke Verantwortung trägt. Thüringen war berühmt für seine gute MINT-Ausbildung in den Schulen, für die Erfolge bei „Jugend forscht“, für außerschulisches Bildungsengagement. Der Bund unterstützt dies mit vielen Projekten, obwohl er keine Zuständigkeit für diesen Bereich hat. (Zurufe von der LINKEN) Flächendeckend engagieren wir uns über die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Allein in diesem Haushaltsjahr sind dafür 10,5 Millionen Euro angesetzt. Thüringen hat in den Haushalten für die Jahre, in denen Sie jetzt in Thüringen regieren, keinen einzigen Euro für außerschulische Bildung eingestellt, obwohl es sehr viele lokale Initiativen gibt, die auf die Unterstützung des Landes warten. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie doch zum Landtag Thüringen! Da können Sie über Thüringen jeden Tag reden!) Das Land ist dafür ausdrücklich zuständig. Doch die Linken geben keinen müden Euro dafür. Es wird nichts besser, aber vieles schlechter. In meinem Wahlkreis wird höchstwahrscheinlich die Computerschule in Arnstadt geschlossen. Die Ministerin der Linken hatte vor Schuljahresbeginn noch nicht einmal Zeit, sich mit den Verantwortlichen dieser Initiative vor Ort zu treffen. Das finde ich äußerst bitter. Das ist linke Bildungspolitik. (Zuruf von der LINKEN) – Das müssen Sie jetzt ertragen. Sie stehen da in Verantwortung. Heute lese ich in der Zeitung, dass Thüringer Schüler ein ganzes Schuljahr lang keine Klassenfahrten machen können, weil die neue Landesregierung auch diesen Titel zusammengestrichen hat. Das finde ich bemerkenswert. Aber hier regen Sie sich über das Deutschlandstipendium auf, von dem 1 Prozent der Studierenden profitiert. Das ist einfach unredlich. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Linke hat 1 000 neue Lehrer versprochen. Nichts ist passiert. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie auch noch zum Bundeshaushalt?) Stattdessen gibt es Unterrichtsausfall: Ganze Fächer fallen aus. Über die Lehramtsanwärter will ich erst gar nicht sprechen. Sie beklagen hier, dass die Lehrerausbildung nicht klappt. Schauen Sie nach Thüringen: Da läuft überhaupt nichts. Sie haben nicht eines Ihrer Wahlversprechen wahrgemacht. (Widerspruch bei der LINKEN) Ich bin gespannt, ob Sie dem Beispiel Bayerns folgen und jetzt Willkommensklassen einrichten. (Beifall bei der CDU/CSU) Das wäre ein wichtiger Beitrag, den die Landesregierung mit Blick auf die Flüchtlinge leisten könnte. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Kollege Schipanski? Tankred Schipanski (CDU/CSU): Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Ist gut. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Wir machen das am Ende. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Am Ende machen wir gar nichts. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Wir haben die Länder in Milliardenhöhe durch eine BAföG-Reform entlastet. Die frei werdenden Mittel sollten an den Hochschulen eingesetzt werden. In Thüringen ging 2015 aber kein einziger Euro davon an die Hochschulen. Skandalös ist das. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind im Bundestag, nicht im Landtag Thüringen! – Swen Schulz (Spandau) [SPD]: Wir warten auf den Monitoringbericht!) Meine Heimatuniversität in Ilmenau muss ein Drittel ihrer Lehrstühle – noch einmal: ein Drittel ihrer Lehrstühle! – aus Finanznot streichen, weil der Freistaat sie nicht ausreichend finanziert. Der renommierten Universität Jena geht es nicht besser. Das ist die Wahrheit über die linke Hochschulpolitik, die Sie im Land vertreten. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann reden Sie denn wieder zum Bundeshaushalt?) Was Sie auf Bundesebene fordern, auch in Ihren Reden heute, ist Schall und Rauch. Sie machen nichts besser; sie machen vieles schlechter. (Beifall bei der CDU/CSU) Warum sage ich das an dieser Stelle so ausdrücklich? (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fragen wir uns auch!) Weil ich froh bin, dass ich mich als Mandatsträger hier im Bundestag frei äußern darf. Anders ist es unter dem Genossen Ramelow im linken Thüringen, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!) der am gestrigen Tage den kommunalen Amtsträgern – das sind Bürgermeister und Landräte – in einem Erlass angedroht hat, sie disziplinarrechtlich zu verfolgen, wenn sie seine chaotische Flüchtlingspolitik im Freistaat öffentlich kritisieren. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das noch zum Bildungshaushalt! – Zurufe von der LINKEN) Ein Maulkorberlass, und das im 25. Jahr der deutschen Einheit! Schämen Sie sich! (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN) Das ist skandalös. Wir werden uns von solchen SED-Instrumenten nicht einschüchtern lassen, weder Amtsträger noch Mandatsträger. Wir werden auch weiterhin die Tatsachen der Genossen benennen. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich fordere die Bundesländer auf, durch ihre Haushalte die aktive Politik der Bundesregierung und des Ministeriums für Bildung und Forschung weiter zu unterstützen. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was sagen Sie denn zu Baden-Württemberg? Schämen sollten Sie sich!) Wir setzen die richtigen Schwerpunkte, gerade auch mit Blick auf die Digitalisierungspolitik. Das war gestern bei der Rede unserer Kanzlerin Thema Nummer eins. Dies ist ein Haushalt der Ermutigung. Wir haben klare Zuständigkeiten. Ich freue mich auf die Beratungen dieses Haushalts. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Nächste Rednerin ist die Kollegin Marianne Schieder, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Marianne Schieder (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Vorrednerinnen und Vorredner sind bereits allgemein auf die Vorzüge, aber auch auf die Baustellen eingegangen, die es im Bildungsetat gibt. Manch einer, Herr Schipanski, hat deutlich daran vorbeigeredet; das muss man auch einmal sagen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Weil er Grund hatte!) Ich möchte Ihr Augenmerk auf eine besondere und, wie ich meine, viel zu wenig beachtete Problematik richten. Ich möchte auf die Lage all der Menschen in diesem Land eingehen, die mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche zu kämpfen haben und die mehr oder weniger als Analphabeten einzustufen sind. Worüber reden wir da? Hierzulande gelten – man kann es kaum glauben, aber es ist wahr und durch zuverlässige Forschung nachgewiesen – 7,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter als funktionale Analphabeten. Das sind 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. 57 Prozent der Betroffenen gehen einer regelmäßigen Arbeit nach, häufig natürlich als angelernte oder ungelernte Arbeitskräfte. Deutsch – man höre und staune – ist bei 58 Prozent der Betroffenen die Muttersprache. 80 Prozent der Betroffenen haben sogar einen Schulabschluss. Es handelt sich also nicht um ein Rand- oder gar ein Randgruppenproblem, sondern es handelt sich um eine Problematik, die die gesamte Gesellschaft durchdringt. Wir reden über Bürgerinnen und Bürger, die ihre Rechte und Pflichten nicht entsprechend wahrnehmen und erfüllen können und dies wie einen schrecklichen Makel vor ihren Nachbarn, vor Freunden, vor den Arbeitgebern, ja, manchmal sogar vor der eigenen Familie geschickt zu verbergen wissen. Wir reden über Väter und Mütter, die ihren Kindern nicht bei den Hausaufgaben helfen können. Wir reden über Menschen, die aus Scham und Furcht in prekären Jobs landen, obwohl sie mit der richtigen Unterstützung gute Chancen auf qualifizierte Arbeitsplätze hätten. (Beifall bei der SPD) Wir reden über Menschen, die wir aus einer menschenunwürdigen Situation befreien müssen – einer Situation, die eines Sozialstaats und einer Bildungsgesellschaft unwürdig ist. (Beifall bei der SPD) Weil uns Sozialdemokraten dieses Thema so wichtig ist, ist es Teil des Koalitionsvertrags geworden. Wir haben bereits im Juni dieses Jahres einen Antrag dazu in erster Lesung beraten. Dieser Antrag und die darin eingeforderten Maßnahmen sind gerade auch in der Fachöffentlichkeit sehr positiv aufgenommen worden. Im Zentrum steht die Forderung nach einem familien- und lebensweltorientierten Förderprogramm, das niedrigschwellige Angebote unterstützt, mit denen die betroffenen Menschen und ihre Familien erreicht werden können, um so die Schreib- und Lesepraxis in den Familien zu stärken. Wir brauchen aber auch den Ausbau von arbeitsplatz­orientierter Grundbildung, damit vor allen Dingen erwerbstätige Menschen mit Lese- und Schreibschwäche gefördert werden können. Wir halten es für dringend erforderlich, dass eine nationale Koordinierungs- und Monitoringstelle gegründet wird, die all die Aktivitäten des Bundes, aber auch der Länder bündelt und Service und Beratung bietet. (Beifall bei der SPD) Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Vielmehr gilt es, die vielen erfolgreichen Pilotprojekte in die Fläche zu tragen und ein Angebot zu schaffen, das die Zielgruppen erreicht. Auch die vielen Lehrkräfte und Erwachsenenbildner, die sich von einer befristeten Stelle zur anderen hangeln, brauchen endlich Planungssicherheit und gesicherte Arbeitsverhältnisse. Frau Ministerin, am Dienstag haben Sie anlässlich des Weltalphabetisierungstags auch Ihre Pläne zu diesem Thema vorgestellt. Das wurde auch Zeit, kann ich dazu nur sagen; denn ich will heute nicht verhehlen, dass ich lange Zeit, eigentlich bis Dienstag, den Eindruck hatte, dass das Interesse an diesem Thema seitens des Ministeriums und auch seitens der Ministerin wesentlich ausgeprägter sein könnte. Aber ich bin natürlich sehr erfreut, dass es jetzt losgeht, dass sich das Ministerium und die Ministerin dieses Themas annehmen und dass Sie mit uns gemeinsam die nationale Dekade für Alphabetisierung anschieben. Das ist gut so, und die Maßnahmen, die angekündigt worden sind, sind es auch. Aber es gibt an manchen Stellen noch Luft nach oben. Das betrifft vor allen Dingen die Finanzierung. 180 Millionen Euro für zehn Jahre ist viel Geld, aber angesichts der Tragweite der Aufgabe nicht zu viel Geld. Da waren wir schon weiter. Wir haben in den Haushalt für 2015 immerhin schon knapp 20 Millionen Euro eingestellt. Bei diesem Betrag pro Jahr sollten wir, meine ich, auch bleiben. (Beifall des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD]) Ich hoffe sehr, dass das letzte Wort in dieser Hinsicht noch nicht gesprochen ist. Denn das Thema ist wichtig. Es handelt sich um eine Thematik, die nicht in kurzer Zeit zu bewältigen ist. Nur durch ausreichende und gesicherte Mittelausstattung können wir langfristige Projekte finanzieren und verhindern, dass nur Leuchtfeuer entzündet werden, die im Endeffekt nicht zum Ziel führen. Wir haben einen guten Weg eingeschlagen, was die Alphabetisierung und Grundbildung betrifft. Ich bin sicher, dass die ausgerufene Alphabetisierungsdekade helfen wird, die Zahl der Analphabeten in unserem Land zu senken. Es gibt aber noch viel zu tun, bis dieses Ziel erreicht ist. Ich bitte Sie alle in allen Fraktionen, uns zu unterstützen. Ich bitte Sie: Packen wir es gemeinsam an, um eine für die Menschen unwürdige Situation, die dringend verbessert werden muss, wirklich zu verbessern. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Die Kollegin Anette Hübinger, CDU/CSU-Fraktion, hat jetzt das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Anette Hübinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Enorme Herausforderungen bei der Flüchtlingsaufnahme, weitere Krisenbewältigung in Griechenland – dennoch ein Rekordhaushalt für Bildung und Forschung und der Wille, das Ganze ohne Neuverschuldung auf den Weg zu bringen. Das sind die zentralen Herausforderungen an die Haushalts- und Finanzpolitik, insbesondere im Haushaltsjahr 2016. Die schwarze Null ist kein Selbstzweck. Vielmehr geht es bei solider Haushaltspolitik darum, das Vertrauen in Deutschland zu erhalten und der jungen Generation Perspektiven zu eröffnen. Daher müssen wir unsere aktuellen Probleme mit heutigen Mitteln lösen und dürfen das Ganze nicht auf die nächste Generation verschieben. Denn dann würden wir es uns zu leicht machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit dieser Prämisse im Hinterkopf setzen wir nun den Auftakt für die Haushaltsverhandlungen 2016. Was bedeutet das für den Einzelplan 30, Bildung und Forschung? Weil die regierende Koalition an die junge Generation denkt, bleibt der Bereich Bildung und Forschung weiterhin zentraler Schwerpunkt. Für das kommende Jahr – das haben wir gehört – sind 16,4 Milliarden Euro veranschlagt. Das ist eine Steigerung um 1,1 Milliarden Euro. Aber man muss auch dazusagen, dass in diesem Betrag 100 Millionen Euro aus dem Haushaltsjahr 2017 enthalten sind, die in 2016 vorgezogen werden, um neue Ansätze schon jetzt realisieren zu können. Das Betreuungsgeld hat etwa 108 Millionen Euro in unserem Haushalt ausgemacht. Diese Mittel wurden über die GMA erwirtschaftet. Auch das bleibt jetzt in diesem Haushalt erhalten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Diese Mittelsteigerung liegt prozentual betrachtet mit 7,4 Prozent doppelt so hoch wie die Steigerung des Gesamthaushaltes. Es ist meines Erachtens ein richtiges und wichtiges Signal, dass die Bundesregierung an dem 10-Prozent-Ziel – 7 Prozent für Bildung und 3 Prozent für Forschung – festhalten wird. Der bildungs- und forschungspolitische Fokus in diesem Haushalt richtet sich aber nicht nur auf die Aufgaben des Bundes selbst. Mit der Übernahme des BAföG, mit dem Hochschulpakt und mit der alleinigen Finanzierung der Steigerung der Mittel für die außeruniversitären Forschungsinstitutionen entlasten wir die Länder um einen namhaften Milliardenbetrag. Das sind, wenn man es überschlägt, ungefähr 5 Milliarden Euro. Ins Verhältnis gesetzt zum Haushaltsvolumen von 16,4 Milliarden Euro macht das fast ein Drittel aus. Ein Drittel ist also für Aufgaben der Länder vorgesehen. Dies obliegt eigentlich nicht dem Bund und damit unserem Haushalt. Wir als Haushaltspolitiker müssen bald fragen, was unseren Haushalt ausmacht und ob wir die Bundesaufgaben in Zukunft noch ordnungsgemäß erledigen können. Welchen Wert eine stringente Bildungs- und Forschungspolitik hat, zeigt sich auch darin, dass Deutschland mit 7,4 Prozent die mit Abstand geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa hat. Das ist unserer beruflichen Ausbildung, der dualen Ausbildung geschuldet. Dieses Modell der beruflichen Ausbildung wird mittlerweile weltweit nachgefragt. Das zeigt sich aber auch an den transnationalen Patentanmeldungen. Hier ist Deutschland führend in Europa und auf Platz drei weltweit. Dies ist ein Verdienst der Industrie, aber ebenso der Forschungspolitik, die in der Hightech-Strategie die globalen Herausforderungen adressiert, zu verdanken. Somit stellen sich aufs Neue die Fragen: Wie kann man diese Erfolge weiter ausbauen, und welche Schwerpunkte sollten aus fachpolitscher Sicht gesetzt werden? Wie können wir auf neue Entwicklungen wie beispielsweise die Flüchtlingsströme adäquat reagieren? Erst einmal bleibt festzuhalten, dass die Themen „Bildungsgerechtigkeit“, „ein ganzheitliches, leistungsfähiges Wissenschaftssystem“, „starke außeruniversitäre Forschungseinrichtungen“ sowie „Stärkung der Spitzenforschung“ Leitlinien in diesem Einzelplan sind. An dieser Stelle mein Dank an das Ministerium, das die wesentlichen Schwerpunkte, die die Fachpolitiker gesetzt haben, in diesem Haushaltsjahr weiter fortschreibt. Ihnen, den Fachpolitikern, waren zum Beispiel besonders wichtig: die Verbesserung der Berufsorientierung, eine Stärkung der überbetrieblichen Bildungsstätten, Weiterbildung und lebenslanges Lernen. Dies sind Themen, die besonders jungen Menschen auf ihrem beruflichen Weg helfen und ihnen auch bei ihrer künftigen Entwicklung in ihrem Berufsleben weiterhelfen. Das BMBF schließt in diesem Haushaltsentwurf daran an und investiert in die überbetrieblichen Bildungsstätten im Bereich Digitalisierung weitere 14 Millionen Euro. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Man kann sagen: Die ÜBS werden fit für die Zukunft gemacht. Besonders zu erwähnen ist die Initiative des BMBF zur Gewinnung von Studienabbrechern für die berufliche Ausbildung. Damit soll die Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung verbessert und den jungen Menschen neue Perspektiven eröffnet werden. Eine fundierte berufliche Ausbildung und eine durchlässige Weiterbildung untermauern auch die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Diese Gleichwertigkeit wird noch dadurch unterstrichen, dass wir jetzt das Meister-BAföG novellieren und es dem BAföG für Studierende gleichstellen. In der Fraktionsklausur wurde von unserem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder der Wunsch geäußert – das wurde auch so verabschiedet –, dass diese Gleichwertigkeit hergestellt wird und wir dafür neue Mittel einstellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Jetzt brauchen wir nur noch die Sozialdemokraten!) Jetzt brauchen wir nur noch das Votum der Sozialdemokraten, diesen Weg mitzugehen. Aber ich denke, das werden wir in den Haushaltsberatungen hinbekommen. Auch die Weiterentwicklung der Alphabetisierungsstrategie zu einer Dekade der Alphabetisierung gewinnt aufgrund der Flüchtlingsströme natürlich an Bedeutung. Liebe Frau Kollegin Schieder, wir fangen nicht erst damit an, sondern es werden, wie Ministerin Wanka betont hat, bereits Hunderte von Millionen Euro dafür investiert. Und: Eine Strategie zu einer Dekade weiterzuentwickeln, ist – das zeigt sich schon in der Wortwahl – eine besondere Herausforderung, der wir uns stellen wollen. Auch in der Forschung haben wir Akzente, auch neue Akzente gesetzt. Für Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft werden im Haushaltsjahr rund 7 Millionen Euro zusätzlich eingestellt. Als Beispiel möchte ich hier die Wirkstoffinitiative, die sich der Erforschung von neuen Wirkstoffen im Bereich der Antibiotikaresistenzen widmet, nennen. Welche Brisanz dieses Thema hat, kann man täglich in der Presse nachlesen. Denn immer wieder wird über ganze Abteilungen in Kliniken berichtet, die vorübergehend geschlossen werden, weil ein multiresistenter Keim aufgetreten ist. Besonders am Herzen liegt mir – das wurde heute schon erwähnt – die Erforschung der armutsassoziierten, vernachlässigten Krankheiten. Diese Krankheiten waren auch ein besonderer Schwerpunkt beim G-7-Treffen in diesem Jahr. Produktentwicklungspartnerschaften sind ein neues Finanzierungsmodell in unserem Haushalt. Wir werden mit diesen Produktentwicklungspartnerschaften in eine zweite Förderrunde gehen. Ich gehe von einer Verdoppelung der Mittel im Förderzeitraum aus. Ein weiteres zukunftsweisendes Anliegen ist die Digitale Agenda. Denn die Digitalisierung tangiert jeden Einzelnen von uns in allen Lebensbereichen. So muss die Forschung nicht nur die Digitalisierung an sich begleiten, sondern auch Antworten darauf finden, wie die Arbeitswelt und unser künftiges Leben in diesem Prozess positiv gestaltet werden können. Daher wurde der gesamte Themenbereich um 10 Millionen Euro gestärkt und interdisziplinär angelegt. Durch die Digitalisierung sollen neue wissenschaftliche Informationsstrukturen aufgebaut werden. Durch die Vernetzung von Forschungsdatenbanken kann ein unermessliches Potenzial gehoben werden. Dies ist ein wichtiger Schritt für den Forschungsstandort Deutschland, der mit der Open-Access-Strategie neue Maßstäbe setzt. (Beifall bei der CDU/CSU) Des Weiteren wird das Thema „Digitale Bildung an Schulen“ vorangetrieben. Und mit der Plattform „Industrie 4.0“ wird ein deutliches Zeichen für die Digitalisierung der Wirtschaft gesetzt. Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die Flüchtlingsproblematik eingehen. Kollege Schulz hat gesagt, dass auch auf den Einzelplan 30 in der Zukunft Herausforderungen zukommen werden. Viele Dinge sind schon positiv angelegt. Notwendig sind aber auch Flexibilisierung beim und schnellerer Zugang zum BAföG, ein Abschiebestopp während der Ausbildung, die Anerkennung ausländischer Qualifikationen sowie Sprachkurse und frühkindliche Bildung. Aber ich bin mir sicher, dass wir das alles schaffen werden. Denn Deutschland ist stark. Ich freue mich auf die Haushaltsverhandlungen, die in den vergangenen Jahren immer sehr kollegial vonstattengegangen sind, und wünsche uns eine gute Beratung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Oliver Kaczmarek von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Oliver Kaczmarek (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich beeindruckend, wenn man einen Blick auf die Zahlen wirft, vor allem dann, wenn man sich die Lage vor Augen führt, aus der die Bildungspolitik seit 1998 befreit worden ist. Erinnern wir uns kurz an das Jahr, das das Ende des Reformstaus in Deutschland markiert: Das BAföG – runtergewirtschaftet; stagnierende Forschungsausgaben. Deutschland galt als kranker Mann in Europa. Wenn man sich das vor Augen führt und dann den heutigen Mittelaufwuchs sieht, muss man sagen: Ja, das war tatsächlich eine Kraftanstrengung in den letzten fast zwei Jahrzehnten und stellt eine deutliche Prioritätensetzung für Bildung und Innovation vieler Bundesregierungen dar. (Beifall bei der SPD) Es ist schon angesprochen worden: Mehr Geld alleine macht noch keine gute Bildungspolitik. Deswegen lassen Sie mich am Schluss der Debatte noch einen Blick auf zwei oder drei Herausforderungen werfen, die in den nächsten zwei Jahren dieser Wahlperiode vor uns liegen. Unsere erste Herausforderung: Wir müssen weiter in Chancengleichheit investieren. Chancengleichheit ist nach wie vor eine zentrale Frage. Denn wir wollen, dass im Bildungswesen nicht die Herkunft, sondern Leistung zählt. (Beifall bei der SPD) Deshalb war es richtig und wichtig, dass wir das BAföG substanziell erhöht und strukturell modernisiert haben. Einige der in der 25. BAföG-Novelle vorgesehenen Maßnahmen sind schon in Kraft getreten, Herr Gehring. Wir haben uns gefreut, Frau Ministerin, als wir im Sommer gehört haben, dass Sie eine Anregung aus den parlamentarischen Beratungen aufgenommen haben, nämlich die Voraufenthaltsdauer für Geflüchtete vorzeitig auf 15 Monate zu reduzieren. Das ist in dieser Situation ein richtiger Schritt und ein Willkommensgruß an diejenigen, die dann auch mit staatlicher Unterstützung unsere Hochschulen besuchen können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es ist auch schon angesprochen worden, und es gehört zur Chancengleichheit: Genauso wichtig wie das BAföG ist das Meister-BAföG. Die Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge haben wir schon beim BAföG geregelt. Wir werden jetzt die Leistungen und den Gefördertenkreis ausweiten und das AFBG modernisieren. Lassen Sie uns deshalb beim BAföG deutlich machen: Wir reden nicht nur über die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung; wir schaffen sie. Das wird im AFBG deutlich werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gestatten Sie mir eine letzte Anmerkung zur Chancengleichheit. Heute Nachmittag wird der Etat der Familienministerin beraten. Deswegen – Herr Heil hat es schon angesprochen – ganz kurz: Uns interessieren doch auch die Spitzenforscher von morgen, die heute in die Kitas gehen. Die Lage beim Betreuungsgeld ist so, wie sie ist. Das Verfassungsgericht hat gesprochen. Unser aller Interesse als Bildungspolitiker – über die Ressortgrenzen hinweg – sollte sein, dass das Geld im Etat der Familienministerin bleibt, damit dort in die Qualitätsverbesserung bei der frühkindlichen Bildung investiert werden kann. (Beifall bei der SPD) Zweite Herausforderung. Wir müssen dem Fachkräftemangel entschieden entgegentreten. Dazu brauchen wir mehr Schritte in Richtung Gleichwertigkeit von beruf­licher und allgemeiner Bildung. Ich glaube, manche akademische Debatte, die darüber gerade geführt wird, hilft am Ende nicht weiter, weil wir ganz konkrete Schritte brauchen. Die Ausbildungswilligen brauchen einen Ausbildungsplatz, auch die – das sage ich ganz bewusst – ohne Abitur. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die Debatte in einem Akademisierungswahn zu sehr auf eine bestimmte Gruppe von Ausbildungswilligen konzentriert. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Alle brauchen einen Ausbildungsplatz, und zwar überall im Land. Ich bin froh, dass mit der Allianz für Aus- und Weiterbildung ein erster Schritt gegangen wurde, dass die Zahl der Ausbildungsplätze steigt und wir in die assistierte Ausbildung investieren. Auszubildende brauchen aber auch eine gute Ausbildung. Das ist eine Baustelle, der wir uns annehmen müssen. Leider hat uns der DGB-Ausbildungsreport, der Anfang September vorgestellt wurde, wieder vor Augen geführt, dass in einigen Branchen die Qualität der Ausbildung leider nicht gut ist. Damit müssen wir uns beschäftigen; denn die Auszubildenden brauchen eine gute Ausbildung. (Beifall bei der SPD) Nicht zuletzt: Auszubildende brauchen auch eine Übernahmeperspektive. Wie sonst sollen sie die Zuversicht haben, eine Familie zu gründen, eine Wohnung zu beziehen, sich ehrenamtlich zu engagieren, also all das zu tun, was wir von ihnen gesellschaftlich erwarten, wenn sie nach der Ausbildung – das ist hier schon angesprochen worden – mit befristeten Verträgen leben müssen? Deshalb brauchen wir keine Debatten über einen vermeintlichen Akademisierungswahn, sondern konkrete Schritte, die den Auszubildenden helfen. Das schafft Gleichwertigkeit der Ausbildungswege und ist eine wichtige Herausforderung für die nächsten zwei Jahre. (Beifall bei der SPD) Dritte Herausforderung. Noch nie haben so viele Menschen wie heute ein Studium aufgenommen. Sie zu unterstützen, dass sie ein erfolgreiches Studium und einen guten Studienabschluss haben, ist für mich eine der Schlüsselherausforderungen. Es ist schon angesprochen worden: Der Hochschulpakt wurde verlängert. An dieser Stelle möchte ich kurz einschieben, dass der Hochschulpakt, der Pakt für Forschung und Innovation, die Exzellenzinitiative und der Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs, den es bald geben wird, zusammengehören: Das ist eine vierteilige Strategie für die Entwicklung unseres Wissenschaftssystems. Wir wollen bei der Neugestaltung der Exzellenzinitiative nicht nur dafür sorgen, dass mehr Geld für Etablierte zur Verfügung stehen wird, sondern auch, dass eine Strategie entwickelt wird, die das gesamte System in Bewegung und mehr Exzellenz bringt. Herr Heil hat gesagt: „Wir wollen mehr Exzellenz wagen.“ Das ist genau richtig. Spitze und Breite gehören zusammen. Deswegen müssen wir diese vier Elemente immer zusammen sehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir wollen es jetzt aber vor allem schaffen, dass die Qualität der Lehre verbessert wird. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wer ein Studium beginnt, der soll es – qualitätsgesichert natürlich – auch abschließen. Dafür haben wir mit dem Qualitätspakt Lehre und mit den Festlegungen, die wir im Hochschulpakt getroffen haben, eine gute Basis gelegt. Aber ich will noch einen Schritt weiter gehen: Unserer Meinung nach ist eine gute Lehre auch ein Kriterium für Exzellenz. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich will es noch anders sagen und mich damit auch etwas aus dem Fenster lehnen: Eine Hochschule mit schlechter Lehre kann keine gute und schon gar keine exzellente Hochschule sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen gehört das mit in die Verhandlungen über die Exzellenzinitiative. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben in den letzten zwei Jahren viel Gutes geschafft. Wir sind auf einem guten Weg, haben aber noch viel zu tun. In den Beratungen werden wir noch ein bisschen am Haushaltsentwurf schleifen, sodass sich die Bundesregierung darauf verlassen kann, eine gute etatmäßige Grundlage vom Parlament zu bekommen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Bevor wir zu der Beratung des nächsten Einzelplanes kommen, müssen wir noch eine Reihe von Entscheidungen treffen. Zunächst rufe ich die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 f sowie Zusatzpunkt 1 auf: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abwicklung der staatlichen Notariate in Baden-Württemberg Drucksache 18/5218 Überweisungsvorschlag: A. f. Recht und Verbraucherschutz b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte Drucksache 18/5563 Überweisungsvorschlag: A. f. Recht und Verbraucherschutz (f) A. f. Wirtschaft und Energie A. f. Arbeit und Soziales c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG) Drucksache 18/5867 Überweisungsvorschlag: A. f. Gesundheit (f) Innenausschuss A. f. Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss A. f. Wirtschaft und Energie A. f. Ernährung und Landwirtschaft A. f. Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss A. f. Familie, Senioren, Frauen und Jugend A. f. Verkehr und digitale Infrastruktur A. f. Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts Drucksache 18/5918 Überweisungsvorschlag: A. f. Recht und Verbraucherschutz (f) Finanzausschuss A. f. Familie, Senioren, Frauen und Jugend e) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2014 – Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2014 – Drucksache 18/5128 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss f) Beratung des Antrags des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2014 – Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2014 – Drucksache 18/5291 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ZP 1 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Luftverkehrsabkommen vom 16. und 21. Juni 2011 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei und zu dem Zusatzabkommen vom 16. und 21. Juni 2011 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island als zweiter Partei und dem Königreich Norwegen als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens vom 16. und 21. Juni 2011 Drucksache 18/5580 Überweisungsvorschlag: A. f. Verkehr und digitale Infrastruktur Hierbei handelt es sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf. Hierbei handelt es sich um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 3 a: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013 – Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013 – Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – – zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2014 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2013) – zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2014 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes – Weitere Prüfungsergebnisse – Drucksachen 18/1930, 18/1809, 18/3300, 18/3617 Nr. 1, 18/4650, 18/4865 Nr. 1, 18/5387 Unter Nummer 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt der Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013 vor. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Beschluss­empfehlung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Unter Nummer 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufordern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushaltsausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, damit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gibt es jemanden, der dagegenstimmt? – Das ist nicht der Fall. Gibt es jemanden, der sich enthält? – Dann ist diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden. Ich komme zum Tagesordnungspunkt 3 b: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2014 – Einzelplan 20 – Drucksachen 18/5020, 18/5388 Wer stimmt für Nummer 1 der Beschlussempfehlung, also die Feststellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? – Gibt es jemanden, der dagegenstimmt? – Gibt es jemanden, der sich enthält? – Damit ist auch diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden. Wer stimmt für Nummer 2 der Beschlussempfehlung, also die Erteilung der Entlastung? – Stimmt jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist auch diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden. Wir setzen die Haushaltsberatungen fort. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Einzelplan 11. Wenn die Kolleginnen und Kollegen sich hingesetzt haben, können wir mit der Debatte beginnen. – Als erste Rednerin hat die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mich mit den Themen für das kommende Jahr beschäftige, gestatten Sie mir kurz einen Blick zurück: Wir haben in dieser Legislaturperiode schon einige große Reformvorhaben umgesetzt. Wir haben die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren eingeführt. Seit 1. Januar 2015 gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn. Wir haben die Tarifautonomie gestärkt und neue Ansätze zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit umgesetzt. Weil so mancher Sorge hat, möchte ich an dieser Stelle direkt sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit wird auch weiterhin Priorität haben und Handlungsschwerpunkt bleiben, auch wenn neue Aufgaben hinzukommen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Reformen der vergangenen Jahre waren zum Teil mit heftigen Kontroversen verbunden. An Horrorszenarien hat es nicht gemangelt. Heute, mit etwas Abstand, können auch die größten Pessimisten feststellen, dass diese Horrorszenarien so nicht eingetreten sind. Die Kosten der Mütterrente und die Inanspruchnahme der Rente ab 63 Jahren liegen voll im Rahmen der Erwartungen. Andere Beitragszahler rücken nach. Beitragsausfälle bleiben aus. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist auf Rekordniveau. Der Mindestlohn wird zunehmend zur Normalität und stabilisiert spürbar die Strukturen auf dem Arbeitsmarkt. Statt der prophezeiten Jobverluste ist die Beschäftigung heute höher als vor einem Jahr, nämlich über eine halbe Million Menschen mehr. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das spült viel Geld in die Sozialkassen. Natürlich ist der auch Mindestlohn ein wichtiges Instrument, um die Zuwanderung nicht in einen Wettlauf nach unten, sondern in ordentliche Arbeit münden zu lassen; darauf lege ich Wert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Arbeit der letzten zwei Jahre zeigt, dass wir mit Augenmaß und Vernunft vorgehen. Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, geleitet von dieser Erfahrung, auch die kommenden Reformaufgaben angehen: mit Augenmaß und klarem Blick auf die Dinge, die wir verändern möchten. Wir werden in den kommenden Monaten das umsetzen, was wir schon sehr präzise im Koalitionsvertrag verabredet haben, ein Gesetzespaket zur Vermeidung von Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen. Derzeit sind wir in intensiven Vorbereitungen und Gesprächen, um ein zielgenaues Gesetz zu erarbeiten. Zwei Dinge möchte ich hierzu an dieser Stelle anmerken: Erstens geht es nicht darum, die Vertragsform Werkvertrag infrage zu stellen. Aber ein Anliegen unserer Reform ist es, den Menschen, die hinter solchen Verträgen stehen, ein Gesicht zu geben, zum Beispiel indem Betriebsräte Kenntnis bekommen, wer als Werkarbeitnehmer auf dem Firmengelände beschäftigt ist. Einen zweiten Punkt möchte ich aus aktuellem Anlass gerne in Erinnerung rufen, weil er uns erst kürzlich in der Realität der Tarifauseinandersetzung begegnet ist. Wir möchten klarstellen, dass Leiharbeiter nicht als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Auch das haben wir im Koalitionsvertrag verabredet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Abschluss eines intensiven Dialoges mit allen Betroffenen werden wir im kommenden Jahr auch ein Bundesteilhabegesetz vorlegen. Mit dem Bundesteilhabegesetz werden wir Menschen mit Behinderungen mehr Selbstständigkeit und mehr Teilhabe eröffnen. Aber – das sage ich direkt dazu –: Alles, was wir tun werden, werden wir so gestalten, dass wir damit keine neue Ausgabendynamik auslösen. Auch das haben wir klar verabredet. Wir werden also diese Vorhaben weiter umsetzen, auch wenn uns alle zurzeit sicher ein ganz anderes Thema bewegt, nämlich das Schicksal vieler Millionen Flüchtlinge auf der ganzen Welt und die Frage, wie wir denen, die bei uns Zuflucht suchen, ein würdiges neues Leben in unserem Land ermöglichen können. Wenn ich in diesen Wochen Bilder sehe, wie Hunderte von Menschen auf den Bahnhöfen warten – mit Jacken, Pullovern, Wasser, Essen und einem freundlichen Lächeln für die ankommenden Flüchtlinge: in München, in Frankfurt, in Dortmund, in Saalfeld in Thüringen oder sogar nachts um drei in Berlin –, dann bin ich persönlich dankbar. All denen, die das überall in unserem Land tun – und den vielen mehr, die auch helfen –, möchte ich Danke sagen. (Beifall im ganzen Hause) Aber auch Bund, Länder und Kommunen stehen hier vor großen Herausforderungen. Als Erstes sehen wir natürlich, was nötig ist, um das Dringendste zu gewährleisten: ein Dach über dem Kopf, Decken, Kleidung, Registrierung, Essen, ärztliche Versorgung, Schule für die Kinder. Bei all dem dürfen wir uns nicht allein auf noch so großes freiwilliges Engagement verlassen. Dafür brauchen die Kommunen und Länder finanzielle Unterstützung. Und auch der Bund steht vor einer großen Herausforderung. Auch wir benötigen zusätzliche Finanzmittel, wenn wir diese Aufgabe erfolgreich schultern wollen. Ich bin überzeugt, wir können es schaffen. Aus den Flüchtlingen sollen möglichst schnell Nachbarn und Kollegen werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Lange Asylverfahren und die Abhängigkeit von staatlicher Hilfe – das ist für die betroffenen Menschen frustrierend, und es ist die schlechteste Lösung für unser Gemeinwesen, übrigens auch für die öffentlichen Kassen. Ziel muss es sein, dass die Menschen, die bei uns bleiben, zügig in Arbeit kommen. Unser Haushalt, unser Einzelplan 11, der hier zur Debatte steht, ist ein wichtiger Hebel, mit dem wir das stemmen können. Wir fangen nicht erst jetzt an. Ich habe alle Spielräume genutzt, um auch im laufenden Jahr sofort anzupacken. Worum geht es im Einzelnen? Natürlich ist die Versorgung der Menschen schon ein großer Brocken. Wir brauchen zusätzliche Mittel für die Hilfe zum Lebensunterhalt, zwischen 1 Milliarde Euro und 2 Milliarden Euro. Wie viel genau, das hängt von vielen Variablen ab – je nachdem, wie viele Menschen wirklich einen Asylantrag stellen, wie viele Anträge dann anerkannt werden und wie viele Familienangehörige nachziehen. Und auch das sage ich ganz offen: In der Arbeitslosenstatistik wird sich das niederschlagen. Ich wünsche mir, dass sich alle, die heute sagen: „Das wollen wir stemmen; wir wollen die Menschen bei uns aufnehmen“, daran noch in einem Jahr erinnern; denn das ist dann kein Zeichen gescheiterter Arbeitsmarktpolitik, sondern ein Zeichen dafür, dass wir eine große, eine andauernde Aufgabe bewältigen müssen. Ich will, dass wir aus Abhängigkeit keinen Dauerzustand machen. Ich will, dass wir die Flüchtlinge integrieren und dass sie in Arbeit kommen. Am liebsten wollen diese Menschen für sich selbst sorgen. Das ist mein Eindruck, wenn ich mit diesen Menschen rede. Wir werden die Kosten auf Dauer nur im Griff behalten, wenn wir jetzt auch aktive Leistungen neben die passiven Leistungen stellen und damit Integration finanzieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei der Eingliederung in Arbeit, die die Jobcenter leisten, brauchen wir Dolmetscher, wir brauchen Deutschlehrer, wir brauchen Mitarbeiter, die sich kümmern. Auch die Verfahren zur beruflichen Anerkennung kosten Geld. Wir veranschlagen in diesem aktiven Bereich 600 Millionen bis 1,1 Milliarden Euro. Ich habe schon ausgeführt, warum ich Bandbreiten nenne und wir noch nicht in der Lage sind, das präziser zu beziffern. Alleine für die berufsbezogenen Sprachförderungskurse brauchen wir parallel zu den bislang eingeplanten ESF-Mitteln schon für das Jahr 2016  180 Millionen Euro zusätzlich. Wir stehen also hier vor einer riesigen Aufgabe. Und es wird nicht damit getan sein, dass wir jetzt für ein Jahr auf Krisenmodus schalten, und dann läuft alles wieder normal; darauf möchte ich in aller Deutlichkeit hinweisen. Nein, wir haben eine Daueraufgabe vor uns. Wir werden daher nicht ausschließlich mit befristeten Stellen auskommen. Das, was wir an dieser Stelle tun, ist nicht allein kurzfristige Nothilfe. Es wird auf längere Sicht nötig bleiben. Und es ist zugleich eine gute und notwendige Investition in unsere eigene Zukunft; denn die aktiven Mittel wirken auch an anderer Stelle. Sie helfen in den Branchen und Regionen, wo händeringend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesucht werden, zu einer möglichst schnellen Vermittlung. Ich will auch klar darauf hinweisen: Nicht alle, die da kommen, sind hoch qualifiziert. Ganz klar: Das ist nicht so. Der syrische Arzt ist nicht der Normalfall. Wir haben bei der Bundesagentur für Arbeit das Pilotprojekt „Early Intervention“ gestartet und erhoben, wie die Möglichkeiten sind. Nicht einmal jeder Zehnte kann direkt in Arbeit oder Ausbildung kommen. Zumeist fehlen Deutschkenntnisse, aber auch anderes. Wir haben in neun Großstädten begonnen. Bald wollen wir bundesweit so weit sein, dass Mitarbeiter der Agentur für Arbeit, wenn ein Asylantrag gestellt wird, so früh wie möglich in die entsprechenden Einrichtungen gehen, dort mit den Menschen sprechen: Was habt ihr gemacht? Was könnt ihr? – Dann können wir sehen, ob Berufserfahrung und welche Qualifikation vorhanden ist, ob ergänzende Qualifikationen notwendig sind, auf welche Stellen die Betreffenden vermittelt werden können und welche Arbeitgeber man ansprechen kann. Vielleicht findet sich auch ein Betrieb, der mit Ausbildung oder Training on the Job motivierte Mitarbeiter für die Zukunft gewinnen will. Die Signale, die ich alleine in den letzten Tagen aus der deutschen Wirtschaft erhalten habe, stimmen mich hier sehr optimistisch. Wir brauchen also zumeist ergänzende Qualifizierung und in vielen Fällen überhaupt erst einmal eine grundständige Ausbildung. Wir alle hier im Haus sind uns sicherlich einig: Deutschlernen ist ein Generalschlüssel. Was die Menschen in den Integrationskursen lernen, reicht aber oft nicht, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Deswegen geht es nicht nur um die Erhöhung der Zahl der berufsbezogenen Sprachkurse, sondern auch darum, möglichst früh Sprachkurse anzubieten und eine ununterbrochene Linie des Lernens zu ermöglichen. Wir spüren schon heute: Die Menschen wollen. Sie wollen lernen, und sie wollen arbeiten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir wollen die Aufnahme von Arbeit erleichtern. Ich habe eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die zum Ziel haben, die Vermittlung in Arbeit von Hürden und Bürokratie zu befreien. Wir sind zurzeit darüber in Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und mit den Ländern. Ich hoffe, dass es gelingt, für eine Weile bestimmte Hürden beiseite zu stellen, allerdings ohne dabei die Interessen der anderen Arbeitslosen in unserem Land aus dem Blick zu verlieren. Wir brauchen Zuwanderung. Wir brauchen Menschen, die zu uns kommen, und wenn sie kommen, sollten sie das ohne Angst tun und sich hier auch aufgenommen fühlen. Deswegen müssen wir all die in ihre Schranken weisen, die Stimmung gegen Flüchtlinge machen oder sogar Hass säen. (Beifall im ganzen Hause) Ich bin sicher: Wir werden hier bald ein Einwanderungsgesetz beraten. Doch bis es dazu kommt, wollen wir versuchen, mit ganz konkreten Maßnahmen Druck von den Asylverfahren zu nehmen. Mein Vorschlag ist, dass wir eine Kontingentregelung für Bürger aus den Staaten des Westbalkans auf den Weg bringen. Sie sollen in den nächsten fünf Jahren die Möglichkeit eines geregelten Zugangs zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen. Derzeit läuft dies alles über die Asylverfahren. Das ist nicht sinnvoll, weil die Anerkennungsquote bei unter 1 Prozent liegt. Bis zu 20 000 Menschen sollen jedes Jahr hierherkommen können, aber nur dann, wenn sie ein konkretes Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzangebot haben, bei dem natürlich die tariflichen Regelungen geachtet und erfüllt sind. Das halte ich für einen vernünftigen Weg, um das Asylverfahren zu entlasten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen stetigen Zuwachs bei der Beschäftigung. Die Erwerbstätigkeit in Deutschland ist auf Rekordniveau, und es gibt so viele offene Stellen wie noch nie. Wir haben in den letzten Jahren für gesunde Finanzen gesorgt und die soziale Sicherung fest aufgestellt. Die Herausforderung, vor der wir jetzt stehen, Menschen nach Flucht und Gefahr hier Heimstatt und Hoffnung zu geben, Arbeit und Aussicht auf ein Leben in Sicherheit – diese Aufgabe wird uns noch Jahre beschäftigen. Ich bin mir mit Finanz­minister Schäuble einig, dass wir das, was wir dafür benötigen, bereitstellen werden. Die Aufgabe fordert – das ist klar –; aber sie überfordert uns nicht. Wir können sie meistern. Wir werden sie meistern. Wir im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik werden alles tun, was dafür nötig ist. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Katja Kipping von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Katja Kipping (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Haushaltsentwurf verrät: Schwarz-Rot hat nicht vor, die großen sozialen Baustellen anzugehen. Dieser Entwurf ist blind gegenüber den sozialen Nöten in diesem Land. (Beifall bei der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Natürlich!) Nehmen wir nur die Hartz-IV-Regelsätze. Diesem Haushaltsentwurf zufolge ist kein Spielraum für eine wirkliche Erhöhung des soziokulturellen Existenzminimums. Dabei ist die bisherige Berechnung der Regelsätze eine Farce. Da werden die Ausgaben der ärmsten Menschen in diesem Land statistisch festgehalten, ohne zu schauen, ob es ihnen nicht bereits am Lebensnotwendigen mangelt. Von den so ermittelten Ausgaben ziehen Sie dann noch einmal locker 30 Prozent ab, und das soll das Existenzminimum sein. Wir meinen: Das kann so nicht weitergehen. Hier muss deutlich mehr Geld eingeplant werden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kommen wir zu den Hartz-IV-Sanktionen. Als Linke haben wir hier eine klare Position: Das Hartz-IV-Sanktionssystem gehört abgeschafft und muss durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden. (Beifall bei der LINKEN) Denn beim soziokulturellen Existenzminimum handelt es sich um ein soziales Grundrecht, und bei Grundrechten kürzt man nicht. Das ist einfach unanständig. (Beifall bei der LINKEN) Seit vielen Wochen befindet sich nun der Erwerbslosenaktivist Ralph Boes im Sanktionshungern. Das heißt, infolge einer 100-prozentigen Sanktion hat er sich entschieden, keinerlei Essen mehr zu sich zu nehmen. Das ist seine Art, gegen die Hartz-IV-Sanktionen zu protestieren. Ich finde es erschreckend, dass jemand zu solch drastischen Maßnahmen greift oder greifen muss. Ich habe ihn besucht, mich länger mit ihm unterhalten und ihn sehr inständig darum gebeten, sein Sanktionshungern zu beenden. Ich habe in diesem Zusammenhang eine Bitte an Sie, Frau Nahles: Bitte suchen Sie das direkte Gespräch mit Ralph Boes. Es geht hier um ein Menschenleben, und man darf als zuständige Ministerin nichts, aber auch gar nichts unversucht lassen, dieses zu retten. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir befinden uns in der Mitte der Wahlperiode. In zwei Jahren sind Bundestagswahlen. Es ist also Zeit für eine Zwischenbilanz hinsichtlich der Frage: Wo stehen wir sozialpolitisch? Es gibt Armut in diesem Land. Armut bedeutet für viele Leute, dass sie unter materieller Unterversorgung leiden. 60 Prozent der Armutsgefährdeten können sich mit ihrer Familie nicht einmal eine Woche Urlaub hier im Land leisten. 25 Prozent der Armutsgefährdeten können sich nur jeden zweiten Tag eine warme vollwertige Mahlzeit leisten. Armut ist nicht einfach eine relative Größe, wie Sie, Frau Nahles, uns weismachen wollen; Armut ist für viele Menschen in diesem Land eine reale Belastung. Deswegen muss man etwas dagegen unternehmen. Wir schlagen dazu als Linke eine solidarische Mindestrente, eine sanktionsfreie Mindestsicherung und eine ordentliche Kindergrundsicherung vor. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und warme Weihnachten!) In dieser Bilanz schlägt auch negativ zu Buche, dass soziale Grundrechte verwehrt werden – durch Sanktionen und niedrige Regelsätze. Über die Versäumnisse im Bereich der Arbeitsmarktpolitik wird meine Kollegin Sabine Zimmermann reden. In der Erwerbswelt sind besonders Frauen und junge Menschen von prekären und unsicheren Arbeitsverhältnissen betroffen. So ist beispielsweise bei Neueinstellungen jeder zweite Vertrag befristet. Zudem haben wir eine soziale Spaltung in diesem Land. Die reichsten 10 Prozent schwimmen im Reichtum; jeder von ihnen hat im Durchschnitt mehr als 1 Million Euro. Die ärmsten 10 Prozent haben nichts als ihre Schulden. Ich finde, diese Erkenntnis schreit nach Umverteilung von oben nach unten. Es macht mich wütend, zu sehen, dass Sie von der SPD und Sie von der CDU/CSU sich der Umverteilung von oben nach unten dermaßen verweigern. (Beifall bei der LINKEN) Um es zusammenzufassen: Unterlassungen beim Durchsetzen von sozialen Grundrechten, Untätigkeit beim Kampf gegen Armut. Diese Bilanz ist beschämend. Frau Nahles, Sie haben noch zwei Jahre Zeit. Nutzen Sie sie! Es gibt viel zu tun in diesem Land – für soziale Grundrechte und gegen Armut. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Karl Schiewerling von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An die guten Zahlen haben wir uns längst gewöhnt: 43 Millionen Menschen in Beschäftigung, 31 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, im europäischen Vergleich eine niedrige Arbeitslosigkeit und vor allen Dingen eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Konsequenz daraus ist: Wir haben gut gefüllte Sozialkassen, die zwar nicht überquellen, aber im Augenblick auch keinen Anlass zur Sorge geben. An diese guten Zahlen haben wir uns so sehr gewöhnt, dass wir vergessen haben, was die Ursachen sind. Wir haben vergessen, dass die Zahlen das Ergebnis einer guten Finanz- und Wirtschaftspolitik sind. Eine Ursache dafür ist, dass wir vor zehn Jahren Reformen gemacht haben, die ihre Wirkung entfalten, und dass auch die Korrekturen, die in der letzten Legislaturperiode vorgenommen worden sind, ihre Wirkung entfalten. Alles das gehört dazu. Wir haben uns deswegen daran gewöhnt, eher über Fachkräfte zu diskutieren als Arbeitslosigkeit. Ich meine, das ist eine Entwicklung, die eher ermutigt als betrübt. Das ist ein völlig anderer Blickwinkel auf diese Gesellschaft als der, Frau Kipping, den Sie gezeichnet haben. Viele Menschen, die bis dahin in Armut waren, haben den Sprung in die Beschäftigung geschafft – auch viele Langzeitarbeitslose haben diesen Weg geschafft – und können ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften finanzieren. (Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE]) Ich meine, Frau Kipping, das ist eine gute Entwicklung, und wir werden an dieser Entwicklung weiterarbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir haben uns so sehr an diese guten Zahlen gewöhnt, dass wir geneigt sind, die Augen davor zu verschließen, dass am strahlend blauen Konjunkturhimmel möglicherweise Gewitterwolken aufziehen könnten, die uns schon wieder vor neue Herausforderungen stellen. Ich nenne nur die Situation in der Ukraine. Ich denke an die Situation in China und anderen Bereichen, wo wir vom Export abhängig sind. Gewiss, wir können nicht allem vorbeugen; aber wir dürfen das auch nicht aus dem Auge verlieren, weil wir sonst Gefahr laufen, zu glauben, dass ein Immer-weiter-so letztendlich die Normalität ist. Wir werden dafür kämpfen, dass das die Normalität bleibt, aber das hängt von Dingen ab, über die wir in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik allein nicht entscheiden können. Meine Damen und Herren, auch die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik steht vor den Herausforderungen der demografischen Entwicklung. Die neue Herausforderung, vor die wir nun gestellt sind, ist die Situation, dass viele Menschen auf der Flucht sind, existenziell an Leib und Leben bedroht sind; wir alle kennen die Bilder. Sie sind vor Bürgerkriegen geflüchtet. Sie suchen Schutz in unserem Land. Wir nehmen sie auf. Wir begrüßen sie freundlich. Wir wollen tun, was wir können. Ich sage Ihnen: Es ist gut, dass wir hier in Deutschland ein Zeichen setzen, und es ist gut, wie wir es setzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Diese Entwicklung bestimmt die Agenda in unserem Land; die Bundesarbeitsministerin hat gerade ausführlich darauf hingewiesen. Somit ergeben sich neue Herausforderungen, neue Wege, aber auch neue Chancen. Mit diesem Dreiklang will die Union im Haushalt 2016 den veränderten Anforderungen im Bereich „Arbeitsmarkt und Sozialpolitik“ Rechnung tragen. Bei allen neuen Aufgaben, die sich aus der Hilfe für die Flüchtlinge ergeben, muss allerdings im Blick behalten werden – auch da unterstütze ich die Bundesarbeitsministerin voll –, dass sich Anforderungen an uns stellen, die weiterhin unsere Agenda bestimmen und denen wir Rechnung tragen müssen: Anforderungen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die Situation der noch nicht vermittelten Langzeitarbeitslosen, die Situation der arbeitsuchenden Menschen, die Frage, wie wir das Rentensystem auf Dauer krisenfest machen können. All diese Herausforderungen bleiben bestehen. Alles, was wir für die Menschen tun, die in Not sind und zu uns kommen, ersetzt nichts, sondern muss zusätzlich geschultert werden. Ich bin sicher, dass wir im Sinne des Dreiklangs die neuen Herausforderungen annehmen, die neuen Wege beschreiten und auch die neuen Chancen erkennen. Deswegen werden wir das gemeinsam schultern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Kernthema der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist aus unserer Sicht die Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Die Union will gemeinsam mit dem Koalitionspartner, wenn auch zunächst befristet, die arbeitsmarktpolitischen Instrumente angehen mit dem Ziel, den Übergang in den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass er für die verschiedenen Zielgruppen zum Erfolg wird. Es geht um die Arbeitslosen, die 55 Jahre und älter sind. Es geht um die langjährigen Bezieher von Arbeitslosengeld II. Es geht um die Menschen, die mindestens drei Jahre nicht im Erwerbsleben standen. Es geht um junge Eltern, die seit Jahren von der Grundsicherung leben, und es geht um ein Programm für schwer erreichbare junge Menschen. Zu diesem Programm gehört, dass wir diese Menschen möglichst nah an den Arbeitsmarkt bringen und in den ersten Arbeitsmarkt integrieren. Wir haben den Vorschlag unterbreitet, das gute und bewährte Instrument der Integrationsbetriebe zu nutzen, um sozusagen Schritte zu ermöglichen, den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir wollen schon in diesem Haushalt und auch in zukünftigen Haushalten in die Zukunft investieren. Im Koalitionsvertrag haben wir dazu festgehalten: Junge Menschen, deren Eltern seit Jahren von Grundsicherung leben, sollen Unterstützung bekommen. Darauf haben wir uns verständigt. Wir müssen es schaffen, auch den schwer erreichbaren jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Insofern freue ich mich sehr, dass die Bundeskanzlerin und die Bundesarbeitsministerin, sozusagen ohne großes Aufheben zu machen, gemeinsam einen Vorschlag von mir übernommen haben, ein Programm mit der Überschrift „RESPEKT“ aufzulegen: Respekt vor den jungen Menschen, die auf dem Weg in ihre Zukunft sind, Respekt vor denen, die Hilfe benötigen. Wir wollen dieses Programm im Oktober starten und über diesen Weg Einrichtungen schaffen, in denen diese jungen Menschen Unterstützung erhalten. Ziel ist es, dass sie persönlich geprägte, langfristige Beziehungen eingehen können, die Vertrauen und Sicherheit schaffen und einen kontinuierlichen und nachhaltigen Weg in Ausbildung und Arbeit ebnen. Die zentrale Botschaft des Programms heißt: Wir achten die jungen Menschen. Wir erkennen ihre unterschiedlichen Problemlagen an. Mit ihnen gemeinsam wollen wir den Weg zu einer selbstbestimmten und freien Teilhabe in unserer Gesellschaft öffnen. Dabei haben wir auch die Situation der jungen Eltern im Blick, die seit Jahren von Grundsicherung leben. Sie sind eine besondere Zielgruppe unserer Maßnahmen. Die Eltern haben eine ganz wichtige Vorbildfunktion. Ihnen soll geholfen werden, diese Aufgabe wahrzunehmen. Ich danke ausdrücklich den beiden Berichterstattern für den Haushalt, Axel Fischer und Ewald Schurer, die schon im letzten Jahr für den Haushalt 2015 und in diesem Jahr für den Haushalt 2016 die Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Das ist, Frau Kipping, ein gänzlich anderes Programm, als es die Linken haben. Wir setzen dort an, wo wir den Menschen helfen können, um aus ihrer Not herauszukommen. Wir nehmen sie sehr konkret an die Hand. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Deswegen kürzen Sie im Bereich der Arbeitsmarktpolitik!) Unser Ziel besteht nicht darin, die Hartz-IV-Sätze willkürlich anzuheben, sondern darin, auf der Basis ordentlicher Berechnungen die Grundlage für das Leben zu schaffen. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Aber Ihre Arbeitsmarktpolitik besteht doch darin, die Leistungen zu kürzen!) Unser Ziel muss sein, den Menschen eine Perspektive zu geben. Daran arbeiten wir. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, wir stehen vor der großen Aufgabe der Integration von Flüchtlingen, die eine dauerhafte Duldung haben, die ein Bleiberecht haben. Es gilt, die Willkommenskultur, die die Menschen überall, auf den Bahnhöfen und auf den Straßen, dokumentieren, auf die gesamte Gesellschaft auszudehnen. Dazu gehört auch die Wirtschaft, dazu gehören auch die Betriebe. Ich unterstütze ausdrücklich Ihre Einschätzung, dass sich die eigentlichen Herausforderungen bezüglich des Arbeitsmarktes nicht heute stellen, sondern verschärft Anfang des kommenden Jahres. Das betrifft nicht nur die Sprachkurse, sondern auch die Vermittlung in Arbeit. Deswegen ist es gut, dass wir uns diesen Herausforderungen stellen. Die Bundesarbeitsministerin hat das Programm vorgestellt. Es findet unsere Unterstützung. Ich denke, dass wir die Herausforderungen und die Aufgaben, die sich daraus ergeben, auch gemeinsam schultern. Voraussetzung ist natürlich, dass die Rechtsgrundlagen für jeden Einzelnen, der zu uns gekommen ist, geklärt sind, das heißt, dass er bei uns bleiben kann, dass er geduldet ist, dass er hier eine Lebensperspektive hat. Dann können die Schritte erfolgen, die Menschen dauerhaft im ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. Das stellt auch eine Riesenchance dar, dem viel zitierten Fachkräftemangel zu begegnen. Allerdings müssen die Branchen sehr konkret sagen, wer wie viele Fachkräfte benötigt und in welcher Region Fachkräfte gebraucht werden. Fachkräftemangel ist kein pauschales Thema, sondern ein branchen- und regionalspezifisches Thema. Deswegen muss sehr spezifisch und passgenau gehandelt werden. Ansonsten kommt es zu einem– neuhochdeutsch ausgedrückt–, Mismatching und werden Erwartungshaltungen geweckt, die möglicherweise gar nicht zu befriedigen sind. Meine Damen und Herren, zu den neuen Chancen, vor denen wir stehen, gehört auch, dass wir mithilfe der jungen Zuwanderer, die jetzt zu uns kommen, die demografische Entwicklung neu angehen können. Es ist gut, dies in den Blick zu nehmen, wenn wir über die Zukunftssicherung, unsere Alterssicherung reden. Wir hatten im Juni 32,6 Milliarden Euro in der Nachhaltigkeitsrücklage; das sind 2 Milliarden Euro mehr, als wir geplant hatten. Durch die Mütterrente und die Rente mit 63 sind es allerdings 2,5 Milliarden Euro weniger als beim letzten Jahreswechsel. Aber wir stehen besser da, als vermutet. Das sind gute Perspektiven für die Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Nachhaltigkeitsrücklage liegt oberhalb von 1,5 Monatsausgaben. Ich höre schon wieder die Auguren im Himmel tönen, man könne dann doch den Rentenversicherungsbeitrag senken. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!) Ich kann nur dringend raten, die Finger davon zu lassen und sich genau anzuschauen, welche Belastungen noch kommen, damit wir ihn nicht zu schnell wieder erhöhen müssen und der Effekt nur ein kurzfristiges Strohfeuer ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, ich will auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen, der die Rente betrifft und mir in den letzten Wochen und Monaten verstärkt sehr am Herzen liegt. Wir müssen den Menschen helfen, einen Überblick über ihre zukünftige Alterssicherung zu bekommen. Da besteht aus meiner Sicht dringender Handlungsbedarf. Die Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung wird nicht ausreichen, so gut sie auch ist. Wir brauchen als Überblick eine Zusammenführung der privaten, der betrieblichen und der gesetzlichen Altersvorsorge. Die Menschen müssen wissen, wie hoch die steuerliche Belastung ist, wie hoch der Krankenversicherungsbeitrag ist, weil es sonst ein böses Erwachen geben kann. Vor allem müssen wir es ihnen rechtzeitig sagen, damit sie sich darauf einstellen können. Das ist ein wichtiger Beitrag für die jüngere Generation, damit sich jeder darüber im Klaren ist, welche Entwicklung auf ihn zukommt. Ich halte es für zwingend geboten – und ich glaube, dass die Politik gut beraten ist, die Erwartungen an die entsprechenden Träger deutlich zu formulieren –, das auf den Weg bringen und damit nicht mehr allzu lange zu warten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Neue Herausforderungen, neue Wege, neue Chancen – voller Optimismus krempeln wir die Arme hoch und nehmen diese Herausforderung an. Ich bin sicher: Wir werden es gemeinsam schaffen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Ekin Deligöz das Wort. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schiewerling, die Kollegin Katja Kipping hat hier auf ein ernstes Problem hingewiesen, nämlich auf Armut in einem reichen Land. Ich finde es wirklich sehr bedauerlich, dass Ihnen nichts anderes einfällt, als mit Polemik darauf zu reagieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich finde, an einer solchen Stelle ist für Polemik kein Platz. Das war vielmehr ein Hinweis, dass wir uns der Sache annehmen sollen. Im Übrigen gibt es nicht nur zwei Berichterstatter, sondern mit Frau Lötzsch und mir vier Berichterstatter zu diesem Thema. (Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Als Hauptberichterstatterin werde ich mir sehr viel Mühe geben, dass wir sachlich fundiert und kollegial zusammenarbeiten, so wie wir das bisher auch getan haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Frau Ministerin, Sie haben im Einzelplan 11 zu Recht den Schwerpunkt auf die Versorgung und Förderung von Flüchtlingen gelegt. Er umfasst Leistungen, die mit Flüchtlingshilfe zu tun haben. Dazu zählen Maßnahmen zum Unterhalt und zur Integration – ALG-II-Leistungen, Kosten der Unterkunft –, berufliche Maßnahmen – Jobcenter, Förderprogramme, Qualifizierung – und die ESF-Gelder, die meist leider bereits gebunden sind. An dieser Stelle wird sich zeigen, ob wir in der Lage sind, diese Programmtitel durch nationale Mittel aufzustocken, um eine Antwort auf Ihre Frage zu finden. Die derzeitige Entwicklung ist für uns alle eine He­rausforderung; das gebe ich zu. Deshalb debattieren wir darüber. Aber ich verstehe meine Rolle in der Opposition auch als konstruktive Verantwortung. Deshalb will ich Ihnen unbequeme Sachverhalte und Versäumnisse nicht verschweigen. Wir wissen noch nicht, wie die 3 Milliarden Euro, über die wir reden, eingesetzt werden. Wir wissen aber, dass ein Großteil dieser Mittel durch die Passivleistungen vereinnahmt werden wird, weil wir die Mittel für KdU- und ALG-Leistungen steigern müssen, da es darauf einen gesetzlichen Anspruch gibt. Dann wird es darauf ankommen, ob Sie die Fehler, die Sie im letzten Haushaltsverfahren bei den Fördermitteln gemacht haben, wiederholen, indem Sie alles schönreden und kleinrechnen. Das wäre wirklich unverantwortlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich will Ihnen sagen, warum, und möchte Ihnen dazu einige Beispiele nennen. Im Haushaltsplan 2015 sind wir davon ausgegangen – die Zahlen nenne ich Ihnen in aller Deutlichkeit –, dass in diesem Jahr 300 000 Asylanträge gestellt werden und sich weitere 370 000 Flüchtlinge mit sogenannter SGB-III- und SGB-II-Relevanz im Land befinden. Das Angebot für diese Flüchtlinge war, ehrlich gesagt, äußerst bescheiden. Das Programm „Integrationsrichtlinie Bund“ wurde auf 2 000 Menschen jährlich ausgelegt. Für 300 000 plus 370 000 Flüchtlinge gibt es also 2 000 Plätze; das Bezugsjahr für die Planungen war 2012. Den Hinweis, dass diese Zahlen überholt sind, haben Sie erfolgreich ignoriert. Für die ESF-BAMF-Sprachkurse hat das BMAS ganze 26 000 Plätze einkalkuliert. Für das Programm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ waren ganze 2 300 Plätze veranschlagt. Wie hätte das denn funktionieren sollen? Was ist das für ein Angebot? Sie selber merken doch, wie beschämend diese Zahlen sind, Frau Ministerin. Das müssen Sie zugeben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Schlimmer ist aber, dass Sie all die Rufe und Hinweise darauf schlicht und einfach ignoriert haben und nicht wahrhaben wollten, weil nicht sein sollte, was nicht sein durfte. Kommen wir zu den Jobcentern. Das Eingliederungsbudget wurde im Jahr 2015 um keinen einzigen Cent erhöht. Aus dieser „Erhöhung“ um nicht einen einzigen Cent sollte Folgendes finanziert werden: (Iris Gleicke [SPD]: Das stimmt doch nicht! – Katja Mast [SPD]: 350 Millionen!) die allgemeinen Kostensteigerungen inklusive dem Personalhaushalt, die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und die Angebote für Asyl- und Schutzberechtigte, die zwar Potenziale, aber auch komplexe Hemmnisse haben. All das hätte daraus finanziert werden sollen. Der Hinweis darauf, dass wir hier dringend mehr Mittel brauchen, wurde von Ihnen total ignoriert. Das konnte nicht gut gehen, Frau Ministerin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein weiterer Punkt, den Sie nicht gerne hören – ja, ich gebe zu, es ist nicht angenehm, so etwas zu hören –: Der Verschiebebahnhof von den Eingliederungstiteln zu den Verwaltungskosten wird weitergehen, und zwar in Folge seit vielen Jahren. Diesmal ist es mindestens eine halbe Milliarde Euro, die immer verschoben wird. Das geht so nicht. All das sind Gründe dafür, warum ich sehr skeptisch in dieses Verfahren gehe. Ich bin gespannt, ob Sie wirklich hinkriegen, was Sie hier in vielen blumigen Worten versprochen haben, Frau Ministerin. Es gibt Mehrbedarfe – und es muss sie auch geben –, und zwar schon im Jahr 2015. Nicht umsonst muss die Bundesagentur an ihre Interventionsreserve gehen. Da­rauf, dass das Geld für Sprachförderung vorne und hinten nicht reicht, hat die Bundesagentur bereits im März hingewiesen; aber auch das konnten Sie erfolgreich ignorieren. Wir könnten einiges machen. Wir könnten fehlende Gelder für 2015 durch einen Nachtragshaushalt bereitstellen. Wir könnten die ESF-Mittel durch nationale Mittel aufstocken. Ob Sie das machen oder nicht, darauf bin ich gespannt. Viel gehört habe ich dazu nicht. Frau Ministerin, was wir jetzt brauchen, ist eine Kurssetzung. Der künftige Kurs kann aber nicht ein gedeckelter Betrag sein, bei dem man dann einmal guckt, wie weit wir damit kommen. Der Kurs muss doch lauten: Wir brauchen eine systematische, bedarfsorientierte und ziel­orientierte Finanzierung der notwendigen Maßnahmen. Integration ist wichtig. Lassen Sie uns die Fehler, die wir bei der Gastarbeitergeneration gemacht haben, nicht wiederholen. Wir brauchen die Jobchancen, wir brauchen die Integrationsmittel, wir brauchen die Sprachkurse. Wenn wir all das nicht machen, dann wird der Preis in Zukunft um einiges höher, und der Preis sind die Chancen der Menschen, die in unser Land kommen. Dafür müssen wir jetzt geradestehen, und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben den Willen bekundet, aber Zahlen dazu stehen noch aus; sie sind nicht im Haushaltsplan. Ich bin gespannt, was wir dann in der Beratung noch vorgerechnet bekommen. Es gibt noch andere Beratungsgegenstände; auf einen Teil davon wird mein Kollege Wolfgang Strengmann-Kuhn noch eingehen. Lassen Sie mich aber noch einen Punkt ansprechen: 86 Milliarden Euro aus Ihrem Etat gehen an die Rentenversicherung. Dieser Betrag – das wissen wir jetzt schon – wird sukzessive steigen, und zwar nicht zuletzt aufgrund des Rentenpakets, dessen Finanzierung ja erst noch auf den Bundesetat zukommt. Im Moment ist dies noch nicht enthalten, im Moment müssen dies die Beitragszahler tragen. Zeitgleich steigt in diesem Land die Altersarmut, insbesondere bei Frauen. Die zwischen Männern und Frauen vorhandene Lohnlücke führt zu einer Rentenlücke, sobald die Frauen ins Rentenalter kommen. Darauf haben Sie keine Antworten. Sie nehmen sich der Sache nicht an, Sie ignorieren das. Sie wollen da überhaupt nichts verändern. Dass Sie das so ignorieren, macht mich persönlich, ehrlich gesagt, fassungslos, und damit komme ich zurück auf die Polemik. Wenn es um Armut geht, dann können wir uns Polemik in diesem Land nicht leisten. Gerechtigkeit heißt, zu handeln und nicht nur weichzuspülen, heißt, etwas zu tun und nicht nur darüber zu reden. Frau Ministerin, daran werden wir arbeiten müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Ewald Schurer von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ewald Schurer (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegin Deligöz, Sie haben ja eine ganze Liste vorgetragen; das ist auch die Arbeit der Opposition. Eine ganz wichtige Zahl darin war allerdings schon völlig falsch. Sie ignorieren, dass wir die Jobcenter mit 4 mal 350 Millionen Euro, also 1,4 Milliarden Euro, mehr über diese Periode hinweg finanzieren. Die Zahl, die Sie genannt haben, war grundfalsch. Sie ignorieren diese klare Erhöhung, die im Haushalt ausgewiesen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! Das wissen Sie aber besser!) So geht es weiter. Es ist natürlich die Aufgabe der Opposition, sich kritisch mit der Politik der Regierung zu befassen. Man muss aber auch sagen: Wofür, glauben Sie, haben wir das Rentenpaket geschnürt? Das ist die manifeste Form eines Beitrags zur Bekämpfung der Altersarmut und zur Bekämpfung der Armut per se in dieser Gesellschaft. (Beifall bei der SPD – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was genau machen Sie gegen Altersarmut?) So etwas hier einfach wegzudiskutieren, ist nur bedingt redlich und ist der verkrampfte Versuch der Opposition, hier etwas zu finden. Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, es ist schlicht und einfach so, dass wir bei den Haushaltsberatungen im Bereich Arbeit und Soziales vor einer riesigen Herausforderung stehen – die Frau Ministerin hat es skizziert –, die im bisherigen ersten Entwurf noch nicht ganz abgebildet ist; das muss man zugeben. Es wird, technisch betrachtet, zu einer Art Nachtrag zum Haushalt kommen müssen, schon allein aufgrund der zusätzlichen Ausgaben in den Bereichen Flucht, Asyl und Anerkennung und den entsprechenden Leistungsgesetzen des Bundes. Ich als Haushälter erwarte zumindest, dass es bei den genannten Leistungen zu Steigerungen von mehr als 2 Milliarden Euro kommt. Das wird noch kommen; wir werden den Haushalt entsprechend ergänzen müssen. Auf der anderen Seite ist Folgendes von Bedeutung – ich habe es gestern in der Generaldebatte gesagt –: Es ist gut und kein Glück und kein Zufall, sondern hart erarbeitet, dass wir zurzeit am Arbeitsmarkt makroökonomisch die beste Situation haben, die es je gab, mit einem klaren Aufwuchs an Stellen; das wird die Opposition zwar wissen, aber natürlich hier nicht anführen. Auch die Vollzeitbeschäftigung ist in den letzten Monaten und Jahren signifikant angestiegen. Damit gibt es weniger prekäre Arbeitsverhältnisse und mehr Arbeitsverhältnisse, von denen man leben kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Mindestlohn hat dazu seinen Beitrag geleistet. Man muss einfach feststellen, dass das Rentenpaket, der Mindestlohn und weitere Projekte auch sozialpolitisch in die richtige Richtung gehen. Zum Beispiel hat der Mindestlohn – das ist auch gesagt worden – die Binnennachfrage im Lande gefördert und zugleich mehr Vollzeitjobs hervorgebracht; es gab eine Konversion von Teilzeitjobs in feste Beschäftigungen. Also war der Mindestlohn ein äußerst erfolgreiches Projekt. Dem kann sich nicht einmal die Opposition verschließen. Teilweise haben Sie das früher in den Fachdebatten schon einmal zugegeben; heute, in der Haushaltsdebatte, können Sie das nicht. Das ist das Rollenspiel einer Opposition. Das verstehe ich doch. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sagen nur, dass er allein nicht gegen Armut hilft!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich mit dem Haushalt beschäftigt, sind nicht nur die Zahlen bedeutungsschwer. Aber 127,3 Milliarden Euro, also 40,8 Prozent, fast 41 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes, entfallen in diesem ersten Entwurf – die Summe wird sich durch Nachträge erhöhen – auf den Bereich Arbeit und Soziales. Dass wir davon für Rente und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 29,9 Prozent, fast 30 Prozent ausgeben, ist, wenn man den Haushalt in Gänze betrachtet, volkswirtschaftlich beachtlich. Für die Arbeitsförderung sind 10,25 Prozent vorgesehen. Das ist, was den Faktor Arbeit angeht, der zweitgrößte Bereich des Haushaltes für Arbeit und Soziales. Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hat natürlich eine gute Arbeit gemacht, hat aufgrund der guten Konjunktur immer mehr Menschen vermitteln können, hat im eigenen Haushaltsbereich mittlerweile stolze Rücklagen geschaffen. Die Rücklagen werden sich durch die gute Situation am Arbeitsmarkt erhöhen und geben der Bundesagentur für Arbeit die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Ministerium proaktiv die richtigen arbeitsmarktpolitischen Instrumente auszuloten und zu nutzen. Da geschieht eine Menge. Auch das ist von Ihnen, Frau Kipping, nur begrenzt dargestellt worden. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Soll ich meine knappe Redezeit nutzen, um für Sie Propaganda zu machen, oder was?) Die Bundesagentur für Arbeit betreibt aktive Arbeitsmarktpolitik und wird damit die Situation am Arbeitsmarkt erneut verbessern. Aus der Dualität der beiden Einheiten – Arbeit und Soziales – entsteht eine gute Politik. Wir planen weitere Initiativen. Zumindest wir Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten wollen – das ist angekündigt – den Missbrauch bei Werkverträgen und Leiharbeit begrenzen. Das wird unser Paket für diese vier Jahre noch ergänzen. Da sind wir in intensiver Abstimmung mit dem Koalitionspartner, den Freunden von der Union, wie ich mutig behaupten möchte. Zumindest im Bereich Arbeit und Soziales sehe ich bei der Union Sensibilität und Zustimmung, dass diese Projekte notwendig sind. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zur bereits angesprochenen Herausforderung zurück. Es geht um eine ernste Situation. Viele in der Haushaltsdebatte belobigen, wie stark unsere Gesellschaft durch das Ehrenamt, durch zivilgesellschaftliche Beiträge ist. Was haben die Kommunen, die Länder und der Bund da zu leisten? Es gibt zum einen das 3-plus-3-Paket. Da werden wir – das habe ich schon gesagt – sicherlich gute 2 Milliarden Euro mehr benötigen, relativ kurzfristig, aber auch im Jahr 2016, um künftig die Leistungen – sie sind genannt worden – für ALG II und die Kosten der Unterkunft bewältigen zu können. Ich muss hier ausdrücklich belobigen – nicht, weil es mir nahegelegt wurde, sondern aus innerer Überzeugung –: Angesichts der aufgeregten Diskussion hielt ich den Beitrag von Ministerin Andrea Nahles für den besten. Sie hat – erstens – gesagt: Wir müssen alles tun, um die Menschen, die nach Abschluss des Asylverfahrens bei uns bleiben können, mit aktiver Arbeitsmarktpolitik in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ich möchte bitte schön für die ganze Koalition sagen dürfen: Das ist eine außerordentlich zielführende politische Initiative, die die aufgeregte Diskussion ein Stück weit versachlicht. Zum Zweiten wünsche ich mir schon, dass wir Impulse für einen geordneten Zugang zum Arbeitsmarkt schaffen, und zwar über das Asylverfahren hinaus. Ich bin ein Anhänger einer Einwanderungsgesetzgebung. Das ist keine einfache Diskussion, aber auch sie darf man im Rahmen der parlamentarischen Beratung einmal offensiv ansprechen. Ich wünsche mir schon, dass wir Arbeitsmarktprobleme, auch mit Blick auf die Situation auf dem Westbalkan, ein Stück weit über eine neue Zuwanderungsgesetzgebung regeln. Das hielte ich, Frau Ministerin, für die zweite sehr bedeutsame Aussage. Dies ist ordnungspolitisch für den Arbeitsmarkt von großer Bedeutung. Angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt gibt es massive Unterstützung aus dem Bereich der Wirtschaft; das passiert auch nicht jeden Tag. Bei mir zu Hause in Oberbayern wirbt die IHK für München und Oberbayern massiv für Veränderungen, die wir politisch derzeit mit der Ministerin und den Parteien diskutieren. Es heißt: Der Fachkräftemangel kann – das ist ein Chance – nur dann behoben werden, wenn wir den Menschen, die zu uns kommen, über Sprachförderung – auch in diesem Bereich gibt es Nachbesserungen seitens des Ministeriums für Arbeit und Soziales – und Berufsbildung einen geordneten Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. So können wir positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt erzielen, die dringend notwendig sind. Das wird nicht nur in Berlin so gesehen. Auch in den übrigen Regionen Deutschlands – am Rhein, am Main und im Ruhrgebiet – sagen die Wirtschaftsverbände: Lasst uns Migration und Asyl für eine gute Arbeitsmarktpolitik nutzen. – Das halte ich für wichtig. Ich finde auch wichtig, festzuhalten, dass Gewerkschaften und Wirtschaft in diesem Zusammenhang die gleiche Meinung vertreten – auch das kommt nicht jeden Tag vor –: Anstatt Angst in unserer Gesellschaft zu schüren, sollten wir Zuwanderung auch als eine Chance für die Qualifizierung der Menschen am Arbeitsmarkt begreifen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Gesine Lötzsch von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, Sie, liebe Frau Nahles, und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, haben sehr gut zugehört, als der Finanzminister am Dienstag den Haushalt eingebracht hat. Er will nämlich die Situation, die durch die Flüchtlinge entstanden ist, nutzen, um die SPD und uns alle beim Thema Mindestlohn über den Tisch zu ziehen. Das darf nicht passieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Provokante These!) Weniger Zollbeamte als geplant sollen die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns überprüfen. Kollege Michael Fuchs von der Union hat heute Morgen bei der Diskussion über den Wirtschaftsetat noch einmal nachgelegt und sich über die Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohnes lustig gemacht. Das, meine Damen und Herren, dürfen Sie sich nicht gefallen lassen. Wir werden uns das nicht gefallen lassen. (Beifall bei der LINKEN) Ich kann Ihnen einen ganz konkreten Alternativvorschlag unterbreiten, wie Sie Personal gewinnen können. Die Bundeswehr hat immer noch einen beachtlichen Überhang an zivilem Personal, nämlich genau 14 800 Personen. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ach! Das haben Sie ausgerechnet?) Seit Jahren bekommen diese Menschen Geld, ohne dafür eine richtige Arbeit zu haben. Ich habe dieses Problem schon bei vielen Haushaltsberatungen angesprochen. Vielleicht erinnert sich noch jemand an Herrn Pofalla. Er war einmal Kanzleramtschef und wollte diese Frage lösen. Inzwischen ist er bei der Deutschen Bahn, aber den Personalüberhang gibt es immer noch. Ich bin mir sicher, dass diese Menschen gerne arbeiten würden und auch bereit wären, Flüchtlinge zu registrieren. Frau Nahles, es gibt also keinen Grund, sich bei der Mindestlohnkon­trolle über den Tisch ziehen zu lassen. Wenn es um die Sicherung des Mindestlohnes geht, haben Sie die volle Unterstützung der Linken. (Beifall bei der LINKEN) Es ist immer nützlich, sich die verschiedenen Haushalte anzuschauen und die Einzelpläne ins Verhältnis zu setzen. Auch Sie, Frau Nahles, haben sicher festgestellt, dass die Bundeswehr laut Plan 34,2 Milliarden Euro erhalten soll, Sie hingegen sollen für die Arbeitsförderung nur 32 Milliarden Euro bekommen. Ich finde, das ist wirklich ein Missverhältnis. (Beifall bei der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Unterschiedliche Aufgabenstellungen!) Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Bundeswehr unsere Sicherheit garantiert. Ich sage Ihnen aber: Unsere Sicherheit wird garantiert, wenn die Menschen in sicheren Verhältnissen leben, und dazu gehören sichere Arbeitsplätze. (Beifall bei der LINKEN) Nicht alle Maßnahmen müssen etwas kosten. Sie können sogar Geld sparen. Frau Nahles, Sie können einen wichtigen Beitrag zur Flüchtlingsdebatte leisten, indem Sie dafür sorgen, dass Flüchtlinge wie in Schweden ab dem ersten Tag arbeiten dürfen. (Beifall bei der LINKEN) Damit würde man auch dem absurden Argument entgegentreten, dass diese Menschen nur in unsere Sozialversicherungssysteme einwandern wollen. Damit könnte man Ressentiments entgegentreten. Frau Nahles, in diesem Zusammenhang könnten Sie gleich auch die Vorrangprüfung abschaffen; denn sie ist großer Unsinn. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe bereits am Dienstag vorgeschlagen, dass wir uns in dieser Haushaltsdebatte endlich dazu durchringen sollten, ein Integrationskonjunkturprogramm aufzulegen. Das würde Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose und für Menschen, die zu uns kommen, schaffen, und das wäre für uns alle gut. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Dr. Astrid Freudenstein das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Arbeitsbereich Arbeit und Soziales ist an sich schon ein ausgesprochen umfangreicher. Wenn die haushaltspolitische Dimension dazukommt, wird es noch unübersichtlicher. Und jetzt kommt auch noch das Thema „Flucht und Zuflucht“ dazu, das unser Ressort ganz besonders betrifft. Es gibt in diesen Tagen also viel zu sagen. Vieles wurde in dieser Debatte und den vorherigen bereits gesagt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich heute einmal mit der Verantwortung zu beschäftigen, die wir insbesondere beim Aufstellen des Haushalts tragen. Es geht aber auch um die Verantwortung eines jeden Einzelnen von uns für den Sozialstaat, um die Verantwortung, die wir jetzt für diejenigen haben, die zu uns kommen, und um das, was wir von denen, die zu uns kommen, einfordern müssen. Warum kommen in diesen Monaten so viele Menschen zu uns – ausgerechnet zu uns – nach Deutschland? Sie kommen in erster Linie deshalb zu uns, weil sie hier sicher leben können. Sie kommen zu uns, weil wir ein Rechtsstaat sind, und sie kommen zu uns, weil wir ein Sozialstaat sind. (Mark Helfrich [CDU/CSU]: Richtig! Und kein Armenhaus!) Sie kommen zu uns, weil wir wie kaum ein anderes Land auf dieser Welt den Schwachen helfen und Chancen geben, und sie kommen zu uns, weil wir wie kaum ein anderes Land auf dieser Welt den Starken Chancen geben. Dafür, meine Damen und Herren von der Linken, ist Deutschland ganz offensichtlich weltbekannt und weltberühmt. Darauf, meine ich, können wir tatsächlich stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Frau Kollegin Kipping, wir sind auch noch für anderes bekannt: Wir sind eine stabile Demokratie. Es gibt bei uns Demonstrationsfreiheit, es gibt Pressefreiheit, es gibt Meinungsfreiheit, es gibt unabhängige Gerichte. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Das stimmt, aber das steht nicht im Sozialhaushalt! Das steht im Grundgesetz!) Es gibt viele Möglichkeiten, sich politisch einzubringen und sein Recht zu bekommen. Ein Mittel der politischen Auseinandersetzung haben wir nicht vorgesehen: Das ist das Mittel des Hungerstreiks. Ich meine, es gibt viele gute Gründe dafür, und wir sollten uns über Fraktionsgrenzen hinweg einig sein, dass wir diesem Mittel kein Forum bieten sollten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Gandhi war irgendwie kein Vorbild!) Der Sozialstaat ist in unserem Grundgesetz definiert, in Artikel 20. Als Sozialstaat haben wir zunächst einmal Verantwortung zu tragen für die jetzige Generation, für alle Bürger in unserem Land, für die Steuerzahler, für die Arbeitnehmer, für die Arbeitgeber. Sie alle zahlen Steuern und Abgaben im Vertrauen darauf, dass wir sie sinnvoll und gerecht einsetzen. Als Sozialpolitiker tragen wir Verantwortung dafür, dass die Sozialversicherungen funktionieren, dass es ein soziales Netz gibt, das Härten auffängt, und dafür, dass soziale Gerechtigkeit herrscht, die ein friedliches Miteinander ermöglicht. Dazu gehört natürlich auch ein stabiler Arbeitsmarkt mit fairen Bedingungen für Beschäftigte und Unternehmen. Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sieht vor, dass die Mittel dafür sinnvoll eingesetzt werden, zum Beispiel für den so wichtigen Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit. Wir dürfen gerade in diesen Zeiten der Flüchtlingsströme nicht die aus dem Auge verlieren, die schon immer in unserem Land leben und auf unsere Hilfe angewiesen sind. Das sind die Menschen mit Behinderungen. Das sind die Menschen, die von Armut bedroht sind, weil sie alt oder krank sind. Auf sie müssen wir ganz besonders achten. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da gibt es auch jedes Jahr mehr!) Wir haben bei unseren Haushaltsberatungen eine Verantwortung nicht nur gegenüber der jetzigen Generation, sondern natürlich ganz besonders auch für die künftigen Generationen, für diejenigen, die noch gar nicht geboren sind. Diese Verantwortung besteht insbesondere darin, unseren Kindern und Kindeskindern einen nicht noch höheren Schuldenberg zu hinterlassen. Deswegen glaube ich, dass der ausgeglichene Bundeshaushalt der wohl wichtigste Beitrag zur Generationengerechtigkeit ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das werden die später mal ganz anders sehen!) Nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen, und Schulden abbauen, auf diesem Weg müssen wir bleiben. Ich glaube nicht, dass dies mit Ihren Ideen möglich wäre, Frau Kollegin Kipping. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch!) Gerade der Einzelplan 11, der Etat für Arbeit und Soziales, der größte in unserem Bundeshaushalt, muss in dieser Hinsicht Zeichen setzen. Wir müssen hier gut und verantwortungsvoll wirtschaften. Ich meine, dass der vorliegende Plan ein sehr gutes Fundament für die Beratungen in den kommenden Wochen ist. Unser Sozialstaat ist aber immer nur so stark wie die Menschen, die ihn tragen. So hat jeder Einzelne von uns Verantwortung, dass unser soziales Gebilde so stark bleibt, wie es jetzt ist. Dazu gehört, dass zunächst einmal – das ist die Ausgangsbasis – grundsätzlich jeder für sich selbst verantwortlich ist, jeder sein Einkommen so weit wie möglich selbst erwirtschaftet. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie jetzt mal etwas zum Haushalt sagen?) Dazu gehört auch, dass er sich zum Beispiel fortbildet und neue Herausforderungen wie die Digitalisierung annimmt. Natürlich würde der Sozialstaat nicht funktionieren ohne all diejenigen, die nicht erwerbstätig im klassischen Sinne sind, sondern die daheim Kinder erziehen, die sich ehrenamtlich engagieren. Sie sind nämlich eine besonders wertvolle Stütze unseres Sozialstaats. Die verbesserte Mütterrente, die wir hier im Parlament beschlossen haben, ist deshalb auch richtig und wichtig. Wie tief verankert das Ehrenamt in unserem Land ist, das erleben wir in diesen Tagen wieder besonders eindrucksvoll am Münchener Hauptbahnhof, aber nicht nur dort. Ich meine, auch darauf können wir ganz besonders stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Verantwortung für unseren Sozialstaat tragen durchaus auch diejenigen, die jetzt zu uns kommen. Auch sie sollen – die Ministerin hat darauf hingewiesen – möglichst rasch auf eigenen Beinen stehen können. Auch sie sollen nach einiger Zeit ihr Einkommen grundsätzlich selbst erwirtschaften können. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, Frauen wie Männer, müssen sich für unseren Arbeitsmarkt qualifizieren. Das heißt zunächst einmal, sie müssen unsere Sprache lernen, auch wenn ich weiß, wie unendlich schwierig es ist, Deutsch zu lernen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Für Bayern ja! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das können ja noch nicht mal die Bayern!) – Wir diskutieren das einmal im Anschluss. – Sie müssen unsere Regeln und Werte kennenlernen und auch akzeptieren. (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sind sie ja gekommen!) Auch diese Verantwortung gibt es. Auch das werden wir einfordern müssen. Wir in der Politik müssen jetzt alles tun, was in unserer Kraft steht, damit das auch gelingen kann. Das wird sicher nicht einfach werden. Im Übrigen wird es auch nicht billig werden. Unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Kulturen und Religionen zusammenzubringen, so viele auf einmal in so kurzer Zeit, sodass in Deutschland ein gutes Miteinander entsteht, das ist eine Aufgabe, der wir alle uns jetzt stellen müssen. Ich meine, dass die Maßnahmen, die der Koalitionsausschuss am Sonntag dazu beschlossen hat, ein erster ganz wichtiger Schritt sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziales ist von dem Flüchtlingsstrom ganz besonders betroffen. Frau Nahles hat bereits angedeutet, welche zusätzlichen Kosten auf unseren Haushalt zukommen werden. Die Zahl der SGB-II-Bezieher wird steigen und ebenso die Zahl der Arbeitslosen. Das müssen wir so ehrlich sagen. Der Zustrom von Flüchtlingen wird uns auch kurzfristig nicht das Problem des Fachkräftemangels in einigen Branchen und auch nicht das Problem des demografischen Wandels nehmen. Migration hat ja sehr verschiedene Ursachen. Wir sollten uns davor hüten, Arbeits- und Fluchtmigration zu vermengen. Natürlich kann es in den nächsten Jahren zu Synergieeffekten kommen. Dies kann auch Vorteile für uns bringen. Aber wir wissen, dass wir erst einmal – das macht sich in unserem Haushalt ganz besonders bemerkbar – sehr viel Geld investieren müssen. Das müssen wir den Menschen in unserem Land auch so sagen. Aber wie Minister Schäuble in seiner Rede schon deutlich gemacht hat: Wir haben uns in den vergangenen Jahren durch eine sehr gute, solide Haushaltspolitik und durch eine gute Wirtschaftspolitik ein Polster erarbeitet, das es jetzt möglich macht, diese Herausforderung anzunehmen. Die gute Konjunktur, die Rekordbeschäftigung und sinkende Arbeitslosenzahlen haben uns in diese Lage versetzt. Wenn wir uns jetzt alle dieser Verantwortung stellen, jeder für sich, der Staat sich seiner Verantwortung annimmt, aber auch jeder Einzelne seine Verantwortung wahrnimmt, dann bin ich guten Mutes, dass wir weiter solide wirtschaften können und eine gute Zukunft bauen. Ich freue mich auf die Beratungen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Strengmann-Kuhn von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn auf einen Vorschlag aus dem Koalitionspaket vom vergangenen Wochenende hinweisen, über den auch schon vor der Sommerpause diskutiert worden ist, nämlich die Umwandlung von Geldleistungen in Sachleistungen und die Kürzungen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dazu habe ich noch einmal in das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 geschaut. Dort heißt es: Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ... Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. … Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Der Gesetzgeber darf … bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht … nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Er darf es nicht. … Daher erlaubt es die Verfassung nicht, das in Deutschland zu einem menschenwürdigen Leben Notwendige unter Hinweis auf das Existenzniveau des Herkunftslandes von Hilfebedürftigen oder auf das Existenzniveau in anderen Ländern niedriger als nach den hiesigen Lebensverhältnissen geboten festzulegen. Der Gesetzgeber darf das nicht. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Sie jetzt mit dem Argument, Flüchtlinge abzuschrecken, die Geld- in Sachleistungen umwandeln, verstößt das also nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern es ist aus meiner Sicht auch ein ziemlich bekloppter Vorschlag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn man sich genau anschaut, wofür diese Leistungen sind, dann sieht man, dass es sich um Leistungen handelt, die auf dem Markt eingekauft werden oder um es Flüchtlingen zu ermöglichen, eine Sport- oder Kulturveranstaltung zu besuchen. Zum Existenzminimum gehört auch soziale und kulturelle Teilhabe. Sie verlangen nicht mehr und nicht weniger, als dass jetzt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Erstaufnahmeeinrichtungen, die wirklich alle Hände voll zu tun haben, jetzt auch noch Gutscheine für Sportveranstaltungen, für Kulturveranstaltungen, für Drogerieartikel und Ähnliches verteilen müssen. Es ist sowohl für die Betroffenen einfacher als auch für die Beschäftigten, wenn man ihnen tatsächlich Geldleistungen gibt. Das ist ein riesiger bürokratischer Aufwand. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es schränkt die Freiheit und Selbstbestimmung der Asylbewerber unzumutbar ein, und es ist völlig diskriminierend. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Statt die Leistungen für Flüchtlinge noch weiter zu kürzen, fordern wir Sie auf, das Asylbewerberleistungsgesetz endlich abzuschaffen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) und das aus einem weiteren wichtigen Grund: Die völlig unwürdige und unzureichende Gesundheitsversorgung wäre dann beendet. Gleichzeitig würden die Kommunen sofort und dauerhaft um mehrere 100 Millionen Euro entlastet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir brauchen keine Abschreckungslogik, sondern wir brauchen endlich eine echte Willkommenskultur. Die Bevölkerung hat das am vergangenen Wochenende gezeigt. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Sie wollen einen Blankoscheck!) In dem Haushaltsetat geht es nicht nur um Flüchtlinge, sondern auch um vieles andere mehr. Die gute Situation sollte eigentlich genutzt werden, um Strukturreformen für die Zukunft anzugehen. Ein Beispiel ist das Grundsicherungssystem, das grundlegend renoviert gehört. Es müsste vereinfacht und transparenter gestaltet werden. Sicherungslücken müssten endlich geschlossen werden. Dazu machen Sie bisher nichts. Das Ziel muss sein, dass jeder Mensch in Deutschland eine Grundsicherung hat, die das Existenzminimum sichert. Das Bundesverfassungsgericht – ich habe es eben zitiert – sagt, das ist ein Grund- und Menschenrecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nun soll der Regelsatz um satte 5 Euro angehoben werden. Das reicht nicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Wir fordern Sie auf, bei der Neuberechnung endlich die Rechentricks zu unterlassen und den Regelsatz anzuheben. Bis der Regelsatz neu berechnet ist, fordern wir eine Anhebung auf mindestens 420 Euro. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Seit über einem Jahr versprechen Sie ein Gesetz zur Rechtsvereinfachung der Hartz-IV-Regelleistungen. Die Menschen in den Jobcentern, sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Betroffenen, warten tatsächlich auf Vereinfachungen. Das ist unendlich kompliziert. Legen Sie endlich einen Gesetzentwurf vor, damit wir wenigstens über die Vorschläge hier diskutieren können! Man hört, es hängt vor allen Dingen an den Sanktionen und – einmal wieder – an der Verbohrtheit der CSU. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wieso wundert mich das nicht?) Das Mindeste wäre, dass man die scharfen Sanktionen für unter 25-Jährige abschafft, die nach Meinung aller Expertinnen und Experten völlig kontraproduktiv sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen auch die Sanktionierung bei den Kosten der Unterkunft abschaffen, damit die Leute ihre Miete bezahlen können, ihnen nicht gekündigt wird und sie auf der Straße stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir müssen außerdem dafür sorgen, dass die unwürdigen 100-Prozent-Sanktionen endlich abgeschafft werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die Kollegin Kipping hat völlig recht: Ralph Boes hat jetzt zwei Monate gehungert, weil er vom Jobcenter keine Geldleistungen mehr bekommt. Das widerspricht der Verfassung. Diese Sanktionen müssen sofort aufgehoben werden. Es geht da um ein Menschenleben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir fordern, die Sanktionen insgesamt auszusetzen und das Sanktionsregime gründlich zu überarbeiten. Wir fordern: Sanktionsmoratorium jetzt! Aber Reformen des Sozialgesetzbuches II alleine reichen nicht aus. Wir haben sechs Grundsicherungsleistungen in vier Gesetzen. Das müsste dringend vereinfacht und vereinheitlicht werden. Auch dazu wäre ein Schritt in die richtige Richtung die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Damit würden Sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: eine Vereinfachung und gleichzeitig eine bessere Versorgung von Flüchtlingen. Gehen Sie also wenigstens diesen Schritt, und schaffen Sie das Asylbewerberleistungsgesetz endlich ab! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Ralf Kapschack von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ralf Kapschack (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist in dieser Debatte viel von großen Herausforderungen die Rede gewesen, von Herausforderungen, die aufgrund der großen Zahl von Flüchtlingen, die bei uns Schutz suchen, auf unser Land zukommen. Ich bin sicher, wir werden diese Herausforderungen meistern, wenn wir wollen. Angesichts dieser neuen Herausforderungen dürfen wir aber nicht den Eindruck entstehen lassen, wir würden uns nur noch um die kümmern, die kommen, und nicht mehr um die, die da sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es darf keine Situation entstehen, in der zum Beispiel Langzeitarbeitslose das Gefühl haben, ihre Chancen würden jetzt noch weiter sinken, weil Geld und Aufmerksamkeit sich auf andere konzentrieren. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das müsst ihr dann auch mal machen!) – Ich komme ja gleich dazu; eins nach dem anderen. – Ich bin froh, dass wir uns da weitgehend einig sind. Es muss klar sein, welche zusätzlichen Aufgaben finanziert werden müssen. Dafür braucht es Geld, und zwar zusätzlich und ausreichend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Kollegin Pothmer, die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist und bleibt ein zentrales Thema der SPD. (Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das allein reicht aber nicht! Sie haben den falschen Koalitionspartner! – Gegenruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU]: Na, ob Sie das auch noch in zwei Jahren sagen, Herr Kollege?) – Ich kenne ja Ihre Kritik. – Die beiden neuen Programme sind angelaufen. Natürlich kann man immer sagen, es könnte gerne noch ein bisschen mehr sein; klar. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es müsste anders sein!) Genauso klar ist auch: Mit diesen beiden Programmen werden wir die Langzeitarbeitslosigkeit nicht beseitigen. Trotzdem sind sie sinnvoll und wichtig. (Beifall bei der SPD) Es ist schon angesprochen worden: Wir werden da­rüber hinaus 350 Millionen Euro an Haushaltsresten zur Verfügung haben, um die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das hat die Ministerin zu Beginn der Legislatur angekündigt, und das wird jetzt erledigt und abgearbeitet (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU]) – Schritt für Schritt, Jahr für Jahr –, sodass wir 2017  1,4 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zur Verfügung haben werden. (Katja Mast [SPD]: Hört! Hört!) Wir haben ja oft ein kurzes Gedächtnis; da nehme ich mich überhaupt nicht aus. Wenn man sich aber in Erinnerung ruft, wie drastisch bei der Arbeitsmarktpolitik unter Schwarz-Gelb gekürzt worden ist, dann ist das jetzt nach wie vor ein Kraftakt. Es wäre uns natürlich lieber, wir könnten mit unserem Koalitionspartner auch über einen sozialen Arbeitsmarkt reden, (Beifall bei der SPD) darüber, Geld für die Schaffung von Arbeit statt für die Verwaltung von Arbeitslosigkeit einzusetzen. Es wird unsere Forderung bleiben – das wird Sie nicht überraschen –, über den sogenannten Passiv-Aktiv-Tausch zu reden und in der Arbeitsmarktpolitik neue Wege zu gehen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn? Das ist zu wenig!) Wir geben seit Jahren viel Geld dafür aus, Regelsätze und Wohnungen von Langzeitarbeitslosen zu finanzieren. Wir sollten das Geld lieber dafür einsetzen, Arbeit zu finanzieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Gute Sache! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie das!) Menschen, die lange arbeitslos sind, könnten so wieder in eine Beschäftigung kommen. Viele von ihnen würden eine Chance erhalten, ihr Leben irgendwann wieder eigenständig – unabhängig von Stütze – zu organisieren. Zum Schluss noch ein Gedanke: Für eine gute Arbeitsmarktpolitik brauchen wir qualifizierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern. Was dort unter oft schwierigen Bedingungen geleistet wird, verdient höchste Anerkennung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb kann es nicht vernünftig sein, dass diejenigen, die dafür sorgen, dass Menschen einen Job bekommen, sich selber um ihren Job sorgen müssen, weil er befristet ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist absolut richtig! Ja!) Nicht zu wissen, wie es nach der Befristung weitergeht, ist schlecht für die Motivation. Aber genau diese Motivation brauchen wir auch, um die großen Herausforderungen, von denen schon so viel die Rede war, zu meistern. Auch das ist ein Thema für die Ausschussberatungen. Ich hoffe, wir sind uns darin einig. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht Sabine Zimmermann von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicher, der Haushalt für Arbeit und Soziales ist wieder einmal der größte Einzeletat. Aber daraus abzuleiten, dass diese Bundesregierung eine besonders soziale Politik betreibt, ist schon eine ziemliche Fehlannahme. (Beifall bei der LINKEN) Zu großen Teilen besteht dieser Haushalt aus Pflichtleistungen, und diese sind Ausdruck, dass Sie eine Reihe von Problemen einfach nicht in den Griff bekommen. Deshalb muss der Staat ständig als Reparaturbetrieb unterwegs sein. Daran arbeiten Sie weiter. Mit Ihrer verfehlten Rentenpolitik produzieren Sie heute die Ausgaben von morgen. Was ich vermisse, ist eine wirkliche Prioritätensetzung anhand der drängenden Probleme. Wo es brennt, müssen Sie endlich richtig Geld in die Hand nehmen. Das geht nicht zum Nulltarif, Frau Nahles. (Beifall bei der LINKEN) In vier Minuten kann ich leider nur auf drei Punkte eingehen. Erstens Langzeitarbeitslosigkeit, die Sie überhaupt nicht ansprechen. Seit Jahren haben wir eine verfestigte Sockelarbeitslosigkeit von 1 Million Menschen, von denen viele inzwischen schon vier Jahre und länger arbeitslos sind. Ich kenne Frauen aus dem Vogtland, die in der Textilindustrie gearbeitet haben und seit über 15 Jahren erwerbslos sind. Das darf es doch nicht geben. (Beifall bei der LINKEN) Und was tun Sie? Sie reden und reden. Jahr für Jahr hören wir diese Reden und Ihre Lobhudelei, aber es passiert nichts in diesem Zusammenhang. Vor diesem Hintergrund, Frau Nahles, hätte ich erwartet, dass Sie endlich mehr Geld in die Hand nehmen, um diesen Menschen wieder eine Perspektive zu eröffnen. (Beifall bei der LINKEN) Aber nein, Fehlanzeige! Ältere über 55: Fehlanzeige! Menschen mit Behinderung – ihre Zahl steigt und steigt –: Wieder Fehlanzeige! Alleinerziehende: Ebenfalls Fehlanzeige! Im Vergleich zu den hier bestehenden Problemen sind die zwei Progrämmchen für insgesamt 43 000 Langzeiterwerbslose, die Sie für dieses Jahr aufgelegt haben, die aber noch nicht einmal begonnen haben, bei über 1Million Betroffenen wie immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens Flüchtlinge, die Herausforderung der letzten Wochen. Menschen flüchten vor Krieg und Elend und erwarten zu Recht, dass wir ihnen Asyl gewähren und ein Leben in Sicherheit ermöglichen. Für die Linke haben sie selbstverständlich ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe. (Beifall bei der LINKEN) Das heißt vor allen Dingen: Sie müssen arbeiten können, um ihre Familien zu ernähren. Dabei, Frau Nahles, ist Arbeitsförderung gefordert. Sehr schnell und unbürokratisch müssen die zahlreichen Beschränkungen für Flüchtlinge beim Arbeitsmarktzugang beseitigt werden. Sie gehen davon aus, dass etwa 250 000 erwerbsfähige Flüchtlinge zu uns kommen werden. Für eine gute, solide Arbeitsmarktpolitik sollte das überhaupt kein Problem sein. Was wir brauchen, sind eine bessere individuelle Unterstützung und eine Vermittlung auf Augenhöhe. Wir brauchen den Ausbau der Weiterbildung, und wir brauchen Angebote zur öffentlich geförderten Beschäftigung auch für Flüchtlingsprojekte. (Beifall bei der LINKEN) Das alles kostet natürlich Geld; das gibt es nicht zum Nulltarif. Drittens möchte ich über die Armut und die Altersarmut sprechen. In kaum einem anderen Land der EU ist die Armutsgefährdung von Erwerbslosen so groß wie in Deutschland. Wenn wir über Armut in Deutschland reden, dann muss auch erwähnt werden, dass die weiter rasant ansteigende Altersarmut ein gravierendes Problem ist. Das ist der Preis für Ihre Senkung des Rentenniveaus und den durch Sie in den letzten Jahren verursachten großen Niedriglohnsektor. (Beifall bei der LINKEN) Die Linke schlägt eine Mindestrente von 1 050 Euro vor. Das wäre ein richtiger Schritt. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zum Schluss. – Nutzen wir die Herausforderungen heute als Chance, die Arbeitsmarktpolitik grundsätzlich neu aufzustellen. Dazu gehört auch eine bessere finanzielle Ausstattung, die weit über das hinausgeht, was die Bundesregierung in ihrem Haushalt hier angekündigt hat. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Mark Helfrich von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Mark Helfrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte über den Einzelplan 11 des Haushaltes des Ressorts „Arbeit und Soziales“ zeigt eines ganz deutlich: Die unionsgeführten Bundesregierungen der vergangenen Jahre unter Angela Merkel haben nachweislich eine gute Arbeit geleistet. Wir haben mit einer gezielten Wachstumspolitik die Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigt. Wir haben den Bundeshaushalt konsolidiert und legen das zweite Mal in Folge einen ausgeglichenen Haushaltsplan vor. Wir haben bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Schaffung von Beschäftigung beeindruckende Erfolge vorzuweisen. Fast 43 Millionen Männer und Frauen sind heute erwerbstätig. Das ist Rekord seit der deutschen Wiedervereinigung. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat gegenüber dem Vorjahr noch einmal um eine halbe Million zugenommen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist EU-weit auf dem niedrigsten Level überhaupt. Unsere Arbeitnehmer haben mehr Geld in der Tasche. Die Reallöhne sind seit Beginn der statistischen Aufzeichnung im Jahre 2008 im letzten Jahr am stärksten gestiegen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt spiegelt sich auch in den öffentlichen Kassen wider. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Sozialversicherungssysteme haben gesunde Polster. Allein im ersten Halbjahr 2015 ergab sich noch einmal ein Plus von 3,7 Milliarden Euro. Ich will an dieser Stelle auch nicht verhehlen, dass unter Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 grundlegende Weichenstellungen dafür vorgenommen worden sind. Das will ich hier auch ausdrücklich anerkennen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Unsere gute Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage darf uns aber nicht den Blick auf die vor uns liegenden politischen Herausforderungen verstellen. Diesen trägt der Einzelplan 11 mit Ausgaben in Höhe von voraussichtlich 130 Milliarden Euro Rechnung. Lassen Sie uns zurückschauen: Auf den Tag genau heute vor 51 Jahren, am 10. September 1964, wurde der Portugiese Amando Rodrigues de Sá bei seiner Ankunft in Köln-Deutz als millionster Gastarbeiter begrüßt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Er hat ein schönes Moped dafür gekriegt!) – Ja, in der Tat. – Er kam, weil er sich im „Land des Geldes“, wie er es ausdrückte, als Tischler bessere Verdienstmöglichkeiten erhoffte. Die meisten der sogenannten Gastarbeiter aus den südeuropäischen Ländern kamen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns, und sie blieben mit ihren Familien. Sie haben gearbeitet, Steuern gezahlt, Sozialversicherungsbeiträge in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt und sogar Unternehmen gegründet. Auf diese Weise haben sie zum deutschen Wirtschaftswunder beigetragen, und sie sind Teil unserer Gesellschaft geworden. Heute leben wir wieder in Zeiten, in denen Menschen ihre Heimat verlassen und zu uns kommen. Die Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise wird für die nächsten Jahre die wichtigste politische Herausforderung unseres Landes sein. Die Erfahrungen aus unserer Vergangenheit sollten wir uns bei der Integration der jetzt zu uns kommenden Menschen zunutze machen. Wir beraten heute diesen Bundeshaushalt im Zeichen einer Völkerwanderung. Ich glaube, dieses Wort ist in Anbetracht dessen, was wir erleben, nicht zu hoch gegriffen. Dabei wird der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wie kein anderer von der steigenden Zahl von Asylsuchenden betroffen sein. Die bisher veranschlagten Mittel für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nach derzeitigem Stand – wir haben hier eine große Dynamik; deswegen kann man nur sagen: nach derzeitigem Stand – im Jahr 2016 um mehr als 2 Milliarden Euro ansteigen. Das umfasst Hartz-IV-Leistungen auf der einen Seite und den Bereich der Arbeitsförderung und der beruflichen Inte­gration von Zuwanderern auf der anderen Seite. Nach Feststellung des IAB, des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit, kommt von den derzeit erwarteten 800 000 Flüchtlingen nur ein kleinerer Teil direkt im Arbeitsmarkt an. Es ist eben nicht so, dass nur gut ausgebildete Ärzte und Ingenieure zu uns kommen, sondern es kommen auch Analphabeten und Menschen ohne Schulabschluss. Auch das gehört zum Gesamtbild dazu. Deshalb werden Flüchtlinge den bevorstehenden Fachkräftemangel vorerst nur bedingt beheben können – um es so zu sagen. Gleichwohl gilt: Jeder asylberechtigte Flüchtling, der nicht erwerbstätig ist, wird am Ende zu höheren Kosten in unserem Haushalt führen. Das können wir alle miteinander, auch im Sinne der Menschen, nicht wollen. Es geht darum, einer Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Je länger Menschen im Leistungsbezug sind – das wissen wir aus Erfahrung –, umso schwieriger wird es, sie anschließend in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In Sachen Integration haben wir mit der Verkürzung der Wartefrist für die Arbeitserlaubnis einen ersten Schritt gemacht. Nach drei Monaten kann mittlerweile eine Arbeitserlaubnis erteilt werden. Es geht jetzt darum, die Menschen schnell in Arbeit und Ausbildung zu bringen. Es gibt dafür ein bundesweites Modellprojekt: „Early Intervention“. (Kerstin Griese [SPD]: Ein gutes Projekt!) Das Projekt, mit dem qualifizierte und motivierte Flüchtlinge mittels Coaching in Arbeit und Ausbildung gebracht werden sollen, zeigt aber auch eines: Von den gut 800 Teilnehmern sind knapp 8 Prozent tatsächlich in Arbeit und Ausbildung gelangt. Ein Haupthindernis auf dem Weg – auch das ist kein Geheimnis – sind in der Tat mangelnde Deutschkenntnisse. Insofern müssen wir dort mit Sprach- und Inte­grationskursen ansetzen, mit Einstiegsprogrammen für Flüchtlinge in Unternehmen, aber auch in Behörden; das sage ich ganz deutlich. Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich, dass ich die Wirtschaft hier ganz klar mit in der Verantwortung und mit in der Pflicht sehe, sich nachhaltig für die Integration von Flüchtlingen zu engagieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, Deutschland erwartet in diesem Jahr circa 800 000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Sie alle vertrauen zu Recht darauf, dass sie nach deutschem Recht und Gesetz eine Chance bekommen. Jeder, der Krieg, Verfolgung und Vertreibung in seiner Heimat entkommen ist und Schutz sucht, kann auf Deutschland zählen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Klar muss aber auch sein, dass niemandem Asyl gewährt wird, der aus rein wirtschaftlichen Gründen hierherkommt, so sehr das in jedem Einzelfall verständlich und nachvollziehbar ist. Die Akzeptanz unseres Asylrechts hängt davon ab, dass wir das Asylrecht ordnungsgemäß anwenden, auch wenn das Asylverfahren nicht das erhoffte Ergebnis bringt. Nur wenn Recht und Gesetz konsequent angewendet werden, werden die Solidarität der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes anhalten und auch die eine oder andere Angst, das eine oder andere Unbehagen beim Thema Zuwanderung verschwinden. Auch das ist ganz wichtig für das, was wir gemeinsam vor uns haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist auch wichtig, weil Deutschland auf gezielte und qualifizierte Einwanderer angewiesen ist. Deshalb haben wir gemeinsam ein großes Interesse, ein Bild von uns als attraktives Ziel in die Welt zu senden. Der demografische Wandel ist die zweite große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Es ist heute bereits gesagt worden, dass der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung auf Sicht die 100-Milliarden-Euro-Grenze erreichen wird. Dieser Bundeszuschuss würde dann ungefähr ein Drittel des Bundeshaushaltes ausmachen. Ein Grund hierfür sind die geburtenstarken Jahrgänge, die demnächst in den Ruhestand gehen. Ein anderer Grund hierfür ist die Rente mit 63, die zur Folge hat, dass die Fachkräfte, die wir so dringend brauchen, schneller in den Ruhestand gehen. Wer jetzt die von der Union geforderte Flexirente infrage stellt, der hat, glaube ich, die Zeichen der Zeit nicht erkannt. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir brauchen die Flexirente, um Anreize für längeres Arbeiten zu setzen. Eine weitere Verkleinerung unserer Arbeitskräftebasis kann keine ernsthafte Antwort auf die Situation einer alternden Gesellschaft und eines zunehmenden Fachkräftemangels sein. Eine letzte Anmerkung: Lange Zeit war der Konflikt um prekäre und atypische Arbeitsverhältnisse ein beherrschendes Thema der Arbeitsmarktpolitik. Ich bin sehr froh darüber, dass das Statistische Bundesamt kürzlich festgestellt hat, dass wir seit 2005 gerade bei diesen Beschäftigungsformen den niedrigsten Wert haben. Nach Angaben der Forscher hängt das mit dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel zusammen. Das verbessert die Position von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das Normalarbeitsverhältnis wird gestärkt, und das ist ein gutes Zeichen. Vor diesem Hintergrund sage ich auch, dass uns die Herausforderungen, die wir jetzt haben, zeigen, dass wir im Moment im Arbeitsmarkt mehr und nicht weniger Flexibilität benötigen. Auch das sollte uns im Sinne von verantwortungsvollem Handeln die eine oder andere Fragestellung noch einmal neu bewerten lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben zwei gigantische Aufgaben vor der Brust. Mit der zügigen Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt kann es uns mit Glück gelingen, gleichzeitig die Flüchtlingskrise und den demografischen Wandel zu meistern. Die Folgen eines Scheiterns sind nicht auszumalen. Deshalb haben wir jetzt alle gemeinsam die Pflicht, konsequentes Handeln an den Tag zu legen, deutsche Flexibilität neu zu erfinden und vor allem Realitätssinn zu beweisen. Lasst es uns gemeinsam anpacken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Kerstin Griese von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Kerstin Griese (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolleginnen! Wir beraten hier über fast 41 Prozent des Bundeshaushaltes. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales werden wir das sehr intensiv und mit großer Verantwortung tun; denn es geht um die zentralen Felder von Arbeit, sozialer Sicherung, Rente und Teilhabe aller Menschen. Und ich will ganz klar sagen: Wir kümmern uns um alle Menschen, seien sie zu uns geflüchtet oder seien sie hier aufgewachsen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Uns geht es um die Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt, um gute Teilhabe für alle, um ihren Platz in der Gesellschaft. Deshalb haben wir hier eine große Verantwortung. Wir sind besonders mit dem Schicksal der vielen Flüchtlinge, die zu uns kommen, befasst. Gerade in diesem Ausschuss – das ist schon gesagt worden – betrifft uns das in vielfältiger Weise. Ich bin Ministerin Andrea Nahles sehr dankbar, dass sie es mit ihren Vorschlägen geschafft hat, dass der Koalitionsausschuss schon Sonntagnacht eine Erhöhung der Mittel für Flüchtlinge um 6 Milliarden Euro beschlossen hat. Mindestens 3 Milliarden davon werden an die Länder gehen. Ganz herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das ist viel Geld. Es ist notwendiges und gut angelegtes Geld, wenn wir es richtig machen. Denn die Menschen, die zu uns kommen, sind motiviert. Sie wollen, dass ihre Kinder in die Kita und in die Schule gehen. Sie wollen Arbeit und schnell selbstständig werden, um für ihre Familie alleine aufkommen zu können. Sprache und Arbeit sind die beiden zentralen Elemente für Integration. Deshalb bin ich froh, dass schon angekündigt ist – das werden wir dann beim Nachtragshaushalt noch einmal intensiv beraten –, dass wir die Sprachkurse ausweiten und die Integrationskurse deutlich aufstocken. Auch die berufsbezogenen Deutschkurse werden wir ausweiten und in ein Bundesprogramm überführen; denn das ist ganz wichtig. Wir öffnen die Integrationskurse für Asylbewerber und Geduldete. Die berufsbezogene Sprachförderung wollen wir, wie gesagt, durch zusätzliche Bundesmittel sicherstellen. Die Sprache zu lernen, ist ein wichtiger Baustein. Der zweite wichtige Baustein ist, Qualifikationen von Flüchtlingen zu erkennen, passende Angebote zu machen und auch Weiterqualifizierung anzubieten. Einige haben schon das gute Programm „Early Intervention“ erwähnt, das die Jobcenter durchführen. Dabei nehmen sie frühzeitig Kontakt zu Flüchtlingen auf. Die Ergebnisse sind durchaus vielversprechend. Ich sage aber auch ganz klar: Wir brauchen dafür in den Jobcentern gut geschulte, kultursensible und hochmotivierte Jobvermittler. Deshalb unterstütze ich ganz klar die Forderung, dass dort mehr Stellen entfristet werden müssen; denn erfahrene Arbeitsvermittler müssen sich langfristig, zuverlässig und gut um Flüchtlinge kümmern können. (Beifall bei der SPD) Wir brauchen hier mehr Qualifizierungsmittel für die Jobcenter, damit tatsächlich Vermittlung in Arbeit stattfindet und diese wirklich große Aufgabe gut bewältigt werden kann. Die Wirtschaft, Unternehmen und Handwerk, unterstützen uns in dieser Situation in starkem Maße, weil sie Arbeitskräfte brauchen. Das wird von einfachen Beschäftigungen bis hin zu Stellen für Fachkräfte gehen. Wir wollen die betreffenden Menschen so schnell wie möglich in Arbeit bringen, und zwar in anständige Arbeitsverhältnisse und zu tarifvertraglichen Bedingungen, zumindest aber zum Mindestlohn. Wenn wir das gut hinbekommen – ich nehme heute durchaus wahr, dass sich alle darum mit aller Kraft kümmern wollen –, dann eröffnet diese Entwicklung eine große Chance. Es wäre völlig falsch, die Leistungen für Flüchtlinge gegen die Leistungen für andere Menschen auszuspielen. Die Ministerin hat ausdrücklich gesagt, wie viel wir tun, um gerade Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. Frau Zimmermann, ich rufe Ihnen das ausdrücklich in Erinnerung. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass die intensive Förderung von Langzeitarbeitslosen für uns eine wichtige Aufgabe der sozialen Gerechtigkeit ist. Wir haben dazu nicht Progrämmchen, sondern Programme gestartet; diese laufen bereits. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Für 43 000! Bei 1 Million Langzeitarbeitslosen!) Wir haben zudem die Mittel für die Jobcenter um 350 Millionen Euro jährlich erhöht. Das ist gut angelegtes Geld, um Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszuhelfen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir können uns als Sozialdemokraten durchaus noch mehr vorstellen. Wir können uns vorstellen, den sozialen Arbeitsmarkt noch stärker zu etablieren und mit einem Passiv-Aktiv-Transfer Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren; das ist allemal besser. Das verhilft den Menschen zu Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft. In diese Richtung werden wir die Beratungen über diesen Haushalt gerne aufnehmen. Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte hat Axel Fischer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schön, dass wir heute die Haushaltsdebatte so entspannt führen können. Die Bundesregierung hat einen Haushaltsentwurf im Frühsommer eingebracht. Im Sommer haben sich dann die Ereignisse überschlagen. Ich muss nicht im Einzelnen auf die hier bereits ausführlich geschilderte Flüchtlingsproblematik eingehen; der Kollege Helfrich hat dazu schon einiges gesagt. Heute wissen wir allerdings schon, dass beim Haushalt für 2016 an einigen Stellen die vorgesehenen Mittel nicht ausreichen werden. Der Kollege Karl Schiewerling hat das in seiner Rede schon angesprochen. Wir werden an der einen oder anderen Stelle voraussichtlich noch einiges an Geld draufpacken müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat von 10 Milliarden Euro gesprochen, die Bundesarbeitsministerin von voraussichtlich 3,3 Milliarden Euro allein im Einzelplan 11, Arbeit und Soziales. Wie viel es am Ende wirklich sein wird, wissen wir noch nicht. Auf jeden Fall ist es sehr viel Geld. Aber kein Grund zur Panik! Denn dank einer auf Wachstum und sparsames Haushalten und weniger auf ausufernde Umverteilung ausgerichteten Politik haben wir heute eine solide finanzielle Basis für eine zukunftsträchtige Arbeits- und Sozialpolitik. Dank der großen Leistungen von Arbeitnehmern und Unternehmern floriert die Wirtschaft. Die Steuer- und Abgabenquellen sprudeln, und auch Löhne, Gehälter und Renten sind gestiegen. Diese Woche kam die Nachricht von einem neuen Exportrekord. Es läuft gut. Die Regierungskoalition hat in den vergangenen Jahren erfolgreiche Arbeit geleistet. Wir haben mit einer vorausschauenden und zukunftsorientierten Wachstumspolitik sowie mit vielen ordnungspolitisch notwendigen und sinnvollen Maßnahmen die Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich gemeistert. Wir haben viele Menschen wieder, andere neu in Arbeit gebracht. Wir haben den Bundeshaushalt konsolidiert. Die schwarze Null von Kerstin Radomski lässt grüßen. Wir haben gerade im Bereich der Arbeitsvermittlung bei der Aktivierung von Langzeitarbeitslosen und bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten Erfolg gehabt. Das kann sich sehen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch die weiteren Aussichten sind gut. Die Bundesregierung rechnet im kommenden Jahr mit knapp 2 Prozent realem Wirtschaftswachstum, und die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist bei steigender Erwerbstätigkeit – mit deutlich unter 3 Millionen Arbeitslosen – stabil. Die steigende Beschäftigung, steigende Einkommen und steigende Renten sowie niedrige Energiepreise lassen die Kaufkraft der privaten Haushalte ansteigen. Der Konsum wird voraussichtlich um rund 2 Prozent zunehmen. Das ist doch was! Deshalb können wir darüber debattieren, wofür das Geld ausgegeben werden soll, über das wir dank eines konsolidierten Bundeshaushaltes und einer florierenden Wirtschaft verfügen. Mein spezieller Dank geht dabei natürlich an unseren Bundesfinanzminister, Dr. Wolfgang Schäuble, der es mit einer enormen Energieleistung nicht nur geschafft hat, den jahrzehntelang chronisch unterfinanzierten Bundeshaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen; vielmehr ist der Bundeshaushalt mittlerweile sogar so solide aufgestellt und geführt, dass wir Reserven haben, auf unvorhersehbare Situationen angemessen zu reagieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben also wie die Eichhörnchen vor dem Winter für schlechte Zeiten vorgesorgt, und so können wir die Herausforderung durch die Völkerwanderung, die wir derzeit erleben, annehmen und ihr begegnen. Denn eines ist klar – da hilft kein Jammern und kein Zündeln –: Die Menschen sind hier. Es liegt nun an uns, an unserer heutigen Perspektive, ob wir sie als Chance oder Risiko, als Last oder als Bereicherung betrachten. Es liegt an uns, was wir aus dieser Situation machen. Leitmotiv für unser Handeln müssen unsere europäischen Werte sein, insbesondere auch die universellen Menschenrechte. Die notwendige Integration derer, die bleiben dürfen, wird zur gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, und diese Herkulesaufgabe dürfen wir weder zulasten der Arbeitslosen noch zulasten der Schwächsten in unserer Gesellschaft abarbeiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Viele der Flüchtlinge sind jung und männlich und können nicht Deutsch sprechen. Die Integration in den Arbeitsmarkt ist insbesondere aufgrund der Sprachbarriere schwierig, zumal der Mindestlohn ja auch erwirtschaftet werden muss. Flüchtlinge, die voraussichtlich im Land bleiben dürfen, sollten wir aber so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integrieren. Das verbessert übrigens auch die gesellschaftliche Eingliederung. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat ja angekündigt, in den Flüchtlingszentren nach Arbeitskräften zu suchen und für sein Unternehmen zu werben. Aber selbst wenn es zutrifft, was er sagt – dass die meisten Flüchtlinge jung, gut ausgebildet und hoch motiviert sind –, brauchen diese Menschen unsere Unterstützung. Sie brauchen Sprachkurse, und sie brauchen eine betriebliche Einstiegsqualifizierung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Denn mit der erfolgreichen Arbeitsvermittlung steht und fällt das Schicksal dieser Menschen. Eine zusätzliche Flexibilität der Arbeitsagenturen kann da nur nützen, die Integration in den Arbeitsmarkt zielgerichtet zu fördern. Es bestehen derzeit viele Ängste in der Bevölkerung; diese müssen wir natürlich ernst nehmen. Eine davon ist beispielsweise: Zuwanderung verdrängt deutsche Arbeitnehmer. Ich habe die derzeit überaus positive Situation am Arbeitsmarkt bereits beschrieben. Wir haben die geringste Arbeitslosenzahl seit der Wiedervereinigung. Viele Betriebe suchen händeringend geeignete Bewerber und brauchen immer länger, um freie Stellen zu besetzen. Das Schlagwort „Fachkräftemangel“ macht ja die Runde. Zudem: Aufgrund der demografischen Entwicklung sinkt die Zahl der potenziell Erwerbstätigen zukünftig weiter. Bislang konnten wir das teilweise durch die höhere Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren und vor allem durch Zuwanderung aus anderen EU-Ländern ausgleichen. Da kamen beispielsweise qualifizierte Ärzte und Ingenieure aus Bulgarien oder Rumänien zu uns, deren Tätigkeit hier weitere Arbeitsplätze geschaffen hat, weil Aufträge in Deutschland statt im Ausland abgearbeitet werden konnten. Wir besetzen auch weniger attraktive Arbeitsplätze mit Zuwanderern. Auch die Betreiber von Dönerbuden, die von frühmorgens bis spätabends Döner und Sonstiges verkaufen und vielfältige Integrationsdienste für weniger leistungsfähige Hartz-IV-Bezieher leisten, sind zumeist Zuwanderer. Nicht nur Daimler-Chef Dieter Zetsche begreift die Zuwanderung als Chance. Er sagt: Sie können uns – ähnlich wie vor Jahrzehnten die Gastarbeiter – helfen, unseren Wohlstand zu erhalten bzw. zu vermehren. Deutschland kann doch die freien Arbeitsplätze gar nicht mehr allein mit Deutschen besetzen. Meine Damen und Herren, die Kosten für die Zuwanderung sollten wir fair verteilen auf Bund, Länder und Gemeinden. Nicht nur der Bund hat derzeit erhebliche Steuermehreinnahmen. Die Länder haben zudem mit der Erhöhung der Grunderwerbsteuer vielerorts kräftig sprudelnde weitere Finanzquellen erschlossen. Der Bund hat in den letzten Jahren Länder und Kommunen in Milliardenhöhe entlastet und wird dies weiter tun – Stichwort „Bundesteilhabegesetz“. Für einen sachlichen Austausch über die notwendige Unterstützung in Flüchtlingsfragen wäre es zielführend, wenn das Zerrbild von flächendeckend darbenden Kommunen in Deutschland in der Mottenkiste bliebe – wo es hingehört. Ich rede hier ja auch nicht ständig von Spaßbädern, kommunalen Verwaltungswasserköpfen oder verantwortungslosen Fehlinvestitionen und Fehllenkungen kommunaler Mittel. In den letzten zehn Jahren – das fällt zufällig in die Regierungszeit von Angela Merkel – hat sich hier vieles zugunsten der Kommunen entwickelt. (Beifall der Abg. Mark Helfrich [CDU/CSU] und Heinz Wiese (Ehingen) [CDU/CSU]) Den meisten Kommunen geht es finanziell wieder gut. Wer jetzt pauschal Weltuntergangsstimmung verbreitet, der oder die muss sich schon fragen lassen, worum es ihm oder ihr tatsächlich geht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, die Zuschüsse zur Rentenversicherung sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung stellen mit 93,2 Milliarden Euro den größten Block im Bundeshaushalt 2016 dar. Das ist knapp ein Drittel der gesamten Ausgaben des Bundes, fast 5 Milliarden Euro oder 5,5 Prozent mehr als noch 2014. Hier zeigt sich: Das Wohl unserer Senioren liegt dieser Bundesregierung am Herzen. Mütterrente und Rente mit 63 verursachen zwar zukünftig eine gewisse weitere Ausgabendynamik, (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine gewisse?) sodass wir in 2018 bei den Ausgaben den Betrag von 100 Milliarden Euro wohl überschreiten werden. Eine gute Verfassung unseres Arbeitsmarktes und unserer Wirtschaft kann jedoch die Finanzierung langfristig sicherstellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den kommenden Wochen den Haushalt gemeinsam beraten. Die Maxime ist das, was Volkmar Klein gestern hier am Rednerpult gesagt hat: Der Erfolg misst sich nicht am schieren Ausgeben von Geld; wichtig ist, dass das Geld zielgerichtet und erfolgreich eingesetzt wird. Zum Abschluss, Herr Strengmann-Kuhn, muss ich schon sagen: Sie haben mich mit Ihrer Aussage hier wirklich schockiert. Dass die Grünen die Gesundheitsleistungen für Asylbewerber nicht mehr über Steuern finanzieren wollen, sondern dass das Geld von den Pflichtversicherten aufgebracht werden soll, halte ich für einen Fehler und für absolut nicht akzeptabel. (Widerspruch der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Deshalb verlassen wir den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Einzelplan 10. Bevor wir damit starten, warten wir noch ein wenig, bis die Kolleginnen und Kollegen, die an der Beratung des neu aufgerufenen Einzelplans mit besonderer Intensität teilnehmen werden, ihre Plätze eingenommen haben. Nachdem alle, die in besonders intensiver Weise die Beratung begleiten werden, ihre Plätze eingenommen haben, starten wir jetzt mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, und ich erteile als erstem Redner das Wort dem Bundesminister Christian Schmidt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine sichere und gesunde Ernährung und eine ebensolche Erzeugung von Nahrungsmitteln, das sind echte Lebensthemen. Mit denen kommt jeder von uns jeden Tag in Berührung. Deshalb haben sie zu Recht große Aufmerksamkeit. Ländliche Räume, Landwirtschaft, Fischerei und Forsten gehören für mich in gleicher Weise zu diesen Lebensthemen. Mein Ministerium bündelt diese Themen und stellt sich den Erwartungen, Sorgen und Bedürfnissen der Erzeuger, der Verbraucher, von uns allen. Mit dem Einzelplan 10 mit einem Etatansatz von knapp 5,5 Milliarden Euro haben wir für das Jahr 2016 eine gute Grundlage für die Fortentwicklung dieser wichtigen Politikbereiche vorgelegt. Dieser Haushalt setzt Akzente, folgt einer tragfähigen Perspektive, und bei seiner Beratung kann man sich natürlich nicht nur mit Strategischem, sondern muss man sich auch mit Aktuellem beschäftigen. Die Bauern machen derzeit in Deutschland und in ganz Europa mit Vehemenz auf ihre wirtschaftlichen Sorgen und Nöte aufmerksam. Diese betreffen die Erzeugerpreise, insbesondere für Milch, die im Keller sind. Für 27 Cent pro Liter Milch können viele auf Dauer nicht kostendeckend produzieren, geschweige denn den Lebensunterhalt verdienen. Ebenso sind der Markt für Schweinefleisch und dort, wo es in diesem Sommer große Trockenheit gegeben hat, der Feldfruchtbau unter Druck. Wir beobachten eine verhaltene Nachfrage auf den internationalen Märkten, während gleichzeitig ein großes Angebot auf den Markt drängt. Die Folgen des russischen Embargos für Nahrungsmittel treffen die Landwirtschaft genauso wie die Marktvolatilitäten insbesondere in China. Ich denke, wir sind uns in diesem Hause über alle Fraktionen hinweg einig: Die Lage bedarf des Handelns. Wir müssen handeln, wir müssen klug handeln, und wir müssen so handeln, dass auch im nächsten Jahr von den Entscheidungen, die wir jetzt treffen, profitiert werden kann. Aber wir unterscheiden uns wohl sehr deutlich bei der Wahl der Maßnahmen. Jedenfalls habe ich das den Demonstrationen und Diskussionen der letzten Wochen und Monate entnommen. Eine Rolle rückwärts zur Mengensteuerung alter Schule, und sei es auch mit neuem, aufgehübschtem Namen, wird es mit mir nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Hier bin ich mir mit dem Deutschen Bauernverband und übrigens auch mit der Europäischen Union einig. Wir können nicht ein 15 Jahre lang entwickeltes Programm des Ausstiegs aus einer Mengensteuerung wie der alten Quotenregelung nun ohne Weiteres sozusagen über den Tisch ziehen, vor allem auch deshalb nicht, weil wir zwischenzeitlich festgestellt haben, dass der Erfolg der Mengensteuerung nicht eingetreten ist. Sonst hätten wir doch nicht vor fünf Jahren, zu Zeiten der Milchquote, eine Krise gehabt, die von den Zahlen her noch dramatischer als die heutige gewesen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben für ein solches System der staatlichen Eingriffe in Form von Mengenregelungen übrigens auch keine Rechtsgrundlage. Ich möchte bei der Diskussion in aller Bescheidenheit darauf hinweisen: Welche Töpfe man auch immer wo fordert, wir können keine Töpfe aus Lust und Laune heraus, aufgrund eines Bedarfs oder einer Entscheidung heraus schaffen. Es bedarf einer Rechtsgrundlage auf europäischer Ebene, auf nationaler Ebene. Ich halte fest: Die gibt es nicht. Wenn jemand meint, diese wäre leicht zu erreichen, darf ich aus dem letzten Sonderrat der EU-Agrarminister vom vergangenen Montag berichten. Ich habe angesprochen, dass wir in die Diskussion durchaus die Frage einbringen müssen, ob es auch andere Möglichkeiten der Mengensteuerung gibt. Denn was wollen wir erreichen? Wir wollen die Volatilität, dass der einzelne Bauer einmal viel und einmal wenig verdient, aber zwischendrin kaum mit seiner Finanzierung hinterherkommt, einigermaßen ausgleichen. Ich darf darauf hinweisen, dass von den anderen 27 Ministern auf europäischer Ebene nicht ein einziger und auch vonseiten der Kommission niemand eine Rückkehr zur Quote oder Mengensteuerung gefordert hat. Ich bitte, dieses auch für die nationale Diskussion zur Kenntnis zu nehmen. Wir müssen hier neue Ansätze und Gedanken entwickeln, und das werden wir auch tun. Nationale oder europäische Begrenzungen müssen sich am Weltmarkt orientieren. Die große Mehrheit der Milcherzeuger hat sich ja auch für die Chancen des wettbewerblichen Marktes entschieden. Was ist unser Problem? Wir haben einen Wettbewerb in unserem Lande, der über den Preis geht und nicht über die Qualität. Hier müssen wir ansetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen bei den Produkten ansetzen. Aber auch in der Wertschöpfungskette, die – ich muss es sagen – vom Erzeuger bis zum Verbraucher geht, müssen alle bereit sein, sozusagen ihr Scherflein beizutragen. Ich habe heute früh mit dem Handel intensive Gespräche geführt. Ich bin nicht ganz ohne Optimismus aus diesen Gesprächen herausgegangen. Wir müssen erreichen, dass das Risiko des Marktes nicht allein bei den Erzeugern hängen bleibt. Das muss geändert werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Noch ein ganz klares Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einer bedenklichen Entwicklung. Wir haben einen europäischen Binnenmarkt. Mancher wirft uns vor – auch der deutschen Agrarwirtschaft und unseren Bauern –, wir wären zu erfolgreich. Okay, das muss man immer an dem messen, was man selbst erreicht hat oder nicht, ob man den Strukturwandel genutzt hat oder nicht. Es geht aber nicht, dass in den Grenzen innerhalb der Europäischen Union, im Schengen-Raum, Fahrzeuge aufgehalten werden, (Beifall des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]) bei denen nachgeprüft wird, ob in ihnen deutsche Milchprodukte transportiert werden. Man hört sogar auch, dass sich in anderen europäischen Ländern mancher nicht mehr traut, deutsche Qualitätsprodukte ins Regal zu stellen, weil er Sorge haben muss, dass das eine oder andere passiert. Ich werde in aller Schärfe – das habe ich bereits getan – und mit allen Mitteln, wenn sich Fälle, die mir konkret vorliegen, bei Nachprüfung bestätigen – leider wird das wohl der Fall sein –, unsere europäischen Nachbarn darauf hinweisen, dass wir eine Hausordnung haben. Die Hausordnung ist der europäische Binnenmarkt. Wir verkaufen unsere Produkte dort, wo der Verbraucher sie will, und lassen nicht zu, dass irgendjemand zwischendrin entscheidet, ob er sie bekommen soll oder nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was müssen wir jetzt machen? Direkthilfen! Soforthilfen! Wir müssen, auch wenn wir den Kurs der Marktorientierung beibehalten, trotzdem ein Maßnahmenpaket auflegen, um den Landwirten in der konkreten Situation zu helfen. Deswegen bin ich für Sofortmaßnahmen. Wir haben in der letzten Woche von der EU-Kommission eine halbe Milliarde Euro angeboten bekommen. Der gedachte Ansatz muss lauten, dass das, was über die Superabgabe – die Insider kennen das – nach Brüssel geflossen ist, sich in der gleichen Größenordnung im Haushalt für die Landwirtschaft wiederfindet. Wenn man dann die 350 Millionen Euro für Direktzahlungen und weitere Programme für Obst und Gemüse hinzunimmt, geht das in die richtige Richtung. Luft nach oben ist noch da. Wir werden am Montag in Luxemburg weiter über diese Dinge reden. Wir werden dann vor allem über die Details reden. Mir liegt daran, dass wir, wenn wir wissen, wie die EU ihre Gelder einsetzen will, überlegen, wie wir eine nationale Unterstützung – ob mit Brüsseler Mitteln oder mit anderen Mitteln – fixieren können. Wir führen hier kurzfristig Gespräche. Ich werde dann Maßnahmen vorschlagen, die allen betroffenen Landwirten schnelle Unterstützung bieten. Wir sollten nicht den Keil zwischen Schweinemäster und Milchbauern treiben oder denen, deren Ernte durch die Trockenheit Schaden genommen hat. Wir müssen auf alle blicken. Dann gibt es noch einen Punkt, über den wir in der Tat mit Brüssel reden müssen. Die Direktzahlungen bleiben. Sie betragen im Schnitt ungefähr ein Drittel des Einkommens deutscher Landwirte. Jeder von uns weiß, dass wir in einer krisenhaften Situation, zum Beispiel bei Hochwasser, auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und auf Bundesebene dafür sorgen, dass schnell und unbürokratisch geholfen wird. Das hat auch in vielen Fällen funktioniert. Nun versuchen Sie einmal, auf europäischer Ebene zu sagen: Wir helfen schnell und unbürokratisch. Sie werden feststellen, dass das Dickicht der Regelungen, wobei jede für sich durchaus eine Begründung haben mag, in der Gesamtschau zu einer solchen Unbeweglichkeit des Tankers führt, dass er auf solche Krisen gar nicht mehr richtig reagieren kann. Wir müssen das angehen. Deswegen reicht es mir nicht aus, wenn der eine oder andere zu Direktzahlungen sagt: Geht nicht, ist nicht möglich. Geht nicht, gibt es nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin Süddeutscher. Ich nehme das Wort „Fischkopf“ nie in den Mund. Ich bitte aber, dem sehr geschätzten Kollegen Till Backhaus zu bestellen, dass ich es mir so vorstelle, wie er es macht. Er hat nämlich gesagt: Okay, wir gehen das an, wir schauen, dass wir es schaffen, das Geld schneller an die Leute zu bringen. Ich werde in meiner Verwaltung dafür sorgen, dass das so schnell geht. – Das finde ich aller Ehren wert. Danke schön! 15 weitere Minister könnten sich – das darf ich in diesem Fall durchaus einmal sagen – an ihm ein Beispiel nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dafür bekommt er jetzt aber keinen Sonderbonus; denn hinsichtlich der Zahlungen bin ich an europäische Regelungen gebunden. Allerdings bin ich der Meinung, dass man das pragmatisch sehen sollte. Es muss doch möglich sein, dass, wenn das Geld für die Schaffung von Liquidität nötig ist, wir die Zahlung vorziehen, sodass das Geld nicht erst im Januar, sondern schon im November oder Oktober da ist. Das gilt nicht nur jetzt, das muss auch in Zukunft gelten. Wir müssen dieses Problem dezidiert angehen. Dann müssen wir auch einmal über die eine oder andere Belastung, die wir der Landwirtschaft aus sicherlich auch guten Überlegungen zumuten, reden. Wir lassen uns – das will ich durchaus erwähnen – vieles einfallen. Man hört oft: Die Landwirtschaft muss dieses oder jenes tun; es muss dieses oder jenes vorgeschrieben werden. – Dazu sage ich: Auch all das kostet Geld. Ich plädiere damit nicht dafür, Landwirtschaft nur unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit zu sehen. Natürlich sind ökologische Fragestellungen und das Tierwohl, auf das ich noch zu sprechen komme, sehr wichtige Punkte. Es muss alles in einem vernünftigen Zusammenhang stehen. Ich möchte nämlich, dass unsere Landwirtschaft in Deutschland produziert und wir uns nicht vom Export abhängig machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Stichwort „Export“: Manche fragen nun, was denn der Export solle, das sei doch nur Überschussabbau. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen sehr genau: Wenn wir den Export im Milchbereich, um nur dieses Beispiel zu nennen, auf null fahren, dann bedeutet das das Aus für die Hälfte unserer landwirtschaftlichen Betriebe. (Beifall bei der CDU/CSU) Dass wir nicht auf Teufel komm raus exportieren, steht selbstverständlich auf dem gleichen Blatt. Das ist aber auch nicht der Fall. Ich bin dafür, dass wir über Qualität und Export in die Märkte, die aufnahmefähig sind, reden. Was mit mir nicht geht und was, glaube ich, auch in diesem Haus niemand fordern wird – an anderer Stelle höre ich diese Forderung manchmal –, sind Exportsubventionen für Produkte, die bei uns nicht absetzbar sind. Mit einer Verbilligung dieser Produkte würden wir nur schwächere Märkte in anderen Ländern belasten. Nein, ich möchte, dass wir in die aufnahmefähigen Märkte exportieren. Darauf werden wir unser Augenmerk richten. (Beifall bei der CDU/CSU) China ist und bleibt ein wichtiger Absatzmarkt. Dafür brauche ich aber die Unterstützung durch die EU. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ganz genau!) Wir brauchen Geld und Ideen von der EU. Die Ideen liefern wir, wenn es notwendig ist, sogar selber. Ich möchte intelligente Märkte und lade deswegen zu einem Exportgipfel und zu einem Lebensmittelgipfel ein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wozu dient dieser Lebensmittelgipfel? Wir müssen erreichen, dass der Erzeuger, zum Beispiel von Schweinefleisch, nicht alleine seine Standards an einigen verschiedenen Produzenten orientieren muss; denn dieses Management überfordert ihn womöglich. Die Produzenten sind und bleiben Landwirte und Tierzüchter; bei denen wollen wir keine Managementstrukturen aufbauen. Hinzu kommen auch noch ein paar andere Fragen zum Tierwohl, die wir ansprechen müssen. Im Bereich des Tierwohls setzen wir in diesem Jahr 30 Millionen Euro ein. Ich bedanke mich bei den Haushältern schon jetzt für die gute Unterstützung, die ich hoffentlich bekommen werde und auf die ich aufgrund der guten Erfahrungen in der Vergangenheit und des einen und anderen Vorgespräches hoffen kann. Dieses Thema müssen wir nämlich sehr ernst nehmen. Wir streben eine Mischung aus freiwilliger Verbindlichkeit und rechtlicher Regelung an. Das habe ich vor einem Jahr präsentiert. Da wollen wir eine Zwischenbilanz ziehen. Aber es geht auch um Themen wie – die Kollegin Jantz hat das als Erste angesprochen – das Schlachten trächtiger Rinder. Wir kommen nicht darum herum, das rechtlich zu regeln; das läuft aufgrund der Strukturen nicht über die freiwillige Verbindlichkeit. Dazu werde ich in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen. In dem Zusammenhang werden wir darüber sprechen und entscheiden, und zwar mit dem Ziel, dass das zukünftig nicht mehr passiert. Im Bereich der Ernährung haben wir 90 Millionen Euro eingesetzt. Wir müssen in den Schulen und anderswo eine Offensive für gesunde Ernährung starten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Leider sind unsere eigenen Projekte, Frau Kramme, nur Insidern bekannt. Wir müssen sie darüber hinaus bekannt machen. Wir müssen uns auch zu der Frage der Lebensmittelvernichtung und zum Thema Kochen verhalten. Bei Letzterem müssen wir ein Bündnis mit denen eingehen, die das noch können: (Beifall bei der CDU/CSU) mit den Älteren und auch mit Spitzenköchen. Es muss natürlich jetzt nicht jeder wie Tim Mälzer, der sich hier erfreulicherweise sehr intensiv engagiert, oder wie Klaus Töpfer sein, der in die neu aufgesetzte Initiative „Zu gut für die Tonne“ neuen Schwung einbringen will. Ich sehe auch, dass wir uns hier nicht nur gegenseitig bestätigen dürfen, indem wir sagen: Ja, wunderschön und wichtig. Vielmehr kommt es auf unseren Einsatz an. Wenn wir gegen Pommes, Pasta, Pizza und Pfannkuchen – das sind die vier beliebtesten Gerichte – ein Stück weit gesundes Obst und Gemüse und andere Dinge stellen wollen, dann müssen wir an den Schulen anfangen. (Petra Hinz (Essen) [SPD]: In den Kitas anfangen, nicht erst in den Schulen!) Wir können das jedoch nicht gesetzlich verordnen. Das muss langsam wachsen, und dazu müssen Bund und Länder Geld in die Hand nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben eine Reihe von weiteren Aufgaben, aber ich glaube, allein diese Punkte zeigen: Wer meint, den Landwirtschaftsetat könne man außen vor lassen, der sei für uns nicht interessant, dem sage ich: Nein, wir vertreten eigentlich den Lebensetat, und bei uns spielt Musik. Wir werden deswegen die Orchestrierung auch in der öffentlichen Wahrnehmung noch verstärken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Heidrun Bluhm. (Beifall bei der LINKEN) Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns alle beschäftigt heute wie auch schon in verschiedenen anderen Debatten die aktuelle Flüchtlingsproblematik. Jetzt fragen Sie sich sicher: Was hat das mit der Landwirtschaft zu tun? Aber ich denke, wir stehen hier ganz deutlich in der Verantwortung, zu hinterfragen, welchen Anteil unsere exportorientierte Agrarpolitik, sowohl die des Bundes als auch die der EU, an den Krisen in dieser Welt trägt und welchen Schaden die Entwicklungsländer durch sie erfahren. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) Klar, wir liefern keine subventionierten Hähnchen mehr nach Afrika, aber wir liefern sie immer noch und machen damit die heimische Wirtschaft kaputt, gegebenenfalls gar nicht erst marktfähig. Herr Minister, Sie sagten eben in Ihren Ausführungen, Sie wollen in die Märkte, die aufnahmefähig sind. Das ist sehr allgemein. Das kann gut sein, das kann aber genauso schädlich sein, wenn wir es beziehen auf die Entwicklungsländer oder die Schwellenländer. Sie sehen, Herr Minister: Auch wenn Ihr Haushalt ein eher kleiner ist, berührt die Politik, die mit diesem Haushalt gemacht wird, trotzdem viele Bereiche in unserer Gesellschaft. Die Frage ist: Werden Sie dieser Verantwortung gerecht? Und das will ich hier einmal kurz beleuchten: Ihre Fraktion zeichnet in der Öffentlichkeit ja sehr gern und oft ein Bild, nahezu ein Idealbild, der bäuerlichen Landwirtschaft. Ihre konkrete Politik aber, wenn man sie genau betrachtet, benachteiligt eher kleine und mittlere Betriebe. Export- und renditeorientierte Konzerne und Kartelle dominieren die Landwirtschaft längst, üben auch auf dem Markt zunehmend ihren Einfluss aus und machen damit eine sozial und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft unmöglich. TTIP zum Beispiel wird diesen Prozess wahrscheinlich noch unterstützen. Ich glaube, dieser Trend – so sagt es zumindest die Linke – muss gestoppt werden. Hier vermisse ich die Ernsthaftigkeit Ihres Engagements. (Beifall bei der LINKEN) Ich vermisse die Ernsthaftigkeit Ihrer Politik außerdem, wenn das Ministerium zwar die Gefahr explodierender Bodenpreise erkennt und im Agrarbericht sogar klar darauf hinweist, aber nichts tut oder wie im Fall der BVVG sogar selbst an der Preistreiberei beteiligt ist, indem hier öffentliches Eigentum weiter privatisiert wird. Das kritisieren wir im Übrigen schon lange, aber ich will das hier heute noch einmal zum Ausdruck gebracht haben. (Beifall bei der LINKEN) Herr Minister, Sie haben es eben selbst angesprochen: Auch die gegenwärtige Milchkrise scheint Sie nicht wirklich ernsthaft zu beschäftigen und vor allem zum Handeln zu bewegen. Sie schauen dem Überlebenskampf vieler Milchviehbetriebe tatenlos zu und belassen es bei wirkungslosen Appellen. Auch das haben Sie eben in Ihrer Rede noch einmal deutlich gemacht. Auch hier haben Sie angekündigt, dass Sie etwas tun wollen, aber was Sie tun wollen, das haben Sie nicht gesagt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dabei brauchen wir dringend eine wirksame Lösung. Wenn es, wie Sie sagen, keine Mengensteuerung sein soll, um dem Preisdumping auf dem deutschen Milchmarkt entgegenzutreten: Was dann, Herr Minister? Was wollen Sie tun? Direkt- oder Soforthilfen? Wir werden doch aufgrund der Mechanismen des Marktes Marktpreisschwankungen immer wieder haben, und dann sind Sie permanent am Subventionieren. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben wäre eine gute Gelegenheit gewesen, das zu beantworten!) Sie müssen sich hier also als Regierung auch strukturell eine andere Lösung einfallen lassen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Stellen Sie sich der sozialen Verantwortung für die heimischen Betriebe und deren Mitarbeiter. Stellen Sie sich auch der globalen sozialen Verantwortung für die Entwicklungs- und Schwellenländer. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vor allem erkenne ich aber die fehlende Ernsthaftigkeit bei der Entwicklung der ländlichen Räume. Auch hier reden Sie viel und kündigen an, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu reformieren. Doch bis heute ist faktisch nichts passiert. Es ist ja gut, sorgfältig zu prüfen oder auch abzustimmen; aber es braucht dringend eine ressortübergreifende Gesamtstrategie; doch diese fehlt bisher in der Regierung insgesamt. (Beifall bei der LINKEN) Ihr Plan ist für uns und die Mitbürgerinnen und Mitbürger in den kleinen Städten und Gemeinden bisher nicht erkennbar. Doch ich sage Ihnen: Viel entscheidender als die Frage, wie die neue Gemeinschaftsaufgabe heißt und wie sie gegebenenfalls strukturiert wird, ist die Höhe der Mittel, die Sie tatsächlich für eine nachhaltige Regionalentwicklung bereitstellen wollen. Zwar erhöhen Sie die GAK-Mittel um 10 Millionen Euro. Das sind allerdings nur 1,6 Prozent des Gesamtaufkommens. Es bringt also eigentlich null Effekt für die Kommunen und die Betriebe. Doch eine Förderung, die den schon heute drängenden Problemen vieler Kommunen gerecht werden würde, bleiben Sie bisher schuldig. Dabei stehen die Kommunen strukturschwacher Regionen vor einer dreifachen Herausforderung: sinkende Einnahmen, hohe Lasten durch Sozialabgaben und zum Dritten hohe Infrastrukturkosten. Jene Kommunen also, die am dringendsten den Wandel gestalten müssen und am dringendsten eine nachhaltige Infrastrukturausstattung brauchen, können daran kaum arbeiten, weil sie finanziell gelähmt sind. Und wir lassen sie im Regen stehen. Dabei bedeuten die unterlassenen Investitionen von heute dreimal höhere Kosten für morgen. Wir fordern deshalb im Einklang mit den Ländern eine Aufstockung der GAK-Mittel für den Bereich Regionalentwicklung um mindestens 200 Millionen Euro. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen den Kommunen helfen, Daseinsvorsorge, Mobilität und Teilhabe langfristig zu sichern, vor allem in den schrumpfenden Regionen. Wir müssen die ländlichen Räume entwickeln und wollen sie nicht abwickeln. (Beifall bei der LINKEN) Ich weiß, dass die SPD und auch einige aus Ihrer Fraktion, Herr Schmidt, eine derartige Mittelaufstockung wünschen. Umso weniger verstehen wir Ihre Politik und den Stillstand in Ihrem Haushalt. Aber nur konkrete Zahlen würden auch Taten bedeuten. (Beifall bei der LINKEN) Die neue Gemeinschaftsaufgabe zur Entwicklung der ländlichen Räume muss ihren Namen auch verdienen. Sie braucht eine starke regionalpolitische Komponente, um den wachsenden Problemen der ländlichen Kommunen, der ländlichen Räume wirklich gerecht zu werden und nicht nur ein Nebenprodukt der Agrarförderung zu bleiben. Ich weiß, Herr Schmidt: Nicht alle Probleme des ländlichen Raums haben Sie zu verantworten. Herr Dobrindt verschläft ja auch den Breitbandausbau, und Herr Schäuble sitzt auf dem Geld. Steuergerechtigkeit zu schaffen und die Kommunen mit ausreichenden Mitteln auszustatten, damit sie Schulen und Straßen sanieren können, bleibt damit aus. Auch ohne zusätzliches Geld von Herrn Schäuble hätten Sie aber eine Quelle, um diesen Haushalt zu reformieren. Wir sagen: Schaffen Sie die Agrardieselsubventionen ab! Dann hätten wir ein wenig mehr Geld, das wir an dieser Stelle ausgeben könnten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Angelehnt an unsere Reise nach Afrika, die wir, Herr Schmidt, im Frühjahr gemeinsam gemacht haben, möchte ich meine Ausführungen folgendermaßen beenden: Seien Sie kein zahmer Tiger, weder gegenüber exportorientierten Konzernen oder Kartellen noch gegenüber Bodenspekulanten! (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Setzen Sie sich bei Herrn Schäuble für mehr Geld für die ländlichen Räume ein! Zeigen Sie Ihre Zähne, Herr Schmidt! Seien Sie ein richtiger bayerischer Löwe! Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Elvira ­Drobinski-Weiß für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Herr Präsident! Herr Minister Schmidt! Sehr verehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als mich in den wahrscheinlich leider letzten Sonnentagen der detaillierte Haushaltsplan des BMEL erreichte, da dachte ich: Gar nicht schlecht! Da ging auch bei mir ein bisschen die Sonne auf, aber – ich sage es Ihnen – nur ganz kurz. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Ich sage Ihnen auch, warum bei mir ein bisschen die Sonne aufging: Im Haushaltsplan findet sich die Zusage, dass sich die Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung „Zu gut für die Tonne“ nicht mehr nur an Verbraucher richten wird, sondern auch an Landwirtschaft, Handel, Industrie und Gastronomie. Das Thünen-Institut bekommt mehr Geld, um endlich eine Systematik zu entwickeln, mit der es möglich wird, zu erfassen, wer was warum wegwirft. Das ist eine wichtige Grundlage dafür, um wirksame Maßnahmen zu entwickeln und um die Verschwendung einzudämmen. Dafür hat sich die SPD-Fraktion schon seit langem eingesetzt, und ich bin froh, dass Sie dies nun endlich im Haushalt festschreiben. 60 Prozent der Lebensmittelverschwendung finden nämlich nicht in Privathaushalten statt, sondern bereits vorher. Ich denke, wir als Politik sind in der Pflicht, etwas zu tun. (Beifall bei der SPD) Alles andere halte ich ethisch und übrigens auch ökonomisch für nicht vertretbar. Wenn allerdings die Aufgaben wachsen, wenn die Ausrichtung eines Vorhabens breiter wird, dann braucht es selbstverständlich auch mehr Geld, um diese neuen Aufgaben zu bewältigen. „Zu gut für die Tonne“ muss noch besser ausgestattet werden. Herr Minister, es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber wir und auch Sie sind auf einem guten Weg. So viel zum Sonnenschein. Ein paar Wölkchen, das heißt ein paar Fragezeichen, sind dann doch noch aufgetaucht. Obwohl ich mir viel Mühe gegeben habe, kann ich nach wie vor nirgendwo im Haushalt einen Posten entdecken, der die Kosten für die nationale Strategie zur Reduktion von Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten abdeckt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dabei liegt ein entsprechender Beschluss des Bundestages schon seit einigen Monaten auf dem Tisch. Der muss – da bin ich mir ganz sicher – irgendwo im Ministerium durchgerutscht sein. (Dr. Karin Thissen [SPD]: Genau!) Immerhin stehen für den Bereich „Gesundheitlicher Verbraucherschutz und Ernährung“ im Jahr 2016  5 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Zudem sind von den 16 Millionen Euro im Titel „Information der Verbraucherinnen und Verbraucher“ im vergangenen Jahr fast 11 Millionen Euro nicht abgerufen worden. Mittel sind also ausreichend vorhanden. Diese Mittel sollten wir für Maßnahmen einsetzen, die es den Menschen erleichtern, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Sie sollten alle Menschen erreichen, egal wo sie einkaufen, welchen Bildungsstand und wie viel Geld sie haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Reduktionsstrategie, die die Rezepturen von Fertigprodukten verbessern soll, ist so ein Mittel. Dass sie funktioniert, das zeigen nicht nur Beispiele aus anderen Ländern. Auch eine Aktion des Ernährungsministeriums selbst hat gezeigt: Seit es die Reduktionsziele für herzschädliche Transfette mit der Wirtschaft vereinbart hat, ist der Gehalt an Transfetten in Lebensmitteln deutlich zurückgegangen. Jetzt müssen wir uns auch um Salz und Zucker kümmern … insbesondere in Lebensmitteln speziell für Kinder … von denen wir sowieso meinen, dass sie völlig unnötig sind, und die wir daher ablehnen. Aber das passiert nicht von allein, das gibt es auch nicht umsonst. Ein entsprechender Haushaltsposten ist unabdingbar. (Beifall bei der SPD) Verbraucherinformationen, Aufklärungskampagnen und Bildungsarbeit – das alles ist wichtig. Aber Menschen, insbesondere Kinder, müssen das Erlernte auch umsetzen können. Im Moment arbeiten das gängige Lebensmittelangebot und die Art, wie es beworben und vermarktet wird, eher gegen sie. Wenn wir nicht dafür sorgen, bessere Bedingungen für gesunde Ernährung zu schaffen, nützen alle Bildungsinitiativen wenig, Herr Minister. Schließlich braucht es für einen sicheren Verkehr Fahrschulen, die uns das Fahren beibringen, ebenso wie sichere Straßen und sichere Autos; ach ja, und Ampeln wären auch nicht schlecht. Aber das ist ein anderes Thema. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Noch ein Hinweis zum Schluss. Gestern erreichte mich die Nachricht, sehr verehrter Herr Bundesminister Schmidt, dass das Forschungsinstitut für Kinderernährung vor dem Aus steht. Dabei hatten Sie in den letzten Haushaltsverhandlungen zugesagt, sich persönlich für den Fortbestand des Instituts einzusetzen. Ich appelliere dringend an Sie und an Ihr Ministerium: Setzen Sie alles daran, die Arbeit dieses wichtigen Instituts weiterhin zu ermöglichen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Grundsätzlich – da bin ich zuversichtlich – können wir mit den Mitteln, die uns für das Jahr 2016 zur Verfügung stehen, viel erreichen. Packen wir es an! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Sven-Christian Kindler. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über den Agrarhaushalt, aber auch grundsätzlich über die Fragen der Landwirtschaftspolitik. Nach zwei Jahren haben wir jetzt Halbzeit der Großen Koalition. Herr Minister, daher hätte ich erwartet, dass Sie etwas zu Ihrer Bilanz und zur Situation der Landwirtschaft sagen. Eigentlich geht es um ein schönes, positives Thema: um Essen, um das, was uns satt macht, was uns erhält, um das Verhältnis von Mensch, Natur und Tier. Aber wenn man sich im Land umschaut, stellt man fest, dass viele Menschen verunsichert sind, Angst haben und wütend auf die Landwirtschaftspolitik sind. Es gibt eine große Akzeptanzkrise. 50 000 Menschen waren in diesem Jahr bei der Wir-haben-es-satt-Demo in Berlin, darunter viele Landwirte. Sie haben klargemacht, dass sie eine andere Landwirtschaftspolitik wollen. Herr Minister, ich finde, man darf diese Bedenken nicht wegwischen, sondern man muss die Menschen endlich ernst nehmen und ihnen zuhören. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt zentrale Probleme in der Landwirtschaft, die jetzt angegangen werden müssen – auf diese Probleme weisen auch die Landwirte hin : Wir haben ein großes Höfesterben in Deutschland; gut ein Drittel der klimaschädlichen Treibhausgase entsteht weltweit in der Landwirtschaft; wir haben einen enormen Wasserverbrauch und eine enorme Wasserverschmutzung durch die industrielle Landwirtschaft; wir haben ganz viel Tierquälerei in der Massentierhaltung; (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Eine Unterstellung!) wir haben quasi alle paar Monate einen neuen Lebensmittelskandal. (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Sprechen wir über Deutschland, oder was?) Herr Minister, ich finde, diese Probleme dürfen nicht weiter ignoriert werden. Gerade die Union darf diese Probleme nicht weiter schönreden und sich wegducken. Es muss endlich gehandelt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Probleme sind nicht gottgegeben, sondern Folge einer falschen Agrarpolitik, einer Agrarpolitik, für die – das haben wir gerade schon in der Rede der SPD-Kollegin gehört – in der Bundesregierung vor allen Dingen die Kollegen von der CDU/CSU stehen. Diese Probleme sind Folge einer Agrarpolitik, die auf Masse statt Klasse setzt, auf Wachsen oder Weichen, auf Agrarfabriken statt Bauernhöfe. Ich finde, zu Recht fordern viele Menschen in Deutschland, dass sich die Agrarpolitik endlich ändert. Wir brauchen jetzt endlich ein Umsteuern in der Agrarpolitik in Deutschland. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ganz besonders deutlich wird das an der Milchkrise. Viele bäuerliche Betriebe stehen jetzt vor dem Aus. Das war in den letzten Monaten schon absehbar. Herr Minister, ich frage mich: Wo waren Sie eigentlich? Ich habe nichts von Ihnen gehört, keine Forderungen, keine konkreten Pläne. Sie haben das Thema – das muss man ganz ehrlich und hart so sagen – einfach verschlafen. Auch heute gibt es keine Antwort, sondern wieder nur Ankündigungen. Ich finde, das ist deutlich zu wenig. Das ist ein krasses Versagen als Landwirtschaftsminister in dieser zentralen Frage. Zu dem Ergebnis vom Montag, das Sie angesprochen haben. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter spricht zu Recht von Aktionismus und von einem Vortäuschen von Politik. Er sagt, dass es den Agrarministern der EU-Staaten an Problembewusstsein mangelt, dass sie nicht über die nötige Weitsicht verfügen. Ihre Antwort darauf – das haben Sie heute wieder gesagt – ist Export. Die Probleme dabei sind aber – darauf hat die Kollegin Bluhm schon hingewiesen : Erstens. Wenn in Länder exportiert wird, zum Beispiel in Westafrika, in denen die Kleinbauern schon heute ihre Existenzgrundlage durch die Dumpingkonkurrenz aus dem Ausland verlieren, dann wird dieser Export dort zu noch mehr Armut und Hunger führen – Stichwort „Fluchtursachen“. Zweitens. Für die deutschen Milchviehhalter lautet die Frage: Was bringt ihnen das? Die Nachfrage auf dem Weltmarkt ist sehr schwankend. In China und Indien haben wir Nachfrageeinbrüche. Wir wissen, dass auf dem Weltmarkt kein hoher Preis zu erzielen ist, und die Milch auf dem Weltmarkt zu verramschen, kann nicht die Lösung sein. Unsere Milchviehhalter brauchen andere Antworten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rainer Spiering [SPD]: Welche?) Ich kann Ihnen dazu Folgendes sagen: Wir wissen, dass es auf dem Markt ein zentrales Überschussproblem gibt. Deswegen muss man als Minister handeln und für eine Marktregulierung eintreten. Wir sind nicht für die alte Milchquote – das ist klar; dahin wollen wir nicht zurück ; aber wir haben immer davor gewarnt, dass die Europäische Union zu wenig Kriseninstrumente hat, dass sie gegen das Überschussproblem zu wenig machen kann. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter schlägt vor, wieder ein Bonus-Malus-System einzuführen. Ein solches System kann man auch branchenbezogen einführen, Herr Schmidt. Da dürfen Sie sich nicht wegducken. Man kann dafür sorgen, dass Betriebe, die mehr produzieren, einen Malus zahlen, und Betriebe, die freiwillig weniger produzieren, einen Bonus bekommen. Das kann man mit der Branche vereinbaren. Dazu muss man handeln, dazu muss man sich mit den Bauern treffen. Ich finde, deswegen brauchen wir einen Milchgipfel statt eines Exportgipfels. Einen solchen Gipfel muss der Minister jetzt einberufen. So etwas muss er vereinbaren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Schmidt, ich glaube, Sie sind der unbekannteste Minister dieser Regierung. Sie sind extrem blass. Ihre Taktik ist es anscheinend, sich wegzuducken und gar nichts zu machen, sich zu verstecken und zu hoffen, dass alles gut wird. Aber es wird nicht alles gut. Im Hintergrund lassen auch Sie sich – leider – die Papiere vom Bauernverband und der Agrarindustrie schreiben. Stichwort „Düngeverordnung.“ Es gibt sie bisher immer noch nicht, obwohl die Europäische Kommission ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, weil wir eine viel zu hohe Nitratbelastung im Grundwasser haben. Die Hauptursache dafür ist bekannt: Das ist die Überdüngung, das ist die Gülle. Ich finde es angesichts des Zustands unseres Grundwassers, angesichts des Zustands des Wassers in Deutschland insgesamt nicht akzeptabel, dass die Düngeverordnung nicht kommt. Sie muss jetzt kommen. Wir müssen unser Wasser schützen. Da müssen Sie ran, Herr Schmidt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Kindler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Röring? Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gern. Johannes Röring (CDU/CSU): Lieber Herr Kollege Kindler, ich habe eine Frage an Sie. Wenn eine Familie, die aus Asien, aus Syrien oder dem Irak nach Deutschland kommt, kommt sie in ein Land, in dem nach ihrer Vorstellung Milch und Honig fließen; denn hier gibt es sichere und bezahlbare Lebensmittel, die von verantwortungsvollen Landwirten erzeugt werden. In Ihrer Rede wird aber das Erreichte der letzten Jahrzehnte niedergemacht. Was antworten Sie dieser Familie auf die Frage, wie Ihre Rede zu den Erfahrungen passt, die sie mit der Landwirtschaft in Deutschland macht? Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist doch völlig klar: Sie können die Situation in Syrien, wo ein blutiger Bürgerkrieg geführt wird, wo Krieg und Gewalt herrschen, wo Menschen aus ihren Häusern herausgebombt werden, nicht mit der Situation in Deutschland vergleichen. Die Frage ist doch: Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Ich würde mit dieser Familie, die Sie angeführt haben, auf einen der zahlreichen Milchviehhalterbetriebe gehen, zum Beispiel in Niedersachsen, in denen auch ich schon war, und mich mit dem Milchviehhalter unterhalten. Diese haben in diesem wie auch im letzten Jahr, bevor die alte Milchquote, die nicht perfekt war, ausgelaufen ist, schon davor gewarnt, dass sie große Probleme haben. Als kleine Milchviehhalterbetriebe stehen sie wirklich vor der Entscheidung: Wachsen oder Weichen? Denn es gibt eine Tendenz zu immer größeren Betrieben, eine Tendenz zu immer mehr Masse. Sie werden jetzt wahrscheinlich ihren Betrieb aufgeben; denn sie wissen nicht, wie sie die Schulden bezahlen sollen, die sie haben, und ob sie den Betrieb an ihre Söhne oder Töchter überhaupt weitergeben können. Ich glaube, dann werden auch die Menschen, die zum Beispiel aus Syrien kommen, verstehen, dass es gut ist – das kennen sie aus ihrer Heimat –, dass man eine kleine, regionale bäuerliche Landwirtschaft hat, dass man auf Strukturen vor Ort setzt, dass man mit den Menschen im Dorf zusammenkommt, dass man nicht so viele, aber dafür gesunde Kühe auf einer Weide hat. So kann man dafür sorgen, dass die Milch bezahlbar bleibt und eine gute Qualität hat. Das würde ich diesen Menschen antworten. Das ist aus meiner Sicht die richtige Antwort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht auch um Tierschutz. Auch da ist es das gleiche Trauerspiel, Herr Schmidt. Der Wissenschaftliche Beirat in Ihrem Ministerium hat Ihnen im März ein sehr lesenswertes Gutachten vorgelegt. Er stellt fest, dass die gegenwärtigen Tierhaltungsbedingungen in der Landwirtschaft nicht zukunftsfähig sind. Er fordert weiterhin nicht weniger als ein grundsätzliches Umsteuern bei der industriellen Massenfleischproduktion. Wenn man sich dieses Gutachten einmal durchliest, dann stellt man fest, dass das eigentlich eine schallende Ohrfeige für die letzten zehn Jahre CSU-Agrarpolitik und den Tierschutz ist; denn er fordert nämlich genau das, was wir immer gesagt haben: mehr Platz für Tiere, artgerechte Beschäftigung und mehr Auslauf. Ich finde, man sollte, wenn man schon nicht auf die Grünen hört, wenigstens auf das eigene Ministerium, auf den eigenen Beirat hören, jetzt endlich einen Tierschutzplan vorlegen und dafür sorgen, dass die Tierquälerei in der Massentierhaltung aufhört. Das wäre jetzt notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sehen: In der Landwirtschaft ist viel los. Es gibt Krisen. Viele Bauern haben große Sorgen und große Ängste. Darauf müsste man jetzt eingehen. Man muss darauf hören, was ein Großteil der Bevölkerung fordert, was viele Landwirte fordern, was der Bundesverband der Milchviehhalter fordert und was sieben grüne Agrarminister in den Ländern umsetzen: Wir brauchen jetzt ein sanftes, aber auch ein konsequentes Umsteuern, Schritt für Schritt für eine Agrarwende. Das muss sich im Haushalt abbilden, aber auch bei dieser Bundesregierung. Darum muss es jetzt gehen. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Cajus Caesar. (Beifall bei der CDU/CSU) Cajus Caesar (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Ernährungswirtschaft nehmen eine Schlüsselrolle in unserer Gesellschaft und in unserer Wirtschaft ein. Und weil das so ist, will die Union die Rahmenbedingungen so setzen, dass das so bleibt, dass sich die Branche weiterentwickeln kann und dass wir Arbeitsplätze erhalten und schaffen. Wir können feststellen: Der Mittelaufwuchs des Einzelplans 10 von 141 Millionen Euro ist überproportional, wenn wir einmal andere Haushaltsbereiche betrachten. Das ist auch gerechtfertigt. Darin nicht enthalten sind die 100 Millionen Euro für den vorbeugenden Hochwasserschutz. Die Union will die Rahmenbedingungen so setzen, dass diese Branche Zukunft hat. Das ist die Politik der Union. Wir packen an. Deshalb ist es uns sehr wichtig, beispielsweise im Bereich des vorbeugenden Hochwasserschutzes – viele haben das über Jahre gefordert – etwas zu tun. Wir haben 2015  20 Millionen Euro im Haushalt, 2016 sind es 100 Millionen Euro. Wir hatten 2013  8 Milliarden Euro für die Beseitigung der Hochwasserschäden bereitgestellt. Wir haben mit einem Maßgabenbeschluss dafür gesorgt, dass wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner – Ulrich Freese, der Mitberichterstatter der Koalition, war ja mit dabei – diese Thematik vorangebracht haben. Auch da haben die Grünen und andere zunächst Bedenken geäußert, ob das Geld abfließt. Ich habe in den letzten Tagen die Nachricht von unserem Ministerium bekommen: Jawohl, das ist der Fall. Wir als Union sind auch vor Ort. Ich war in Nordrhein-Westfalen, in Duisburg. Wir waren auch in Brandenburg. Die Tatsache, dass der brandenburgische Minister Vogelsänger den ganzen Tag lang die Projekte mit angeschaut hat, hat gezeigt, wie wichtig vorbeugender Hochwasserschutz ist. Er hat gesagt, wie wichtig ihm das ist. Ich denke deshalb, es ist richtig, dass in den einzelnen Bundesländern etwas passiert. Wir haben Wort gehalten und die Mittel bereitgestellt. Das Ministerium, dem ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte, sorgt dafür, dass sie auch abfließen. Das geht nur, wenn man ein sehr gutes Einvernehmen mit den Ministern in den Ländern hat. Das ist gewährleistet. Es zeigt: Diese Bundesregierung macht eine gute Politik, macht eine vorbildliche Politik. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!) Sie setzt Akzente, Herr Kindler. Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist weit von den Realitäten entfernt. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen Sie jetzt selber lachen, weil das absurd ist!) Dieser Maßgabenbeschluss ist so gestaltet, dass wir Wirtschaft und Umwelt verbinden. Wir nehmen die Landwirte mit. Vor Ort ist gefragt worden: Gibt es nicht die Möglichkeit, beispielsweise Entschädigungen aus Bundesmitteln zu leisten? Wir zahlen zukünftig – das ist möglich – 20 Prozent des Verkehrswertes für die Aufstauflächen. Wir wollen Retentionsflächen, wir wollen den Aufstau am Oberlauf. Wir wollen verhindern, dass das Wasser bei den Leuten ankommt. All das passiert durch das, was wir hier beschlossen und auf den Weg gebracht haben, und zwar prioritätengesteuert und nicht durch Quoten. Deshalb sind diese 57 Maßnahmen der Hochwasser-Rückhaltung und weitere 29 überregionale Maßnahmen der Deichertüchtigung gut angelegtes Geld. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie haben die Gemeinschaftsaufgabe angesprochen. Ein Argument der Linken hier war: Da tut ihr ja nichts. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tut ihr auch nicht!) Natürlich tun wir etwas. Wir setzen Akzente für den ländlichen Raum. Das bedeutet, dass wir zunächst einmal die Modell- und Demonstrationsvorhaben auf den Weg gebracht haben. Da ist viel gelaufen. Wir haben in den Haushalt zusätzlich 10 Millionen Euro für den ländlichen Raum eingestellt. Ich kann Ihnen versprechen: Diese Koalition wird dafür sorgen, dass der ländliche Raum weiterentwickelt wird. Sie wird ihn nicht vergessen, sondern attraktiv gestalten. Dafür werden wir die entsprechenden Mittel bereitstellen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben bei der Gemeinschaftsaufgabe dafür gesorgt, dass sie einen Aufwuchs von immerhin 30 Millionen Euro in 2016 und 60 Millionen Euro jeweils in 2017, 2018 und 2019 hat. Wenn das keine auf Zukunft ausgerichtete Politik ist, dann weiß ich es nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir wollen auch, dass die soziale Abfederung gesichert ist. Wir haben die entsprechenden Sozialsysteme. Das ist im Haushalt ein Batzen von 3,7 Milliarden Euro. Ich möchte das an dieser Stelle vor dem Hintergrund der Diskussion sagen, dass es rein wirtschaftlich im Moment sehr wohl Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gibt, die problematisch sind. Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen bei der Alterssicherung die Kostensteigerungen auffangen. Das ist immerhin ein Haushaltsansatz von 2,17 Milliarden Euro. 2016 werden 18 Millionen Euro, 2017  20 Millionen Euro und 2018  30 Millionen Euro draufgelegt. Das ist soziale Politik, Herr Kindler. Bei der Krankenversicherung sieht das ähnlich aus. Da legen wir 25 Millionen Euro in 2016, 40 Millionen Euro in 2017 und im Folgejahr auch 40 Millionen Euro drauf. Wir lassen die Bäuerinnen und Bauern also nicht allein. Das hat auch etwas mit Gestaltung des ländlichen Raums, mit Solidarität und mit Begleiten zu tun. Wir sind für unsere Landwirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie haben vorhin hier im Plenum die gesunde Ernährung angesprochen. Es stimmt: Über 50 Prozent der Erwachsenen ernähren sich nicht richtig. Trotzdem können wir dem einzelnen Bürger natürlich nicht einfach das auf den Teller legen, was gesund ist. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir es tatsächlich geschafft haben, rund 90 Millionen Euro und über den gesamten Haushalt gesehen 150 Millionen Euro für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Ernährung bereitzustellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Beim Bundesinstitut für Risikobewertung beispielsweise – das hat diese Koalition in den letzten Jahren gefordert, und das wird jetzt umgesetzt – werden innerhalb der nächsten drei Jahre 136 Stellen geschaffen, und zwar im Bereich der gesunden Ernährung und der Untersuchung von Lebensmitteln, sodass sich der Bürger erkundigen kann: Was kann ich tun, und wo gibt es vielleicht Probleme? Wir haben also keine Angst, und wir sind nicht zurückhaltend. Wir spielen mit offenen Karten. Wir wollen eine gesunde Ernährung unserer Bürger und setzen uns dafür ein. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will nicht das wiederholen, was der Minister gesagt hat. Es gibt „IN FORM“, den Bundeswettbewerb „KLASSE, KOCHEN“ und viele Aktivitäten, mit denen etwas auf den Weg gebracht wird. Deshalb meine ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Angesprochen worden ist auch der Tierschutz. Wir wehren uns dagegen, dass man von einzelnen schwarzen Schafen, die es in jeder Berufssparte, in jedem Verein und in jedem Bereich gibt, auf den gesamten Berufsstand schließt. Das ist, auf Deutsch gesagt, eine Sauerei. Das lassen wir mit uns nicht machen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nehmen Sie doch nur mal das Gutachten Ihres Wissenschaftlichen Beirates!) – Herr Kindler, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir beim Tierschutz eine ganze Menge getan haben. Wir haben unter anderem die Forschung auf den Weg gebracht. Im Bereich des Tierwohles gibt es eine Initiative des Ministeriums. Dafür haben wir zusätzliche Gelder bereitgestellt und zusätzliche Stellen geschaffen. Es gibt neben der Forschung auch eine ganze Menge realisierter Vorhaben. Dankenswerterweise sorgt auch der Bauernverband im Rahmen der Tierwohlinitiative dafür – Johannes Röring sitzt ja hier –, dass diese Anstrengungen begleitet werden, und zwar durch ein Miteinander der handelnden Personen – von der Wirtschaft bis hin zum Bauern –, um das Tierwohl voranzubringen. Ich denke, das ist die richtige Vorgehensweise: miteinander und nicht gegeneinander. Das ist der Weg, den wir beschreiten sollten. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich danke unserem Minister. Ich finde, er hat in seiner Rede heute deutlich gemacht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich danke auch seinem Team und nenne stellvertretend den Haushaltsbeauftragten Ulrich Kuhlmann und Albert Wulff. Ich darf auch den Abteilungsleiter Bernd-Udo Hahn nennen. Wir haben die Informationen – ich denke, da werden mir die Mitberichterstatter recht geben – schnell, detailliert und in aussagekräftiger Form bekommen. Das ist nicht selbstverständlich. Ich darf an dieser Stelle sagen, dass wir unsere erfolgreiche gemeinsame Arbeit, die sich im Haushaltsentwurf und in den Ideen der Koalition und der Union widerspiegelt, fortsetzen werden. Deshalb, Herr Kindler, ist Deutschland so vorbildlich. Wir gehen in vielen Bereichen, in denen andere Länder noch längst nicht so weit wie wir sind, voran. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht bei der Massentierhaltung!) Wir wollen das auch tun. Aber wir müssen natürlich sicherstellen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben. Vizepräsident Johannes Singhammer: Lieber Kollege Caesar, denken Sie an die vereinbarte Redezeit. Cajus Caesar (CDU/CSU): Jawohl. Ich bedanke mich dafür, Herr Präsident, dass Sie so viel Verständnis gezeigt haben, und dass ich dies hier so zum Ausdruck bringen durfte. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Und das bei zehn Minuten!) Ich darf sagen: Union und Koalition stehen für einen vorbeugenden Hochwasserschutz, für einen attraktiven ländlichen Raum, für das Tierwohl, aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bauern und Landwirte. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre schön!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Binder für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Karin Binder (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ernährungspolitisch ist der von Ihnen vorgelegte Haushaltsplan eine Aneinanderreihung vertaner Chancen. Haben Sie heute schon einen Blick in die Süddeutsche Zeitung geworfen? Ich empfehle Ihnen dringend die Lektüre des Artikels „Neuer Chef mit dunkler Vorgeschichte“. Sie erinnern sich vielleicht: Wir haben im ersten Halbjahr dieses Jahres durch Medienberichte, zum Teil mit erschütternden Bildern, über den Bayern-Ei-Skandal erfahren, in dessen Verlauf letztes Jahr Hunderte Menschen in mehreren europäischen Ländern an Salmonellen erkrankten. Dieser Skandal ist leider noch nicht zu Ende. Bereits letztes Jahr im Februar wurden bei der Firma Bayern-Ei, einem der größten Hühner- und Eierproduzenten in Deutschland, durch bayerische Kontrollbehörden Salmonellen festgestellt. Es folgte keinerlei Information innerhalb Deutschlands. Erst im August letzten Jahres erfuhr das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit von einem Salmonellenproblem, aber nicht über die bayerischen Behörden, sondern über das EU-Schnellwarnsystem RASFF. Die bayerischen Behörden verweigerten sogar noch bis September den Nachbarländern wichtige Auskünfte zur Klärung dieses Krankheitsausbruchs. Verbraucherinnen und Verbraucher wurden überhaupt nicht informiert. So etwas darf sowohl im Sinne der Lebensmittelsicherheit als auch des Verbraucherschutzes und auch im Sinne des Tierwohls nie wieder vorkommen. (Beifall bei der LINKEN) Die Qualen, die diese Tiere erlitten haben müssen, kann man sich nur schwer vorstellen: Die Bilder, die in Umlauf kamen, zeigen verendete und kranke Tiere, alle auf einem Haufen. Die Mitarbeiter wurden hingehalten, nach dem Motto „Das liegt alles an der Sommerhitze“. Der alte Bayern-Ei-Chef sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Aber sein neuer Geschäftsführer ist bereits in Schleswig-Holstein wegen ähnlicher Delikte auffällig geworden. Derzeit werden offenbar viele der Bayern-Ei-Hühner an einen polnischen Schlachthof geliefert – um hernach wieder als Suppenhühner bei uns im Supermarkt zu landen? Die Fraktion der CDU/CSU – Sie haben es angesprochen, Herr Caesar – fordert sichere Lebensmittel. Deshalb brauchen wir europaweit und in den Ländern eine lückenlose Kontrolle und die konsequente Ahndung von Verstößen. (Beifall bei der LINKEN) Das sehe ich in diesem Fall nicht. Bei solchen Betrieben helfen weder freiwillige Selbstverpflichtungen noch schlecht ausgestatte und überlastete kommunale Behörden. Solche Probleme können nur von einer bundesweit zuständigen Behörde wahrgenommen werden. Solche Probleme mit international arbeitenden Unternehmen müssen auf der Bundesebene angegangen werden. (Beifall bei der LINKEN) Das kann keine Behörde, die bei einem Landrat angesiedelt ist, der noch dazu das Problem hat, dass ihm womöglich Gewerbesteuereinnahmen entgehen, wenn er einen Betrieb schließt. Einen solchen Interessenkonflikt können wir nicht auf kommunaler Ebene lösen. Aber nichts davon findet sich in Ihrem Haushaltsplan wieder, Herr Minister, ebenso wenig wie zu vielen anderen Themen im Bereich Ernährung. Es ist, wie gesagt, ein Haushalt vertaner Chancen. Die Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit in der Bevölkerung ist alarmierend. Wir alle wissen, dass die Neigung dazu in der Kindheit angelegt wird. Kinder werden konditioniert. Deshalb sind vor allem bei ihnen die Probleme anzugehen. Es gibt billige Fertigprodukte mit viel zu viel Fett, Zucker oder Salz. Das gilt für Fertigpizza wie für Kindermüsli. Dort gehört das nicht hinein. (Beifall bei der LINKEN) Sie meinen, dann müssten die Verbraucher eben bewusstere Kaufentscheidungen treffen. Schuld sind die Verbraucher. Die klare Botschaft des Ernährungsministers ist: Sollten Sie an ernährungsbedingten Krankheiten oder Beschwerden leiden, ändern Sie doch bitte Ihren Lebensstil! Wie aber sollen Kinder mit einer Anlage zu Adipositas ihren Lebensstil ändern? Nein, Herr Minister, stellen Sie endlich die Belange der Verbraucherinnen und Verbraucher statt der Interessen der Lebensmittelwirtschaft in den Mittelpunkt! (Beifall bei der LINKEN) 90 Millionen Euro sind in Ihrem Haushalt für Ernährung vorgesehen, ungefähr 10 Millionen Euro davon für den Bereich Prävention und Aufklärung. Dem stehen zig Milliarden Euro Kosten im Gesundheitswesen jedes Jahr für ernährungsbedingte Krankheiten gegenüber. Die könnten wir uns alle sparen und damit wunderbare Dinge machen. Mit dem von Ihnen eingesetzten Geld werden wir aber kaum einen Flyer für jeden Menschen in der Bundesrepublik finanzieren können. Ich stelle fest: Die bisherigen Maßnahmen für gesunde Ernährung und mehr Bewegung sind nach meinem Dafürhalten gescheitert. Freiwillige Mitmachprojekte erreichen auf jeden Fall nicht die Menschen, die sie erreichen sollten. Gesunde Ernährung ist ein wesentlicher Teil gesundheitlicher Vorsorge und damit auch staatliche Pflichtaufgabe. Deshalb fordern wir als Linke verpflichtende Qualitätsstandards, ähnlich wie die DGE-Standards, für die Gemeinschaftsverpflegung – vor allem in Kitas und Schulen, aber auch in Pflegeeinrichtungen, Betreuungseinrichtungen, Krankenhäusern und öffentlichen Kantinen. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen ein Verbot von Werbung und Sponsoring für Lebensmittel, die für Kinder gedacht sind. Eine solche Werbung, die an Kinder gerichtet ist, braucht niemand. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen eine stärkere Besteuerung von Softdrinks und Süßwaren und eine gezielte und umfassende Forschung in Bezug auf das Ernährungsverhalten von Kindern. Deshalb kann ich nur appellieren: Stellen Sie Mittel ein, damit diese Forschung betrieben werden kann, beispielsweise auch beim MRI, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Da wäre sie fachlich sicherlich gut angelegt. Zur Vereinbarkeit von Theorie und Praxis kann ich nur wieder sagen: Als Linke fordern wir die kostenfreie flächendeckende Schul- und Kitaverpflegung für alle Kinder. Dadurch hätten Sie die Chance, auch kranken Kindern und Flüchtlingskindern eine Integration zu ermöglichen. Ich glaube, der soziale Kontakt beim gemeinsamen Mittagessen ist durch fast nichts zu ersetzen. Ermöglichen Sie diesen Kindern die Chance, tatsächlich Teil dieser Gesellschaft zu werden. Dafür wäre zum Beispiel ein kostenfreies Mittagessen eine wunderbare Gelegenheit. Deshalb fordern wir, dafür 1,8 Milliarden Euro in den Haushalt einzustellen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Kollege Willi Brase spricht als Nächster für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Willi Brase (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir diskutieren heute über den Einzelplan 10 des Haushalts 2016. Mir ist in der bisherigen Debatte aufgefallen, dass das Thema „Weiterentwicklung des ländlichen Raums“ nur gestreift wurde. Wenn man sich den ländlichen Raum anschaut, dann wird man feststellen: Es geht um Dorferneuerung, es geht auch um Landwirtschaft – manchmal gibt es dort noch ein oder zwei landwirtschaftliche Betriebe, in manchen Teilen gibt es ehemalige LPGs, die jetzt GmbHs sind; die Struktur ist also sehr unterschiedlich –, es geht um Infrastruktur, es geht um wirtschaftliches Wachstum, es geht um Daseinsvorsorge, und es geht ums Bauen. Wenn ich mir das alles ansehe, dann sage ich: Das ist eine Querschnittsaufgabe, die nicht nur das einzelne Haus – das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft –, sondern die Bundesregierung insgesamt zu leisten hat, und das fordern wir als SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben die klare Erwartung an die Bundesregierung, dass jetzt im Herbst mit den Beratungen zu Änderungen bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ begonnen wird. Dabei muss langsam klar sein, ob wir das Grundgesetz oder nur das GAK-Gesetz ändern. Wir sollten jetzt nicht mehr monatelang warten. Ich meine, es sind bald zwei Jahre rum. Wir wollen dieses Gesetzesvorhaben vernünftig auf den Weg bringen. Deshalb wird es Zeit, dass dies endlich passiert. (Beifall bei der SPD) Wir sagen: Ländliche Regionen sind Zukunftsregionen. Deshalb brauchen wir auch bei der GAK – egal in welcher Art und Weise wir weiterentwickeln – mehr Mittel. Ich will das wiederholen, was wir als SPD-Fraktion schon mehrfach gesagt haben: Hier reichen keine 40 Millionen Euro aus, sondern es muss in den nächsten Jahren schon in Richtung einer halben Milliarde Euro gehen, wenn wir die ländlichen Räume ein Stück weit zukunftssicher und zukunftsfest machen und den Menschen dort eine Chance geben wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist also eine Querschnittsaufgabe. Runden der Staatssekretäre reichen hier nicht aus. Wir müssen das koordinieren – auch mit der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Ich bin mir sicher, dass uns das gelingen wird. Das BULE soll weiterentwickelt werden. Ich glaube – ich schaue die Haushälter an –, die Mittel dafür werden um 10 Millionen Euro erhöht. Das ist gut. Ich denke, wir sollten dieses Programm nutzen, um den bundesweiten Austausch zu fördern. Wir müssen die Erfahrungen mit einzelnen Programmteile nutzen und das vorantreiben. Wir brauchen eine bessere Erfahrungs- und Wissensvermittlung, um die regionalen Akteure auch ein Stück weit zu stärken, und es muss evaluiert werden. Ich denke, das ist genau richtig und notwendig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) Es ist auch deshalb notwendig, dass wir uns um die ländlichen Regionen kümmern, weil die letzten Untersuchungen zur demografischen Entwicklung nicht gerade Gutes erwarten lassen, was Dörfer und ländliche Regionen angeht; so bitter das auch sein mag. Wenn die Wissenschaftler empfehlen: „Konzentriert euch mehr auf die Mittelzentren und auf die Städte“, dann müssen wir fragen: Können wir zulassen, dass dörfliche Strukturen, dörfliches Leben und dörfliche Weiterentwicklung einfach abgehakt werden? Nein! Es gibt sehr gute Beispiele für dörfliches Leben. Ich bin ehrenamtlich auch im Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ tätig. Man muss sich einmal ansehen, was sich in Dörfern alles entwickelt hat, zum Beispiel in Elten in Emmerich. Dort hat sich die Dorfbevölkerung, über 100 Menschen, zu Dorfkonferenzen zusammengesetzt, Projekte angeregt und auf den Weg gebracht, einen Dorfladen nach zehn Jahren wieder eröffnet, ein Wohnbaulandkonzept auf die Beine gestellt und Veranstaltungsreihen zu erneuerbaren Energien initiiert. Dieses bürgerschaftliche Engagement ist toll und kann nur unterstützt werden. Aber ich denke, auch ein Ministerium sollte einmal sehen: Gibt es nicht mehrere solcher Beispiele, die wir unterstützen können? Dazu sage ich: Dorf hat Zukunft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz vorsichtig etwas hinzufügen. Müssen wir nicht auch die Zuwanderung ein Stück weit nutzen, um an der einen oder anderen Stelle die Revitalisierung unserer dörflichen Strukturen anzugehen? Das ist schwierig; denn man kann Menschen aus anderen Ländern nicht einfach dort ansiedeln, Stichwort „Bleiberecht“. Man muss die Menschen dafür begeistern, die Zugewanderten unterstützen und im Dorf für sie werben. Man muss mit den Menschen reden. Man muss deutlich machen, wo der Gewinn für sie und wo die Zukunft liegt. Ich finde, das sollten wir machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einen anderen Bereich ansprechen, der sich nicht direkt haushalterisch niederschlägt, der uns aber in der Presse und in der Öffentlichkeit immer wieder beschäftigt. Das ist die Situation in den Schlachthöfen der Fleischkonzerne. Mittlerweile sprechen wir wieder von 40 000, hauptsächlich osteuropäischen, Arbeitnehmern auf Werkvertragsbasis, die in überteuerten Unterkünften leben, und von Subunternehmen, die wiederum andere Subunternehmen beschäftigen. Gott sei Dank engagieren sich dort Menschen und sagen: Das wollen wir so nicht haben. Wir haben nicht den Mindestlohn von 8,50 Euro durchgekämpft, um über Werkverträge ein Tor aufzumachen, wo auf Kosten von Menschen billig und immer noch billiger produziert wird. Das lehnen wir ab. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Da muss etwas passieren. Ich finde es gut, Herr Bundesminister, dass Sie vorhin gesagt haben: Wir wollen auf dem europäischen Markt und auf dem Weltmarkt keine Billigprodukte anbieten, sondern Qualitätsprodukte. Qualitätsprodukte entstehen aber nur dort, wo vernünftige und gute Arbeitsbedingungen herrschen. Diese Werkvertragsarbeitnehmer arbeiten unter beschissenen, schlechten und widerlichen Arbeitsbedingungen. Diese gehören abgeschafft, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb müssen wir nicht nur darüber reden, wie wir das Werkvertragsunwesen abschaffen können, sondern man darf bei aller gebotenen Zurückhaltung auch fragen: Wie sieht es eigentlich mit den Überwachungsstrukturen aus? Was machen die sogenannten Fleischbeschauer? Wie gehen die Amtsärzte, die Tierärzte damit um? Gibt es einen Bereich, den wir uns ganz genau angucken müssen? Wird die Fleischhygiene beachtet? Gibt es Vollzugsdefizite? Wird das Tierwohlkonzept umgesetzt? Ich glaube, all das spielt eine Rolle. Wenn man Menschen, die in einem solchen Bereich arbeiten, darauf anspricht, dann sagen die: Von den 40 000 Arbeitnehmern können viele kein Deutsch. Wenn man diesen Mitarbeitern in der Produktion sagt: „Ihr dürft hier nicht rauchen“, dann verstehen sie das nicht. – Wir wissen aber alle: Wo man Fleisch zerschneidet, darf man nicht rauchen. Ich meine, dass wir dort aktiv werden müssen. Die Zeitschrift top agrar online hat am 17. August dieses Jahres wieder einmal auf die mafiösen Zustände hingewiesen. Die Menschen, die diese Zustände kritisierten, wurden teilweise bedrängt. Wir alle wissen, dass Kritikern tote Tiere vor die Haustür gelegt werden; wir haben die Bilder gesehen. Ich will hier im Deutschen Bundestag deutlich sagen: Es ist absolut nicht akzeptabel, dass so etwas passiert. Dagegen muss etwas getan werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es richtig, dass zumindest der Bundeswirtschaftsminister für den 21. September dieses Jahres die Spitzen der Schlacht- und Zerlegeindustrie eingeladen hat, um mit ihnen über genau diese Missstände zu reden und für Abhilfe zu sorgen. Wir wünschen der Bundesregierung insgesamt, dem Wirtschafts- und auch dem Landwirtschaftsminister viel Erfolg, damit wir dort bald wieder ordentliche Zustände haben. Vielen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff, BÜNDNIS 90/Die Grünen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Schmidt, noch im Winter und Frühjahr erklärten Sie bei jeder Gelegenheit, die Zukunft der Milch werde nach dem Wegfall der Quote am 1. April golden sein. Endlich könnten sich unternehmerische Fähigkeiten voll entfalten. Für die Bauern und Bäuerinnen, die Ihnen glaubten, gab es aber schon nach wenigen Apriltagen ein böses Erwachen: Der Milchpreis, der 37 Cent betragen sollte, sackte auf 27 Cent, dann auf 24 Cent pro Liter ab. Statt im gelobten Land kamen sie im Land des Preisverfalls an, der bis heute unvermindert anhält – da, wo sich Schweinebauern, vor allen Dingen Sauenhalter, schon länger befinden. Die Lage für die meisten tierhaltenden Betriebe ist äußerst dramatisch. Noch nie wurden so viele Liquiditätshilfen in so großer Höhe nachgefragt wie aktuell. Was sagt unser Minister? Irgendwann wird es schon besser werden. Aber Herr Minister, was kommt denn nach der Liquiditätsspritze? Damit werden doch die Ursachen der Preismisere nicht behoben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Am Montag kamen Sie vom Sondergipfel aus Brüssel wieder zurück – mit nichts, nur mit Absichten, mit null Beschlüssen. Es wurden Ankündigungen gemacht: Die Ausgleichszahlungen sollen vorgezogen, die Liquiditätshilfen noch mehr aufgestockt werden, damit das Nötigste bezahlt werden kann. Mit sehr viel Geld soll der Export abermals angekurbelt werden. Nichts, aber auch gar nichts war dabei, mit dem die viel zu hohen Mengen in den Griff bekommen werden könnten. Keinerlei Perspektive! Was kommt denn, wenn der Preisverfall, wie befürchtet, weitergeht, Herr Minister? Was wollen Sie denn dann tun? (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Den größten Preisverfall gab es in der Quote unter Friedrich!) – Wir Bauern und Bäuerinnen verlangen endlich Taten, Frau Connemann. Taten sind gefordert, nicht nur wohlfeile, warme und blumige Worte, Frau Connemann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vor allen Dingen keine Märchen mehr, sondern Taten! Mit jedem Hof, der in einem Dorf zugrunde geht, stirbt ein Stück Kulturlandschaft, ein Stück bäuerlichen Lebens, das wir so dringend brauchen. Wir brauchen keinen Exportgipfel, Herr Minister, wir Bauern brauchen endlich einen Milchgipfel, wo wir über die Situation reden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich bin seit 47 Jahren Bauer, aber ich habe noch nie einen so hilflos agierenden Minister erlebt. Wir erinnern uns noch alle gut an den lächerlichen Vorschlag aus dem Schmidt‘schen Baukasten „One apple each day keeps the Putin away“. Stark gewachsene, hoch verschuldete Betriebe, die nicht mehr ein noch aus wissen, das ist doch die Realität, Herr Minister. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Warum bekämpfen Sie mit solcher Inbrunst unsere grünen Forderungen? Wir würden uns diese Inbrunst an der Front des Preiskampfes wünschen; aber Sie bekämpfen uns damit. Wir fordern wie auch der BDM ein Bonus-Malus-System zur Mengendrosselung in Krisenzeiten auf dem Milchmarkt. Wir fordern eine grünlandgebundene Förderung für bäuerliche Milchviehhalter. Seit Jahren fordern wir die Erzeugerbündelung, um die Verhandlungsposition der Milchbäuerinnen und Milchbauern gegenüber Molkereien zu verbessern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Macht es doch!) Wir fordern – wie viele andere auch –, das Tierwohl zu stärken und mit mehr Platzangebot vor allen Dingen auch die Schweinezahlen zu senken. Herr Minister, Sie propagieren stattdessen nur Weltmarktzukunft für die Höfe. Ihre Exportoffensiven haben dazu geführt, dass die Märkte zusammenbrachen. Die Weltmärkte für Milch und Schweinefleisch sind gesättigt. Sie sind übervoll. Darunter leiden deutsche und europäische Bauern und Bäuerinnen. Aber auch die Erzeugerinnen und Erzeuger in anderen Teilen der Welt leiden darunter. Ihrem Haushaltsvorschlag fehlt jegliche Vision, jegliche Substanz. Es fehlen Vorschläge und Maßnahmen, mit denen Sie die Probleme in der Landwirtschaft beheben und eine gesunde bäuerliche Agrarstruktur fördern wollen. Wir fragen Sie: Was ist denn mit der Tierwohlinitiative? Was ist denn mit den Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik zur zukunftsfähigen Tierhaltung? Wo in Ihrem Haushalt sind die Mittel für Tierwohl, mit denen Sie substanzielle Fortschritte erzielen wollen? Wo sind die Umsetzungen, die das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik empfiehlt? Übrigens haben wir auch von der großen Novelle der Düngeverordnung, die uns Weihnachten auf den Tisch gelegt wurde, seit Monaten nichts mehr gehört. Wir hören jetzt: Vielleicht im nächsten Jahr. Die Schmidt‘sche Lösung heißt, über Probleme nicht mehr zu reden, bis sie irgendwann vergessen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das lassen wir Grüne Ihnen nicht durchgehen. Wir werden dieses Aussitzen brandmarken. Wir werden der Gesellschaft zeigen, dass wir die Probleme angehen wollen. Um die Probleme zu lösen, sind wahrlich weitaus größere Anstrengungen notwendig, als freundlich und völlig inhaltsleer durch das Land zu fahren, wie Sie es gemeinhin tun. Wir fordern deshalb die Aufstockung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ um 200 Millionen Euro für ein Aktionsprogramm „Bäuerlich-ökologische Landwirtschaft“, um damit einen Umbauplan „Zukunftsfähige Tierhaltung“ in Höhe von 150 Millionen Euro zur Umsetzung der Vorschläge des Gutachtens zu finanzieren. Wir fordern die Förderung einer grünlandgebundenen Milchviehhaltung mit 50 Millionen Euro nationaler Mittel. Damit können wir nach unseren Berechnungen weitere Mittel in Höhe von 160 Millionen Euro in EU- und Länderprogrammen hebeln. Angesichts dieser Summe sollten wir darüber nachdenken, ob wir damit den hauptsächlich betroffenen Grünlandbetrieben wirksam helfen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir fordern weitere zielführende Maßnahmen im Tierschutz und bei der Novellierung der Düngeverordnung. Wir fordern des Weiteren die Aufstockung der Mittel für das Bundesprogramm „Ökologischer Landbau“ sowie eine Bündelungsoffensive für Milcherzeuger. Herr Minister, es gilt, nicht weiter die Hände in den Schoß zu legen und – quasi wie bei einer Tasse Kaffee – nett zu plaudern. Erforderlich ist Handeln. Handeln Sie endlich! Die Bäuerinnen und Bauern warten auf Taten, und zwar auf Ihre Taten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Der Kollege Waldemar Westermayer spricht jetzt für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Waldemar Westermayer (CDU/CSU): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer auf der Tribüne! Wir diskutieren heute in erster Lesung über den Haushalt für das nächste Jahr und damit über die grundsätzliche Ausrichtung unserer Agrarpolitik. Beginnen möchte ich mit dem Bereich der Landwirtschaft. Das Berufsbild des Landwirts ist vielseitig, interessant und bietet einen besonderen Bezug zu Natur und Technik sowie zum Tierwohl. Trotzdem ergreifen immer weniger junge Menschen diesen Beruf, da er durchaus auch harte und anstrengende Seiten hat, gerade was die Arbeitszeiten angeht. Hiervon kann ich ganz persönlich berichten. Bereits mit 16 Jahren habe ich nach dem Tod meines Vaters zusammen mit meiner Mutter den elterlichen Hof weitergeführt und Verantwortung für die ganze Familie übernommen. Über 40 Jahre habe ich den Milchviehbetrieb im Allgäu in eigener Verantwortung geführt. Inzwischen habe ich ihn an meinen Sohn übergeben. Sie sehen also, dass ich aus eigener Erfahrung einen ganz praktischen Bezug zur Landwirtschaft habe. Zur Bewältigung der Aufgaben in der Landwirtschaft unternehmen wir in diesem Haushalt einiges. Schwerpunkt ist dabei natürlich die landwirtschaftliche Sozialpolitik. Durch die weiter gestiegenen Zuschüsse im Bereich der Alterssicherung der Landwirte und der landwirtschaftlichen Krankenkasse nehmen wir unsere soziale Verantwortung gegenüber den Landwirten und deren Familien wahr. (Beifall bei der CDU/CSU) Insbesondere der Union ist die Wahrnehmung dieser sozialen Verantwortung gegenüber unseren Landwirten schon immer ein Anliegen gewesen. Das Geld, das wir im sozialen Bereich ausgeben, ist gut angelegt; denn der gesamte landwirtschaftliche Sektor unterliegt in besonderem Maße dem demografischen Strukturwandel. Die Dynamisierung der Zuschüsse zur Krankenversicherung und zur Alterssicherung ist deshalb genau der richtige Ansatz. Angesichts dieses Strukturwandels und der damit einhergehenden Probleme müssen wir meiner Ansicht nach auch darüber nachdenken, den abgesenkten Zuschuss zur Unfallversicherung wieder anzuheben. Dies würde eine spürbare Entlastung der 1,5 Millionen Mitglieder der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft bedeuten. Neben dieser sozialen Komponente nehmen wir im aktuellen Haushalt Verantwortung für die Gestaltung der Landwirtschaft wahr. Dazu gehört neben der im Haushalt weiterhin verstärkten Innovationsförderung und dem neuen Programm zur Energieeffizienz in Landwirtschaft und Gartenbau insbesondere das fortgeführte Bundesprogramm zur ländlichen Entwicklung. Entscheidend für die zukünftige Entwicklung des ländlichen Raums ist neben der Flurbereinigung der von der Bundesregierung vorangetriebene Breitbandausbau. Mit diesen Maßnahmen unterstützen wir den Wandel der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und Innovation. Dadurch erhöhen wir die Wettbewerbsfähigkeit und stellen sicher, dass es auch in Zukunft eine funktionsfähige bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland geben wird. Dies sollte das gemeinsame Ziel von uns allen sein. Meine Damen und Herren, die aktuellen Entwicklungen zeigen uns aber auch, dass in vielen Bereichen weiter Handlungsbedarf besteht. Als ehemaliger Milchviehhalter treibt mich vor allem die aktuelle Krise am Milchmarkt um. Hierbei möchte ich vorausschicken, dass ich natürlich, wie wir alle, die Ausschreitungen in Brüssel am vergangenen Montag auf das Schärfste verurteile. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie zeigen aber die Sprengkraft des gesamten Themas. Wir stehen aktuell vor der Entscheidung, ob wir eine Entwicklung wie im Schweine- und Geflügelbereich hin zu dominierenden Großbetrieben wollen oder ob wir weiterhin lebendige kleine und mittlere Milchviehbetriebe in Deutschland haben wollen. (Willi Brase [SPD]: Das ist richtig!) Eine Wiedereinführung der Milchquote ist keine Option. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) In den 32 Jahren der Milchquote musste nämlich allein mein Betrieb 320 000 Euro für Lieferrechte ausgeben. Die Abschaffung der Milchquote zum 1. April 2015 hat mit dem Milchpreisrückgang meines Erachtens nichts zu tun. In der Bundesrepublik haben wir seither eine Mengensteigerung um 0,1 Prozent. Die entscheidenden Punkte sind der Russland-Export und der Einbruch in China. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Menge ist die entscheidende Frage!) – Sicher ist die Menge entscheidend; das weiß ich auch, Herr Ostendorff. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben 10 Millionen ausgedehnt seit 2010, und das ist zu viel!) – Belasten Sie nicht meine Redezeit. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich glaube, bei den Erzeugerbündelungen, wie sie die EU im Milchpaket eigentlich vorgibt, müssen wir in nächster Zeit noch einiges machen. Die EU hat es vorgezogen, dass über das Milchpaket gesprochen wird. Ich bin der Meinung, in diesem Milchpaket sind viele Punkte enthalten; wir müssen sie nur umsetzen, auch wir Landwirte. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist zu viel auf dem Markt!) Herr Ostendorff, Sie haben all Ihre Forderungen vorgetragen. Ich komme aus einem Bundesland, in dem es einen grünen Landwirtschaftsminister und auch einen grünen Ministerpräsidenten gibt. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der macht gute Politik! Eine sehr ehrenwerte Politik macht der! Das wird der Wähler zeigen!) Ich bekomme natürlich mit, welche zusätzlichen Auflagen wir bekommen. Das bedeutet Nachteile in der Bewirtschaftung. Deswegen ist das meines Erachtens der falsche Weg. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der unterstützt unsere Forderungen!) Sorgen Sie auch einmal dafür, dass die Landwirte nicht unter höheren Kosten leiden müssen, vor allem nicht durch die jetzt aktuellen Vorkommnisse rund um die JGS-Anlagen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein anderes Thema!) Wir sollten deshalb bestehende Exporthemmnisse überdenken. Sofern es die außenpolitischen Gegebenheiten zulassen und Russland wieder zu konstruktiven Gesprächen in der Lage ist, sollten wir den Handel im Agrarbereich mit Russland wieder vollständig möglich machen. Andernfalls könnten immerhin 2,5 Prozent des Außenhandels Europas verloren gehen. Im Hinblick auf die Erweiterung unserer Exportmöglichkeiten spielt auch TTIP eine wichtige Rolle. Das Abkommen bietet große Chancen, gerade für unsere Landwirtschaft. Positiv ist auch, dass nicht nur isoliert über den Abbau von Zöllen geredet wird, sondern auch über gemeinsame bereits bestehende Standards. Solange unser europäisches Schutzniveau dabei eingehalten wird – das ist klar unser Ziel und unsere rote Linie für die Verhandlungen –, überwiegen die Chancen von TTIP deutlich. Darüber hinaus muss auch der Handel seiner Verantwortung für eine faire Preisgestaltung gerecht werden. Dazu gehört, dass endlich alle Discounter und Supermarktketten das Problem anerkennen und verhandlungsbereit sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, mit diesem Haushalt bestimmen wir neben der agrarpolitischen Ausrichtung der Landwirtschaft auch die Ausrichtung unserer Ernährungspolitik. Wir können stolz darauf sein, ein breites Angebot an qualitativ hochwertigen und gesunden Nahrungsmitteln zu haben. Diese hohe Qualität der Lebensmittel ist einer der Schlüssel für eine langanhaltende gute Gesundheit und ein langes Leben. Damit wir unser hohes Niveau im Lebensmittelbereich aufrechterhalten können, unternehmen wir im Rahmen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Bereich der Lebensmittel weiterhin sehr viel. Vor allem sind an diesem Punkt die Prüfung und Bewertung möglicher neuer Risiken von Lebensmitteln entscheidend. Wir als Politiker sind hierbei auf die unabhängige, wissenschaftlich fundierte Analyse der Risiken angewiesen. Ich möchte an dieser Stelle klar sagen, dass ich hinsichtlich der Analyse und Begutachtung dieser Gefahren volles Vertrauen in das Bundesamt für Risikobewertung und seine Mitarbeiter habe. Das BfR wird seiner wissenschaftlichen Referenz und seiner Orientierungsfunktion für die Politik und die Verbraucher in vollen Umfang gerecht. Es ist nicht Aufgabe des BfR – dies möchte ich vor allem im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über Glyphosat betonen –, jede mediale Panikmache mitzumachen. (Beifall bei der CDU/CSU) Neben der Lebensmittelsicherheit kommt auch dem Bereich der Information über richtige Ernährung und eine gesunde Lebensweise besondere Bedeutung zu. Um noch mehr Verbraucher auch über andere Wege zu erreichen, sollten die einzelnen Ernährungszentren, die von der CDU in Baden-Württemberg eingeführt wurden, einbezogen werden. Diese haben vor Ort die Fachkompetenz, über gesunde Ernährung aufzuklären. In Zusammenarbeit mit dem Lebensmitteleinzelhandel können so noch mehr Menschen erreicht werden. Schließlich – das ist mir als ehemaligem Landwirt besonders wichtig – müssen wir als gesamte Gesellschaft den Wert von Lebensmitteln wieder schätzen lernen. Insofern bin ich unserem Minister Christian Schmidt auch persönlich sehr dankbar, dass er das Thema im Rahmen der Initiative „Zu gut für die Tonne“ aufgegriffen hat. Es kann einfach nicht sein, dass jeder Bürger in Deutschland pro Jahr im Schnitt 82 Kilogramm Lebensmittel einfach wegschmeißt. Die Initiative zeigt bereits Wirkung. Durch die verschiedenen Maßnahmen der Aktion wird das Bewusstsein der Verbraucher für das Thema geschaffen. Dies zeigt, dass weite Teile der Bevölkerung an gesundem und nachhaltigem guten Essen interessiert sind. Dazu passt ein Zitat von Churchill: Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Ich erfahre gerade, Herr Kollege Westermayer, dass das Ihre erste Rede ist. (Zurufe) – Die zweite. – Ich hätte Ihnen gern noch einmal gratuliert. Dann ist der Kollege Rainer Spiering von der SPD an der Reihe, dem ich hiermit das Wort erteile. (Beifall bei der SPD) Rainer Spiering (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Minister! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der demografische Wandel und die Globalisierung stellen unsere Arbeits- und Lebenswelt auf den Kopf und schaffen neue Rahmenbedingungen, gerade auch in der Landwirtschaft. Es bedarf eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Ökonomie und Ökologie sowie einer umsichtigen Nutzung von Ressourcen zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das ist der Grundstein für eine innovative Landwirtschaftspolitik. Landwirtschaft hat sich in den letzten 40, 50 Jahren fundamental verändert. Landwirtschaft ist heute nicht mehr nur die Basis für die Herstellung von Lebensmitteln, sondern sie ist auch Produzent von Rohstoffen, Produzent von Energieträgern und Produzent von Basisstoffen. Als Drittes ist sie ein unersetzlicher Teil der deutschen Wirtschaft als Basiswirtschaft für eine innovative und exzellente Landmaschinentechnologie. Ohne diese Basis der deutschen Landwirtschaft wäre unsere Basistechnologie der deutschen Landmaschinentechnik schlicht und ergreifend nicht möglich. Ich werde gleich noch darauf zurückkommen und darlegen, warum mir das so wichtig ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir führen eine Wertediskussion über Landwirtschaft im Allgemeinen sowie über Ernährung und Tierwirtschaft im Besonderen. Was sind uns Ernährung, unsere Tiere und die Umwelt wert? Wie wollen wir leben? Menschen verlangen verstärkt nach ökologisch nachhaltigen, vegetarischen Lebensmitteln. Wir haben einen extrem steigenden Druck auf die Landwirtschaft. Es ist schizophren: Der Markt verlangt hochwertige und sichere Lebensmittel, aber weiterhin zu niedrigsten Preisen, und zeitgleich mehr Tier-, Natur- und Umweltschutz, und das geht bis hin zur kompletten Umgestaltung der Landwirtschaft. Wandel ist nur möglich, wenn alle an der gleichen Seite des Strangs ziehen. Ich glaube, ein Teil dazu ist mit der Aufstellung des Haushalts 2016 getan. Ich sage mal für uns alle: Auch bei einer lebhaften Diskussion, auch bei einer strittigen Diskussion kann es immer sein, dass der andere recht hat; das sollte man mit ins Kalkül ziehen. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Solange es keine Grünen sind!) – Das war eine nicht gehörige und auch überflüssige Bemerkung, wenn ich das mal sagen darf. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Eine ironische!) – Okay. Ich möchte zu dem kommen, was, wie Sie wissen, mich bewegt, und das ist die Forschung im Bereich Ernährung und Landwirtschaft. Es sind 560 Millionen Euro im Haushalt und damit 10 Prozent des gesamten Agrarhaushalts. Das ist im Vergleich zu anderen Haushalten eine stattliche Summe. Sie ist nötig, aber sie ist auch ein klares Zeichen, dass das Ministerium den Bereich Forschung sehr ernst nimmt. Es sind 57 Millionen Euro mehr als im letzten Jahr, eine Steigerung um über 10 Prozent. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mit jährlich über einer halben Milliarde Euro an Fördermitteln ist das BMEL eines der forschungs- und innovationsfreundlichsten Ministerien schlechthin. Lassen Sie mich dazu eine Bemerkung machen, die mir wichtig ist, die aber vielleicht ein bisschen Wasser in den Wein schüttet. Faust, Kapitel 7: Zwar ist’s mit der Gedankenfabrik Wie mit einem Weber-Meisterstück , Wo ein Tritt tausend Fäden regt, … Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist heraus zu treiben , Dann hat er die Teile in seiner Hand, Fehlt, leider! nur das geistige Band. Ich glaube, wir werden alle sehr sorgfältig aufpassen müssen, wo unsere Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik hingeht, und wir als Parlament – ich sage das deutlich – werden auch eine gewisse Richtschnur legen wollen müssen. Ich glaube, wir werden wesentlich intensiver beobachten müssen, welche Institute welche Aufgaben zu welchem Zweck übernehmen. Ich finde den Wissenschaftsstandort Deutschland schlicht und ergreifend toll, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) möchte aber zugleich auch sagen, dass Wissenschaft nur dann einen Wert hat, wenn sie nicht Wissenschaft für sich, sondern Wissenschaft im Dienste derer ist, die das Geld dafür aufbringen. Ich glaube, wir sollten in Zukunft ein wenig mehr Wert darauf legen, dass wir unsere parlamentarische Hoheit dahin gehend wahrnehmen. (Beifall bei der SPD) Das BMEL finanziert Förderprogramme, um innovative Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu unterstützen, die im unmittelbaren Interesse von Gesellschaft, Praxis und Wirtschaft stehen. 41 Millionen Euro sind für die Innovationsförderung in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher, für technische und nichttechnische Innovationen im gesamten Agrar- und Ernährungssektor und im gesamten gesundheitlichen Verbraucherschutz, zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Verbesserung der Lebensmittel- und Produktsicherheit vorgesehen. Mit den zusätzlichen Mitteln werden Themen aufgegriffen, die im Koalitionsvertrag als Schwerpunkte aufgeführt sind: Tierschutz und Tiergesundheit, Klimaschutz, nachhaltiger Pflanzenschutz, gesunde Ernährung, Sicherheit von Lebensmitteln. Lassen Sie mich jetzt etwas ergänzen, was, glaube ich, für uns wichtig ist. Wir müssen eine Zukunftsstrategie entwickeln, gerade auch in Bezug auf Industrie 4.0. Wir haben die Basis der deutschen Landwirtschaft, und wir haben die Technologie in deutschen Firmen, die hier angesiedelt sind. Wir sind in vielen Bereichen Weltmarktführer. All das, was die Automobilindustrie mit selbstfahrenden Fahrzeugen probiert, können wir im landwirtschaftlichen Sektor selber, ohne Google, ohne Microsoft, ohne Apple, aus eigener Kraft. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Das heißt für uns im Klartext, unseren IT-Standort so auszurüsten, dass unsere Landmaschinenhersteller in der Lage sind, unabhängig von interessierten ausländischen Kräften hier eigene Systeme aufzubauen, um mit ihrer Landmaschinentechnologie unseren Vorsprung weiter ausbauen zu können. Im Übrigen führt dies vielleicht auch zu einer gewissen Selbstständigkeit gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, die ich sehr mag. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber können wir mit Blick auf die forschungsbasierte Entwicklung eine Prognose abgeben, wie wir aus dem Hamsterrad „wachsen oder weichen“ wieder herauskommen? Ich spreche das jetzt aus einem ganz bestimmten Grunde an. Bei der digitalen Vernetzung der Geräte zwischen Schlepper und Auslesegerät ist noch ordentlich Musik im Spiel. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Ich war auf meiner Sommertour bei einem Hersteller von Güllefässern. Früher waren das kleine Dinger, aus denen hinten was rauskam, und wenn der Kanal aufgerissen wurde, roch es ein bisschen. Heute sind das 30-Kubikmeter-Fässer auf drei Achsen, digital gesteuert. Damit man die richtig nutzen kann, werden sie auf eine Länge von 36 Metern ausgeklappt und Schleppschläuche drangehängt. Die neueste Technik können Sie sich jetzt demnächst auf einer Ausstellung anschauen. Jeder Schlauch hat ein Ventil. Das Ventil wird durch eine App gesteuert. Was braucht man zur Steuerung des Ventils außer den Informationen durch die App? Nicht nur GPS, sondern auch die Grunddaten. Die Grunddaten bekommt man aber nur über eine Hoftorbilanz; das muss ich leider dazusagen. Wenn man aber das Instrument der Hoftorbilanz ordentlich nutzen will, dann braucht man auch eine Düngemittelverordnung. Gerade im Hinblick auf unsere führenden Betriebe sollten wir unsere Anstrengungen darauf verwenden, die IT weiterzuentwickeln, damit Informationen aus Hoftorbilanz und Düngemittelverordnung so miteinander verknüpft werden können, dass es möglich ist, mit weniger Ausbringung und weniger Kunstdünger einen wesentlich höheren Ertrag zu erzeugen. Das würde bedeuten: Weniger kann mehr sein. (Beifall bei der SPD) Abschließend zu einem charismatischen, liebenswerten und netten Kollegen der CDU. Er hat sich in der Sommerpause zu unserer Haltung zur Düngemittelverordnung geäußert. Ich glaube, ich habe gerade deutlich gemacht, warum wir Hoftorbilanz und Düngemittelverordnung brauchen. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Spiering, auch bei einer großzügigen Auslegung der Redezeit nähert sich diese dem Ende. Rainer Spiering (SPD): Okay. – Lassen Sie mich zitieren – Matthäus 7 –: Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge? (Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist ja Stimmung in der Koalition!) Eine gesunde Ernährung und natürliche Landwirtschaft sollte es uns wert sein, in der Forschung nicht zu kleckern, sondern zu klotzen. Herzlichen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Willi Brase [SPD]: Da hat der Herr Lehrer gesprochen!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Alois Gerig. (Beifall bei der CDU/CSU) Alois Gerig (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch nach sechs Jahren als Parlamentarier bin ich immer wieder bass erstaunt, wie sich ein grüner Agrarexperte innerhalb von fünf Minuten in solch extreme Widersprüche verstricken kann, lieber Herr Kindler. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie beklagen das Höfesterben und beschimpfen die Landwirte in einer Tour. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bestimmt nicht die Landwirte! Das ist doch Quatsch!) Glauben Sie, dass dort, wo Sie etwas zu sagen hätten, noch irgendeiner Landwirtschaft betreiben wollte? (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie mit den Landwirten! Fragen Sie sie, was sie von der Bundesregierung halten!) Zurück zu meiner Rede. Ich danke dem Minister Schmidt, ich danke auch unserem Chefhaushälter Cajus Caesar dafür, dass sie mit der Vorlage des Haushaltes eine solide Basis dafür geschaffen haben, dass wir in die parlamentarischen Beratungen einsteigen können. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Gerig, gestatten Sie schon zu Beginn Ihrer Rede eine Frage der Kollegin Brantner? Alois Gerig (CDU/CSU): Ja, selbstverständlich, wenn Sie mir die Zeit anhalten. Vizepräsident Johannes Singhammer: Davon können Sie ausgehen. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Gerig, zu Ihrer Aussage, unter einen grünen Regierung würden alle Bauern auswandern. Würden Sie bestätigen, dass es in Baden-Württemberg, seit wir einen grünen Landwirtschaftsminister haben, keine Bauern mehr gibt? Alois Gerig (CDU/CSU): Ich habe gesagt, bei solchen Aussagen über die Agrarpolitik würde kein junger Landwirt bereit sein, den Hof der Eltern zu übernehmen. Baden-Württemberg ist ein sehr gutes Beispiel. Ich kann Ihnen dazu gleich ein paar Sätze sagen. In viereinhalb Jahren grün-roter Agrarpolitik haben wir es geschafft, (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Agrarpolitik!) dass die Landwirtschaft in Baden-Württemberg beim Einkommen das Schlusslicht in ganz Deutschland bildet, und zwar durch eine einseitig ausgerichtete Agrarpolitik mit ideologischen Scheuklappen. Dazu werde ich in meiner Rede noch einiges sagen. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben hier keinen Landtagswahlkampf! Wir sind im Bundestag!) Ohne Zweifel ist es wichtig, dass wir die ländlichen Räume in unserem Agrarhaushalt noch besser bedenken als seither. Die 10 Millionen Euro, die einmal gesetzt wurden, sind ein guter Anfang. Ich könnte mir noch mehr wünschen, liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, die das gesagt haben. Wir erleben, lieber Herr Brase, eine Abwärtsspirale in manchen Gegenden der ländlichen Räume. Wir müssen gegensteuern, auch politisch gegensteuern: Ohne Moos nix los. Deswegen sage ich: Ja, es ist gut so, aber es ist auch wichtig, dass nicht nur die Landwirtschaft den ländlichen Raum fördert. Wir brauchen eine Verbesserung der Infrastruktur: Straße, Schiene, schnelles Internet. Wir brauchen eine medizinische Nahversorgung. Wir brauchen eine flächendeckende Bildung. Wir brauchen fast alle Ressorts des Deutschen Bundestages, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da macht die Bundesregierung aber ziemlich wenig!) und wir brauchen Politiker, die ein Herz für den ländlichen Raum haben, die erkennen, dass dort, wo weniger Menschen auf einem Quadratkilometer leben, etwas mehr Förderung pro Kopf stattfinden muss. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Land- und Forstwirtschaft braucht aber auch intakte Dörfer. Vielleicht sind die Zuwanderer eine Chance. Häufig ist die Land- und Ernährungswirtschaft das Rückgrat unserer ländlichen Räume und unserer Dörfer. Die Union ist es, die diese Politik für den ländlichen Raum seit langem sehr gezielt vorantreibt. Ohne Frage, die Landwirtschaft ist derzeit stark gebeutelt. Viele Betriebe sind in ihrer Existenz bedroht: durch schlechte Milchpreise, die Trockenheit, schlechte Preise für Schweinefleisch. Dazu kommen die unsäglichen permanenten Diffamierungen von ganz unterschiedlichen Gruppierungen und teilweise auch von Parteien, die dazu beitragen, dass die Bauern einfach keine Lust mehr haben. Wir sind uns sicher einig: Alternativen am Arbeitsmarkt gibt es genug. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist großer Blödsinn!) Deswegen brauchen wir ein Krisenmanagement für die aktuelle prekäre Situation. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pappkameraden!) Vieles wurde bereits genannt. Ich bin unserem Minister sehr dankbar dafür, dass er keinesfalls untätig ist, dass er das Herz am rechten Fleck hat, dass er für die Landwirtschaft kämpft, dass er beispielsweise, wie er gesagt hat, heute intensive Gespräche mit Vertretern des Lebensmittelhandels geführt hat; denn das ist sehr maßgeblich für die Zukunft unserer Bauern. Die Exportoffensive wurde genannt. Ich hoffe, dass wir das Russland-Embargo möglichst bald auf diplomatischem Wege aufheben können. Auch ich bin der Meinung, dass die Milchquote sehr teuer war und Preistäler nicht verhindert hat. Ebenso bin ich der Meinung, die Mittel aus der Superabgabe sind Bauerngeld und müssen auch wieder in Bauernhand, ohne Wenn und Aber. (Beifall bei der CDU/CSU) Dafür müssen wir uns einsetzen und kämpfen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir im Bereich der betrieblichen Risikovorsorge weitere Maßnahmen ergreifen. Es gibt da schon ein paar gute Ansätze, beispielsweise beim Investitionsabzugsbetrag. Lassen Sie uns gemeinsam diese Dinge angehen. Ich könnte mir auch vorstellen, den Zuschuss für die Berufsgenossenschaft aufzustocken. Auf jeden Fall braucht die Landwirtschaft dringend positive Signale aus der Politik und aus unserer Gesellschaft. Wir müssen den Bauern sagen, dass wir sie brauchen. Sonst werden wir eine Misere erleben. Was wir gar nicht brauchen können, ist eine ideologisch geprägte Agrarwende. (Beifall bei der CDU/CSU) Vielmehr brauchen wir eine logische Agrarpolitik mit Vernunft, (Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) mit Augenmaß und mit einem gewissen Vertrauen gegenüber den Erzeugern. Sonst wird der Strukturwandel gnadenlos zuschlagen, und die Verlierer sind nachher die Verbraucher, die Konsumenten, alle Menschen, die in Deutschland leben und unsere schöne Kulturlandschaft mit ihren Strukturen lieben. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In 15 Jahren hat sich die Zahl der Betriebe halbiert!) Ohne Zweifel hat sich vieles verändert. Ich komme viel umher in der Republik. Ich war beispielsweise in der vergangenen Woche in einer Stallanlage in Sachsen-Anhalt mit mehr als 1 000 Kühen. Massentierhaltung, werden viele sagen. Wir sind teilweise mit dem Auto über die Futtergänge gefahren. Ich verstehe etwas von Tierhaltung, und ich kann Ihnen sagen: Jeder einzelnen Kuh in diesem Betrieb geht es auf jeden Fall besser als denen, die vor 40 Jahren bei meinem Vater am Hof in einem kleinen, warmen Stall gestanden haben. Das ist doch eine positive Entwicklung. Ich war aber auch in Süddeutschland, in Baden-Württemberg unterwegs, wo wir wunderschöne, herrliche, intakte Landschaften haben. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine super Regierung! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig gute Landwirtschaftspolitik dort!) Auch dort habe ich gesunde Kühe gesehen. Aber ich habe dort auch schöne Streuobstbestände gesehen, Kleinbrennereien, Weinbau und Sonderkulturen anderer Art wie Spargel, Gemüse, Erdbeeren. All die Bauern, mit denen ich gesprochen habe, vereint eins, und das ist die Existenznot, die derzeit herrscht wie schon lange nicht mehr. Wenn wir es nicht schaffen, politisch so weit gegenzulenken, dass diese Bauern eine Perspektive bekommen, dann werden wir es erleben, dass die Produktion aus unserem Land verlagert wird, mit der Folge, dass die Landschaft nicht bleibt, wie sie ist, und dass die Nahrungsmittel für unsere Bürger nicht mehr regional von deutschen Bauern erzeugt werden und damit nicht mehr den hohen Standard haben, den wir in Deutschland haben; denn wir haben bei Lebensmitteln weltweit die höchsten Standards. Deswegen ist es durchaus ein gesellschaftliches Problem, eine Agrarpolitik zu machen, die strukturschwachen Gegenden – – Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Gerig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ostendorff? Alois Gerig (CDU/CSU): Immer wieder gern. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Herr Kollege Gerig. – Ich will die Gelegenheit nutzen, sonst hätte ich dies an anderer Stelle gesagt. Sie wiesen darauf hin, dass Sie in der letzten Woche zusammen mit Ihrem Kollegen Kees de Vries die Quellendorfer Landwirte GbR in Sachsen-Anhalt besucht haben. Der Bericht stand am 2. September in der Mitteldeutschen Zeitung. Kees de Vries ist uns allen noch gut in Erinnerung als jemand, der vor dem Auslaufen der Quote sehr denkwürdig sagte: „Wer für 32 Cent nicht melken kann, sollte Beamter werden.“ So hat er sich hier im Deutschen Bundestag geäußert. Das war schon damals eine sehr mutige Aussage. Er war aber jemand, der wie viele andere in Ihren Reihen immer wieder gesagt hat, dass das Auslaufen der Quote die große Chance für die unternehmerischen Milchviehhalter sei. In der Mitteldeutschen Zeitung wurde nun berichtet, dass Sie beide gesagt haben – ich zitiere –: Mit dem Auslaufen der Quote wusste jeder, dass eine große Krise auf uns zukommt. Das hat mich erstaunt. Das haben Sie im Deutschen Bundestag anders dargestellt. Ein zweites Zitat: Möglicherweise wird der Milchpreis bald unter 20 Cent pro Liter fallen. Ich sage: Gott bewahre. – Können Sie diese Aussagen bestätigen, Herr Gerig? Alois Gerig (CDU/CSU): Die kann ich keinesfalls bestätigen. Der Kollege de Vries hat sich heute Mittag bei mir entschuldigt, weil er auf eine Beerdigung muss. Ich kenne diesen Bericht nicht. Wir waren vor Ort, wir hatten die Presse da. Ich weiß, dass der Kollege de Vries seither genauso über die Milchquote denkt wie ich. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass der Milchpreis noch viel weiter sinken kann. Ich freue mich, dass beispielsweise einer der fünf Großen im deutschen Lebensmittelhandel gesagt hat: Noch tiefer gehen wir nicht mit. Es gibt auch in anderen Ländern dieser Erde Anzeichen, dass eine gewisse Eindämmung der Milchmenge vorgesehen ist. Diese Aussage, die Sie gerade verlesen haben, werde ich genau prüfen. Ich weiß, dass ich so etwas nie und nimmer gesagt habe (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!) und es auch nirgendwo tun würde, dazu bin ich in meiner Einstellung viel zu festgefahren. Aber Medien sind häufig frei in der Berichterstattung. Ja, wir brauchen dort, wo Landwirtschaft strukturell und durch die Natur eine gewisse Benachteiligung erlebt, einen Ausgleich. Die Möglichkeit gibt es über die sogenannte zweite Säule. Auch hier komme ich noch einmal auf Baden-Württemberg zurück. Es gab ein Programm von Gerhard Weiser, das MEKA-Programm. Das hat ein grüner Agrarminister mit seiner Regierung quasi auf null gefahren und jetzt ganz abgeschafft und durch ein anderes Programm, das nennt sich FAKT, ersetzt, von dem 90 Prozent der in Baden-Württemberg konventionell wirtschaftenden Landwirte nichts mehr haben. Das soll dann die Agrarpolitik für die Zukunft sein. Damit können wir in Baden-Württemberg doch unsere Betriebe nicht halten. Ich habe überhaupt nichts gegen Bio. Ich muss sagen, davon ist auch noch keiner reich geworden. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht ganz gut!) Im Moment hören ja mehr Betriebe auf, als dass neue einsteigen. Aber, liebe Freunde, so eine Agrarpolitik wäre verheerend. Jetzt ist meine Redezeit schon weit fortgeschritten. Ich möchte darauf hinweisen, dass in unserem Bundesministerium glücklicherweise die Ernährung und der Verbraucherschutz eine hohe Priorität haben. Das haben Kolleginnen und Kollegen bereits gesagt. Lebensmittelsicherheit spielt bei uns die ganz große Rolle. Bundesinstitute wie das BfR und das BVL machen eine hervorragende Arbeit. Vizepräsident Johannes Singhammer: Nachdem die Redezeit jetzt schon überschritten ist und der Kollege Ebner sich noch gemeldet hat, schlage ich vor, dass wir das in Form einer Kurzintervention gestalten. Alois Gerig (CDU/CSU): Gut. Vizepräsident Johannes Singhammer: Damit erteile ich dem Kollegen Ebner das Wort. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Lieber Kollege Gerig, ist Ihnen bekannt, dass die Landesförderprogramme in Abhängigkeit von den GAP-Förderperioden gestaltet werden, dass diese Förderperioden jeweils sieben Jahre dauern, dass alle sieben Jahre nicht nur Baden-Württemberg, sondern alle Bundesländer in diesem schönen Land entsprechende Förderprogramme neu gestalten und auch Baden-Württemberg dies seit vielen Jahren so tut? Alle sieben Jahre hat man MEKA neu aufgelegt und immer wieder neue Förderbestandteile aufgenommen. Ich möchte Sie auch fragen, ob Ihnen bewusst und bekannt ist, dass FAKT sozusagen die Fortsetzung genau dieser Förderprogramme ist. – Das war die zweite Frage. Die dritte Frage ist: Können Sie, bitte schön, Ihre Aussage genau belegen – da müssen Sie jetzt schon über das Stöckchen springen –, dass FAKT 90 Prozent der Landwirte nichts bringt? FAKT ist breit angelegt. Es sind einige Bestandteile ausgelaufen, zum Beispiel die Förderung der Mulchsaat, weil es nicht sinnvoll ist, sie zu fördern; denn zum einen rechnet sie sich schon allein betriebswirtschaftlich, zum anderen findet sie meistens unter Glyphosateinsatz statt, was wir aus ökologischen und gesundheitlichen Gründen nicht befürworten können. Bitte begründen Sie die von Ihnen angegebene Zahl von 90 Prozent. Das wollen wir dann schon genau hören. Vizepräsident Johannes Singhammer: Kollege Gerig, jetzt haben Sie wieder das Wort. Alois Gerig (CDU/CSU): Danke. – Erstens. Die Vorgehensweise ist mir voll und ganz bewusst. Meines Wissens gibt es in Bayern ein vergleichbares System. Dort nennt man es immer noch KULAP. Dort gibt es immer noch viele Maßnahmen, die konventionellen Betrieben echt helfen. Sagen Sie mir nachher – das können wir unter vier Augen machen –, (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist interessant, das hier zu hören! Das interessiert uns alle!) welche Mittel ein baden-württembergischer Milchviehhalter oder ein baden-württembergischer Schweinehalter noch aus dem Programm FAKT erhalten kann! Darüber hinaus musste ich bitter erleben, wie man in vorauseilendem Gehorsam neue Verbote für Gewässerrandstreifen und ein Wildtiermanagement eingeführt hat und beispielsweise auch vorauseilend ein Grünlandumbruchverbot erteilt hat, das 90 Prozent der Landwirte in Baden-Württemberg richtig wehtut. Das ist so. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Wir sind damit am Schluss dieses Redebeitrags und kommen in diesem Geschäftsbereich abschließend zum Kollegen Johann Saathoff, dem ich für die SPD das Wort erteile. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johann Saathoff (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich weiß gar nicht, warum Sie das Wort „Fischkopf“ so bescheiden und zurückhaltend aussprechen. Ich finde, dass das überhaupt kein Schimpfwort ist. Immerhin ist der Kopf der wichtigste Teil des Körpers, zumindest für Politiker, (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollte so sein!) und ein Fisch zeichnet sich neben kühlem Blut dadurch aus, dass er ein gesundes und nachhaltiges Lebensmittel ist. (Beifall der Abg. Willi Brase [SPD] und Gitta Connemann [CDU/CSU]) Sie können sich also durchaus trauen, sich selber „Fischkopf“ zu nennen, vor allen Dingen deswegen, weil in Franken viel Karpfenfischfang stattfindet. Also trauen Sie sich, Herr Minister! Seien Sie ein Fischkopf! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das Haushaltsvolumen des Einzelplans 10 beträgt 5,5 Milliarden Euro. Allein die Mittel für die landwirtschaftliche Sozialversicherung betragen 3,7 Milliarden Euro. Diese Zahlen hauen wir uns um die Ohren, ohne uns wirklich zu verbildlichen, wie viel Geld das eigentlich ist. Also: Als Bürgermeister überlegt man sich, an einer Straße auf beiden Seiten neue Häuser zu bauen. Jedes Haus ist 250 000 Euro wert. Alle 20 Meter steht, wie das in Wohngebieten so ist, ein Haus. Wie lang ist die Straße, die man mit 3,7 Milliarden Euro bauen kann? Ich kann es Ihnen sagen: mehr als 140 Kilometer. Das ist die Summe, über die wir jedes Jahr im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Sozialversicherung reden. In diesen Tagen habe ich trotzdem öfter gehört: Die Politik tut nichts für die Landwirtschaft, die Politik trägt Schuld an den negativen Entwicklungen, insbesondere bei den Schweinepreisen und den Milchpreisen. – 3,7 Milliarden Euro oder mehr als 140 Kilometer Straße mit Neubauten auf beiden Seiten sind aus meiner Sicht eine deutliche Antwort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will hier die Geschichte der landwirtschaftlichen Sozialversicherung nicht aufarbeiten. Hauptgründe für ihre Entstehung waren: Deutschland braucht die Landwirtschaft, der Beruf des Landwirts soll attraktiv sein, und die Landwirtschaft in familiengeführten Betrieben soll wettbewerbsfähig sein. Also kurzum – so würden wir das heute sagen -: Der Strukturwandel hin zur industriellen Landwirtschaft sollte aufgehalten werden. Ist also angesichts der Mittel, die im vorliegenden Haushalt vorgesehen sind, für die Milchwirtschaft alles gut? Natürlich nicht! Ostfriesland – nicht nur, aber auch – ist stark von Milchviehbetrieben geprägt. Das soll so bleiben. Wir wollen unsere Kühe auch in Zukunft noch auf der Weide sehen. 27 Cent, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind zum Leben zu wenig und zum Sterben nicht einmal zu viel. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Früher hat man in Ostfriesland, wenn Moorgebiete erschlossen wurden, gesagt: „De Eerst sien Dod, de Tweed sien Not, de Daard sien Brot“. Heute ist es eher umgekehrt: „Dem Ersten sein Brot, dem Zweiten seine Not und dem Dritten sein Tod“. Was also ist zu tun? Der Dialog mit der Landwirtschaftsbranche ist zugegebenermaßen kompliziert. Es gibt mindestens zwei Positionen, die im Gegensatz zueinander stehen. Aber ist das Vertrauen auf die Steigerung des Exports nach China und in den Iran die richtige Lösung? Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich richtig ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das bedeutet nämlich auch, dass das Heft des Handelns an andere abgegeben wird, dass der Importeur künftig über seine Marktmacht die Produktionsbedingungen bei uns bestimmt. Das wollen wir doch nicht; zumindest auf lange Sicht ist das zu unsicher. Aus meiner Sicht ist das ungeeignet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was ist sonst zu tun? Es gibt leider nicht nur eine Lösung; vielmehr ist ein Maßnahmenbündel notwendig. Sinnvoll finde ich, dass sich ein Teil der Landwirtschaft ein eigenes Instrument zur Mengenerfassung geben will. Das zentrale Problem dabei ist – da beißt die Maus keinen Faden ab – die Überproduktion. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Richtig!) Zur Produktionssteuerung. Wenn daraus Kosten entstehen, dann finde ich es auch richtig, dass man sich einer Superabgabe bedient. Denn Geld, das durch Mengensteuerung erwirtschaftet wurde, kann anschließend auch wieder für die Mengensteuerung ausgegeben werden. Eine schnellere Auszahlung der Direktzahlungen ist angekündigt – das ist aus meiner Sicht der richtige Weg –, aber perspektivisch müssen wir dafür sorgen, dass die Direktzahlungen an Leistungen gebunden werden – lieber Friedrich Ostendorff, da bin ich ganz deiner Meinung – und nicht an die Hektarmenge. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen uns in die regionale Vermarktung einbringen. Die globale Wirtschaft glaubt, die gesamte Welt technisch im Griff zu haben, die gesamte Welt könnte kontrolliert werden. Regionalprodukte haben einen engen Bezug zur Umwelt. Regionales Wirtschaften und Umweltqualität gehören eng zusammen. Die globale Welt ist eine anonyme, nicht überschaubare, nicht verständliche Welt. Die regionale Welt hingegen ist durch Nähe geprägt, und sie wird mit sozialer Nähe verbunden. Das ist übrigens ein großer Vorteil, den wir gerade angesichts der Herausforderung, vor der wir durch die Menschen, die zu uns kommen und Schutz und Hilfe suchen, stehen, dringend brauchen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Bewusstsein der Kunden für regionale Produkte ist vorhanden. Das gilt auch für qualitativ hochwertige Milch und Gentechnikfreiheit. Dafür gibt es viele Beweise. Der Verbraucher weiß mittlerweile, dass Milch mehr ist als nur weiße Flüssigkeit. Eine Milchkuh – Tierschutz ist in der Milchwirtschaft ein wichtiges Thema – wird unter derzeitigen Produktionsbedingungen durchschnittlich 5 statt 15 Jahre alt. Auf die Sojaproblematik – zum Beispiel die Anbaubedingungen in Südamerika – will ich an dieser Stelle erst gar nicht hinweisen. Unsere Fraktion ist fest davon überzeugt, dass die Entwicklung ländlicher Räume vorangebracht werden muss – Willi Brase hat das vorgetragen –, und das in allererster Linie durch Wertschöpfung im ländlichen Raum, zum Beispiel durch mobile Käsereien vor Ort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE] und Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Stellen Sie sich vor, es würde uns gelingen, dass Menschen Käse kaufen können, der die Gemeindegrenze nicht verlassen hat. Für mich ist das eine schöne Vorstellung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Das Produkt Milch bekommt ein regionales Gesicht. Das ist eine Abkehr vom sogenannten Milchsee. Aber da muss auch der Einzelhandel mitspielen, zum Beispiel Aldi. Ich habe Aldi angeschrieben, weil es 2008 in einer Werbung hieß – damals gab es eine Krise -: Wir erhöhen den Preis pro Liter Milch freiwillig von 51 auf 61 Cent, weil wir meinen: Das sind die Bauern wert. In einer Werbung von Aldi aus dem Jahr 2015 heißt es: Preise dauerhaft niedrig, 1 Liter Milch 55 Cent. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Wo ist nun die Wertschätzung für die Landwirtschaft? Ich habe Aldi angeschrieben und gefragt, ob sie nicht mit mir darüber reden wollen. Die Gesprächsanfrage ist abgelehnt worden. Schade – für Aldi. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nicht nur auf den Einzelhandel, sondern auch auf die sonstige Ernährungsindustrie schauen wir viel zu wenig. Schokolade und alles andere, bei dem quasi in zweiter Reihe Milch verbraucht wird, werden viel zu wenig beachtet. Das muss aus meiner Sicht stärker in den Fokus rücken. Man kann der Krise also mit vielen Maßnahmen begegnen und nicht nur mit einer Maßnahme. Wir wollen dem Strukturwandel entgegentreten. Aus dem Ministerium ist zum Konzept des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter aber leider zu hören: Grundsätzlich gelten für die Konzepte des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter dieselben ordnungspolitischen Bedenken wie beim auslaufenden Quotensystem. – Dann werden die Gründe genannt. Einer war: Der Strukturwandel wird gehemmt. – Herr Minister, das ist sicher ein Missverständnis, das ausgeräumt werden kann, wenn man mit allen Verbänden in der Landwirtschaft den Dialog sucht. Die Ziele, die für die Mütter und Väter der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zentral waren, sind doch noch heute unsere Ziele, oder? Also sollte man in diesem Geiste handeln und entscheiden und nicht auf Exporte und Wachstum zulasten der Tiere und der Verbraucher setzen; denn Strukturwandel bedeutet eine strukturelle Entleerung von ländlichen Räumen, und der wollen wir entgegentreten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Eigentlich gibt es noch viel zum Thema Küstenschutz, Hochwasserschutz zu sagen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Saathoff, Ihre Redezeit ist jetzt langsam erschöpft. Johann Saathoff (SPD): Ein Satz, Frau Präsidentin. – Küstenschutz ist nicht alles, aber ohne Küstenschutz ist alles nichts, und dabei ist es egal, ob man Leib und Leben oder Hab und Gut durch Salz- oder Süßwasser verliert. Dass das nicht passiert, dafür setzen wir uns ein. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Einzelplan 17. Ich bitte, die offensichtlich notwendigen Umgruppierungen in den Fraktionen zügig vorzunehmen und nachbereitende Gespräche, Absprachen und anderes nach draußen zu verlegen. Wenn mir jetzt auch die grüne Fraktion gestattet, die Debatte zu eröffnen? – Das Wort hat die Bundesministerin Manuela Schwesig. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die gute Nachricht des Haushaltsentwurfs für 2016, der Ihnen vorliegt, ist: Noch nie hat der Bund so viel Geld für Familien, Kinder und Jugendliche bereitgestellt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das zeigt sich im Etat meines Hauses; viele Mittelzuwächse und verbesserte Leistungen spiegeln sich aber auch im Etat des Bundesfinanzministers wider. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn Sie an die Steuerentlastung für die Alleinerziehenden denken. Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass das Geld, das wir für Familien und Kinder in unserem Land bereitstellen, für alle Familien da ist, für die Familien mit Kindern, die in unserem Land leben, und für die Familien mit Kindern, die in unser Land kommen. Dieses Geld ist eine gute Investition in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes; denn die Familien sichern die Zukunft unseres Landes. Wir haben den Etat um 647 Millionen Euro, also um über eine halbe Milliarde Euro, angehoben und dabei drei wichtige Schwerpunkte gesetzt: für mehr Zeit für Familien, für eine gute Betreuungsinfrastruktur und für Geld für Familien. Das ist der Dreiklang einer modernen Familienpolitik. Das ist wichtig für Familien. Nicht eine Leistung allein hilft Familien, sondern dieses Zusammenspiel. Es ist gut, dass wir wieder mehr Mittel für das Elterngeld zur Verfügung stellen; denn das Elterngeld ist eine Erfolgsgeschichte und wird es bleiben. Das Elterngeld sichert Familien mit kleinen Kindern Zeit füreinander. Ich möchte, dass Mütter und Väter in unserem Land ihre Elternzeit nutzen und in dieser Zeit das Elterngeld oder das neue Elterngeld Plus beziehen können. Das ist wichtig. Die Aufwendungen für das Elterngeld steigen jedes Jahr, weil wir mehr Eltern haben, die vorher berufstätig waren, weil wir endlich mehr Geburten haben und weil immer mehr Väter Elternzeit nehmen oder nehmen werden. Das ist eine gute Nachricht. Das sind keine unnötigen Kosten; vielmehr entstehen diese Kosten, weil Familienpolitik erfolgreich ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Deshalb darf das Elterngeld nicht immer wieder infrage gestellt werden. Auch dürfen in den Haushaltsberatungen nicht immer wieder Forderungen kommen, das Elterngeld zu deckeln; denn Familien brauchen Verlässlichkeit. Bundesfinanzminister Schäuble hat in seiner Einbringungsrede völlig zu Recht davon gesprochen, dass der Erfolg von Politik auf Vertrauen basiert. Das gilt auch für die Familienpolitik: Familien müssen sich in unserem Land darauf verlassen können, dass die Leistungen, die wir versprochen haben, für sie erhalten bleiben. Das gilt für das Elterngeld, und das gilt auch für den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir erhöhen mit dem vorliegenden Haushalt das Sondervermögen für den Kitaausbau um 230 Millionen Euro, weil wir mehr Plätze brauchen. In einem anderen Etat wird veranschlagt, dass wir 100 Millionen Euro für ein Sonderprogramm zur Verfügung stellen. Wir wollen die Randzeitenbetreuung in Kitas ausweiten. Damit sind Zeiten gemeint, die nach 16 Uhr liegen, weil es für berufstätige Mütter und Väter, insbesondere für alleinerziehende Frauen aus Branchen wie der Pflege und der Medizin, wichtig ist, wenn sie einem Job nachgehen wollen. Dafür brauchen sie einen Kitaplatz. Das ist auch die beste Vorbeugung gegen Kinderarmut; denn nur wenn Eltern arbeiten gehen können, einen guten Job machen und gut bezahlt werden, können wir den Kampf gegen Kinderarmut und Elternarmut bestehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eltern brauchen auch eine finanzielle Unterstützung. Wir heben das Kindergeld auf 190 Euro an. Davon profitieren 17 Millionen Kinder. Allein 1 Million Kinder schützen wir durch das Kindergeld vor der Armutsfalle. Das ist eine wichtige Leistung. Wir heben zum 1. Januar 2016 aber auch den Kinderzuschlag an, und zwar um 20 Euro im Monat. Gerade die Eltern, die jeden Tag arbeiten gehen, aber in Branchen arbeiten, in denen sie trotz Mindestlohns wenig Geld verdienen, Geld, das zusammen mit dem Kindergeld kaum ausreicht, um im Monat klarzukommen, bei denen selten ein Ausflug drin ist, geschweige denn Urlaub, diese Eltern, die so fleißig und ihren Kindern ein Vorbild sind, müssen wir besser unterstützen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir den Kinderzuschlag nach vielen Jahren endlich anheben. Das ist ein wichtiger Beitrag gegen Kinderarmut. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auch durch die Anhebung des Entlastungsbetrags für die Alleinerziehenden in diesem, aber auch im nächsten Jahr setzen wir ein wichtiges Zeichen, nämlich das Zeichen, dass für uns Familie da ist, wo Kinder sind: Eltern, die verheiratet sind oder nicht, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien, aber gerade auch alleinerziehende Frauen und Männer, die jeden Tag arbeiten und gleichzeitig für ihre Kinder da sind. Jeder von uns, der Beruf und Familie vereinbart, weiß, wie schwierig das ist, selbst wenn man auf eine gute Partnerschaft setzen kann. Wer das allein managt, der hat meinen Respekt. Es wurde Zeit, dass wir die Alleinerziehenden nach zehn Jahren endlich steuerlich entlasten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Haushalt, der Ihnen vorliegt, wird in den Beratungen sicherlich auch deshalb noch diskutiert, weil uns ein Thema seit Wochen und Monaten mehr bewegt als zu der Zeit, als die Haushaltsberatungen der Bundesregierung stattfanden: Viele Flüchtlinge kommen zu uns nach Deutschland. Die Schicksale der Flüchtlinge, insbesondere der Familien mit Kindern, die Herausforderungen und die überwältigende Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land – die Bundesregierung reagiert darauf. Auch das wird sich im Haushalt des Bundesfamilienministeriums wiederfinden müssen. Wir, die wir diesen Fachbereich gemeinsam vertreten, loben seit langem das ehrenamtliche Engagement. Aber seien wir einmal ehrlich: Es wurde in den letzten Jahren oft nicht genügend beachtet, auch in der Öffentlichkeit nicht. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass jetzt viele sehen, wie wichtig ehrenamtliches Engagement in unserem Land ist, in der Flüchtlingsarbeit, aber nicht nur dort. Daher ist es wichtig, dass wir auch durch unser Haus das ehrenamtliche Engagement unterstützen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das zeigt sich darin, dass es uns nach Jahren endlich gelungen ist, eine Sicherung der Mehrgenerationenhäuser zu erreichen. Wir haben im Haushalt 2016 die Mehrgenerationenhäuser abgesichert und eine Möglichkeit gefunden, dieses Geld zu verstetigen. An dieser Stelle herzlichen Dank Ihnen allen, die sich für die Mehrgenerationenhäuser engagiert haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir werden den Bundesfreiwilligendienst um 10 000 Plätze aufstocken. Wir schaffen damit gezielt neue Plätze, um den Bundesfreiwilligendienst in der Flüchtlingsarbeit einzusetzen, um das freiwillige Engagement, das vor Ort da ist, zu unterstützen. Wir wollen, dass sich in diesem Bundesfreiwilligendienst Leute, die hier schon leben, für Flüchtlinge engagieren. Wir wollen aber auch, dass Flüchtlinge, die anerkannt sind und eine Arbeitserlaubnis haben, Freiwilligendienst machen können. Denn auch Flüchtlinge bringen Potenziale mit. Auch ihre Möglichkeiten, ihre Hilfsbereitschaft sollten wir nutzen. Deshalb wird es ein Bundesfreiwilligendienst sein, der auch der Integration dienen wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Um Engagement, Begegnungen mit Flüchtlingen, insbesondere mit Kindern und Jugendlichen, geht es auch bei der „Aktion Zusammenspiel“, die im Rahmen des neuen Bundesprogrammes „Willkommen bei Freunden“ stattfinden wird; dies wird durch unser Haus finanziert. Diese Aktion wird vom 11. bis 20. September stattfinden. Wir machen überall Aktionen gemeinsam mit jungen Flüchtlingskindern. Ich werbe dafür, dass Sie sich in Ihren Wahlkreisen daran beteiligen. Unterbringung, Versorgung und Integration sind das eine, aber Menschen finden erst dann hier eine neue Heimat, wenn sie mit Einheimischen zusammenkommen. Das ist ein Gewinn für diejenigen, die zu uns kommen, aber auch ein Gewinn für uns. Deswegen wollen wir mit dem Programm „Willkommen bei Freunden“ diese Begegnungen unterstützen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in diesen Tagen wird viel davon gesprochen, dass Integration wichtig ist. Und das stimmt. Ich warne davor, dass wir nicht wieder die Fehler machen, die vielleicht in den 60er- und 70er-Jahren passiert sind, als man sich vor allem auf die Arbeitsmarktintegration insbesondere der Männer konzentriert hat und nicht so sehr die Frauen und Kinder im Blick hatte. Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Integration nicht erst am Arbeitsmarkt beginnt. Sie beginnt ganz früh; sie beginnt bei den Kindern. Es ist wichtig, dass die Kinder der Flüchtlinge, die zu uns kommen, eine Kita besuchen können, in die Schule gehen und dort die Sprache lernen, (Beifall des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) aber vor allem Freunde finden. Das ist ganz wichtig. Das ist der Schlüssel für Integration. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE]) Deswegen kommen in diesem Bereich neue Herausforderungen auf uns zu. Wir werden mehr Plätze in Kitas brauchen, auch für die Flüchtlingskinder. Wir werden mehr Plätze brauchen, weil wir endlich seit zehn Jahren mehr Geburten haben. Notwendig sind eine gute Qualität, mehr Erzieher und Sprachförderung. Das ist eine große Herausforderung. Deshalb werden wir uns diesen Punkt noch einmal genau anschauen müssen. Eine Sache ist mir dabei wichtig. Ich finde es falsch, die Kosten danach einzuteilen: Das brauchen wir für die Flüchtlingskinder, und das brauchen wir für die anderen Kinder. Für mich gehören die Kinder zusammen. (Beifall bei der SPD) Es ist mir egal, ob sie hier geboren oder zu uns gekommen sind. Wichtig ist, dass sie alle die gleichen Bildungschancen haben. Zum Abschluss. Es hat sich etwas verändert, seit dieser Haushaltsentwurf aufgestellt wurde: Ich meine die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das das Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt hat. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass wir die größtmögliche Vertrauensschutzregelung bekommen, das heißt, alle Eltern, die bisher Betreuungsgeld bekommen bzw. einen positiven Bescheid haben, erhalten es bis zum Ende der vorgesehenen Bezugszeit. Das ist eine Frage des Vertrauens auf eine Leistung. Nun muss sich die Politik darüber Gedanken machen – sie hat ja eine Leistung versprochen, die es nicht mehr geben kann –, was sie ab 2016, 2017 mit den frei werdenden Mitteln macht. Über diese Entscheidung muss noch in der Koalition diskutiert werden. Ich werbe angesichts der Herausforderungen für die Familien, die ich Ihnen skizziert habe, dafür, dass wir dafür sorgen, dass diese Gelder, auf welchem Weg und über welche Technik auch immer weiter bereitstehen, und dass wir weiter die Familien unterstützen. Bei den Fragen, wie wir mehr Zeit für Familien, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gute Kitas ermöglichen können, aber auch bei den Geldleistungen für die Familien geht es nicht um ein Wunschkonzert; (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) es geht um notwendige Unterstützung. Die Familien sind die Leistungsträger in unserer Gesellschaft. Männer und Frauen, die jeden Tag arbeiten gehen, die sich gleichzeitig für Kinder entscheiden, haben dafür gesorgt, dass wir ein Steuerplus haben. Sie sind diejenigen, die zu den 43 Millionen Erwerbstätigen gehören, die Bundesfinanzminister Schäuble sehr positiv erwähnt hat. Deswegen brauchen sie unsere Unterstützung. Dafür werbe ich um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Michael Leutert für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, wir alle wissen – Sie haben es eben angesprochen –, dass der uns vorliegende Haushaltsentwurf grundlegend überarbeitet werden muss und dass es dafür zwei Gründe gibt. Einen haben Sie gerade genannt: Das Bundesverfassungsgericht hat die Einführung des Betreuungsgeldes durch den Bund für verfassungswidrig erklärt. Sie haben schon ein sehr emotionales Plädoyer dafür gehalten, wie das frei werdende Geld eingesetzt werden soll. Auch wir haben dazu Vorschläge. Ich bin sehr gespannt auf unsere Debatte in den Haushaltsberatungen. Zweitens. Auch in Ihrem Ministerium, Frau Ministerin – das haben Sie ebenfalls angesprochen –, und insbesondere in den Bereichen Familie, Jugend und Zivilgesellschaft muss auf die enormen Herausforderungen im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingskrise eingegangen werden. Gestern hatten wir hier im Plenum die Debatten zur Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik. Topthema in allen Debatten waren dabei die Flüchtlinge und alles, was mit ihnen zusammenhängt. Wir haben gestern darüber diskutiert: Wie können wir für eine humane Aufnahme sorgen? Wie können wir die Fluchtursachen effektiv bekämpfen? Wie können wir die Not und das Leid der Menschen während ihrer Flucht lindern? Nach Beantwortung dieser Fragen ist es aber eine mindestens ebenso große Aufgabe, die Menschen, die zu uns kommen, schnell und gut in unsere Gesellschaft zu integrieren. Dafür ist es nicht nur notwendig, dass die Flüchtlinge den Willen haben, sich zu integrieren, sondern genauso wichtig für das Gelingen dieser Aufgabe ist auch, dass unsere Gesellschaft bereit dafür ist, die Menschen aus den Kriegsgebieten aufzunehmen. Genau an diesem Punkt, Frau Ministerin, muss Ihr Ministerium meines Erachtens eine viel stärkere Rolle spielen. Meines Erachtens könnte Ihr Ministerium an diesem Punkt sogar eine zentrale Rolle spielen. Wir alle freuen uns darüber, dass so viele Menschen ehrenamtlich helfen, den Männern, Frauen und Kindern, die zu uns kommen und die oft Wochen und Monate auf der Flucht unter katastrophalen Bedingungen gelebt haben, ihre Ankunft hier so erträglich wie möglich zu gestalten. Aber genauso müssen wir entsetzt zur Kenntnis nehmen, dass Flüchtlinge und deren Helfer immer wieder angepöbelt und angegriffen werden und dass zum Teil auch Flüchtlingsunterkünfte in Flammen aufgehen; Heidenau ist dafür exemplarisch. Ich erinnere mich, wie wir alle letztes Jahr hier darüber diskutiert haben, dass wir mehr Geld brauchen: zur Unterstützung von Projekten und Initiativen gegen Rechtsradikalismus, gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit allgemein – wenn man es auf den Punkt bringen will –, zur Stärkung der Zivilgesellschaft und gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit. Damals debattierten wir in einem politischen Kontext, der noch geprägt war von den Morden des NSU und den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses, mehr Geld gegen Rassismus und gegen Fremdenfeindlichkeit in die Hand zu nehmen. Damals war die Zeit, als Pegida und die Hooliganszene anfingen, sich zu formieren, angeblich zum Schutz des Abendlandes vor Überfremdung. Das ist vielen schon wieder entglitten; das ist gar nicht mehr so sehr im öffentlichen Bewusstsein. Aber die Menschen, die sich an den Demonstrationen von Pegida in Dresden und andernorts beteiligt haben, sind immer noch da. Ich glaube nicht, dass sie ihre Meinung inzwischen geändert haben. Ich glaube auch nicht, dass sich die Menschen, die an den Demonstrationen teilgenommen haben, jetzt, da so viele Menschen bei uns um Schutz vor Krieg und Terror bitten, eines Besseren belehren lassen. Ich befürchte, das Gegenteil ist der Fall. Genau aus diesem Grund kommt meines Erachtens Ihrem Ministerium in den nächsten Jahren solch eine Bedeutung zu. Hier liegt der Schlüssel, etwas dafür zu tun, die Zivilgesellschaft zu stärken, etwas gegen fremdenfeindliche Einstellungen zu unternehmen und somit dazu beizutragen, dass unsere Menschen zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit sind. Konkret würde das, an drei Punkten festgemacht, Folgendes bedeuten: Erstens. Wir dürfen bei der Jugendhilfe nicht, wie in Ihrem Plan vorgesehen, kürzen, schon gar nicht in den Bereichen politische Bildung, Partizipation oder – das ist völlig inakzeptabel; darüber haben Sie aber nicht gesprochen – bei der Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund. Selbst ohne die aktuelle Flüchtlingssituation ist der Vorschlag, hier 12 Millionen Euro zu kürzen, meines Erachtens nicht wirklich gut durchdacht. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweitens. Wir dürfen das Programm „Demokratie leben!“ nicht einfach so fortführen, als gäbe es keine neue Situation. Wir brauchen dringend eine neue Förderrunde mit mindestens 40 Millionen Euro zusätzlich, und diesmal muss der Schwerpunkt ganz klar auf Basisinitiativen liegen statt bei Modellen oder im administrativen Bereich. Sicherlich ist das auch alles wichtig, aber jetzt geht es darum, die Vereine zu stärken, die täglich mit jungen Menschen soziale Arbeit gestalten. Dort entstehen nämlich die Netzwerke, die das Fundament einer widerstandsfähigen Zivilgesellschaft bilden. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Förderung muss zwingend auf eine institutionelle, also auf eine dauerhafte Förderung umgestellt werden, statt immer nur ein- oder mehrjährige Projektförderung vorzusehen. Denn die Nazis lösen sich schließlich nicht auf, wenn ein Projekt ausgelaufen ist. Dauerhafte Aufgaben müssen auch dauerhaft finanziert werden. (Beifall bei der LINKEN) Das heißt im Übrigen auch, dass die mittelfristige Finanzplanung korrigiert werden muss. Darin sind nämlich ab dem Jahr 2017 wieder nur 30 Millionen Euro vorgesehen. (Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Richtig!) Drittens. Die Jugendfreiwilligendienste dürfen nicht stagnieren, wie derzeit im Haushaltsplan vorgesehen, sondern, im Gegenteil, sie müssen aufgestockt werden. Wenn sich junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr oder im Internationalen Jugendfreiwilligendienst engagieren wollen, dann müssen wir das fördern, weil sie dort lernen, zu helfen. Diese Dienste sollten auch verstärkt im Bereich der Flüchtlingshilfe angeboten werden, Frau Ministerin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir es schaffen wollen, die Flüchtlinge gut und sicher in unsere Gesellschaft zu integrieren, dann dürfen wir all diese Bereiche nicht vernachlässigen. Die Euphorie der ersten Tage, die wir auf Bildern aus München oder anderen Orten gesehen haben, wo die Menschen die Flüchtlinge mit Applaus begrüßt haben, wird irgendwann verfliegen. Mit Sicherheit werden wir auch Probleme bei der Integration bekommen. Deshalb ist es dringend notwendig, die Zivilgesellschaft zu stärken und damit die Aufnahmebereitschaft unserer Gesellschaft zu erhöhen. Denn ich zumindest möchte auch in Zukunft noch solche Bilder von Deutschland sehen, wie sie derzeit um die Welt gehen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Nadine Schön für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Wenn wir heute über den Etat des Bundesfamilienministeriums sprechen, dann steht die Debatte darüber genauso im Mittelpunkt der aktuellen Flüchtlingsthematik wie schon die Debatten der vergangenen Tage zu den anderen Haushalten. Es ist schon gesagt worden: Es gibt eine große Welle der Hilfsbereitschaft, die den Menschen entgegenschlägt, die angesichts von Vertreibung, Krieg oder Hunger aus Krisengebieten fliehen und nach einer langen Flucht zu uns kommen. Sie werden hier von vielen Menschen mit ehrenamtlichem Engagement und einer großen Welle von Hilfsbereitschaft begrüßt. Das erschöpft sich nicht darin, dass sie am Bahnhof mit Transparenten und Wasser begrüßt werden. In meinem Wahlkreis habe ich erlebt, dass Menschen schon seit Monaten aktiv bei der Integration der Flüchtlinge in ein für sie komplett fremdes Land und in einen neuen Alltag helfen. Dieses Engagement wollen wir auch als Familienpolitiker mit unserem Haushalt unterstützen; und wir finden in dem Haushalt, den wir heute beraten, aber auch in dem, was wir in den kommenden Wochen auf den Weg bringen, viele Ansatzpunkte für diese Unterstützung. Denn wir wissen: Die Hilfsbereitschaft in den ersten Tagen und Wochen ist das eine. Aber es wird auch darum gehen, die Menschen, die jetzt zu uns kommen, zu integrieren, und das sind sehr viele. Allein in diesem Jahr rechnet man mit 800 000 Menschen. Darunter sind wenige Frauen und Kinder; es werden sicherlich noch viele nachkommen. Es wird darum gehen, sie auch zu integrieren. Sie sollen in unserer Gesellschaft wirklich ankommen. Dabei ist es nicht damit getan, dass sie eine Wohnung, eine Unterkunft und Kleidung haben, sondern Integration ist erst gelungen, wenn die Menschen bei uns arbeiten, bei uns leben, in die Dorfgemeinschaft integriert und selbst ehrenamtlich tätig sowie in Sportvereinen Mitglied sind, wie wir alle das auch tun. Das ist eine große Herausforderung für uns als aufnehmende Gesellschaft und auch für die Menschen, die zu uns kommen. Deshalb ist es richtig, dass wir mit diesem Haushalt die Weichen stellen und einige neue Programme auf den Weg bringen werden, um beiden Seiten – nämlich der aufnehmenden Gesellschaft und den Neuankommenden – diesen Schritt zu ermöglichen. Es ist schon angesprochen worden: Bis zu 10 000 neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst sollen entstehen. Herr Leutert, sicher lesen Sie Zeitung. Sie sagten: Der Bundesfreiwilligendienst wird nicht aufgestockt. – Wir haben gerade beschlossen, dass er um bis zu 10 000 Stellen aufgestockt wird, um den vielen Ehrenamtlichen vor Ort – bei den Kommunen, aber auch bei den Hilfsorganisationen – bei der Koordination der Aufgaben, bei der Einrichtung der Wohnungen und den Flüchtlingen beim Spracherwerb und beim Ankommen im Alltag zu helfen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ein pensionierter Lehrer oder auch eine Hausfrau, die mehrere Kinder großgezogen hat, beim Bundesfreiwilligendienst mitmacht und vor Ort mit anpackt. Wir wollen aber auch noch – und ich bin sehr erfreut, dass die Ministerin unseren Vorschlag aufgegriffen hat – einen anderen Weg gehen. Wir wollen den Flüchtlingen, die zu uns kommen, die Möglichkeit geben, selbst Bundesfreiwilligendienst zu leisten. Junge oder auch ältere Flüchtlinge, die hier ankommen, sollen die Möglichkeit haben, sich von Anfang an – sobald ihre Anerkennung erfolgt ist – in unser Gemeinwesen einzubringen. Es ist sehr wertvoll, dass sie die Sprache derjenigen kennen, die hier ankommen, und dass sie die Erfahrungen, die sie hier in den ersten Wochen gemacht haben, gleich mit einbringen und dadurch ihren Landsleuten bei der Ankunft helfen können. Deshalb sollten wir von diesen 10 000 neuen Plätzen explizit Plätze für diejenigen reservieren, die selbst gerade geflüchtet sind. Das muss natürlich mit einem Sprachkurs und mit Landeskunde verbunden werden. Das geht nicht einfach so und ist auch eine organisatorische Herausforderung, aber das ist der richtige Weg zur Integration in unsere Gesellschaft. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben daneben weitere Programme, wie etwa das Programm „Willkommen bei Freunden“, das wir mit 12,5 Millionen Euro ausgestattet haben, und die Jugendmigrationsdienste, für die die Mittel im letzten Haushalt aufgestockt wurden und die vor allem den jungen Menschen das Ankommen in unserem Land erleichtern. Das alles sind richtige neue Initiativen oder alte Initiativen, die wir intensivieren. Wenn wir auf den Haushalt schauen, den wir vorlegen, dann können wir aber auch noch auf vieles andere stolz sein: Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, die Familienpolitik zu einem der dominierenden Themen in der Bundesregierung zu machen. Kein anderer Haushalt – außer dem Bildungshaushalt – ist über die Jahre so stark und kontinuierlich gewachsen wie unser Haushalt. In dieser Regierung, aber auch schon in den Vorgängerregierungen unter Schwarz-Gelb und in der Großen Koalition davor haben wir bei Kindern, Familien und Frauen einen klaren Schwerpunkt gesetzt. Unser Haushalt ist immer gestiegen. Das kann sich sehen lassen, und darauf können wir wirklich stolz sein. Auch an anderen Parametern zeigt sich, dass sich die Familienpolitik der CDU-geführten Regierungen der letzten Jahre bewährt hat: (Ulli Nissen [SPD]: Aber jetzt mit einer SPD-Ministerin!) Endlich kommen mehr Babys zur Welt. Im letzten Jahr waren es 33 000 Babys mehr als im Jahr davor. Das ist eine Steigerung von knapp 5 Prozent. Der Trend, dass vor allem Akademikerinnen kinderlos bleiben, ist eindeutig gestoppt. Die Familienfreundlichkeit in unserem Land hat zugenommen. Viele Studien bescheinigen uns, dass wir auf dem Weg hin zu einer Gesellschaft, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht, die Partnerschaft stärkt und die Familienfreundlichkeit erhöht, sehr erfolgreich sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Darauf können wir uns aber nicht ausruhen. Das ist eine Aufgabe für die nächsten Jahre. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir die Familien in diesem Jahr und in den kommenden Jahren um 5 Milliarden Euro entlasten. Wir sind auch sehr stolz darauf, dass wir die Elternzeit weiter flexibilisieren konnten und dass die massiven Steigerungen beim Elterngeld, die so nicht eingeplant waren – da schaue ich einmal unsere Haushälter in den Reihen an –, von allen Kollegen des Deutschen Bundestages jedes Jahr ohne Murren mitgetragen wurden. Es ist nicht selbstverständlich, dass den Familien ein so großer Teil der Mittel aus unserem Haushalt zur Verfügung gestellt wird. Deshalb muss es unser erstes Ziel sein, das Elterngeld, das eine der beliebtesten Leistungen für junge Familien in unserem Land ist, für die Zukunft zu sichern. Dazu wollen wir alle Möglichkeiten nutzen. Das betrifft auch die freiwerdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld. Wir können nicht riskieren, dass eine Leistung, die so anerkannt ist wie das Elterngeld, gefährdet ist, weil eine mögliche Kostenexplosion nicht tragbar wäre. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir investieren in den Kitaausbau, zum einen mit dem Investitionsprogramm für die Kitas, zum anderen mit dem neuen Programm „KitaPlus“ mit 100 Millionen Euro. Wir setzen das Programm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ fort. Dieses Programm ist nicht im Zuge der Flüchtlingskrise entstanden, also nichts Neues. Es läuft schon einige Jahre; denn wir hatten schon immer Migranten, junge Schülerinnen und Schüler sowie Kindergartenkinder mit Sprachproblemen, um die wir uns gekümmert haben. Deshalb war es uns als Union ein Anliegen, dass die Sprachförderung in den Kindertageseinrichtungen weiter vom Bund finanziert wird. Auch das Ehrenamt ist uns ein wichtiges Anliegen. Damit meine ich nicht nur das wunderbare ehrenamtliche Engagement im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Viele Menschen in unserem Land sind seit vielen Jahren ununterbrochen ehrenamtlich aktiv: bei Hilfsorganisationen, in Sportvereinen, in der Nachbarschaftshilfe. Ich habe ein bisschen Angst, dass dieses Engagement durch das Engagement für Flüchtlinge, das in diesen Tagen zu Recht in den Medien gezeigt wird, etwas unter den Tisch fällt. Genau das darf nicht passieren. All die ehrenamtlich tätigen Menschen in unserem Land, die sich seit Jahren für unsere Gesellschaft einsetzen, verdienen unseren Respekt, unsere Anerkennung und unsere Unterstützung. Das muss man immer mit bedenken, wenn man zurzeit den Ehrenamtlichen dankt, die in der Flüchtlingshilfe engagiert sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein Kumulationspunkt für dieses ehrenamtliche Engagement sind die Mehrgenerationenhäuser. Hier kommt alles zusammen, was an ehrenamtlichem Engagement über die Generationen hinweg, aber eben auch für einzelne Gruppen in der Gesellschaft geleistet wird: von der PEKiP-Gruppe über die Kinderbetreuung bis hin zum Senioren-Rommé, Computerlernkurse und vieles mehr. All das wird in den Mehrgenerationenhäusern geleistet. Wir konnten dieses großartige Engagement für die Zukunft sichern. Die Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser ist für die nächsten Jahre gesichert. Auch hier danke ich den Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, denen das ebenfalls ein echtes Anliegen war. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir investieren in den Kinderschutz und in den Opferschutz. Das Programm „Frühe Hilfen“ werden wir fortsetzen. Gleiches gilt für die Mittel für die Opfer der Heimerziehung. Auch hier wurden die Mittel verstetigt. Das sind gute Signale, gute Botschaften an all die Menschen, die davon betroffen sind. Man kann sagen, dass wir auf der einen Seite den neuen Herausforderungen, die auf uns zukommen, gerecht werden, indem wir die Flüchtlinge und die Menschen, die sich um die Flüchtlinge kümmern, unterstützen, dass wir auf der anderen Seite aber für alle anderen Menschen in unserem Land, vor allem für die Familien, die richtigen Weichen stellen und ihnen jede Unterstützung zukommen lassen, die möglich ist. Zusammen mit den Ländern und Kommunen, mit den Unternehmen und mit vielen Bürgerinnen und Bürgern wollen wir auf diesem Weg weitergehen. Ich danke allen, die die Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen konstruktiv begleiten werden. Sicher kann man sich immer mehr wünschen und vorstellen. Aber es liegt eben in der Natur des Haushaltes – und darum muss es uns gehen –, die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Ich freue mich auf die Beratungen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Ekin Deligöz das Wort. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, in diesem Einzelplan gibt es Ausgabensteigerungen, wie in anderen Einzelplänen auch. Die sind an vielen Stellen richtig und wichtig. Sie beruhen auf gesetzlichen Leistungen. Nehmen wir das Beispiel Elterngeld, Frau Kollegin Schön. Das ist eine gesetzliche Leistung, und es war von Anfang an intendiert, dass die Mittel steigen; denn sie wollten dadurch insbesondere die Männer motivieren, sich aktiv in die Elternarbeit einzubringen. Das tun sie jetzt, und das müssen wir finanzieren. Das ist nichts, wofür man sich bedanken muss, sondern muss schlicht finanzieren werden, weil es eine gesetzliche Leistung ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU) Trotzdem finde ich, Frau Ministerin, kann man mit all dem eigentlich nicht zufrieden sein. Es gibt einen Anspruch an diesen Haushalt, an Ihr Haus und an diese Gesellschaft. Vor allem gibt es den Anspruch, massiv in die Zukunft dieses Landes zu investieren, wenn die Finanzmittel die Möglichkeit dazu geben. Genau das müssten Sie leisten. Und da sehe ich schon ein paar Versäumnisse, die ich hier aufzählen will: Erstes Versäumnis. Wir brauchen dringend Maßnahmen in Bezug auf die Kitaqualität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) Dafür brauchen wir entsprechende Finanzmittel. Die Qualitätsfrage brennt uns schon seit langem auf den Nägeln. Das wird eher noch dringender werden. Ich verstehe den Widerstand der CDU/CSU-Fraktion, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Ich verstehe nicht, dass Sie sich nicht den Ruck geben können, zu sagen: Diese freiwerdende Milliarde beim Betreuungsgeld gehört den Kindern; sie gehört dahin, wo es dringend notwendig ist, und wo es bei den Kindern ankommt, nämlich Kindertagesstätten und Tagesmütter dieses Landes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie könnten das so schön als Zukunftsinvestition deklarieren. Damit könnten Sie sich rühmen. Geben Sie sich einen Ruck! Das ist dringend notwendig. Zweites Versäumnis. Alleinerziehende werden in diesem Land immer noch alleingelassen. Sie sind in unseren Armutsstatistiken an erster Stelle zu finden. Alleine zu erziehen, ist in diesem Land ein Armutsrisiko. Das ist beschämend. Sie brauchen als Antwort etwas mehr als Kosmetik, und selbst die Kosmetik verschwindet in diesem Haushaltsplan. Das ist zu wenig. Da müssen wir entschlossen handeln. Meine Fraktion hat dazu auch schon einiges an Ideen vorgelegt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drittes Versäumnis. Eine Reform der Ehe- und Familienförderung – ich rede hier von einer Reform und nicht nur von kleinen Änderungen – wäre vernünftig. Es gibt in Sachen Familienförderung mit den Freibeträgen für wohlhabende Familien ein Weiter-so. Es ist weiter so, dass das Splitting den Trauschein fördert. Leider gibt es auch bei der Kinderarmut ein Weiter-so. In diesem Land sind Alleinerziehende vorwiegend jung und weiblich. Dagegen müssen wir entschlossen Konzepte vorlegen. Es ist mehr nötig, als nur den Kinderzuschlag ein bisschen zu erhöhen. Wir brauchen eine Reform, die bedeuten würde, dass wir für Kinderarmut in diesem Land keinen Platz haben. Der setzen wir entschieden etwas entgegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) Viertes Versäumnis. Das vierte Versäumnis betrifft die Zeitpolitik. Ja, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch eine Frage der Infrastruktur, aber nicht nur; sie hat auch etwas mit der Kultur und der Arbeitswelt in diesem Land zu tun, mit Möglichkeiten, die wir schaffen müssen. Sie haben das angekündigt; aber Sie sitzen das Thema aus. Wir werden nicht zulassen, dass Sie es aussitzen, und werden Ihnen dazu konkrete Vorschläge unterbreiten. Fünftes Versäumnis. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen rechts ist in diesem Land immer noch unterfinanziert. Es sind zu wenig Mittel dafür vorhanden. Ja, richtig, wir hatten eine Mittelaufstockung. Die war richtig und wichtig. Wir haben aber zeitgleich noch die Modelle gegen Islamismus mit hineingepackt. Damit wurde das Ganze de facto wieder aufgefressen. Da brauchen wir wirklich Verbesserungsvorschläge. Wenn man die Zeitung aufschlägt, merkt man erst, wie wichtig diese Maßnahmen und Projekte sind. Es vergeht kein Tag, an dem wir – leider, leider – nicht von rechtsextremistischen Taten in diesem Land lesen. Das ist die Kehrseite der Debatte, auch der Debatte über die Flüchtlinge. Es ist gut und wichtig, dass so viele Menschen ehrenamtlich arbeiten. Wir alle loben in unseren Reden, dass sie aufstehen, Zivilcourage zeigen und auf die Straße gehen. Aber wir dürfen diese Menschen nicht alleinlassen. Wir müssen ihnen Rückendeckung geben. Dazu gehört, dass wir im Kinder- und Jugendhilfeplan entsprechende Maßnahmen einführen und in diesem Haushaltsplan die Modelle gegen Rechtsextremismus zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie stärker in den Vordergrund stellen und finanziell viel stärker abbilden, damit diese Menschen ihre Arbeit tun können und sich nicht alleingelassen fühlen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE]) Dass die Mittel für den Bundesfreiwilligendienst erhöht werden, ist ein gutes Zeichen. (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Aber lassen Sie das nicht eine singuläre Maßnahme sein; denn diese vielen Freiwilligen brauchen eine Basis für ihre Arbeit. Diese Basis ist im Kinder- und Jugendhilfeplan gegeben; diesen sollten wir genauer lesen. Darüber müssen wir noch einmal beraten. Darauf, was mit den Frühen Hilfen passiert, bin ich gespannt. Ich glaube, dass die Debatte über die Frühen Hilfen noch lange nicht zu Ende ist. Vielmehr brauchen wir dort weitere Anstrengungen. Wir werden Sie dabei gerne konstruktiv begleiten. Im Moment kann ich leider noch nichts erkennen. Es gibt noch einen Punkt, der mir ein persönliches Anliegen ist. Das ist die Aufarbeitungskommission für sexuellen Missbrauch. Leider konnte ich im gesamten Haushaltsplan keine finanziellen Mittel dafür identifizieren. Es wurde auch nichts in irgendeinem Titel vermerkt. Aber wir alle gemeinsam haben in diesem Haus den parlamentarischen Willen formuliert, eine solche Aufarbeitungskommission einzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD] und Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]) Das bedeutet auch, dass wir die Mittel dafür zur Verfügung stellen müssen, und zwar rechtssicher, und dass wir den Beauftragten nicht zu einem Bittsteller werden lassen. Ich erwarte dazu ein klares Bekenntnis im Haushaltsausschuss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Ministerin, wie Sie sehen, ist der Anspruch zu Recht sehr hoch. Der Anspruch ist, dass wir die Kultur in diesem Land im Sinne der Kinder, der Mütter und all der anderen Menschen, die Sie im Rahmen des Haushaltsplans vertreten, verändern. Kultur verändern braucht aber auch sehr viel Mut, manchmal auch gegenüber Ihrem Koalitionspartner. Setzen Sie sich durch! Wir finden, dass uns nichts Besseres passieren kann, als in die Zukunft der Kinder und Jugendlichen in diesem Land zu investieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Petra Crone für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Petra Crone (SPD): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Die Aufstellung des Haushalts 2016 möchte ich nutzen, um einen kleinen Blick zurückzuwerfen, keinen Blick zurück im Zorn – keine Sorge –, sondern einen Blick zurück in Freude; denn wir haben eine ganze Menge gemeinsam geschafft. Die SPD hat lang ersehnte Akzente setzen können. Mehr als das: Akzente wurden zu Gesetzen. (Beifall bei der SPD) Anfang März gab es einen historischen Meilenstein für uns alle zu feiern: das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe in Führungspositionen, die Frauenquote. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Endlich ist Schluss mit dem Schneckentempo. Vorbei die Zeit der freiwilligen Selbstverpflichtung! Ich will, dass die betroffenen Unternehmen bis zum 1. Januar 2016 die Quote von 30 Prozent erreichen; denn jetzt sind die Frauen dran. Sie werden zu Entscheiderinnen in Führungsetagen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Ich möchte von den Unternehmen Lösungen sehen, wie sie die Frauen auf mehr Verantwortung im Beruf vorbereiten und welche Anstrengungen sie unternehmen, um geeignete Bewerberinnen zu finden. Was ich nicht hören will, sind Ausreden. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Ich finde auch nicht, dass wir Energien in die Idee der sogenannten Männerzertifikate, also den Handel mit männlichen Posten entsprechend den CO2-Verschmutzungsrechten, stecken sollten. Manchmal stehen Dinge in der Zeitung! Ich weiß auch nicht so recht, ob das ernst gemeint ist. Mit der Frauenquote ist der Anfang gemacht. Was fehlt? Die gleiche Entlohnung von Frauen und Männern ohne Einschränkung! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Gleichstellung der Geschlechter wird auf dem Arbeitsmarkt entschieden. Deshalb werden wir noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz für Lohngerechtigkeit beschließen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die SPD will ein Individualrecht. Arbeitnehmer sollen jederzeit Auskunft von Arbeitgebern über die Unterschiede in der Bezahlung verlangen können. Wir werden auch darüber sprechen, mit welchen verbindlichen Verfahren wir Diskriminierungen bei Lohn und Gehalt beseitigen. Ich freue mich schon auf die Verhandlungen. Es ist wichtig, dass wir dieses Gesetz gemeinsam schaffen. (Beifall bei der SPD) Ein weiterer Grund für einen Blick zurück in Freude ist die Ausweitung der Familienpflegezeit, die zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat. Ich finde, wir haben gute Antworten auf die Frage vieler Familien gefunden, ob und wie sich Pflege in und mit den eigenen Lebensverhältnissen organisieren lässt. Aber es gilt: Das Bessere ist der Feind des Guten. Deshalb müssen wir weitere, bessere gesetzliche Schritte gehen, um Frauen und Männern diese eh schon schwere Aufgabe auch im Einklang mit ihrer Erwerbstätigkeit zu erleichtern. Deshalb danke ich Ihnen, liebe Ministerin Manuela Schwesig und Ihrem Haus, für die Vorschläge zum Haushalt. Wir müssen die Möglichkeiten der Familienpflegezeit offensiver bewerben und bekannter machen. Hilfreich werden die Erhöhungen der Mittel für Darlehen im Haushalt 2016 und die Einsetzung eines Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sein. Wenn sich Frauen und Männer entscheiden, die schwere Aufgabe der Pflege als Beruf auszuüben, brauchen sie von uns umso mehr die bestmögliche Unterstützung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Denn wir alle, unsere ganze Gesellschaft, brauchen Pflegerinnen und Pfleger, die den Menschen mit Körper, Geist und Seele im Blick haben, zum Beispiel auch die Vorstellungen und Bedürfnisse älterer Menschen aus anderen Kulturen. So wünschen wir uns auch mehr professionelle Pflegende mit Migrationshintergrund. Durch die Reform der Pflegeberufe wollen wir die Attraktivität der Ausbildung verbessern, die Mobilität zwischen den verschiedenen Pflegeberufen steigern und dadurch die Ausbildungsqualität erhöhen. Als Seniorenpolitikerin freue ich mich natürlich besonders – das ist schon ein paarmal angeklungen –, dass für das „Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser“ ab 2016 Mittel in Höhe von 14 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Arbeit der 450 Häuser ist unverzichtbar geworden, gerade in diesen Tagen. In mehr als 213 Häusern gab es über 900 Angebote für Flüchtlinge. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist der beeindruckende Stand von vor Monaten, also bevor die vielen Menschen Deutschland erreichten. Stellen Sie sich dieses beeindruckende Engagement heute vor! Die gemeinsame Arbeit für und mit Flüchtlingen ist häufig auch eine Arbeit von Seniorinnen und Senioren, und ihnen möchte ich heute ganz ausdrücklich ein herzliches Dankeschön sagen für ihre Tatkraft, ihre Herzenswärme und ihre Zeit. (Beifall im ganzen Hause) Endlich kann ich jetzt etwas von dem zurückgeben, was ich selbst als junge Frau erfahren durfte, nämlich offene Arme und helfende Hände. Das sind die Worte einer 81-jährigen Frau, die in einem Mehrgenerationenhaus anpackt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Norbert Müller hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Bundesministerin Schwesig! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen! Frau Schwesig, Sie wissen, im familienpolitischen Bereich hätten Sie eine große Einigkeit in diesem Haus, weil viele Ihrer Vorschläge, die wir über die Medien nachvollziehen können, auf Zustimmung bei SPD, Grünen und Linken stoßen. Sie suchen diese Einigkeit nicht. Nichtsdestotrotz hätte ich beim vorliegenden Haushalt erwartet, dass sich zumindest die Handschrift der Sozialdemokraten etwas deutlicher kenntlich macht, als wir das in der gegenwärtigen Vorlage nachvollziehen können. (Ulli Nissen [SPD]: Das sehen Sie aber völlig falsch!) – Ich werde Ihnen das auch belegen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass es in den großen Blöcken in diesem Haushalt, über die wir in den letzten Monaten – Stichwort „Kinderarmut“ – geredet haben, in irgendeiner Form nennenswerte Bewegungen gegeben hätte. Aber Sie stärken zur Gesichtswahrung der SPD vielfach präsentierte Vorhaben, die ich jetzt einmal Schaufensterprojekte nenne, auch wenn sie das eine oder andere Gute enthalten, mit relativ kleinen Summen. Auf aktuelle Entwicklungen, die uns begegnen, gehen Sie im Haushalt relativ wenig oder gar nicht ein. Ich will Ihnen das an drei Beispielen belegen. Erster Punkt. Zu den jungen Flüchtlingen hat mein Kollege Leutert schon einiges gesagt. Der uns inzwischen vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Umverteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge – wir kommen in der nächsten Sitzungswoche dazu – enttäuscht. Er enttäuscht in Bezug auf den Haushalt in einem zentralen Punkt, nämlich in dem Punkt der Finanzierung durch den Bund. Es geht in der gegenwärtigen Situation überhaupt nicht, hier null Euro einzustellen und zu erwarten, dass die bundesweite Umverteilung der vielen jungen Menschen funktioniert. Ich kann Ihnen sagen: Wenn jeder syrische Flüchtling, der gerade in Eisenhüttenstadt, in der Erstaufnahmeeinrichtung von Brandenburg, ankommt, 1998 geboren ist, dann wissen wir, was auf die Kinder- und Jugendhilfe gegenwärtig zukommt. Wenn der Bund die Länder und Kommunen bei der bundesweiten Umverteilung völlig alleinlässt, dann funktioniert das nicht. Wir brauchen einen Einstieg des Bundes in die Finanzierung, um Unterbringung und Integration zu ermöglichen bzw. zu verbessern. (Beifall bei der LINKEN) Wenn die Jugendmigrationsdienste ausgebaut werden, ändert das auch nichts. Die 7 Millionen Euro sind gut angelegt, aber das kompensiert natürlich nicht die anderen Probleme. Auch das Programm „Willkommen bei Freunden“ ist gut, so wie es ist, aber es hilft nichts in der zentralen Frage der Unterbringung und der Integrationsmaßnahmen. Das bleibt an Ländern und Kommunen hängen, gerade bei den jungen Flüchtlingen, bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Wir kennen die schwierige Lage der Kinder- und Jugendhilfe in den Kommunen und wissen auch, dass die chronische Unterfinanzierung der sozialen Infrastruktur sich dort gegenwärtig rächt. Der Bund ist gefragt, und er drückt sich an der Stelle. Dann kommt der Hammer. Wie Sie die 10 000 Stellen beim Bundesfreiwilligendienst hier ein Stück weit abgefeiert haben, kann ich nicht nachvollziehen. Das Engagement der Menschen, das wir im Fernsehen gesehen haben, darf nicht ausgenutzt werden, um die in den letzten Jahren weggesparte soziale Infrastruktur – sie fehlt uns jetzt – zu ersetzen. Wenn man die Zustände vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin und auch vor diversen Erstaufnahmeeinrichtungen in den Ländern sieht, dann kann man das nur als Staatsversagen bezeichnen. Wir sehen dort: Soziale Infrastruktur fehlt völlig. Häufig sind die Kommunen und Länder mit dem, was passiert, völlig überfordert, weil man in den letzten Jahren der Ideologie des schlanken Staates gefolgt ist, weil die Kinder- und Jugendhilfe nicht ausfinanziert ist, weil die Ämter nicht ordentlich ausfinanziert sind, weil Sozialarbeiter fehlen etc. pp. Die öffentliche Daseinsvorsorge hat sich an vielen Stellen rar gemacht. Das können wir nicht ausschließlich mit Freiwilligen kompensieren, die ein Taschengeld dafür bekommen. Wir brauchen eine Stärkung des Sozialstaats, um den gegenwärtigen Herausforderungen wieder gewachsen zu sein. (Beifall bei der LINKEN) Zweiter Punkt. Das Mindestelterngeld wurde seit 2007 nicht erhöht. Das geht überhaupt nicht. Das Mindestelterngeld beträgt 300 Euro. Zur Kaufkraft: Die 300 Euro bei der Einführung 2007 entsprechen heute noch etwa 270 Euro. Wir wissen, dass etwa jeder dritte Elterngeldempfänger Mindestelterngeld bezieht. Eine Erhöhung auf 334 Euro wäre schon 2014 nötig und auch angebracht gewesen. Sie ist 2014 nicht geschehen. Sie ist 2015 nicht geschehen. Sie ist auch in diesem Haushalt für 2016 nicht vorgesehen. Auf eine Anfrage meines Fraktionskollegen Jörn Wunderlich hat Ihr Haus geantwortet, dass Sie dies auch perspektivisch nicht vorsehen. Sie haben gleichzeitig formuliert – das finde ich dann schon etwas dreist; ich zitiere –: Dauerhaft kann die finanzielle Grundlage einer Familie doch nur durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert werden. – Das Elterngeld finanziert nicht dauerhaft, sondern, wie Sie wissen, für maximal 14 Monate. Diejenigen, die das betrifft, dieses eine Drittel der Elterngeldbezieherinnen und bezieher, die Mindestelterngeld bekommen, sind – auch das wissen wir – zu 90 Prozent Frauen. Für ein Bundesfrauenministerium ist es überhaupt nicht in Ordnung, an der Stelle zu sagen: Wir haben nicht vor, das anzuheben. – Dann nehmen Sie wenigstens den Ausgleich des Wertverfalls der letzten Jahre vor, damit die Leute zumindest das haben, was man 2007 bekommen hat. (Beifall bei der LINKEN) Das wäre auch eine Maßnahme gegen Kinderarmut, weil Mindestelterngeld häufig an Familien gezahlt wird, denen es finanziell ohnehin am schlechtesten geht. Dritter Punkt. Frau Bundesministerin Schwesig, wir unterstützen Ihr Bemühen – das haben Sie auch von den Grünen gehört; auch dafür hätten Sie eine parlamentarische Mehrheit –, die Betreuungsgeldmilliarde in Ihrem Haushalt zu belassen. Ich glaube, Sie hätten dafür sogar eine Mehrheit im Bundesrat. Auch das ist gar kein Problem. Wir würden die Mittel gern im Einzelplan 17 sichern und für das einsetzen, wofür sie immer hätten eingesetzt werden sollen, nämlich für den Ausbau von Kitas, für die Kitaqualität und für eine gute frühkindliche Bildung. (Beifall bei der LINKEN) In dem Punkt sind wir uns völlig einig. Wir wollen, dass das Geld hier verbleibt. Wenn es nach uns Linken gehen würde, wenn Sie hier eine rot-rot-grüne Mehrheit nutzen würden, dann würden wir ein Kitaqualitätsgesetz einbringen. Die Milliarde wäre eine gute Startfinanzierung, um zum Beispiel Qualität, Kitaausbau, Beitragsfreiheit oder auch so etwas wie ein kostenfreies Mittagessen zu sichern und hier die Länder und Kommunen besser zu unterstützen. Da das nicht so ist und Sie auch diese Vorschläge wieder ablehnen werden, mache ich Ihnen einen anderen Vorschlag, der vielleicht auch für die Union interessant ist und auf den man sich im ganzen Haus verständigen könnte: Sie haben viel zur Integration gesagt. Es ist richtig: Wir wollen syrische Flüchtlingsfamilien, die jetzt zu uns kommen, integrieren. Es sind ja nicht nur junge Männer, die kommen. Es kommen sehr häufig Familien mit Kindern. „Integration“ heißt hier, Kitaplätze zur Verfügung zu stellen. Lassen Sie uns doch die erste freiwerdende Tranche des Betreuungsgeldes nehmen, das im nächsten Jahr nicht mehr ausgezahlt werden wird – das werden einige 100 Millionen Euro sein –, um die Kommunen dabei zu unterstützen, für jedes Flüchtlingskind, soweit die Eltern es wünschen, einen kostenlosen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen. Das wäre eine Integrationsmaßnahme. Die für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel wären hier gut angelegt. Vielleicht kann sich die Union diesem Vorschlag anschließen. Sie haben viel von Integration geredet. Das wäre eine tolle Maßnahme. Das könnten wir im Haus wahrscheinlich sogar einstimmig beschließen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Müller, ich glaube, das wird schwierig mit uns beiden. Meine Begeisterung für diesen Vorschlag hält sich durchaus in Grenzen. (Ulli Nissen [SPD]: Das ist aber schade!) Ich glaube, wir sollten wieder zu den wesentlichen Punkten des Haushalts kommen. In diesem Zusammenhang sind heute drei klare Botschaften gesetzt worden. (Beifall bei der CDU/CSU) Die erste Botschaft ist, dass es uns wie im Bundeshaushalt 2015 auch im Bundeshaushalt 2016 gelingt, keine neuen Schulden aufzunehmen. Nun kann man sagen: Das ist eine allgemeinpolitisch wichtige Erkenntnis. – Das ist aber besonders wichtig für Kinder und Familien; denn damit schaffen wir es, den Familien, den Kindern und Enkelkindern keine neuen Schuldenberge zu hinterlassen. Auch das ist ein Teil von Familienpolitik. (Beifall bei der CDU/CSU) Die zweite Botschaft ist – die Frau Ministerin hat es schon angesprochen –: Wenn man die Haushaltsdebatten verfolgt, stellt man fest, dass es zwei Bereiche gibt, in denen seit 2005 ein enormer Aufwuchs zu verzeichnen ist. Daran zeigt sich auch die Politik der Union der letzten Jahre. Das eine ist der Bereich Bildung und Forschung. Ich glaube, alle von uns stimmen darin überein, dass Bildung und Forschung ein Zukunftsthema ist. Das andere ist der Bereich Familie, wo die Ausgaben von 4,5 auf 9,2 Milliarden Euro gestiegen sind und der Etat damit mittlerweile verdoppelt wurde. Wir investieren in Bildung und Forschung und in Familien. Das ist gut angelegtes Geld. (Beifall bei der CDU/CSU) Die dritte Botschaft ist: Wir reden in diesem Zusammenhang nicht nur über die 9,2 Milliarden Euro, die wir ausgeben, sondern auch über weitere Leistungen, die mit familienbezogenen Maßnahmen in Verbindung stehen. Das betrifft zum Beispiel das Kindergeld mit rund 40 Milliarden Euro. Es werden also aus dem Gesamthaushalt zusätzliche Leistungen für Familien bereitgestellt. Das Betreuungsgeld – ich sage das, weil es angesprochen wurde – war ebenfalls eine Leistung, die nicht aus dem Familienetat finanziert wurde nach dem Motto „Wir nehmen das Geld und schauen einmal, ob wir jetzt ein Betreuungsgeld implementieren“. Es war auch nicht so, dass das Geld bereitgestellt wurde nach dem Motto „Ihr könnt einmal schauen, wo ihr es investiert“. Alle Ressorts haben aus ihren Einzelhaushalten Geld für das Betreuungsgeld bereitgestellt. Jetzt muss klug überlegt werden: „Was passiert jetzt?“; da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Die Ministerin hat gesagt: Man muss sich Gedanken machen. – Man muss sich aber nicht nur Gedanken darüber machen, wie man das Geld ausgibt, sondern auch darüber, wie man damit umgeht, dass eine für die Familien wichtige Leistung nicht mehr existiert. Denn die Annahme des Betreuungsgeldes war ein Beweis dafür, dass es eine richtige Entscheidung war, es zu implementieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Verfassungsgericht hat das Betreuungsgeld gekippt; das ist aufgrund der Kompetenzzuweisung so. Wir wären in der Großen Koalition aber sicherlich klug beraten, zu überlegen, wie wir in Bezug auf die Familien, für die es vorgesehen war und die ein Modell für ihre Betreuung entwickelt haben, damit umgehen. Eine Haushaltsdebatte bietet ja immer die Möglichkeit, auch noch einmal allgemein auf Grundlagen der Familienpolitik einzugehen: Wie können wir Familien stärken? Wie können wir Kindern und Jugendlichen, Frauen und Männern gleichermaßen gesellschaftliche Teilhabe und Selbstständigkeit ermöglichen? Wie können wir Familien in ihrer Entwicklung Entfaltungsmöglichkeiten geben? – Wenn ich über die Grundlinien unserer Familienpolitik spreche, dann ist einiges in den letzten Jahren erkennbar geworden. Wir erkennen die Vielfalt der Familien an, ohne sie zu bewerten. Wir sagen: Wir wollen den Familien nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Wir wollen ihnen nicht vorschreiben, wie sie, wo sie und wann sie ihre Kinder betreuen sollen. Vielmehr haben wir Vertrauen in die Familien, dass sie für sich entscheiden, wie sie ihr Leben entwickeln. Wir wollen Familienleistungen aber auch in ihrer jeweiligen Wirkung überprüfen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist sehr zentral. Deswegen haben wir einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz entwickelt. Aber es gibt auch Familien, die ein anderes Modell entwickelt haben. Ich glaube, dass der Staat dies nicht durch einseitige Maßnahmen oder die einseitige Unterstützung von familienpolitischen Modellen bewerten sollte, sondern dass der Staat allen Familien entsprechend ihren Vorstellungen Unterstützung zukommen lassen sollte. (Beifall bei der CDU/CSU) Natürlich überlegen wir: Wie entwickelt sich die Geburtenrate? Warum steigen die Ausgaben für das Elterngeld? Die Antwort ist: Weil es zwei Folgewirkungen gibt. Eine Wirkung ist: Es gibt mehr Geburten, und das haben wir ja alle gewollt. Das war Ziel der Politik in den Jahren 2005 bis 2010. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Es ist gut, dass es pro Jahr 30 000 Geburten mehr gibt. Die andere Wirkung war – das war auch immer unsere Leitlinie –, dass wir es hinbekommen haben, dass insbesondere mehr Väter Zeit für Familie haben. Auch das ist ein gutes Ergebnis. (Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD]) Deswegen sagen wir ganz klar: Dieses Elterngeld ist ein Erfolgsmodell. Deshalb wird es auch keine Kürzungen beim Elterngeld geben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Liebe Frau Brantner, ich glaube, auch in diesem Punkt könnten wir möglicherweise einmal auf eine Linie kommen. (Ulli Nissen [SPD]: Oh!) Die Frage ist für uns nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wollen Familie nicht ökonomisieren. Wir wollen nicht die ökonomische Effizienz von Familie betrachten, sondern wir wollen mit unserer Politik eine Arbeitswelt entwickeln, die familiengerecht ist, und keine Familie, die arbeitsgerecht ist. Das ist ein entscheidender Punkt bei der Gestaltung von Familienpolitik. Dabei nehmen wir die Wünsche und veränderten Bedingungen der Familien wahr. Ich will noch zu einzelnen Punkten des Einzelplans 17 kommen. Es ist im Übrigen nicht nur eine Debatte darüber, wie man mit Geld umgeht und was man mit Geld bewirkt. Wir haben zu Recht viel über das Engagement von Menschen in ehrenamtlichen Tätigkeiten gesprochen. Es ist auch eine Frage der Familienpolitik: Wo sind eigentlich die Bereiche Anerkennung und Wertschätzung von Familie? Die Anerkennung der Familie muss nicht immer nur in Geld und Euro ausgezahlt werden, sondern muss sich in einem kulturellen Wandel der Gesellschaft widerspiegeln. In Berlin gibt es gerade den Fall der sogenannten Spielstraße. Eine Straße wurde einmal in der Woche gesperrt, damit Kinder spielen konnten. Das wurde vom Gericht untersagt. Jetzt kann man eine Straße nur noch sperren, wenn ein Event stattfinden soll. Dann kann man also die Straße sperren. Hier stellt sich die Frage: In welcher Kultur leben wir eigentlich, wenn man es spielenden Kindern untersagt, in dieser Straße zu spielen, aber wenn man ein Event dort veranstaltet, ist es erlaubt? Ich glaube, wir müssen im kulturellen Wandel im Umgang mit Kindern und Familien einiges tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Elterngeld ist ein Erfolgsmodell. Mittlerweile sind es 5,8 Milliarden Euro. Das sind 700 Millionen Euro mehr als 2013. Rund 835 000 Eltern haben dieses Elterngeld mittlerweile bezogen, davon sind 12 Prozent Väter. Wir sind froh, dass es bei den Vätern angekommen ist, dass dieses Erfolgsmodell dafür sorgt, dass sie Erwerbstätigkeit und Familienzeit besser kombinieren können. Das war die eine Sichtweise, diese Mittel für Familien bereitzustellen. Die andere Sichtweise war, mit dem Rechtsanspruch auf den Kitaplatz eine Verbesserung der wichtigen frühkindlichen Bildung zu erreichen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu gestalten; auch unter dem Gesichtspunkt Armutsrisiko, weil dadurch die Möglichkeit entsteht, mit dem Erwerbseinkommen den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Auch hier hat der Bund in den letzten Jahren geliefert und 5,4 Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt. Das Sondervermögen Kinderbetreuungsausbau wird 2016 mit 230 Millionen Euro veranschlagt. Für 320 Millionen Euro ist im Finanzplan Vorsorge getroffen. Dann stellt sich die Frage, was wir den Kommunen und Ländern noch gerne zur Verfügung stellen. Ich will das nur noch einmal erwähnen. Wir geben fast 1 Milliarde Euro für die Finanzierung der Betriebskosten von Kindertagesstätten aus. Da kann man kann sagen: Ja, selbstverständlich. Das ist doch eine nationale Aufgabe. – Ich will nur daran erinnern: Wir haben ein föderales System. Es ist nicht so, dass es originäre Aufgabe des Bundes ist, hier zu investieren. (Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie wollten in die Zukunft investieren! – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Jetzt widersprechen Sie sich aber!) Wir machen das, weil wir zwei Dinge erkennen. Wir erkennen, dass Länder und Kommunen momentan in einer schwierigen Situation sind – Klammer auf: wobei auch der Bund in keiner anderen Situation ist. Wenn wir über Steuereinnahmen sprechen, dann muss man darauf verweisen, dass auch Länder und Kommunen von den erhöhten Steuereinnahmen profitieren. (Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Weil der Bund einen Rechtsanspruch erlassen hat, deswegen!) Aber wir machen das, weil es wichtig war und weil es ein deutliches Signal ist. Es wäre nur jetzt falsch, daraus zu schließen, dass es auch eine Zukunftsaufgabe ist, andere Bereiche zu übernehmen. Ich will und wir werden auch nicht darüber diskutieren, dass wir die Lehrergehälter zum Teil übernehmen. Das sind die Wolken, die Sie vorhin sehr exemplarisch hin- und hergeschoben haben, (Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Über Lehrergehälter haben wir nicht geredet!) was man noch alles finanzieren könnte und was man noch tun könnte. Nein, es gilt der Grundsatz: Wir geben zu Recht viel Geld für Familien aus, gut angelegtes Geld. Aber das Geld muss erwirtschaftet werden. Es muss Menschen in diesem Land geben, die das tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen sehr sorgsam damit umgehen und in der Haushaltsdebatte nicht nur einen Sechs-Punkte-Plan machen oder sonst was, Frau Kollegin von den Grünen, wo man noch etwas zu fordern hat. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser einen Sechs-Punkte-Plan als gar keine Ahnung!) Noch einmal: Wir investieren in diesem Bereich zu Recht, aber bitte sehr sorgsam und sehr gezielt. Von uns wurden schon wichtige Themen angesprochen: Sprache, Integration, „Frühe Chancen“. Dies wurde verstetigt. Wir haben weiterhin Maßnahmen im Bereich der Integration von Sprachförderung über das Programm „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“. Des Weiteren stellen wir 100 Millionen Euro für den Bereich „KitaPlus“ zur Verfügung, wo man einer gesellschaftlich veränderten Bedingung nachkommt, indem man sagt: Mehr und mehr Familien, gerade auch Alleinerziehende, brauchen, wenn sie im Schichtdienst sind, wenn sie am Wochenende arbeiten müssen, möglicherweise temporär, punktuell eine längere Betreuung. Ich finde es wichtig, dass man sagt: Dafür machen wir ein Angebot. Wir stellen Kitas Mittel zur Verfügung, wenn sie ein Konzept einreichen, dass man das Kind auch nach 18 Uhr betreuen kann, was die Ausnahme bleibt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Denn wir wollen nicht, dass Kinder regelhaft 24 Stunden durchgängig in der Kita sind. Das würde unserem Familienmodell widersprechen. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber wir wollen eine Flexibilisierung erreichen. Wir wollen, dass für eine alleinerziehende Mutter, wenn sie einmal bis 20 Uhr arbeiten muss, die Möglichkeit gegeben ist, ihr Kind betreuen zu lassen. Die Mittel dafür – das wurde schon angesprochen – sind nicht im Einzelplan 17 verankert, sondern an anderer Stelle. Das Thema Armutsrisiko wurde angesprochen. Ich will daran erinnern: Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres von 1 308 Euro auf 1 908 Euro erhöht. Sehr spät – man könnte fast sagen: zu spät –, aber wir haben es gemacht. Das war, glaube ich, ein wichtiges Signal dafür, dass wir uns intensiv Gedanken machen, wie wir gerade für Alleinerziehende mehr tun können. Die steuerlichen Kinderfreibeträge wurden rückwirkend erhöht. Wir haben das Kindergeld erhöht. Auch hier gilt wie immer: Es wäre mehr denkbar, 10 oder 20 Euro. Weil 1 Euro Kindergelderhöhung rund 180 Millionen Euro ausmacht, muss man einfach sagen: Wir tun viel, aber man muss auch genau überlegen, was man darüber hinaus noch tun kann. Zum Schluss noch einige Bemerkungen zu einem Thema, das in den nächsten Jahre eine große Rolle spielen wird, nämlich der Welle von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen. Diese Gesellschaft wird sich verändern. Integration bedeutet nicht nur, dass ein paar hinzukommen. Vielmehr heißt Integration, dass sich die Gesellschaft fortlaufend verändert. Die Familienpolitik wird das besonders berühren. Denn es kommen Kinder, kleine Kinder nach Deutschland, die vernünftig betreut werden müssen. Es kommen Jugendliche, teilweise traumatisiert, mit großen Problemen, um die wir uns kümmern müssen. Es kommen junge Familien, teilweise aus Kriegsgebieten, ebenfalls traumatisiert, wo wir sehen müssen: Wie finden sie Arbeit? Wie finden sie Wohnraum? Wie finden sie vor allen Dingen Anschluss an diese Gesellschaft? Wir haben in der Vergangenheit Fehler gemacht: bei den Gastarbeitern, bei den Aussiedlern, Anfang der 90er-Jahre auch im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina. Aus diesen Fehlern sollten wir lernen. Integration von Anfang an, so früh wie möglich, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) so zielgenau wie möglich und so bedarfsorientiert wie möglich. Die Entscheidung der Koalition, im ersten Schritt 6 Milliarden Euro bereitzustellen, ist ein guter Beschluss. Unter familienpolitischen Gesichtspunkten ist nicht nur entscheidend, wo das Geld herkommt. Ich erwarte, wie wahrscheinlich auch die Kolleginnen und Kollegen, dass wir von den Kommunen und Ländern genau erfahren, was sie planen, was mit den Kindern passieren soll, die zusätzlich in die Krippe, in die Kita kommen. Denn die Integration wird nur dann gelingen, wenn die Menschen, die sich jetzt zu Recht engagiert einbringen und die Situation als Chance für unsere Gesellschaft sehen, erkennen, dass die Politik in dieser Phase handelt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das heißt für uns, wir müssen schauen, wie wir diese große Aufgabe bewältigen können. Wir müssen diese Herausforderung als Chance begreifen. Das muss unser aller Ziel sein. Insoweit haben wir in Bezug auf die nächsten Monate hohe Ansprüche. Letzter Satz: Dieser Haushalt hat es wieder bewiesen: Die Große Koalition ist nicht nur handlungsfähig, sondern auch, was das richtige Investieren an der richtigen Stelle angeht, gut aufgestellt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Franziska Brantner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schwesig und Herr Schäuble im Clinch – irgendwie ist das ein Déjà-vu. Beim letzten Mal ging es um die Erhöhung des Freibetrags für die Alleinerziehenden, jetzt geht es um die Milliarde für das Betreuungsgeld. Herr Schäuble und wahrscheinlich auch Sie, Herr Spahn, wollen das Geld lieber für die Haushaltssanierung nutzen. (Nadine Schön (St. Wendel) [CDU/CSU]: Nein! Das ist völlig falsch! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist eine bloße Vermutung der Grünen!) Das ist auch gut nachvollziehbar, wenn ein Finanzminister das möchte. Ihre Aufgabe, Frau Schwesig, ist es, dafür zu sorgen, dass das Geld in Ihrem Haushalt bleibt, bei den Kindern und den Familien. Daran werden wir Sie messen, aber Sie darin auch unterstützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Schäuble, Sie haben hier argumentiert, die Milliarde würde doch auch ins Elterngeld fließen. (Nadine Schön (St. Wendel) [CDU/CSU]: Das ist noch alles nicht klar!) Auch das ist eine für einen Finanzminister und für Sie, Herr Spahn, nachvollziehbare Verhandlungsposition; denn Sie müssen darauf achten, dass das Geld zusammenbleibt. Aber die zusätzlichen Kosten für das Elterngeld waren absehbar. Wenn wir Gesetze ändern und zusätzliche Elternmonate vorsehen, dann wird das eben teurer. Und wenn mehr Väter das Elterngeld in Anspruch nehmen, wie wir es ja wollen, dann wird es aufgrund der Lohn­ungleichheit, die wir in Deutschland haben, noch teurer. Wir haben das gemeinsam gesetzlich geregelt – wir haben da zugestimmt –, und es war klar, dass dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Woher soll also das zusätzliche Geld kommen? Wir alle wissen: Wenn es einen Mehrbedarf gibt, der auf gesetzlicher Grundlage entsteht – und das ist hier der Fall –, dann ist es Verhandlungssache, woher das Geld kommt. Es muss nicht automatisch aus dem Familienhaushalt kommen. Das ist Ihr zweiter Verhandlungsauftrag, Frau Schwesig: dass das Betreuungsgeld dafür nicht genutzt wird, sondern in die Kitas geht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Schwesig, ich habe Ihnen vorhin sehr gut zugehört, als Sie gesagt haben, was wir jetzt mit dem Betreuungsgeld machen. Für mich hörte sich das sehr danach an: Es soll halt bei den Familien bleiben. – Sie hatten in Ihren ersten Pressestatements immer sehr klar gesagt, das Geld gehe in die Kitas. Ich hoffe und zähle wirklich auf Sie, dass es dabei auch bleibt; (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) denn dort sind die Bedarfe. Wir wissen: Es fehlen allein heute schon 185 000 Plätze für unsere Ein- und Zweijährigen, und wir brauchen eine bessere Relation bei den Erzieherinnen, wir brauchen mehr Erzieherinnen für die Kinder. Es wurde häufig schon erwähnt: Unter den Flüchtlingen, die heute zu uns kommen und die wir integrieren werden, sind sehr viele Kinder. Vor allem unter denjenigen, die bleiben werden, sind sehr viele Kinder. Die Schätzungen belaufen sich auf 300 000 bis 400 000. Diese Kinder müssen wir bei uns in jedem Fall so schnell wie möglich in die Kitas integrieren und ihnen durch die deutsche Sprache einen Weg ermöglichen, anzukommen. Das müssen wir doch jetzt finanziell vorbereiten und nicht erst wieder, wenn die Kommunen sich beschweren und zu Recht sagen: Wir schaffen das nicht allein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Von daher – Frau Schwesig, Sie haben es gesagt – nicht unterscheiden zwischen unseren Kindern und den Flüchtlingen. Wenn Sie jetzt in die Kitas, in die Sprachförderung dort und in mehr Plätze investieren, dann ist dies die beste Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaft das gut stemmt, und das ist, so glaube ich, in unser aller Interesse. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Schwesig, es wurde vorhin schon von Kollegen, auch von meiner Kollegin, angesprochen: Kinderarmut ist ein Thema, das wirklich gar nicht vorkommt. Leider. Wir wissen, dass 40 Prozent der Alleinerziehenden im ALG-II-Bezug leben. Es ist für dieses reiche Land echt ein Armutszeugnis, dass es gerade die Alleinerziehenden trifft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie erhöhen zwar den Freibetrag, aber der hilft gerade denjenigen in diesem Bereich nicht. Der Unterhaltsvorschuss wird zwar leicht erhöht, aber nicht reformiert. Ich finde, das sind die Stellschrauben, an die Sie heranmüssen, Frau Schwesig und liebe CDU. Das können Sie nicht einfach übergehen. Wir wissen, dass das nicht haltbar ist, und ich wünsche mir, dass sich zumindest im nächsten Haushalt widerspiegelt, dass die krasse Schieflage, die wir hier in Deutschland haben, angegangen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ein letzter Punkt, von dem ich mir wirklich wünsche, dass wir den zusammen angehen: In dem Koalitionsvorschlag vom Wochenende ist vorgesehen, dass der Aufenthalt der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf bis zu sechs Monate verlängert werden kann. Man kann dazu stehen, wie man will, aber wenn man das macht, dann müssen die Bedingungen vor Ort so sein, dass es für Kinder irgendwie ertragbar ist. Das ist es momentan nicht. Da hilft Ihr Programm, das die Kommunen berät, nicht, auch wenn es richtig ist. Das wird nicht ausreichen. Man wird Gelder brauchen, damit man vor Ort Spielzimmer und Betreuung hat und alles, was es braucht. Das ging jetzt im Sommer irgendwie, weil die Kinder draußen auf dem Bolzplatz waren. Jetzt aber kommt der Winter, und sie sind sechs Monate lang dort, und die Schulpflicht wird nicht einmal eingehalten. (Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Das ist Ländersache!) Ich finde, das ist eine tickende Zeitbombe. Das können wir uns gar nicht leisten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier müssen wir jetzt wirklich gemeinsam investieren, und ich hoffe, dass wir das vielleicht in den Haushaltsverhandlungen noch hinbekommen. Ich glaube, es ist in unser aller Interesse, dass die Kinder nicht erst nach sechs Monaten anfangen, Deutsch zu lernen, sondern dass sie dort ein Angebot haben. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen, ich bitte Sie darum. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Ulrike Gottschalck das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ulrike Gottschalck (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher! Unsere Kanzlerin hat in der gestrigen Generaldebatte sehr prominent zu Beginn ihrer Rede betont, dass die Integration für sie und die Regierungsparteien allerhöchste Priorität hat. Das ist gut so; denn es stimmt: Wenn wir die vielen Menschen, die jetzt zu uns kommen und die in höchster Not flüchten, nicht gut integrieren, wird uns das volkswirtschaftlich teuer zu stehen kommen. (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Abgesehen von der humanitären Verpflichtung, die wir haben, werden wir von dem, was wir jetzt in Teilhabe, in Integration investieren, in einigen Jahren profitieren, aber nur, wenn wir es gut machen. Da darf man nicht nur Klein-Klein machen und mit rein monetärer Ausrichtung von einem Haushaltsjahr zum anderen schauen. Denn es braucht auch volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, um zu erkennen, was für uns in der Zukunft gut ist. Unser Einzelplan 17, meine sehr geehrten Damen und Herren, bietet sich für Integration geradezu an. Ich halte es für eine hervorragende Idee unserer Ministerin Manuela Schwesig – in Absprache mit Volker Kauder –, verstärkt den Bundesfreiwilligendienst für die Flüchtlingshilfe zu nutzen. Denn das ist ein zusätzliches ehrenamtliches Engagement, und es wird denjenigen helfen, die im Moment schon vor Ort eine unendlich wichtige Arbeit machen. Das fängt bei den privaten Spendern an, die mit Teddybären, Windeln oder was auch immer auftauchen und helfen wollen, geht über die engagierten Paten, die sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmern, bis hin zu unseren professionellen Rettungsorganisationen, ohne die wir komplett aufgeschmissen wären. Wenn sie jetzt durch zusätzliches ehrenamtliches Engagement Unterstützung erhalten, dann ist das einfach nur toll. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bereits mit dem Nachtragshaushalt 2015 haben wir im Kinder- und Jugendplan wegen der Flüchtlingsproblematik 8 Millionen Euro für die Jugendmigrationsdienste und 4 Millionen Euro für die C1-Sprachkurse aufgesattelt, gemeinsam mit den Kollegen der Union. Insofern gibt es dort nun keine Kürzung, Michael Leutert; es sind die 12 Millionen Euro, die wir im Nachtrag aufgesattelt haben. Wir wollen sie wieder bereitstellen, aber es sollen erst mal die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels abgewartet werden. Im Hinblick auf den Flüchtlingsgipfel erinnere ich gerne daran, dass es auch eine Verantwortung der Länder gibt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben jetzt gute Vorleistungen erbracht, aber auch die Länder müssen gerade in den Bereichen der Integration und der frühkindlichen Bildung ordentlich etwas tun. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss meine Rede ein bisschen kürzen, weil die von Manuela ein bisschen länger war. Es war trotzdem eine sehr gute Rede unserer Ministerin. (Heiterkeit bei der SPD) Ich denke, wir müssen ein großes Augenmerk auf die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge richten, die wir in Obhut nehmen, aber auch auf die schwangeren, allein reisenden Frauen und ihre Kinder. (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Darauf müssen wir besonders schauen. (Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Nicht schauen, tun!) – Wir tun im Gegensatz zu Ihnen etwas. Ihr habt nicht einmal beim Mindestlohn mitgestimmt. Also seid einmal ganz ruhig! (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Eine gute Packung!) Ich denke, dass wir auch noch einmal über die Maßnahmen zur Extremismusprävention reden sollten. Da schließe ich mich dem Kollegen Leutert an, der das vorhin angesprochen hat. Wir haben jetzt das wunderbare neue Programm „Demokratie leben!“. Auch da können wir vielleicht noch etwas tun, weil es einfach hilft und wirkt. Auch das Elterngeld wirkt. Dazu haben wir schon viel gehört. Ich finde es grandios, dass die Zahl der Geburten erstmalig wieder nach oben geht – ein großartiger Erfolg! Ich denke, dazu können wir alle uns mal gegenseitig gratulieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Abschließend zum Betreuungsgeld. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als SPD wollen, dass dieses Geld auch zukünftig Familien zugutekommt. (Beifall des Abg. Martin Patzelt [CDU/CSU]) Aber das wird in einer anderen Flughöhe entschieden. Ich denke, wir müssen uns hier weder als Haushälter noch als Fachpolitiker bekriegen. Ich warne auch davor, erneut diese ganzen ideologischen Debatten über Pro und Kontra zu führen. Das brauchen wir nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sollten einen guten Kompromiss finden, der für unsere Familien, für unsere Kinder gut ist. Denn es gilt: Die Jugend ist unsere Zukunft. Wir müssen in den Bereichen Teilhabe, Qualität und Integration alles uns Mögliche tun, und auch das müssen wir gut machen; denn sonst wird es volkswirtschaftlich teuer. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Sylvia Pantel (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Haushalt betrifft all jene Dinge, die der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder abschätzig als „Gedöns“ bezeichnet hat. Wenn wir über Familienpolitik reden, zeigt das Volumen des Haushalts, wie wichtig uns dieses Politikfeld ist. In diesem Zusammenhang, Frau Minister, noch einmal herzlichen Glückwunsch zum kommenden Nachwuchs. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Familienpolitik ist im eigentlichen Sinne Gesellschaftspolitik. Sie befasst sich mit der Grundlage unseres Zusammenlebens in Deutschland. 2016 werden wir dafür über 9 Milliarden Euro ausgeben, also – das hörten wir eben schon – so viel wie noch nie. Familienpolitik betrifft jede Bürgerin und jeden Bürger mehrfach im Leben. Alles in unserem Land und in unserem Sozialstaat basiert auf der Familie als kleinster Einheit menschlichen Zusammenlebens. Familie ist, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Familie ist, wo Kinder sind, und da sind alle eingeschlossen. Familien zu fördern und zu schützen, ist nach Artikel 6 unseres Grundgesetzes eine der vordringlichsten staatlichen Aufgaben. Lassen Sie mich an dieser Stelle, weil es gerade so schön passt, einen anderen Punkt anmerken. In dieser Woche wurde in der ARD erneut über Gender-Mainstreaming und auch über die Frühsexualisierung von Kindern diskutiert. Dass das ein Thema ist, habe ich an der großen Resonanz gemerkt. Dabei ist klar, dass die Erziehung der Kinder Sache der Eltern ist. Sie tragen letztendlich die Verantwortung, in jeder Hinsicht. Durch unsere Haushaltsausgaben wollen wir Familien ein Familienleben nach ihren Wünschen ermöglichen. Wir müssen sicherstellen, dass Menschen in Deutschland es sich leisten können, eine Familie zu gründen und Kinder in die Welt zu setzen. 2014 wurden in Deutschland 715 000 Kinder geboren, das sind 33 000 Kinder mehr als noch im Vorjahr. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wollen ein gutes Familienleben, sie wollen Kinder. Es wäre wissenschaftlich unredlich, steigende Geburtenzahlen auf einzelne Effekte zurückzuführen. Was wir aber sicher sagen können ist, dass das der guten Familienpolitik der unionsgeführten Bundesregierungen in den zurückliegenden Jahren geschuldet ist. (Ulli Nissen [SPD]: Und einer SPD-Ministerin!) Es ist anders, als Herr Gysi gestern behauptet hat: Wir haben in Deutschland mittlerweile ein sehr familienfreundliches Klima geschaffen. Es gibt 40 Millionen Haushalte in Deutschland, über 8 Millionen Haushalte mit minderjährigen Kindern. Dass diese Familien ihren Alltag möglichst flexibel und nach ihren Wünschen gestalten können, ist Ziel unserer Politik. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ja!) Das Leitbild der Union ist die selbstbestimmte Familie. Die Familien müssen aber auch Zeit für ein Familienleben haben. Daher habe ich mich immer für Maßnahmen wie das Elterngeld und das Betreuungsgeld ausgesprochen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dass jetzt auf der Oppositionsbank gemurrt wird, zeigt nur, dass Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht verstanden haben. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es! – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Schlechte Verlierer, würde ich einmal sagen!) – Nein, lesen Sie es nach. – Dass dem Bund nicht zugestanden wurde, hierfür Mittel aufzuwenden, ist den Zuständigkeiten in unserem föderalistischen System in Deutschland geschuldet. Keineswegs ist das ein Urteil über die familienpolitischen Aspekte unseres Betreuungsgeldes gewesen. Ich würde Ihnen empfehlen, das Urteil zu lesen. (Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Das ist egal, wenn man verliert!) Sie rufen an anderer Stelle, wann immer Sie können, „Diversity“ und „bunte Republik“. Aber wenn es um die Familie geht, dann wollen Sie die Einheitsfamilie schaffen (Widerspruch bei der LINKEN und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Mit schwulen Eltern, genau!) – das ist ihnen überlassen –, eine Pseudofamilie, in der der Staat die Kinder erzieht und die Eltern sich voll auf das Berufs- und Arbeitsleben konzentrieren sollen. So bitte schön nicht. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Was ist denn eine Einheitsfamilie?) Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und orientieren uns an den Bedürfnissen der Familien. Das Elterngeld wurde in diesem Sommer um das Elterngeld Plus ergänzt. Dadurch haben wir eine zusätzliche, noch flexiblere Lösung für Eltern gefunden, die ihre Kinder betreuen und in Teilzeit am Berufsleben teilhaben wollen. In diesem Jahr haben wir durch das Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ um 550 Millionen Euro aufgestockt. Im ersten Quartal 2015 wurden in Deutschland 700 000 Kinder unter drei Jahren betreut. Die Mehrheit dieser betreuten Kinder wird in Einrichtungen betreut. Die Kindertagespflege bei Tagesmutter oder -vater wird gerade in Ballungsgebieten wie Berlin und Düsseldorf immer beliebter und hat sich als flexible Ergänzung gut etabliert. Wir haben weitere Mittel für den Ausbau der Betreuung vorgesehen. Eine gute und verlässliche Kinderbetreuung ist uns wichtig. Wir schätzen die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher, die täglich Eltern bei ihrem Erziehungsauftrag unterstützen. Familien leben heute nicht mehr selbstverständlich in mehreren Generationen zusammen unter einem Dach; wir haben das eben schon mehrfach gehört. Dadurch fehlt auch der Erfahrungsaustausch zwischen Jung und Alt. (Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Das ist die Kehrseite der Flexibilisierung am Arbeitsmarkt!) Die Mehrgenerationenhäuser bringen Kinder, Eltern, Großeltern und manchmal sogar Urgroßeltern zusammen. Sie sind ein Erfolgsprojekt. (Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Reden Sie einmal mit den Leuten!) – Ich kenne ein Mehrgenerationenhaus bei mir vor Ort. Dort funktioniert das alles hervorragend. – Wir sichern die Arbeit der rund 450 Mehrgenerationenhäuser für 2016 bundesweit mit 14 Millionen Euro. Aufgrund der guten Vernetzung und durch gute Kooperationen mit Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie Wirtschaftsunternehmen gelingt es, zusätzlich ein wichtiges Angebot vorzuhalten und Lücken zu schließen. Es ist erklärtes Ziel der Union, die Arbeit der Mehrgenerationenhäuser dauerhaft zu sichern. 90 Minuten wurden uns für diese Debatte zur Verfügung gestellt, 90 Minuten, in denen wir den Etat für die Familienpolitik einer Nation mit über 81 Millionen Einwohnern diskutieren sollen (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jede Menge!) – richtig, das ist jede Menge, wie Sie gerade sagten –, aber in dieser Zeit sind natürlich nicht alle Maßnahmen, die wir hier finanzieren, aufzuführen. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ich habe die Zeit gemeint!) Deshalb werde ich nur einige erwähnen. Der Zuzug von Hunderttausenden Flüchtlingen, von denen viele traumatisiert sind, stellt uns vor große Herausforderungen. Das ist ein Zuzug von Menschen, die weder unser Verständnis von Freiheit noch von Grundrechten kennen, von Menschen, denen unsere Kultur, unsere Gebräuche und unser Leben bisher weitgehend fremd waren. Diese Entwicklungen fordern uns nicht nur organisatorisch und finanziell, sondern vor allem auch gesellschaftspolitisch. Selbst der bekanntlich deutlich links von mir stehende Autor Jakob Augstein (Norbert Müller (Potsdam) [DIE LINKE]: Geringfügig!) forderte jüngst im Spiegel, es müsse eine deutliche Leitkultur geprägt werden, um die Integration all dieser Menschen zu sichern, eine Leitkultur, die Menschen ein Vorbild ist, eine Leitkultur, geprägt durch unseren Rechtsstaat. Wir haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung und können unsere Religion frei ausüben, und wir haben das Recht, uns selbst ein auf der eigenen Leistung begründetes Leben aufzubauen. Deshalb wollen auch so viele hierher. Für die Flüchtlinge gilt: Wer Schutz in unserem Land sucht, wird ihn finden. Aber auch die Schutzsuchenden müssen sich an unsere Regeln halten: Männer und Frauen haben die gleichen Rechte, wir sind vor dem Gesetz gleich, jeder von uns darf seine Meinung frei sagen und an all das glauben, was er oder sie gerade glauben will. Und wir verhüllen nicht unsere Identität. Wir zeigen Gesicht, und das meine ich wörtlich. Daher spreche ich mich hier und heute erneut für ein Verbot der Gesichtsvollverschleierung im öffentlichen Raum aus. Frauen zu zwingen, sich zu verhüllen, widerspricht unserer Auffassung, dass Frauen und Männer gleiche Rechte haben und gleich viel wert sind. Dieser Gleichheitsgrundsatz ist die Basis unseres Rechtssystems und darf nicht wegen falscher Toleranz ausgehöhlt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit den Mitteln, die wir in unserem Haushalt für Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Demokratie und Toleranz vorsehen, sollen die Grundlagen unseres Rechtssystems nähergebracht werden. Demokratieerziehung in Deutschland muss bedeuten, dass unsere Grundrechte Leitbild einer Kultur des guten Zusammenlebens und des gegenseitigen Verständnisses sind. Als ich vor kurzem Grundgesetze verteilt habe, wurde mir wieder bewusst, welche Kraft und Bedeutung unser Grundgesetz für viele hat und wie wichtig gerade jungen Menschen die Einhaltung unserer Grundrechte ist, wie wichtig ihnen Toleranz und Respekt vor den Rechten der Mitmenschen sind. Auch für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft sind Familien ausschlaggebend. Nur durch starke Familien und die Vielfalt in unseren Familien verhindern wir, dass Kinder empfänglich werden für Extremismus. Hierbei ist es völlig egal, ob wir von Links- oder Rechtsextremismus reden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir heute die Reden der Koalition und der Opposition zum Haushalt des Familienministeriums hören, werden wir Unionspolitiker nicht müde, auf die Investitionen und Errungenschaften unserer Familienpolitik hinzuweisen. Die Damen und Herren der Opposition werden wieder und wieder nach mehr Mitteln und größeren Investitionen in diesem oder jenem Projekt rufen. Wir wissen, dass jeder Euro mehr, den wir in die Zukunft eines Kindes stecken, eine gute Investition ist. Jeder Euro, der eine Familie entlastet und für ein glücklicheres, selbstbestimmteres Familienleben sorgt, rechnet sich. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir unseren Kindern und Enkeln einen Haushalt ohne Schuldenberge hinterlassen wollen. Schauen wir in diesen Tagen nach Griechenland: Der 19-jährige Hafenarbeiter in Piräus kann genauso wenig etwas für die Misere, in der sich sein Land befindet, wie die junge Mutter in Thessaloniki, die kaum über die Runden kommt. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum bestrafen Sie sie dann mit Ihrer Politik?) Als Familienpolitiker muss uns die Griechenland-Krise eine permanente Ermahnung sein, solide zu wirtschaften. Wir schulden unseren Kindern nicht nur gut ausgestattete Systeme, Kitas, Schulen, Familienbetreuung und anderes; wir schulden unseren Kindern und Enkeln eine Zukunft, in der sie nicht die Zinsen für unsere Schulden bezahlen müssen, (Beifall bei der CDU/CSU) sondern ihr Leben und die Zukunft ihrer Kinder selbst gestalten können. Deswegen legen wir einen ausgeglichenen Haushalt vor, der die richtigen politischen Schwerpunkte setzt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Sönke Rix für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Sönke Rix (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal habe ich mich gerade gefragt: Was ist denn eine Einheitsfamilie? (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe mich gefragt, ob ich jetzt aus so einer Einheits-Familie komme, weil ich als Westdeutscher eine Ostdeutsche geheiratet habe. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde, das wäre die richtige Bezeichnung. Dann bin ich gerne Mitglied einer Einheitsfamilie, Frau Kollegin. Weder Frau Schwesig noch Frau Gottschalck noch Frau Crone und auch nicht die Redner der Opposition, die ich nicht immer in Schutz nehme, haben jetzt hier triumphierend aufgebrüllt und gesagt: Das Betreuungsgeld ist endlich weg. Wir hatten das schon immer für falsch empfunden. – Ich fand, die Worte von Frau Schwesig dazu waren sehr kontrolliert. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir durften nicht reden!) Sie wissen ja, dass wir im Herzen eigentlich eine andere Sache verfolgt haben. (Beifall bei der SPD) Aber wir haben zugunsten einer gemeinsamen Familienpolitik ein bisschen weniger auf unser Herz gehört. Jetzt haben wir eine neue Situation. Es ist doch nur richtig und wichtig, wenn wir uns im ganzen Haus darüber einig sind, dass die frei werdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld weiterhin den Familien und Kindern zugutekommen. Dieses gemeinsame Ziel ist richtig und gut. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich finde, wir sollten die ideologische Debatte vielleicht ein Stück weit vergessen. „Kinder kriegen die Leute immer.“ Das hat einmal ein anderer Bundeskanzler gesagt. Das war nicht der Bundeskanzler mit dem „Gedöns“. Aber dieser Satz war fast genauso blöd. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LINKEN) Konrad Adenauer hat das gesagt. Wir wissen aber mittlerweile, dass das nicht der Fall ist, sondern es hat auch immer sehr viel mit persönlichen, ganz individuellen Gründen zu tun, warum ich eine Familie gründe. Aber es hat auch immer etwas damit zu tun, in welcher gesellschaftlichen Atmosphäre und unter welchen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ich mich gerade befinde. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben wir bis jetzt sehr gut hinbekommen. Nicht umsonst ist das Bedürfnis, größere Familien zu gründen, jetzt gestiegen. Das hat auch etwas mit der Familienpolitik dieser Koalition zu tun. (Beifall bei der SPD) Das hat aber auch etwas mit dem Elterngeld zu tun. Natürlich spielt auch das eine Rolle bei der Entscheidung, ob ich eine Familie gründe und zu welchem Zeitpunkt ich sie gründe. Natürlich können wir jetzt zwischen Opposition und Regierung darüber streiten, dass es selbstverständlich ist, dass gesetzliche Leistungen auch erfüllt werden. Aber Sie wissen auch: Wir erfüllen nicht nur die alten gesetzlichen Leistungen, sondern wir haben in dieser Wahlperiode die Palette sogar um das Elterngeld Plus erweitert. Wir haben zusätzliche Anreize geschaffen. Wir haben uns nicht auf dem ausgeruht, was wir schon gesetzlich beschlossen haben, sondern wir haben das Ganze erweitert, und das haben wir gerne getan, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD) Es ist auch nicht selbstverständlich, dass ein Parlament, wenn mehr Eltern, mehr Familien Elterngeld in Anspruch nehmen oder überhaupt Leistungen in Anspruch nehmen, manchmal darüber diskutiert, so etwas wieder einzuschränken. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Ich finde es gut, dass es hier eine Selbstverständlichkeit ist, und das sollte auch eine Selbstverständlichkeit bleiben. Das weiß auch das Finanzministerium. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt noch zu ein paar Punkten, über die wir hier heute diskutiert haben, über die wir vor allen Dingen aus dem Grund diskutiert haben, weil wir uns in einer besonderen Zeit befinden. Wir müssen uns um Flüchtlinge kümmern. Da kommt unserem Ministerium, unserem Politikfeld insgesamt natürlich eine sehr große Aufgabe zu. Denn das hat nicht nur etwas mit Baustandards oder Verteilschlüsseln zu tun, es hat auch nicht immer etwas damit zu tun, wie wir das Asylrecht gestalten oder was wir als sichere Herkunftsländer benennen, sondern es hat vor allen Dingen etwas damit zu tun, wie wir die Integration vorantreiben. Ich finde es gut, dass auf dem Gipfel entschieden worden ist, einen zusätzlichen Bereich für weiteres zusätzliches bürgerschaftliches Engagement zu schaffen. Denn die Bundesfreiwilligendienstler, die wir jetzt zusätzlich einsetzen wollen, sind kein Ersatz für hauptamtliche Arbeit, die auch weiterhin in diesem Bereich geleistet werden muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde es nur gut und richtig, dass wir die Zivilgesellschaft ermuntern, sich in dem Bereich Flüchtlingshilfe zu engagieren. Wir brauchen die Zivilgesellschaft und auch die besondere Form der Zivilgesellschaft, also die Freiwilligendienste, in genau diesem Bereich. Warum brauchen wir sie? Die Akzeptanz für die Flüchtlinge bekommen wir nur dann, wenn sie auch zivilgesellschaftlich anerkannt sind. Deshalb ist es gut, dass wir im Bereich bürgerschaftliches Engagement noch eine Schippe drauflegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine zweite Sache gilt; auch das gehört zum Zusammenhalt der Gesellschaft. Es stellt sich nicht nur die Frage, wie wir die Strukturen des bürgerschaftlichen Engagements stärken – wir brauchen zusätzliche Strukturen –, sondern wir sollten auch noch einmal darüber nachdenken, ob wir nicht auf Bundesebene festere Strukturen zur hauptamtlichen Betreuung und Koordinierung schaffen. Als zweiten Punkt müssen wir bei der Demokratieförderung eine Schippe drauflegen – wir haben das schon einmal als Parlament getan – und sagen: Wir nehmen unsere eigenen Beschlüsse jetzt auch richtig ernst, nicht nur vor dem Hintergrund der jetzigen Herausforderungen und der Bilder, die wir gerade von Flüchtlingsheimen gesehen haben, sondern auch vor dem Hintergrund, was wir als Parlament gemeinsam anlässlich des NSU-Untersuchungsausschusses beschlossen haben. Ich finde, da können wir als Parlament gemeinsam im Rahmen der Haushaltberatungen für zusätzliche Mittel sorgen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein letzter Punkt: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Ich glaube, dass wir mit dem Gesetzentwurf den Ländern und Kommunen sehr stark entgegenkommen. Wir werden ihn demnächst in einer Anhörung, dann im Ausschuss und dann im Parlament beraten. Bis jetzt sind die Rückmeldungen, zumindest die, die ich aus den Ländern und von den Kommunen gehört habe, dass das zu einer großen Entlastung beitragen wird. Wir wissen aber auch, dass es zusätzliche Mittel auch vor Ort bei den Jugendbehörden wird geben müssen; das ist doch klar. Sie haben zusätzliche Aufgaben zu erfüllen; die haben sie jetzt schon in Teilen zu erfüllen. Deshalb wäre es nur gut und richtig, wenn im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsgipfel, der auf uns zukommt, auch über diese Finanzierung nachgedacht wird. Unter dem Strich: Die Herausforderungen der aktuellen Zeit sind berücksichtigt. Die Herausforderungen, die wir insgesamt haben, sind berücksichtigt. Aber ein Parlament kann auch immer noch ein bisschen mehr berücksichtigen. Von daher freue ich mich auf die Haushaltsberatungen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Alois Rainer hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Alois Rainer (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den wesentlichen Zielen der Familienpolitik gehört es, Familien und Kinder wirksam zu unterstützen und zu fördern; denn Ehe und Familie sind das Fundament unserer Gesellschaft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Daher ist es für uns auch ein besonderes Anliegen, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Menschen in Deutschland ihren Wunsch nach Kindern und Familie verwirklichen können. Folglich ist es auch richtig, dass wir unsere solide, verlässliche und auch stabilitätsorientierte Politik weiter fortsetzen. Wir wollen eine Politik, die das Miteinander aller Menschen in unserem Land fördert, eine familienfreundliche Gesellschaft und eine Gesellschaft, in der alle Generationen willkommen sind. Aus diesem Grund sprechen wir heute beim vorliegenden Haushaltsentwurf über einen Gesamtansatz von rund 9,183 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Aufwuchs – das haben wir schon gehört; aber ich sage es gerne noch einmal – gegenüber dem Soll von 2015 um etwa 647 Millionen Euro; prozentual gesehen sind das 7,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Es ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch der Einzelplan, der in dieser Legislaturperiode prozentual am stärksten anwächst. Der Bundesfinanzminister hat demzufolge viel für die Familien übrig. (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich zunächst auf die gesetzlichen Leistungen eingehen; dazu ist schon viel gesagt worden. Insgesamt betragen diese Leistungen knapp 87 Prozent des gesamten Haushalts im Einzelplan 17. Im Wesentlichen ist es das heute schon oft angesprochene und im Jahr 2007 eingeführte Elterngeld mit rund 5,8 Milliarden Euro für das Jahr 2016. Auch in den folgenden Jahren gehen wir auf die sehr positive Entwicklung beim Elterngeld ein. So werden die Mittel für das Elterngeld um 245 Millionen Euro angehoben. Das sind insgesamt 63 Prozent des Ausgabenrahmens im Einzelplan 17. Lieber Herr Kollege, ich habe vorhin von Ihnen gehört: Das ist selbstverständlich. – 5,8 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, ist für mich als Haushälter nicht selbstverständlich. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich finde das Elterngeld sehr gut und hervorragend. Es wurde gut eingeführt und gut weitergeführt. Aber 5,8 Milliarden Euro sind beileibe keine Selbstverständlichkeit. Das darf an dieser Stelle auch in einer Haushaltsdebatte gesagt werden. Nach gut acht Jahren ist das Elterngeld wahrlich ein Erfolgsmodell. Es wird immer beliebter. Auch ich als Mann finde es gut, dass immer mehr Männer, Väter, es in Anspruch nehmen. Während es im Jahr 2007 noch etwa 18 Prozent der Väter waren, ist der Anteil in den folgenden Jahren stetig gestiegen. Neben dieser wichtigen Leistung wurden alle Ansätze bedarfsgerecht angepasst. Auch die Alleinerziehenden wurden dementsprechend berücksichtigt. Liebe Uli Gottschalck, für uns sind die Mehrgenerationenhäuser ja immer ein Thema. Ich denke, wir haben es jetzt einigermaßen geschafft, dass die Mittel hierfür verstetigt werden. Es begann mit einem Pilotprojekt, das dann weitergeführt worden ist. Ich bedanke mich auch bei den weiteren Haushältern, die uns hierbei unterstützt haben. Als CSU-Politiker natürlich einige Sätze zum Betreuungsgeld. Ich weiß nicht, ob es heute eine Rednerin oder einen Redner gegeben hat, die oder der nicht über das Betreuungsgeld referiert hat; es ist vieles gesagt worden. Das Bundesverfassungsgericht sah in diesem Zusammenhang das Fehlen der Gesetzgebungskompetenz beim Bund, sodass schlussfolgernd die Länder für das Betreuungsgeld zuständig sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie können sich sicher sein, dass wir die Menschen nicht alleine lassen. Alle Anträge, die vor der Verkündung des Urteils bewilligt wurden, genießen selbstverständlich Vertrauensschutz und werden dementsprechend haushalterisch erfasst; das hat auch die Ministerin schon gesagt. In den letzten Wochen – und noch immer – gingen ja die tollsten Überlegungen zum Betreuungsgeld durch die Medien. Es muss zunächst einmal ganz deutlich gesagt werden, dass die 1 Milliarde Euro aus dem Wegfall des Betreuungsgeldes nicht zur Gänze zur Verfügung steht. Abgesehen davon finde ich es aber schon gut, dass sich so viele Köpfe darüber Gedanken machen, was denn nun aus dem Betreuungsgeld wird. Sie können sich sicher sein, dass wir auch in dieser Angelegenheit eine gemeinsame, gute Lösung finden werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gehen Sie fest davon aus – ich gehe auf alle Fälle davon aus –, dass das Betreuungsgeld in Bayern weiterhin gezahlt wird. (Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: In Bayern?) – Ja. Eines ist in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen: Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil auf unser im Grundgesetz verankertes föderales System ein. Hier muss schon die Frage erlaubt sein, inwieweit der Bund für manch geforderte Leistungen auf Länder- bzw. auf kommunaler Ebene überhaupt zuständig ist. Der junge Kollege der Linken ist ja schon weg. Ihm hätte ich das gerne mit auf den Weg gegeben. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Vereinbarkeit von Familie und Beruf!) – Ja, ja. Ich möchte nicht unerwähnt lassen – auch das ist vorhin schon gesagt worden –, dass nicht nur der Bund Steuermehreinnahmen hatte, sondern auch Länder und Kommunen. Wenn wir schon über Verteilung sprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann müssen wir uns gerade auch mit Blick auf die jetzige Situation über eine Änderung des Grundgesetzes unterhalten. Eine direkte Unterstützung der Kommunen kann nur dann sichergestellt werden, wenn das Geld auch da ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Und wir wissen, dass das momentan bei den Kommunen der Fall ist. Es ist immer wieder davon die Rede, dass wir die Kommunen stärker unterstützen müssen. Ich kann nur sagen: Von 2010 bis 2019 werden die Kommunen vom Bund mit 150 Milliarden Euro unterstützt. Das gab es in dieser Form noch nie. Vielen herzlichen Dank an diejenigen, die hierfür Verantwortung tragen! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dabei sind die 3 Milliarden Euro noch nicht berücksichtigt, die am vergangenen Sonntag im Koalitionsgipfel für die Länder und Kommunen ausgehandelt worden sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über Familien sprechen, dann sprechen wir auch über Familien und Menschen, die aus den Kriegsgebieten flüchten. Die außenpolitische Situation im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere der furchtbare Krieg in Syrien und die menschenverachtenden Gräueltaten durch den IS-Terror führen dazu, dass Menschen ihre Heimat verlassen, ja verlassen müssen. Sie alle kennen die Bilder, die über den Ticker laufen. Es ist furchtbar. Dass wir den Menschen helfen, die unsere Hilfe benötigen, steht nicht zur Debatte. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schon jetzt engagieren sich viele Bürgerinnen und Bürger und helfen bei der Flüchtlingshilfe. Das ist ein großartiges Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Menschen in Deutschland für das große Verständnis. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Auch Bundesfreiwillige werden eingesetzt, um Flüchtlinge und Flüchtlingsfamilien in der Anfangsphase zu begleiten. Auch ist es ein gutes Signal, dass beim Bundesfreiwilligendienst zur Unterstützung der Menschen in Not 10 000 zusätzliche Stellen eingerichtet werden sollen. Schon jetzt fördert der Bundesfreiwilligendienst zivilgesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement von Frauen und Männern aller Generationen in unserem Land. In Zahlen ausgedrückt sind für den Bundesfreiwilligendienst bisher 167 Millionen Euro jährlich vorgesehen. Für die 10 000 zusätzlichen Stellen kommen weitere 43 Millionen Euro hinzu. Das ist ein Pfund, das wir den Ehrenamtlichen zugestehen wollen. Das ist auch gut. Wir schätzen die ehrenamtliche Arbeit in Deutschland wie Sie, Frau Ministerin, und das nicht erst jetzt, sondern schon seit vielen Jahren. Das, was die Ehrenamtlichen leisten, könnten wir hauptamtlich gar nicht machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wie das Ganze am Ende der Tage ausgearbeitet wird, muss in den nächsten Wochen besprochen werden. Ich bin überzeugt, dass das BAFzA diese Aufgabe wie viele andere auch wieder erfolgreich meistern wird. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Rainer, wir müssen jetzt auch mit der Zeit haushalten. Ich bitte, das Zeichen zu beachten. Alois Rainer (CDU/CSU): Ja, ich bin sofort fertig. Es ist das erste Mal, dass ich überzogen habe, Frau Präsidentin. Ich finde, wir haben einen Entwurf vorliegen, mit dem man sehr gut arbeiten kann. Ich freue mich auf die Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern, dem Haushaltausschuss und den Verantwortlichen im Ministerium, und ich lade Sie alle ein, konstruktiv und vor allem sehr aktiv an den kommenden Beratungen teilzunehmen. Ich bin überzeugt, dass wir dann für unsere Familien und für alle Generationen in Deutschland ein gutes Ergebnis erreichen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 11. September 2015, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.49 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2015 Becker, Dirk SPD 10.09.2015 Brandl, Dr. Reinhard CDU/CSU 10.09.2015 De Ridder, Dr. Daniela SPD 10.09.2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2015 Grindel, Reinhard CDU/CSU 10.09.2015 Groth, Annette DIE LINKE 10.09.2015 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 10.09.2015 Hirte, Dr. Heribert CDU/CSU 10.09.2015 Kassner, Kerstin DIE LINKE 10.09.2015 Kiziltepe, Cansel SPD 10.09.2015 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2015 Kolbe, Daniela SPD 10.09.2015 Lenkert, Ralph DIE LINKE 10.09.2015 Maizière, Dr. Thomas de CDU/CSU 10.09.2015 Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2015 Mortler, Marlene CDU/CSU 10.09.2015 Obermeier, Julia CDU/CSU 10.09.2015 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 10.09.2015 Pilger, Detlev SPD 10.09.2015 Renner, Martina DIE LINKE 10.09.2015 Röspel, René SPD 10.09.2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2015 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 10.09.2015 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2015 Werner, Katrin DIE LINKE 10.09.2015 II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 121. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 10. September 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 121. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 10. September 2015 11761 Plenarprotokoll 18/121