Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 138. Sitzung Berlin, Dienstag, den 24. November 2015 Inhalt: Gedenken an die Opfer der Pariser Attentate 13497 A Begrüßung der Delegation von Parlamentariern aus Usbekistan unter Vorsitz von Herrn Shadmanov 13518 D Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksachen 18/5500, 18/5502 13498 B b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127 13498 B I.1 Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksachen 18/6124, 18/6125 13498 B I.2 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag Drucksachen 18/6102, 18/6124 13498 B I.3 Einzelplan 03 Bundesrat Drucksachen 18/6124, 18/6125 13498 C I.4 a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen Drucksachen 18/6108, 18/6124 13498 C b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof Drucksachen 18/6124, 18/6125 13498 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 13498 D Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) 13500 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13501 D Johannes Kahrs (SPD) 13503 A Dr. Axel Troost (DIE LINKE) 13504 D Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 13506 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13507 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13508 D Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) 13510 B Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) 13511 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) 13513 D Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) 13515 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) 13516 A Carsten Körber (CDU/CSU) 13517 D I.5 Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/6115, 18/6124 13519 B Heidrun Bluhm (DIE LINKE) 13519 B Steffen-Claudio Lemme (SPD) 13521 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13522 A Josef Rief (CDU/CSU) 13523 C Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB 13525 B Roland Claus (DIE LINKE) 13526 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) 13527 C Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) 13528 D Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13531 C Carsten Träger (SPD) 13532 D Christian Hirte (CDU/CSU) 13533 D Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 13535 A Sören Bartol (SPD) 13536 B Christian Haase (CDU/CSU) 13537 C I.6 a) Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Drucksachen 18/6106, 18/6124 13540 A b) Einzelplan 21 Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Drucksachen 18/6119, 18/6124 13540 A Roland Claus (DIE LINKE) 13540 B Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 13541 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13543 A Martin Gerster (SPD) 13544 B Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI 13546 B Frank Tempel (DIE LINKE) 13548 C Dr. Eva Högl (SPD) 13549 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13551 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 13553 A Dr. Lars Castellucci (SPD) 13554 D Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 13556 A Frank Tempel (DIE LINKE) 13557 C Susanne Mittag (SPD) 13558 D I.7 a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Drucksachen 18/6107,18/6124 13560 B b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Drucksachen 18/6124, 18/6125 13560 B Caren Lay (DIE LINKE) 13560 B Dennis Rohde (SPD) 13562 A Caren Lay (DIE LINKE) 13562 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13564 B Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) 13565 C Heiko Maas, Bundesminister BMJV 13568 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 13570 B Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) 13571 B Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13573 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 13575 A Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) 13575 C Metin Hakverdi (SPD) 13577 D Michael Frieser (CDU/CSU) 13578 D I.8 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/6124, 18/6125 13580 B Roland Claus (DIE LINKE) 13580 C Anette Hübinger (CDU/CSU) 13581 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13583 B Swen Schulz (Spandau) (SPD) 13584 C Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 13587 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) 13590 A Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) 13591 B Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13593 A Stephan Albani (CDU/CSU) 13593 D Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 13595 C Saskia Esken (SPD) 13596 A Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) 13597 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) 13598 D Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) 13599 B René Röspel (SPD) 13599 B Nächste Sitzung 13601 B Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 13603 A 138. Sitzung Berlin, Dienstag, den 24. November 2015 Beginn: 10.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, von Ihren Plätzen erhoben zu bleiben. Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch am Abend unseres letzten Sitzungstages wurde Paris von einer brutalen Serie von Terroranschlägen heimgesucht - zum zweiten Mal in diesem Jahr. Noch immer kämpfen Menschen, die feiernd ins Wochenende starten wollten, um ihr Leben. Der Deutsche Bundestag trauert mit allen Franzosen um die vielen Opfer dieser mörderischen Attacke auf ihre Hauptstadt. Unseren Kolleginnen und Kollegen in der Nationalversammlung habe ich bereits am Morgen nach den Anschlägen unser Mitgefühl übermittelt. Seit diesen Ereignissen haben sich manche politische Prioritäten verschoben, nicht nur in Frankreich, sondern auch in unserem Land. Der Terror betrifft uns alle, und er kennt keine Grenzen. Wir denken nicht nur an die Opfer in Paris, sondern ebenso an die über 200 russischen Passagiere, die auf dem Rückflug von ihrem Urlaubsort Ägypten waren, an die Hotelgäste in Bamako und Mogadischu, an die Menschen in Sarajevo, in Bagdad und Beirut, die alle in den vergangenen drei Wochen bei Terroranschlägen jäh aus ihrem Leben gerissen wurden. Die Zahl unschuldiger Opfer fanatischer Terroristen hat weltweit einen erschreckenden Höchststand erreicht: Im Verlauf des letzten Jahres hat es über 32 000 Opfer gegeben. Weit über die Hälfte aller Terrorangriffe und fast 80 Prozent aller Todesfälle konzentrierten sich dabei auf fünf Länder: Afghanistan, Irak, Nigeria, Pakistan und Syrien. Zehn der elf am stärksten vom Terrorismus betroffenen Länder weisen auch die höchsten Flüchtlingszahlen auf. Der Terror ist uns sehr nahe gerückt, seine Bedrohung ist real. Ihre blutigste Spur ziehen die Islamisten vor allem in den Staaten, in denen die meisten ihrer Glaubensbrüder leben - dort, wo vielerorts Krieg herrscht, der dem Terrorismus wiederum als Nährboden dient und dem Menschen entfliehen wollen, die zu uns strömen, um unseren Schutz zu suchen. Wir bekennen uns - auch und gerade unter dem Eindruck menschenverachtender, brutaler Mordanschläge - zur Humanität als Leitlinie politischen Handelns. Aber wir werden Humanität nicht mit Naivität verwechseln. Wir werden Muslimen wie Christen und Juden mit Respekt begegnen - und religiösen Fanatikern mit der gebotenen Härte. Es gibt nichts, was die terroristische Barbarei rechtfertigen könnte - keine politische Idee, kein Glaube und keine Religion. Weil dies im Namen Allahs trotzdem geschieht, wiederhole ich, was ich im Januar dieses Jahres hier im Bundestag gesagt habe: Unser Gegner ist nicht der Islam, sondern der Fanatismus, nicht Religion, sondern Fundamentalismus. Aber es reicht eben auch nicht, zu sagen, dass die Gewalt nichts mit dem Islam zu tun habe. Zitat: "In dem Augenblick, da sich Terroristen auf den Islam berufen, hat der Terror auch etwas mit dem Islam zu tun", hat Navid Kermani im Januar in Köln gesagt, und er hat alle Muslime dazu aufgerufen - Zitat -, "die Fratze abzureißen, die das Gesicht unserer Religion entstellt". Im Selbstverständnis einer jeden freien Gesellschaft begründet sich auch unsere Pflicht, diese Freiheit vor denen zu schützen, die sie angreifen. Wir wissen um die Verwundbarkeit der Freiheit: Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit ist nicht kostenlos aufzulösen. Wir stehen immer wieder vor schwierigen Abwägungsprozessen - und wir werden Entscheidungen treffen müssen, damit wir auch unter den gegenwärtigen Bedingungen größtmögliche Freiheit und Sicherheit gewährleisten können. Helmut Schmidt, den wir gestern in Hamburg zu Grabe getragen haben, hat am Ende des sogenannten Deutschen Herbstes, im Oktober 1977, über politisches Handeln im Zeichen des Terrorismus hier im Bundestag gesagt: Wer weiß, daß er so oder so, trotz allen Bemühens, mit Versäumnis und Schuld belastet sein wird, wie immer er handelt, der wird von sich selbst nicht sagen wollen, er habe alles getan und alles sei richtig gewesen. Er wird nicht versuchen, Schuld und Versäumnis den anderen zuzuschieben; denn er weiß: Die anderen stehen vor der gleichen unausweichlichen Verstrickung. Wohl aber wird er sagen dürfen: Dieses und dieses haben wir entschieden, jenes und jenes haben wir aus diesen oder jenen Gründen unterlassen. Alles dies haben wir zu verantworten. ... Zu dieser Verantwortung stehen wir auch in Zukunft. Zu dieser Verantwortung wollen auch wir stehen, wenn wir im Anschluss in unserer Haushaltsdebatte mit den dort vorgenommenen Prioritäten für unsere politischen Aktivitäten eintreten. Ausdrücklich danken will ich zuvor aber allen Sicherheitskräften und -behörden, die seit den Anschlägen von Paris in erhöhter Alarmbereitschaft ihren Dienst leisten. Die Notwendigkeit und die Bedeutung ihrer Arbeit - das haben uns die letzten Tage gezeigt - sind nicht hoch genug einzuschätzen. Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Angehörigen der Getöteten und den vielen Verletzten. Ich danke Ihnen. (Die Anwesenden nehmen Platz) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe die Tagesordnungspunkte I a und b auf: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksachen 18/5500, 18/5502 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127 Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.1 auf: Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksachen 18/6124, 18/6125 Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dietmar Bartsch und Ekin Deligöz. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Einzelplan einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf: Einzelplan 02 Deutscher Bundestag Drucksachen 18/6102, 18/6124 Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen Johannes Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland Claus und Anja Hajduk. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 02 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist auch dieser Einzelplan einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf: Einzelplan 03 Bundesrat Drucksachen 18/6124, 18/6125 Berichterstatter sind die Abgeordneten Ulrich Freese, Kerstin Radomski, Heidrun Bluhm und Tobias Lindner. Über den Einzelplan 03 stimmen wir jetzt in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist auch der Einzelplan des Bundesrates einstimmig angenommen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt I.4 auf: a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen Drucksachen 18/6108, 18/6124 b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof Drucksachen 18/6124, 18/6125 Berichterstatter zum Einzelplan 08 sind die Abgeordneten André Berghegger, Hans-Ulrich Krüger, Gesine Lötzsch und Tobias Lindner. Berichterstatter zum Einzelplan 20 sind Michael Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn und Tobias Lindner. Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Kollegin Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den eindringlichen Worten des Präsidenten zu Beginn unserer Sitzung fragt man sich natürlich: Wird diese Bundesregierung ihren Aufgaben gerecht? Wir als Linke müssen diese Frage leider mit Nein beantworten. Diese Bundesregierung wird ihren Aufgaben überhaupt nicht gerecht. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung und die Koalition aus Union und SPD stellen sich in der Öffentlichkeit als Panikorchester dar. (Johannes Kahrs [SPD]: Na, na!) Die Dirigentin Merkel wird vom Orchester ignoriert, und der CSU-Vorsitzende Seehofer gibt unaufgefordert ein schräges Solo nach dem anderen. Finanzminister Schäuble hat den Taktstock schon fest in der Hand und gibt den Schattenkanzler. Es vergeht keine Woche, Herr Schäuble, in der Sie nicht mit boshaften Formulierungen die Stimmung gegen die Flüchtlinge anheizen. Sie haben von "Lawinen" gesprochen, als es um Flüchtlinge, also Menschen, ging. Ich finde, das ist mit einem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie, Herr Schäuble, haben verfassungswidrige Vorschläge unterbreitet; zum Beispiel haben Sie den Einsatz der Bundeswehr im Innern gefordert. Mindestens einmal in der Woche ruft Herr Seehofer den Notstand aus und sieht die Belastungsgrenze erreicht. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, ich fordere Sie auf: Reden Sie lieber über die Ursachen der Flucht! Reden Sie über Krieg, über Elend, und lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es in dieser Welt keinen Krieg mehr gibt. (Beifall bei der LINKEN) Wer nun den Haushalt liest, muss relativ unaufgeregt feststellen, dass im Haushalt von Notstand keine Rede sein kann. Die Unterbringung und die Versorgung von Flüchtlingen führen nicht dazu, dass der Finanzminister neue Schulden aufnehmen muss. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Woran liegt das? Gute Politik!) Er kann das alles aus den laufenden Einnahmen finanzieren. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Super!) Das sah 2008, in der Finanzkrise, ganz anders aus: Innerhalb einer Woche wurden 480 Milliarden Euro zur Rettung von maroden Banken bereitgestellt. Die Steuerzahler wurden für die Kasinokosten der Banken zur Kasse gebeten, und die Staatsverschuldung schoss in die Höhe. Das war ein echter Notstand; (Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]) aber damals haben weder Seehofer noch Schäuble dieses Wort in den Mund genommen, und sie waren nicht der Meinung, dass bei 480 Milliarden Euro eine Belastungsgrenze erreicht sei. Damals hätte man von einem Notstand sprechen müssen! (Beifall bei der LINKEN) Die Koalitionsfraktionen sagen nun, dass sie für 2016 circa 7,5 bis 8 Milliarden Euro für die Flüchtlinge bereitgestellt hätten. Ich sage Ihnen: Das ist nicht ganz richtig; denn die neuen Stellen für die Bundespolizei zum Beispiel sind ja nicht in erster Linie für die psychologische Betreuung der Flüchtlinge gedacht. Die Bundespolizisten sollen auch dafür sorgen, dass Flüchtlinge abgeschoben und die Grenzen dichtgemacht werden. Ich finde, das ist nicht die richtige Priorität. Die richtigen Prioritäten für mehr Sicherheit in unserem Land sind Integration und die Beendigung einer nicht friedlichen Außenpolitik. (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Geht es eigentlich jetzt um Haushalt?) Besonders die Auseinandersetzung um die Sprachkurse für Flüchtlinge finde ich sehr bezeichnend. Finanzminister Schäuble meinte, dass die Flüchtlinge nicht nur 1,39 Euro pro Monat für die Sprachkurse zahlen sollen, sondern 36 Euro. Die Begründung, die aus dem Finanzministerium zu hören war, hieß - ich zitiere -: Der Spracherwerb schaffe erst "die elementare Voraussetzung dafür ... im späteren Verlauf auch andere Angebote in Anspruch zu nehmen". Was ist denn das für eine Begründung? Herr Schäuble, ich frage Sie: Wie viel Geld haben Sie von den Bankvorständen zurückgefordert, als wir die schlimmste Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten? Wenn es um Hartz IV, Kindergeld, Flüchtlinge und Alleinerziehende geht, werden Sie zum Pfennigfuchser. Wenn es aber um Ihre CDU-Klientel geht, die Vermögenden, dann kennt Ihre Großzügigkeit keine Grenzen. Wann wollen wir endlich für eine gerechte Besteuerung der Vermögenden in unserem Land sorgen? Ich finde, das ist die Aufgabe der Stunde. (Beifall bei der LINKEN) Die von der SPD eingeführte Abgeltungsteuer war ein Geschenk an die, die hohe Kapitaleinkünfte haben. Allein die Dividendenkönigin des Jahres 2015, Frau Schaeffler und ihre Familie, haben nach Berechnungen der Wirtschaftswoche 549 Millionen Euro an Ausschüttungen eingestrichen. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, aber Dividenden haben damit nichts zu tun! Das muss man aber wissen, Frau Lötzsch! Es geht um Zinsen!) Es ist doch nicht gerecht, dass Kapitaleinkünfte steuerlich besser behandelt werden als Arbeitseinkünfte. Wir als Linke fordern die sofortige Abschaffung der Abgeltungsteuer. Dann hätten wir wesentlich mehr Geld in der Kasse. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Johannes Kahrs [SPD]: Bei den jetzigen Zinssätzen macht das gar nichts!) Mit dem Bundeshaushalt versucht die Bundesregierung nur die allernötigsten Aufgaben abzusichern. Doch es wäre jetzt an der Zeit, einen Haushalt zu beschließen, der unsere Zukunft absichert. Die Linke hat deshalb ein Investitionsprogramm für die Zukunft vorgeschlagen. Ein solches Programm würde die Erfüllung von zwei Aufgaben gleichzeitig möglich machen: Modernisierung unserer Gesellschaft und Integration von Flüchtlingen. Sie alle wissen: Wir haben in Deutschland einen riesigen Investitionsstau. Investitionen in Wohnungen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Theater und Schwimmhallen sind für alle gut. Sie schaffen Arbeitsplätze für die Menschen, die schon hier sind, und für die, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Für solch ein Programm - das kann ich nur noch einmal unterstreichen - müsste man keine neuen Schulden aufnehmen, wenn man Vermögen gerecht besteuern würde. (Beifall bei der LINKEN) Ihre Angst, meine Damen und Herren, insbesondere von der Union, vor der Macht der Vermögenden setzt die Zukunft unserer Gesellschaft aufs Spiel. Gerechtigkeit geht anders. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Johannes Kahrs [SPD]: Guter Mann!) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zum Bundeshaushalt, zu in Zahlen gegossener Politik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Frau Lötzsch, wir als Regierungsfraktionen nehmen gerne das Lob entgegen, dass wir die Herausforderungen des Jahres 2016 und der nächsten Jahre ohne neue Schulden meistern. Das ist Politik, die CDU, CSU und SPD am 12. und 13. November gemeinsam im Haushaltsausschuss beschlossen haben. Wir haben in wichtigen Politikbereichen die Grundlage der Bundesregierung durch Aufschläge verstärkt. Wir werden im Jahr 2016 8 Milliarden Euro für das Thema "Herausforderung Flüchtlinge/Asylbewerber" ausgeben. Davon geht fast die Hälfte an Länder und Kommunen. Hier ist die Herausforderung nicht mehr die Höhe der Mittel, die der Bund bereitstellt, sondern die Herausforderung ist in vielen Ländern - nicht in Bayern, nicht im Saarland und nicht in Mecklenburg-Vorpommern -, dass das Geld, das wir als Bund an die Länder ausreichen, auch bei den Kommunen ankommt. Das sehe ich als gemeinsame große Herausforderung an. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir geben mehr als jeden zweiten Euro des Bundeshaushalts für Soziales aus. Im Jahr 2015 sind es 153 Milliarden Euro. Dieser Betrag wird im Jahr 2019 auf 172 Milliarden Euro aufwachsen. Gleichzeitig, Frau Kollegin Lötzsch, investieren wir in die Zukunft. Ich mache das nur an zwei Beispielen klar: Im Bereich Bildung und Forschung steigern wir die Ausgaben des Jahres 2014 bis zum nächsten Jahr von 14 Milliarden Euro auf 16,4 Milliarden Euro - plus 2,4 Milliarden Euro -, und im Verkehrsbereich erhöhen wir die Mittel von 10,2 Milliarden Euro auf 12,3 Milliarden Euro. Das heißt, in den letzten drei Jahren wurden keine neuen Schulden aufgenommen, sondern es wurden Investitionen in Wachstum und Beschäftigung, Bildung und Forschung und in die Verkehrsinfrastruktur getätigt. Wir haben, liebe Frau Lötzsch, überhaupt keinen Nachholbedarf - weder die CDU noch die CSU noch die SPD -, wenn es um die Sicherstellung der Zukunft in Deutschland geht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ja, wir meistern die Herausforderungen. Schon im Jahr 2015, in diesem Jahr, geben wir 5 Milliarden Euro mehr aus. Es werden 2 Milliarden Euro für Flüchtlinge und zusätzliche Mittel für den Energie- und Klimafonds bereitgestellt. Wir entlasten Familien - Stichworte: Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag - dieses Jahr um 750 Millionen Euro. Im nächsten Jahr wird die Entlastung der Familien gesamtstaatlich 5,5 Milliarden Euro kosten, den Bund 2,5 Milliarden Euro. Da kann man nun wahrlich nicht davon reden, dass sich die Regierungsfraktionen nicht den Herausforderungen stellen, sondern - ganz im Gegenteil - das ist Ausgewogenheit: zwischen investieren, Wachstum und Beschäftigung generieren und dabei die soziale Balance nicht aus den Augen verlieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor wenigen Tagen jährte sich die Kanzlerschaft von Angela Merkel zum zehnten Mal. In der Zeit der Regierung Merkel - das gilt sowohl für die Große Koalition von 2005 bis 2009 als auch für die Koalition von 2009 bis 2013 und für diese Große Koalition - hat der Bund Länder und Kommunen mehr unterstützt als je zuvor, und das bei Aufgaben, für die der Bund eigentlich nicht zuständig ist; der Bundesrechnungshof kritisiert uns dafür. (Zuruf der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Trotz der Herausforderung durch die Flüchtlinge werden wir das Zugesagte in den Jahren 2015 bis 2018 einhalten. Das heißt, wir werden an Länder und Kommunen insgesamt Mittel in Höhe von 13 Milliarden Euro überweisen. Das kommunale Investitionsprogramm hat ein Volumen von 3,5 Milliarden Euro. Zusätzlich werden den Ländern - ungebunden über die Verteilung der Umsatzsteuerpunkte - weitere Mittel in Höhe von 9,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen 18,5 Milliarden Euro im Rahmen der Zuweisungen. Dabei geht es um Leistungen der Grundsicherung im Alter, Entflechtungsmittel, BAföG usw. usf. Auch hier wieder ein Appell an uns alle - über alle Fraktionsgrenzen hinweg -: Achten wir in den Ländern - dort, wo wir Verantwortung tragen, aber auch dort, wo wir in der Opposition sind - darauf, dass diese Mittel wirklich dort ankommen, wo sie hingehören! Von diesen 18,5 Milliarden Euro gehören nämlich 11,5 Milliarden Euro eigentlich den Kommunen. Dieses Geld darf nicht zur Sanierung von Länderhaushalten zweckentfremdet werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das, glaube ich, muss einmal gesagt werden: Für die Jahre 2014 bis 2020 wird ein Aufwuchs der Steuereinnahmen um 152 Milliarden Euro prognostiziert. Davon entfallen 64 Milliarden Euro auf den Bund, gute 60 Milliarden Euro auf die Länder und 21,4 Milliarden Euro auf die Kommunen. Das heißt, von 1 Euro Steuermehreinnahmen bekommt der Bund 44 Cent, Länder und Kommunen aber 56 Cent. Wenn jetzt schon wieder neue Forderungen von den Ländern an den Bund herangetragen werden - Stichwort: Unterbringung von Asylbewerbern -, muss klar und deutlich gesagt werden: Wahr ist, dass der Bund in seinen Liegenschaften 125 000 Flüchtlinge untergebracht hat, und auch die Herrichtungskosten für diese Liegenschaften hat der Bund getragen. Das führt bei der BImA zu Mindereinnahmen von rund 315 Millionen Euro. Deswegen: Wenn die Länder die Herausforderung der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge als nationale Aufgabe betrachten - so haben sie sie ja bezeichnet -, dann erwarte ich von den Ländern, dass sie auch ihren Beitrag zur Erfüllung dieser nationalen Aufgabe leisten und nicht immer auf den Bund zeigen. Hier ist auch ein Stückchen Eigenverantwortung gefragt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der Koalition gemeinsam vereinbart - das war 36 Stunden vor den Terroranschlägen in Paris -, dass wir die Nachrichtendienste personell und materiell massiv unterstützen werden. Ich glaube, das war ein guter, wichtiger und richtiger Schritt zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und zur Bekämpfung des Islamismus, wofür zusätzliches Personal und zusätzliche Technik eingesetzt werden sollen. Ich will jetzt aber nicht näher darauf eingehen. Ich glaube, hier hat die Koalition vorausschauend gehandelt, ohne einen situationsbezogenen Anlass gehabt zu haben. Frau Lötzsch, Sie werden den Terrorismus nicht mit irgendwelchen Friedensstiftungen bekämpfen können. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Doch! Mit Friedensstiftungen!) Wir werden die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt massiv weiter aufbauen. Deshalb stellen wir im Einzelplan des Innenministeriums fast 1 Milliarde Euro zusätzlich für die innere Sicherheit zur Verfügung. Ich glaube, auch hier haben wir vorausschauend gehandelt, ohne dass es dafür einen Anlass gegeben hat. Ich denke, dass dies nicht nur deutlich macht, wie wichtig der Regierungskoalition die innere Sicherheit ist, sondern das ist auch eine Wertschätzung unserer Sicherheitsbehörden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich an dieser Stelle wirklich ganz herzlich beim Koalitionspartner bedanken. Ich glaube, Johannes Kahrs, jeder findet sich in dem, was wir am 13. November gemeinsam beschlossen haben, wieder. Ich will nur einige wenige Punkte nennen, die für die Unionsfraktion wichtig waren. Ich glaube, es war ein wichtiges Zeichen, dass wir die schwierige Situation der Landwirte etwas abmildern. Wir werden 78 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für die landwirtschaftliche Unfallversicherung bereitstellen. Das ist nicht nur, wie manche suggerieren, eine Hilfe für die Landwirte in Bayern, sondern das ist eine Hilfe von Kap Arkona bis nach Garmisch-Partenkirchen. Zusätzlich werden wir 30 Millionen Euro für ein Programm für die ländlichen Räume bereitstellen. Ich glaube, gerade mit Blick auf die ländlichen Räume, auf die strukturschwachen Räume ist dies eine gute Hilfe, um auch dem demografischen Wandel entgegenzutreten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich ein Letztes sagen, was nicht nur mir persönlich, sondern auch vielen Kolleginnen und Kollegen in der Unionsfraktion seit vielen Jahren ein Anliegen ist: Ich stehe dazu - und das gilt auch für unsere Fraktion -, dass wir 70 Jahre nach Kriegsende eine symbolische Anerkennung für sowjetische Kriegsgefangene im Bundeshaushalt festgelegt haben. Ich glaube aber, genauso richtig ist es, dass wir auch den zivilen deutschen Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkrieges und danach zwangsverschleppt worden sind - egal wohin -, eine symbolische Anerkennung zuteilwerden lassen. Ich glaube, 70 Jahre nach Kriegsende ist beides richtig gewesen: eine symbolische Anerkennung für sowjetische Kriegsgefangene und eine symbolische Anerkennung für das Leiden der zivilen deutschen Zwangsarbeiter. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Anja Hajduk ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratungen für den Haushalt 2016 waren sicherlich ganz besondere Haushaltsberatungen. Sie standen von der ersten Lesung im September an bis heute unter dem Megathema und der Herausforderung der großen Flüchtlingsbewegungen und fanden unter den Gesichtspunkten der daraus folgenden Aufnahmebereitschaft unseres Landes und der Integration statt. Ich will hier sagen: Die Bundesregierung und die Große Koalition haben hier, anders als in den Vorjahren - das darf man leider nicht vergessen -, endlich reagiert: Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden deutlich mehr Stellen - es sind mehrere Tausend - bereitgestellt, und Integrationsmaßnahmen werden in einem deutlich erhöhten Ausmaß finanziert. Viele verschiedene Projekte sind bereits angepackt worden. Das heißt, Sie haben sich bewegt. Sie haben sich auch dahin gehend bewegt, Länder und Kommunen strukturell zu unterstützen. Aber - das muss man ebenfalls ganz nüchtern sehen -: Sie kommen nicht aus dem Modus heraus, nur auf Sicht zu fahren. Da Sie nur auf Sicht fahren, werden wir, wenn es so weitergeht, die Aufgaben nicht lösen. Auf Sicht fahren, das führt zum Scheitern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen. Im Einzelplan 06 des Innenministeriums finden sich Mittel für Integration und Sprachkurse. Sie sagen: Wir machen da eine ganze Menge. Wir erhöhen die Mittel um 250 Millionen Euro und landen damit bei über 550 Millionen Euro. - Aber man muss ganz nüchtern sehen: Der Innenminister selber hat uns dargelegt, sein eigentlicher Bedarf liege bei zusätzlich 570 Millionen Euro. Sie wissen selber, dass Sie nur die Hälfte von dem einstellen, was nötig ist. Dieses Auf-Sicht-Fahren ist ein Blindflug. Hier brauchen wir eine ehrliche Weitsicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein anderes Beispiel. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau werden erhöht. Das ist eine richtige Maßnahme und auch ein wichtiges Thema mit Blick auf die Akzeptanz in der Gesellschaft. Wir schaffen Wohnraum für Flüchtlinge, aber auch für die Menschen in der Gesellschaft, die Unterstützung brauchen. Sie stellen dafür zusätzlich 500 Millionen Euro ein. Damit kommen wir auf einen Betrag von 1 Milliarde Euro. Wir wissen aber: Wir brauchen im kommunalen Wohnungsbau ein Programm, das 2 Milliarden Euro umfasst. Auch dies ist wieder ein Beispiel dafür, dass Sie auf Sicht fahren. Dieser Betrag wird nicht reichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das dritte Beispiel, das ich hier nennen muss, ist der Bereich Kita und Bildung. Auch hier brauchen wir ein besser ausgestattetes Programm. Ich sage Ihnen: Wir Grünen legen Ihnen zu diesem Haushalt ein Paket in Höhe von 5,2 Milliarden Euro vor, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit Flucht und Integration zu bewältigen, aber auch um die gesellschaftliche Akzeptanz im Bereich Wohnungsbau und Bildung zu schaffen. So ein Programm kann man solide gegenfinanzieren. Wir wollen, dass Sie uns hier folgen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein anderer Punkt. Es wird viel über Fluchtursachen diskutiert. Da muss ich Sie fragen, Herr Schäuble: Wann, wenn nicht jetzt, da wir über Fluchtursachen und internationale Verantwortung reden, wäre es Zeit für eine ambitionierte Klimapolitik und eine glaubwürdige globale Entwicklungszusammenarbeit? Das würde für Deutschland bedeuten, einen Aufholplan zu entwerfen, bis 2020 das ODA-Ziel von 0,7 Prozent zu erreichen und einige Tage vor Paris gleichzeitig das Versprechen einzulösen, die internationale Finanzierung des Klimaschutzes durch einen Beitrag der Geberländer in Höhe von 100 Milliarden Euro zu verstetigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grünen legen Ihnen einen Plan vor, wie wir bis 2020 die ODA-Quote von 0,7 Prozent und einen deutschen Beitrag von 7 bis 8 Milliarden Euro für den Klimaschutz erreichen können. Das ist alles mit unserem Haushalt finanzierbar. Die Zahlen in Ihrem Haushalt stagnieren aber. Sie bleiben bei einer ODA-Quote von 0,4 Prozent. Sie brechen dieses wichtige internationale Versprechen. Ich sage Ihnen: Sie wissen doch, wir müssen die anderen Geberländer mitnehmen. Wir mussten zur Kenntnis nehmen - darüber haben wir gesprochen -, dass die nötige Finanzierung der Flüchtlingscamps in den Nachbarländern der von Flucht betroffenen Regionen, also im Libanon und in Jordanien, durch den internationalen Geberkreis nicht geleistet wird. Deswegen spreche ich diesen Punkt an. Deutschland muss hier glaubwürdig vorangehen und die anderen Länder mitnehmen. Wir können das. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir dürfen darüber aber nicht nur reden, sondern das muss sich im Haushalt 2016 und im Finanzplan abbilden. Noch ein weiterer Blick auf den Haushalt. Wir müssen doch die Frage stellen, ob diese Haushaltspolitik die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft ist. Herr Rehberg, Sie haben gesagt: Hier haben wir keinen Nachholbedarf. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Richtig!) Das kann nur daran liegen, dass Sie die dem Haushalt zugrunde liegende Situation nicht wirklich ehrlich analysieren. Wir haben sehr gute Rahmenbedingungen - das wissen wir -: Die Beschäftigungslage ist wegen der demografischen Situation gut. Die Zinsen sind niedrig. Das aktuelle Wachstum beschert uns hohe Steuereinnahmen. Aber richtig ist auch, dass wir seit über 20 Jahren auf Kosten unserer Substanz leben. Von 1992 bis 2012 hat sich das private Nettovermögen auf mehr als 10 Billionen Euro verdoppelt. Gleichzeitig ist das staatliche Nettovermögen um 800 Milliarden Euro auf nahezu null geschrumpft. Das liegt daran, dass wir zu wenig investieren und zu wenig analysieren, welch ständigen Wertverzehr es im Haushalt gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir brauchen mit Blick auf den Haushalt endlich eine ehrliche Vermögensbilanz. Zusätzlich zur Schuldenbremse brauchen wir eine Investitionsregel, die das Abschmelzen des öffentlichen Vermögens verbietet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Einen entsprechenden Antrag legen wir Ihnen ebenfalls vor. Und wir brauchen eine wirkliche Investitionsoffensive in Deutschland. Mein Fazit ist: Sie haben keinen verlässlichen Plan in der Integrationspolitik. Sie haben kein Herz für die globale internationale Zusammenarbeit, und Sie haben überhaupt keinen Mut für die notwendige Investitionsoffensive, die unser Land braucht. So wird das nichts! Schauen Sie auf unsere Anträge. Die können Sie bis Freitag noch beschließen. Dann würde es nach vorne gehen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält jetzt der Kollege Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt von zwei Oppositionsrednern gehört, was man sich alles wünschen kann. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rednerinnen! So viel Zeit muss sein!) - Ganz entspannt bleiben! - Kollege Rehberg hat gesagt, was geht. Was die Opposition hier aufgezeigt hat, hat, so finde ich, weder Perspektive, noch ist es finanzierbar oder mit eigenem Handeln unterlegt. Deswegen sage ich: Nett gesprochen, wenig Substanz. Wir Sozialdemokraten zeichnen uns in dieser Koalition mit der CDU/CSU dadurch aus, dass wir hier substanzielle Vorschläge vorlegen und diese dann so finanzieren, dass am Ende keine neuen Schulden dabei herauskommen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! - Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihr habt von uns gelernt!) Ich glaube, mehr kann man kaum machen. Dem Kollegen Rehberg möchte ich für die gute und fruchtbare Zusammenarbeit danken. Gleichzeitig glaube ich, dass das, was wir vorgelegt haben, ein guter Haushalt ist. Es ist ein Haushalt, der die Realitäten und nicht jedes "Wünsch-dir-was" abbildet. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) Es weiß doch ein jeder, dass wir nur mit den vorhandenen Zahlen planen und rechnen können. Das heißt zum Beispiel, dass wir von 800 000 Flüchtlingen ausgehen. Dafür haben wir entsprechende Vorkehrungen getroffen. Wir werden uns vornehmen, die Zahl der Flüchtlinge im nächsten Jahr deutlich zu senken. Es ist, glaube ich, jedermann klar, dass es in den Jahren 2016 und 2017 nicht so weitergehen kann wie in diesem Jahr. Auch ist jedem klar, dass wir dafür gemeinschaftlich arbeiten müssen. Wir wissen aber gleichzeitig, dass wir den Menschen, die eine Bleibeperspektive haben, Integrationsmaßnahmen bieten müssen, damit sie hier ankommen und wir mit ihnen nicht die Probleme bekommen, die es in anderen Ländern gibt. Dazu ist es wichtig, dass sie eine Perspektive haben und sich hier wohlfühlen. Wir müssen beides tun: Auf der einen Seite muss die Zahl der Flüchtlinge deutlich gesenkt werden, und auf der anderen Seite müssen wir denjenigen, die hierbleiben, eine Integrationsperspektive bieten. Das ist gute Politik. Das ist die Aufgabe in den nächsten Monaten. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir - übrigens auch mit diesem Haushalt; das muss man ehrlich sagen - ein deutliches Problem haben. Deswegen hoffen wir, dass die Bundesregierung das, was sie plant, vernünftig hinbekommt. Dazu müssen die Vorschläge aber auch ausgewogen und umsetzbar sein. Nur wenn das funktioniert, steht dieser Haushalt. Wir haben im letzten Jahr gezeigt, dass wir flexibel sind und entsprechend reagieren können. Im Notfall können wir über Nachtragshaushalte nachsteuern. Deswegen muss man jetzt kein Kaffeesatzlesen betreiben. Man muss auch nicht darüber reden, was vielleicht noch alles kommen könnte und was man vorausschauend machen könnte. Jeder weiß doch, dass das nicht zielführend ist. Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit heißt, dass wir hier Zahlen vorlegen, von denen wir glauben, dass sie auch noch im nächsten Jahr richtig sind. Wenn es anders kommen sollte, werden wir reagieren. Nichts ist in Bronze gegossen, und nichts fällt einfach vom Himmel. Vielmehr geht es hier darum, praktische Politik zu machen, die auch finanzierbar ist. Wir müssen im Großen helfen, und zwar ganz konkret, und gleichzeitig die versprochenen Maßnahmen umsetzen. Eine solide Finanzpolitik - das haben wir ja gesehen - zahlt sich aus. Von den beiden Rednern der Opposition haben wir gehört, dass die Umstände gut sind. Sie sind aber nur deshalb gut, weil wir etwas dafür getan haben. Die erfolgreiche Arbeit von Rot-Grün unter Gerhard Schröder ist eine der Grundlagen, von denen wir heute noch zehren. Aber auch andere positive Entwicklungen haben zu den jetzigen Haushaltszahlen geführt. (Beifall bei der SPD) Gleichzeitig müssen wir aber im Blick behalten, dass die Gelder, die wir investieren, auch an der richtigen Stelle ankommen. Deshalb reagieren wir, wo nötig, mit Nachtragshaushalten. Das haben wir 2015 gezeigt. Wir haben die Länder und die Kommunen entlastet. Der Kollege Rehberg hat recht: Das, was wir den Ländern und Kommunen geben, muss aber am Ende auch da ankommen, wo es nach unser aller Überzeugung ankommen muss. Das muss man sich dann im Ergebnis ganz genau ansehen. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sagt das mal in Nordrhein-Westfalen!) Anfang nächsten Jahres werden wir darüber diskutieren müssen, wie sich die Maßnahmen der letzten Koalitionsregierungen in Bezug auf die Unterstützung von Ländern und Kommunen strategisch und grundsätzlich auf den Bundeshaushalt auswirken. Die Prognosen zeigen nämlich, dass die Steuereinnahmen steigen, zumindest bei den Ländern. Auch bei den Kommunen steigen sie leicht. Beim Bund sinken sie. Das heißt, in Zukunft wird es auch darum gehen, den Bundeshaushalt zu stärken, statt davon auszugehen, dass der Bund nur zur Finanzierung von Ländern und Kommunen da ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Auch das ist nämlich ein Teil der Wahrheit. Der Bund ist nicht unbegrenzt belastbar, und wir müssen dafür sorgen, dass der Bundeshaushalt weiter solide bleibt. Auch das gehört zu einer vernünftigen Finanzplanung. Der Kollege Rehberg und ich haben uns in dieser Großen Koalition vorgenommen, dass wir das Anfang nächsten Jahres mit dem Bundesfinanzminister einmal durchdeklinieren, um zu sehen, wie groß der Spielraum des Bundes in den nächsten Jahren überhaupt noch ist, und das bei diesen guten Voraussetzungen. Wenn die Voraussetzungen sich verschlechtern, weil vielleicht die Zinsen und der Ölpreis wieder steigen und die wirtschaftliche Entwicklung in eine andere Richtung geht, dann wird man vielleicht zu ganz anderen Maßnahmen kommen müssen. Auch das gehört zur Wahrheit: Wir können nicht wie die Opposition einfach sagen: "Wir verteilen auf ewig, und es wird schon weiterhin so gut bleiben", sondern wir müssen in guten wie in schlechten Zeiten entsprechend reagieren. Wir müssen einen Haushalt vorlegen, der beidem gerecht wird. Ein Blick in den Haushalt zeigt, dass wir zum Beispiel im Etat des Bundesaußenministers 400 Millionen Euro zusätzlich zur Bekämpfung der Fluchtursachen vorgesehen haben. Ich halte das für vernünftig, und ich möchte mich insbesondere bei den Berichterstattern für den Etat für wirtschaftliche Zusammenarbeit bedanken. Es sind viele Hundert Millionen Euro für die Bekämpfung der Fluchtursachen umgeschichtet worden. Das heißt, wir haben Schwerpunkte gesetzt und das Geld konzentriert und vernünftig eingesetzt. Ich glaube, dass das eine gute Sache ist, die uns gemeinschaftlich gelungen ist. In allen Haushalten ist es notwendig, darauf zu achten, dass das Geld gezielt dort eingesetzt wird, wo es gebraucht wird. Vielleicht kann man auch die eine oder andere liebgewonnene Ausgabe darauf überprüfen, ob sie weiterhin sinnvoll und zeitgemäß ist. Gleichzeitig haben wir alles dafür getan, damit insbesondere diejenigen in diesem Land, die helfen und Arbeit leisten, unterstützt werden. Wir haben viel dafür getan, dass die Arbeit von Freiwilligen und Ehrenamtlichen koordiniert und unterstützt wird. Ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass wir das mit allen Fraktionen so vernünftig und im Konsens hinbekommen haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich glaube aber auch, dass es wirklich wichtig ist, dass wir etwas für die Bundespolizei getan haben. Die Bundespolizei ist bei Einsätzen vor Ort ständig gefordert: vom Fußballspiel am Wochenende bis hin zu irgendwelchen Demonstrationen. Teilweise werden die Polizisten in Hundertschaften durch die ganze Republik gefahren. Weil wir der Meinung sind, dass in diesem Bereich etwas getan werden muss, wollen wir hier investieren, insbesondere in die Anschaffung von drei neuen Schiffen für die Bundespolizei. Dem Kollegen Rehberg und der Kollegin Hagedorn sei Dank. Ich halte das als Zeichen der Anerkennung für notwendig. Gleichzeitig haben wir auch das THW unterstützt. Wir haben 200 neue Stellen für das THW und eine Erhöhung der Selbstbewirtschaftungsmittel um 8 Millionen Euro für dieses Jahr und die nächsten beiden Jahre vorgesehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben gleichzeitig die Erstattung der Verdienstausfälle der ehrenamtlichen Helfer vorgesehen. Ich glaube, dass diese Hilfe bei denjenigen, die vor Ort helfen, ankommt. Das ist doch praktische Politik. Diese Politik findet sich im Haushalt wieder. Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst mit 10 000 neuen Stellen ausbauen. Ich glaube, dass man das gar nicht hoch genug einschätzen kann, weil man dadurch flexibel reagieren kann. Wir hoffen, dass das auch entsprechend ankommt. Wir haben aber auch für den sozialen Wohnungsbau und für viele andere Dinge Geld vorgesehen. Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir müssen aber aufpassen, dass auch die Dinge, die wir uns außerdem vorgenommen haben, wie die Neuordnung des Arbeitsmarkts oder die Einführung des Bundesteilhabegesetzes, umgesetzt werden. Die Menschen in diesem Land würden es nicht verstehen, wenn wir uns nur um Flüchtlinge und Integration kümmerten, aber die wesentlichen anderen Aufgaben in diesem Land liegen blieben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Axel Troost das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Flüchtlingsströme haben vieles, aber nicht alles verändert. Wir haben nach wie vor viele alte Probleme, die sich jetzt aber dramatisch zuspitzen. Wir haben seit Jahren kaputtgesparte Verwaltungen, die nun mit der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen erst recht überfordert sind. Wir haben ausgeblutete Kommunen, die schon seit Jahren ihre Infrastruktur vernachlässigen und jetzt vor einer Fülle neuer Bedarfe stehen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir haben Steuereinnahmen wie noch nie, Herr Troost!) Wir haben uns nicht nur um die Flüchtlinge zu kümmern, die ab dem nächsten Jahr auf den Arbeitsmarkt kommen, sondern wir müssen uns auch um die Millionen Langzeitarbeitslosen und Niedriglöhner kümmern, weil diese Menschen es erstens verdient haben und weil wir zweitens keine zunehmende Anzahl an Rechtsradikalen auf unseren Straßen und in unseren Parlamenten haben wollen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für Soforthilfen an die Kommunen, für sozialen Wohnungsbau, für Bildung, Berufsqualifikation und Arbeitsmarktprogramme brauchen wir kurzfristig Gelder, und zwar wesentlich mehr als bisher vorgesehen. Die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, hat einen wunderbaren Bericht fertiggestellt, in dem sie die Bedarfe im Einzelnen beschreibt. Es ist faktisch notwendig, diese Gelder wahrscheinlich ab dem nächsten Jahr über Kredite zu finanzieren. Ob dabei die schwarze Null eingehalten wird oder nicht, ist aus unserer Sicht völlig uninteressant. (Beifall bei der LINKEN) Denn diese Investitionen werden sich, wenn sie halbwegs vernünftig durchgeführt werden, politisch und finanziell auszahlen. Wenn wir jetzt anfangen, keine Ausgaben zu tätigen, um die sinnlose Symbolpolitik der schwarzen Null zu verteidigen, wird sich das bitter rächen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Noch mehr zur Finanzierung: Die Flüchtlingsfrage ist eine gesamtdeutsche Aufgabe, für welche der Bund in der Pflicht ist. Wir haben für diese Aufgabe ein aus unserer Sicht optimales Finanzierungsinstrument, nämlich den Solidaritätszuschlag. Angesichts der neuen und der alten Aufgaben wäre es aus unserer Sicht grundlegend falsch, den Soli abzuschaffen oder auslaufen zu lassen. Wir haben auch den grundgesetzlichen Auftrag zu erfüllen, die wirtschaftliche Abkopplung strukturschwacher Gebiete in Ost und West zu verhindern. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben einige Kommunen, denen es einigermaßen gut geht. Aber die Mehrzahl der Kommunen ist finanziell wirklich schlecht dran. Schon seit 14 Jahren leben unsere Kommunen bei Schulen, Straßen, Turnhallen und vielem anderen aus Finanznot auf Verschleiß, sind Abschreibungen auf kommunaler Ebene größer als die Investitionen. Deswegen brauchen wir zusätzliche Gelder. Damit bin ich bei der Steuerpolitik. Unser Steuersystem ist in den letzten 20 Jahren immer ungerechter und defizitärer geworden. Das bringt mich zur Erbschaftsteuer; denn hier erwarten wir in den nächsten Monaten entsprechende Veränderungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, insbesondere lieber Kollege Kahrs, euer Parteivorsitzender Sigmar Gabriel (Johannes Kahrs [SPD]: Guter Mann!) hat im Bundeskabinett dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Erbschaftsteuer zugestimmt. Weil dieser Entwurf schlecht gemacht ist, wird er jetzt im parlamentarischen Verfahren neu aufgerollt. Er ist aber nicht nur handwerklich, sondern auch politisch schlecht gemacht. (Beifall bei der LINKEN) Seit der Reform unter Peer Steinbrück ist die Erbschaftsteuer für wirklich Reiche zu einer "Dummensteuer" verkommen. Nur wer einen schlechten Steuerberater hat, muss überhaupt noch zahlen. (Johannes Kahrs [SPD]: Unsinn wird nicht besser, wenn man ihn wiederholt!) Ab zweistelligen Millionenbeträgen sind Erbschaften und Schenkungen nahezu steuerfrei, weil sie als Betriebsvermögen fast immer verschont werden. Ihr Gesetzentwurf wird daran nichts ändern. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist doch richtig so! Sie haben doch keine Ahnung!) - Das können wir gerne einmal ausdiskutieren, Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Über 99 Prozent der Erbschaften mit Betriebsvermögen wären quasi automatisch steuerbefreit. Wenn das nicht automatisch geht, dann ist das mit einem kreativen Anwalt durchaus so gestaltbar. Damit können weiter wie bisher gigantische Vermögen steuerfrei in die nächste Generation übertragen werden - Kollege Kauder, auch Ihre Aufregung wird an den Fakten nichts ändern -, um dann zur Erwirtschaftung von Renditen und damit zur weiteren Vermögenskonzentration genutzt zu werden. Im Ergebnis wird die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehen. Der Gesetzentwurf, der bisher vorliegt, ist daher völliger Murks. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wenn ihr jetzt nicht versucht, ein Gesetz mit einer linken Handschrift zu machen - was wollt ihr denn dann überhaupt in der Regierung? Es geht nicht nur darum, dass mit diesem Gesetzentwurf Milliarden Euro an Steuereinnahmen für die Länder verschenkt werden, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihr wollt Arbeitsplätze vernichten!) es geht darum, dass ihr an der ungleichen Vermögensverteilung nichts verändert und der weiteren Konzentration von Reichtum sogar noch Vorschub leistet. (Johannes Kahrs [SPD]: Grober Unfug wird nicht besser, wenn man ihn wiederholt!) Ein kleiner Geldadel von 1 Prozent der Bevölkerung besitzt schon jetzt mehr als ein Drittel des gesamten Vermögens in der Bundesrepublik. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das Blöde ist nur, dass der VEB pleite war, der volkseigene Betrieb! - Gegenrufe von der LINKEN: Ja, ja!) Ein Gesetzentwurf, der dieses Problem jetzt nicht angeht, ist eine Kapitulation. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, gerade in dieser Frage: Wenn ihr kämpft, dann könnt ihr verlieren, aber wenn ihr nicht kämpft, dann habt ihr schon verloren, und das geht zulasten der Länder und Kommunen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir müssen versuchen, eine wirkliche Veränderung bei der Erbschaftsteuer herbeizuführen. All denen, die hier so herumschreien, sage ich: Es hat in der letzten Woche - unter anderem vom DIW und dem Wirtschaftsdienst organisiert - einen Kongress zur Frage der Reichtumsentwicklung und der Reichtumsbesteuerung hier in Berlin gegeben. Leider war von Ihnen keiner anwesend. Sonst hätten Sie Fakten bekommen, die belegen, dass die Schere zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik Deutschland immer weiter auseinandergeht. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 10 Prozent zahlen über 50 Prozent der Steuern!) Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bemerkungen des Kollegen Troost veranlassen mich, zunächst einen Hinweis darauf zu geben, dass wir in einem nicht einfachen weltwirtschaftlichen Umfeld sind und dass die grundlegende Herausforderung, vor der wir bei allen politischen Entscheidungen stehen, ist, dass wir unter den Bedingungen dieser immer enger werdenden weltweiten Verflechtung, die wir Globalisierung nennen, eine solide, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung gewährleisten müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere wirtschaftliche und finanzpolitische Linie so ist, dass wir uns die soziale Absicherung, den sozialen Standard und unser Lebenshaltungsniveau erwirtschaften können. Das ist unter den Bedingungen der Globalisierung außergewöhnlich anspruchsvoll und kompliziert. Wir stehen im Wettbewerb um nahezu jeden Arbeitsplatz, auch auf globaler Ebene. Die Globalisierung ist eine große Herausforderung an unsere Wettbewerbsfähigkeit. Darum geht es auch in innereuropäischen Debatten. Deswegen ist es auch so kompliziert, bei der Frage der Besteuerung von Substanz nationale Regelungen zu treffen; denn diese können dazu führen, dass das Steuersubstrat nicht mehr vollständig im Inland ist, die Arbeitsplätze verlagert werden und die Wirtschaftsleistung nicht mehr hier erbracht wird. Wir sind daher bei der Substanzbesteuerung auf die Regeln der Klugheit angewiesen, denen zu folgen auch sonst gar nicht falsch ist. Was Sie gesagt haben, würde vielleicht zu mehr Gleichheit führen, aber auf der Grundlage, dass alle gleich arm sind. Das ist nicht die Politik, mit der wir unsere Herausforderungen bewältigen können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie haben vielleicht heute Morgen, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, von den Überlegungen eines großen amerikanischen pharmazeutischen Unternehmens gelesen, ein anderes pharmazeutisches Unternehmen für einen Milliardenbetrag - da wird auch den Linken schummerig - zu übernehmen und gleichzeitig den Firmensitz nach Irland zu verlegen, aus Gründen, die absehbar sind. Das zeigt, wie unendlich wichtig und zugleich schwierig es ist, in den globalen Bemühungen nicht nachzulassen. Wir haben im Rahmen der OECD und beim G-20-Gipfel in Antalya mit der Verabschiedung der BEPS-Grundsätze wichtige Ergebnisse erreicht. Aber wir sind erst am Anfang. Wir müssen darauf achten, dass unsere Steuerbasis nicht erodiert und dass unsere wirtschaftliche Leistungskraft, die die Voraussetzung dafür ist, dass wir unsere Aufgaben bewältigen können, nicht nachlässt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das müssen wir bei der Erbschaftsteuer wie bei allen steuerlichen Fragen berücksichtigen. Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte, ist: Das weltwirtschaftliche Umfeld ist nicht ganz so schön. Ja, Frau Hajduk, wir sind noch in einer ganz guten Lage. Es ist übrigens eigentlich nicht so schlecht, dass die Globalisierung gerade angesichts dieser außergewöhnlichen Herausforderung, die wir vor ein paar Monaten in dieser Geschwindigkeit, in diesem Ausmaß nicht vorhergesehen haben, in einem solchen Maße konkret wird. Die Geschwindigkeit haben wir alle miteinander noch vor ein paar Monaten nicht vorhergesehen. Die Kritik, dass wir doch den finanzpolitischen Handlungsspielraum hätten, darauf zu reagieren, akzeptiere ich gern. Ich finde noch immer, es ist gar nicht schlecht, dass wir dazu in der Lage sind. Wir können übrigens im kommenden Jahr diese Aufgabe ohne neue Schulden erfüllen; das habe ich schon bei der Einbringung des Bundeshaushaltes Anfang September - damals habe ich von "wenn möglich" gesprochen - gesagt. Ich habe Anfang September ebenfalls gesagt - ich will es wiederholen -, dass ich nach wie vor der Meinung bin - ich glaube, ich bin darin mit den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen völlig einig -, dass die Frage, was zur Bewältigung dieser Herausforderung notwendig ist, erste Priorität hat und dass die Frage, ob wir das nur mit Schulden oder ohne schaffen, die zweite Priorität hat. Das heißt aber nicht, dass wir uns in allen anderen Bereichen ebenfalls alles leisten können. So sind Prioritäten nicht zu verstehen. Das spiegelt dieser Haushalt wider, und deswegen ist es ein guter Haushalt. Ich verweise auf die Überschüsse, die wir in diesem Jahr durch die von Ihnen beschriebene Entwicklung haben. Lassen Sie mich mit allem Respekt, kurz bevor die Kommunen und die Länder völlig verarmt sind, darauf hinweisen: Wenn die Steuereinnahmen für den Bund sprudeln, müssen sie denknotwendig - die Prozentrechnung ist so - in paralleler Weise auch für Länder und Gemeinden steigen. Wer das bestreitet, hat wenig Ahnung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn wir es im kommenden Jahr ohne ein neues Defizit schaffen, dann schaffen wir dies nur - auch das muss klar sein -, weil wir die Überschüsse aus diesem Jahr im Bundeshaushalt des kommenden Jahres verwenden. Dass unsere Handlungsspielräume deswegen nicht größer werden, ist richtig. Insofern ist es gut, dass wir in diesem Haushalt rund 8 Milliarden Euro zusätzlich für die Bewältigung dieser großen Herausforderung einsetzen. Die Hälfte dieser Summe geht an die Länder. Sie erhalten als Vorabzahlung 3,637 Milliarden Euro. Spitz abgerechnet wird am Ende des Jahres. Die endgültige Summe hängt von der Antragsdauer und vom Umfang des weiteren Zugangs ab, den keiner kennt. Wir hoffen, dass er zurückgeht, Herr Kahrs; aber noch wissen wir es nicht. Auch deswegen müssen wir ein bisschen auf Sicht fahren. Daran ist nichts Schlechtes. Diejenigen, die sagen: "Egal was passiert: Wir haben unseren Plan", sind in der Geschichte immer gescheitert. Diejenigen, die auf Sicht fahren, haben der Menschheit sehr viel mehr Gutes ermöglicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch daran muss man gelegentlich erinnern. Daher hat mich Ihr Vorwurf, Frau Hajduk, dass wir auf Sicht fahren, wirklich überrascht. Ich finde, es ist eher ein Kompliment. Wir sind in der Lage, auf die Realität zu reagieren, und sagen nicht: Was kümmert uns die Realität? Wir haben doch unseren Plan. - Das ist lange versucht worden, mit desaströsen Ergebnissen. So zu handeln, dazu rate ich nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, darf Frau Hajduk Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Aber bitte. Natürlich. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, nachdem Sie dankenswerterweise auf eine meiner Bemerkungen eingegangen sind, möchte ich sie erläutern. Mein Vorwurf ist so zu verstehen, dass Sie vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Analyse, die uns zum Beispiel der Innenminister vorgelegt hat, auf Sicht fahren, obwohl Sie andere Erwartungen haben. Sie haben, bezogen auf das Anwachsen der Flüchtlingszahl, die Erwartung eines ganz anderen Integrationsbedarfes. Diesen Bedarf habe ich auch mit knapp 600 Millionen Euro beziffert. Sie haben in diesem Haushalt aber nur die Hälfte dieser Summe veranschlagt. Ich glaube, dass diese Art des Auf-Sicht-Fahrens, mit der Sie innerhalb eines Jahres hinter dem Bedarf zurückbleiben, falsche und mangelhafte Vorbereitungen auslöst. Wir haben es beim BAMF erlebt: Wir waren zu spät dran, sind deswegen zu langsam und haben in Teilen große Probleme. Das habe ich jetzt ein bisschen vereinfacht beschrieben. Das Risiko, nicht angemessen zu reagieren, ergibt sich, wenn man hinter dem Bedarf, der sich für ein Jahr abzeichnet - ich behaupte nicht, dass ich weiß, was in fünf Jahren ist -, zurückbleibt. Daher halte ich Ihr Auf-Sicht-Fahren für verantwortungslos, für etwas, was Frust produzieren und auch dazu führen kann, dass man der Aufgabe nicht gerecht wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Erstens, Frau Kollegin Hajduk, ich finde, es ist eigentlich das Wesen parlamentarischer Debatten, dass man auf Argumente eingeht und antwortet. Es soll ja Rede und Gegenrede sein. Der Präsident ermahnt uns gelegentlich dazu. Zweitens glaube ich, dass auch Sie nicht wissen, so wenig wie ich und so wenig wie der Kollege Kahrs, wie viele Zugänge an Migranten wir im kommenden Jahr haben werden. Sie wissen, dass auch die Berechnung im Hinblick auf die Länder auf der Annahme beruht, dass es eine bestimmte Verfahrensdauer beim BAMF und eine bestimmte Zahl gibt. Wir haben gesagt: Wir werden am Ende des Jahres sehen, wie viele es denn werden. Davon hängt übrigens auch ab, wie viele Mittel wir für Integrationskurse brauchen. Wenn Sie mir auch die Bemerkung noch erlauben: Ich glaube, die Frage, warum die Verfahren bei uns so lange dauern, hat wenig mit Geldausstattung zu tun und viel mit der Komplexität unserer rechtlichen Regelung. Wir haben uns endlich darangemacht, das ein Stück weit so zu beschleunigen, dass die Verfahren nicht viel perfektionistischer und komplizierter sind als in allen anderen Ländern Europas und der Welt; das ist doch der entscheidende Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU) Da haben Sie als Partei der Grünen noch ein bisschen Gelegenheit, auf Sicht zu fahren. Weil wir den Haushalt insgesamt oder jetzt den Einzelplan des Bundesfinanzministeriums bereden, würde ich gern noch eine Bemerkung machen - neben den Themen der Migration, der inneren Sicherheit und den vielen Stellen, die die Polizei und die Sicherheitsdienste dringend brauchen und die sie auch in einem hohen Maße bekommen -: Das Problem werden auch da, wie beim BAMF, nicht die Stellen sein - das habe ich immer gesagt -, sondern die Menschen, die die Stellen besetzen; denn die müssen erst dafür ausgebildet werden. Deswegen haben wir beispielsweise mit Blick auf die Kontrolle der Schwarzarbeit gesagt: Wir müssen die Geschwindigkeit des weiteren Ausbaus reduzieren. Wir haben die Zöllner gebeten, auf freiwilliger Basis zum BAMF zu gehen. - Die haben das auch in einem hohen Maß und in flexibler Weise getan. Wir brauchen also nicht nur Stellen und Geld; wir brauchen auch die Leute, und wir brauchen solche Vorschriften, dass man effizient arbeiten kann. Da haben wir Spielraum. Ich will aber noch darauf hinweisen, dass wir an unserem Kurs, den wir zu Beginn des Jahres schon eingeschlagen haben, nämlich Investitionen in die Infrastruktur, in die Verkehrsinfrastruktur, in die digitale Infrastruktur, zu verstärken, konsequent festhalten, dass wir das Programm zur Förderung von Investitionen in finanzschwächeren Kommunen konsequent fortsetzen, dass das 10-Milliarden-Zukunftsinvestitionsprogramm konsequent fortgeführt wird. Darüber hinaus haben wir im Zuge dessen jetzt auch noch die Mittel für den sozialen Wohnungsbau - eine Aufgabe, die nach dem Grundgesetz den Ländern zusteht - von 500 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro jährlich erhöht. Darüber hinaus sind wir seit der letzten Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten mit den Ländern im Gespräch, ob wir für den Mietwohnungsbau auch noch Steueranreize setzen. Bisher hat der Bundesrat immer gesagt, er sei nicht bereit, irgendeiner Steuermaßnahme, die zu einer Minderung der Einnahmen führt, zuzustimmen. Nachdem diese Position aufgegeben worden ist, haben wir vereinbart: Wir führen jetzt zwischen Bund und Ländern Gespräche, ob wir auch noch begrenzte steuerliche Anreize zur Förderung des Mietwohnungsbaus setzen können. - Das heißt, wir arbeiten an allen Stellen daran, auch die Investitionstätigkeit zu verstärken. Es geht darum, dass wir bei begrenzten Mitteln - damit hat es die Haushaltspolitik immer zu tun - unsere Aufgaben erfüllen können. Im Übrigen will ich daran erinnern, dass wir bei der Aufstellung des Bundeshaushalts, schon bei den Eckwerten im Frühjahr, und bei der mittelfristigen Finanzplanung, die mit dem Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt durch das Kabinett beschlossen wird, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit in einem Maße erhöht haben, das alle Beteiligten überrascht hat. Wir erhöhen diese Mittel konsequent. Das war in den abschließenden Beratungen nicht mehr der zentrale Schwerpunkt, weil das vorher schon enthalten war. Was die Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen angeht: Zur Vorbereitung auf den Pariser Gipfel haben wir gerade in Antalya und zuvor in Peru beraten. Wir haben einen Bericht bekommen, der zeigt, dass wir, was die Einhaltung der Zusage dieser 100 Milliarden Euro ab 2020 betrifft, auf einem guten Weg sind, dass die Bundesrepublik bei dieser Entwicklung Vorreiter ist und dass der Anteil der öffentlichen Mittel dabei besonders hoch ist. Natürlich haben wir begrenzte Mittel, aber wir setzen sie zielgerichtet ein, und wir handeln konsequent. Dann will ich eine Bemerkung machen - wir fahren insofern auf Sicht, ich habe das im Haushaltsausschuss schon erwähnt, als mein Einzelplan dort abschließend beraten worden ist -: Ich weiß gar nicht, ob die Mittel, die im EU-Haushalt für 2016, der ja erfreulicherweise vergangene Woche zum ersten Mal einstimmig verabschiedet worden ist, für die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und mit den Ländern aus der Region, aus der die Flüchtlinge kommen, zur Verfügung gestellt worden sind, ausreichend sind; ich habe da meine Zweifel. Aber auch da muss ich auf Sicht fahren. Es kann sein, dass der europäische Haushalt im kommenden Jahr zusätzliche Mittel braucht, die - das habe ich im Haushaltausschuss erläutert - nicht aus dem mittelfristigen Finanzrahmen der EU erwirtschaftet werden können. Das kann dann bedeuten, dass wir auch dafür zusätzliche Mittel in unserer nationalen Finanzpolitik unterbringen müssen. Dass wir die Mittel für den UNHCR enorm aufgestockt haben, dient ja genau dem Ziel, dass wir in einer globalen Zusammenarbeit - das kann Europa nur gemeinsam meistern - in einer besseren Lage sind, mit den Migrations-, den Wanderungsbewegungen weltweit so umzugehen - man muss ja vorsichtig formulieren -, dass daraus nicht andauernde und sich vergrößernde Stabilitätsrisiken entstehen. Das ist die eigentliche Herausforderung. Dem dient unsere Politik, und dem dient auch unsere Finanzpolitik. Dazu will ich dann doch die Bemerkung machen: Voraussetzung dafür ist, dass wir wirtschaftlich leistungsfähig sind, dass wir die finanziellen Voraussetzungen haben und die Instrumente bewahren, um auch in der Zukunft handlungsfähig zu sein, und dass wir diese Politik auch wieder und wieder in Europa durchsetzen; denn wenn Europa insgesamt nicht mehr Solidarität, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Leistungsstärke entwickelt, dann wird Europa angesichts dieser globalen Herausforderungen seine Aufgabe nicht erfüllen können. Die Bundesregierung tut alles, um Europa zu stärken. Wir zeigen europäische Solidarität. Aber wir fordern sie auch von anderen ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir müssen es bei der Umsetzung der Regeln zum internationalen Steuerrecht - BEPS habe ich erwähnt - machen. Wir müssen es genauso machen bei der Finanzmarktregulierung; wir müssen darauf achten, dass die Finanzmarktregulierung weitergeht. Aber wir müssen auch darauf achten, dass jedes Mitgliedsland in Europa seine Verpflichtungen erfüllt. Das neue Beispiel haben wir jetzt mit dem Thema Einlagensicherung. Wenn wir über das Thema Bankenunion reden, dann muss klar sein, dass die europäischen Systeme so gemacht werden, dass die Mitgliedstaaten in ihrer Entschlossenheit, das umzusetzen, wozu sie sich verpflichtet haben, nicht geschwächt werden. Sonst schafft man ordnungspolitisch die falschen Anreize. Was geschieht, wenn man Ländern die Möglichkeit bietet, sich auf das Risiko anderer zu verschulden, das haben wir in der Euro-Krise zu lange erlebt. Im Übrigen haben wir gerade am Montag die nächste Tranche für Griechenland in Höhe von - wenn Sie es zusammenrechnen - 12 Milliarden Euro freigegeben. Also: Der Kampf für ein leistungsfähiges Europa, das in dieser globalen Herausforderung unsere Aufgaben mit leisten kann, bleibt eine Herausforderung. Wir leisten mit unserer Finanzpolitik dazu einen wesentlichen Beitrag. Auch dafür bitte ich das Hohe Haus weiterhin um Unterstützung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Tobias Lindner für die Fraktion der Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vor gut zehn Wochen, Anfang September, diese Haushaltsberatungen mit der ersten Lesung hier im Hohen Hause begonnen. Viele von uns standen damals noch unter dem Eindruck der Bilder, die wir unter anderem aus München gesehen haben, wo an einem Wochenende mehr als 10 000 Menschen in unserem Land Zuflucht gesucht haben und freundlich empfangen worden sind. Am 9. September hat die Bundeskanzlerin hier an diesem Platz gesagt - ich zitiere wörtlich -: Ich bin überzeugt, dass wir es nicht nur können, sondern dass wir, wenn wir es gut machen, wenn wir es mutig angehen, wenn wir nicht verzagt sind, sondern Ideen suchen, wenn wir kreativ sind, letztlich nur gewinnen können. Meine Damen und Herren, ich stimme der Bundeskanzlerin an dieser Stelle zu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn wir dann an diesen Haushaltsplan, den wir heute beraten, diesen von Ihnen selbst gewählten Anspruch legen, wenn wir uns diesen Haushaltsplan anschauen, dann müssen wir leider feststellen: (Johannes Kahrs [SPD]: Dann erfüllen wir den!) Sie sind nicht mutig gewesen, (Johannes Kahrs [SPD]: Na!) Sie waren nicht vorausschauend, (Johannes Kahrs [SPD]: Na!) Sie waren verzagt, und Sie treten auf der Stelle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Johannes Kahrs [SPD]: Unverzagt! Glanzvoll!) Dieser Haushalt, meine Damen und Herren, ist ein Haushalt der verpassten Chancen, und ich sage: Es ist leider ein Haushalt der verpassten Chancen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Johannes Kahrs [SPD]: Papperlapapp!) Lieber Johannes Kahrs, du hast ja über Nachtragshaushalte gesprochen und meintest: Na ja, wenn dann etwas anfällt bei dem Auf-Sicht-Fahren, dann korrigieren wir das. - Das hat aber nicht nur nichts mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu tun, sondern das nimmt den vielen Ehrenamtlichen in diesem Land, das nimmt den Hilfsorganisationen, die Fluchtursachen bekämpfen sollen, das nimmt den Ländern und Kommunen die Planungssicherheit, die sie jetzt bräuchten angesichts der großen mittel- und langfristigen Aufgabe, die Integration in unserem Land erfolgreich zu bewältigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Johannes Kahrs [SPD]: Auf welcher Grundlage soll denn das passieren? Kaffeesatz oder was? - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Parteiprogramm der Grünen!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, bevor Sie sich jetzt hier gegenseitig irgendetwas zurufen müssen: (Johannes Kahrs [SPD]: Wir wollen dir nur helfen!) Wir geben ja durchaus zu, dass Sie nicht nichts gemacht haben. 3 Milliarden obendrauf zum Entwurf - das ist nicht nichts. Aber Sie haben die Arbeit eingestellt, wenn es darum geht, zu bedenken: Was kommt denn nach der Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung? Was heißt denn erfolgreiche Integration, Spracherwerb, Bildung, Integration in den Arbeitsmarkt? (Johannes Kahrs [SPD]: Steht da alles drin!) Da können Sie eben heute schon sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die vorgesehenen Mittel nicht ausreichen werden. Unter anderem deshalb schlagen wir ein Programm für sozialen Wohnungsbau in einem Umfang von 2 Milliarden Euro vor, weil wir wissen, dass wir heute das Geld in die Hand nehmen müssen, damit wir morgen und übermorgen die Wohnungen haben, die wir in diesem Land brauchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie investieren in diesem Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, nicht nur zu wenig, nein, Sie investieren leider auch falsch. Sie hecheln der schwarzen Null hinterher und fahren dabei dieses Land auf Verschleiß, und Sie geben das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dabei nicht gut aus. Ja, es ist richtig: Sie haben die humanitäre Hilfe erhöht; das erkennen wir an. Aber wenn Sie wahrnehmen, wie groß die Herausforderung ist, wenn Sie wahrnehmen, dass weltweit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind - so viel wie nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr -, wenn Sie wahrnehmen, dass Deutschland in der Vergangenheit immer etwa 9 bis 10 Prozent der humanitären Hilfe gestemmt hat, und wenn Sie dann den Bedarf sehen, der weltweit besteht, dann ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es ist eben nicht genug, was Sie in diesen Haushaltsplan einstellen. Und wenn wir über den UNHCR reden: 25 oder 30 US-Dollar, die ein Flüchtling im Nahen Osten im Monat für die Lebensmittelversorgung hat, werden niemanden davon abhalten, sein Land zu verlassen und sich auf den Weg nach Europa zu machen. Das ist ein Versagen vor den Herausforderungen unserer Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt reden wir einmal darüber, was es heißt, Geld der Bürgerinnen und Bürger gut auszugeben. Herr Schäuble, der Bundesrechnungshof hat Ihnen letzte Woche mit seinen Bemerkungen eine ganze Menge ins Stammbuch geschrieben. Er hat nicht nur festgestellt, dass der Bund bei der Besteuerung von Körperschaften jährlich auf mehr als 600 Millionen Euro an Steuereinnahmen verzichtet, die ihm eigentlich zustehen, nein, er hat auch festgestellt, dass Sie überhaupt kein Konzept haben, wenn es um Onlineeinkäufe bei ausländischen Unternehmen geht. An dieser Stelle sollten vielleicht auch Sie, Herr Dobrindt, Ihre Ohren spitzen. Ihrem Haus wirft er unter anderem vor, dass Sie Neubauprojekte beginnen, obwohl es keine abgeschlossenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gibt. Statt das Geld in die Hand zu nehmen und unsere öffentliche Infrastruktur zu erhalten, statt Schienenstrecken zu reparieren, statt Schlaglöcher zu stopfen, beginnen Sie Bauprojekte, von denen Sie noch nicht einmal wissen, ob sie wirtschaftlich sind. Nein, so geht man nicht ordentlich mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir Grüne haben Ihnen in diesen Haushaltsberatungen gezeigt, wie ein Haushalt aussehen würde, der vorausschauend und gerecht ist. Wir haben über 400 Änderungsanträge zu diesem Haushalt gestellt. Wir wollten, dass umweltschädliche Subventionen gestrichen und neue Prioritäten gesetzt werden. Auch wir wären dabei ohne Schulden ausgekommen und hätten die Weichen in diesem Haushalt Richtung Zukunft gestellt. Sie haben uns heute einen Haushalt der verpassten Chancen vorgelegt. Wir werden Ihnen in dieser Woche zeigen, wie ein Haushalt, der vorausschauend, gerecht, mutig und zukunftsorientiert ist, aussehen könnte. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Carsten Schneider. (Beifall bei der SPD - Johannes Kahrs [SPD]: Und jetzt kommt die Stimme der Vernunft!) - Herr Kahrs, Sie wollten doch damit nicht andeuten, dass Ihre nicht in diesen Kreis gehört? (Heiterkeit) Bitte schön. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir im September mit den Haushaltsberatungen begonnen haben, hatten wir drei Ziele: erstens, die nachhaltige Finanzpolitik fortzusetzen und die Herausforderungen, die vor uns liegen, möglichst ohne neue Schulden zu bewältigen; zweitens, die humanitären Katastrophen, die dazu geführt haben, dass sich viele Flüchtlinge zu uns auf den Weg gemacht haben, zu bewältigen, ihnen Obdach zu geben und vor allen Dingen sie - langfristig - nicht nur unterzubringen, sondern auch zu integrieren; drittens, der Investitionsschwäche des Staates, die von Frau Hajduk angesprochen wurde, zu begegnen. Ich stelle fest: Mit dem Vorschlag, den wir Ihnen hier präsentieren können, werden wir all diesen drei Punkten gerecht. Ich will mich bei den Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses ganz herzlich bedanken. Es war schwere und harte Arbeit, aber sie ist gelungen. Ich sage der Koalition, aber auch der Opposition: Es ist in so schwierigen Zeiten, wo man sich auch in einer Koalition das eine oder andere Mal streitet - in manchen Parteifamilien etwas intensiver -, gut gewesen, dass ihr solide wart und einen Haushalt vorgelegt habt, dem man unbedingt zustimmen kann. Wir haben - Kollege Rehberg ist darauf eingegangen - noch einen vierten Punkt eingearbeitet, und das war vor den Anschlägen in Paris. Uns war klar, dass 1 Million Flüchtlinge in diesem Land eine besondere Stresssituation für die Bevölkerung und damit auch für die Frage der gesellschaftlichen Sicherheit darstellen. Wir haben aus diesem Grund Mittel sowohl für Maßnahmen der Repression als auch für solche der Prävention verstärkt, sowohl bei den Nachrichtendiensten als auch bei den Programmen, die auf Demokratie und Toleranz zielen. Ich glaube, dass das kluge Entscheidungen in einer nicht einfachen Situation waren. Wir haben die Investitionen noch einmal deutlich verstärkt. Das können wir nur, weil wir in einer sehr guten wirtschaftlichen Lage sind. Ich habe mir heute die Zahlen des Statistischen Bundesamtes noch einmal angesehen. Woher kommt das Wachstum eigentlich? Es ist zum ganz großen Teil binnenmarktgetrieben. Die Binnennachfrage steigt: der private Konsum um 0,6 Prozent, der staatliche Konsum um 1,3 Prozent. Die Ursachen hierfür liegen in höheren Tarifabschlüssen und in der Einführung des Mindestlohns, den wir Sozialdemokraten durchgesetzt haben. Ich warne alle davor, die Frage des Mindestlohns mit der Frage der Flüchtlinge zu verknüpfen; (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) das wäre ein Spaltpilz für die Gesellschaft. Das Wachstum hat ferner damit zu tun, dass wir die Steuern dort, wo es zu zusätzlichen Belastungen durch die kalte Progression kam, gesenkt haben und dass wir die steuerlichen Freibeträge erhöht haben. Wir haben insbesondere auch die Freibeträge für die Alleinerziehenden, die seit 2004 nicht mehr angepasst worden waren, auf über 1 800 Euro deutlich erhöht. Auch hier finden sich die Leitlinien der Sozialdemokraten wieder. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir werden in diesem Jahr eine Rentenerhöhung von 4 bis 5 Prozent haben; auch sie ist dank der guten wirtschaftlichen Lage möglich. Das sind im Schnitt monatlich 60 Euro mehr, die bei den Rentnerinnen und Rentnern ankommen. Natürlich werden wir in den nächsten Jahren vor finanziellen Belastungen stehen. Es gibt Kollegen, die zu mir kommen und sagen: Die fetten Jahre sind vorbei. - Das mag sein. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir das Geld, die finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um die Flüchtlinge zu integrieren und zu befähigen, nicht Leistungsempfänger, sondern Leistungsträger zu werden. Dann haben wir eine Rendite, die nicht nur humanitär, sondern auch gesellschaftspolitisch sinnvoll ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Da gibt es natürlich immer die Frage: Wo kommt das Geld eigentlich her? Kollege Troost hat die Frage der gerechten Verteilung angesprochen. Das ist natürlich für Sozialdemokraten immer zentral: Wer zahlt hier eigentlich wie viel? Es gibt da auch Unterschiede in der Koalition; das ist ganz klar. Aber wir haben zwei wahnsinnig große Schritte gemacht, die ich mir nicht hätte träumen lassen. Der erste Schritt ist der automatische Informationsaustausch über Banknoten und Vermögen. Da will ich mich bei Bundesfinanzminister Schäuble ausdrücklich bedanken. Der automatische Informationsaustausch führt dazu, dass Privatvermögen nicht mehr versteckt werden kann. Über 90 Länder auf der Welt haben das Abkommen unterzeichnet. Es gab in Deutschland prominente Fälle, in denen die Betreffenden ihr Geld in der Schweiz geparkt haben und auf die Zinsen keine Steuern zahlen wollten. Wenn man so viel Geld hat, dass man Zinsen erhält, und dann nicht mal hier die Steuern zahlt, ist das asozial. Dem haben wir jetzt einen Riegel vorgeschoben; dieses Geld muss künftig versteuert werden. Jetzt sind wir bei der Frage des Steuersatzes. Ich sage Ihnen für die Sozialdemokraten ganz klar: Die Abgeltungsteuer bringt - anders, als Frau Lötzsch es gesagt hat - nicht bei den Dividenden einen Vorteil, aber bei den Zinserträgen, weil ein Steuersatz von nur 25 Prozent vorgesehen ist, während die Einkommensteuer im Zweifel höher sein kann. Das müssen wir so schnell wie möglich beseitigen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht jetzt schon!) Wir wollen, dass die Einkommen aus Zinsen und Kapitalerträgen genauso besteuert werden wie die Einkommen aus Arbeit. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir machen mit! Das würde reichen!) - Frau Kollegin Andreae, wir sind da ja sofort dabei. Die Frage ist: Wieso ist es eigentlich dazu gekommen? Der erste Grund war eine Initiative der oftmals von vielen Leuten geschmähten Vereinigten Staaten von Amerika. Sie haben mit dem FATCA-Abkommen sehr hart dafür gesorgt, dass die Banken ihre Bücher offenlegen; auch andere Länder haben dann zugestimmt. Der zweite Grund war eine politische Entscheidung in Deutschland. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!) Mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen hätten wir den Ablasshandel für ewig festgeschrieben, und es hätte niemals einen automatischen Informationsaustausch gegeben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich will auch sagen: Da war Norbert Walter-Borjans als Finanzminister von NRW derjenige, der am meisten getrieben hat. Ich bin froh, dass er sich an dieser Stelle durchgesetzt hat und wir dieses Abkommen verhindert haben. Damit haben wir jetzt bei allen Einkommen die gleiche Grundlage der Besteuerung und keine Verstecke mehr. Der zweite Meilenstein, den wir erreichen werden, betrifft BEPS. Wir hatten Schlupflöcher bei den privaten Vermögen, und wir haben sie immer noch bei internationalen Konzernen, die ihre Steuerlast mehr oder weniger in die Länder schieben, in denen die geringsten Steuersätze gelten. Es ist erstens asozial gegenüber der Gesellschaft - ich sage das ganz klar -, wenn Unternehmen die legale Möglichkeit nutzen, Absprachen mit Staaten zu treffen, um ihre Steuerlast auf 1 oder 2 Prozent zu reduzieren. (Beifall bei der SPD) Es führt zweitens zu einer Wettbewerbsverzerrung. Nehmen wir nur Amazon. Es ist nicht nur ein Buchhändler, aber wir nehmen mal das Beispiel Bücher. Mein Buchhändler in Erfurt oder in Weimar zahlt vor Ort nicht nur Miete für die Räume in Innenstadtlage - das ist nicht billig -, sondern auch den vollen Satz der Körperschaftsteuer. Er zahlt den vollen Satz, weil er keine Absprachen mit dem Finanzminister oder den Beamten in Luxemburg darüber treffen kann, wie viel Steuern er zu zahlen hat. Amazon kann das, Amazon konnte das. Ich bin dem Europäischen Parlament sehr dankbar, dass es das Thema der legalen Steuergestaltung innerhalb der Europäischen Union ganz oben auf die Agenda gesetzt hat, es transparent gemacht hat. Wir brauchen jetzt die politischen Mehrheiten im Europäischen Parlament, aber auch im Bundestag, um es internationalen Konzernen so schwer wie möglich zu machen, ihre Steuerlast in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Dieses Steuerdumping werden wir Sozialdemokraten immer bekämpfen. Ich hoffe, wir haben den Bundestag da auch an unserer Seite. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile dem Kollegen Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Krüger [SPD]) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Haushaltsdebatte irgendwie zur Steuerdebatte mutiert ist, (Bettina Hagedorn [SPD]: Das gehört zusammen!) muss man vielleicht mal eines klarstellen: Es hat keine Bundesregierung, kein Finanzminister so viel gegen internationale Steuerhinterziehung und -verkürzung getan wie unser Finanzminister Wolfgang Schäuble. Das gehört auch zur Wahrheit dazu, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich würde gerne über den Haushalt reden und möchte meine Ausführungen unter drei Überschriften subsumieren. Die erste Überschrift ist "Lob und Dank", dann kommen "Vorsicht" und "Zuversicht". Fangen wir mit Lob und Dank an. Wir nehmen es mittlerweile als Selbstverständlichkeit hin, dass wir wieder einmal trotz aller Fährnisse und Gefahren einen Haushaltsplan mit einer schwarzen Null vorgelegt haben. Das haben Generationen unserer Vorgänger nicht hingekriegt. Das ist etwas Besonderes. Dass etwas Besonderes gelungen ist, liegt nicht nur an der guten Wirtschaftsleistung, die wir in diesem Land haben, liegt nicht nur an den niedrigen Zinsen, sondern liegt auch an der vorausschauenden und guten Haushaltspolitik. Wenn man sich überlegt, welche Rucksäcke wir uns dabei noch aufgeladen haben: Wir haben diese schwarze Null nämlich geschafft ohne Steuererhöhung, ohne neue Steuern, und - Sie haben darauf hingewiesen - wir haben die Steuern durch den Abbau der kalten Progression und durch die Erhöhung der Freibeträge sogar gesenkt. Wir haben sehr viel Geld an die Kommunen und Länder gegeben; Kollege Rehberg hat darauf hingewiesen. Wir haben die Investitionen erhöht, auch für die Kommunen. Wir geben mehr Geld für Bildung und Forschung aus. Und wir tragen als einziges Land in Europa, vielleicht neben Schweden, eine unglaubliche Last infolge der Menschen, die zu uns kommen. Allein im nächsten Jahr wird die Zusatzbelastung des Bundeshaushaltes - je nachdem, wie man es rechnet - 8 bis 9 Milliarden Euro betragen. Für all das gilt allen Beteiligten mein großes Dankeschön; denn das war nicht einfach. Unsere Haushälter mussten kurzfristig improvisieren, sie mussten priorisieren, sie mussten umschichten. Sie mussten vor allen Dingen ganz viel Nein sagen. Das muss man den Haushältern hoch anrechnen; denn die Kunst, Nein zu sagen, ist nicht ganz einfach. Dafür braucht man ein dickes Fell und einen breiten Rücken, und beides haben sie. Dafür ganz herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die zweite Überschrift lautet "Vorsicht". Wir müssen in der Tat vorsichtig sein, weil in diesem Haushalt natürlich Risiken enthalten sind, und zwar nicht nur auf der Ausgabenseite - Thema Migration, Thema innere Sicherheit, Thema äußere Sicherheit -, sondern auch auf der Einnahmenseite. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Steuereinnahmen so gut sind. Deswegen müssen wir viel Kraft darauf verwenden, dass das so bleibt und dass wir unseren Wirtschaftsstandort stärken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen aber auch vorsichtig sein, dass wir uns insgesamt nicht übernehmen. Ich hatte in den letzten Wochen ein Gespräch mit einem ausländischen Kollegen. Er fragte mich: Was packt ihr Deutschen euch eigentlich alles in euren Rucksack hinein? Im weiteren Verlauf dieses Gespräches wurde klar, was er meinte: Wir sind der größte Nettozahler innerhalb der Europäischen Union, wir stabilisieren mit unseren Garantien maßgeblich die Euro-Zone, wir haben eine sehr ehrgeizige Energiewende, die viel kostet, auf den Weg gebracht, und wir haben umfangreiche Sozialpakete in den Bereichen Rente, Krankenhaus und Pflege auf den Weg gebracht. Wir sind nicht nur dabei, der Einwanderungsströme in irgendeiner Art und Weise, auch mit finanziellen Mitteln, Herr zu werden und eine vernünftige Finanzausstattung zu gewährleisten, sondern wir investieren auch in innere Sicherheit. Da stellt sich schon die Frage: Was können wir eigentlich noch tragen? Was kann man noch draufpacken? Der ausländische Kollege hat mir dann gesagt: Das könnt ihr so lange stemmen, solange eure Wirtschaftsleistung gut ist. Aber was macht ihr eigentlich, wenn es mit der Wirtschaft bergab geht? Und er sagte noch etwas - und das ist ganz entscheidend -: Das ist dann nicht nur euer Problem, sondern das ist auch unser Problem, weil ihr mit eurer Wirtschaft die Lokomotive in Europa seid. Ihr zieht den Karren in Europa. Wir im Rest von Europa sind darauf angewiesen, dass eure Wirtschaft und euer Land funktionieren. - Das sollten wir immer beachten, wenn wir uns wieder etwas Neues in unseren Rucksack hineinpacken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen auch vorsichtig sein, weil die ersten Stimmen laut werden, die fordern, dass die nationale Schuldenbremse oder die europäische Schuldenbremse, der Fiskalpakt, wegen der Migration, wegen der inneren Sicherheit und wegen der äußeren Sicherheit gelockert oder ausgesetzt werden sollen. Meine Damen und Herren, es ist die Entscheidung dieser Generation, zu sagen: Wir nehmen in unserem Land Einwanderer und Flüchtlinge auf. Es ist die Herausforderung dieser Generation, dass wir Probleme mit der inneren und äußeren Sicherheit haben. Andere Generationen treffen neue Entscheidungen. Sie werden vor neuen Herausforderungen stehen: Klimawandel, Rohstoffknappheit und was sonst noch kommen mag. Deswegen ist es meines Erachtens nicht legitim, die Belastungen, die wir heute haben, auf die nächste Generation zu verschieben. Wir sollten daher nicht darüber nachdenken, an der Schuldenbremse oder am Fiskalpakt zu rütteln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr gute Worte!) Wir müssen aber auch vorsichtig sein, weil - der Bundesrechnungshof hat es uns schriftlich gegeben - mittlerweile eine große Unwucht bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen entstanden ist. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist richtig!) Worum geht es? Wir geben sehr viel Geld aus - Eckhardt Rehberg hat es ausgerechnet: von 2010 bis 2018 mehr als 125 Milliarden Euro -, um Länder und die Kommunen seitens des Bundes zu unterstützen. Bei den Regionalisierungsmitteln, also den Mitteln für den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr, haben wir noch einmal kräftig etwas draufgelegt. Meine Damen und Herren, das kann nicht so weitergehen. Wir müssen da wieder Klarheit reinbringen. Wir müssen klare Verhältnisse schaffen. Deswegen müssen wir die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu ordnen. Das ist auch im Sinne unseres Bundeshaushaltes eine ganz wichtige Aufgabe. Wir müssen vorsichtig sein, weil es in der Politik eine ungünstige Entwicklung gibt. Natürlich ist es wichtig, dass wir im Moment sehr viel über Migration reden. Wir haben aber die Tendenz - das gilt auch für die Medien -, eine serielle Ein-Thema-Politik zu betreiben. Im August haben wir nur über Griechenland gesprochen, jetzt sprechen wir nur über Migration und demnächst vielleicht - leider - nur über innere Sicherheit. Wir dürfen bei all den Herausforderungen nicht vergessen, das Ganze im Blick zu behalten - nicht nur die Haushaltskonsolidierung, sondern auch die anderen großen Projekte -: die Euro-Stabilisierung, die geplante Energiewende, die soziale Gerechtigkeit in diesem Land. Vor allem aber müssen wir dafür sorgen, dass wir diesen Wirtschaftsstandort zukunftsfähig halten. Deswegen müssen wir über den Tellerrand hinausschauen. Die dritte Überschrift lautet "Zuversicht". Wir können eigentlich zuversichtlich sein, weil wir auch in diesem Haushalt noch Reserven haben. Damit meine ich nicht, dass wir irgendwo kürzen sollten, sondern ich meine, dass wir anfangen sollten, jeden Euro effektiver und effizienter auszugeben, damit wir für jeden Euro mehr Autobahn bekommen, damit wir für jeden Euro, den wir in das System stecken, eine bessere Integration der Langzeitarbeitslosen bekommen, damit wir mit jedem Euro, den wir investieren, mehr gegen den Klimawandel und für die Energiewende tun und, und, und. Ich glaube, das sind große Aufgaben. Da haben wir noch einiges zu erledigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich bin auch deswegen zuversichtlich, weil ich an unsere starke Wirtschaft glaube. Wir haben eine gesunde Wirtschaft, bestehend aus familiengeführten mittelständischen Unternehmen, großen Unternehmen, kapitalmarktorientierten Unternehmen. Das Thema Erbschaftsteuer ist schon angesprochen worden, lieber Axel Troost. Wir müssen aufpassen, dass wir diese Struktur nicht kaputtmachen; denn diese Struktur ist die Basis für unseren wirtschaftlichen Erfolg, für hohe Steuereinnahmen und für gute Haushaltsergebnisse. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin zuversichtlich, dass wir im Bereich Migration gute Entscheidungen treffen werden. In den vergangenen fast 70 Jahren haben wir es immer geschafft, gute Entscheidungen zu treffen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Balance finden werden zwischen unserem berechtigten Anspruch auf Menschlichkeit, Humanität und Nächstenliebe auf der einen Seite und dem genauso berechtigten Anspruch darauf, das Ganze zu ordnen, zu steuern, zu reduzieren und zu begrenzen. Das ist eine große Aufgabe, der wir uns im nächsten Jahr stellen müssen. Letztlich bin ich zuversichtlich, wenn ich mir anschaue, was dieses Land in den letzten sieben Jahren geleistet hat: Wir hatten 2008 eine Bankenkrise, danach eine Wirtschaftskrise, danach eine Euro-Krise und eine Staatsverschuldungskrise. Das, was Angela Merkel in ihren Regierungserklärungen immer wieder gesagt hat, ist richtig: Wir gehen aus diesen Krisen stärker hervor, als wir hineingegangen sind. Das ist eine großartige Gemeinschaftsleistung der Menschen in diesem Land. Erst recht stolz bin ich auf das, was wir in den letzten sieben Monaten geleistet haben, in denen viele Menschen sich aus ganz unterschiedlichen Gründen entschieden haben, zu uns zu kommen. Wann hat es das in der Weltgeschichte schon einmal gegeben, dass binnen eines halben Jahres fast 1 Million Menschen aufgenommen wurden, die noch dazu nicht aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommen - sie kommen nicht aus Holland, Frankreich oder so -, sondern aus anderen Erdteilen mit einer anderen Kultur, mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen? Wir alle zusammen, die Politiker, die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen, haben es geschafft, dass jeder von ihnen ein Dach über dem Kopf hat, dass er genug zu essen hat, dass er Bekleidung und eine medizinische Versorgung hat. Ich glaube, das ist etwas, worauf wir stolz sein können. Das sollten wir nicht immer wieder kleinreden. Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass wir diese Zuversicht bei aller Vorsicht und allen berechtigten Zweifeln bezüglich dessen, was in den nächsten Jahren passieren wird, mit in das kommende Haushaltsjahr nehmen; denn Zuversicht ist das, was wir am dringendsten brauchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält jetzt der Kollege Hans-Ulrich Krüger für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das dritte Jahr in Folge wird ein Bundeshaushaltsplan - für das Jahr 2016 ist ein Etat von 317 Milliarden Euro vorgesehen - ohne neue Schulden vorgelegt. Stetig wachsende Steuereinnahmen, ein guter, hoffnungsvoller Arbeitsmarkt, aber auch die niedrigen Zinsen sind eine wesentliche Grundlage für die von uns zum dritten Mal zu Recht selbstbewusst zu feiernde schwarze Null. Mir ist dabei allerdings auch bewusst - Kollege Kahrs sprach es schon an -: Die Herausforderungen für den Bund werden nicht weniger, sondern mehr werden. Die Kosten für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge als fundamentale Aufgabe sind hier zu nennen. Es ist richtig, wenn der Bund die Länder und Kommunen in Milliardenhöhe bei der Aufnahme und Unterbringung kostendeckend unterstützt. Es ist ebenso richtig und wichtig, dass diese Mittel vollständig bei denen ankommen, für die wir sie aus dem Bundeshaushalt bereitstellen, nämlich bei den Asylbewerberinnen und Asylbewerbern vor Ort. (Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Darüber hinaus gibt es allerdings auch ambitionierte Herausforderungen im Rahmen unserer demografischen Entwicklung. So werden beispielsweise die Leistungen des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung von derzeit 84 Milliarden Euro auf 98 Milliarden Euro im Jahr 2019 steigen. Sie sehen also: Die schwarze Null ist auch vor diesem Hintergrund eine beeindruckende Leistung. Lassen Sie mich nun noch einige Ergebnisse vortragen, die wir in den abschließenden Haushaltsausschusssitzungen erzielt haben. Besonders gefreut hat mich, dass wir uns auf zusätzliche 10 000 Stellen beim Bundesfreiwilligendienst verständigt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hierfür sind 50 Millionen Euro bereitgestellt worden. Das Angebot an Frauen und Männer, sich außerhalb von Beruf und Schule für die Allgemeinheit zu engagieren, lohnt sich. Junge Menschen, häufig vor Beruf und Studium, sammeln praktische Erfahrungen und Kenntnisse. Eine weitere Erfolgsstory ist das Elterngeld. Die Geburtenrate in unserem Land geht wieder nach oben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist sicherlich auch ein Erfolg des Elterngeldes, dessen Bedarf wir mittlerweile - auch das ist Teil unseres Haushalts - mit 6 Milliarden Euro prognostizieren. Lassen Sie mich noch ein Wort über das Technische Hilfswerk verlieren. Mit über 80 000 ehrenamtlichen Helfern hat uns diese Organisation in den letzten Wochen und Monaten effektiv unter die Arme gegriffen. Kaum eine Hilfsorganisation hat sich derart große Verdienste erworben. Das ist eine herausragende Leistung. Wir konnten dafür sorgen, dass die 668 Ortsverbände des THW über die bloße Aufwandsentschädigung hinaus 8 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für ihre Arbeit vor Ort erhalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ferner konnten 208 neue Planstellen geschaffen werden; denn eine solche Struktur kann nicht nur ehrenamtlich geführt werden. In diesem Sinne gebührt unser großer Dank dem THW mit seiner beeindruckenden Leistung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch erwähnen, dass wir weitere 5 Millionen Euro für den Erwerb von Feuerwehrfahrzeugen für Zwecke des Zivilschutzes bereitgestellt und im Haushalt verankert haben. Nun noch ein Wort zum Personal. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das BAMF, erhält 4 000 neue Stellen. Diese gibt es zusätzlich zu den 3 000 neuen Stellen bei der Bundespolizei und zusätzlich zu den 300 neuen Stellen beim BKA. Das alles ist richtig und gut. Jetzt geht es nur um eine einzige Frage - das ist natürlich auch eine Frage der Administration -: Wie schaffen wir es - bildlich gesprochen -, diese PS, die wir im Bundeshaushalt bereitstellen, auf die Straße zu bringen? Wie können wir dies umsetzen, damit die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sehr schnell sehen, dass sich das, was der Bundestag hier verabschiedet, in diesem und jenem bemerkbar macht? Es ist in den Haushaltsberatungen mehrfach angesprochen worden: Sprache ist ein Schlüssel zur erfolgreichen Integration. Das ist richtig. Wie man kleinreden kann, dass wir die Mittel für Sprach- und Integrationskurse um 250 Millionen Euro auf insgesamt 559 Millionen Euro erhöhen, erschließt sich mir nicht; denn all diese Maßnahmen - auch die 559 Millionen Euro - dienen dazu, eine entsprechende Antwort auf die aktuelle Situation zu geben. Lassen Sie mich zum Abschluss noch kurz zwei Dinge erwähnen, die unmittelbar im Haushalt des Bundesfinanzministers angesiedelt sind. Zum einen wurde in diesem Haushalt 2016 nach vielen Bundesratsinitiativen vermerkt: Der Bund nimmt sich bei der Mitfinanzierung der Beseitigung alliierter Weltkriegsmunition selbst in die Pflicht. - Bisher war es so, dass der Bund lediglich die Kosten der sogenannten reichseigenen Munition zu tragen hatte. Das ändern wir. Insgesamt stehen 60 Millionen Euro für die Jahre 2016 bis 2019 zur Verfügung, 60 Millionen Euro, die gerade Ländern wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo noch viele Bombenblindgänger festgestellt bzw. vermutet werden, zugutekommen werden. (Beifall bei der SPD) Zum anderen haben wir in den Haushaltsberatungen 2016 Haushaltsvermerke fortgeschrieben - der Kollege Rehberg erwähnte die entsprechende Zahl ganz kurz -, deren Grundlage wir schon im Nachtrag 2015 gelegt hatten, und zwar bezüglich der Änderung der BImA-Richtlinie zum verbilligten Erwerb von Liegenschaften. Mittlerweile ist es so: Kommunen können von der BImA verbilligt, also mit bestimmten Abschlägen, Konversionsflächen kaufen. Der Abschlag beträgt 350 000 Euro pro Vertrag. Sofern dort Flüchtlinge untergebracht werden, kommen weitere 150 000 Euro hinzu. Eine Kommune, die sich der Herausforderung der Aufnahme von Flüchtlingen stellt bzw. stellen muss, hat diese Möglichkeit. Alternativ hat sie die Möglichkeit, die entsprechenden Objekte nach Herrichtung durch die BImA mietzinsfrei anzumieten. Last, not least kann sie im Falle von Geschosswohnungsbau einen Zuschuss von 25 000 Euro pro neu geschaffener Wohnung erhalten, wenn sie sich dieser Aufgabe, dieser zusätzlichen Aufgabe, widmet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Insgesamt entspricht das allein für das kommende Haushaltsjahr einer Entlastung in Höhe von 315 Millionen Euro. Ich denke, das kann sich sehen lassen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bartholomäus Kalb ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meinem Beitrag in der ersten Lesung dieses Bundeshaushalts habe ich unter anderem ausgeführt, dass der Wohlstand in Europa ganz wesentlich davon abhängt, ob Europa zusammenhält, ob die europäischen Länder zusammenhalten. In den letzten Wochen kam es zu Ereignissen, die noch sehr viel deutlicher machen, wie notwendig es ist, dass die Europäische Union und die europäischen Länder in dieser schwierigen Zeit zusammenhalten, dass allen Tendenzen des Auseinanderdriftens entgegengewirkt werden muss und Europa noch enger zusammenrücken muss. Leider haben wir in der Frage der Bewältigung der Flüchtlingskrise noch längst keine Einigkeit in Europa. Hier werden wir noch stärker darauf angewiesen sein, dass sich Europa als Solidargemeinschaft versteht. Solidarität ist nun einmal keine Einbahnstraße, sondern hat zwei Richtungen. Alle stehen gemeinsam in der Verantwortung, und alle sollten sich dessen bewusst sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Krüger [SPD]) Auch wir in Deutschland sehen uns auf Bundesebene in der Verantwortung, auch gegenüber den Ländern und Gemeinden, nicht nur mit Blick auf die Interessen des Bundes. Deswegen haben wir im Bundeshaushalt dafür Sorge getragen - es ist schon erwähnt worden -, dass die Länder und Gemeinden bei der Bewältigung der enormen Flüchtlingsströme unterstützt werden. Wir treffen auch Vorsorge dafür, dass wir die Herausforderungen, die sich sowohl für den Bundeshaushalt als auch für die Haushalte von Ländern und Gemeinden ergeben, auch im kommenden Haushaltsjahr, im Haushaltsjahr 2016, bewältigen können. Wir stehen zweifellos vor großen Herausforderungen. Wir unterstützen, wie gesagt, die Länder und Gemeinden. Wir leisten gleichzeitig auch eine verstärkte humanitäre Hilfe. Ich bin sehr froh darüber, dass wir die notwendigen Entscheidungen - der Kollege Rehberg hat das ausgeführt - unabhängig von den zwischenzeitlich eingetretenen Ereignissen in Frankreich und rechtzeitig getroffen haben. Sie geben unseren Sicherheitsdiensten mehr Möglichkeiten und sorgen letztlich dafür, dass für die Bürger mehr Sicherheit gewährleistet werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im Bundeshaushalt Vorsorge getroffen, sowohl finanziell als auch von der Stellenausstattung her, dass den Notwendigkeiten, die es beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei der Bundespolizei und beim THW - Kollege Krüger hat gerade darüber gesprochen - gibt, entsprochen und für die erforderlichen Ausstattungen, auch in personeller Hinsicht, gesorgt werden kann. Wir tun mehr für die Integration und auch mehr für die soziale Absicherung. Dieser Bundeshaushalt ist aber nicht nur durch die hohen Flüchtlings- und Zuwanderungszahlen gekennzeichnet. Es soll nicht übersehen werden, dass dieser Haushalt auch ein Investitionshaushalt ist und dass er zum Ausdruck bringt, wie sehr die Regierungskoalition den Familien und den Leistungsträgern in unserer Gesellschaft gerecht wird. Das haben wir auch dadurch erreicht, dass im Sommer ein großes Paket familienpolitischer Leistungen und steuerlicher Entlastungen beschlossen wurde, das jetzt natürlich umzusetzen ist. Aus unserer wirtschaftsfreundlichen Haushaltspolitik hat sich ergeben, dass wir heute insgesamt gut dastehen. Wir haben so viele versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Über 43 Millionen Menschen erwirtschaften bei uns im Lande das Bruttoinlandsprodukt. Sie garantieren damit Wohlstand und soziale Sicherheit und sorgen selbst für sich und ihre Angehörigen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Demzufolge haben auch alle öffentlichen Kassen eine gute Einnahmesituation. Das hängt ja eng und unmittelbar damit zusammen. Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang einmal sagen: Diese guten Ergebnisse sind auch ein Ergebnis der hervorragenden und erfolgreichen Kanzlerschaft von Angela Merkel in den letzten zehn Jahren. Das dürfen wir voller Dank und Anerkennung sagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist ja nicht die erste große Herausforderung, vor der wir stehen. Auch in der ersten Großen Koalition gab es enorme Herausforderungen und Ereignisse, die sozusagen über Nacht auf uns hereingestürzt sind. Ich denke dabei zum Beispiel an die Bankenkrise und an die Finanzkrise. Ich habe vorhin davon gesprochen, dass es sich bei diesem Bundeshaushalt um einen Investitionshaushalt handelt. Wir haben das 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm aufgelegt und werden die Umsetzung konsequent fortführen. Das sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass sich unsere wirtschaftliche Situation auch in den nächsten Jahren gut darstellen wird. Wir waren beispielsweise auch in der Lage, die Zuschüsse für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zu erhöhen. Es war uns sehr wichtig, der Landwirtschaft in einer schwierigen Zeit unter die Arme zu greifen, wie wir das für andere Branchen in anderen Zeiten und anderen Situationen ebenfalls getan haben. Das ist gelungen, und darüber freuen wir uns. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen zuwanderungsbedingten Akzenten, die zu setzen waren, wollen wir natürlich weiterhin sicherstellen, dass sich unsere Wirtschaft gut entwickeln kann. Deswegen muss ich den Steuerplänen, die Herr Troost zum Ausdruck gebracht hat, natürlich eine klare Absage erteilen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute, die bei uns arbeiten und bei uns etwas unternehmen, es in Deutschland so gut finden, dass sie sagen: Hier ist es gut. Hier wollen wir unsere Fähigkeiten entwickeln. Hier wollen wir auch zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Wenn uns gelingt, was wir in den letzten Jahren zustande gebracht haben - ein Haushalt ohne neue Schulden, ohne Steuererhöhungen -, dann setzen wir für die Zukunft ein richtiges und gutes Zeichen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Lothar Binding für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr viel über die Aufstellung des Haushalts und die geplanten Ausgaben gehört. Für 2016, denke ich, ist das auch sehr gut gelungen. Dafür kann man der Arbeitsgruppe für Haushalt der SPD und der Arbeitsgruppe der CDU/CSU nur danken. Ich spreche hier über die Einnahmen. Dafür brauchen wir eine langfristige Strukturpolitik. Ihr habt im Rahmen der Möglichkeiten gute Arbeit gemacht. Unsere Aufgabe ist aber, diese Möglichkeiten zu erweitern. Steuerpolitik ist eben die unverzichtbare Grundlage für einen soliden Haushalt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir sind allen Bürgerinnen und Bürgern und auch den Unternehmen dankbar, die sich an der finanziellen Grundlage mit fast 300 Milliarden Euro beteiligen; denn sie erbringen die eigentliche Leistung. Wir kümmern uns dann nur noch um eine faire Verteilung. Kurzfristig sind wir in einer wirklich sehr guten Lage. Die Frage ist aber, ob wir langfristig auf der Einnahmeseite strukturell gut aufgestellt sind. Dahinter muss man doch ein paar Fragezeichen setzen. Meine Kollegen haben schon darauf hingewiesen, welche Bedeutung der niedrige Ölpreis für unsere Entwicklung, der Euro für den Export, die niedrigen Zinsen und die hohe Beschäftigungsquote haben. Wir sehen: Vieles stabilisiert unseren Haushalt für das kommende Jahr. Aber es gibt hohe Zukunftsrisiken, auf die es zu achten gilt. Wenn man die Leute fragt, was den größten Anteil an den Steuereinnahmen ausmacht, dann ist manchen gar nicht klar, dass das die Lohn- und Einkommensteuer und die Mehrwertsteuer sind. Man muss aber einmal schauen, wer den größten Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer trägt. Das sind jedenfalls nicht die ganz Reichen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) Insofern gibt es auf der Einnahmeseite verschiedene Dinge, um die wir uns besonders kümmern. Eine Sache ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung; dazu haben wir schon viel gehört. Carsten Schneider hat vorhin die Bekämpfung von BEPS, Base Erosion and Profit Shifting, angesprochen. Das ist sicherlich ein ganz großes Problem. Er hat auch vom automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gesprochen. Auch dadurch wird Steuerhinterziehung bekämpft. Wir haben auch schon Erfolge bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs. Wir wollen die Finanztransaktionsteuer einführen. Hier sind wir dem Bundesminister dankbar, der auf einem guten Weg ist, die Einführung dieser Steuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit mit den Europäern zu erreichen. Ein Wermutstropfen dabei: Aktien werden möglicherweise nur mit 80 Prozent, Derivate nur mit 90 Prozent, und Anleihen nur mit null Prozent berücksichtigt. Daran müssen wir arbeiten. (Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Trotzdem ist mein Dank ernst gemeint; denn wir wissen, wie schwer die Verhandlungen in Europa sind. (Beifall bei der SPD) Insgesamt meinen wir, dass es ein Fehler ist, den Steuertopf zu durchlöchern. Ich will einige Beispiele nennen, die zeigen, dass einzelne Branchen durchaus Sonderregelungen in Anspruch nehmen und viele Begehrlichkeiten entwickeln, die mir nicht so gut gefallen. Auch die Süddeutsche Zeitung hat mich nach ein paar sehr merkwürdigen Regelungen gefragt. Stellen wir uns einmal vor, dieser Pappbecher wäre der Steuertopf. Er ist noch leer für das nächste Jahr. Das ist verständlich; denn die Steuereinnahmen kommen ja erst im Laufe des nächsten Jahres hinein. Wenn das Geld dann hineinkommt und der Steuertopf gefüllt ist, haben die Haushälter eine gute Chance, ihre Ausgaben zu realisieren. Jetzt kommen aber Leute, die in diesen Steuertopf ein Loch machen, so wie ich jetzt mit diesem Schraubenzieher. (Heiterkeit) Nehmen wir einmal die maritime Wirtschaft. Die Vertreter der maritimen Wirtschaft hatten die Idee, zu sagen: Die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer wird an den Arbeitgeber gezahlt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, ich hoffe, Sie haben keinen kompletten Werkzeugkoffer dabei, sonst müsste ich aus Sicherheitsgründen eingreifen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Nein, nein. Das hätte man ja gesehen. Ich habe zwar einen blauen Werkzeugkoffer; aber das hier ist nur ein Schraubenzieher, der mir hilft, in diesen Becher Steuerschlupflöcher zu machen. (Heiterkeit) Also: Ein Arbeitgeber muss ja Lohnsteuer für seinen Arbeitnehmer abführen. An wen? Natürlich an den Fiskus, also konkret an den Kämmerer bzw. an Herrn Schäuble im Bund. Bei der maritimen Wirtschaft ist es aber so: Die Lohnsteuer, die ein Arbeitnehmer zu zahlen hat, bekommt nicht Herr Schäuble, sondern der Arbeitgeber. Das ist ein total verrücktes System. Die Frage ist jetzt nicht, ob die Arbeitgeber das Geld auch bekommen. Die Antwort habe ich ja schon gegeben: Sie bekommen es. Die Frage ist: Warum bekommen das eigentlich die Bäcker, die Klempner und die Arbeitgeber in anderen Branchen nicht? Das interessiert mich; denn da spielt das Moment der Gerechtigkeit eine große Rolle. Ja, ich weiß, dem maritimen Kollegen gefällt das nicht. Aber ich glaube, darüber müssen wir reden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zur Tourismusbranche. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Man muss wissen, worüber man redet, Kollege Binding!) Nachdem für die Hotels bereits die Mehrwertsteuer gesenkt wurde, gibt es dort nun die Idee, auch noch die Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer entfallen zu lassen. Das würde zulasten der Kommunen gehen. Ich will das Problem einmal beschreiben: Ein Tourismusunternehmen, das eine Pauschalreise für 1 000 Euro anbietet, muss eine Zusatzlast von 17,50 Euro aushalten. Natürlich ist klar, dass die komplette Tourismusbranche in Konkurs geraten würde und Deutschland deshalb verlassen muss. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob nicht jeder Bürger mit einer fairen Besteuerung - das wären bei einer 1 000-Euro-Reise 17,50 Euro mehr - einverstanden wäre. Ich glaube, das wäre kein Problem. Auch dieses Schlupfloch ist nicht gut. Sie merken, was ich damit sagen will: Der Steuertopf wird gefüllt, indem Unternehmen und Bürger ihre Steuern zahlen; aber unten läuft das Geld durch die Schlupflöcher wieder heraus. Dann kann der Haushaltsausschuss seine Aufgaben nicht mehr so erledigen, wie er es tun müsste. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Insofern bin ich dafür, Steuerschlupflöcher zu stopfen. Es gibt andere Ideen, zum Beispiel im Hinblick auf die Kfz-Besteuerung für landwirtschaftliche Fahrzeuge, die für die Pflege von Streuobstwiesen eingesetzt werden. Ich frage mich: Braucht man da wirklich eine Entlastung? Oder schaffen wir die Pflege der Wiesen nicht auch, wenn für diese landwirtschaftlichen Maschinen ein wenig Kfz-Steuer gezahlt wird? Es gibt noch viele andere Ideen, zum Beispiel hinsichtlich der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die können Sie jetzt aber leider nicht mehr alle vortragen. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Nur noch ganz kurz. - Da wollen die Unternehmen den Arbeitnehmern etwas schenken, sind dabei aber nicht so ganz ehrlich. Sie wollen nämlich, dass wir uns an diesen Geschenken beteiligen. Ich bin der Meinung: Die Steuerschlupflöcher müssen abgeschafft werden. Bei der Erhebung von Steuern muss es fair zugehen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dann wird der Haushaltsausschuss seine Arbeit wirklich gut machen, nicht nur was die Ausgabenseite angeht, sondern auch was die Einnahmeseite anbelangt. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Binding, wenn Sie sich nach Rückkehr ins Büro einen verdienten Becher Kaffee einschenken lassen, denken Sie bitte daran, dass Sie in diesen ein Loch gebohrt haben. (Heiterkeit - Johannes Kahrs [SPD]: Nicht nur eins!) Nun hat der Kollege Carsten Körber für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Carsten Körber (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Werkzeugkoffer habe ich leider nicht hier vorne. (Johannes Kahrs [SPD]: Besser ist es!) Ich hatte auch nicht vor, meine handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, (Johannes Kahrs [SPD]: Auch: Besser ist es!) was in der Tat so besser ist. Der Haushalt 2016 steht. Die Zahlen und Fakten wurden in dieser Debatte bereits mehrfach und ausführlich genannt. Sie zeigen eines: Wir sind für das Haushaltsjahr 2016 gut gewappnet. Das sage ich auch und gerade vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage in Deutschland und Europa. Wir befinden uns in einer Situation, wie wir sie in ihrer Dramatik seit Jahren nicht erleben mussten. Hunderttausende von Flüchtlingen kommen in unser Land. Diese Menschen zeigen uns, dass Frieden, Freiheit und Sicherheit nicht selbstverständlich sind. Die Flüchtlinge kommen zu uns, weil sie all das, was für uns selbstverständlich ist, hier zu finden hoffen und weil es Frieden, Freiheit und Sicherheit in ihren Heimatländern nicht gibt. Auch wenn nach notwendiger und sorgfältiger Prüfung nicht jeder Flüchtling wird bei uns bleiben können, so stellt uns diese Situation doch vor gewaltige Herausforderungen; denn solange diese Menschen bei uns zu Gast sind, tragen wir für sie Verantwortung. Dieser Verantwortung kommen wir nach. Die notwendigen Mittel stehen bereit. Die Asyl- und Flüchtlingskrise war in den Haushaltsberatungen der vergangenen Wochen stets Thema. Weil aber die Bundesregierungen unter Führung der Union in den letzten zehn Jahren solide und klug gewirtschaftet haben, hat diese Krise unsere Beratungen nicht dominiert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) So halten wir an unserem Ziel fest, die schwarze Null auch 2016 beizubehalten. Dem Mann, der dafür ganz maßgeblich Verantwortung trägt, nämlich unser Finanzminister Wolfgang Schäuble, möchte ich von dieser Stelle aus einmal herzlich Dank sagen. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutschland ist finanziell und wirtschaftlich solide aufgestellt. Wir stehen so gut da, dass viele andere froh wären, wenn sie unsere Probleme hätten. Diese solide Basis versetzt uns in die Lage, auf die Flüchtlinge, die aus Syrien, Nahost und Afrika zu uns kommen, anders zu reagieren, als die meisten unserer Nachbarn es tun. Wir lassen diese Menschen in ihrer Not nicht vor einem Zaun an der Grenze stehen. Wir helfen, und darauf können wir stolz sein. Aber auch wir, das wohlhabende und reiche Deutschland, haben keine unbegrenzten Möglichkeiten und Kapazitäten. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das stimmt!) Wir werden auf Dauer nicht umhinkommen, die Masse der Flüchtlinge in bestimmte Bahnen zu lenken. Denn kein Staat der Welt kann auf Dauer 10 000 Flüchtlinge pro Tag aufnehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Und ja, wir haben bereits reagiert. In einem ersten Schritt haben wir neulich mit dem Asylpaket nichts weniger als die größte Reform des Asylrechts seit den 90er-Jahren auf den Weg gebracht - ein Erfolg, der noch im Sommer dieses Jahres undenkbar erschien. Doch warum wollen so viele Menschen ausgerechnet nach Deutschland? Sicher nicht, weil es sich in unserem Land so schlecht leben lässt oder weil es hier so ungerecht zugeht. Diesen Eindruck versucht die Opposition in ihren Beiträgen regelmäßig zu erwecken. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Zuhören hilft! - Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Man kann alles verbessern!) Nein, dieses Land mit seinem Grundgesetz, seiner sozialen Marktwirtschaft und seiner offenen und freiheitlichen Gesellschaft ist für viele in der Welt zum Vorbild geworden. Wir haben im Haushalt 2016 klare Prioritäten gesetzt. Auch in turbulenten Zeiten hat die Koalition angemessen reagiert und für die aktuelle Flüchtlingskrise Vorsorge getroffen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ja, meine Damen und Herren, und dass wir das können, ist das Ergebnis unserer wachstumsorientierten Konsolidierungspolitik. Wir haben in guten Zeiten das Geld nicht zum Fenster hinausgeworfen, wie andere es getan haben. Wir haben Maß gehalten und gespart. Und wir haben unsere Haushalte in Ordnung gebracht. Das war nicht immer leicht, aber es zahlt sich aus. Die Gastfreundschaft gegenüber Bedürftigen sollte im Europa des 21. Jahrhunderts selbstverständlich sein. Aber man muss auch der Realität ins Auge sehen. So nachvollziehbar der Wunsch nach einem besseren Leben ist, so richtig ist auch, dass Armut kein Asylgrund ist und dies auch nicht sein kann. Wirtschaftsflüchtlinge werden wieder gehen müssen. Auch so werden nicht wenige bleiben. Auch wenn nicht jedes Land in der Lage ist, kurzfristig Hunderttausende aufzunehmen: Deutschland kann das, und das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber manche unserer Landsleute blicken gerade mit Angst und Sorge in die Zukunft. Wir dürfen nicht den Fehler machen, all diese Menschen vorschnell als Extremisten, Querulanten und rechte Spinner abzutun. Wir müssen diese Sorgen ernst nehmen. Und allen Extremisten, die hieraus für sich Kapital schlagen wollen, gilt es, harte Kante zu zeigen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Der CSU!) Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Damit schließe ich die Aussprache. Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, darf ich eine Delegation von Parlamentariern aus Usbekistan unter Vorsitz von Herrn Shadmanov herzlich begrüßen. Herzlich willkommen im Deutschen Bundestag! (Beifall) Jetzt kommen wir zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Einzelplan 08 des Bundesministeriums der Finanzen in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6764 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? Ich bitte um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 08 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? Den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 08 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 20 - Bundesrechnungshof - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 20 ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I.5 auf: Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/6115, 18/6124 Die Berichterstatter sind die Kollegen Steffen-Claudio Lemme, Christian Hirte, Josef Rief, die Kollegin Heidrun Bluhm und der Kollege Sven-Christian Kindler. Zum Einzelplan 16 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Des Weiteren liegen drei Entschließungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir nicht heute, sondern am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Widerspruch erhebt sich keiner. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der ersten Lesung zum Einzelplan 16 am 11. September dieses Jahres war viel davon die Rede, welche Chancen die Zusammenlegung des Umwelt- und des Bauressorts eröffnet. Leider sind diese Chancen aus unserer Sicht ungenutzt geblieben. Ich sage: Wenn man sich die Haushaltsansätze des Einzelplans 16 ansieht, dann stellt man fest, dass sie auch in Zukunft ungenutzt bleiben. Das will ich Ihnen am Etat für Bauen und Wohnen einmal erklären. Die Bundesregierung hält an ihren Klimaschutzzielen im Gebäudebereich fest. Das ist gut, aber ohne weitere haushalterische Untersetzung bleiben diese Ziele leider romantische Wünsche. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mittlerweile brauchen wir eine Sanierungsquote von 3 Prozent jährlich, um dem selbst verordneten CO2-Einsparungsziel näherzukommen. Derzeit liegen wir bei knapp 1 Prozent. Aber das fällt wahrscheinlich unter uns Fachpolitikern fast keinem mehr auf, weil die Aufgabe zusammen mit dem EKF mittlerweile in das Ressort des Vizekanzlers fällt und so aus dem Blickfeld der Fachpolitiker - zumindest aus dem Blickfeld der Fachpolitiker der Koalition - verschwunden ist. Diese Mittel gehören zurück in den Einzelplan 16, damit man sich damit im fachpolitischen Zusammenhang befassen kann. (Beifall bei der LINKEN) Verglichen mit der wohnungspolitischen Agonie vergangener Regierungen waren die letzten Wochen dieser Regierung geradezu atemberaubend in ihrem Aktionismus: Ausschussberatungen, mehrere Expertengespräche, das Bündnis für bezahlbares Wohnen, die Baukostensenkungskommission und vieles mehr. Alle Experten in diesen Fachgesprächen waren sich darin einig, dass alle unsere Probleme hausgemacht sind und auch ohne die Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylbewerbern lange vorhanden waren. Es gab wohnungspolitische Vereinbarungen der Bundeskanzlerin mit den Ländern. Eine Bauministerkonferenz hat zwischenzeitlich stattgefunden. Schließlich hat uns das Bauministerium ein Thesenpapier, ein Zukunftspapier, eine neue wohnungspolitische Agenda mit dem vielversprechenden Titel "Neues Zusammenleben in der Stadt" vorgelegt. Was darin einleitend gesagt wird, könnte ich fast alles sofort unterschreiben. Die Linke hat vieles davon schon in ihre parlamentarischen Anträge geschrieben. Deshalb kommt uns zum Beispiel bekannt vor - ich zitiere -: Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland stellt uns vor neue Herausforderungen in der Stadtentwicklung. Das ist richtig. Dann heißt es: Neben den Wanderungsbewegungen innerhalb des Landes kommen in diesen Monaten viele Menschen zu uns, die auf der Flucht vor Krieg und Gewalt ein friedliches Leben suchen. Wir wollen und können diesen Menschen eine neue Heimat bieten. Auch das ist sehr begrüßenswert. Weiter heißt es: Für alle Menschen ... muss Wohnraum geschaffen werden. ... Unsere Städte müssen in jeder Hinsicht durchmischt sein: in den Nutzungen, in den sozialen Milieus und in der städtebaulichen Struktur. Beifall. All das könnte auch von der Linken sein. (Beifall bei der LINKEN) Dann kommt der Satz: Für die Städte haben wir jetzt die Gelegenheit, das Leitbild der kompakten, integrierten und umweltfreundlichen Stadt schrittweise in die Realität umzusetzen: Jetzt kommt der Lackmustest. Wenn man diesen Satz mit dem Haushalt 2016 abgleicht, bleibt einem nichts anderes übrig, als zu sagen: Die Gelegenheit haben Sie verpasst, wieder einmal; denn dieser, wenn auch aufgestockte Haushalt ist kein Haushalt eines Aufbruchs zu einer wohnungspolitischen Offensive. Ich sage Ihnen: Damit gibt es keinen Neustart des sozialen Wohnungsbaus. Es gibt kaum Impulse für den Erhalt gemischter Quartiere etwa durch ein bedarfsgerechtes dynamisiertes Wohngeld, keine Offensive für die energetische Gebäudesanierung. Es gibt nur ein Weiter-so mit leicht nach oben gesetzten Haushaltsansätzen. Meine Damen und Herren, es ist hier schon mehrfach heute gesagt worden: Sie fahren auf Sicht. Ja, die Kompensationszahlungen an die Länder für die soziale Wohnraumförderung werden fast verdoppelt. Viel ist auch nicht mehr von den einmal vorhandenen 5 Millionen Sozialwohnungen übrig geblieben, die es vor der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit in Deutschland gab. 4 Millionen davon sind inzwischen aus der Sozialbindung herausgefallen. Aber es gibt heute schon wieder mindestens 7 Millionen Mieterhaushalte, die Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten. Es fehlen in Deutschland rund 2 Millionen altersgerechte Wohnungen, und es herrscht geradezu Notstand bei der Versorgung von Studierenden mit Wohnheimplätzen und bezahlbaren Studentenwohnungen. (Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Von den vielen Zuwanderern, die auch wohnen müssen und wohnen sollen, rede ich hier noch gar nicht. Was unternimmt die Bundesregierung? Das Statistische Bundesamt zählt seit 2003 weniger als 10 000 neu gebaute Sozialwohnungen pro Jahr in ganz Deutschland. Mit der Aufstockung um 500 Millionen Euro hofft Frau Hendricks nun, die Zahl neu gebauter Sozialwohnungen jährlich auf 60 000 erhöhen zu können. (Sören Bartol [SPD]: Großer Erfolg!) Damit hätten wir es in 100 Jahren fast geschafft, (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: 100 Jahre Große Koalition, das könnt ihr uns nicht antun!) den heutigen Bedarf zu decken, aber das Programm, das Sie aufgelegt haben, läuft nur bis 2019. Also, wer rechnen kann, ist klar im Vorteil. (Beifall bei der LINKEN) Auf Initiativen aus der Privatwirtschaft für den sozialen Wohnungsbau würde ich auch nicht setzen. Die hat nämlich andere Prioritäten, zum Beispiel steuerliche Anreize durch höhere Abschreibungen. Klar, das kann man machen, auch die Linke verweigert sich da grundsätzlich nicht. Aber die greifen erst, wenn die Wohnungen gebaut sind, und sie würden den Steuerzahler nach seriösen Schätzungen, zum Beispiel von Pestel, circa 3,5 Milliarden Euro kosten. Sie gelten darüber hinaus für alle Wohnungen, auch für Luxuswohnungen. Also, je teurer wir bauen, desto mehr kann abgeschrieben werden. Wenn schon, warum nicht gleich dieses Steuergeld direkt in die soziale Wohnraumförderung stecken, anstatt öffentliche Gelder in die privaten Taschen in der vagen Hoffnung umzuleiten, dass dabei auch soziale oder wohnungspolitische Effekte entstehen? (Beifall bei der LINKEN) Diese als Steuervergünstigung gedachten 3,5 Milliarden Euro, dazu die von uns in unserem Haushaltsantrag geforderten 1,5 Milliarden Euro und die von den Ländern eins zu eins kofinanzierten Mittel, dann wären wir schon bei 6,5 Milliarden Euro. Das wären ein echter Neustart und vielleicht auch ein Ansatz für die Haushaltsdebatte im Jahr 2017. (Beifall bei der LINKEN) Und das wäre eine planbare Ansage für die Bau- und Wohnungswirtschaft, die sich dann verlässlich darauf einrichten kann. Sie sagen jetzt: Das überfordert den Bundeshaushalt. - Da lachen unsere Nachbarn in Österreich oder in den Niederlanden. Die geben nämlich pro Jahr 1 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für den sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau aus. Rechnen wir das auf bundesdeutsche Verhältnisse um, dann wären das bei uns im Jahr 40 Milliarden Euro - nur für den sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau. Wir aber geben gerade einmal 0,3 Prozent unseres Bundeshaushalts für die soziale Wohnraumförderung aus, und zwar einschließlich der Erhöhung um 500 Millionen Euro, die Frau Hendricks jetzt durchgeboxt hat. Wir fordern bescheidene 1,5 Milliarden Euro für die soziale Wohnraumförderung im Haushalt 2016. Wir befinden uns damit in Übereinstimmung mit den Bauministern der Bundesländer, die genau das auf ihrer Konferenz im Oktober in Dresden vorgetragen haben. Aber auch das wäre nur ein Zeichen, eine Problemlösung ist das noch nicht. Das wissen wir; denn ein wirklicher Neustart im sozialen Wohnungsbau kann nur gelingen, wenn öffentliches Geld dauerhaft der öffentlichen Daseinsvorsorge zugutekommt. (Beifall bei der LINKEN) Was wir als Korrektiv zum maroden Marktliberalismus wirklich brauchen, ist eine starke, an den Wohnungsbedürfnissen der Menschen orientierte, neue gemeinnützige Wohnungswirtschaft. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die SPD hat jetzt das Wort der Kollege Steffen-Claudio Lemme. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Steffen-Claudio Lemme (SPD): Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir alle wissen, stand in diesen Haushaltsberatungen natürlich das Flüchtlingsthema im Mittelpunkt unserer Debatten. Angesichts der großen Herausforderungen, die wir aktuell und in den kommenden Jahren vor uns haben, um unseren neuen Mitbürgern Integration und Aufnahme zu gewährleisten, ist das auch normal. Wir müssen unser Augenmerk aber nicht nur auf die Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen richten, sondern auch auf die Bekämpfung von Fluchtursachen. Allein im Etat des Auswärtigen Amtes haben wir deshalb 450 Millionen Euro für humanitäre Hilfen in Flüchtlingslagern und als Krisenprävention im Ausland eingestellt. An dieser Stelle möchte ich den Bogen zum Bundesumwelt- und -bauministerium spannen. Denken wir nämlich an die Bekämpfung von Fluchtursachen, dürfen wir den Klimaschutz nicht aus dem Auge verlieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Denn wenn der Klimawandel nicht bekämpft wird, werden sogenannte Klimaflüchtlinge eines Tages das beherrschende Thema sein. Klimawandel ist ein Sicherheitsrisiko des 21. Jahrhunderts. In sechs Tagen startet in Paris der Klimagipfel. Erst kürzlich ging ein Foto um die Welt; ich zeige es Ihnen. Auf diesem Foto der Fotografin Kerstin Langenberger ist ein Eisbär in der Arktis zu sehen, dürr, mit schmutzigem Fell. Die Fotografin schrieb dazu, besonders weibliche Eisbären hätten es immer schwerer, Futter zu finden. Wenn sie keine ausreichend großen Eisschollen mehr vorfänden, auf denen sie ihre Jungen unterbringen könnten, hätten sie praktisch keine Chancen mehr, zu überleben. Binnen Tagen war dieses Bild über soziale Netzwerke einmal um den Globus gereist und wurde zum Sinnbild des Klimawandels; denn der Bestand an Eisbären könnte in den nächsten 40 Jahren um rund ein Drittel schrumpfen. Die Eisbären sind aber nur eines von vielen Beispielen, die die Notwendigkeit unterstreichen, in Paris ein globales Klimaabkommen zur Einhaltung der 2-Grad-Obergrenze zu verabschieden. Wir haben im Bundeshaushalt 2016 2,4 Milliarden Euro für die internationale Klimaschutzfinanzierung eingestellt. Darunter befinden sich 400 Millionen Euro im Haushalt des Bundesumweltministeriums. Ab 2020 soll diese Summe auf insgesamt 4 Milliarden Euro nahezu verdoppelt werden. Insgesamt möchte Deutschland jährlich rund 10 Prozent der Entwicklungs- und Schwellenländern zugesagten 100 Milliarden US-Dollar tragen. Mit diesem fairen Anteil wird Deutschland seiner Verantwortung gerecht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich danke hier vor allem unserer Bundesumweltministerin, die in zähen Verhandlungen im Vorfeld des Treffens in Paris zu einem großen Durchbruch beitragen wird, sodass die Klimaverhandlungen zu einem guten Erfolg geführt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, als zweiten Punkt möchte ich darauf eingehen, welche Erfolge wir in diesen Haushaltsberatungen im Bereich der Wohnungsbaupolitik erzielen konnten. Wir wissen: Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum für alle. Dem folgen wir mit einer Aufstockung der sozialen Wohnraumförderung um 500 Millionen Euro jährlich, und das im Zeitraum 2016 bis 2019, wie es bereits der Bund-Länder-Gipfel am 24. September 2015 beschlossen hat. Vor allem in den Ballungszentren wird der Bedarf an sozialem Wohnraum gewaltig sein. Mindestens 350 000 neue Wohnungen werden jährlich vor allem im preisgünstigen Segment benötigt. Wichtig ist, dass wir nicht speziell für Flüchtlinge neu bauen wollen; dies würde dem Integrationsgedanken zuwiderlaufen. Nein, wir benötigen in angespannten Wohnungsmärkten generell preisgünstigen Wohnraum für Familien mit geringem Einkommen, für Alleinerziehende, aber auch für Rentnerinnen und Rentner sowie natürlich für Flüchtlinge, von denen sich viele in Deutschland eine neue Heimat aufbauen werden. Nicht nur für die Beseitigung des Mangels an Wohnraum, sondern auch mit Blick auf die Auswirkungen des demografischen Wandels auf dem Wohnungsmarkt bringt der Haushalt 2016 mehr Geld auf. Im Jahr 2016 stehen nun 50 Millionen Euro für Maßnahmen zum altersgerechten und behindertengerechten Umbau zur Verfügung. Bislang standen hierfür 27 Millionen Euro zur Verfügung. Wir haben gerade für den altersgerechten Umbau die Summe um 23 Millionen Euro aufgestockt, und das ist gutangelegtes Geld. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir setzen uns dafür ein, dass ältere Menschen möglichst lange und selbstbestimmt in ihrem Zuhause bleiben können. Deshalb ist die Erhöhung der Mittel ein großer Erfolg, meine Damen und Herren. Wir brauchen mehr sozialen und altersgerechten Wohnraum sowie bezahlbaren Wohnraum für alle. Hierfür macht sich die SPD stark. Sie kann in dieser Wahlperiode im Vergleich zur Vorgängerregierung ersichtliche Erfolge vorweisen. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für ein guter Maßstab!) Wir haben in dieser Hinsicht bereits vieles angepackt und umgesetzt. Darauf können wir stolz sein, und das sind wir auch. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzte Woche ging zu unser aller Freude endlich das neue Investitionsprogramm des Bundes zum Einbruchschutz, für das 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, an den Start. Das Interesse an dem Programm hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Das Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, ist sehr hoch. Grund dafür ist der starke Anstieg der Zahl der Wohnungseinbrüche in den letzten Jahren. Im Jahr 2014 verzeichneten wir bundesweit 150 000 Einbrüche dieser Art und damit den höchsten Wert seit 16 Jahren. Meine Fraktion hat daher an einer Fördermöglichkeit gearbeitet, die möglichst vielen Menschen zugutekommt. Es geht darum, bereits durch geringe Investitionen, zum Beispiel Nachrüstungen bei Fenstern und Türen, das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu steigern. Mein Fazit: Mit diesen Haushaltsberatungen haben wir einen guten und sehr soliden Weg beschritten. Wir haben die Bedarfe der gesamten Gesellschaft in den Blick genommen und nicht nur einzelne herausgegriffen. Ich glaube, der Haushalt für das Jahr 2016 im Bereich der Umwelt- und Baupolitik unseres Landes kann als sehr vernünftig und gelungen bezeichnet werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lemme hat eben schon darauf hingewiesen: In wenigen Tagen startet die Klimakonferenz. - Auf dieser Klimakonferenz wird es darum gehen, dass wir einen Vertrag schließen, der dafür sorgt, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder noch auf diesem Planeten leben können. Dass wir ihnen die Lebensgrundlage bewahren, darum geht es bei diesem Vertrag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Wenn wir das nicht machen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass zum Beispiel die Menschen im Tschad, wo die Temperaturen schon jetzt 50 Grad betragen, nicht noch mehr in Probleme kommen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Menschen auf den Philippinen nicht noch mehr mit Überschwemmungen konfrontiert werden, dann werden diese Menschen zu uns kommen. Was das bedeutet, haben uns die Flüchtlinge, die in den letzten Monaten gekommen sind, deutlich gemacht. Das heißt, es geht hier auch um vorbeugende Politik. Es geht darum, dass wir hier in Deutschland Klimaschutz machen. Es geht darum, dass wir auf dieser Erde dieses Problem gemeinsam angehen. Wir dürfen nicht sagen: Die anderen sollen mehr tun als wir. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass wir als Delegation des Deutschen Bundestages zu dieser Klimakonferenz fahren und dort auch mit den anderen Kollegen diskutieren können - es ist übrigens Tradition bei den Klimapolitikern, die Ziele, die wir in Deutschland beschlossen haben, etwa den Ausstieg aus der Atomkraft, die Energiewende, CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020, gemeinsam, in großer Geschlossenheit auf den Klimakonferenzen zu vertreten -, haben wir nicht dem Parlament zu verdanken, nicht dem Bundestagspräsidenten, sondern der Umweltministerin. Sie nimmt uns mit in ihrer Delegation. Dafür bedanke ich mich gerade auch als Ausschussvorsitzende sehr herzlich; denn ich glaube, dass wir für Deutschland damit einiges erreichen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Nun ist Politik immer auch Symbolpolitik. Symbole sind ein ganz wichtiger Teil der Politik. Deshalb hat mich eines geärgert, nämlich: Wir haben als Umweltausschuss in der Gemeinsamkeit, die ich beschrieben habe, im Rahmen der Großen Koalition von 2005 vorgeschlagen, dass die Flugreisen und die Fahrten mit dem Fuhrpark, die wir machen, CO2-kompensiert werden. Das ist damals geschehen, und das war eine gute Sache. Schwarz-Gelb hat die Kompensation abgeschafft, deshalb haben wir vor anderthalb Jahren erneut einen Vorstoß gemacht. Die Umweltministerin hat ihn umgesetzt. Die Bundesregierung wird - das ist der Ansatz in diesem Haushalt - ihre Flugreisen und Fahrten kompensieren. Die Haushälter der Großen Koalition haben das ihren Klimapolitikern jedoch versagt. In diesem Jahr wie im letzten Jahr werden wir die absurde Situation haben, dass wir beschließen: Die Bundesregierung darf kompensieren, aber die Abgeordneten dürfen es nicht. Das finde ich wirklich kleinlich, peinlich und auch sehr provinziell. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Warum sage ich das? Weil das aus meiner Sicht das schlechte Ende eines verlorenen Jahres für den Klimaschutz ist. Im letzten Jahr ist hier von der Umweltministerin ein Plan vorgestellt worden, (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist doch alles Placebo!) CO2 zu reduzieren. Jeder muss seinen Beitrag erbringen, auch die Energiewirtschaft, die 40 Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht. Und was ist passiert? Am Ende gab es keine Abgabe für Braunkohlenkraftwerke, weil gerade CDUler sich an die Spitze der Bewegung für die Braunkohle gestellt haben. Das war wirklich peinlich, meine Damen und Herren. Jetzt haben wir eine Subvention für Braunkohle und eine Blockade bei der Photovoltaik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Das ist wirklich das Gegenteil von Klimaschutz. Gehen wir doch einmal andere Bereiche durch. Wir waren in der Vergangenheit nicht nur Vorreiter beim Klimaschutz, sondern wir waren es auch im Umweltbereich. Betrachten wir einmal die Sustainable Development Goals, bei denen wir in der Gesamtheit als Deutsche gar nicht so schlecht dastehen. In den Umweltpunkten stehen wir mittlerweile aber ganz weit hinten. Da sind wir unter den letzten 15 Prozent der OECD-Länder, gleichauf mit Ungarn. Herzlichen Glückwunsch! (Zuruf von der CDU/CSU): Was soll denn das heißen?) Wo sind die Defizite? Sie zeigen sich bei der Luftqualität in den Städten. Sie zeigen sich beim Verlust von Artenvielfalt. Sie zeigen sich bei der schlechten Qualität des Wassers, bei der Lebensmittelverschwendung und beim Abfall. In diesen Punkten werden die Umweltziele gerissen. Und woran liegt das im Wesentlichen? Es liegt daran, dass diese Bundesregierung zwei wesentliche Fehler macht. Sie macht eine falsche Landwirtschaftspolitik, und sie macht eine falsche Verkehrspolitik, und das muss sich ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Nitrat-Richtlinie. Wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren beim Feinstaub, bei NO2 und auch bei der FFH-Richtlinie. NO2 ist ja jetzt gerade durch den VW-Skandal wirklich in den Mittelpunkt gerückt: 7 000 Tote allein durch den Ausstoß von NO2 im Diesel - 7 000 Tote! -, das leisten wir uns mal. Umweltschutz ist Gesundheitsschutz, meine Damen und Herren. Auch aus diesem Grund müssen wir mehr Umweltschutz machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber auch, was den Klimaschutz angeht, ist der Verkehrsbereich weit hintendran. Mittlerweile ist das auch Verbrauchertäuschung. Wenn ein Auto, das man sich heute neu kauft, 40 Prozent mehr Sprit verbraucht, als auf dem Papier steht, dann ist das Verbrauchertäuschung, und dann ist das auch gegen den Klimaschutz. Das geht so nicht weiter. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Haben Sie jemals geglaubt, was auf dem Papier steht?) In den letzten fünf Jahren hat es bei den Neuwagen keine Reduktion von CO2 und keine Steigerung der Energieeffizienz mehr gegeben. Es kann nicht sein, dass die Kreativität der Ingenieure mittlerweile darauf gerichtet ist, legal und illegal zu schummeln, und nicht mehr darauf, die Energieeffizienz zu verbessern. Das darf in einem Autoland wie Deutschland nicht sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ansonsten gefährden Sie nämlich die Arbeitsplätze in genau dieser Branche. Ihre eigenen Experten haben Ihnen übrigens in diesem Jahr bescheinigt, dass die Erreichung des Ziels, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren, erheblich gefährdet ist. Das tun also nicht nur wir, sondern mittlerweile auch Ihre eigenen Experten. Sie unternehmen hier einfach zu wenig. Das gilt auch für den Gebäudebereich. Wir könnten endlich loslegen bei der Gebäudesanierung, indem wir nicht nur die Hülle oder die Dämmung betrachten, sondern reingehen mit erneuerbaren Energien und mit Kraft-Wärme-Kopplung und gemeinsame Konzepte für die Quartiere entwickeln. Und da wird viel zu wenig getan. Da muss die Große Koalition ran. Es muss auch in diesem Bereich endlich etwas für den Klimaschutz getan werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sehen, dass es zunehmend wieder eine Zuwendung zu fossilen Energien gibt. Wir sehen, dass damit die Zukunft der Arbeitsplätze gerade auch im Bereich der Erneuerbaren gefährdet wird. Wir sagen auch deshalb: Wir sehen bei der Großen Koalition keinen Mut, sich für die Zukunft zu entscheiden. Wir sehen keinen Plan, wie man es schaffen kann, wirklich CO2 zu reduzieren und die Ziele zu erreichen, die man sich vorgenommen hat. Wir sehen auch kein Herz für die Menschen zum Beispiel in Bangladesch, in Afrika und auf den Philippinen, die jetzt schon Opfer des Klimawandels sind und deren Leben und Existenz durch Dürren und Überschwemmungen gefährdet sind. Haben Sie also mehr Mut, mehr Plan und mehr Herz! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Josef Rief. (Beifall bei der CDU/CSU) Josef Rief (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich darf auch einmal die Schriftführer und Stenografen begrüßen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wir müssen, wie ich glaube, wieder zum wichtigen Thema des heutigen Tages und der ganzen Woche kommen, und das ist der Haushalt für 2016. Der Haushalt für 2016 steht. Wir haben es geschafft, ohne Steuererhöhungen und ohne neue Steuern die schwarze Null zu halten, und dies trotz der großen Herausforderungen, vor die uns der Flüchtlingsstrom zusätzlich stellt. Keine Neuverschuldung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist kein Selbstzweck. Nur ohne neue Schulden sind wir gut aufgestellt für die Zukunft und leisten unseren dringend notwendigen Beitrag auch für die Stabilität in Europa und in der Welt. Es ist wichtig, dass wir auch in den nächsten Jahren handlungsfähig bleiben. Es ist allen klar, dass die öffentlichen Haushalte auch in den kommenden Jahren bei der Bewältigung der Aufgaben, die die Flüchtlingskrise mit sich bringen wird, viel zu stemmen haben werden. Ich begrüße es daher sehr, dass wir jetzt Maßnahmen umsetzen, um den Zustrom und den Familiennachzug zu begrenzen, und auch nachhaltig mit der Zurückführung von Menschen ohne Bleibeperspektive begonnen haben. Zuwanderung in die Perspektivlosigkeit löst keine Probleme, sondern verstärkt Probleme! In meinem Heimatland Baden-Württemberg läuft die Rückführung nur sehr schleppend. Man kann die grün-rote Landesregierung nur immer wieder auffordern, sich in Sachen Rückführung ein Beispiel etwa am Saarland zu nehmen. (Sören Bartol [SPD]: Jetzt aber einmal zum Thema Umwelt! Thema Haushalt, Kollege, wie wäre es?) In meinem Wahlkreis wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres trotz eines hohen Anteils von Flüchtlingen aus dem Balkan gerade einmal 14 Abschiebungen durchgeführt. Das ist einfach nicht akzeptabel. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo? Umwelthaushalt! - Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Machen wir hier jetzt baden-württembergischen Wahlkampf?) Der Platz wird für die nach dem Asylrecht hilfebedürftigen Bürgerkriegsflüchtlinge gebraucht. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich! - Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So schlecht wie der ganze Wahlkampf von Ihnen!) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, speziell der Baubereich, trägt einen ordentlichen Anteil der Bemühungen, mit der Flüchtlingsunterbringung fertigzuwerden. Wir investieren über 1 Milliarde Euro in den sozialen Wohnungsbau. Wir verdoppeln einfach einmal die Summe, die wir den Bundesländern dafür geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir müssen damit einerseits Unterstützung leisten bei der Unterbringung der Menschen, die zu uns kommen, aber auch dafür sorgen - das wurde vorhin schon angesprochen -, dass unsere Bevölkerung weiter bezahlbaren Wohnraum findet, und zwar dort, wo sie ihn wünscht. Ansonsten vervielfältigen sich unsere Probleme. Ein wichtiger Punkt bei den Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau ist aber die Verwendung der Mittel durch die Länder. Ich hatte es schon in meiner Rede zu Beginn dieser Haushaltsberatungen gesagt: Was wir als Bund an die Länder sozusagen zweckgebunden überweisen, muss auch für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden und darf nicht in anderen Projekten oder im allgemeinen Haushalt der Länder versickern. Da haben wir in der Vergangenheit schon öfter klebrige Finger erlebt. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel bei Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg!) In dieser Situation aber wird für den sozialen Wohnungsbau, wie ich glaube, jeder Euro gebraucht. Meine Damen und Herren, der Druck auf den Wohnungsmarkt in beliebten Gebieten ist da. Ich hätte mir gewünscht, dass wir auch wieder mehr für Bürgerinnen und Bürger tun, die sich mit ihrer Familie eigenen Wohnraum schaffen wollen. Wir sollten in der Zukunft über eine Förderung für Erwerber von Eigentumswohnungen und Häuslebauer mit Kindern nachdenken. (Beifall bei der CDU/CSU) Das würde auch zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beitragen und würde den Familien in unserem Land helfen, die Unterstützung dringend nötig haben. Der Baubereich des Einzelplans 16 wird im kommenden Jahr eine deutliche Erhöhung erfahren. Insgesamt werden wir hier etwas mehr als 2,8 Milliarden Euro ausgeben. Neben der genannten Erhöhung der Kompensationszahlungen an die Länder für den sozialen Wohnungsbau ist auch die Wohngeldreform einer der Gründe für die deutliche Erhöhung des Budgets. 2016 werden wir immerhin - Kollege Lemme hat es schon gesagt - 730 Millionen Euro für das Wohngeld ausgeben. Wir haben im Koalitionsvertrag die Reform des Wohngeldes beschlossen. Wir haben Wort gehalten und stellen jetzt die entsprechenden Mittel zur Verfügung. Wir wollen damit für eine wirtschaftliche Absicherung von angemessenem, familiengerechtem und besserem Wohnen sorgen, gerade auch für Menschen mit geringerem Einkommen. Aber auch der Programmhaushalt erfährt einen deutlichen Aufwuchs. Beim Bundesförderprogramm "Altersgerecht umbauen" haben wir wegen der starken Nachfrage die Mittel für dieses und die kommenden Jahre um 23,5 Millionen Euro auf insgesamt 37,5 Millionen Euro erhöht. Altersgerechter Wohnraum gewinnt in Anbetracht unserer derzeitigen demografischen Entwicklung immer mehr an Bedeutung. Wir sollten es unterstützen, dass Menschen ein Leben in den eigenen vier Wänden ermöglicht wird, solange es geht. Heimat geben und erhalten ist für das Wohlfühlen gerade älterer Menschen wichtig. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem gerade gestarteten Programm zur Kriminalitätsbekämpfung durch Einbruchschutz wollen wir dem gestiegenen Bedarf am Schutz vor Einbrüchen Rechnung tragen. Dafür haben wir für die Jahre 2015, 2016 und 2017 jeweils 10 Millionen Euro bereitgestellt. Die 30 Millionen Euro, die Eigentümern und Mietern zur Verfügung stehen, werden einen vernünftigen Beitrag leisten, bestehende Gebäude sicherer zu machen, wobei - das darf ich mir herausnehmen - ich mir eine noch detailliertere Förderung gewünscht hätte. Ich hoffe, die Förderung kommt bei den Menschen an. Ich erbitte rechtzeitig einen Bericht über das Antragsaufkommen, damit wir gegebenenfalls nachsteuern können. Auch 2016 fördern wir wieder Städtebauprojekte mit besonderer nationaler Wahrnehmbarkeit und Qualität. Dabei nehmen wir uns in der Fläche viele Projekte vor, die einerseits durch ihre Bedeutung oder andererseits durch ihr überdurchschnittliches Investitionsvolumen und hohes Innovationspotenzial auffallen. Beim Berliner Stadtschloss hält die Koalition Wort und wird weiter den vereinbarten Beitrag leisten. Im kommenden Jahr werden 91 Millionen Euro des Bundesanteils verplant, damit die Baustelle weiter so gut im Zeitplan vorankommt und es bei den veranschlagten Baukosten bleibt. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir alle wissen: Es ist in Berlin und Umgebung nicht immer so, dass man bei den Baukosten und Zeitplänen bleibt. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Stimmt! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür ist Herr Dobrindt verantwortlich!) Neben den genannten Programmen gibt es viele weitere Titel zur Städtebauförderung, die ich nicht im Einzelnen aufzählen will. Auch mit diesem Haushalt bleibt der Städtebau einer der bedeutendsten Eckpfeiler unserer Stadtentwicklungspolitik. Städtebauförderung ist immer auch ein kleines Konjunkturprogramm für Handwerk und Dienstleistung vor Ort. Sie wirkt sich in jeder Gemeinde, in jeder Stadt und in jedem Landkreis aus. Ohne sie wären so manche Vorhaben nicht zu realisieren. Ich glaube, das ist eine der vornehmsten und wichtigsten Aufgaben, die wir als Bund in Zukunft leisten können und leisten müssen. Darum heißt es für die Koalition, weiter in diesem Bereich zu investieren, um das Leben und Wohnen in Deutschland noch bedarfsgerechter, umweltfreundlicher, ja noch schöner werden zu lassen. Dem trägt dieser Haushalt Rechnung. Zum Schluss möchte ich mich noch bei sehr vielen bedanken: erst einmal bei Ihnen, Frau Ministerin Hendricks, und Ihrem Haus für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Bearbeitung dieses Einzelplans, ebenfalls bei den Berichterstattern aller Fraktionen, auch bei den Mitarbeitern der Fraktionen und des Haushaltsausschusses dafür, dass sie die schnelle Abarbeitung in den langen Sitzungen erst möglich gemacht haben, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man die Grußworte nicht zu Protokoll geben?) nicht zuletzt aber auch beim Bundesfinanzministerium, bei Minister Wolfgang Schäuble und den Staatssekretären Jens Spahn und Michael Meister, für ihre Arbeit. Nun steht das Gemeinschaftswerk - mit einer schwarzen Null, ohne neue Steuern, ohne neue Schulden und mit vielen Maßnahmen, die unser Land nach vorne bringen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Bundesregierung spricht jetzt die Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über den Bundeshaushalt sprechen, dann geht es natürlich um Geld; aber es geht eben auch nicht ausschließlich um Geld. Nach den unmenschlichen Terrorakten in Paris wissen wir umso mehr, dass es auch um den Schutz unserer freiheitlichen und toleranten Gesellschaft geht. Es geht um die Sicherheit, den Schutz und die Würde der Menschen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in wenigen Tagen werden die Delegationen aus buchstäblich allen Ländern der Welt zur Weltklimakonferenz nach Paris fahren. Für mich ist das, gerade nach den Anschlägen, aus zwei Gründen ein ganz besonderes Ereignis: erstens, weil wir mit der ganzen Solidarität der Staatengemeinschaft nach Frankreich kommen werden: Wir werden zeigen, dass wir nicht gewillt sind, wegen des Terrors zurückzuweichen und auf diese wichtige internationale Konferenz zu verzichten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zweitens wird die Konferenz zeigen, dass die Staatengemeinschaft entschlossen ist, den Klimawandel zu begrenzen und unsere Welt als einen lebenswerten Ort für künftige Generationen zu gestalten. Ja, Klimapolitik ist Friedenspolitik. Sie, Frau Kollegin Höhn, haben ganz zu Recht darauf hingewiesen, welche Dimension die Klimapolitik über den engeren naturwissenschaftlichen Ansatz hinaus hat. Das muss also die Botschaft sein, die von der Klimakonferenz ausgeht, und es ist noch ein Grund mehr, warum wir erfolgreich sein müssen. Ich werde mit der deutschen Delegation am Samstag mit dem Zug nach Paris fahren, und in der kommenden Woche habe ich dann die Freude und Ehre, dem Deutschen Bundestag in einer Regierungserklärung die Position der Bundesregierung ausführlich darzulegen. Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund jetzt zu dem anderen Schwerpunkt der Verantwortlichkeiten meines Hauses kommen. Die auffälligste Veränderung im Einzelplan 16 für die Bereiche Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sind die zusätzlichen 500 Millionen Euro, die der Bund den Ländern für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung stellt. Praktisch ist das der Wiedereinstieg des Bundes in den sozialen Wohnungsbau. Nach vielen Jahren, in denen das Engagement und die Finanzmittel zurückgefahren wurden, ist diese Verdopplung der sogenannten Kompensationsmittel der erste große Schritt hin zu einer Trendwende. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Es gab in der Vergangenheit sicherlich durchaus Gründe dafür, dass der Wohnungsbau in Deutschland an Bedeutung verloren hatte. Die demografische Entwicklung und der in manchen Regionen erhebliche Leerstand sind nur zwei dieser Gründe. Daraus hat die Föderalismuskommission 2006 die Konsequenz gezogen, die Zuständigkeit für den Wohnungsbau vollständig auf die Länder zu übertragen. Das ist die Rechtslage, mit der wir es auch heute noch zu tun haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!) Der Bund hat sich damals für eine Übergangszeit zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Nicht einmal zehn Jahre nach dieser Entscheidung zeigt sich, wie wir sehen, ein völlig anderes Bild: Die Großstädte, Universitätsstädte und Ballungsräume erleben einen boomenden Zuzug. Forscher sprechen von Schwarmstädten, die mit ihrer Attraktivität viele Menschen anziehen, obgleich dort der Wohnraum knapp ist. Gleichzeitig steigt der Pro-Kopf-Anspruch an die Wohnfläche. Die Folgen sind rasant steigende Mieten und Preise. Die demografische Entwicklung wirkt auch, aber auf andere Weise als erwartet: Sie steigert die Nachfrage nach altersgerechten, barrierefreien Wohnungen. Davon gibt es noch eindeutig zu wenig. Es ist in den vergangenen Jahren ein massiver Nachholbedarf entstanden, insbesondere im sozialen, bezahlbaren Wohnungsbau. Diese Wohnungslücke ist nicht auf einzelne Städte oder Regionen beschränkt, sondern sie ist bundesweit sichtbar. Deshalb besteht für den Bund hier Handlungsbedarf. Dieser wird in den kommenden Jahren noch weiter anwachsen, wenn neben vielen anderen eine bezahlbare Wohnung Suchenden auch viele Flüchtlinge und Asylbewerber mit Bleiberecht eine Wohnung suchen werden. Nach den aktuellen Prognosen benötigen wir deutschlandweit jährlich insgesamt mindestens 350 000 neue Wohnungen. Hier sind auch jene Wohnungen miteingerechnet, die sich Menschen als Eigenheime oder Eigentumswohnungen errichten. Die Aufstockung der Kompensationsmittel kann deshalb nur ein erster Schritt sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will deutlich machen, dass der Bund nicht nur mehr für den Wohnungsbau tun muss, sondern auch tun will. Die Bundesregierung und das Bundesbauministerium haben in dieser Legislaturperiode bereits viele Initiativen zur Stärkung des Wohnungsbaus unternommen. Ich habe das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen initiiert, das neben den vielen Bündnissen auf Länder- und kommunaler Ebene einen entsprechenden Beitrag leistet. Am Freitag dieser Woche findet ein sogenanntes Spitzengespräch im Rahmen dieses Bündnisses statt, bei dem wir die Ergebnisse der Kommission und den Abschlussbericht beraten. Allein die Baukostensenkungskommission hat über 60 Vorschläge für kostengünstiges Bauen erarbeitet. Denn auch das ist wichtig: Wir müssen nicht nur mehr bauen, sondern auch darüber entscheiden, in welcher Qualität und zu welchen Kosten gebaut werden soll. Dafür hat das Bündnis eine ganz wichtige Arbeit geleistet. Bund, Länder und Kommunen müssen prüfen, welche Anforderungen vereinheitlicht werden können und ob vielleicht die eine oder andere Vorschrift auch verzichtbar ist. Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Claus? Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ja, gern. Roland Claus (DIE LINKE): Frau Ministerin, da Sie gerade auf die vielen Veränderungen in Ihrem Etat hinweisen, die wir im Haushaltsausschuss weitgehend unterstützt haben: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Spitze des Finanzministeriums dieser Debatte gegenwärtig nicht folgt? (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Du lieber Gott! - Weitere Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, ich bin zuversichtlich, dass die Spitze des Finanzministeriums multitaskingfähig ist, also im Büro sitzt und zugleich Fernsehen guckt. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU - Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine Achtung des Parlaments! Klasse!) Im Zusammenhang mit der Errichtung von Erst- und Notunterkünften für Flüchtlinge haben wir im Baurecht bereits viele Erleichterungen geschaffen und damit Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wohnungsbau in Deutschland ist in Bewegung gekommen. Wir lassen die Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, nicht allein. Mein Ziel ist, dass genügend Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Wir haben mit Mietpreisbremse und Wohngelderhöhung bereits wichtige flankierende Maßnahmen umgesetzt. Der Wohnungsbau ist wieder zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Thema geworden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit den gesellschaftlichen Veränderungen verändern sich natürlich auch unsere Städte. Wir investieren mit den Programmen der Städtebauförderung in benachteiligte Quartiere und in deren bauliche Infrastruktur. Mit der deutlichen Aufstockung der Mittel für die Städtebauförderung und das Programm "Soziale Stadt" in dieser Legislaturperiode unterstützen wir den sozialen Zusammenhalt, die Nachbarschaften und die Integration in den Quartieren, und zwar für alle dort Lebenden. Mit dem Programm "Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier", BIWAQ, haben wir bereits ein Programm, das den sozialen Zusammenhalt und die Integration in den "Soziale Stadt"-Gebieten fördert. Wir sind damit auf die wachsenden Integrationsaufgaben infolge des Flüchtlingszuzugs eingestellt; freilich ohne heute schon sagen zu können, ob die Mittel langfristig dafür ausreichen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Klimakonferenz in Paris und der Wohnungsbau sind Themen, die derzeit zu Recht große Aufmerksamkeit erfahren. Dieser aktuelle Fokus soll den Stellenwert der vielen anderen Themen des Einzelplans 16 aber nicht schmälern. Ein Beispiel sind die zusätzlichen Mittel für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Ich habe vor wenigen Wochen mit der Naturschutz-Offensive 2020 ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem Deutschland seine Ziele beim Schutz der biologischen Vielfalt noch erreichen kann; denn wenn die bisherige Entwicklung anhielte, würden wir unsere Ziele verfehlen. Von Professor Michael Succow, den wir kürzlich als einen der "Väter" des DDR-Nationalparkprogramms ehren konnten, stammt der Befund - ich zitiere -: "Tag für Tag verliert diese unsere Erde ein Stück ihrer Schönheit, ein Stück ihrer Mannigfaltigkeit. Tag für Tag verliert sie aber auch ein Stück ihrer Tragfähigkeit für uns Menschen." Zitat Ende. Mit der Naturschutz-Offensive 2020 stemmen wir uns aktiv gegen den weiteren Verlust. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Shownummer!) Ich habe in diesem Zusammenhang die Abschaffung der Agrarsubventionen in ihrer bisherigen Form gefordert. Sie stehen einem erfolgreichen Naturschutz in Deutschland und in Europa im Weg. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Stattdessen sollten wir den Landwirten die Leistungen vergüten, die sie für die Natur, für den Naturschutz und für die Kulturlandschaft erbringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU] - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn der Landwirtschaftsminister dazu? Sie schlagen etwas vor, was in dieser Koalition überhaupt keine Mehrheit hat!) - Werben wird schon helfen. (Lachen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir werden das in Europa sowieso frühestens nach 2020 grundlegend ändern können. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so!) Aber wir werden den Anpassungsmechanismus im Jahr 2016 nutzen, um Finanzmittel von der ersten Säule in die zweite Säule zu verschieben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU] - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht bei der Union nur Herr Göppel!) Ich bitte schon jetzt alle Kolleginnen und Kollegen dafür um Unterstützung. (Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Europa wird den Rahmen in der Tat erst nach 2020 grundsätzlich ändern. Das kann ich leider nicht verhindern. Wir haben bekanntlich nur diese eine Erde. Deshalb müssen wir uns auf ihren Erhalt und ihren Schutz konzentrieren. Das ist natürlich kein Schritt zurück, sondern ein Schritt nach vorne. Viele Umwelttechnologien und Innovationen kommen aus unserem Land. Mit dem Haushalt 2016 wollen wir zum Beispiel eine neue Exportinitiative starten, um grüne und nachhaltige Infrastrukturen besser zu verbreiten. Das ist gut für die Einsatzorte und gut für unsere Wirtschaft. In jedem Fall sind Ökonomie und Ökologie - das haben wir längst nachgewiesen - keine Gegensätze, sondern sie können nur zusammen erfolgreich sein. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich bei allen Mitgliedern des Ausschusses und bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern bedanken. Der Einzelplan 16 wird seinem Anspruch, zum Wohl aller Menschen in Deutschland beizutragen, gerecht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als Nächster spricht der Kollege Hubertus Zdebel von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Hendricks, Sie haben in einer langen Rede zwei Themen meines Erachtens überhaupt nicht erwähnt. Zum einen haben Sie das ganze Thema Fracking-Gesetzgebung, das aus der öffentlichen Wahrnehmung fast verschwunden ist, nicht angesprochen. Es hat mich verwundert, dass Sie darauf jetzt überhaupt nicht eingegangen sind. Das zweite Thema, das ich schmerzhaft vermisst habe, ist die Atompolitik. Insbesondere verwundert es mich, dass Sie die Auseinandersetzungen über die sogenannten Atomrückstellungen, die uns alle sehr stark bewegen, nicht angesprochen haben. Jahrzehntelang wurde der Atomstrom als Billigstrom angepriesen. Das war damals schon eine Lüge. Heute blickt man auf die wachsenden Atommüllberge und die enormen Risiken für Mensch und Umwelt, die für 1 Million Jahre mit dieser größenwahnsinnigen Technologie verbunden sind. Einst nutzte die Atomindustrie die Grube Asse im Südosten Niedersachsens als billige Müllkippe. Die dort vor Jahrzehnten eingelagerten rund 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll rosten in der einsturzgefährdeten Anlage vor sich hin. Weil der Salzstock Asse zudem mit Wasser vollzulaufen droht, wird seit einigen Jahren versucht, den Atommüll zu bergen. Ob das gelingt, weiß im Moment niemand. Allein die Asse und die ebenfalls marode Müllkippe Morsleben bei Magdeburg kosten die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nach derzeitiger Schätzung rund 7,5 Milliarden Euro. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wer hat wohl Morsleben gebaut?) Dieser Betrag wird derzeit auch für das Atommülllager Schacht Konrad eingeplant, ein Lager, bei dem fraglich ist, ob es je in Betrieb gehen wird. Ich war vor einigen Wochen in Salzgitter und habe mich dort mit dem Oberbürgermeister der Stadt, Herrn Klingebiel von der CDU, unterhalten. Er würde sich sicherlich sehr freuen, wenn auch Angehörige der anderen Fraktionen in diesem Hause, insbesondere der CDU/CSU-Fraktion, einmal nach Salzgitter fahren würden, um sich mit ihm darüber zu unterhalten, was genau mit Schacht Konrad los ist. (Beifall bei der LINKEN) Für den ebenfalls völlig ungeeigneten und verbrannten Standort Gorleben waren einmal rund 7,7 Milliarden Euro geplant. Bis ein Ersatzstandort gefunden ist, wird man für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle sicher bei mindestens 10 Milliarden Euro angekommen sein. Die Linke fordert, die schwer konflikt- und mängelbelasteten Projekte Schacht Konrad und Gorleben endlich aufzugeben und die Mittel für diese Projekte sowie für den Salzgitter-Fonds ersatzlos zu streichen. (Beifall bei der LINKEN) Die Endlagersuche für Atommüll läuft, wie Sie wissen, im Moment in der Endlagersuchkommission. Die Linke fordert eine finanzielle Stärkung des Standortauswahlverfahrens für die dauerhafte Lagerung des Atommülls. 38 Milliarden Euro sollen die Atomkonzerne für Rückbau und Lagerung von Atommüll zurückgestellt haben. Selbst die Gutachter der Bundesregierung warnen aber, dass keinesfalls sicher ist, dass dieses Geld tatsächlich zur Verfügung steht. Selbst wenn es zur Verfügung stünde, würde es wohl nicht ausreichen. Die Kosten werden ja schon heute auf 70 bis 80 Milliarden Euro geschätzt. Die Atomkonzerne, die lange Jahre fette Gewinne gemacht haben, versuchen mit allen Tricks, sich aus der Kostenverantwortung für ihre strahlenden Hinterlassenschaften zu verabschieden. Wir wollen die Schlupflöcher schließen, mit denen sich die Konzerne durch Abspaltungen oder Bad-Bank-Ausgliederungen vor der Finanzierung der Atommüllkosten drücken wollen. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb fordern wir, dass noch in diesem Jahr der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetzes verabschiedet wird. (Beifall bei der LINKEN) Danach sieht es aber im Moment nicht aus. Das könnte für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch richtig teuer werden. Gestern fand im Wirtschaftsausschuss die Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung statt. Was dort ablief, war schon sehr skurril. Ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, die Opposition, also Linke und Grüne, verteidigt den Gesetzentwurf der Bundesregierung mehr, als es insbesondere die CDU/CSU gestern getan hat. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN - Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich hatte den Eindruck, Sie wollen dieses Gesetz dieses Jahr nicht mehr verabschieden, obwohl die Bundesregierung ausdrücklich vor den Risiken gewarnt hat, die damit Hand in Hand gehen. Wir fordern Sie auf, hier endlich einmal klar Stellung zu der Frage zu beziehen, ob das wirklich so ist. Wir sind der Meinung: Der Gesetzentwurf muss noch dieses Jahr verabschiedet werden, um die Risiken für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu minimieren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich sage bewusst "minimieren"; denn die Bundesregierung hat immer wieder demonstriert, dass sie den Stromkonzernen zum Schaden der Umwelt und der Bürgerinnen und Bürger unter die Arme greift, wenn es eng wird. Wir haben das ja auch gerade im Bereich der Braunkohle erlebt. Für klimaschädliche und überflüssige Uraltkraftwerke bekommen die Konzerne auf Kosten der privaten Stromkunden eine Abwrackprämie in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Das ist in unseren Augen eine unerlaubte Subvention. Ähnlich kreative Modelle der Kostenverlagerung werden wir dann vermutlich im Frühjahr hier zu behandeln haben, wenn die neue Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs ihren Bericht vorlegen wird. Dass die Bundesregierung diese Kommission, in der die Linke nicht einmal vertreten ist, eingesetzt hat, spottet jedes Demokratieverständnisses und ist kein Zufall. Mit uns ist eine Verlagerung der Kosten für den Atommüll auf die Bürgerinnen und Bürger nicht zu machen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU spricht jetzt Kollege Dr. Georg Nüßlein. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kollegen! Sie erwarten jetzt wahrscheinlich, dass ich zunächst etwas zu dem sage, was die Bundesumweltministerin hinsichtlich der Agrarsubventionen angeregt hat. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Frau Ministerin, das ist ein diskutabler Ansatz. Auch wir wollen, dass unsere Landwirte für das, was sie im Bereich des Natur- und Umweltschutzes leisten, zusätzlich vergütet werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gibt es jetzt schon! - Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die Ministerin nicht gesagt, dass es um zusätzliche Mittel geht!) Das ist ein entscheidendes Thema, das wir gemeinsam so verfolgen werden. Das darf aber nicht zulasten unserer Landwirtschaft gehen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zulasten welcher Landwirtschaft?) Vielmehr müssen wir den Landwirten die Möglichkeit geben, sinnvoll und kostenorientiert Lebensmittel zu produzieren, die wir alle benötigen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal, welche Landwirtschaft Sie wollen!) - Seien Sie doch ganz friedlich. Ich komme kurz zu dem, was Herr Zdebel gesagt hat. Ich hätte ja nicht gedacht, Herr Kollege, dass Sie angesichts dessen, was die Bundesregierung in dem Bereich alles macht, hier versuchen, eine Debatte über Kernenergie aufzumachen. Sie sind genau informiert - jedenfalls vermute ich das angesichts Ihrer Ausführungen -, welche Kommissionen momentan eingesetzt sind, nämlich sowohl eine Endlagersuchkommission als auch eine Kommission, die Sorge dafür tragen soll, dass die Kosten, die für die Endlagerung entstehen, am Ende auch von den Konzernen getragen werden. Darum geht es. Das wird diese Kommission vorbereiten. Die Kommission muss man ernst nehmen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deshalb kann man auch das Ergebnis, das im Übrigen bereits im Februar nächsten Jahres vorliegen wird, wenn alles glattläuft, abwarten. Ansonsten war diese Debatte bis jetzt sehr stark an dem Thema Wohnungsbau orientiert. Ich halte das für richtig. Das ist ein aktuelles, ein wichtiges Thema, das uns alle umtreibt, auch, aber nicht nur angesichts der Flüchtlingsthematik. Wir werden an der Wohnungsproblematik relativ schnell erkennen, wo bei der Zuwanderung die Grenzen des Machbaren sind. Wir werden erleben, wo an dieser Stelle die Obergrenze liegt. Es muss uns gelingen, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, nicht nur, wie ich gesagt habe, wegen der Flüchtlinge, sondern auch deshalb, weil Wohnraum an sich in diesem Land schon knapp ist. Einen neuen Schwung beim Wohnungsneubau wünsche ich mir in der Tat. Es geht um eine Belebung des Neubaus, nicht nur bei Mietwohnungen - da möchte ich dem Kollegen Rief ausdrücklich recht geben -, sondern es geht auch darum, Eigentum zu schaffen. Wir sind da in Deutschland ganz weit hintendran, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Es muss uns gelingen, den Menschen wieder die Möglichkeit zu verschaffen, eigenen Wohnraum zu besitzen. Im Übrigen geht es darum, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ich weiß, dass der Spagat im Umweltministerium da ein großer sein muss, weil man auf der einen Seite die Umweltthemen - Flächenverbrauch, Energie, Klimaschutz - im Auge haben muss und auf der anderen Seite natürlich den Anspruch hat, so zu bauen, dass es auch rentabel ist. Das ist eine schwierige Aufgabe. Ich glaube aber, wie die Ministerin, dass wir diese Dinge zusammenbringen. Ich will ausdrücklich sagen: Es geht eben nicht nur um sozialen Wohnungsbau, aber auch. Dafür hat der Bund das Notwendige getan. Jetzt sind die Länder am Zug. Ich erwarte und hoffe, dass sie mit dem Geld diesmal nicht wieder ihre Haushalte ausgleichen, sondern tatsächlich Wohnraum schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU - Sören Bartol [SPD]: Das werden wir der Bayerischen Staatsregierung übermitteln!) - Die Bayerische Staatsregierung hat das Ihre getan, Herr Kollege Bartol. Sie wissen ganz präzise, dass Sie an dieser Stelle gerade die Falschen angreifen. Ich wollte es nicht explizit sagen, weil es nicht nur zu Verzückung führt, wenn man als Bayer die Bayern lobt; das ist ja etwas Eigenlob. (Dagmar Ziegler [SPD]: Aber nur etwas!) Aber es ist nicht notwendig, hier auf die Bayern einzuschlagen. Die sind es nicht gewesen, die bisher das Geld für andere Dinge veruntreut haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? "Veruntreut"? Was soll das denn heißen? Erzählen Sie hier doch nicht so etwas!) Wenn man schon über die Kosten und die Länder diskutiert, meine Damen und Herren, schauen Sie sich einmal die Liste der Länder an, die in letzter Zeit die Grunderwerbsteuer erhöht haben. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lenken doch ab!) Die sollen nicht zu uns kommen und sagen, sie möchten, dass der Bund einen Beitrag dazu leistet, dass kostengünstig gebaut werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie sollen selber schauen, wo sie die Kosten dramatisch erhöht haben, beispielsweise bei der Grunderwerbsteuer. Auch da sind nicht die Bayern und auch nicht die Sachsen gemeint, sondern alle die Länder, die das in dieser Ausprägung getan haben. Ich habe mich gefreut, dass der Finanzminister heute Morgen in der Debatte über die Möglichkeiten der steuerlichen Förderung von Wohnungsbau gesprochen und deutlich gemacht hat, dass er im Dialog ist, auch mit den Ländern. Auch da sind sie aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten. Ich sage Ihnen ganz offen: Uns geht es nicht darum, nur in Brennpunkten etwas zu tun. Ich halte das für einen falschen Ansatz. Wir haben in der Tat die Situation - die Ministerin hat sie vorhin beschrieben -, dass sich die Verdichtung in den Ballungsräumen abspielt, dass wir Schwarmstädte und Zuzug bekommen. Das sind ganz schwierige Situationen. Ich glaube, es ist an der Politik, diese Entwicklung durch politische Beschlüsse nicht noch zu verstärken. Vielmehr sollten wir uns vor Augen halten, dass die Abschreibung in diesem Bereich derzeitig nicht wirklich kostenadäquat ist. Der Wertverlust eines Gebäudes, das heute viel techniklastiger ist als früher, geht dramatisch schneller vonstatten, als es noch vor 30, 40 Jahren der Fall war. Deshalb muss man die Abschreibungssätze aus meiner Sicht der wirtschaftlichen Realität anpassen und dabei auch darauf setzen, dass die Investoren am Schluss wissen, wo es Sinn macht, Wohnungen zu bauen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich gehe davon aus, dass das mehrfach angesprochene Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen in seinem Abschlussbericht zu ähnlichen Empfehlungen kommen wird und es uns gelingen wird, die Baukosten in den Griff zu bekommen. Aber auch hier ist nicht nur der Staat gefordert. Auch die Bauherren und Architekten müssen sich einmal gemeinsam Gedanken darüber machen, wie man ein bisschen preiswerter bauen kann. Es geht hier eben nicht nur um unsere Auflagen. Ich sage Ihnen auch: Ich habe jetzt verstanden, dass wir das Baurecht mit Blick auf die Flüchtlingssituation ändern mussten. Das sind aber Ausnahmeregeln. Ich wäre sehr skeptisch - auch als Umweltpolitiker -, wenn wir das zum Generalprinzip erheben würden. Auch ein qualitativ guter und ein etwas exklusiverer Wohnungsbau schafft am Ende Wohnraum im unteren Bereich, weil die Menschen natürlich umziehen und dadurch andere Wohnungen frei werden, wodurch man eine gewisse Öffnung erzielt. Ich glaube, das sollten wir beachten, und wir sollten jetzt nicht von dem einen Extrem, alles zu regeln, was typisch deutsch ist, in das andere Extrem verfallen und sagen: Jetzt wird alles offen, die energetische Sanierung und der Klimaschutz spielen plötzlich keine Rolle mehr. - Das würde ich für fatal halten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich habe es angesprochen: Es geht nicht nur um den Mietwohnungsbau, sondern auch um das Thema Eigentum - Stichwort: Wohnungsbauprämie. Ich bin ganz offen für eine Diskussion darüber, ob die Uraltwerte, die hierfür bei der Einkommensgrenze nach wie vor gelten, noch angemessen sind. (Beifall des Abg. Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]) Diese wurden im Jahr 1996, also noch im letzten Jahrtausend, festgelegt. Auch darüber sollte und wird man diskutieren. Das, was wir im Bereich des altersgerechten Bauens gemacht haben, halte ich für einen guten Ansatz. Es ist ganz wichtig, hier zu Umstrukturierungen zu kommen. Das passt in der Tat auch in das Gesamtkonzept dieser Bundesregierung. Schauen Sie sich an, was im Gesundheitsbereich gemacht wurde. Dort gab es eine große Reform der Pflegeversicherung, bei der der Grundsatz "Ambulant vor stationär" nach ganz vorne gestellt wurde. Nach diesem Ansatz sollen die Leute möglichst lange selbstständig in ihren Wohnungen leben können, auch wenn sie etwas beeinträchtigt sind. Dabei ist natürlich die Frage, wie man eine solche Wohnung altersgerecht umbauen kann, ganz entscheidend. Ich glaube, dies ist eines der besten Programme, die wir auf der Seite der KfW verankert haben. Es ist richtig, lieber Herr Bartol, dass wir dieses Programm deutlich, nämlich um 23,5 Millionen Euro, aufgestockt haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich etwas zum Thema Klimaschutz sagen, das vor der UN-Klimakonferenz in Paris natürlich eine entscheidende Rolle spielt: Ich will ganz klar sagen, dass aus Sicht unserer Fraktion der internationale Klimaschutz entscheidend ist. Die Frage, ob es hier zu einem Erfolg oder zu einem Misserfolg kommt, wird international und nicht national, Frau Höhn, und schon gar nicht durch Symbolpolitik entschieden. (Beifall des Abg. Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]) Wir müssen jetzt endlich einmal haltbare, transparente, umsetzbare und wirklich robuste Regeln bekommen, an die sich am Schluss alle halten. Das halte ich für ganz entscheidend. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lasst mal die anderen machen: Das ist Ihre Politik!) Ich würde mich freuen, wenn Sie das auch so sagen würden. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, setzen jedenfalls auf die Wirksamkeit der Instrumente auf der einen Seite und auf die Kosteneffizienz auf der anderen Seite. Es geht am Schluss nämlich auch darum, zu zeigen, dass sich Klimaschutz und Wirtschaft nicht widersprechen müssen, sondern dass beides geht, ökologischer und ökonomischer Erfolg, wenn man es richtig macht und nicht so, wie es die Grünen gerne hätten. (Beifall bei der CDU/CSU - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An der Braunkohle festhalten ist ökologischer und ökonomischer Unsinn!) Natürlich komme ich jetzt auch auf den Zusammenhang zwischen den beiden Themen Bauen und Klima - das haben Sie erwartet - und auf die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung zu sprechen. Das ist ein altes Ziel, das immer wieder hart umkämpft und leider Gottes nie erreicht wurde, was in der Tat am Widerstand der Länder liegt. Sie haben nur Reden, aber kein Geld für dieses Thema übrig. Das halte ich für falsch. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bayern!) - Ich habe Sie nicht verstanden, aber ich weiß wahrscheinlich, was Sie zugerufen haben, nämlich "Bayern". Wir haben uns damals dagegen eingesetzt, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!) als ein Tauschgeschäft gemacht werden sollte. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Es wurde nämlich gesagt: Wir fördern die energetische Gebäudesanierung, nehmen dafür aber dem Handwerk beim Handwerksbonus gegen Schwarzarbeit etwas weg. - Diesen hatten wir vorher sinnvollerweise eingeführt. Er ist präzise berechnet. Hier kann man nichts kürzen. Das ist ein intelligenter Ansatz, über den man nachdenken muss. Das ist ein bisschen komplizierter. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 15 Bundesländer und die Bundesregierung fanden das gut!) Wir sagen: Wir machen die Dinge absetzbar, und zwar in dem Ausmaß, dass es keinen Sinn macht und nichts bringt, dem Kunden die Mehrwertsteuer zu schenken und dafür keine Rechnung zu schreiben. Dieser Bonus ist präzise berechnet. Deshalb kann man dieses Tauschgeschäft nicht machen. Wir wollen kein solches Tauschgeschäft, sondern wir wollen, dass sich die Länder zu ihrer Verantwortung bekennen, nicht nur verbal, sondern auch finanziell. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man muss auch einmal etwas auf den Tisch legen, wenn einem das Thema sehr wichtig ist, statt zu sagen, man habe dafür außer guten Worten nichts übrig. Meine Damen und Herren, das ist erheblich zu wenig. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Anstatt hier so einen Radau zu machen, liebe Damen und Herren von den Grünen, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer macht denn Radau? Sie!) wäre es sinnvoll, mit den Vertretern der Länder zu reden, in denen Sie Regierungsverantwortung tragen - leider Gottes sind das ein paar -, und denen mitteilen, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Radauverein!) dass sie uns bei der Erreichung unserer Klimaschutzziele in Schwierigkeiten bringen, wenn sie bei einem der wichtigsten Projekte - ich bleibe dabei: von der Größenordnung her ist die energetische Gebäudesanierung eines der wichtigsten Projekte - einfach Nein sagen. Das halte ich für falsch. Vielen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Steffi Lemke das Wort. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Nüßlein, ich freue mich immer, wenn Sie in einer Umweltdebatte reden. Dabei wird nämlich klar, dass es Ihnen nicht um Umweltpolitik oder gar Klimaschutz geht, sondern um ein paar billige Schenkelklopfer. Das sei Ihnen gegönnt. Aber das ist nicht unser Ansatz einer seriösen und verantwortlichen Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will mit einem Lob an die Bundesministerin anfangen; das geht relativ schnell. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Zum einen ist es gut, dass zum zweiten Mal in Folge 3 Millionen Euro für die Bekämpfung von Wilderei in den Umwelthaushalt eingestellt worden sind. Das geht auf eine grüne Initiative bzw. auf einen interfraktionellen Antrag zurück. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Zum anderen - ich glaube, das ist strategisch wichtiger - ist es gut, dass die Bundesregierung und die Bundesumweltministerin gegenüber dem Ansinnen der Kommission in Brüssel klare Kante gezeigt haben, die Naturschutz- und Umweltgesetzgebung in einem sogenannten Fitness-Check an Wirtschaftsinteressen anzupassen. Für die klaren Worte Ihrer Kollegin aus dem Umweltministerium am vergangenen Freitag möchte ich mich bedanken. Ich möchte aber gleichzeitig einfordern, dass Sie diese Linie stringent fortsetzen, weil ich nicht glaube, dass in dieser Angelegenheit abschließend entschieden ist und die Naturschutzrichtlinien der EU unangetastet bleiben sollen. - Das war das Lob. Ich will zu den großen Herausforderungen oder auch Krisen kommen: erstens die Klimakrise, zweitens das Artensterben und drittens das Thema Fluchtursachen. Wir haben aus ausreichend vielen Studien Belege dafür, dass vier von neun planetaren Grenzen bereits überschritten worden sind. Der erste Punkt ist die Klimakrise. In Paris werden wir über das 2-Grad-Ziel verhandeln. Ich finde es gut, dass es heute Morgen für diese Klimaverhandlungen ein sehr positives Zeichen gegeben hat. Hier wird in die Tat umgesetzt, was Herr Nüßlein nur verbal einfordert: Die Allianz-Versicherung hat erklärt, dass sie sich aus dem Kohleinvestment zurückziehen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist zwar nicht ganz die reine Lehre, aber immerhin. Damit geht die Allianz-Versicherung weit über das hinaus, was die Bundesregierung an ökologischem und ökonomischem Sachverstand an den Tag legt. Die Bundesregierung schafft es nicht einmal, bei der KfW-Finanzierung wenigstens etwas Ähnliches zu beschließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will mich zunächst auf die zweite große Krise konzentrieren, von der ich finde, dass die Naturschutzministerin sie wirklich unterbeleuchtet, nämlich das Artensterben. Wir wissen auch wiederum aus vielen Studien Ihres Hauses, vom Bundesamt für Naturschutz und vom Umweltbundesamt, dass ein Drittel unserer Arten gefährdet oder bereits ausgestorben ist. Ein Drittel! Etwa 30 Prozent der Arten sind weg oder fast weg. Frau Hendricks, Ihre Antwort auf diese riesengroße Aufgabe ist eine Naturschutzoffensive in Form einer Hochglanzbroschüre. Sie ist zwar auf Ökopapier gedruckt; das ist gut. Aber es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie sich hierhinstellen und sagen: Werbung wird schon helfen. - Das ist hanebüchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir erwarten von Ihnen klare Maßnahmen und nicht nur ein Versprechen für die Zeit nach Ihrer Amtszeit. Sie schlagen für die nächsten Verhandlungen für die Gemeinsame Agrarpolitik vor, die Agrarsubventionen zu reduzieren. Das ist lange nach 2020. Ihre Aufgabe ist es, die Biodiversitätsstrategie, die unter Herrn Gabriel beschlossen worden ist, umzusetzen. Das heißt, das Artensterben bis 2020 zu stoppen. Dafür haben Sie noch genau zwei Jahre Zeit, bis die Legislaturperiode zu Ende ist. Dann werden die Karten, wie bekannt, neu gemischt. Mit einer Broschüre werden Sie da definitiv nicht weiterkommen Der WDR hat heute Morgen berichtet, dass die EU-Kommission ein neues Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Wasserrahmenrichtlinie einleiten will, weil viel zu viel Nitratdünger auf unsere Felder kommt, was dazu führt, dass zu viel Nitrat in unserem Wasser ist. Dadurch wird die Natur vernichtet bzw. das Artensterben massiv befördert. Bei der Düngegesetzgebung jedoch haben Sie nichts, aber auch gar nichts erreicht. Darum wird die Broschüre schlicht und einfach nicht helfen, sondern nur eine traurige Bilanz hinterlassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zum zweiten Punkt beim Naturschutz, zum Abbau umweltschädlicher Subventionen. Wiederum Ihr eigenes Haus, das Umweltbundesamt, beziffert die umweltschädlichen Investitionen in Deutschland auf bis zu 50 Milliarden Euro. Sie aber haben alle unsere Anträge während der Haushaltsberatungen - in ihnen ging es darum, mit einem ersten Schritt wenigstens einen Teil der Subventionen zu kürzen - schlichtweg abgelehnt, obwohl Sie durch das CBD-Übereinkommen völkerrechtlich dazu verpflichtet sind. Dabei geht es nicht nur um das grüne Parteiprogramm; auch was darin steht, ist wichtig und würde ausreichen. Die Bundesregierung hat sich aber völkerrechtlich auch dazu verpflichtet, umweltschädliche Subventionen abzubauen. Dazu ist wieder eine Fehlanzeige in Ihren Haushaltsberatungen zu vermelden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie laufen im Bereich "Naturschutz und Stoppen des Artensterbens" unter der Messlatte hindurch, die Sigmar Gabriel aufgelegt hat. Wenn Sie, Frau Hendricks, damit wirklich aus dem Amt scheiden wollten, fände ich das extrem schade. Sie haben jedenfalls unsere volle Unterstützung, wenn Sie daran noch etwas ändern wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das zweite große Thema haben Sie selbst mit der Aussage "Deutschland wird in Zukunft Klimaflüchtlinge aufnehmen müssen" in die öffentliche Debatte eingespeist. Das ist erst einmal richtig. Sie sind aber jetzt schon mit der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen - mit den jetzt zu uns kommenden Flüchtlingen; das betrifft Kommunen, Länder und den Bund - beschäftigt und gefordert. Wenn Sie nun den nächsten großen Problemreigen im Hinblick auf Flüchtlinge eröffnen, erwarten wir von Ihnen - das wäre das Allermindeste -, dass Sie jetzt energisch in den sozialen Wohnungsbau investieren. Auch da bleiben Sie mit den 500 Millionen Euro, die Sie in den Haushalt eingestellt haben, weit hinter allen Herausforderungen bzw. Notwendigkeiten zurück. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie wissen das, Frau Hendricks. In Ihrer Rede haben sie an zwei Stellen durchblicken lassen, dass Ihnen absolut klar ist, dass das Geld nicht ausreichen wird. Deshalb ist zu fragen, warum Sie jetzt, da in den Kommunen die Probleme auch mit Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit kumulieren, nicht aufstocken. Das spielt sich nicht hier im Deutschen Bundestag, sondern in den Städten und Gemeinden ab. Wenn Sie denen jetzt nicht ein klares Signal geben, indem Sie sagen "Ihr bekommt ausreichend Geld für Investitionen in den sozialen Wohnungsbau", haben Sie eine Mitverantwortung für die Probleme auf kommunaler Ebene. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein guter Haushalt muss vorausschauend sein. Mit ihm muss über den Tellerrand hinausgeblickt werden. Er muss gerecht sein. All dies wird auch im Bereich des Umwelthaushaltes in eklatanter Weise nicht berücksichtigt. Sie bleiben die Antworten auf die großen Herausforderungen - sei es die Klimakrise, das Artensterben oder das Bewältigen der Aufgaben im Zusammenhang mit den Flüchtlingen, die im Moment zu uns kommen - schuldig. Dieser Haushalt hat - auch für den Umweltbereich - keinen Plan. Das müssen Sie dringend ändern. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als Nächster spricht der Kollege Carsten Träger für die SPD. (Beifall bei der SPD) Carsten Träger (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich fokussieren sich die Beratungen des Haushalts des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in diesen Zeiten zunächst auf den Baubereich, auf den sozialen Wohnungsbau. Gleichwohl halte ich es für sehr wichtig, dass wir uns auch um den zweiten Bereich, den Umweltbereich, kümmern. Deswegen möchte ich mich auf zwei Themen konzentrieren: auf das Bundesprogramm Biologische Vielfalt und - das hat die Frau Kollegin gerade auch schon angesprochen - auf die Bekämpfung der Wilderei. Dafür werden jeweils 3 Millionen Euro ausgegeben. Das sind Zahlen, die, wie ich zugebe, manchen im Vergleich zu den Summen, über die wir sonst debattieren, gering vorkommen mögen. Das Thema ist aber ganz sicher nicht von geringer Bedeutung. Auch wenn wir Artenschützer in den Schlagzeilen nicht ganz oben stehen, darf der Naturschutz nicht zu kurz kommen. Dafür sorgt unsere Umweltministerin, und dafür danke ich ihr. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt einen Aufwuchs um 20 Prozent für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt, und ich unterstütze ausdrücklich die Ministerin in ihrer Forderung, diese Mittel bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln. Das ist wichtig, und es ist auch notwendig. Denn der Indikatorenbericht zu dem Programm hat gezeigt, dass es beim Erhalt der Artenvielfalt zwar einerseits schöne Erfolge in Deutschland gibt - wir freuen uns zum Beispiel über die Rückkehr des Wolfs -; anderseits ist aber die Trendwende noch nicht geschafft. Deswegen müssen wir dringend etwas tun. Frau Lemke, ich begrüße ausdrücklich die Naturschutz-Offensive 2020. Darin sind zehn Handlungsfelder definiert und 40 Maßnahmen genannt, und eine zentrale Botschaft ist - die Frau Ministerin hat es angesprochen - der Umbau der Agrarsubventionen. Das ist der Hebel, bei dem wir ansetzen müssen: öffentliche Mittel für öffentliche Leistungen für den Naturschutz. (Beifall bei der SPD - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch in den letzten Jahren gerade nicht umgebaut! Da hätten Sie die Chance gehabt! Warum haben Sie es nicht gemacht?) Herr Krischer, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in dem Bundesprogramm wird eine Vielzahl wirklich guter Projekte gefördert: für den Erhalt der Wildkatze, für den Gewässerschutz oder auch für Maßnahmen, die das Bewusstsein für die Biodiversität stärken. Ich bin stolz darauf, dass wir hier eine Aufstockung erreicht haben und künftig noch mehr wertvolle Projekte fördern können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der zweite Punkt, über den ich reden möchte, ist der Kampf gegen die Wilderei und den illegalen Wildtierhandel. Die Wilderei auf Elefanten und Nashörner hat in Afrika dramatische Ausmaße erreicht. Ihre Bekämpfung stellt derzeit eine der größten Herausforderungen für den internationalen Naturschutz dar. Allein 2014 wurden in Afrika 20 000 Elefanten illegal abgeschlachtet. Das ist nicht nur ein Tierschutzproblem. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Wilderei gehört zu den einträglichsten Sparten der organisierten Kriminalität. Sie steht auf einer Stufe mit Waffen-, Drogen- und Menschenhandel und ist eine Finanzierungsbasis für Terrororganisationen in Afrika. Es geht um sehr, sehr viel Geld. Wie werden wir die 3 Millionen Euro einsetzen? Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, die Mittel zu verstetigen. Einerseits ist es notwendig, darauf zu zielen, die Nachfrage in den Nachfragestaaten zu reduzieren, die vor allem in Asien liegen. Andererseits müssen wir die Herkunftsländer bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Bekämpfung der Wilderei, aber auch des Handels, der in diesem Zusammenhang betrieben wird, unterstützen. Dafür gibt es vor Ort sogenannte nationale Elfenbein-Aktionspläne, die wir mit diesen Mitteln weiter unterstützen wollen. Deutschland ist bei der Bekämpfung der Wilderei international führend. Ich freue mich, dass wir das mit den Haushaltsmitteln, die wir beschließen wollen, verstetigen können. Ich danke auch dem Umweltministerium für sein Engagement an dieser Stelle. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Christian Hirte für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Christian Hirte (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kaum ein anderes Thema beherrscht die Debatten dieser Tage so sehr wie die aktuelle Flüchtlingskrise und die damit im Zusammenhang stehende Politik. Kaum ein anderes Thema wird auch außerhalb der Politik so stark und auch kontrovers diskutiert wie dieses, sei es bei Bürgerversammlungen, sei es am Stammtisch oder im Verein und selbst im Freundeskreis und in der Familie. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder in der CDU-Fraktion! - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder beim CSU-Parteitag!) Dabei erlebt die Debattenkultur ein Niveau, das, freundlich formuliert, gelegentlich verbesserungswürdig ist. Die Heftigkeit der Auseinandersetzungen steht natürlich auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Größe der Herausforderungen und der Schwere der Aufgabe. Deswegen komme auch ich heute nicht umhin, den Etat des BMUB wenigstens ein Stück weit in diesen epochalen Gesamtzusammenhang mit diesem Thema zu stellen. Dass die deutsche Politik mit ihren begrenzten Ressourcen dabei auf vielen Kontinenten ansetzen muss, zeigt allein der Blick auf die Statistik der Herkunftsländer der Asylbewerber in Deutschland. Zur Stärkung und Stabilisierung der Regionen haben wir seit 2012 mehr als 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Weitere 400 Millionen Euro sind allein für 2016 zur Krisenbewältigung und -prävention in den Haushalt des Auswärtigen Amtes aufgenommen worden. Frau Höhn, es ist also nicht so, dass sich der Bund nicht engagieren würde. Im Gegenteil: Wir sind intensiv engagiert. Nicht nur die Flucht aus politischen und religiösen Gründen oder vor Bürgerkriegen ist weltweit ein Grund für anschwellende Flüchtlingsströme. Vielmehr haben Naturkatastrophen im vergangenen Jahr über 20 Millionen Menschen zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. So wichtig die Auseinandersetzung mit dem Terror und den Konfliktherden der Welt ist, so wichtig bleibt auch die Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels. Paris im Jahre 2015 darf daher nicht allein zum Synonym für einen barbarischen Akt des Terrors werden, sondern Paris muss auch ein klares Bekenntnis der Weltgemeinschaft sein, das 2-Grad-Ziel zu erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU) Eine Studie von Bloomberg hat gerade festgestellt, dass die Entwicklungsländer aktuell mehr Geld für saubere Energie ausgeben als die reichen entwickelten Länder. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! - Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! - Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist Ihre Konsequenz daraus?) An der Spitze dieser Entwicklung marschiert zurzeit China. Auch Indien will sich auf einen ähnlichen Weg begeben. Die Bloomberg-Studie geht davon aus, dass bis 2040 die Entwicklungsländer doppelt so viel sauberen Strom erzeugen wie die reichen OECD-Länder. Das ist gut, wenn man die Entwicklungsländer sieht, und zugleich erschreckend, wenn man die OECD-Länder sieht. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch etwas gegen die Braunkohle!) Nach dieser Studie, Frau Höhn und Frau Lemke, sticht allein Deutschland bei den OECD-Ländern - auch in der Perspektive 2040 - positiv heraus. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weswegen? Wegen des EEG, das Sie gerade abwürgen!) Dafür haben wir nicht nur im Bereich der erneuerbaren Energien einiges getan. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen Sie doch gerade beenden!) Im Haushalt von Frau Hendricks erhöhen wir 2016 die Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität im Rahmen unserer Internationalen Klimaschutzinitiative um über 75 Millionen Euro auf dann rund 340 Millionen Euro. Insgesamt wird Deutschland seine internationale Klimaschutzfinanzierung - wir haben das gerade gehört - bis 2020 verdoppeln. Andere müssen unserem Beispiel noch folgen. (Beifall bei der CDU/CSU) Zur Wahrheit gehört aber auch, dass alle bisher angekündigten Maßnahmen nicht ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen, selbst wenn sie realisiert werden sollten. Trotzdem entbindet dies kein Land, schon gar nicht uns Verantwortungsträger in Deutschland, den Weg in die richtige Richtung einzuschlagen und auch dafür zu werben. Auch in Deutschland sind die Folgen des Klimawandels für Mensch und Umwelt spürbar. Leid bringt der Klimawandel aber vor allem jenen Ländern, in denen ohnehin die Ärmsten der Armen wohnen. Wer will es diesen Menschen schon übel nehmen, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und ihr Glück woanders - eventuell auch bei uns in Europa - suchen? Es ist deshalb nicht nur für den globalen Klimaschutz Zeit, den Klimawandel abzubremsen, sondern liegt auch und gerade in unserem eigenen nationalen, durchaus innenpolitischen Interesse. Deutschland muss sich dabei nicht verstecken, Frau Höhn. Mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm haben wir die Mittel für die Nationale Klimaschutzinitiative um 450 Millionen Euro aufgestockt. Die Mittel werden überwiegend zur Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 und zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele eingesetzt. Konkret geht es dabei vor allem darum, Kommunen bei Investitionen in Klimaschutzprojekte zu unterstützen. Auch die Förderung von Klimaschutz in Unternehmen, im Mittelstand und im Handwerk wird ausgebaut. Der zweite Schwerpunkt sind - mein Kollege Rief hat schon darauf hingewiesen, ebenso der Kollege Nüßlein - Investitionen in die Stadtentwicklung und das Thema "bezahlbares Wohnen". Mit rund 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid verursacht der Gebäudesektor rund ein Drittel der deutschen Treibhausgasemissionen. Wahrscheinlich gibt es hier im Haus sogar einen Konsens, dass wir die Quote bei der energetischen Gebäudesanierung erhöhen müssen. Einigkeit besteht wahrscheinlich auch noch, dass wir dazu zusätzliche Anreize für die Baubranche und die Hauseigentümer benötigen. Ich persönlich meine - auch aufgrund meiner Erfahrung als Anwalt für Steuerrecht -, dass steuerliche Anreize die größte Lenkungswirkung entfalten. Deswegen bin ich den Vorrednern für den Hinweis dankbar, dass wir über die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung und auch ganz allgemein über die AfA diskutieren müssen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kühn? Christian Hirte (CDU/CSU): Sehr gerne. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bisher war Ihre Rede ganz gut! - Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU) Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Hirte, ich frage Sie jetzt in Ihrer Eigenschaft als Fachanwalt für Steuerrecht: Glauben Sie nicht auch, dass es für diejenigen, die sich jetzt überlegen, ob sie ihr Gebäude oder ihre Wohnung modernisieren und ob sie investieren sollen - es kann sich auch um eine Wohnungseigentümergemeinschaft handeln -, unerträglich ist, nicht zu wissen, ob eine Steuerförderung kommt oder ob sie nicht kommt? Jetzt ist die Steuerförderung im Januar gescheitert, und die Union treibt in dieser Debatte die, ich sage einmal, Sau Steuerförderung weiterhin durchs Dorf und verunsichert Investoren in Deutschland. Sie macht ihnen Hoffnung, dass diese Steuerförderung noch kommt. Ich finde das unerträglich, weil Sie damit dazu beitragen, dass jetzt Investoren sagen: Ich halte mich erst einmal zurück und warte, bis die Steuerförderung kommt. - Ich frage Sie ganz ernsthaft: Halten Sie es nicht für unverantwortlich, eine solche Politik zu machen? Die zweite Frage, die ich habe, ist: Wann bringen Sie als Koalitionsfraktion hier einen Antrag auf Steuerförderung ein? Dann können wir alle ihm gemeinsam zustimmen; denn hier gibt es eine breite Mehrheit dafür, das zu machen. Christian Hirte (CDU/CSU): Herr Kollege Kühn, ich glaube, Sie haben einen Umstand noch nicht ganz zur Kenntnis genommen und vielleicht auch nicht verstanden, nämlich dass wir in der Wohnungsbauwirtschaft momentan eine sehr erfolgreiche Entwicklung haben, unabhängig davon, ob wir momentan darüber diskutieren, ob eine weitere steuerliche Förderung kommt. (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es wird doch nicht saniert! Es wird nicht energetisch saniert! Das ist, wo wir es bräuchten!) Frau Ministerin Hendricks hat in ihrer Rede ausgeführt, dass wir jährlich etwa 350 000 zusätzliche Wohnungen benötigen. Das heißt, über den momentan sich gut entwickelnden Wohnungsbau hinaus brauchen wir ein weiteres Programm, um den Wohnungsbau noch stärker anzureizen. (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht die Frage!) Deswegen ist es notwendig, dass wir über Maßnahmen nicht nur im staatlichen Bereich nachdenken, sondern zum Beispiel auch über Maßnahmen zur steuerlichen Förderung, um den Wohnungsbau noch stärker anzureizen. (Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ging um die energetische Sanierung! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden über Gebäudesanierung!) Wenn Sie nachfragen, wie wir dafür Sorge tragen können, ein solches Programm zur steuerlichen Förderung auf den Weg zu bringen, dann ist diese Frage durchaus berechtigterweise an die CDU, an die SPD und an die Bundesregierung gerichtet, sie ist aber mindestens genauso berechtigt den Bundesländern zu stellen, die natürlich ihren Anteil an den steuerlichen Ausfällen, die sich in der Folge ergeben, mittragen müssen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben den Antrag doch eingebracht! Sie haben dem nicht zugestimmt! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie ihn abgelehnt?) Das heißt, Sie können sich durchaus in den Bundesländern engagieren, in denen Sie Mitverantwortung tragen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hängt doch nicht an uns! Was reden Sie denn da?) So können wir gemeinsam, nämlich die Koalition in Berlin und die Bundesländer, das auf den Weg bringen. Dazu sind Sie herzlich eingeladen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich wünsche unserer Kanzlerin Angela Merkel und Frau Umweltministerin Barbara Hendricks jedenfalls viel Erfolg und Verhandlungsgeschick, um in Paris zu dem Erfolg zu kommen, den wir alle gemeinsam nötiger denn je brauchen. Dazu gehört ganz selbstverständlich auch, dass wir den Klimaschutzgedanken ganz konkret mit wirtschaftlicher Prosperität verbinden. Umwelt- und Effizienztechnologien sind Treiber für wirtschaftliches Wachstum und für neue Arbeitsplätze. (Beifall bei der CDU/CSU) Dabei sind sie nicht nur national wichtige Wachstumstreiber, sondern sie sind auch international von enormer Bedeutung. Das globale Marktvolumen solcher Technologien betrug im Jahr 2013 etwa 2,5 Billionen Euro, und es wird erwartet, dass sich das Marktvolumen bis 2025 auf mehr als 5 Billionen Euro entwickeln wird. Das sind Wachstumsraten von durchschnittlich 6 Prozent pro Jahr. Der Weltmarktanteil von Greentech made in Germany beträgt derzeit rund 14 Prozent. Um diesen Technologien zu einem besseren Durchbruch auch in anderen Ländern zu verhelfen, hat das Bundesministerium nun eine Exportinitiative gestartet und mit 5 Millionen Euro hinterlegt. Zusammen mit der im Einzelplan des Wirtschaftsressorts laufenden Exportinitiative, die dort mit mehr als 80 Millionen Euro veranschlagt ist, sind wir gut aufgestellt, diesen für Deutschland wichtigen Exportmarkt sinnvoll zu erschließen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich sage das vor allem deswegen, weil man daran sieht, dass die aktuelle Koalition Wert darauf legt, Ökologie und Ökonomie unter einen Hut zu bringen und gemeinsam zu entwickeln. Wenn wir mit diesem besonderen Titel in Höhe von 5 Millionen Euro im Umweltetat dazu beitragen können, Deutschlands Rolle als führende Nation im Bereich der Umwelttechnologien zu stärken, nutzt dies nicht nur uns im eigenen Land, sondern es trägt auch dazu bei, vor allem anderen Nationen unsere Technologien stärker als bislang zugänglich zu machen. Noch ein Wort zum Endlagerbereich: Erstens. Wir haben die Ansätze für die Asse und für Morsleben geringfügig abgesenkt, weil wir mit den freiwerdenden Mitteln das Bundesprogramm Biologische Vielfalt stärken wollten. Da der Mittelabfluss bei den Projekten jetzt mehr und mehr in Schwung kommt, wäre es zu einem Antragsstau etwa Mitte nächsten Jahres gekommen. Das wollten wir verhindern. Es stellt sich aber für den Haushalt 2017 das Problem, dass wir den Aufwuchs natürlich finanziell verstetigen wollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir, die Berichterstatter und die Leitung des Hauses, zu einer sinnvollen Lösung kommen werden. Zweitens. Wir stehen bei der Frage der Endlagerung gewissermaßen vor einer Richtungsentscheidung, wie die Endlagerungen künftig organisiert werden sollen. Gemäß EU-Richtlinie 2011/70/Euratom ist Deutschland verpflichtet, die vorhandene Behördenstruktur zu verändern. Die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe hat hierzu bereits Vorschläge gemacht. Dabei soll dem internationalen Grundsatz der Trennung von Aufsicht und Betrieb gefolgt werden. Die Neuordnung der Behörden sieht daher neben der Schaffung eines zentralen Regulators in Form des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung auch die Errichtung einer Bundesgesellschaft für kerntechnische Entsorgung vor. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Streichung von 30 Stellen haben wir deswegen ausgebracht, weil derzeit noch nicht völlig klar ist, wie die Organisationsstruktur künftig aussehen soll. Ich sage aber ganz deutlich: Wir werden die Stellenentsperrung zügig vornehmen, sobald klar ist, wie die künftige Organisation aussieht. Vielen Dank für die bisherige konstruktive Zusammenarbeit. Ich bin optimistisch, dass sie uns auch in Zukunft voranbringen wird. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Sören Bartol, SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sören Bartol (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt macht zwei Dinge deutlich: Wir setzen den Koalitionsvertrag Schritt für Schritt um. Und: Wir nehmen auch neue Herausforderungen an. Unser Motto "Gesagt. Getan. Gerecht." hat uns in der Stadt- und Wohnungspolitik bei vielen Maßnahmen und Entscheidungen geleitet. Die Mietpreisbremse, seit dem 1. Januar 2015 in Kraft, ist für die Bevölkerung eine Frage der Gerechtigkeit. Bezahlbares Wohnen ist ein gesamtgesellschaftliches Ziel, und deshalb ist neben der Mietpreisbremse auch die Erhöhung des Wohngeldes zum 1. Januar 2016 ein wichtiges Signal. Wir haben dafür zusätzlich 200 Millionen Euro im Haushalt zur Verfügung gestellt. Erfreulich ist: Beide Instrumente wirken. Auch die Maßnahmen, die wir im zweiten Mietrechtspaket verhandeln, werden für mehr Gerechtigkeit sorgen. Damit versuchen wir zu verhindern, dass Miete arm macht, und wir wollen die Auswirkungen von Wohnungsknappheit mildern. Ursache zu hoher Mieten ist aber am Ende der fehlende Wohnraum. Auf die damit verbundenen Fragen gibt dieser Haushalt eine Antwort: bauen. Wir haben es geschafft, dass die Kompensationsmittel für die soziale Wohnraumförderung verdoppelt werden und dass den Ländern in 2016 gut 1 Milliarde Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Das ist so wichtig, weil es nicht bei den durch den Bund zur Verfügung gestellten Mitteln bleibt. Die Länder haben sich verpflichtet, diese dem Zweck entsprechend zu verwenden. Es ist natürlich noch Luft nach oben, wenn im letzten Jahr sieben Länder die Kompensationsmittel nicht bzw. nicht vollständig in die Wohnraumförderung investiert haben. Trotzdem sind diese Mittel ungemein wichtig, weil die Länder die vom Bund eingesetzten Kompensationsmittel im letzten Jahr auch durch eigene Wohnraumförderung vervierfacht haben. Auch wegen dieser Hebelwirkung ist dies sicherlich einer der größten Erfolge im Baubereich. Wir gehen damit weit über den Koalitionsvertrag hinaus. (Beifall bei der SPD) Es geht aktuell aber nicht nur darum, den grundsätzlichen Bedarf an Wohnungen, sondern insbesondere auch den zusätzlichen Bedarf, bedingt durch den Zuzug von Flüchtlingen, zu decken. Dabei sollten wir unseren Blick auch dahin wenden, wo Leerstand herrscht. Für viele Flüchtlingsfamilien dürfte auch das Wohnen auf dem Land eine attraktive Option sein. Wohnraum ist dort schneller verfügbar. Schrumpfende Regionen könnten vom Zuzug durch Flüchtlinge profitieren. Damit daraus am Ende eine Win-win-Situation wird, müssen örtliche Wirtschaft und Kommunalpolitik auch kreativ sein und die richtigen Anreize setzen. Die notwendigen Diskussionen darüber müssen noch geführt werden. Für uns ging es jetzt zunächst in einem ersten Schritt darum, möglichst schnell bauen zu können, was wir auch mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ermöglicht haben. Doch mit diesem Haushalt sind wir bereits beim zweiten Schritt. Es geht nicht nur darum, schnell Wohnungen für Flüchtlinge zu bauen, sondern auch darum, mehr für alle zu bauen. Wir wünschen uns deshalb nicht nur, dass Wohnungsgenossenschaften und städtische Wohnungsbaugesellschaften über die Bestandssicherung hinaus stärker an Neubau denken, sondern auch, dass private Investoren in den Mietwohnungsbau stärker einsteigen als bisher. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch dazu haben der Koalitionsausschuss und der Flüchtlingsgipfel Bund und Ländern einen klaren Auftrag erteilt: Es soll geprüft werden, wie mittels geeigneter Anreizinstrumente der Neubau von preiswertem Wohnraum gefördert werden kann. Lieber Kollege Nüßlein, ich denke, es ist jetzt an der Zeit, dass der Finanzminister das nicht nur erklärt, sondern auch einen konkreten Vorschlag unterbreitet. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn der?) Häufig mangelt es auch schlichtweg an Flächen für den Wohnungsneubau. Hierbei können wir nur bedingt weiterhelfen. Deswegen haben wir die BImA, die unsere Liegenschaften verwaltet, ermächtigt, weitere bundeseigene Flächen verbilligt abzugeben, wenn auf diesen Flächen Sozialwohnungen gebaut werden. Wir Fachpolitiker sind aber - das will ich unumwunden zugeben - mit der konkreten Ausgestaltung nicht zufrieden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Verkehrswert bzw. die hohen Bodenpreise werden ausgerechnet in den Städten, in denen auch noch Wohnungsknappheit herrscht und in die aktuell noch mehr Menschen strömen, einfach nicht genug berücksichtigt. Bei alldem darf eines nicht aus dem Blick geraten: Wenn wir bauen, dann nicht nur, wie bei der Erstunterbringung, schnell und für kurze Zeit! Deshalb muss unsere Devise sein, zwar schnell, aber nicht schlicht zu bauen. Dafür braucht es neue Ideen und Initiativen, beispielsweise serielles und modulares Bauen. Deshalb werden im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms 120 Millionen Euro für Modellvorhaben zum nachhaltigen Wohnen für Studierende und Azubis zur Verfügung gestellt. Mit diesen sogenannten Variowohnungen gerät modulares und nachhaltiges Bauen in den Blick. Der Projektaufruf ist auf den Weg gebracht. Nun sind wir gespannt auf innovative Ansätze, die sich insbesondere in Gebieten mit Wohnungsknappheit kostengünstig umsetzen lassen. Ein weiterer Anreiz für die Schaffung von bedarfsgerechtem Wohnraum ist das Programm "Altersgerecht Umbauen". Mit der Aufstockung auf immerhin 50 Millionen Euro tragen wir der Tatsache Rechnung, dass im Moment die Anträge nur so hereinströmen. Was wollen wir damit erreichen? Es geht um Integration, darum, dass die, die nur in barrierefreien oder barrierearmen Wohnungen in ihrem Lebensumfeld bleiben können, die Chance dazu haben. Es geht darum, dass wir Ausgrenzung entgegenwirken sowie Integration und friedliches Zusammenleben ermöglichen. Wir reden hier nicht über irgendein Wirtschaftsgut; wir reden über die Wohnung, wir reden über das Lebensumfeld von Menschen, und wir reden am Ende über Heimat. Das bringt mich zu einer weiteren Herausforderung, vor der wir stehen. Die neugebauten Wohnungen und die neuen Wohnsiedlungen werden auch Heimat derer sein, die zu uns kommen, die bei uns Sicherheit, aber auch Glück suchen. Die, die bereits in diesen Vierteln wohnen, sowie die, die hinzuziehen, müssen ein Umfeld vorfinden, das das Zusammenleben gelingen lässt. Mich stimmt optimistisch, dass wir hier nicht bei null anfangen. Insbesondere das Programm "Soziale Stadt" setzt seit Jahren mit unterstützender Quartiersarbeit genau dort an. Deshalb ist es bereits im Haushalt 2014 gestärkt worden. Hier können Probleme früh erkannt und Lösungsstrategien entwickelt werden. Wir wissen - auch das ist gerade schon erwähnt worden -, dass jeder Euro in die Städtebauförderung Folgeinvestitionen von bis zu 7 Euro nach sich zieht. Viel wichtiger ist jedoch, dass wir mit diesem Programm nicht nur in Beton investieren, sondern in Stadtentwicklung, in aktive Stadtteile - ein wesentlicherer Gewinn aus meiner Sicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es geht aktuell sowohl darum, schnell zu bauen, damit keine akute Wohnungsnot entsteht, als auch darum, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass wir morgen so leben, wie wir heute bauen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Christian Haase, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Christian Haase (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir zeigen mit dem vorliegenden Haushalt 2016 wieder einmal, dass ein konsequenter Konsolidierungskurs, wie ihn die unionsgeführten Bundesregierungen leben, Spielräume für Wachstumsimpulse und Rückstellungen schafft. Das sehen wir auch beim Etat des Bundesministeriums für Umwelt, Bau, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den wir für 2016 um 5 Prozent erhöhen. In meiner Rede während der Haushaltswoche zur ersten Beratung sprach ich die angespannte Personalsituation im BMUB an. Im Ministerium und den nachgeordneten Bundesämtern sollten laut Regierungsentwurf zwar knapp 100 Stellen verstetigt werden; angesichts der Vielzahl an Aufgaben herrscht dennoch Personalbedarf. Daher freue ich mich sehr, dass die Stellenzahl bei den parlamentarischen Beratungen noch einmal deutlich aufgestockt werden konnte. Ich bedanke mich insbesondere bei den Haushaltspolitikern, die sich dafür eingesetzt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist wichtig, dass die Bundesbehörden in der Lage sind, ihre originären Aufgaben selbst zu erledigen, anstatt auf externe Dienstleister oder befristet Beschäftigte angewiesen zu sein, und das haben wir nun ermöglicht. Auch für neue Aufgaben wurden noch einmal zusätzliche Stellen bereitgestellt, etwa zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Das ist ein wichtiges Signal, damit das BMUB in der Flüchtlingskrise noch mehr in Erscheinung treten kann. Auch bei der Umsetzung des Nagoya-Protokolls hatte ich mich an dieser Stelle dafür eingesetzt, einen etwaigen Mehrbedarf an Personal zu prüfen. Immerhin zwei zusätzliche Stellen wurden nun realisiert, damit wir die Verpflichtungen aus diesem internationalen Abkommen auch erfüllen können. Hier hat die Anhörung im Ausschuss Wirkung gezeigt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Im Programmhaushalt 2016 kommt es im Vergleich zum Vorjahr zu einer deutlichen Steigerung um 6 Prozent. Investitionen zum Schutz des Klimas und zur Städtebauförderung nehmen bei den Mehrausgaben einen wesentlichen Teil ein. Damit wird der Weg der Zukunftsinvestitionen, den wir mit dem ersten Nachtragshaushalt 2015 eingeschlagen haben, konsequent fortgesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Bezug auf die Zukunft nimmt gerade das BMUB eine Schlüsselrolle ein: In diesem Ressort kümmern wir uns um Herausforderungen, die auch noch unzählige Generationen nach uns beschäftigen werden. Die Fragen der Atomendlager und des Klimaschutzes beispielsweise werden wir nicht auf die Schnelle lösen können. Aber mit der Klimakonferenz in Paris und der Umsetzung des Standortauswahlgesetzes stellen wir in diesen Fragen jetzt entscheidende Weichen für die Zukunft. Das ist eine gewaltige Verantwortung, die wir für die nachfolgenden Generationen tragen. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen, und mit dem vorliegenden Haushaltsgesetz werden wir dieser Verantwortung gerecht. Dafür spreche ich Frau Ministerin Hendricks und dem Haushaltsausschuss meinen Dank aus. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die erste wegweisende Entscheidung beginnt in der nächsten Woche mit dem UN-Klimagipfel in Paris. Trotz der schrecklichen Terrorangriffe dürfen wir die Konferenz nicht infrage stellen. In diesem Jahr müssen wir ein Protokoll mit verbindlichen Zusagen erreichen. Alles andere wäre eine große Enttäuschung. Deutschland nimmt beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle ein. In diesem Moment ist es besonders wichtig, dass wir diese Rolle annehmen und auch mit unserem nationalen Haushalt beim Klimaschutz vorangehen. Das tun wir auch. Das zeigt sich unter anderem bei den Forschungsschwerpunkten, die wir im Haushalt 2016 setzen. Die Forschungsausgaben im BMUB steigen um 8 Millionen auf knapp 100 Millionen Euro. Auch im Bundesministerium für Bildung und Forschung werden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf den Gebieten der Nachhaltigkeit, des Klimas und der Energie für 2016 deutlich, nämlich um 57 Millionen Euro, angehoben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Daher halte ich die Internationalisierung deutscher Klimaschutzprogramme für den richtigen Ansatz. Die internationale Klimaschutzinitiative wird für 2016 um 75 Millionen auf 338 Millionen Euro aufgestockt. In den letzten Wochen habe ich mit zwei Kollegen in Äthiopien verschiedene Projekte besucht, die von uns gefördert werden. Dazu gehören Projekte des NABU zur Stärkung des nachhaltigen Tourismus und der Aktivierung der Ursprungsregionen des Wildkaffees. Dieses setzt sich für die Erhaltung der letzten Wildkaffeewälder in Äthiopien, der Heimat des Arabica-Kaffees, ein. Damit verbinden die Projekte den Klimaschutz mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt in einem der artenreichsten Länder der Welt. Konkrete Maßnahmen sind die Wiederaufforstung, nachhaltige Waldnutzung und Herstellung von energiesparenden Öfen. Gleichzeitig werden neue Maßnahmen zum Schutz der einzigartigen Artenvielfalt, zur Stärkung von partizipativem Gemeindemanagement und zur Regionalentwicklung eingeführt. So sollen Entwicklungsprogramme für Handwerk, Ökotourismus und Regionalprodukte die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Region fördern. Rund um den Tanasee, im neuen Biosphärenreservat, klappt das - davon konnten wir uns überzeugen - auch praktisch schon ganz gut. Meine Damen und Herren, wir gehen voran beim Klimaschutz, auch dank vieler deutscher Unternehmen, die Pioniere im Bereich der Umwelttechnologien sind. Dieses Potenzial wollen wir nutzen. Im Haushalt 2016 bringen wir einen neuen Titel zur Exportförderung grüner Technologien mit einem Volumen von 5 Millionen Euro aus. Damit wollen wir insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Internationalisierung ihrer Angebote unterstützen; denn die weltweite Nachfrage nach Umwelt- und Effizienztechnologien steigt. Kleine Unternehmen haben aber oft Schwierigkeiten, im Ausland wahrgenommen zu werden. Mit unserer Exportinitiative verbessern wir die Informationsangebote. Wir fördern Investitionen in Vorzeigeprojekte deutscher Unternehmen im Ausland. Mit dem Ausbau des Portals "GreenTech made in Germany" stärken wir die internationale Vernetzung, und nicht zuletzt ist die Durchführung eines Wettbewerbs zu "Smart City" geplant, dessen Ergebnisse wir international kommunizieren werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir demonstrieren mit diesem Haushalt und unserem Antrag zum Klimagipfel, dass wir im Bereich Klimaschutz gut aufgestellt sind. Jetzt brauchen wir auch aus Paris ein starkes Signal. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Aber, meine Damen und Herren, wir vergessen auch den nationalen Umwelt- und Naturschutz nicht. Ein dramatisches Problem ist der Rückgang der Biodiversität in Deutschland. Die TEEB-Studie zeigt uns, dass dies auch erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hat. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem in der Landwirtschaft!) Wir müssen also unsere Anstrengungen erhöhen, wenn wir unser mittel- und langfristiges Ziel erreichen wollen, die Biodiversität in Deutschland nicht nur zu erhalten, sondern wieder zu erhöhen. Mit dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt steht uns bereits jetzt der richtige Ansatz zur Verfügung, den wir weiter ausbauen wollen. Das Bundesamt für Naturschutz hat bis Ende 2014 95 Projekte bewilligt, die einen besonderen Beitrag zum Erhalt unserer Biodiversität leisten. 2015 werden die Mittel in Höhe von 15 Millionen Euro erstmals komplett abfließen, und in den folgenden Jahren wird der Bedarf weiter wachsen. Wir haben uns daher in den parlamentarischen Beratungen erfolgreich für eine Aufstockung der Mittel um 3 Millionen Euro für das kommende Jahr eingesetzt, damit zusätzliche Projekte ermöglicht werden können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Zuletzt möchte ich noch die Liegenschaftspolitik des Bundes, umgesetzt durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, lobend erwähnen. Wie wir alle wissen, stehen die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen vor riesigen Herausforderungen. Die BImA leistet hier mit den von ihr verwalteten Liegenschaften einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und entlastet die Kommunen bei der Standortsuche. Gerade die Kommunen sind es ja, die mit vielen ehrenamtlichen Helfern die größte Last tragen. Dafür unseren Dank! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Meine Damen und Herren, bis Anfang des Monats hat der Bund den Kommunen bereits 125 000 Unterkunftsplätze zur Verfügung gestellt. Für die Unterbringung von Asylbewerbern und den sozialen Wohnungsbau hat der Bund die guten Konditionen in diesem Jahr weiter verbessert. So werden die Liegenschaften für die Flüchtlingsunterbringung nicht nur mietzinsfrei überlassen, sondern auch kostenfrei hergerichtet. Mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2015 wurde der Haushaltsvermerk entsprechend angepasst. Die Herrichtungskosten werden nun zum 1. Januar rückwirkend übernommen. Zudem wurde in diesem Jahr auch der verbilligte Verkauf von Grundstücken an Kommunen im Rahmen des Erstzugriffs ausgeweitet. Seit Mai ist die Richtlinie der BImA in Kraft, die den Verkauf von Konversionsliegenschaften zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus und der Flüchtlingsunterbringung regelt. Mit dem zweiten Nachtragshaushalt wurde die verbilligte Abgabe auf alle entbehrlichen Grundstücke ausgeweitet. Bisher haben die Kommunen aber von der Option des verbilligten Erwerbs noch nicht ausreichend Gebrauch gemacht. Die BImA berichtet uns, dass bis Ende Oktober erst vier Verkaufsfälle vorliegen, davon nur einer zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Daher wollen wir nun den Kaufpreisabschlag noch einmal signifikant erhöhen. Damit reagieren wir auf ein drängendes Problem: Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum beschäftigt uns schon seit längerer Zeit und wird durch die hohe Zahl an Flüchtlingen weiter verschärft. Günstiges Bauland zu bekommen ist ein Problem, das wir dabei lösen müssen. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass wir das, was uns direkt zur Verfügung steht, nämlich Bundesliegenschaften, zum Bau von Sozialwohnungen und Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung zu stellen. Ich weise aber darauf hin, dass es nötig ist, bei der Nutzungsverpflichtung eine gewisse Flexibilität zu gewähren. Wir wollen natürlich einen hohen Anteil an Sozialwohnungen. Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir dadurch keine neuen Problemviertel schaffen. Bei den Planungen sollten wir die Kommunen deshalb unterstützen. Und noch ein Punkt liegt mir abschließend am Herzen. Immer wieder lese ich Aussagen von Landesministern, der Bund tue zu wenig, er stelle nicht genügend Plätze für die Unterbringung zur Verfügung. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt auch!) Und das zum Beispiel auch aus einem Land, das 80 Prozent seiner Landesplätze bei den Kommunen im Wege der Amtshilfe akquiriert. Meine Damen und Herren, hören wir endlich mit dem Klein-Klein und den Schuldzuweisungen auf! Solche Aussagen sind ein Schlag in das Gesicht der Ehrenamtlichen und der Kommunen, die oft am Ende ihrer Möglichkeiten stehen. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie Ihre Rede Herrn Seehofer!) Die Herausforderungen der Flüchtlingskrise werden wir nur gemeinsam lösen: Bund, Länder, Kommunen und die gesamte Gesellschaft. Da müssen wir an einem Strang ziehen. Schönen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 16 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag auf Drucksache 18/6765 ab. Wer für diesen Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles hohle Worte gewesen!) Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag auf Drucksache 18/6766. Wer für diesen Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist damit ebenfalls abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Ausschussfassung ab. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 16 ist damit angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.6 auf: a) Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Drucksachen 18/6106, 18/6124 b) Einzelplan 21 Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Drucksachen 18/6119, 18/6124 Berichterstatter sind die Kollegen Dr. Reinhard Brandl, Martin Gerster, Roland Claus sowie die Kollegin Anja Hajduk für den Einzelplan 06 und die Kollegen Martin Gerster, Carsten Körber, Roland Claus sowie die Kollegin Anja Hajduk für den Einzelplan 21. Zu dem Einzelplan 06 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir nicht jetzt, sondern am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Widerspruch gibt es keinen. Dann ist das somit beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Roland Claus für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesinnenminister ist bekanntlich mehreres in einer Person. Er ist der Sicherheitsminister, der Integrationsminister - zugegeben mit etlichen Aufsehern -, der Kommunalminister und auch der Sportminister. Diese Sachbereiche will ich behandeln. Dieser Etat ist auf allen Gebieten mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Es hat im Laufe der Haushaltsberatungen im Vergleich zum Regierungsentwurf eine Vielzahl von Veränderungen gegeben, und ich lege Wert darauf, zu sagen, dass die Opposition - zum Beispiel bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Bundespolizei - dies durchaus mitgetragen hat. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. André Hahn [DIE LINKE]: So sind wir!) Daraus könnten die Neinsager in den Koalitionsfraktionen bei den Änderungsanträgen lernen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich wende mich an den Minister für öffentliche Sicherheit. Der früher von der CDU/CSU gern gebrauchte Begriff von der "inneren Sicherheit" ist von den Realitäten gründlich außer Kraft gesetzt worden. Wir sagen Ihnen an dieser Stelle: Die Chance, die es nach dem Terror in Paris und anderswo auch gibt, lautet, dass wir endlich aus den Fehlern lernen könnten, die nach dem 11. September 2001 gemacht worden sind. Die Fehler nach 9/11 waren, den Krieg als Mittel der Außenpolitik und Freiheitsbeschränkungen als Mittel der Innenpolitik zu etablieren. Wir sagen Ihnen: Wenn wir die richtigen Lehren ziehen, wenn wir Krieg nicht als Antwort auf den Terror sehen wollen, dann muss mit beiden Dingen Schluss sein. Dann müssen wir umkehren und zu einer anderen Sicherheitspolitik kommen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen auch, Herr Minister: Wer den Ausnahmezustand propagiert und für die Beschränkung von Freiheitsrechten eintritt, bringt die Terroristen näher an ihr Ziel, als diese es alleine schaffen würden. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig! Genau!) Die Polizei braucht auch keine Hilfspolizisten im olivgrünen Dress der Bundeswehr, sondern mehr Personal. (Beifall bei der LINKEN) Mein Kollege Frank Tempel wird Ihnen diese Facette näher erläutern. Nur so viel: Ihre sogenannte Schuldenbremse ist heute faktisch eine Bremse für die öffentliche Sicherheit vor allem in den Bundesländern geworden. Ich wende mich an den Integrationsminister de Maizière und weise darauf hin: Die Linke schlägt Ihnen ein Zukunftsprogramm vor, das zur gesellschaftlichen Integration von Benachteiligten in Deutschland und zu uns Geflüchteten gleichermaßen beiträgt. Die Linke fordert bessere Integrationskurse, mehr Geld für einen guten Zweck. Wir fordern auch - an anderer Stelle im Etat -, die Integration in Arbeit und Ausbildung zu verbessern. Wir sind der festen Überzeugung: Das geht, aber nur dann, wenn man sich auch darum kümmert, mehr Einnahmen für Bund, Länder und Kommunen zu akquirieren. (Beifall bei der LINKEN) Auch dazu machen wir Ihnen Vorschläge. Nun hat bekanntlich das Wort "Obergrenze" bei CDU und CSU Konjunktur. Eine Obergrenze würde ja praktisch bedeuten, dass ein Flüchtling mit einer bestimmten Registrierungsnummer - nehmen wir die Nummer 600 000 - akzeptiert würde und ein Flüchtling mit der Registrierungsnummer 600 001 nicht. Meine Damen und Herren, es ist doch einfach absurd, so vorzugehen. (Beifall bei der LINKEN) Nun hat das Innenministerium bekanntlich ein eigenes Bundesamt namens Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Es bekommt mehr Geld, mehr Stellen, mehr Technik, auch mit Zustimmung der Opposition. Das Problem dieses Amtes ist doch aber, dass es bislang eher eine Behörde der staatlich verordneten Zuwanderungsverhinderung gewesen ist. (Beifall bei der LINKEN) Wie soll denn da so einfach der Schalter umgelegt werden, meine Damen und Herren? (Susanne Mittag [SPD]: Man muss damit anfangen, oder?) Ich wende mich an den Kommunalminister. Ich bin mir ganz sicher, Sie werden in Ihrer Rede den Bürgermeistern, Landräten, Kommunalbediensteten und deren ehrenamtlichen Helfern danken. Das macht die Linke auch, und zwar von ganzem Herzen. Wir wissen, was dort geleistet wird. (Beifall bei der LINKEN) Aber der Dank reicht natürlich nicht. Wir brauchen in der Tat mehr Geld für die Lösung der anstehenden Aufgaben und den Abbau bürokratischer Hürden. Der Bundesfinanzminister hat einmal geschätzt, dass der Bund etwa 40 Prozent der gesamten Flüchtlingsbetreuungskosten übernommen hat. Die Länderminister sagen, es seien nur etwas mehr als 20 Prozent. Dieses Geld ist jetzt zwar bei der allgemeinen Finanzverwaltung eingestellt, gehört aber zur Aufgabe der Flüchtlingsbetreuung, die hier zu lösen ist. Insofern fordert die Linke in diesen Beratungen 2 Milliarden Euro mehr für direkte Zuweisungen an Kommunen. Das ist nötig. Auch das geht natürlich nur mit mehr Einnahmen. Aber es geht auch nicht ohne die Umsetzung dieser Forderung. (Beifall bei der LINKEN) Darauf haben uns gerade Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker bei unserer jüngsten Fraktionsklausur sehr anschaulich hingewiesen. Schließlich will ich mich an den Sportminister wenden und darauf verweisen, dass wir Linke im Zukunftsprogramm auch einen Posten für den Breitensport vorschlagen, für die Sanierung von Sportstätten. Das wäre jetzt wichtig. Das würde den Kommunen helfen, Probleme zu lösen. Wir könnten doch an die guten Erfahrungen anknüpfen, die wir seinerzeit mit der Sportstättensanierung im Rahmen des Goldenen Plans Ost gemacht haben. Jetzt sollten wir diese Erfahrungen bundesweit nutzen. (Beifall bei der LINKEN) Erstmals verhandeln wir hier den Etat der Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Trotz einiger Bedenken meiner Fraktion, beispielsweise hinsichtlich des Amtssitzes in Bonn, wird meine Fraktion diesem Einzelplan zustimmen. (Martin Gerster [SPD]: Immerhin!) Meine Damen und Herren, wir brauchen in Deutschland wieder mehr Geld und Ideen für die Verbesserung der sozialen und kulturellen Infrastruktur, um eine humane Integration der hier Benachteiligten und der zu uns Geflüchteten zu schaffen. Es wäre jetzt die Gelegenheit für die Unionsfraktion, mir zuzurufen: Wir schaffen das. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Dr. Reinhard Brandl von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die diesjährigen Haushaltsberatungen über den Etat des Bundesinnenministers waren keine einfachen und keine üblichen Beratungen. Als wir im September im Kreis der Berichterstatter zusammensaßen, um über den Entwurf vom Juli zu debattieren, war uns allen klar, dass dieser Entwurf bereits überholt war. Der starke Anstieg der Flüchtlingszahlen im August und in den Folgemonaten hat, auch mit Blick auf den Haushalt, alle Prognosen über den Haufen geworfen. Uns ist es gemeinsam in den letzten Wochen der Beratungen gelungen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie wir mit den gegenwärtigen Herausforderungen umgehen. In den parlamentarischen Beratungen der letzten Wochen haben wir beschlossen, allein den Einzelplan des Bundesministers des Innern um etwa 1 Milliarde Euro aufzustocken. Er wächst damit auf 7,8 Milliarden Euro an. Herr Minister, Ihren Behörden stehen im nächsten Jahr 5 500 Mitarbeiter zusätzlich zur Bewältigung der Aufgaben zur Verfügung, davon alleine 3 000 Mitarbeiter für das BAMF, plus weitere 1 000 befristet Beschäftigte. Das heißt, allein beim BAMF können 4 000 neue Mitarbeiter eingestellt werden. Das Ganze war nur möglich in einem sehr guten und konstruktiven Miteinander von Minister bzw. Ministerium und den Berichterstattern, und das in einer zugegebenermaßen schwierigen Zeit. Ich darf mich bedanken bei Martin Gerster, Anja Hajduk und bei Dietmar Bartsch, der aufgrund seiner Verdienste im Haushaltsausschuss jetzt Karriere gemacht hat. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sehr gut! - Roland Claus [DIE LINKE]: So haben wir das auch gesehen!) Ich begrüße in unserer Runde Roland Claus und wünsche ihm das Gleiche. Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Meine Damen und Herren, wir dürfen uns aber keiner Illusion hingeben: Mit mehr Geld und mehr Stellen lösen wir das eigentliche Problem nicht, wir können es nur besser verwalten. Das Kernproblem liegt in den Herkunftsregionen. Darauf will ich allerdings nicht näher eingehen; vielmehr will ich mich auf die Situation in Deutschland konzentrieren. In Deutschland haben wir kein Problem des guten Willens - weder in der Politik (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Bei der Koalition - na ja!) noch in weiten Teilen der Bevölkerung -, in Deutschland haben wir vor allem ein Zeitproblem. Wenn wir die Aufgabe, die vor uns liegt, gut machen wollen, das heißt, den Menschen, die zu uns kommen, nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch eine Perspektive in unserem Land geben wollen, dann brauchen wir mehr Zeit. Wir können nicht jeden Tag 5 000 bis 10 000 neue Flüchtlinge aufnehmen und diese Herausforderung bewältigen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ob wir die Zuwanderung "begrenzen" oder ob wir sie "reduzieren", ist letztlich egal. Wichtig ist, dass die Zahl der Flüchtlinge weniger wird, und das möglichst schnell. Das ist die größte politische Aufgabe in dieser Zeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Dazu gehört, dass wir auch in der Verwaltung besser werden. Hier sind zu nennen: schnellere Asylverfahren, vor allem der Abbau des großen Bergs an aufgelaufenen unbearbeiteten Anträgen, durchgängige Registrierung und Kontrolle derer, die zu uns kommen, schnellere Abschiebung derer, die keine Perspektive in unserem Land haben, und umgehende Integrationsmaßnahmen für diejenigen, die auf absehbare Zeit bei uns bleiben werden. Allein für den Bereich der Integrationsmaßnahmen stellen wir in diesem Haushalt im Vergleich zu 2015 326 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Das unterstreicht, dass wir die Aufgabe der Integration gerade in der ersten Zeit, wenn die Menschen zu uns kommen, sehr ernst nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Minister, es war eine strategisch kluge Entscheidung, Herrn Weise mit der Leitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu beauftragen. Denn es geht nicht nur darum, die Asylverfahren zu beschleunigen, sondern es geht auch darum, die Bundesagentur für Arbeit auf das vorzubereiten, was im nächsten Jahr oder in zwei Jahren auf sie zukommt, nämlich die Menschen, sobald ihr Asylverfahren bearbeitet ist und sie einen Status haben, in den Arbeitsmarkt zu integrieren. An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Weise dafür bedanken, dass er die Mammutaufgabe, zwei Behörden in der Größenordnung des BAMF und der BA gleichzeitig zu leiten, in dieser schwierigen Zeit übernommen hat. Meine Damen und Herren, beim Haushalt des Bundesinnenministeriums geht es aber nicht nur um Flüchtlinge, sondern vor allem auch um Sicherheit. Auch unter diesem Aspekt werde ich diese Beratungen nicht so schnell vergessen. Wir haben die Haushaltsberatungen am vorletzten Donnerstag abgeschlossen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Freitagfrüh war es!) - Freitagmorgen, 5 Uhr morgens, Frau Vorsitzende, war der Haken dran. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Fünf vor fünf!) Bis dahin haben wir von einer abstrakt hohen terroristischen Gefahr in Deutschland gesprochen. Zwölf Stunden später war diese Gefahr nicht mehr abstrakt. Die terroristischen Anschläge in Frankreich haben uns gezeigt, zu was fanatisierte Islamisten fähig sind. Wir haben als Koalition diese abstrakte Bedrohung während der Beratungen sehr, sehr ernst genommen. Ich bin froh, dass es uns in den Beratungen gelungen ist, alle Sicherheitsbehörden substanziell zu verstärken, vor allem unter dem Aspekt Terrorismusabwehr/Terrorismusbekämpfung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Allein unter dieser Überschrift erhält das BKA 200 neue Stellen und die Bundespolizei 350 neue Stellen. Dazu kommen in den nächsten drei Jahren weitere 3 000 Stellen für die Bundespolizei zur besseren Bewältigung ihrer Aufgaben, zum Beispiel an der Grenze. Herr Minister, ich habe lange gesucht, in der jüngeren Vergangenheit habe ich aber kein Jahr ausfindig machen können, in dem die Haushalte der Sicherheitsbehörden so stark aufgewachsen sind. Ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus ganz herzlich zu diesem Erfolg gratulieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, Schutz und Sicherheit gehen aber nicht nur von Sicherheitsbehörden oder der Polizei aus. Schutz und Sicherheit gehen auch von Rettungsorganisationen und Katastrophenschutzorganisationen aus. Das THW liegt uns besonders am Herzen. Was das THW zur Bewältigung dieser Flüchtlingssituation leistet, ist gigantisch. Ich möchte dem THW von dieser Stelle aus ganz herzlich für seinen Einsatz danken. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Es ist absehbar, dass wir das THW in Zukunft noch stärker brauchen werden, sowohl im Inland als auch im Ausland, zum Beispiel mit Blick auf die Flüchtlingslage. Wir haben uns deswegen im Haushaltsausschuss dazu entschieden, das THW auch personell substanziell zu verstärken, damit die Ehrenamtlichen sich auf ihren Einsatz konzentrieren können und von Routineaufgaben durch Hauptamtliche entlastet werden. Das THW erhält deswegen im nächsten Jahr 208 neue Stellen plus zusätzliche Personal- und Sachmittel, darunter 8 Millionen Euro als Selbstbewirtschaftungsmittel der Ortsverbände. Dieses Geld kommt bei jedem Ortsverband an und ist Ausdruck einer besonderen Verbundenheit, Ausdruck der Wertschätzung, die wir dem THW und seinem Einsatz entgegenbringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zu den Sicherheits- und Katastrophenschutzbehörden gehören auch die Feuerwehren und die anderen Rettungsorganisationen. Auch hier erhöhen wir die Mittel für den Bereich, für den der Bund zuständig ist, um 5 Millionen Euro; die Hauptverantwortung für diese Behörden liegt ja bei den Kommunen. Zuletzt möchte ich noch einen anderen Aspekt anführen. Es geht um die IT-Sicherheit. Wir haben das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Um diese Behörde werden wir in der ganzen Welt beneidet. Wir haben diese Behörde, das BSI, im Sommer mit dem IT-Sicherheitsgesetz in seiner Verantwortung gestärkt. Mit diesem Haushalt werden wir auch eine personelle Stärkung des BSI vornehmen, damit das BSI seinen Aufgaben gerecht werden kann. Es erhält ab dem kommenden Jahr 81 neue Stellen. Ich möchte auch dem scheidenden Präsidenten Hange für seine lange Zeit und Arbeit als Vizepräsident und als Präsident des BSI ganz herzlich danken. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die Bewältigung der Flüchtlingskrise und die Wahrung der äußeren und inneren Sicherheit unseres Landes sind die wesentlichen Fragen und Herausforderungen unserer Zeit. Es gibt nicht die eine Antwort, aber mit dem Haushalt des Bundesinnenministeriums für 2016 geben wir eine wichtige Antwort. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit, für die Aufmerksamkeit und bitte Sie alle um Zustimmung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächste Rednerin hat Anja Hajduk von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat: Die Beratungen über den Haushalt des Innenministers waren gekennzeichnet von ganz viel Veränderung. Das ist vor dem Hintergrund der Geschehnisse der letzten Wochen nicht verwunderlich. Wir haben hier Mittelaufstockungen um 15 Prozent. Das ist schon erheblich. Wir sprechen hier über den Etat des Innenministers, und das Thema Sicherheit steht ganz besonders im Zentrum der Aufmerksamkeit, nicht nur bei uns Politikern und Politikerinnen, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern. Herr Minister - das möchte ich gerne erwähnen -, ich fand es und wir fanden es sehr begrüßenswert, dass Sie nach den Vorkommnissen in Paris sehr klar kommuniziert haben, dass man diese zu verurteilenden Terroranschläge nicht mit der Herausforderung bezüglich der Flüchtlinge vermengen darf. Es war wichtig, das in dieser Klarheit zu sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Die Flüchtlinge sind doch Menschen, die selbst Opfer von Terror sind und diesem Terror und diesen Situationen entfliehen. Deswegen brauchen sie unseren Schutz. Vor dem Hintergrund dieser Anschläge und der Bedrohung ist es richtig, dass wir in diesen Wochen darauf geachtet haben und weiterhin darauf achten, unsere Sicherheitsbehörden zu stärken. Wir haben das - das hat auch Kollege Claus schon erwähnt - bei den Personalmitteln und den Sachmitteln aus Überzeugung mitgetragen. Die Aufstockung der Bundespolizei um 3 000 Stellen in den nächsten drei Jahren ist erheblich. Wir finden das richtig, und wir finden auch die Aufstockung bei den Sachmitteln richtig. Auch die Stärkung des Bundeskriminalamts mit zusätzlich 300 Stellen ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Wir weisen aber auch darauf hin, dass eine Diskussion über die Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr im Innern nicht die richtige Lösung ist. Da scheint es Irritationen in der Union zu geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Darauf können wir - das sage ich klipp und klar - verzichten, da wir das andere richtig anpacken. Wir als Opposition haben auch hinsichtlich einer Modernisierung im IuK-Bereich zugestimmt. Da hat das Innenministerium eine Federführung. Das werden wir weiterhin konstruktiv begleiten. In dem Großteil meiner Rede geht es jetzt um das Thema Integration. Auch in diesem Bereich wurde durchaus einiges angepackt, Herr Brandl. Aber ich muss jetzt auch einmal auf das zu sprechen kommen, wo wir, glaube ich, noch nicht auf dem richtigen Weg sind. Die Stellenaufstockungen beim BAMF sind richtig und nötig. Wir wünschen, dass es hoffentlich zügig gelingt, Personal zu finden. Auch die Erhöhung der Zahl der Stellen beim THW ist richtig. Bei den Integrationskursen hat der Innenminister selber einen Bedarf auf Grundlage der Flüchtlingszahlen errechnet - und diese Prognose wird im Zweifel ja eher getoppt. Da haben Sie selber gesagt: Wir glauben, wir brauchen zusätzlich 570 Millionen Euro, aber wir stellen jetzt mal nur zusätzlich 250 Millionen Euro in den Haushalt ein. - Das kann man machen, aber ich sagen Ihnen jetzt einmal, welche Sorge ich habe: Es geht hier nicht nur um die richtigen Zahlen, sondern diese Zahlen legen auch die Grundlage dafür, dass wir den Bedarf richtig einschätzen. Ich spreche jetzt auch über den Bedarf des Personals, der Sprachlehrer, der Ausbilderinnen und Ausbilder in den Sprachkursen. Da habe ich die große Sorge: Wenn wir jetzt anfangen, das wieder ein bisschen kleinzurechnen, dann können wir bei einem ähnlichen Engpass landen wie dem, den wir schon einmal beim BAMF hatten: zu wenig Personal, zu langsame Verfahren bei Registrierung und Erstaufnahme. Wir können es uns nicht leisten, auch bei der Integration in solche Engpässe zu laufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen: Lassen Sie uns das anders steuern! Es ist sowieso nicht einfach, dieses Personal zu finden. Aber Sie in der Großen Koalition tragen auch Verantwortung dafür, ob wir das nach unseren Erkenntnissen richtig ausrichten oder nur halb ausrichten. Ich hielte Letzteres für einen Fehler. Ich möchte dazusagen: Das hat auch einen erheblichen Einfluss darauf, wie schnell Flüchtlinge Zugang zu Integrationskursen bekommen. Da bedaure ich sehr, dass das BAMF und Sie das integrationspolitische Versprechen, möglichst alle Asylsuchenden, die eine gute Bleibeperspektive haben, in Sprachkurse aufzunehmen, nicht einhalten. Sie machen nämlich Folgendes: Sie rechnen mit einer Art Trick Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan heraus. Diese bekommen dann trotz guter Bleibeperspektive am Ende nicht den Zugang zu einem Sprachkurs. Das ist vollkommen kontraproduktiv. Wir dürfen keine Lücken entstehen lassen. Wir sorgen uns darum, dass vielleicht Salafisten oder andere Einfluss auf Flüchtlinge bekommen. Wenn man die Schutzquote bereinigt, stellt man fest: Bei Afghanen und Somaliern haben wir Schutzquoten von über 70 Prozent. Gerade sie sollen aber keinen Zugang zu Sprachkursen bekommen. Das ist doch Unsinn! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Das kann man doch nicht machen, und das kann man so auch nicht verantworten. Deswegen: Überlegen Sie nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ! Ihre Integrationspolitik; da müssen wir nachbessern. Wir Grünen schlagen Ihnen ein Maßnahmenpaket mit einem Volumen von 5,2 Milliarden Euro vor - hälftig für Integrationsmaßnahmen im engeren Sinne, aber auch für die allgemeine soziale Infrastruktur, die der gesamten Gesellschaft, insbesondere im Bereich Bildung und Wohnen, zugutekommt. Wir müssen unsere Aufgabe so verstehen, dass unsere Leistung darin bestehen wird, aus der Willkommenskultur eine Willkommensinfrastruktur zu bauen und diese herzustellen. Da muss ich Ihnen sagen: Sie von der Großen Koalition vermitteln den Eindruck, als wenn Sie keinen klaren Plan haben, manchmal auch kein Herz und nicht genug Mut. Wir brauchen eine wirklich einheitliche Grundausrichtung für eine weitsichtige Politik. Liebe Damen und Herren von der Union, wir brauchen dafür auch eine einheitliche Haltung; das erwartet die Gesellschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Daran müssen insbesondere Sie von der Union noch heftig arbeiten. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Martin Gerster von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Martin Gerster (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir am Freitag vorvergangener Woche die Beratungen und die Abstimmung im Haushaltsausschuss frühmorgens um 5 Uhr beendet hatten, konnte noch niemand ahnen, was wenige Stunden später in Paris und in den darauffolgenden Tagen auch andernorts passierte. Deswegen möchte ich als erster Redner meiner Fraktion bei diesen Haushaltsberatungen zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums im Namen meiner Fraktion allen Opfern und Angehörigen dieser hinterhältigen Anschläge unser Mitgefühl aussprechen und nochmals unsere Solidarität mit unseren französischen Freunden zum Ausdruck bringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ich will aber gleichzeitig auch davor warnen, völlig falsche Zusammenhänge herzustellen, wie es letzte Woche jemand getan hat, der mich angesprochen hat. Der Tenor: Die Anschläge von Paris würden zeigen, dass wir in Deutschland allein in diesem Jahr 800 000 Terroristen ins Land gelassen hätten. - In aller Deutlichkeit ist dazu zu sagen: Das ist eine ganz schlimme und völlig falsche Schlussfolgerung. Im Gegenteil, die Anschläge zeigen doch gerade, weshalb sich so viele Menschen auf der Flucht befinden: weil die Brutalität, die Hinterhältigkeit, die Gewalt derart neue Formen und Dimensionen angenommen haben, dass den Betroffenen nur ein Ausweg bleibt, nämlich die Flucht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, es ist unsere Aufgabe, dies in Deutschland zu erklären. Falsche Zusammenhänge müssen wir als Unfug oder gar rechtsextremistische Propaganda entlarven. Das ist unsere Aufgabe - auch als Mitglieder des Deutschen Bundestages. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Haushalte sind in Zahlen geronnene Politik. Dieser Ansatz gilt immer, in diesem Fall aber in besonderem Ausmaß. Schon für das laufende Jahr haben wir zwei Nachtragshaushalte beschlossen, um den aktuellen politischen Entwicklungen gerecht werden zu können. Die Ergebnisse des überarbeiteten Regierungsentwurfs und des parlamentarischen Verfahrens für den Haushalt 2016 tragen den aktuellen Entwicklungen, der Dynamik des Weltgeschehens, Rechnung: einer Dynamik, die massiv Menschen auf der Suche nach Schutz und einem besseren Leben in unser Land geführt hat und auch weiterhin führen wird, einer Dynamik, die jedenfalls in dieser Dimension niemand, denke ich, vorhergesehen hat und der wir dennoch insgesamt gewachsen sein müssen und, wie ich meine, auch gewachsen sind. Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung. Wir bieten Schutz für die Menschen hier und auch für die Menschen, die meinen, noch zu uns kommen zu müssen. Ich bin überzeugt: Wenn wir es jetzt richtig machen, dann gehen wir auch langfristig gestärkt aus dieser Entwicklung hervor - als ein Land, das eine Kultur der - ich will es so sagen - Weltoffenheit lebt, ein Land, das für starke und freundschaftliche Bande zwischen Kulturen und Religionen steht. Dazu gehört aber auch - das will ich deutlich sagen -: Wir müssen alles tun, um die feigen Täter von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, von denen wir allein in diesem Jahr schon über 600 zählen mussten, zu ermitteln und mit all unseren rechtsstaatlichen Mitteln konsequent zur Rechenschaft zu ziehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Einzelplan 06 - Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums - wächst - der Kollege Reinhard Brandl hat es erwähnt - um mehr als 1 Milliarde Euro an. Wir haben viel Zeit und Mühe investiert, hier die richtigen Entscheidungen auf den Weg zu bringen. Ich möchte mich bei unserem Hauptberichterstatter Reinhard Brandl, aber auch bei den Kollegen Dietmar Bartsch bzw. Roland Claus und Anja Hajduk, beim Bundesinnenministerium, beim Finanzministerium, bei unseren Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusses ausdrücklich bedanken. Das war eine riesige Arbeit und eine ganz besonders große Herausforderung. Deswegen, glaube ich, steht es uns gut an, auch an dieser Stelle einmal Danke zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Allein 900 Millionen Euro haben wir zusätzlich mobilisiert, um Beschlüsse des Asyl- und Flüchtlingsgipfels vom September umzusetzen. Die SPD hat dort durchgesetzt, dass 3 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen werden - 1 000 davon schon im nächsten Jahr und die gleiche Anzahl jeweils in den Folgejahren. Ich glaube, das war notwendig, um die oft bis über die Belastungsgrenzen hinaus arbeitenden Polizistinnen und Polizisten zu entlasten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wie schon beim laufenden Hebungspaket, achten wir auch bei den neuen Stellen darauf, dass sie mit attraktiven Beförderungsoptionen für die Beamtinnen und Beamten der verschiedenen Laufbahnen verbunden sind. Das ist auch ein Anliegen der Gewerkschaft der Polizei gewesen, und wir haben das entsprechend verankert. Hinzu kommen 45 Hebungen im höheren Dienst. Was uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders wichtig ist: Wir tun auch etwas für die Beschäftigten im einfachen Dienst, indem wir mit zusätzlichen 1 000 Hebungen von E 3 auf E 5 2016 im unteren Verdienstsegment dafür sorgen, dass die Bundespolizei insgesamt als Arbeitgeber noch attraktiver wird. Auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stocken wir personell gewaltig auf. 300 neue Stellen waren im Regierungsentwurf vorgesehen. Wir gehen mit 2 700 Stellen über diesen Ansatz hinaus und erhöhen die Mittel für weitere 1 000 befristet Beschäftigte. Daneben stehen wir zu unserem Ziel, die Asylverfahren zu verkürzen. Mit zusätzlichen 97 Stellen helfen wir deswegen auch dem Bundeskriminalamt, damit die Identifizierung von Flüchtlingen schneller geleistet werden kann. Die Mittel für Integrationskurse erhöhen wir um 250 Millionen Euro auf insgesamt über eine halbe Milliarde Euro. Davon profitieren - das ist mir an dieser Stelle auch wichtig, liebe Kollegin Anja Hajduk - nicht nur diejenigen, die wir so gut und so schnell wie möglich in unsere Gesellschaft integrieren wollen, sondern auch die Anbieter und die Träger der Kurse. Hier ist mir ein Punkt besonders wichtig: Ich denke, wir müssen auch darauf achten, Herr Minister de Maizière, dass es für diese Kurse weiterhin Personal gibt. Wir haben in unseren Gesprächen dafür gekämpft; denn das war der SPD ein wichtiger Punkt. Am Samstag habe ich in der FAZ gelesen, dass ein Papier in der Unionsfraktion kursiert, wonach die Pauschale auf mindestens 4,40 Euro pro Unterrichtseinheit und Teilnehmer erhöht werden soll, um die gewünschte angemessene Vergütung der Lehrkräfte zu gewährleisten. Herr Minister de Maizière, wir erwarten schon, dass sich in diesem Bereich etwas tut. Ich meine, Ihren zuletzt getätigten Ausführungen entnommen zu haben, dass hier in der Tat etwas passieren wird. Wir jedenfalls möchten Sie ermutigen, dieses Thema anzupacken; denn wir brauchen Leute, die diese Kurse geben können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ausgaben für Integration sind kein reiner Ausgabeposten, sondern vor allem Investitionen in die Zukunft. Je schneller wir es schaffen, Zugewanderte in den Arbeitsmarkt zu bringen, desto besser für uns alle. Deswegen haben wir für Integrationsprojekte zusätzlich 17 Millionen Euro bereitgestellt und den Migrationsdienst für erwachsene Zuwanderer nochmals mit zusätzlich 10,5 Millionen Euro ausgestattet. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die sich für Flüchtlinge engagieren und dafür, dass Integration in unserem Land gut gelingt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Integration und Sicherheit waren in den Haushaltsberatungen Schwerpunkte. Aber wir haben noch an andere wichtige Bereiche in unserer Gesellschaft gedacht und entsprechende Veränderungen vorgenommen. Ich will den Sport erwähnen. Hier gibt es 3 Millionen Euro zusätzlich für die Spitzensportförderung. Der Dopingopfer-Hilfsfonds wird zwei Jahre lang mit jeweils 5 Millionen Euro unterstützt. Wir stärken außerdem die NADA. Das Technische Hilfswerk erhält zusätzlich 19 Millionen Euro als Kompensation für Aufwendungen beim Aufbau von Flüchtlingsunterkünften. Damit aber nicht genug: 8 Millionen Euro zusätzlich an Selbstbewirtschaftungsmitteln erhalten die 80 000 Freiwilligen in den über 600 THW-Ortsverbänden. Ich glaube, das ist richtig gut angelegtes Geld und hier auch Anlass, unseren Hilfsorganisationen einmal Dankeschön für das Riesenengagement zu sagen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit 208 zusätzlichen Stellen im Hauptamt für das THW sollen die Ehrenamtlichen entlastet werden, beispielsweise von der lästigen Überprüfung von Gerätschaften. Ich glaube, auch das ist gut. Wir haben beim BBK zusätzlich 5 Millionen Euro bereitgestellt, damit die Feuerwehren in den Ländern zusätzliche Fahrzeuge anschaffen können. Wir haben noch einmal 6,5 Millionen Euro für die Bereitschaftspolizeien der Länder zur Verfügung gestellt, damit auch dort entsprechende Mehrinvestitionen getätigt werden können. Wir haben die politischen Stiftungen, die Entschädigungen für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter, das Statistische Bundesamt und die Förderung der Minderheiten auf dem Schirm. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit erhält 21,5 zusätzliche Stellen. Ich denke, das kann sich sehen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber noch zu wenig!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will an dieser Stelle hervorheben, dass es in Zeiten von Hassparolen, in Zeiten, in denen Menschen auf Flüchtlinge schimpfen und dies als besonders mutig empfinden, richtig war, dass wir die Bundeszentrale für politische Bildung mit 15 zusätzlichen Stellen und einem Betrag von mehr als 10 Millionen Euro ausgestattet haben. Ich glaube, in Zeiten wie diesen ist es wichtig, gegen Parolen argumentieren zu können. Dafür stellt die Bundeszentrale für politische Bildung wichtiges Material bereit. An dieser Stelle: Herzlichen Dank für dieses Engagement! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Fazit: Es sind gute Beratungen gewesen. Wir haben im Ausschuss gute Beschlüsse gefasst. Insgesamt, denke ich, können wir damit sehr zufrieden sein. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächster Redner hat der Bundesminister Dr. Thomas de Maizière für die Bundesregierung das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einsatzleiter der französischen Polizei berichtete seine ersten Eindrücke vom Tatort im Theater Bataclan - ich zitiere -: Als das Attentat im Theater Bataclan beendet war, gab es einen Moment der Stille. Polizisten und Rettungskräfte schauten durch die Räume, in denen die Täter ihre Morde begangen hatten. Dann klingelten Handys. 50, 60 oder 80 Stück. Immer wieder. Es waren die Telefone der Opfer. Anrufe von Freunden, Familien und Angehörigen. Anrufe, die niemals beantwortet werden. Das war ein Bericht, der mich in den letzten Tagen besonders bewegt hat. Ein zweites Dokument, das mich bewegte, war der Brief von Antoine Leiris - viele werden ihn gelesen haben -, der bei der Terrorserie in Paris seine Frau verlor. Er hat sich in einem emotionalen Brief an den IS gewandt. Auch daraus will ich zitieren: Meinen Hass bekommt ihr nicht. ... Euren Hass mit Wut zu beantworten, würde bedeuten, sich der gleichen Ignoranz wie der euren hinzugeben. Ihr wollt, dass ich Angst habe, dass ich meinen Mitbürgern misstraue, dass ich meine Freiheit für Sicherheit opfere. ... Ich werde so weitermachen wie zuvor. Was für starke Worte! (Beifall im ganzen Hause) Ob ich einen solchen Brief schreiben könnte, weiß ich nicht. Diese Worte zeigen: Stärke entsteht auch durch uns selbst. Wir sollten zeigen, dass wir uns die freiheitlichen Werte unserer Demokratie nicht nehmen lassen. Der Terror trifft uns alle. Aber der Terror wird nie stärker sein als die Freiheit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sind im Angesicht des Terrors aber auch nicht leichtsinnig, sondern entschlossen. Wir ziehen dort Konsequenzen, wo sie nötig sind - in Deutschland und in Europa. Unsere Sicherheitsbehörden gehen allen Hinweisen nach. Es gibt keine Garantie gegen Terroranschläge, aber unser Land ist wachsam und wehrhaft. Unsere Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern sind auf die terroristische Bedrohung eingestellt. Nach den Anschlägen von Paris haben wir sofort weitere Maßnahmen für die Sicherheit in Deutschland ergriffen. Das beginnt bei dem engen Austausch mit unseren französischen Partnern, auch was mögliche Bezüge nach Deutschland betrifft. Es gibt eine erhöhte Polizeipräsenz an Flughäfen und Bahnhöfen sowie verstärkte Grenzkontrollen. Die islamistischen Gefährder und ihre Sympathisanten sind "unter Wind". Am Freitag haben wir im Kreis der europäischen Amtskollegen wichtige Beschlüsse gefasst. Sie betreffen verstärkte Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen, endlich eine Einigung über das europäische Fluggastdatenabkommen, über das Jahre verhandelt wurde, sowie Standards für den Gebrauch und die Kennzeichnung von Schusswaffen. All das ist gut. Sicherheit in Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Das spüren wir in diesen Tagen. Sicherheit ist auch das Ergebnis ständiger Wachsamkeit und des Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden und der Polizeien von Bund und Ländern - Tag und Nacht. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich danken. (Beifall im ganzen Hause) Meine Damen und Herren, wir haben am letzten Dienstag schweren Herzens das Fußballländerspiel Deutschland gegen die Niederlande in Hannover abgesagt. Es gab sich verdichtende Hinweise auf eine große Gefährdung. Ob diese Hinweise tatsächlich zutrafen, wissen wir bisher nicht. Aber manchmal muss man eine solche Entscheidung ohne die Gewissheit treffen, ob eine derartige Lage zutrifft. Der Maßstab für eine solche Entscheidung lautet dann: Wir dürfen nicht voreilig jedem Hinweis glauben, sonst begeben wir uns in die Hände von solchen Hinweisgebern. Aber wenn nach gründlicher Prüfung eine Gefährdung wahrscheinlich sein kann, dann haben im Zweifel die Sicherheit und der Schutz von Leben und Gesundheit Vorrang. Und das muss der Maßstab auch für die Zukunft sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese Regierung hat nicht erst seit dem Anschlag von Paris Konsequenzen gezogen. Wir haben bereits mit dem Haushaltsentwurf 2016 im Kabinett ein Sicherheitspaket verabredet. Das war nach dem Anschlag im Januar. Der Haushaltsausschuss - die Berichterstatter haben es erwähnt - hat noch einmal draufgelegt. Die Sicherheitsbehörden werden durch diesen Haushalt deutlich gestärkt. Insgesamt - nicht nur für den Kampf gegen den Terrorismus - bekommen die Sicherheitsbehörden knapp 4 000 Stellen zusätzlich. Die Bundespolizei erhält neue, robuste Einheiten, zusätzliche Schutzausrüstung und Einsatzmittel. Die erste Einheit ist Ende dieses Jahres einsatzbereit. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz wird im Bereich Extremismus- und Terrorismusbekämpfung erheblich gestärkt. Mit dem beschlossenen Sicherheitspaket schaffen wir eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sicherer leben können. (Frank Tempel [DIE LINKE]: Scheinbar!) - Nicht scheinbar, sondern wir tun alles dafür, dass sie sicherer leben können als zuvor. Eine Garantie gegen Anschläge gibt es nicht. Ich wiederhole das. Nun wird - Herr Gerster hat darauf hingewiesen - in diesen Tagen oft gefragt, und zwar manchmal arglos und manchmal arglistig: Kommen mit den Flüchtlingen auch Terroristen in unser Land? Ich möchte noch einmal betonen - Frau Hajduk hat auch darauf hingewiesen -, was ich in den letzten Tagen und auch schon am Samstag mehrfach gesagt habe: Niemand schlage bitte vorschnell einen Bogen von den Ereignissen in Paris zur Flüchtlingsdebatte. Der Kampf gegen Terror braucht Gemeinsamkeit, nicht den sonst üblichen Streit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutschland nimmt viele, sehr viele Flüchtlinge auf, die selbst vor der brutalen Gewalt des sogenannten "Islamischen Staates" geflohen sind. Bisher gibt es keinen Nachweis für ein systematisches Einschleusen von IS-Kämpfern, getarnt als Flüchtlinge. Aber wir gehen jedem Hinweis nach und werden das auch in Zukunft tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stellen uns unserer humanitären Verantwortung. Wer in Deutschland berechtigt Schutz erbittet, der wird Schutz bekommen. Wir müssen dazu genau hinschauen und prüfen, wer zu uns kommt und warum. Das ist der Grund, warum für mich ein geordnetes Verfahren bei der Prüfung der Identität aller Asylbewerber und Flüchtlinge so wichtig ist. Nur durch eine geordnete Erfassung aller Flüchtlinge können wir feststellen, wer woher zu uns kommt, wer welchen Schutzstatus braucht und wie wir die Lasten in unserem Land gerecht verteilen. Deshalb arbeiten wir auch mit Hochdruck an einem Ankunftsausweis. Nur wer diesen Ausweis am richtigen Ort erhält, bekommt zukünftig Leistungen und ein Asylverfahren. Das bringt Ordnung ins Verfahren. Das haben wir in der Koalition verabredet. Insgesamt arbeiten wir daran, die Zahl der Flüchtlinge zu steuern, zu ordnen und zu reduzieren. Ich freue mich, dass wir mit diesem Haushalt neben dem Sicherheitspakt auch ein großes Asylpaket bekommen werden. Das Bundesministerium des Innern und seine betroffenen Geschäftsbereichsbehörden erhalten im Rahmen dieses Pakets 900 Millionen Euro mehr. Das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kann nun - davon war schon die Rede - 4 000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen. In den letzten Wochen haben wir viel bei der Beschleunigung der Verfahren erreicht. Das erste Asylpaket wurde erarbeitet, beraten, beschlossen und ist in Kraft. Die Anzahl der im BAMF getroffenen Entscheidungen ist in den ersten beiden Wochen im November um 60 Prozent gegenüber September auf durchschnittlich 1 600 pro Tag erhöht worden. Und das ist erst der Anfang. Meine Aufforderung an die Länder ist: Wenn die Anträge von Asylbewerbern abgelehnt werden - und es wird noch sehr viele abgelehnte Asylanträge geben; das wissen alle Beteiligten - , dann müssen diese Personen unser Land auch wirklich verlassen, möglichst freiwillig oder sonst durch Abschiebung. Mit weiteren 150 Stellen für die Bundespolizei und anderen Maßnahmen werden wir die Länder bei ihren Rückführungsaufgaben gerne unterstützen. Das THW erhält über 200 zusätzliche Stellen und Sachmittel für die Ortsverbände. Die großartige Arbeit des Technischen Hilfswerks und der anderen großen Hilfswerke wie die des Roten Kreuzes bei der Versorgung von Flüchtlingen wird damit ausdrücklich gewürdigt. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Nun führen wir in allen Parteien - auch bei den Grünen; Frau Hajduk hat es zum Schluss ihrer Rede kurz angedeutet - eine Debatte über die Frage: Wie viele Flüchtlinge kann und soll Deutschland aufnehmen? (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wir führen die Debatte nicht!) - Manche Kommunalpolitiker bei Ihnen diskutieren das, ehrlich gesagt, auch. Aber egal. - Und wir stellen die Frage, die eigentlich genauso wichtig ist: Wie setzt man das um, wenn eine bestimmte Größenordnung, auf die man sich zuvor verständigt hat, überschritten ist? Ich habe dazu im September vorgeschlagen und wiederhole es hier: Europa sollte großzügige, abschließende Flüchtlingskontingente aufnehmen und fair in Europa verteilen. Ein solches Kontingent soll dann die Zahl der Flüchtlinge, die in Europa aufgenommen werden, zugleich begrenzen. Über Einzelheiten muss man reden. Ich freue mich aber, dass dieser Vorschlag nach und nach parteiübergreifend Zustimmung bekommt. Ich denke, wir sollten daran weiterhin gemeinsam arbeiten. Wir müssen den Blick weiter nach vorne richten und Antworten auf die Frage geben, was die Aufnahme von Flüchtlingen langfristig für unsere Gesellschaft bedeutet. Viele werden länger bei uns bleiben. Es ist daher eine der wichtigsten Aufgaben, den Menschen, die bleiben, eine Perspektive zu geben. Perspektiven eröffnen sich über die Sprache. Im Haushalt 2016 werden für Integrationsmaßnahmen, also für Kurse und andere Maßnahmen, die Herr Gerster erwähnt hat, 326 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Wir werden damit denjenigen mit Bleibeperspektive schnell eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, mit Sprache, mit Arbeit und mit gesellschaftlichem Engagement. Wir erwarten dann aber auch, dass die Betreffenden mitmachen, sich anstrengen, Geduld haben, neugierig sind, unsere Gesetze achten und unsere Werte anerkennen, ja sie leben. Erfolgreiche Integration ist wichtig für dauerhafte Akzeptanz und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für mich als Bundesinnenminister ist sie ein Kernanliegen. Wir sind dabei, unsere Integrationsangebote auszuweiten und sie ressortübergreifend besser zu verzahnen. Ich werde den Bereich der Integration auch in meinem Haus stärker ausbauen. Was wir an Prävention und Integration versäumen, werden wir später viel teurer bezahlen, und zwar in jeder Weise. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wohl wahr!) Mangelnde Integration legt den Grundstein auch für Ablehnung, Hass und Gewalt. Wir schaffen auch mehr Sicherheit durch Prävention und Integration. Die momentane Lage löst bei vielen Menschen Sorge, ja Ängste aus. Wir müssen über diese Ängste, die vielen Sorgen und Fragen offen diskutieren. Wir dürfen sie aber nicht verstärken, sondern müssen sie durch Arbeit entkräften. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das setzt voraus, dass wir die Lage ehrlich und ungeschönt analysieren sowie die Probleme zügig und mit Nachdruck angehen. Alle wissen, dass das Zeit braucht. Alle wissen, dass es nicht die eine Lösung und nicht den einen Schalter gibt, den man umlegt. Wir müssen deshalb verhindern, dass Rechtsextremisten Sorgen und Ängste der Menschen instrumentalisieren. Offenbar sind bei einigen - auch über den engen Kreis der Rechtsextremisten hinaus - offene Hetze bis hin zu Aufrufen zu Gewalt gegen Flüchtlinge salonfähig geworden. Ich sage: Wer in diesem Land seine Freiheit lebt, von dem erwarten wir, dass er oder sie auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Patrioten lieben ihr Land und hassen nicht Fremde. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Der Haushalt meines Ministeriums bzw. meines Geschäftsbereichs wächst in einem Jahr um 1,5 Milliarden Euro. Einen solchen Zuwachs hat es noch nie gegeben. Das entspricht einem Zuwachs des Einzelplans des BMI um rund ein Viertel. Ich danke den Haushältern sehr für diese großartige Hilfe und Unterstützung. Das ist ein starkes Bekenntnis für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger, für die Integration und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. Das wäre Grund genug, dass alle Fraktionen diesem Haushalt zustimmten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Frank Tempel von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Tausenden Geflüchteten, die in Deutschland Schutz suchen, mit Terroranschlägen in Paris und den Terrorwarnungen im eigenen Land steht momentan besonders die Innenpolitik im Fokus unserer Bevölkerung. Aber wer ist für die Bewältigung dieser Aufgaben tatsächlich zuständig? Niemand von uns registriert Flüchtlinge oder bearbeitet Asylanträge. Der Bundestag ist auch nicht vor Ort, um Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen. Niemand von uns muss sich Flüchtlingen persönlich als Helfer oder Partner zur Verfügung stellen, niemand von uns muss sich Terroristen persönlich entgegenstellen. Für alle diese Aufgaben sollte der Bundesrepublik ein starker öffentlicher Dienst zur Verfügung stehen. Wir, die Legislative, haben den öffentlichen Dienst mit Gesetzen, Personal, Logistik und Finanzen so auszustatten, dass er als Exekutive ausreichend für diese Aufgaben aufgestellt ist. Fakt ist: In Bund, Ländern und Kommunen wurden von 1991 bis 2013 2,1 Millionen Stellen abgebaut. Einsparungen waren bisher das Maß aller Dinge. Aber eine Frage haben Sie offensichtlich vergessen: Was muss der öffentliche Dienst leisten können, und was braucht er, um auch in Belastungssituationen, wie wir sie jetzt haben, diese Aufgaben erfüllen zu können? Hier haben Sie bisher versagt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Alle Warnungen über fehlende Stellen, zum Beispiel bei der Polizei, haben Sie in den Wind geschlagen. Die bewusste Ignoranz zahlen Beamtinnen und Beamte übrigens momentan mit zahlreichen Überstunden. Vom 13. September bis zum 16. Oktober dieses Jahres kamen allein in der Bundespolizei 500 000 Überstunden zustande. Jetzt haben Sie dafür zumindest zusätzliche Stellen geschaffen. Aber in anderen Bereichen verstehen Sie immer noch nicht, dass es 2016 nicht auf die heilige schwarze Null im Haushalt ankommt, sondern ganz einfach auf die Bewältigung von Aufgaben. Um diese erfüllen zu können, müssen wir die Hebel da ansetzen, wo sie die bestmögliche Wirkung entfalten. Deswegen Schluss mit dem nutzlosen Gerede von Belastungsgrenzen und Obergrenzen. Erhöhen Sie stattdessen die Belastbarkeit der Kommunen. Diese bleiben nach wie vor auf einem Großteil ihrer Ausgaben sitzen und kommen deswegen mit ihren Aufgaben dort, wo direkt Personen betroffen sind, nur schleppend voran. Noch ein Punkt: Eine Frage von Menschlichkeit, aber auch Vernunft ist eine sehr viel stärkere Investition in Integration und Bildung für Geflüchtete. Das frühzeitige Gewähren von Sprachkursen ist doch keine Sozialhilfe, wie man bei Herrn Schäuble zu hören vermeint, sondern eine Investition in Chancen und Zukunft in durchaus beiderseitigem Interesse. Beim Umgang mit Flüchtlingen in unserem Land sehe ich einen weiteren Aspekt. Wir senden in die Welt ein Signal von Menschlichkeit und Solidarität. Terrorismus wird sich nicht durch die Aufgabe von Freiheitsrechten und durch Gegengewalt bekämpfen lassen. Die Spirale von Hass und Gewalt muss gebremst, gestoppt und zurückgedreht werden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir müssen über die Ursachen von Terrorismus reden; denn nur wer die Ursachen kennt, sich damit beschäftigt und da ansetzt, bekämpft damit auch den Terrorismus selbst. Terroristen - das muss man leider auch hier im Haus immer wieder wiederholen; ich erinnere an die Pressemitteilungen - kommen nicht mit den Flüchtlingen ins Land. Diese fliehen gerade vor dem Terror. Jeder, der zu Recht über die Ereignisse in Paris erschrocken ist, sollte erahnen können, warum diese Menschen aus Syrien, dem Irak oder aus Afghanistan fliehen. Da kann ich dem Kollegen Gerster nur recht geben. Eine ernstzunehmende Gefahr besteht aber durch Menschen, die sich hier bei uns radikalisieren. Wie kommt es zu dieser Radikalisierung? Warum reisen junge Menschen aus, gehen in Terrorausbildungscamps und lassen sich dort zu tödlichen Werkzeugen ausbilden? Wir reden mittlerweile in Deutschland von rund 750 zum Teil sehr jungen Menschen. Bis heute haben wir eindeutig zu wenig in zivile Strukturen investiert, um einer solchen Radikalisierung frühzeitig entgegenzuwirken. Die Linke fordert deswegen deutlich mehr Anstrengungen, um einer solchen Radikalisierung rechtzeitig durch soziale Strukturen mit einer klaren Präventionsstrategie entgegenzuwirken. Auch hier braucht es den öffentlichen Dienst und nicht schöne Worte. Frankreich musste bitter erfahren, dass Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung und Überwachung, wie sie der Herr Innenminister gerade stark in den Fokus rückt, nicht mehr Sicherheit bringen, sondern dass gerade fehlende Investitionen in Sozial- und Präventionsstrukturen Gräben in einer Gesellschaft vertiefen. Wenn ich über Maßnahmen zur präventiven Bekämpfung von Extremismus und Terror rede, also über Sicherheit, dann meine ich auch die Sicherheit von Flüchtlingen. Wir sehen in unserem Land brennende Flüchtlingsunterkünfte, sehen Angriffe auf Flüchtlinge, Angriffe auf Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, Angriffe auf Parteibüros. Der Rechtsextremismus in Deutschland nimmt immer gefährlichere Formen an. Doch darüber habe ich in der Haushaltsdebatte bisher nichts gehört. Die Gefahr ist groß, dass sich erneut Strukturen wie beim NSU entwickeln oder bereits entwickelt haben. Haben wir das Entsetzen darüber bereits vergessen? Herr Minister, wenn ein Innenminister seine Mitschuld am Stellenabbau und den heute daraus entstandenen strukturellen Überlastungen nicht bekennt, sondern sich lieber zur Ablenkung über maßlose Flüchtlinge öffentlich äußert oder meint, afghanische Asylsuchende mögen doch besser in ihrem eigenen Land bleiben, weil wir bereits genug für sie getan hätten, dann gießt er Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten und Rassisten - egal ob er das damit will oder nicht -, die genau solche pauschalen Diffamierungen von flüchtenden Menschen für ihre Parolen nutzen. Die Terrorgefahr in unserem Land geht von rechts aus. Schauen Sie auf die rasant angestiegenen Zahlen. BKA und Verfassungsschutz warnen bereits. Ich nehme an, zumindest den Sozialdemokraten in der SPD-Fraktion (Dr. Eva Högl [SPD]: Es gibt nur Sozialdemokraten in der SPD-Fraktion!) - das hoffe ich ja - dürfte diese Union mit ihren Forderungen nach Asylgesetzverschärfungen, Obergrenzen und Transitzonen als Partner zunehmend peinlich werden. Vielleicht ist es doch an der Zeit, einmal über andere Mehrheiten im Land nachzudenken. Mit der Linken wären eine präventive Sicherheitspolitik und damit eine andere Sicherheitspolitik in diesem Land möglich. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächste Rednerin hat Dr. Eva Högl von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Eva Högl (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Am Freitag, dem 13. November, erlebte Paris eine Nacht des Grauens. Mehrere Attentäter richteten nahezu zeitgleich an mehreren Orten ein Blutbad an, das 130 Menschen das Leben kostete und Hunderte zum Teil schwer verletzte. Viele von ihnen kämpfen noch immer um ihr Leben. Die Opfer der Terroranschläge waren Menschen aus aller Welt, Menschen, die ihr Leben in Paris ausgelassen und frei leben wollten. Das Ziel des Terrors war nicht Paris allein, das waren auch nicht allein die Französinnen und Franzosen, sondern die Terroranschläge galten uns allen. Sie waren ein Anschlag auf unsere freiheitliche Demokratie. Diese Terroranschläge haben uns noch einmal erschreckend vor Augen geführt, dass eine freiheitliche Gesellschaft, wie wir sie sind und wie wir sie in Europa haben, verwundbar ist und verwundbar bleibt. Hundertprozentige Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es in einer rechtsstaatlichen Demokratie niemals geben. Im Übrigen gibt es auch keine hundertprozentige Sicherheit in Diktaturen oder totalitären Systemen. Umso wichtiger ist es, dass wir in Europa und in der ganzen Welt zusammenstehen und eine Botschaft an die Terroristinnen und Terroristen senden - das haben Sie, Herr Bundesminister, schon gesagt - : Wir werden unsere Lebensweise nicht ändern, und die Terroristinnen und Terroristen werden uns nicht besiegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden auf das Grauen des Terrors antworten müssen. Es ist ganz wichtig, dass wir dies mit Besonnenheit tun. Sie hatten, Herr de Maizière, am 17. November mit der Absage des Fußballländerspiels eine schwere Entscheidung zu treffen; Sie haben es ja eben schon gesagt. Das war natürlich schmerzhaft für uns alle, besonders für die Fußballfans, und es war auch deshalb schmerzhaft, weil wir den Terroristinnen und Terroristen keinen Platz machen wollen, sondern weil wir unser Leben weiterleben wollen. Trotzdem sage ich hier ganz deutlich: Es war eine richtige Entscheidung, das Fußballspiel abzusagen, weil offensichtlich konkrete Terrorhinweise vorlagen. Da hat der Schutz der Bürgerinnen und Bürger immer Vorrang. Deswegen danke ich Ihnen noch einmal für dieses wohlüberlegte Vorgehen. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass die Kritik daran meiner Meinung nach überhaupt nicht berechtigt war. Sie haben solch schwere Entscheidungen zu treffen. Wir alle müssen, auch wenn es manchmal unbefriedigend ist, akzeptieren, dass Sie, um die Ermittlungen nicht zu behindern und um am Ende eine Entscheidung treffen zu können, nicht alles sagen können, was Sie wissen. An dieser Stelle also ein großes Dankeschön. Genauso müssen die Entscheidungen getroffen werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Vorgänge in Hannover haben uns gezeigt, dass unsere Sicherheitsbehörden eine hervorragende Arbeit leisten. Ich finde, auch das muss hier gesagt werden: dass Anschläge hoffentlich verhindert werden konnten, verhindert werden können und dass wir alle aber auch sehr wachsam sein müssen. Denn die Gefahr des Terrorismus wird weiter bestehen. Deswegen müssen wir alles dafür tun, unsere Sicherheitsbehörden ausreichend gut auszustatten. Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, die richtigen Rahmenbedingungen durch entsprechende Sicherheitsgesetze, aber auch durch eine ausreichende Ausstattung zu schaffen. Wir haben schon einiges gegen Terrorismus auf den Weg gebracht: Wir haben die Reiseaktivitäten und die Finanzierung terroristischer Taten unter Strafe gestellt. Wir haben unsere nach dem 11. September 2001 eingeführten Regelungen zur Terrorismusbekämpfung erneut verlängert. Ja, das ist zwar immer umstritten, aber das war eine richtige Entscheidung. Wir arbeiten natürlich daran, dass wir den IS und andere Terrorgruppen intensiv bekämpfen. Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen: Der Ruf nach weiteren gesetzlichen Verschärfungen ist keine Antwort auf den Terrorismus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen habe ich mich auch einigermaßen geärgert, als wieder - das hat mittlerweile einen Bart, ist ein alter Hut - die Forderung nach Einsatz der Bundeswehr im Landesinnern kam. Ich sage für die SPD-Bundestagsfraktion ganz klar: Für uns ist die bestehende Trennung zwischen Polizei und Bundeswehr eine richtige Trennung, an der wir nichts ändern wollen. (Beifall bei der SPD) Terroristen müssen bekämpft werden - mit polizeilichen Mitteln und selbstverständlich auch mit den Mitteln des Verfassungsschutzes -, aber einen Einsatz der Bundeswehr lehnen wir entschieden ab. Wir halten die Aufgabenteilung, die wir bisher haben, für ausreichend und für sinnvoll. Was ich auch nicht verstehen kann - das will ich ebenfalls ganz deutlich sagen -, ist der Ruf nach Grenzschließungen und nach weiteren Grenzkontrollen. Das Schließen der Grenzen und weitere Grenzkontrollen, die über das in dieser Situation Notwendige hinausgehen, sind gerade das Gegenteil von einem Beharren und einem Bestehen auf unserer Freiheit, sind vielmehr ein Kniefall vor den Terroristinnen und Terroristen und widersprechen dem europäischen Freiheitsgedanken. Deswegen ist auch das die falsche Antwort, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Ich bin der Auffassung: Weitere Verschärfungen führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern schränken die Freiheit über Gebühr ein. Deswegen von hier aus der Appell, die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden und auf diesem Weg den Terrorismus wirksam zu bekämpfen. Wir müssen die Sicherheitsbehörden ausreichend gut ausstatten. Dafür legen wir in diesem Bundeshaushalt die richtigen Grundlagen. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass es gelungen ist, bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz und beim BND aufzustocken. Ich will auch ganz deutlich sagen, dass wir den Verfassungsschutz und natürlich auch die Polizei, Bundespolizei, Bundeskriminalamt - je nach ihrer Zuständigkeit -, dass wir die Sicherheitsbehörden jetzt ganz dringend brauchen. Ich möchte, dass der Verfassungsschutz hinschaut bei den Salafisten, dass der Verfassungsschutz ganz genau hinschaut bei dem, was dort passiert, was dort geplant wird. Ich möchte im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Verfassungsschutz hinschaut bei dem, was am rechten und rechtsextremen Rand vor sich geht, dass er hinschaut, was bei den Pegida-Demonstrationen für Parolen gerufen werden, und auch die AfD in den Blick nimmt. (Beifall bei der SPD - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da weigert er sich ja! - Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht er nicht! - Weitere Zurufe) - Deswegen sage ich ja, dass ich es für sinnvoll halte, in diese Richtung zu schauen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie finden uns auf Ihrer Seite!) Ich bin auch der Auffassung, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die Sicherheitspolitik und die Sicherheitsbehörden auf der europäischen Ebene stärken sollten. Herr Schuster hat diese Woche dazu etwas gesagt, was ich ausdrücklich unterstütze. Auch ich finde es richtig, Europol auszubauen, Europol zu stärken und die europäischen Sicherheitsbehörden in die Lage zu versetzen, Terrorismus wirksam zu bekämpfen. Ich sagte es ja schon: Es betrifft uns alle, nicht nur einzelne Länder und einzelne Städte. Wir stärken mit diesem Bundeshaushalt - das möchte ich ebenfalls noch einmal hervorheben - auch den Gesichtspunkt der Prävention. Es ist ein ganz wichtiger Ansatzpunkt, dass wir auf der einen Seite mit Repression und mit den Sicherheitsbehörden auf Terrorismus reagieren; aber auf der anderen Seite ist es doch auch wichtig, dass wir am Anfang, ganz zu Beginn, wenn junge Leute oder auch ältere auf die Idee kommen, sich Rechtsextremen oder Salafisten oder anderen anzuschließen, wenn sie in die Gefahr geraten, Terroristen zu werden, ganz intensiv dagegenarbeiten. Deswegen müssen wir - das machen wir auch - Projekte, Programme, Träger, Initiativen besser ausstatten. Das Programm "Demokratie leben!" bekommt zusätzlich Geld - das ist genau die richtige Entscheidung -, und - das finde ich auch sehr wichtig - die Bundeszentrale für politische Bildung wird gestärkt. Auch diesen Weg müssen wir weitergehen. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein letzter Punkt. Auch das ist schon erwähnt worden, aber ich will es noch einmal bekräftigen: Wer eine Verbindung zwischen Terrorismus, Flüchtlingen, Islam oder in unserem Land lebenden Muslimen zieht, der handelt verantwortungslos. Wer so argumentiert, stellt Flüchtlinge unter Generalverdacht, schürt Ängste und spielt rechten Hetzern in die Hände. Da sagen wir ganz klar: Nein, (Beifall bei der SPD) Flüchtlinge sind keine Gefahr für unsere innere Sicherheit. Aber selbstverständlich müssen wir Flüchtlinge rechtzeitig und wirksam registrieren. Wir müssen das Verfahren besser führen. Wir müssen das Verfahren ordnen und brauchen mehr Steuerung. In diese Richtung wollen wir auch weiter gemeinsam diskutieren. Jedenfalls: Der zu beschließende Haushalt stellt hierfür die richtigen Weichen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Volker Beck von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir gedenken in diesen Tagen und Wochen der Opfer von Terroranschlägen in Paris, Beirut, Mali, Tel Aviv und Jerusalem. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Minister, für Ihre Worte der Entschlossenheit im Hinblick darauf, dass wir in diesen Tagen und Stunden gemeinsam unsere Freiheitsrechte verteidigen wollen. Da dürfen wir Demokratinnen und Demokraten uns nicht auseinanderdividieren lassen. (Beifall im ganzen Hause) Wir haben vielleicht zuweilen einen Streit über die Methoden, wie wir unsere Freiheit verteidigen wollen, wie wir die Flüchtlingsaufnahme humanitär gestalten können. Aber wir sollten hier gerade angesichts der Herausforderungen des Terrorismus klarmachen, dass wir die Freiheit verteidigen wollen und dass uns der Schrecken und das Grauen nicht übermannen. Dass wir hier im Rahmen des demokratischen Diskurses weiter über Methoden streiten, das darf in diesen Tagen nicht zurücktreten. Aber es muss klar sein, dass dies auch Teil der Wahrnehmung unserer Freiheit ist, die wir gemeinsam gegen den Terror verteidigen wollen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb haben Sie uns, Herr Minister, auch immer an Ihrer Seite - Frau Hajduk hat es schon angesprochen; die Haushälter haben es unter Beweis gestellt -: Wenn es darum geht, angemessene und erforderliche Maßnahmen der inneren Sicherheit zu ergreifen, gerade vor neuen und zunehmenden Herausforderungen, dann werden wir das Notwendige politisch immer mittragen. Aber ich sage auch: Nach solchen Terroranschlägen erschrecke ich mich immer ein bisschen, wenn ich Stunden später schon die ersten Pressemitteilungen von Agenturen lese, wo Leute genau wissen, welche Maßnahmen jetzt unbedingt folgen müssen: Fluggastdaten, Bundeswehr im Innern, Burka-Verbot. Die Pressemitteilungen scheinen schon im Stehsatz zu stehen, bevor irgendetwas passiert ist. Das bringt den Bürgern kein Gefühl der Sicherheit, wenn wir so unseriös handeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen uns genau anschauen: Was waren das für Täter? Was haben die für biografische Hintergründe? Was können wir daraus für Präventionsstrategien lernen? Was waren womöglich Sicherheitslücken oder Fehler bei der Verarbeitung von Informationen, die ja durchaus da waren? Wenn wir das sorgfältig tun, können wir für die praktische Sicherheitsarbeit enorm viel lernen und daran arbeiten, unser Land und das unserer Nachbarn sicherer zu machen. Das gelingt nur durch gemeinsame Arbeit, aber nicht durch Hallodri-Parolen in den Agenturtickern. Meine Damen und Herren, wir mussten Sie letztes Jahr bei den Haushaltsberatungen bei den Präventionsprojekten gegen Radikalisierung und Terrorismus zum Jagen tragen. Ich bin froh, dass Sie es mittlerweile eingesehen haben und da mit uns gemeinsam in diesem Haushalt weitere Schritte gehen. Natürlich ist Prävention etwas Nachhaltiges. Das wirkt nicht von heute auf morgen. Aber es ist die Methode, durch die man Sicherheit dauerhaft schafft. In der Zwischenzeit muss man natürlich mit Gefahrenabwehr versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Aber wir wissen: In einem demokratischen freien Land gibt es keine absolute Sicherheit, und in einem nichtdemokratischen und unfreien Land gibt es absolute Unsicherheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, der Terror und Bürgerkrieg in Syrien haben ja zwei Konsequenzen: Sie bedrohen einerseits die innere Sicherheit, wie wir in Paris gesehen haben, und sie entwurzeln viele Menschen, die Schutz suchen vor diesen Terroristen und vor diesem Bürgerkrieg. Deshalb ist die humanitäre Gestaltung der Flüchtlingsaufnahme einerseits eine humanitäre Verpflichtung für uns. Sie ist andererseits eine gesellschaftspolitische Antwort auf die Ideologie des Islamismus, indem wir sagen: Ja, wir schauen nicht, woher jemand kommt. Bei uns finden Menschen Schutz vor Verfolgung. Das macht unsere Humanität aus, und das unterscheidet uns so grundsätzlich von der Menschenverachtung von IS, Da'isch und anderen islamistischen Projekten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Deshalb sollten wir auch nicht über Obergrenzen reden. Bei der Grundrechtswahrnehmung - sowohl beim Recht auf Asyl als auch beim Recht auf Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention geht es im Kern um Grund- und Menschenrechte - kann es niemals eine zahlenmäßige Begrenzung durch Obergrenzen geben. Aber wir können natürlich gestalten, wie wir die Flüchtlingsaufnahme bewältigen. Da ist von zentraler Bedeutung, dass wir diese Aufgabe wieder europäisch-solidarisch anpacken. Es gehört aber zur Wahrheit auch dazu, zu sagen, dass wir in der Vergangenheit die Profiteure von Dublin waren und dass wir uns als Deutsche nicht um eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge, die in Malta, Griechenland, Spanien, Italien und Portugal ankamen, gekümmert haben. Jahrelang war uns das egal. Wir waren ja fein umzingelt von sicheren Drittstaaten. Das hat nicht mehr funktioniert. Jetzt gilt es, eine neue Solidarität herzustellen mit einer neuen Verteilung, und das nicht nur wegen unserer Belastungen, sondern weil wir nur gemeinsam in Europa mehr leisten können. Herr Minister, ich bin durchaus bei Ihnen, wenn Sie sagen: Wir wollen gemeinsam Flüchtlingskontingente aufnehmen. - Wenn das nicht heißt, dass wir gleichzeitig die Aufnahme der Menschen, die zu uns kommen, begrenzen, bin ich da einverstanden. Lassen Sie uns das mit Resettlement-Programmen der Vereinten Nationen ausbauen und legale Zugangswege für die Flüchtlinge schaffen, damit sie sich nicht mehr in Schaluppen setzen, um das Mittelmeer zu überqueren, und ihr Leben gefährden. Zu einer solchen Politik passen aber überhaupt nicht Diskussionen, wie Sie sie leider angefangen haben, nämlich zu sagen: Wir wollen die Möglichkeit zum Familienzuzug für die Flüchtlinge, die da sind, einfach kappen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das steht zwar nicht in Ihrem Gesetzentwurf, aber in Interviews haben Sie das so gesagt. Was sagt das denn den Menschen, die in den Flüchtlingscamps sitzen, deren Sohn, Mann oder Bruder vielleicht hier in Deutschland, in Frankreich oder in einem anderen europäischen Land ist? Sie sagen ihnen: Ihr braucht nicht auf den Familiennachzug warten. Macht euch schon einmal auf, setzt euch in die Schaluppen! - Das ist ein Schleuserankurbelungsprogramm. Das dürfen wir aus humanitären Gründen nicht machen, und das dürfen wir auch nicht machen, weil wir so die Situation auch nicht wirklich in den Griff bekommen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie die Finger auch von Ihrem Asylpaket! Sie haben ja nach dem "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz" jetzt kurioserweise ein "Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" vorgelegt. Lassen Sie auch die Finger davon, die Rechtsfristen für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten zu verkürzen. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Satz noch dazu, wo auch die Finger vom Asylpaket gelassen werden sollten. - Bei Integrationskursen eine Eigenbeteiligung der Flüchtlinge zu verlangen - wir reden da vielleicht über 3 oder 5 Euro im Monat, und dafür bauen wir eine riesige Bürokratie auf -, ist schikanös. Das bringt nichts für die Integration. Solche Sachen können wir uns in diesen Zeiten, wo es um große Aufgaben geht, einfach nicht leisten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Stephan Mayer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Der Haushalt des Bundesinnenministeriums für das kommende Jahr ist klar und eindeutig im Lichte von zwei großen, vielleicht sogar epochalen Herausforderungen zu sehen: einerseits der Flüchtlingskrise, andererseits der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Natürlich ist es vollkommen zynisch, verwerflich und menschenverachtend, wenn man Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt, wenn man eine unmittelbare Kausalität zwischen diesen beiden Herausforderungen herstellt. Die Flüchtlinge sind nicht Täter, sie sind Opfer. Viele der Flüchtlinge, die zu uns kommen, insbesondere aus dem syrischen Bürgerkrieg, fliehen ja gerade vor den schrecklichen Gräueltaten des sogenannten "Islamischen Staates" oder des Assad-Regimes. Aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn es sich bewahrheiten sollte, dass zwei der Attentäter von Paris zumindest als Flüchtlinge getarnt über Griechenland nach Europa eingereist sind, dann zeigt uns dies doch, dass die Flüchtlinge zwar nicht Täter sind - natürlich nicht -, aber offenbar diese Flüchtlingskrise vom sogenannten "Islamischen Staat" instrumentalisiert wird, um vereinzelt auch Kämpfer des sogenannten "Islamischen Staates" nach Deutschland und nach Europa zu bringen. Das zeigt uns, wie ich glaube, schon ganz deutlich: Wir müssen unsere EU-Außengrenze noch besser sichern. Es darf nicht weiter zugestanden werden, dass unkontrolliert und unregistriert Personen nach Europa einreisen. Diese vorläufigen Erkenntnisse der schrecklichen Attentate von Paris müssen uns hier auch eine ganz klare Mahnung sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die barbarischen Angriffe und Attentate von Paris haben Frankreich gegolten, aber gemeint war die gesamte westliche Welt. Der islamistische Terror hat Westeuropa erreicht. Das waren Angriffe nicht nur auf Menschen, sondern das waren Angriffe auf unsere westlichen Werte und unsere westliche Lebensweise. Und deshalb gilt, auch eines hier klar zu sagen: Wir dürfen uns vom sogenannten "Islamischen Staat" nicht in die Knie zwingen lassen. Es gibt auch aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund zu Panik oder Hysterie. Unsere Sicherheitsbehörden sind gut aufgestellt. Wir haben insbesondere in den letzten Monaten sowohl die personelle als auch die finanzielle Ausstattung der Sicherheitsbehörden auf Bundesebene deutlich verbessert. Wir haben aber auch gesetzgeberisch an der einen oder anderen Stelle die notwendigen Nachbesserungen und Intensivierungen vorgenommen. Wir haben, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahren unsere Gesetzgebung immer wieder der Bedrohungslage und den Anforderungen der Sicherheitsbehörden angepasst. Wenn ich nur daran erinnern darf: Wir haben in den letzten Monaten die Mindestspeicherfristen in Deutschland wieder maßvoll eingeführt. Wir haben das Terrorismusbekämpfungsgesetz wieder verlängert. Wir haben auch im Strafrecht zwar maßvolle, aber aus meiner Sicht sehr effektive Verbesserungen vorgenommen, indem wir beispielsweise die Terrorfinanzierung jetzt verstärkt unter Strafe stellen, indem wir die geplante Ausreise von Dschihadisten in den Krieg nach Syrien verstärkt unter Strafe stellen. Wir haben das Personalausweisgesetz geändert, indem wir analog zum Passgesetz die Möglichkeit geschaffen haben, ausreisewilligen Dschihadisten den Personalausweis rechtzeitig zu entziehen, um damit die Ausreise zu verhindern. Das waren aus meiner Sicht sehr maßvolle, sehr verantwortungsbewusste, aber sehr effektive gesetzliche Änderungen, sodass überhaupt kein Grund besteht, jetzt in gesetzgeberischen Aktionismus zu verfallen. (Beifall bei der SPD) Aber - das sage ich auch dazu -: Wir müssen mit Sicherheit im Lichte der Erkenntnisse der Ermittlungen nach den Anschlägen von Paris uns auch ansehen, ob nicht an der einen oder anderen Stelle Verbesserungen erforderlich sind. Wichtig ist mir persönlich, dass wir deutlich mehr Stellen bei den Bundessicherheitsbehörden geschaffen haben. Es werden auch im Haushalt 2016 1 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen, über 300 Stellen zusätzlich beim Bundeskriminalamt. Es gibt - das kann man an dieser Stelle auch offen sagen - deutlich mehr Stellen sowohl für das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch für den Bundesnachrichtendienst. Damit kommen wir den Erfordernissen in dieser gesteigerten und intensivierten Bedrohungssituation in vollem Umfang nach und werden ihnen gerecht. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, insgesamt erfährt der Haushalt des Bundesinnenministeriums einen Aufwuchs von 1,5 Milliarden Euro. 5 500 zusätzliche Stellen werden geschaffen. Das ist ein klares Signal, insbesondere was die zweite große Herausforderung anbelangt: die Flüchtlingskrise. Ich sage hier eines ganz offen: Monatliche Zuzugszahlen von derzeit 180 000 oder 200 000 oder vielleicht sogar mehr sind auf Dauer in Deutschland nicht verkraftbar. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb kommt es aus meiner Sicht auf eine Quadriga an, auf vier Punkte: Wir brauchen erstens eine bessere Ordnung und eine bessere Struktur, vor allem auch schnellere Verfahren. Wir sind hier entsprechend tätig geworden. Wir haben innerhalb von nur zwei Jahren die Belegschaft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verdoppelt. Man muss sich dies auch einmal vorstellen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist die mit weitem Abstand am schnellsten wachsende Bundesbehörde. Auch im Haushalt 2016 setzen wir ein klares Signal, indem noch einmal zusätzlich 4 000 Stellen beim BAMF geschaffen werden. Schon heute sind über 1 000 sogenannte Entscheider im BAMF tätig, um die Verfahren deutlich zu beschleunigen. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Es geht erstens also um eine bessere Struktur und Ordnung, um eine lückenlose Registrierung und Kontrolle all derjenigen, die zu uns kommen. Es geht zweitens um eine schnellere und bessere Integration derer, die langfristig bei uns bleiben werden. Auch hier haben wir mit dem neuen Haushalt 2016 klare Signale gesetzt, indem 250 Millionen Euro zusätzlich für Integrationskurse zur Verfügung stehen, insgesamt über eine halbe Milliarde Euro: 560 Millionen Euro allein für Integrationskurse, 45 Millionen Euro für die Migrationsberatung für Erwachsene und 40 Millionen Euro für Integrationsprogramme und für das Programm "Integration durch Sport". Wir kommen unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung in vollem Umfang nach. Es geht drittens um die konsequente Rückführung derjenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, die abgelehnt sind. Auch hier ist noch mehr zu tun, insbesondere seitens der Länder. Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir als Bund haben unsere Hausaufgaben dadurch gemacht, dass wir mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz deutlich gemacht haben, dass Dinge in Zukunft nicht mehr gehen, die von manchen Ländern in der Vergangenheit sehr extensiv angewandt wurden, wie beispielsweise in Niedersachsen: Dort musste der Abschiebetermin zweimal im Vorfeld angekündigt werden. Im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist klar vorgesehen, dass in Zukunft Abschiebetermine nicht mehr im Vorfeld angekündigt werden dürfen. Wir erwarten jetzt auch von den Ländern, dass sie die neue Bundesgesetzgebung entsprechend umsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Der dritte Punkt ist, ganz klar, die Reduzierung der Zuzugszahlen. Ich habe die Hoffnung, dass insbesondere die Gespräche mit der türkischen Regierung, vor allem mit dem türkischen Präsidenten Erdogan, am kommenden Wochenende dazu führen, dass wir hier wirklich zu tragfähigen Ergebnissen kommen. Die Hoffnung liegt ganz klar darauf, dass wir durch eine bessere Verständigung insbesondere mit der Türkei - die Türkei ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselland - zu einem effektiveren und konsequenteren Schutz der EU-Außengrenzen kommen, damit die Zahl der Zuzüge nach Europa zurückgeht. Sollte dies nicht gelingen, müssten wir als Nationalstaat mit Sicherheit überlegen, was wir an unseren Außengrenzen verstärkt tun können, um die Flüchtlingszahlen effektiv und schnellstmöglich deutlich zu reduzieren. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt des BMI trägt auch in anderweitiger Hinsicht die klare Handschrift insbesondere der CDU/CSU. Es war uns ein großes Anliegen, das Technische Hilfswerk deutlich zu stärken. Ich bin insbesondere den Haushältern sehr dankbar, dass es gelungen ist, einen Aufwuchs der Mittel für das Technische Hilfswerk um insgesamt 43 Millionen Euro zu erreichen - das sind 208 zusätzliche Stellen. Ich sage einmal ganz konkret, wozu das führt: Es führt zu einer Entlastung des Ehrenamtes. Die zusätzlichen Stellen werden nicht in der Stabsstelle in Bonn, sondern in den Regionen, in den 66 Geschäftsstellen, geschaffen; die Zahl der Mitarbeiter wird jeweils von jetzt sieben auf neun ausgebaut, vor allem mit technischen Mitarbeitern, die in der Lage sind, vor allem Wartungs- und Reparaturleistungen für das Ehrenamt zu übernehmen. Das bedeutet eine ganz konkrete Entlastung des Ehrenamtes. Dafür ist das Technische Hilfswerk sehr dankbar; das darf ich in meiner Funktion als Präsident der THW-Bundesvereinigung sagen. Es ist darüber hinaus ein klares Signal, das die Koalition hier für die deutliche Stärkung des ehrenamtlichen Engagements setzt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir stärken darüber hinaus auch die Bundesdatenschutzbeauftragte. Die Bundesdatenschutzbeauftragte ist ab dem 1. Januar kommenden Jahres eine unabhängige und eigenständige Oberste Bundesbehörde. Es werden 7,5 zusätzliche Stellen geschaffen und eine halbe Million Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus - auch das ist ein wichtiges Zeichen, das von diesem Haushalt ausgeht - stärken wir den Sport in Deutschland. Die 15 Millionen Euro, die in diesem Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen, werden im kommenden Jahr verstetigt. Wir stellen 10 Millionen Euro zusätzlich für die Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Sommerspiele 2024 zur Verfügung - in der Hoffnung, dass der Bürgerentscheid am kommenden Sonntag positiv ausgehen möge. Wir stellen auch 10 Millionen Euro für die Entschädigung der DDR-Dopingopfer zur Verfügung - ein wichtiges Signal. Ich komme zum Schluss. Ein letzter Punkt, der mir aber auch besonders am Herzen liegt, betrifft ein Anliegen, das insbesondere der Bund der Vertriebenen schon lange vorbringt; jetzt wird es endlich umgesetzt. Es wird eine finanzielle Grundlage geschaffen, um ehemalige deutsche Zwangsarbeiter zu entschädigen. 50 Millionen Euro stehen hier in den kommenden Jahren zur Verfügung. Dafür sind all diejenigen dankbar, die seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, auf eine angemessene Entschädigung gewartet haben. Aber es geht nicht nur um die finanzielle Entschädigung, sondern auch um das klare Signal, das von dieser Haushaltsentscheidung ausgeht. Auch dafür ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der CDU/CSU) Ich glaube, man kann sagen: Wir befinden uns in schwierigen Zeiten, aber der Haushalt des Bundesinnenministeriums für 2016 trägt den gestiegenen Anforderungen Rechnung. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Dr. Lars Castellucci von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]) Dr. Lars Castellucci (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Die Große Koalition beweist im Bereich des Innern Handlungsfähigkeit. Es ist eindrucksvoll: Aufwuchs der Mittel in diesem Haushalt um 1 Milliarde Euro. Das ist angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, genau das richtige Signal. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Das ist die eine gute Nachricht. Besonders freut mich, dass wir das ohne neue Schulden schaffen. Denn die Diskussion "Steuererhöhungen für Flüchtlinge" ist eine dieser absonderlichen Diskussionen, die manchmal draußen geführt werden. Wir schaffen es, wie gesagt, ohne neue Schulden. Das ist allerdings nicht uns zu verdanken, sondern das ist der Leistung der Menschen in unserem Land zu verdanken, die das erwirtschaftet haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist die zweite gute Nachricht. Zu den Verfahren. Wir verdoppeln die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, und auch bei der Bundespolizei gibt es mehr Ressourcen. Damit muss es gelingen, das teilweise entstandene Chaos zu beenden. Ich will, dass binnen Jahresfrist registriert wird, und zwar schnell und einmal und nicht keinmal oder mehrfach, wie das derzeit der Fall ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich will, dass wir binnen Jahresfrist erreichen, dass die Verfahren drei Monate dauern - wie Herr Weise uns das zugesagt hat - und wir hierbei alles einrechnen und nicht sagen: Es gibt eine Zeit vor dem BAMF und eine Zeit nach dem BAMF. - Außerdem muss es uns innerhalb des nächsten Jahres gelingen, die Zahl der aufgelaufenen Verfahren abzubauen. Seit 2008 steigt die Zahl der Verfahren, die nicht abgearbeitet werden, Jahr um Jahr. Daher ist eine Änderung dringend notwendig; denn so kann es nicht mehr weitergehen. Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir arbeiten dran. Offen gestanden: Wenn ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sage: "Ich brauche etwas" und diese mir darauf antworten: "Wir arbeiten dran", dann läuten bei mir ein bisschen die Alarmglocken. Wir brauchen jetzt kein "Wir arbeiten dran"; vielmehr müssen wir die Ergebnisse im nächsten Jahr mit aller Ernsthaftigkeit und mit allem Nachdruck erreichen wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der wichtigere Punkt ist die Integration oder - weil das Wort nicht besonders gut ist - das Zusammenleben in Deutschland. Die finanziellen Ressourcen für die Integrationskurse werden verdoppelt; das macht ein Viertel der Milliarde aus, die neu in den Haushalt eingestellt wird. Ich will aber auch sagen: Es geht an dieser Stelle nicht nur um Geld, sondern wir müssen auch darauf achten, dass das gut umgesetzt wird und dass die Flüchtlinge, die zu uns kommen, die Maßnahmen und Angebote erhalten, die sie brauchen. Die einen sind Analphabeten, die Alphabetisierungskurse brauchen, andere brauchen andere Angebote. Ob da das Management und die Systematik im Konzert der Angebote, die auch die Bundesländer unterbreiten, schon so gut funktionieren, das wage ich zu bezweifeln. Es geht also nicht nur darum, Geld bereitzustellen, sondern man muss auch genau hinschauen, was mit dem Geld passiert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings!) Weil wir die Diskussion nicht nur über die Medien führen sollen, sondern auch dort, wo sie hingehört, nämlich hier, möchte ich etwas zum Thema Familiennachzug sagen. Wenn wir schon Integration anstreben, weil uns das wichtig ist und weil es entscheidend darauf ankommt, dann müssen wir Maßnahmen, die der Integration zuwiderlaufen, unterlassen. Zu sagen: "Ihr seid hier und sollt euch integrieren, aber eure Familien lassen wir mal in den Kriegsgebieten", das ist integrationsfeindlich. Deswegen ist das auch eine falsche Ansage. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Befremdlich fand ich auch die Äußerungen vom Wochenende, was die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge angeht. Der Familiennachzug müsse ausgeschlossen werden, weil die Jugendlichen - Zitat - "vorgeschickt" werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da werden keine Jugendlichen vorgeschickt, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Keine Ahnung!) sondern da legen Eltern und Großeltern, Tanten und Onkel zusammen, damit wenigstens einer ein besseres Leben haben kann oder sein Leben sogar sichern kann. Das ist doch die Wahrheit. Das würde jeder von uns in einer solchen Situation ganz genauso machen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir dürfen beim Thema Sprache aber nicht stehenbleiben - die Sprache ist die Basis für Integration -, sondern wir müssen auch an diejenigen denken, die schon in Deutschland sind. Wir müssen uns überlegen: Wie gestalten wir das Zusammenleben derjenigen, die schon da sind, mit denjenigen, die zu uns kommen? Wie kann das gut funktionieren? Dazu brauchen wir Plattformen, Raum für Begegnungen. Ich habe dieser Tage eine Nachricht aus meinem Wahlkreis erhalten. Dort wird seit vielen Jahren ein durch Spenden finanziertes interkulturelles Café betrieben. Mit dem vorliegenden Haushalt wollen wir Ordnung herstellen. Spätestens mit dem nächsten Haushalt müssen wir Zusammenleben gestalten. Wir brauchen Strukturförderung für solche Angebote, wo sich die Menschen begegnen und sich kennenlernen können; denn das ist das Beste, um Vorurteile und Ängste abzubauen. (Beifall bei der SPD) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht alle, die kommen, werden bleiben können, und nicht alle, die kommen, werden bleiben wollen - das kann man an dieser Stelle auch einmal sagen -, aber für beide Gruppen gilt: Wir haben die Chance, ihnen unsere Werte vorzuleben und ein positives Deutschlandbild zu vermitteln. So gewinnen wir, wenn sich beide Seiten anstrengen, Freunde, Nachbarn und Kollegen in der Welt und bei uns. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Als nächster Redner hat Armin Schuster von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selten hat ein Haushalt des Innenressorts so in die Zeit gepasst wie dieser. Dieser Haushalt ist keine Reaktion auf Paris - damit haben die Haushälter recht -; darauf dürfen wir stolz sein. Für die Unions-Innenpolitiker möchte ich sagen: Seit Beginn dieser Legislaturperiode setzen wir uns unter Führung von Stephan Mayer dafür ein, dass im Bereich der inneren Sicherheit neue und deutliche Akzente gesetzt werden. Erstmals erreicht wurde dies im Haushalt 2015, und jetzt schaffen wir das mit einem richtigen Aufschlag im Haushaltsplan 2016. Dafür brauchten wir keine Terroranschläge; dafür reichte unsere Überzeugung. Ich bin meiner eigenen Mannschaft dafür dankbar, dass wir das hinbekommen haben, aber natürlich auch den Haushältern Dr. Reinhard Brandl und Dr. André Berghegger. Dr. Berghegger ist bei diesen Fragen unser Lotse in der AG Innen; denn wir kennen nicht alle Untiefen. Wenn wir zu Ihnen kommen, Herr Brandl, wissen wir schon von Dr. Berghegger, was wir machen müssen. Natürlich danke ich auch dem Bundesinnenministerium, dem ganzen Team der Minister, insbesondere dem südbadischen Finanzminister - den braucht es auch -, und ich danke dem haushaltspolitischen Sprecher, der sehr sicherheitsaffin ist. Herzlichen Dank, Herr Rehberg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundespolizei, BSI, BAMF und THW mit den richtigen Ressourcen auszustatten, ist das eine. In unsicheren Zeiten ist es aber auch wichtig, dass die Menschen Vertrauen haben in die Arbeit unserer Behörden. Bezogen auf Hannover habe ich mich ein bisschen erschreckt, was für eine Welle durch die Öffentlichkeit ging, auch durch die sozialen Netzwerke. Meine Damen und Herren, für und in Hannover wurde aus meiner Sicht in der vergangenen Woche absolut richtig entschieden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Es wäre für alle Bürger, für unsere Sicherheitsexperten und für die im islamistischen Milieu hochgefährdeten V-Leute ein großer Vorteil, wenn die Öffentlichkeit auch dann unseren Behörden vertraut, wenn wir nicht alle Erkenntnisse zu Markte tragen können, wenn wir - das sage ich an die Adresse der Medien - nicht alle zu Markte tragen müssen. Ich bin der Überzeugung, dass Vertrauen das Wichtigste ist, was wir in dieser Lage brauchen, um dem Terror standzuhalten. Dafür gibt es für mich drei Grundbedingungen: Grundbedingung eins: Haushalt und Gesetzeslage müssen in Ordnung sein. Für den Haushalt haben wir dieses Mal viel getan. Herzlichen Dank! Man kann in der Koalition über viele Themen streiten; aber mit euch von der SPD - das muss ich sagen - im Bereich der inneren Sicherheit Haushaltspolitik zu machen, das macht mir Spaß. Das gefällt mir. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Deswegen haben wir jetzt auch 1 Milliarde Euro mehr, als im Regierungsentwurf vorgesehen war. Herr Gerster, vielen Dank. Wir müssen jetzt nicht in gesetzgeberischen Aktionismus verfallen - das ist wichtig; Frau Dr. Högl, darüber sind wir uns einig, auch wenn es Punkte gibt, bei denen wir uns nicht einig sind -, weil wir unser Pulver im Trockenen haben; (Dr. Eva Högl [SPD]: Genau!) ich darf das vielleicht so ein bisschen martialisch formulieren. Flüchtlingslage, Terrorbekämpfung, Rechtsextremismus, Cyberfähigkeit - überall haben wir den Haushalt und die Rechtsvorschriften angepasst. Wir haben Reisen in ISIS-Gebiete längst unter Strafe gestellt, wir können Ausreisen verhindern, und wir können Pässe und Personalausweise entziehen. Wir haben uns die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zum Ziel gesetzt. Wir haben die Vorratsdatenspeicherung eingeführt und die Befristung von Vorschriften nach den Terrorismusbekämpfungsgesetzen verlängert. Meine Damen und Herren, besser kann man nicht beweisen, dass die Innenpolitik in diesem Land gut vorbereitet ist. Ich brauche im Moment nicht mehr Gesetze. Zweitens. Das Vertrauen in der Bevölkerung ist dann besonders groß, wenn wir uns an unsere Rechtsvorschriften halten - die sind gut - und sie ohne Wenn und Aber umsetzen. Das erwarten die Menschen gerade in unsicheren Zeiten. Deshalb müssen wir Dublin und Schengen schnellstens reanimieren. Deshalb bin ich dem Bundesinnenminister für seine vielen klaren Haltungen in den vergangenen Wochen sehr dankbar. Das flößt Vertrauen ein, auch bei der Bevölkerung. Das spürt man. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Wer in diesen Tagen allerdings nur auf die Sicherung der Schengen-Außengrenze fokussiert - und das machen ja ganze Heerscharen -, der hat den Schengener Grenzkodex noch nicht verstanden. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Genau richtig!) Außengrenzensicherung war noch nie das einzige Mittel der Wahl. Das haben wir uns Mitte der 90er-Jahre so nicht gedacht. Binnengrenzschleierfahndung, Schengener Informationssystem, gemeinsame internationale Ermittlungsgruppen, automatisierter Datenabgleich, Infoaustausch zu Fingerabdrücken, Kfz-Kennzeichen, DNA-Spuren usw. usf. - das alles ist Schengener Grenzkodex und Prümer Vertrag. Ich bedauere, dass wir in diesen Tagen sehr wenig Klartext darüber sprechen, dass all das in Europa schlampigst umgesetzt ist. (Dr. Eva Högl [SPD]: Das stimmt!) Die Schleierfahndung ist faktisch ausgestorben. Es gibt Fahndungsdateien bei Europol, in die nur fünf Länder von ganz Schengen-Europa Daten eingeben. Wie wollen wir so Terroranschläge verhindern? Wie wollen wir präventiv dafür sorgen, dass Europa ein Raum der Freiheit, des Rechts und der Sicherheit ist? Wenn wir uns nicht jetzt in den Schengener Binnengrenzräumen um Fahndungs- und Ermittlungsdruck kümmern, wann denn dann? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Attentäter der vergangenen Anschläge haben alle zusammen eine verwundbare Stelle: ihre grenzüberschreitende Reisetätigkeit. Sie alle haben es getan, auf allen Verkehrswegen, und man hätte sie erkennen können. Aber dafür braucht man konsequente Grenzüberwachung - auch in Deutschland - im Rahmen einer Schleierfahndung oder auch mehr. Die Haltung, dass das alleinige Aufgabe der Schengen-Außengrenzenländer sein soll und nicht unsere, finde ich völlig unplausibel. Warum sollen die es können und wir nicht? Ich empfehle jedem, der damit hausieren geht: Fahren Sie doch einmal zur Bundespolizei oder zur bayerischen Polizei; ich empfehle die Polizeiinspektionen Fahndung in Traunstein und in Rosenheim. Die erklären sehr gerne, wie hochwirksam Binnengrenzfahndung ist. Ich erinnere an den Aufgriff des Montenegriners, der einen ganzen Kofferraum voll schwerster Waffen hatte. Ob wir aktuell Grenzüberwachung wollen oder nicht, müssen wir politisch entscheiden; aber man sollte bitte nicht behaupten, wir könnten es nicht. (Zuruf des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Die Bundeszollverwaltung und die Bundespolizei tun das seit Jahrzehnten, egal in welcher Lage die Bundesrepublik Deutschland sich befunden hat. Die können das. Diese öffentlichen Unwerturteile finde ich nicht in Ordnung. Es gibt einen Zusammenhang - auch das traue ich mich zu sagen; ich weiß, das ist heikel - zwischen Flüchtlingslage und Terrorbedrohung. Ein Innenpolitiker muss so etwas ansprechen, weil wir uns als Fachleute bezeichnen. Wir können nicht ausschließen, dass ISIS mit seiner perfiden Hinterhältigkeit versuchen wird, die Flüchtlingsströme zu nutzen, um in unserer Gesellschaft durch Vorkommnisse zu polarisieren und zu spalten, uns gegeneinander auszuspielen. Deshalb müssen wir zum Schutz aller, der Flüchtlinge und der Deutschen, genauer hinschauen, wer auf welchem Weg warum in dieses Land möchte. Das flößt Vertrauen ein. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Kollege Schuster, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Tempel zu? Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Von Herrn Tempel? Natürlich. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Bitte. Frank Tempel (DIE LINKE): Herr Schuster, lassen wir einmal ganz kurz unsere unterschiedlichen politischen Positionen, ob eine Schließung der Grenzen und stationäre Grenzkontrollen richtig sind oder nicht, außen vor. Nehmen wir einmal an, dass das gemeinsam politisch gewollt wäre, was es natürlich nicht ist. Sie haben mit Ihrer Fraktion seit Jahren den permanenten Personalabbau mitgetragen. Genau wie Sie besuche ich regelmäßig Delegiertenkonferenzen bei Gewerkschaftsversammlungen der Bundespolizei und auch Polizeidienststellen, mehrere allein in diesem Jahr. Dort wird von den Kollegen einheitlich gefragt: Wie sollen wir diesen Forderungen, die von Teilen der Politik kommen, überhaupt nachkommen? Ich habe gerade gesagt: innerhalb von nur einem Monat 500 000 Überstunden bei der Polizei. Sie haben von neuen Stellen gesprochen. Die Leute müssen erst einmal ausgebildet werden; sie werden in den nächsten zwei Jahren überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Sie legen Ihre Forderungen hier in blumigen Worten dar; aber mit der Umsetzung ist langfristig überhaupt nicht zu rechnen. Sie tragen mit die Verantwortung dafür, dass das Personal, die Infrastruktur und die Logistik für die Erfüllung dieser Forderungen überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Wie möchten Sie das umsetzen? Wann möchten Sie das umsetzen? Das sollten Sie hier schon ein bisschen genauer sagen. Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Erstens. Ich kann mit Ihnen jetzt keinen Grundkurs zum Thema Grenzpolizei machen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU - Frank Tempel [DIE LINKE]: Den sollten Sie aber nehmen!) Aber es wäre schön, wenn Sie unterscheiden würden zwischen der Forderung, die Grenzen dichtzumachen - das hat nur ein Teil Deutschlands einmal versucht; ich finde, das ist eine ziemlich unsinnige Idee, die kein vernünftiger Grenzpolizist hat -, und konsequenter polizeilicher Grenzüberwachung, dass man also sagt: Wir betreiben Grenzübergangsstellen, weil das aus Sicherheitsgründen notwendig ist, und wir überwachen die grüne Grenze. - Das bedeutet aber nicht, dass man dort alle Menschen aufgreift und zurückschickt. So dumm ist kein Grenzpolizist und auch kein Politiker. Dafür gäbe es ein flexibles System; da bin ich ganz sicher. (Frank Tempel [DIE LINKE]: 500 000 Überstunden im Monat!) Wenn es heißt, dass wir das nicht leisten könnten, muss ich sagen: In einer kleinen Privataudienz könnte ich Ihnen ganz locker erklären, wie wir es mit 10 000 Zöllnern, 42 000 Bundespolizisten und etlichen Landespolizei-Bereitschaftsabteilungen, die nur auf den Marschbefehl warten, binnen weniger Tage hinbekommen würden, in diesem Land einen solchen Einsatz zu fahren. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na klar, genau! Die sitzen da und warten auf ihren Einsatz, weil sie ja sonst nichts zu tun haben, Herr Schuster! Die warten also etwa bei Schalke gegen Bayern auf ihren Einsatz an der Grenze, ja?) Da würde übrigens genauso wenig geschossen - ich danke Ihnen sehr für den Zwischenruf - wie bei 1.-Mai-Demos in Berlin, da gäbe es keine S-Draht-Rollen, da gäbe es keine Haftanstalten. Das Vermögen, in diesem Land polizeilich sauber zu arbeiten, können Sie seit Jahrzehnten beobachten, egal bei welcher polizeilichen Lage. Wir würden auch das hinbekommen. Letzter Punkt - das wäre als dritter Punkt sowieso gekommen; jetzt geht das auf Ihre Zeit -: Ich bin nicht damit einverstanden, dass diese Sonderlage noch unendlich lange andauert. Dass da 1 000 bis 1 500 Bundespolizisten quasi eine Außenstelle des BAMF betreiben, stört mich sehr; denn sie fehlen uns genau bei der Aufgabe, für die Sie gerade plädiert haben. Mir wäre es sehr recht, wenn wir die Flüchtlingszahlen so reduzieren, sodass das BAMF seine eigentliche Aufgabe allein und selbstständig erledigen kann und die Bundespolizei zur Wahrnehmung ihrer originären Aufgabe, nämlich der Grenzfahndung, zurückkehrt. Das dürfte Ihnen als kleiner Input reichen. Den Rest machen wir dann privat. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir brauchen eine deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Wenn ständig 2 000 Polizisten das BAMF verstärken, ist das ja kein "Wir schaffen das". Das ist nur eine Notlösung. Ich bin damit einverstanden, dass die Bundespolizei das jetzt macht. Aber das ist eine Sonderlage, und Sonderlagen enden irgendwann. Insofern bin ich der SPD dankbar. Wenn ich Herrn Steinmeier und Herrn Gabriel richtig verstehe, wollen sie einen Neustart in der Flüchtlingspolitik. Auch ich glaube, dass das notwendig ist, zumindest bei der Frage: Wie viele kommen zu uns? Mein letzter Punkt: zum Thema Vertrauen. In den deutschen Sicherheitsbehörden, bei Polizei und Verfassungsschutz, arbeiten Zehntausende von Frauen und Männern. Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren erlebe ich hier, vornehmlich aus den Reihen der Opposition, immer wieder den Versuch, unsere Sicherheitsbehörden öffentlich zu diskreditieren. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das geht gar nicht! - Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Das war aber heute nicht der Fall!) Die Rede ist dann von mutmaßlichen Übergriffen bei Polizeieinsätzen, davon, dass die Rechte der Bürger massenhaft untergraben werden, etc. etc. Ich bleibe jetzt ganz ruhig; aber ich möchte in diesen angespannten Tagen den Appell loswerden: Damit schneiden wir im deutschen Parlament Vertrauen ab. (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) Mit solchen Kommentaren stellt man permanent die Leistung derer, die sich Tag für Tag für unseren Schutz und unsere Freiheit einsetzen, auf den Kopf. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch gar nicht stattgefunden! - Dr. Eva Högl [SPD]: Das hat keiner gesagt!) Ich finde, auch eine Opposition - mag die Verlockung der Kameras auch noch so groß sein - hat in diesen angespannten Tagen eine parlamentarische Verantwortung. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Aha! Keine Kritik mehr? Oder was soll das heißen?) Bei der Union gehört Vertrauen in Sicherheitsbehörden zur Grund-DNA. Wir müssen diesbezüglich nicht belehrt werden. Wir wissen, was die Frauen und Männer da draußen leisten. Wir sind ihnen dankbar. Heute haben wir hier im Parlament sozusagen einen Doppelpass gespielt: Wir bringen einen Haushalt auf den Weg, der diese Leistungen angemessen honoriert. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Susanne Mittag von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Susanne Mittag (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss ist das zwar immer ein bisschen schwierig; aber ich versuche noch einmal, das Publikum zu fesseln. Im Innenausschuss ist das Thema Flüchtlinge vorherrschend und auch ordentlich behandelt worden. Das kann man gut nachvollziehen, weil dieses Thema auch hier fast über die gesamte Zeit in aller Eindringlichkeit angesprochen wurde. Vereinbarungen über ein umfassendes Finanzpaket waren dringend notwendig, und das ist ja auch gelungen. Im Haushaltsausschuss wurde eine ganze Bandbreite von Themen angesprochen. Ich möchte mich auf ein Thema im Bereich Inneres konzentrieren, das seit Jahren leider nachrangig betrachtet wird, nämlich die organisierte Kriminalität. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) - Da sind wir uns jetzt einig. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Die organisierte Kriminalität umfasst nicht nur das, was man üblicherweise aus der Vorstellung von Jahresstatistiken kennt oder in Filmen sieht, sondern hat bezogen auf den Vermögensschaden und die Bandbreite der Delikte mittlerweile ein erhebliches Ausmaß angenommen, und das steigert sich immer weiter. Dazu gehören - eine kleine Aufzählung - die nicht sehr auffälligen Deliktbereiche Umsatzsteuerkarussell, Geldwäsche und Drogenhandel - das bekommt ja nicht jeder mit -, aber auch massive Delikte wie Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Kfz-Diebstahl und -verschiebung und auch - das ist ein bisschen öffentlichkeitsträchtiger - Einbrüche in Wohnungen und Straftaten gegen hochaltrige Menschen, also gegen Menschen ab 80 Jahren. Zur organisierten Kriminalität gehören aber auch eher neuartige Taten wie Erpressung im Internet, Datendiebstahl und -hehlerei. Darunter fallen auch Randbereiche, die man zuerst gar nicht mit der organisierten Kriminalität in Verbindung bringt, wie zum Beispiel das Handeln mit illegalen Kulturgütern nach Raubgrabungen oder Markenpiraterie. Der wirtschaftliche Schaden ist beträchtlich und trägt zur Verunsicherung der Menschen bei. Organisierte Kriminalität wird in einigen Bereichen, um zum Ausgangsthema zurückzukommen, auch zur Terrorismusfinanzierung genutzt. Diese Tatsachen zeigen, dass wir bei all den wichtigen Themen, die sonst gerade diskutiert werden, noch mehr Augenmerk auf die organisierte Kriminalität legen müssen. Um dem Bedürfnis aller nach Sicherheit entsprechen zu können, müssen wir die zuständigen Behörden so ausstatten, dass sie diese Sicherheit leisten können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! Weiter so!) - Das verwirrt mich jetzt etwas. - Gerade wenn es um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ging, hat es in den zurückliegenden Jahren - jetzt wird es nicht mehr ganz so gut - Sparmaßnahmen oder einen Verzicht auf das Aufstocken im Haushalt gegeben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: In Berlin ist das dringend notwendig!) Das war im letzten Jahr nicht der Renner. In diesem Jahr ist das im Haushalt zum Glück anders. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das war nicht immer so; deswegen sind wir heute ganz froh darüber. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, aber in Berlin muss man das dringend machen! Frau Högl, da sind wir uns einig! - Gegenruf der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]: Der Innensenator ist aber aus der CDU, lieber Herr Kauder! Der Innensenator ist aus Ihrem Klub!) - Können wir jetzt weitermachen? (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!) Ich will nur noch einmal einwerfen: Das BKA erhält für seine wichtige Arbeit insgesamt 310 neue Stellen und zusätzliche Mittel für die Ausstattung. Das gehört auch dazu und ist schon einmal sehr gut. Nach den letzten Haushaltsverhandlungen war ich ziemlich betrübt; aber diesmal bin ich - das muss ich sagen - sehr zufrieden. Das ist ein guter Einstieg. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Guter Innenminister!) Hinzu kommen noch 97 Stellen für Daktyloskopie, also, falls das nicht geläufig ist, für das Fingerabdruckverfahren. Das ist eine echte Verbesserung mit Blick auf die Auswertung von Fingerabdrücken und die Identifizierung von Flüchtlingen - aber nicht nur; es gibt auch noch andere Fingerabdrücke zu erkennen. Mit zusätzlichen Stellen für das BKA kann unter anderem die "Koordinierungsstelle Organisierte Kriminalität" endlich richtig ausgestattet werden und ihre Arbeit in vollem Umfang aufgenommen werden, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) um in Zusammenarbeit mit Ländern innerhalb und außerhalb der EU, aber auch mit den Bundesländern, der Bundespolizei, dem Zoll und weiteren Institutionen die Kriminalität etwas mehr aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld zu heben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU - Volker Kauder [CDU/CSU]: Auch richtig! Die Frau ist gut!) Auch bei der Bundespolizei wurde die Personaldecke jahrelang dünner und dünner, während die Aufgaben wuchsen - jetzt natürlich besonders im Bereich Flüchtlinge. Neben den sichernden Aufgaben sind aber auch viele Ermittlungsbereiche bei der Bundespolizei, wie zum Beispiel Menschenschmuggel, bundesweite Diebstähle in Bahnhofsbereichen oder im Güterverkehr, im Bereich der organisierten Kriminalität anzusiedeln. Daher sind die auf drei Jahre aufgeteilten 3 000 zusätzlichen Stellen - sie sind ja schon mehrfach erwähnt worden - ein ebenfalls sehr guter Anfang nach jahrelanger Sparerei. Über eine Festlegung im Haushalt freue ich mich ganz besonders - Martin Gerster hat es schon gesagt -, und zwar über die zu den Tarifgruppen bei der Bundespolizei. Nun ist ein kleiner Aufstieg von der sehr niedrigen Tarifgruppe E 3 in die Tarifgruppe E 5 möglich. Es wird nämlich leicht vergessen, dass es für die Arbeit nicht nur einigermaßen gut bezahlte Beamte geben muss, sondern auch Tarifangestellte - das sind meistens Frauen -, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) ohne die der ganze Apparat überhaupt nicht funktioniert. Darauf haben die Tarifmitarbeiter - die Gewerkschafter haben darauf hingewiesen - Jahre gewartet. Endlich ist der Einstieg geschafft. Das fördert das Engagement, bringt ein bisschen mehr Gerechtigkeit, motiviert die Nachwuchskräfte und hält erfahrene Kräfte, die sonst wegen der miesen Bezahlung gehen würden. (Beifall des Abg. Martin Gerster [SPD]) Es ist nur ein kleiner Teilbereich aus dem Ministerium des Innern, aber doch ein großer und wichtiger Bereich für unsere Sicherheit. Wir haben die Verpflichtung, den Menschen im Rahmen unserer Möglichkeiten Sicherheit zu gewähren, und das setzen wir jetzt um. Ich bin mir sicher: Die Kollegen, die dann endlich über mehr Personal und Material verfügen, bekommen das schon hin. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Eine sehr gute Rede!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zur Abstimmung über den Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Einzelplan 06 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 21 - Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit -, ebenfalls in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand? - Der Einzelplan 21 ist einstimmig angenommen worden. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I.7 auf: a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Drucksachen 18/6107,18/6124 b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Drucksachen 18/6124, 18/6125 Zum Einzelplan 07 haben die Berichterstattung die Abgeordneten Dr. Tobias Lindner, Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde und Roland Claus. Zum Einzelplan 19 haben die Berichterstattung die Abgeordneten Carsten Körber, Dennis Rohde, Roland Claus und Manuel Sarrazin. Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat Caren Lay von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Maas, bei Ihrem Amtsantritt als neuer Justiz- und Verbraucherminister wollten Sie noch eine ganze Menge bewegen. Ihre erste Rede hier hatte auch mir gut gefallen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Sie versprachen mehr Rechte für Frauen, für Lesben und Schwule, für die Schwachen in der Gesellschaft und den Schutz der persönlichen Daten. "Prima", habe ich gedacht. Das klingt fast nach einem linken Regierungsprogramm. (Zuruf von der CDU/CSU: So schlimm wird es schon nicht werden!) Heute will ich einmal fragen: Was ist daraus geworden? Die CDU/CSU kann sich beruhigt zurücklehnen. Die Halbzeitbilanz der Koalition sieht nämlich leider ernüchternd aus. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sehr gut sieht sie aus!) Was wurde denn alles versprochen? Beispielsweise wurde versprochen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare einzuführen. Daraus ist leider nichts geworden. Doch spätestens seit dem erfolgreichen Volksentscheid im konservativen Irland wäre es höchste Zeit, auch in Deutschland die Ehe für alle endlich einzuführen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben versprochen, den Anteil von Frauen in den Führungsgremien von Wirtschaft und Verwaltung wesentlich - ich betone: wesentlich - zu erhöhen. Herausgekommen ist ein klitzekleines Frauenquötchen. Davon profitieren - ich betone: bundesweit - ganze 200 Frauen in Aufsichtsräten. Ja, wie viele Frauen sitzen denn schon in Aufsichtsräten? Hinzu kamen noch Verschlechterungen im öffentlichen Dienst. Ich sage: Eine wirkungsvolle Gleichstellungspolitik sieht wirklich anders aus. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie versprachen - vom Frauenquötchen zum Mietpreisbremschen -, eine "wirksame Mietpreisbremse" einzuführen. Da wurde zunächst lange herumgedoktert. Am Ende wurde ein Gesetzentwurf beschlossen, mit dem schon bei der Beschlussfassung viel zu viele Zugeständnisse an die Vermieterlobby gemacht wurden. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Es sollen auch noch ein paar Wohnungen gebaut werden!) Jetzt bewahrheiten sich - leider, muss ich sagen - die Befürchtungen der Opposition, dass diese Mietpreisbremse am Ende fast nirgendwo wirken wird, weil die Grundlage, nämlich ein ordentlicher Mietspiegel, fast nirgendwo vorhanden ist. Eine Mietpreisbremse, die wirkt, habe ich mir wirklich anders vorgestellt. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das stärkste Stück stellte aber Ihr Versprechen dar, dass es eine Speicherung von Daten ohne konkreten Verdacht nicht geben wird. Das hat natürlich gerade bei der Opposition große Erwartungen geweckt. Allerdings haben Sie wenige Monate später einen Gesetzentwurf zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Dazu wurden Sie zwar gezwungen durch Ihren Parteichef. Ich frage mich aber: Warum mussten Sie diesen Unsinn am Ende auch noch verteidigen? (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Weil es kein Unsinn ist!) Sie wollten die Schwachen im Recht stärken. Nehmen wir beispielsweise die anhaltende Abzocke von schwachen Verbraucherinnen und Verbrauchern bei den Dispozinsen durch die Banken. Da sollen wir jetzt im Grunde eine Art Ausweisungspflicht auf den Homepages der Banken beschließen statt einer gesetzlichen Deckelung. So wird das wirklich nichts. (Beifall bei der LINKEN) Auch haben Sie mehr Rechte für Verbraucherinnen und Verbraucher versprochen, die diese tatsächlich durchsetzen können. Rechtsdurchsetzung, das wäre wirklich gut gewesen. Nehmen wir beispielsweise den VW-Skandal. Die geschädigten Autokäufer müssen jetzt selber sehen, wo sie bleiben, das heißt, individuell den Rechtsweg beschreiten. Hätten wir die Möglichkeit von Gruppenklagen, könnten die Verbraucherverbände für alle Betroffenen klagen. Sie aber haben bis heute nichts vorgelegt. Im Gegenteil; Die Koalition hat einen Gesetzentwurf der Grünenfraktion abgelehnt. Das stärkste Stück aber ist, dass die Koalition mit den Stimmen von der Union und der SPD jetzt schon zum fünften Mal hintereinander abgelehnt hat, im Verbraucherausschuss überhaupt über dieses Thema zu sprechen. Meine Damen und Herren, dafür fehlt mir wirklich jedes Verständnis. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Apropos VW: Es gibt schon Themen, bei denen ich mich manchmal frage, ob wir überhaupt noch einen Verbraucherminister haben. Im Fall VW hat es lange gedauert, bis von ihm etwas zu hören war. Dann kamen vorsichtige Appelle in Richtung Konzernleitung. Ansonsten war in der Debatte von Ihnen wenig zu hören. Ich finde, angesichts von 2,5 Millionen geschädigten Autokäufern ist das keine überzeugende Leistung. (Beifall bei der LINKEN) Sie schweigen meistens auch zu TTIP und CETA, also den geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA bzw. Kanada, und verstecken sich hinter dem breiten Kreuz des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel. Dabei hätten die Verbraucherinnen und Verbraucher - die, wie ich finde, zu Recht fürchten, dass sie jetzt noch mehr von Konzernen über den Tisch gezogen werden - an dieser Stelle wirklich einen starken Verbraucherminister verdient. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das gilt auch für den Haushalt. Das Geld, welches die Bundesregierung für die Verbraucherarbeit ausgibt, ist, gemessen an anderen Haushalten und gemessen auch am Gesamtvolumen des Bundeshaushalts, wirklich sehr gering. Es handelt sich um 36 Millionen Euro. Ich nenne einmal einen Vergleichsmaßstab: Allein für die "Erschließung von Auslandsmarken", also für die von Steuergeldern finanzierte bezahlte Werbung für Firmen im Ausland, gibt die Bundesregierung dreimal so viel Geld aus. Ich finde, das steht wirklich in keinem Verhältnis zum Schutz von 80 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern in diesem Land. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Verbraucherpolitik fristet auch bei dieser Bundesregierung unterm Strich leider immer noch ein Schattendasein. Es wird wenig überraschen, dass wir als Linke mehr Geld für die Verbraucherpolitik gefordert haben. Sie werden natürlich, wie immer, fragen: Woher soll das Geld denn kommen? Da greife ich doch gerne eine Forderung der ehemaligen Verbraucherministerin Ilse Aigner von der CSU auf. Sie hatte nämlich einmal den klugen Vorschlag gemacht, man solle doch die Einnahmen aus Kartellstrafen für die Verbraucherarbeit zur Verfügung stellen. Kartellstrafen müssen Unternehmen zahlen, wenn ihnen zum Beispiel illegale Preisabsprachen zulasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern nachgewiesen werden. Mir ist es wirklich unverständlich, dass das Geld, was hier eingenommen wird - eine halbe Milliarde Euro -, komplett in den Wirtschaftshaushalt fließt anstatt wenigstens teilweise in den Verbraucherhaushalt, damit wir hier nicht jedes Jahr wieder um eine Million mehr oder weniger streiten müssen. Damit hätten wir eine ausreichende Finanzierung der Verbraucherarbeit. (Beifall bei der LINKEN) Wenn wir nur 20 Prozent dieses Geldes umschichten würden, dann hätten wir 100 Millionen Euro mehr für die Verbraucherarbeit. Das wäre eine Verdreifachung dieses Haushaltspostens, und das würde den Verbraucherinnen und Verbrauchern gefallen. Ich komme zu meinem letzten Punkt. Wir stecken immer noch in den Nachwehen der Finanzmarktkrise. Deswegen fordern wir eine gute Anschubfinanzierung für die bundesweite Finanz- und Schuldnerberatung und einen Finanz-TÜV. Damit wäre das Geld für die Verbraucherinnen und Verbraucher gut angelegt. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, die Halbzeitbilanz der Koalition im Bereich der Verbraucherpolitik ist ernüchternd. Ich weiß, Herr Maas: Sie haben einen schwierigen Koalitionspartner. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Komm, komm! Jetzt aber Schluss! - Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie meint die CSU, nicht Sie, Herr Kauder!) Sie haben einen Parteivorsitzenden, der sich gerne als Genosse der Bosse profiliert und Ihnen reingrätscht. So ist es zu erklären, dass Sie lieber twittern, als gute Gesetzentwürfe vorzulegen. Aber die Verbraucherinnen und Verbraucher haben am Ende des Tages leider wenig davon. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Jetzt mal zum Haushalt!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Dennis Rohde von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dennis Rohde (SPD): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt der Einzelplan des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz. Das konnte man bei meiner Vorrednerin in zwei Dritteln der Rede nicht erkennen, weil es in ihrer Rede nicht wirklich um den Haushalt ging. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Als Sie dann die Kurve zum Haushalt genommen haben, haben Sie, fand ich, auch noch verblüffend offen dargelegt, dass Sie die Haushaltssystematik nicht verstanden haben. Wenn Sie fordern, das Geld aus den Kartellstrafen für die Verbraucherpolitik einzusetzen, dann müssen Sie aber auch sagen, wo Sie das Geld an anderer Stelle wegnehmen wollen. (Caren Lay [DIE LINKE]: Aus dem Wirtschaftshaushalt! Habe ich doch gesagt!) Natürlich ist dieses Geld schon im Bundeshaushalt verplant. Das, was Sie wollen, ist: mehr Geld ausgeben und neue Schulden machen. Das machen wir nicht mit, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Einzelplan 07 zeichnet sich durch viele kleine - das ist richtig -, aber durchaus wichtige Punkte aus. Eine Rede zum Einzelplan 07 läuft daher immer Gefahr, sehr kleinteilig zu sein. Ich möchte mich deshalb auf drei große Überschriften beschränken. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Ehe Sie das tun, Herr Kollege Rohde, frage ich Sie: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lay? (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Es muss eine Verständnisfrage sein!) Dennis Rohde (SPD): Herzlich gern. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Caren Lay (DIE LINKE): Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich möchte nicht, dass falsche Dinge im Raum stehen bleiben. Deswegen möchte ich Sie fragen: Haben Sie mich richtig verstanden, dass wir keine zusätzlichen Einnahmen aus Kartellstrafen vorsehen? Wir wollen, dass, statt das Geld wie bisher komplett für den Wirtschaftshaushalt zu verwenden, 20 Prozent davon in den Verbraucherhaushalt fließen sollen. Haben Sie mich da richtig verstanden? (Beifall bei der LINKEN) Dennis Rohde (SPD): Frau Kollegin Lay, ich habe Sie richtig verstanden. (Caren Lay [DIE LINKE]: Dann haben Sie es falsch gesagt!) Ich frage mich, ob Sie mich richtig verstanden haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wenn Sie das Geld aus dem Wirtschaftshaushalt herausnehmen wollen, dann müssen Sie auch sagen, an welcher Stelle Sie es einsparen wollen bzw. ob Sie dort den Haushaltsansatz absenken wollen. (Caren Lay [DIE LINKE]: Ich habe doch ein Beispiel genannt!) Jeder Euro im Bundeshaushalt kann nur einmal ausgegeben werden, und das gilt leider auch für die Einnahmen aus Kartellstrafen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Caren Lay [DIE LINKE]: Aber an der richtigen Stelle!) Wir haben als Koalition in den Haushaltsverhandlungen drei Schwerpunkte gesetzt. Der erste Schwerpunkt - an ihm kommt man, glaube ich, bei keinem Haushalt vorbei - ist der Bereich Flüchtlinge und Terrorismus. Wir wollen das Ministerium als das stärken, was es auch ist, nämlich als Verfassungsministerium, das die Verfassungsmäßigkeit von Vorhaben zu überprüfen hat. Das ist in der heutigen Zeit wahrlich keine leichte Aufgabe. Denn dabei müssen Sie, Herr Minister, zwischen Terrorismusbekämpfung, also dem Schutz von Bürgerinnen und Bürgern, auf der einen Seite und den Freiheitsrechten, wie dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die nicht minder wichtig sind, auf der anderen Seite abwägen. Diese Abwägung haben Sie in Ihrem Hause zu treffen. Damit Sie das auch vernünftig tun können, stocken wir den Personalhaushalt des Ministeriums auf. Ich glaube, das ist gerade in der heutigen Zeit ganz wichtig. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat es denn bisher nicht gereicht?) Aus demselben Grund haben wir beim Generalbundesanwalt und beim Bundesgerichtshof Bedarf gesehen. Denn wir alle wissen - das geht derzeit immer wieder durch die Presse -: Gewaltbereite Dschihadisten kommen zu uns zurück. Sie müssen verfolgt werden. Dafür sind der Generalbundesanwalt und der Bundesgerichtshof mit seinen Ermittlungsrichterinnen und Ermittlungsrichtern zuständig. Damit diese Verfahren nicht länger dauern als unbedingt notwendig, haben wir in diesem Bereich noch einmal deutlich den Personalhaushalt aufgestockt, damit verantwortungsvoll mit dieser Aufgabe umgegangen werden kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch beim Verbraucherschutz sehen wir eine ganz besondere Herausforderung, die sich aus der aktuellen Situation ergibt; denn die Menschen, die zu uns kommen, stammen nicht nur aus fremden Kulturen, sondern auch aus teilweise ganz fremden Rechtssystemen, die mit unserem Rechtssystem des Vertragsabschlusses bzw. der Vertragsdurchführung nicht einmal ansatzweise vergleichbar sind. So weiß ein Teil dieser Menschen nicht, dass ein Dauerschuldverhältnis bei einem Handyvertrag, der auf zwei Jahre abgeschlossen ist, tatsächlich zwei Jahre dauert und nicht mittendrin gekündigt werden kann. Damit sich hier nicht irgendwelche windigen Geschäftsleute ein neues Feld erschließen und solche Wissenslücken gezielt ausnutzen, stellen wir dem Justizministerium zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung, um hier Aufklärungsarbeit zu leisten. Gerade in der heutigen Zeit ist das ein wichtiger Beitrag. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nun komme ich zu meiner zweiten großen Überschrift, zum Verbraucherschutz. Wahrscheinlich muss man als Opposition immer mehr fordern. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben "mehr" gerufen!) Aber ich finde, dass wir uns konkret anschauen sollten, was in den letzten zwei Jahren, seitdem die SPD wieder in der Regierung ist, passiert ist. Wir haben den Verbraucherschutzetat um gut 50 Prozent angehoben. In diesem Land wurde - auch das gehört zur Wahrheit - noch nie so viel Geld für den wirtschaftlichen und den finanziellen Verbraucherschutz ausgegeben; das lassen wir uns nicht kleinreden. Darauf sind wir als Große Koalition stolz. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben das Geld für ganz unterschiedliche Dinge ausgegeben, für Maßnahmen im Ministerium, wie zum Beispiel für die Initiative für die Flüchtlinge, über die ich gerade gesprochen habe. Wir stärken die Verbraucherzentrale Bundesverband, indem wir dieses Mal - wir haben bereits im letzten Haushalt die institutionelle Förderung angehoben - die Mittel für das Personal deutlich aufstocken. So kommen die Marktwächter mit einer vernünftigen personellen und finanziellen Ausstattung über die Runden. Die Marktwächter sind ein gutes Projekt, das wir als Haushälter vernünftig begleiten müssen. Wir leiten einen Paradigmenwechsel bei der Stiftung Warentest ein, die bisher jedes Jahr eine institutionelle Förderung aus dem Bundeshaushalt bekommt. Wir wollen diese Stiftung nun unabhängig vom Bundeshaushalt machen. In den nächsten Jahren wird diese Stiftung eine massive Aufstockung bekommen, um dann aus den Zinserträgen ihren Haushalt selbst bestreiten zu können. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) Das ist ein vernünftiger Paradigmenwechsel. Die Stiftung Warentest ist und bleibt eines der wichtigen Instrumentarien, wenn es für Verbraucherinnen und Verbraucher darum geht, sich nachhaltig zu informieren. Diese Stärkung geschieht an der richtigen Stelle. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben des Weiteren einen sehr guten Forschungsauftrag im Hinblick auf Schutz vor Überschuldung und Umgang mit Überschuldung erteilt. Man kann dafür natürlich eine bestimmte Summe in den Bundeshaushalt einstellen und den Schuldnerberatungsstellen sagen: Macht mal! - Aber die Schuldnerberatungsstellen sind an uns herangetreten und haben uns gebeten, gemeinsam eine Studie in Auftrag zu geben, um herauszufinden, welches die Herausforderungen sind, vor denen überschuldete Menschen stehen, und welche Dinge Menschen in Überschuldung treiben. Wir wollen die Ursachen bekämpfen. Für dieses Projekt haben wir das nötige Geld in den Haushalt eingestellt. Ich verspreche mir sehr viel davon und bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. (Beifall bei der SPD) Meine dritte Überschrift betrifft wieder viele kleine Sachen, die in der täglichen Arbeit des Justizministeriums anfallen und - teilweise für uns sehr überraschend - finanziell hinterlegt werden müssen. So haben wir vor der Sommerpause das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes verabschiedet. Innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens wurde relativ kurzfristig noch eine Änderung im Bundeszentralregistergesetz vorgenommen, die für das Bundesamt für Justiz sehr weitreichende Folgen hat. Ich spreche vom sogenannten Ähnlichenservice. Das bedeutet: Wenn ich eine Abfrage zu meinem Namen im Bundeszentralregister vornehme, dann würde nur entsprechend der Schreibweise meines Namens Rohde gesucht werden. Mein Nachname lässt sich aber auch Rhode oder Rode schreiben. Die anderen beiden Schreibweisen müssten zusätzlich eingegeben werden. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt sicherlich noch andere Schreibweisen!) - Stimmt, es gibt wahrscheinlich noch mehr Schreibweisen. - Bei meinem Nachnamen, Frau Kollegin Künast, ist es noch relativ leicht. Beim Namen Eckhardt wird es richtig kompliziert. Er ließe sich mit "ck", "kk" oder nur mit "k", mit "a" oder "e", mit oder ohne "h" und am Ende mit "d", "dt" oder "tt" schreiben. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte wiederholen! - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch einmal, ganz langsam!) Wenn Sie all diese Schreibweisen abdecken wollen, dann haben Sie mehrere Dutzend Aufgaben zu bewältigen. Dafür braucht man eine vernünftige EDV. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, jetzt sind Sie bei dem zentralen Problem der Justiz angekommen!) Diese muss in den nächsten drei Jahren aufgebaut werden. Das kam für uns überraschend. Wir haben es nun aber gemanagt. (Caren Lay [DIE LINKE]: Ein kleiner Schritt für die Koalition, ein großer für die Menschheit!) Das wird insbesondere denjenigen, die das momentan per Hand machen müssen, eine Menge Arbeit ersparen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dann haben wir noch einen zweiten Punkt, der haushaltsrelevant ist. Das ist die Umsetzung der Richtlinie zur alternativen Streitbeilegung, die wahrscheinlich in der nächsten Woche in zweiter und dritter Lesung hier verabschiedet wird. Dabei geht es um die Universalschlichtung. Frau Präsidentin, ich habe noch fünf Sekunden Redezeit, aber es blinkt schon. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Ich wollte nur, dass Sie sich darauf einstellen, dass Sie nur noch fünf Sekunden haben. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind jetzt auch um! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Kollege nimmt es ganz genau!) Dennis Rohde (SPD): Wenn die Frau Präsidentin mich schon so nett bittet, zum Ende zu kommen, dann möchte ich noch ausführen: Herr Minister, ich glaube, mit dem vorgelegten Haushalt können und werden Sie vernünftig arbeiten. Wir sollten es gemeinsam anpacken. Wir hatten sehr harmonische Haushaltsverhandlungen, auch mit der Opposition. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?) Ich denke, das wird auch in den kommenden Redebeiträgen, Kollege Lindner, deutlich werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Nächster Redner ist Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Jetzt muss man doch harmonisch sein!) Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Stichwort "Harmonie" ist gefallen. Auch wenn ich die Grenzen zwischen Koalition und Opposition in diesem Haus nicht verwischen möchte, so will ich dennoch sagen: Natürlich ist der Einzelplan 07 des Bundeshaushalts ein besonderer Einzelplan, und zwar aus zweierlei Gründen: Es ist der Einzelplan, bei dem wir - ich würde fast sagen: alle - zumindest die Zielsetzung teilen, nämlich dass wir einen starken, einen funktionsfähigen Rechtsstaat benötigen; zweitens liegen uns allen das Wohl, die Rechte und der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher am Herzen. Schauen wir uns die dritte Säule der Gewaltenteilung an. Die Rechtsprechung ist mit 736 Millionen Euro nichts, was sonderlich teuer ist. Im Gegenteil: Sie ist sehr effizient. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]) Man kann diese Debatte genauso wenig wie die Debatte über den Innenetat heute nicht führen, ohne die Ereignisse von Paris im Kopf zu haben. Wir haben diese Haushaltsberatungen vor den schrecklichen Ereignissen geführt. Ich warne ausdrücklich vor Schnellschüssen und davor, die Besonnenheit ad acta zu legen. Vor manchen Forderungen, die ich gehört habe, beispielsweise nach einer Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung oder nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern oder zur Grenzsicherung, kann ich nur warnen. Legen Sie diese beiseite. Sie gehören in das Reich des Absurden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber die Bedrohung durch Terrorismus, auch die Bedrohung durch deutsche Staatsbürger, die beispielsweise nach Syrien ausreisen, und die Bedrohung durch Rechtsterrorismus - wir werden morgen einen weiteren Untersuchungsausschuss konstituieren - ist nichts, was es erst seit den Ereignissen von Paris gibt. Deswegen ist es richtig und notwendig, dass nicht nur bei der Bundespolizei in diesem Jahr Stellen aufgestockt werden, sondern deswegen haben wir Grüne es auch unterstützt - Herr Kollege Rohde ist darauf eingegangen -, dass beim Generalbundesanwalt und beim Bundesgerichtshof Stellen ausgeweitet werden, damit die Justiz gut ausgestattet Ermittlungsverfahren gegen Menschen, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden, führen kann. Dafür haben Sie unsere Unterstützung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Auch schön!) Um aber etwas Wasser in den Wein zu gießen: Wir müssen natürlich auch, wenn wir über eine gut ausgestattete, attraktive Justiz in Deutschland reden, daran denken, dass bei neuen Anforderungen und einem enger werdenden Arbeitsmarkt Stellen attraktiv bleiben. Da geht es nicht nur um Gehalt, sondern es geht auch um die ganz praktischen Arbeitsbedingungen. Deswegen ist es bedauerlich, dass die Große Koalition unserem Vorschlag in der Bereinigungssitzung, Mittel speziell für Teilzeitstellen an den obersten Bundesgerichten für den Fall bereitzuhalten, dass Richterinnen und Richter Teilzeit in Anspruch nehmen wollen, nicht hat folgen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir reden in diesen Tagen gerne darüber, Fluchtursachen zu bekämpfen und zu beseitigen. Hier, lieber Herr Maas, gibt es in Ihrem Ministerium Ressourcen und Wissen, die leider aus meiner Sicht viel zu wenig genutzt werden. Ich rede über den Bereich der Rechtsstaatsförderung. Wir haben mit der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit ein gutes Instrument. Wir haben gerade als Bundesrepublik Deutschland, der es vor 25 Jahren gelungen ist, die DDR in einen modernen und effizienten Rechtsstaat zu transformieren, eine Menge an Erfahrungswissen, das wir weitergeben können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir darüber reden, Rechtsstaatlichkeit in Krisenstaaten zu festigen und auszubauen, dann geht es eben nicht nur um das Gewaltmonopol des Staates, sondern auch um eine moderne, um eine gute Rechtsordnung. Hier könnten wir viel mehr tun. Wir Grüne haben in den Haushaltsberatungen beantragt, diese Mittel weiter aufzustocken. Auch hier ist es schade, dass sich die Große Koalition nicht hat dazu durchringen können, unseren Vorschlägen zu folgen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!) Es gibt aber noch einen weiteren Begriff, der an Ihrem Türschild steht, Herr Maas - ich greife das auf, weil der Kollege Rohde hier seine Buchstabierkenntnisse vorgeführt hat; es geht ja nicht nur um Justiz, sondern auch um Verbraucherschutz -: Ich habe den Eindruck, dass Sie den Begriff "Verbraucherschutz", auch wenn die Mittel für diesen Bereich angewachsen sind, was ich durchaus anerkenne, immer noch nicht richtig buchstabieren können. Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern: Sie bauen das Instrument Marktwächter aus. Das ist richtig; das ist gut. Dennoch sage ich: Die Mittel dafür wachsen viel zu langsam an. Es dauert viel zu lange, bis dieses Instrument voll einsatzfähig ist. Wir sollten auch darüber nachdenken, Marktwächter institutionell zu fördern und sie nicht nur über eine Projektförderung zu finanzieren. Das schafft nämlich keine Planungssicherheit. Wenn wir jetzt die verbleibenden Mittel betrachten, die für andere Verbraucherschutzthemen zur Verfügung stehen, dann stellen wir fest: Sie sind nicht mehr geworden, und das trotz neuer Herausforderungen im Verbraucherschutzbereich. Ich rede in diesem Zusammenhang von nachhaltigem Konsum. Ich rede von sogenannten Gesundheits-Apps, etwa von einer Uhr am Handgelenk, die Gesundheitsdaten misst. Es braucht natürlich eine Regulierung, wer Zugriff auf diese Daten hat und was mit diesen Daten geschieht. Ich rede von neuen Wirtschaftsmodellen, von sogenannten Prosumern, also von einer Mischung aus Produzenten und Konsumenten, die beispielsweise im Internet Dienstleistungen und Waren anbieten. Es gibt ganz viele neue Herausforderungen im Bereich der Verbraucherschutzpolitik. Diesen Herausforderungen kann dieser Haushalt nicht gerecht werden, wenn ein Großteil der Mittel in den Bereich Marktwächter fließt. (Beifall der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen eine Menge Vorschläge unterbreitet, was man anders machen kann, wie man wirklich zu einer mutigen und nicht zu einer zaghaften Verbraucherschutzpolitik kommt. Sie konnten sich diesen Vorschlägen nicht anschließen. Jetzt kommen Sie bitte nicht mit dem Argument der Finanzierbarkeit. An anderer Stelle, in anderen Etats haben wir Einsparmaßnahmen vorgenommen. Ich denke nicht, dass man, wenn es um eine halbe Million Euro, um 1 Million Euro oder um 2 Millionen geht, herumkritteln sollte, wenn man richtigerweise 10 Millionen Euro für die Stiftung Warentest zur Verfügung stellt. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nur kein Neid! Das ist richtig!) Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Als Nächstes hat der Kollege Klaus-Dieter Gröhler, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, was ist uns der Rechtsstaat wert? Was ist uns die Durchsetzung des Rechts wert? Diese Fragen, die wir uns gerade in diesen aufgeregten Zeiten immer öfter stellen, sind zumindest aus Sicht eines Haushälters für diesen Einzelplan relativ leicht zu beantworten: In 2016 ist uns das auf jeden Fall mehr als in 2015 wert, und in 2015 war es uns bereits mehr wert als in 2014. Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen darstellen. Der Kollege Dennis Rohde ist schon zu Recht auf die zusätzlichen Stellen für den Generalbundesanwalt und auf die zusätzlichen Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingegangen. Mit dieser Maßnahme werden wir dafür sorgen, dass wir gegen die Bedrohung durch den islamistischen Terror effektiv und rechtssicher vorgehen können. Dieser Stellenaufwuchs bei der Bundesjustiz erfolgt parallel zur Verstärkung der Sicherheitsbehörden, über die ja gerade bei der Beratung des Einzelplans des Innenministeriums gesprochen worden ist. Beides gehört aus meiner Sicht zusammen, und beides dient der Sicherheit unseres Landes und unserer Bevölkerung. Die rechtsstaatliche Verfolgung von deutschen Teilnehmern an Terror- oder Gewalthandlungen, sei es im Nahen Osten oder in anderen Regionen, wird nicht an einer zu geringen personellen Ausstattung beim Bundesanwalt oder beim BGH scheitern. Ich sage auch mit Blick auf künftige Entwicklungen: Wenn der Generalbundesanwalt oder der Bundesgerichtshof durch die zunehmende Zahl an Verfahren mit terroristischem Hintergrund in den kommenden Jahren nachweisbar überlastet ist, dann wird sich die CDU/CSU-Fraktion aktiv für eine zusätzliche Ausstattung einsetzen. Das ist es uns wert; denn jeder Terrorist und jeder Unterstützer oder Sympathisant von Terrororganisationen soll wissen, dass wir alles dafür tun werden, dass er nach einem rechtsstaatlichen Verfahren einer gerechten Strafe zugeführt wird. (Beifall bei der CDU/CSU) Durch den Bundeshaushalt 2016 wird aber auch die Zahl der Zivilrichter beim Bundesgerichtshof erhöht, weil die Verfahrenszahlen angestiegen sind. Als Haushaltsgesetzgeber, meine ich, haben wir die Pflicht, die Rechtsgewährung für die Bürgerinnen und Bürger so auszugestalten, dass in angemessener Zeit eine letztinstanzliche Entscheidung ergeht. Diesem Auftrag kommen wir somit nach. Wenn wir zu Recht so stolz auf unser Grundgesetz sind, dann müssen wir auch alles dafür tun, dass die Verfassung eingehalten wird. Konkret bedeutet das, dass der Rechtsweg für den Bürger funktionieren muss und dass seine Rechtsmittel durch die Verfahrensdauer nicht ins Leere laufen dürfen. An dieser Stelle will ich auch einmal einen Appell an die Bundesländer richten. Die staatliche Garantie der Rechtsgewährung benötigt auch in den Instanzen, für die der Bund nicht zuständig ist, eine vernünftige personelle und sächliche Ausstattung. Ich sage das auch mit Blick auf die Zunahme der Zahl von Verwaltungsgerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Ablehnung von Asylanträgen. Die Aufenthaltsbeendigung für Menschen, die keinen Asyl- oder Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen können, darf nicht an der personellen Unterbesetzung der Gerichte scheitern. Wenn wir uns als Bund vorgenommen haben, die Verfahren zu entschlacken, effektiv zu machen und zu beschleunigen, dann habe ich an die Länder die Erwartungshaltung, dass auch sie ihren Beitrag zur Verwaltungsgerichtsbarkeit leisten. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden uns in diesem Land, meine Damen und Herren, nicht hinstellen und zu den Mitbürgerinnen und Mitbürgern sagen können: Liebe Leute, Zehntausende, die sich noch im Land befinden und eigentlich kein Aufenthaltsrecht bekommen haben, sind hier, weil unsere Gerichte überlastet sind. - Diese Blöße werden wir uns nicht geben dürfen. Wir werden genauso wenig sagen können, dass wir nicht in der Lage sind, Abschiebungen durchzuführen, weil die personellen Kapazitäten nicht ausreichen. Zum Rechtsstaat, meine Damen und Herren, gehört auch Gerechtigkeit, und die gebietet, jene, die ein Recht haben, gegenüber denen, die kein Recht haben, anders zu behandeln. Insofern müssen wir ganz klar unterscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU) Zum Thema Flüchtlingssituation passt auch das Thema Bekämpfung der Fluchtursachen. Der Kollege Dr. Lindner hat schon ein ganz klein wenig darauf hingewiesen. Ich will das noch ein bisschen verstärkter tun, weil ich glaube, dass dieses Instrument im Haushalt durchaus schon und besser, als er es dargestellt hat, zur Anwendung kommt. Jeder Euro, den wir ausgeben, um Fluchtursachen zu bekämpfen, erspart es Menschen, überhaupt erst auf die Flucht zu gehen, und erspart uns viele weitere Ausgaben für die Unterbringung in unserem Land. Im Einzelplan des Justizministers findet sich ein derartiges Mittel der Fluchtursachenbekämpfung, dem wir uns in Zukunft vielleicht sogar intensiver widmen sollten. Ich spreche vom Zuschuss an die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, kurz: IRZ. Durch zusätzliche Mittel wächst in 2016 der Beitrag aus dem Justizetat auf fast 5,5 Millionen Euro auf. Mit dem Transfer von juristischem Know-how unterstützt die IRZ zahlreiche Länder, unter anderem in Süd- und Osteuropa sowie in Nordafrika. So berät die IRZ die Ukraine bei der Bekämpfung der Korruption. Gestern Abend traf ich den Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, in meinem Wahlkreis. Er bestätigte mir ganz deutlich: Die Bekämpfung von Korruption ist für die Ukraine eine Frage der Erhöhung der Lebensqualität der Menschen, aber auch der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Er bestätigte mir ausdrücklich: Jede Hilfe Deutschlands bei der Bekämpfung der Korruption in der Ukraine ist für dieses Land wichtig. - Insofern, glaube ich, ist dieses Geld sowohl aus unserer Sicht als auch aus ukrainischer Sicht gut angelegt. Aber auch zahlreiche andere Maßnahmen der IRZ sind die richtigen Antworten auf wichtige Herausforderungen. Das geht von der Unterstützung des jordanischen Verfassungsgerichts und der marokkanischen Strafjustiz über die Beratung Tunesiens bei der Bildung eines Verfassungsgerichts und der Reform des Verwaltungs- und Strafvollzugsrechts bis hin zur Hilfe für die juristische Fakultät der Universität Pristina im Kosovo oder bei der Durchführung der Konferenz über rechtliche Möglichkeiten der Verringerung der Kinderarmut in Mostar in Bosnien-Herzegowina. Alles das sind Aktivitäten, die die IRZ entfaltet und finanziert hat. Teilweise mit ganz wenigen Tausend Euro hat sie viel erreichen können. Sie hat Bausteine geschaffen, um die Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern zu entwickeln und zu festigen. Ich glaube, wir tun gut daran - insofern, Herr Lindner, sind wir gar nicht so furchtbar weit auseinander -, wenn wir die IRZ auch 2017 weiter fördern und in 2017 den Beitrag vielleicht noch einmal erhöhen. Aber auch an der Stelle will ich einen Appell an die Bundesländer richten. Die IRZ hat uns das letzte Mal sehr deutlich gesagt, sie könne diesen Wissenstransfer nur durchführen, wenn sie neben dem Geld auch das juristische Fachpersonal hat. Das juristische Fachpersonal muss freigestellt werden, insbesondere von den Bundesländern. Insofern geht eine entsprechende herzliche Aufforderung von mir hier an die Bundesländer. Diese juristische Entwicklungshilfe kann nur funktionieren, wenn auch das Personal zur Verfügung steht. Hier hakt es, und dem muss abgeholfen werden. Neben der Bewältigung der Flüchtlingskrise gibt es aber andere Herausforderungen, die wir im Haushalt 2016 meistern müssen. Ich freue mich, dass es erneut gelungen ist, das Deutsche Patent- und Markenamt personell zu verstärken. Damit stärken wir den Wirtschaftsstandort Deutschland, weil Erfinder und Entwickler nun schnelleren Schutz für das Ergebnis ihrer Arbeit erhalten können. Beim Patentamt ist es nämlich wie bei den Gerichten: Der Staat hat das Monopol, und er muss seinen Bürgerinnen und Bürgern effektiv zu ihrem Recht verhelfen, ohne dass sie Jahre auf eine Entscheidung warten müssen. Diesen Anspruch haben die Menschen; ob er erfüllt wird, hängt davon ab, ob die Menschen den Staat, in dem sie leben, für effektiv und leistungsfähig halten. Dabei spielt es eine Rolle, ob sie jahrelang auf eine Entscheidung warten müssen oder erkennen können, dass es in wichtigen Dingen vorangeht und ein Ergebnis erzielt wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich aber zur anderen großen Säule des Einzelplans 07 kommen; denn das Ministerium heißt ja nun seit zwei Jahren "der Justiz und für Verbraucherschutz". Immerhin 17 Millionen Euro sind im Etat 2016 für Verbraucherinformationen eingeplant, 11 Millionen Euro als Zuschuss an die Verbraucherzentrale Bundesverband, was der Opposition immer noch nicht genug ist - aber okay. In diesem Zusammenhang will ich Ihren Blick auf die Stiftung Warentest, die vielleicht bekannteste deutsche Stiftung, lenken. Sie bekommt im nächsten Jahr auf Initiative der Unionsfraktion und ganz besonders, weil unser Fraktionsvorsitzender gesagt hat: "Nehmt euch mal dieses Themas an", (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) einen Zuschuss von 10 Millionen Euro für das Stiftungsvermögen und von weiteren 90 Millionen Euro in den kommenden Haushaltsjahren - und das neben dem eigentlichen Bundeszuschuss. Mit dieser Maßnahme wollen wir die hervorragende Arbeit der Stiftung Warentest, die ja quasi die Mutter allen Verbraucherschutzes in Deutschland ist, stärken, und wir wollen sie vom jährlichen Bundeszuschuss unabhängiger machen. 1962 hat der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer die Gründung der Stiftung Warentest gegenüber dem Bundestag angekündigt. Vor fast 51 Jahren ist sie aus der Taufe gehoben worden. Anfangs war ihre Arbeit nicht von Erfolg gekrönt, aber inzwischen ist sie ein nicht mehr wegzudenkender Partner und Berater des Verbrauchers und ein kritischer Kontrolleur des Handels und der Produzenten. 5 500 Testreihen für 94 000 Produkte und 2 500 Dienstleistungen hat Stiftung Warentest in den letzten 50 Jahren durchgeführt und veröffentlicht und den mündigen Konsumenten damit wichtige Entscheidungshilfen geliefert. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Diese Arbeit zu verstetigen und die Unabhängigkeit der Stiftung zu gewährleisten, ist Ziel der Erhöhung des Stiftungskapitals, damit sie auch in den kommenden Jahrzehnten erfolgreich weiter für uns alle testen kann. Gern möchte ich an der Stelle - der Kollege Lindner hat es vielleicht übersehen - noch auf den Titel "Forschung/Untersuchungen" eingehen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Ich hatte nur sechs Minuten!) Das ist zwar jetzt durchaus kleinteilig. Aber Herr Lindner hatte doch vorhin hier kritisiert, dass das Bundesministerium zum Beispiel die Frage, wie man denn mit Daten von Verbrauchern umgeht, nicht richtig darstellt. Wir haben den Ansatz bei diesem Titel im Zuge der Haushaltsberatungen um 50 Prozent angehoben. Das ist vielleicht zu so später Stunde, irgendwann um zwei Uhr im Haushaltsausschuss am Kollegen vorbeigegangen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich war wach!) Wir versetzen das Ministerium damit in die Lage, Gutachten in Auftrag zu geben, um zu schauen, wie die Verwendung und Weitergabe von Nutzerdaten oder der digitalen Überwachung von Versicherungsnehmern gestaltet werden muss. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wir bei den Marktwächtern!) Wir haben auch ein Gutachten für das Ministerium auf den Weg gebracht, um die Frage der zivilrechtlichen Haftung für Schäden selbstfahrender Autos zu klären. Ich glaube, das sind wichtige juristische Fragen. Sie mögen zwar jetzt vielleicht noch ein Stück weit in weiterer Ferne sein. Aber mit diesen Forschungsvorhaben sorgen wir dafür, dass auf die aktuellen Herausforderungen vernünftige juristische Antworten gegeben werden. Erlauben Sie mir, in der letzten Minute noch - etwas abschweifend vom Einzelplan - einen lokalpatriotischen Dank. Es gibt ja nicht so viele Berliner im Haushaltsausschuss. Deshalb übernehme ich einmal den Part. Ich will mich ganz herzlich bedanken, dass an das Land Berlin durch den Bundeshaushalt 2016 wieder viele, viele Millionen fließen, einerseits für die Sanierung und Neuaufstellung des Neptunbrunnens, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für den Flughafen!) andererseits für die Schaffung einer Besucherterrasse auf dem Stadtschloss. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, das Stadtschloss sollte sich selber finanzieren!) Daneben werden in den kommenden Jahren auch 200 Millionen Euro für die Stiftung Schlösser und Gärten bereitgestellt. Liebe Frau Kollegin Künast, Sie stammen doch auch aus Berlin. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Ich denke, wir Berliner sollten dem Bund vielleicht auch einmal ein ganz klein wenig dankbar dafür sein, (Beifall bei der CDU/CSU) dass er im 25. Jahr der Bundeshauptstadtrolle Berlins seine Verantwortung an der Stelle wahrnimmt. Da sage ich ein herzliches Dankeschön an die beiden Hamburger Jungs Rüdiger Krause und Johannes Kahrs. Sie haben Berlin an der Stelle nicht vergessen, und das finde ich sehr gut. Ich finde, dieser Bundeshaushalt, insbesondere der Einzelplan des Bundesministeriums der Justiz, ist so gut, dass auch die Opposition dem gleich zustimmen kann. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Für die Bundesregierung erhält jetzt Bundesminister Heiko Maas das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will gleich zum Verbraucherschutz kommen und möchte Sie an einen Artikel erinnern, der am Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stand. Er war überschrieben mit den Worten "Verschenkte Millionen", und der Untertitel lautete: Der Verbraucherschutz in Deutschland bekommt immer mehr Geld. - Das, was ich jetzt hier zum Verbraucherschutz gehört habe, lässt vor diesem Hintergrund wirklich nur auf eine sehr eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit derer schließen, die das hier so gesagt haben. Deshalb will ich noch einmal - zumindest in aller Kürze - in Erinnerung rufen, was im Verbraucherschutz sowohl in den letzten Haushalten als auch in diesem Haushalt auf den Weg gebracht worden ist. Es gibt in Deutschland nicht mehr nur einen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Es gibt mittlerweile auch einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen. Der Finanzmarktwächter und der Marktwächter Digitale Welt haben nicht nur ihre Arbeit aufgenommen, sondern sie arbeiten und funktionieren hervorragend. Das wird die Architektur des Verbraucherschutzes in diesen beiden Bereichen ganz wesentlich verändern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben nicht nur das Kleinanlegerschutzgesetz als Reaktion auf die Prokon-Pleite gemacht, sondern wir haben es auch geschafft, den Verbraucherschutz als Aufgabe und Ziel bei der BaFin hereinzuschreiben. Auch das ist eine strukturelle Veränderung. Wir wissen, dass bei den Finanzdienstleistungen der Verbraucherschutz in den kommenden Jahren immer wichtiger werden wird. Wir wollen - das steht unmittelbar bevor, wie ich hoffe - ein Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen einführen, damit auch da die Rechtsdurchsetzung verbessert wird. (Beifall bei der SPD) Wir haben die Mietpreisbremse eingeführt und das Bestellerprinzip im Maklerrecht. Das war zwar schon früher im Justizministerium ressortiert, aber ist doch nichts anders als auch eine Maßnahme für Verbraucherinnen und Verbraucher. Und wir haben, wie schon erwähnt - Herr Kauder, ich bitte Sie, da vielleicht die Kollegen aus der Opposition noch einmal ins Bild zu setzen -, für die Stiftung Warentest 10 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen und noch einmal 90 Millionen im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben doch immer Geld gekriegt! Absurd!) um das Stiftungskapital zu erhöhen (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) und damit dafür zu sorgen, dass die Arbeit in der Stiftung Warentest auch in Zukunft, und zwar sehr eigenständig, fortgeführt werden kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben also, liebe Frau Künast, nicht nur viel getan, sondern wir haben auch die Strukturen im Verbraucherschutz weiterentwickelt. Im Übrigen wird auch dem wirtschaftlichen Verbraucherschutz - der Hinweis sei erlaubt - in diesem Haushalt mehr Geld zur Verfügung gestellt, und zwar inflationsbereinigt mehr, als er unter Rot-Grün je bekommen hat. Ich glaube, da wird doch durchaus deutlich, wie ernst wir den Verbraucherschutz nehmen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An wem lag das denn? - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: An Rot! - Weiterer Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht!) Meine Damen und Herren, zur Rechtspolitik. Da komme ich nicht umhin, auch noch einmal auf die Ereignisse zurückzukommen, die eben auch im Innenressort schon eine große Rolle gespielt haben: Die furchtbaren Terroranschläge in Paris - in den letzten Tagen und Wochen allerdings nicht nur in Paris, sondern auch an vielen anderen Stellen unserer Welt - haben uns nicht nur erschüttert, sondern sie bewegen auch die Rechtspolitik. Ich kann Ihnen sagen: Justiz und Sicherheitsbehörden arbeiten derzeit - und nicht erst aktuell - eng zusammen mit dem Ziel, Anschläge zu verhindern, Verdächtige zu fassen. Dies gilt national, aber dies gilt auch international vor allen Dingen zurzeit mit den Partnern in Frankreich und mittlerweile auch in Belgien. Allein der Generalbundesanwalt führt im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien bereits 120 Ermittlungsverfahren gegen fast 200 Beschuldigte, die sogenannten Dschihadisten - Tendenz stark steigend. Meine Damen und Herren, wir wissen gerade in solchen Situationen, dass Freiheit und Sicherheit kein Gegensatz sind, sondern zwei Seiten einer Medaille. Nur wer sicher ist, kann auch frei und selbstbestimmt leben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Und deshalb, meine Damen und Herren, will ich aufgrund der Diskussionen, die es gibt, und mit Blick auf den Terror in Paris und an anderen Orten dieser Welt ganz klar sagen: Ja, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren, aber wir müssen dort, wo es notwendig ist, überlegt handeln. Es gibt Dinge, die wir tun sollten, und es gibt Dinge, die wir nicht tun sollten. Das hat zunächst einmal etwas damit zu tun, wie wir auf das reagieren, was dort geschehen ist. Ich bin sehr froh darüber, dass auch in der öffentlichen Debatte sehr verantwortlich mit der Diskussion umgegangen wird. Es geht darum, die Werte, die diese Gesellschaft zusammenhalten, auch zu bewahren, sich nicht zu Hass und zu Angst verleiten zu lassen. Das heißt dann auch - das will ich an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit sagen - für unsere Gesellschaft und für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft: Wir dürfen jetzt auf keinen Fall alle Muslime unter Generalverdacht stellen. In unserer Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien werden wir nicht nachlassen - in dem Bewusstsein, dass diese Menschen auch Opfer sind. Sie fliehen vor dem gleichen Terror, der in Paris gemordet hat. Auch das muss in dieser Diskussion immer wieder deutlich gemacht werden. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN) Meine Damen und Herren, Hass und Hetze finden in diesem Zusammenhang in Deutschland in vielfacher Hinsicht statt, in der Vergangenheit immer stärker auch in den sozialen Medien. Deshalb haben wir uns vor einigen Wochen zur Aufgabe gemacht, hier zu deutlichen Verbesserungen zu kommen. Wie Sie wissen, arbeiten wir mit Twitter, Facebook und Google in einer Taskforce zusammen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass Facebook heute bekannt gegeben hat, dass es in der Praxis seiner Plattform etwas verändern will. In Zusammenarbeit mit dem Verein Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter hat der Konzern heute bekannt gegeben, dass Posts, die die Androhung von physischer Gewalt enthalten, künftig grundsätzlich als glaubhafte Drohung eingeschätzt werden und deshalb alle von Facebook aus dem Netz entfernt werden. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Trotzdem bin in froh, dass der Druck, den wir alle gemacht haben, jetzt wirkt und sich Facebook endlich zu dieser überfälligen Maßnahme entschlossen hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Es gilt, auch weiterhin keine Angst zu haben und die Werte in einer freien Gesellschaft so zu leben, wie wir es in der Vergangenheit gemacht haben: im ganz alltäglichen Leben, in Restaurants, in Konzerten und in Fußballstadien. Wir dürfen auch nicht der Rhetorik der Terroristen auf den Leim gehen. Lasst sie doch vom Krieg reden, vom Kampf der Kulturen und der Religionen. Wir wissen es besser. Es gibt keinen Krieg zwischen dem Christentum und dem Islam, keinen Krieg zwischen Okzident und Orient. Die Terroristen morden überall - in Paris und in Beirut -, und sie töten Muslime genauso, wie sie Christen und Juden töten. Diese Attentäter sind keine Soldaten, schon gar keine Gotteskrieger, sondern sie sind nichts anderes als Mörder. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Gegen Kriminelle führen wir keinen Krieg, sondern wir bekämpfen das Verbrechen. Ja, auch ich bin der Auffassung, dass man mit Rufen nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern vorsichtig sein sollte. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 klar entschieden, dies würde Ereignisse von katastrophischem Ausmaß und die völlige Überforderung von Polizei und Sicherheitsbehörden voraussetzen. Ich finde, wir sollten mit solchen Diskussionen im Moment gerade nicht solche Signale geben, dass Ereignisse katastrophischen Ausmaßes bevorstehen oder unsere Sicherheitsbehörden überfordert sind. Das sind sie nicht. Wir sorgen mit diesem Haushalt dafür, dass sie das auch in Zukunft nicht sein werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Und die Bundeswehr hilft jetzt schon viel!) Wir haben in den vergangenen Monaten rechtlich vieles auf den Weg gebracht, was eigentlich nur konsequent angewandt werden muss. Wir sind in der internationalen Staatengemeinschaft eines der ersten Länder gewesen, die die UN-Resolution zu den Foreign Fighters umgesetzt hat. Wir haben die Ausreise für Leute unter Strafe gestellt, die sich von hier aus in Gebiete begeben wollen, in denen Terrorcamps sind, oder die sich an Kampfhandlungen des sogenannten "Islamischen Staates" beteiligen wollen. Ich finde, das ist sehr verantwortlich; denn es gab auch im politischen Raum Stimmen, die sagten: Lasst sie doch ziehen, dann sind sie weg. - Nein, das können wir nicht zulassen; denn wir wissen, dass ein nicht unerheblicher Teil zurückkommt und dann noch stärker radikalisiert ist, als es schon vorher der Fall war. Erst dann werden die Dschihadisten zu einer konkreten Gefahr. Deshalb haben wir das Strafrecht an der Stelle bereits geändert. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung eingeführt. Denn in den unterschiedlichsten Behörden ist eine wichtige Aufgabe bei der Bekämpfung des Terrorismus in der Vergangenheit nicht nur bei uns etwas zu kurz gekommen, nämlich die Finanzquellen trockenzulegen, die es ermöglichen, bei uns Anschläge zu begehen. Auch das haben wir getan. Auch das will ich gar nicht verschweigen, sondern in aller Deutlichkeit sagen: Ja, wir haben auch das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten beschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir alle wissen, dass dieses Gesetz kein Allheilmittel ist und nicht jeden Anschlag verhindern kann. Aber wir haben in Frankreich auch gesehen, dass es mit den Mitteln, die dort zur Verfügung stehen, möglich ist, Personen, die sogenannte Resonanzstraftaten begehen könnten, sehr schnell aufzuspüren, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist das!) sie festzusetzen und damit möglicherweise einen Anschlag zu verhindern. Ich sage Ihnen auch in aller Offenheit: Ich bin froh, dass wir diesen Beschluss schon gefasst haben; denn ich finde es allemal besser, über ein so kritisches Thema nicht unter dem unmittelbaren Eindruck eines Anschlages zu diskutieren. Ich bin mir nicht sicher, was dann in diesem Gesetz gestanden hätte. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Auch deshalb war es gut, dass wir das sehr sachlich und rational besprochen und beschlossen haben. Insofern sind wir, meine Damen und Herren, sowohl auf der rechtlichen Ebene als auch, was die Ausstattung unserer Behörden angeht, gut für das aufgestellt, was uns noch lange beschäftigen wird und uns dort noch bevorsteht. Auch beim Generalbundesanwalt haben wir aufgrund der erhöhten Anzahl der Verfahren mit diesem und dem letzten Haushalt dafür gesorgt, dass Mittel für fast 20 Prozent mehr Personal in Karlsruhe zur Verfügung gestellt werden. Ich glaube, dass dieser Haushalt allen Anforderungen, denen wir im Moment ausgesetzt sind, in vollem Umfang gerecht wird. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Für die Linke spricht jetzt Harald Petzold. (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen! Wenn wir über den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für das Jahr 2016 reden, dann reden wir selbstverständlich über viele Zahlen, über Einnahmen, über Ausgaben, über Verpflichtungsermächtigungen - das ist eine Art Bürgschaft für Ausgaben, die in der Zukunft anfallen -, über Kredite, über Neuverschuldung oder keine Neuverschuldung sowie über Zinsen. Ich bin der Meinung, wir sollten in einem solchen Moment viel mehr darüber sprechen, was die Bundesrepublik Deutschland alles tut, damit Menschen zu ihrem Recht kommen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Kollegin Caren Lay hat hier für den Bereich des Verbraucherschutzes schon einiges gesagt. Ich kann ihr nur zustimmen: Die Große Koalition tut zu wenig für Verbraucherschutz. Die Linke ist damit nicht einverstanden. Ich bin der Meinung, wir sollten darüber hinaus auch darüber sprechen, welche Sprache unser Recht hat. Denn viele Menschen verstehen schon aufgrund dieser Sprache gar nicht, was eigentlich ihr Recht ist, und kommen damit nicht zu ihrem Recht. Wir sollten darüber sprechen, was diese Bundesrepublik dafür tut, dass sich Menschen ermutigt fühlen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Auch da passiert viel zu wenig. Wir haben Verfahren, die Menschen offensichtlich davon abhalten, einen Rechtsstreit zu führen, um zu ihrem Recht zu kommen. Ich kann Sie alle nur einladen, in meine Sprechstunden zu kommen. Dort würden Sie Schicksale im Zusammenhang mit der Rechtspolitik kennenlernen, bei denen es einem kalt über den Rücken läuft. Wir sollten auch darüber sprechen, was die Bundesrepublik Deutschland tun müsste, damit in der Geschichte begangenes Unrecht aufgearbeitet wird und Menschen, die von diesem Unrecht betroffen waren oder sind, endlich zu ihrem Recht kommen. (Beifall bei der LINKEN) Um es vorwegzunehmen: Auch bei der Aufarbeitung und Beseitigung von Unrecht und von Menschenrechtsverletzungen tut die Große Koalition, tut diese Bundesregierung eindeutig zu wenig. Damit ist meine Fraktion absolut nicht einverstanden. (Beifall bei der LINKEN) Ich will das am Beispiel der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld deutlich machen. Ich habe bereits in den Ausschusssitzungen darauf hingewiesen: Diese Stiftung basiert auf einem historischen Erbe, das Deutschland und insbesondere seine Hauptstadt Berlin einmal groß gemacht hat, nämlich auf der Tätigkeit, der Forschung und den Arbeiten des Berliner Arztes und Sexualforschers Magnus Hirschfeld, der 1918 eine Stiftung mit seinem Namen und 1919 das weltweit erste wissenschaftliche Zentrum für Sexualforschung errichtet hat und dessen Werk, dessen Forschungsergebnisse und dessen Leben von den Nazis zerstört worden sind. Sie zertrümmerten 1933 nicht nur sein Institut, sondern sie verbrannten auch seine Bücher und versuchten, sein Lebenswerk auszulöschen. Sie verschärften 1933 den unsäglichen Strafrechtsparagrafen 175, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte, und verhafteten, kerkerten ein und ermordeten Tausende von schwulen Männern, an die vor allen Dingen Lesben und Schwule in unserem Land alljährlich erinnern. Leider fand das Leid der Homosexuellen auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kein Ende. Die junge Bundesrepublik setzte diesen Paragrafen unverändert fort, und auch in der DDR wurde er - zwar in abgemilderter Form, aber immerhin - fortgesetzt und gesamtdeutsch erst 1994 außer Kraft gesetzt. Dem Unrecht, das auf dem Paragrafen 175 basierte, widmet sich die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die im Jahr 2011 neu gegründet worden ist. Deren Arbeit besteht nicht nur in der Aufarbeitung des Unrechts und in der Wiedergutmachung, sondern auch darin, dass Homophobie aus unserer Gesellschaft verbannt wird. Ich könnte eine Liste von Projekten nennen, aber ich will exemplarisch das Projekt "Fußball für Vielfalt" nennen, mit dem die Stiftung maßgeblich versucht, das Klima in unserem Land zu verändern und Homophobie zu beseitigen. Ich kann dem Bundesjustizminister nur zustimmen, wenn er in seinem Grußwort für den Tätigkeitsbericht 2014 der Bundesstiftung schreibt: Die Bundesstiftung trägt mit ihrer engagierten und vielfältigen Bildungs- und Forschungsarbeit entscheidend dazu bei, an die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in der Vergangenheit zu erinnern und aktuelle Benachteiligungen zu bekämpfen. Aber was um alles in der Welt, Herr Justizminister, hält Sie dann davon ab, sich wenigstens Überlegungen zu öffnen, dass die Arbeit dieser Stiftung auf eine verlässlichere finanzielle Basis gestellt wird? (Beifall bei der LINKEN) Wer die Arbeit einer solchen Stiftung von den schwankenden Erträgen des Finanzmarktes abhängig macht, dem kann ich nur sagen: Ihm fehlt der politische Wille, die Arbeit der Stiftung auf eine verlässliche Basis zu stellen. Damit wird sich die Linke nicht einverstanden erklären. Wir fordern erneut die institutionelle Förderung der Stiftung. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Nächster Redner ist Thomas Strobl, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute kommen wir zur Halbzeit dieser Legislatur zusammen. Wir können auf die Zwischenbilanz der Rechts- und Verbraucherschutzpolitik stolz sein; denn hinter viele Projekte, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden, können wir inzwischen ein Häkchen machen. Jetzt kommt es darauf an, die Marschroute für die zweite Hälfte der Legislaturperiode festzuzurren. Und es ist schon wahr: Diese Überlegungen stehen bei uns allen ganz unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse von Paris. Auch nach zehn Tagen sitzt der Schock noch tief; denn wie schon bei Anschlägen, die es zuvor gegeben hat, wissen wir - das ist klar in unser Bewusstsein eingedrungen -: Das ist kein Anschlag gegen Paris oder gegen Frankreich, sondern das ist ein Anschlag gegen die Art, wie wir leben, gegen unseren freiheitlichen Rechtsstaat, gegen unsere Werte und gegen alle Menschen, die für Demokratie, für Menschenwürde und für Menschlichkeit stehen. Dass wir in Deutschland noch keinen solchen Anschlag beklagen mussten, ist auf die erstklassige Arbeit unserer Sicherheitsbehörden zurückzuführen. Aber wir haben natürlich auch verdammt viel Glück gehabt. Auf das Glück allein dürfen wir es aber nicht ankommen lassen. Die Dschihadisten, der IS, die selbsternannten Gotteskrieger sollten sich nicht täuschen. Wir sind ein liberales Land, wir sind ein tolerantes Land, aber wer sich mit unserem freiheitlichen Staat anlegt, dem sagen wir klar: Wenn ihr uns bekämpft, dann werden wir uns wehren, dann treten wir euch mit aller Härte und mit aller Schärfe entgegen; wir sind eine wehrhafte Demokratie. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben in dieser Legislaturperiode schon viel erreicht. Ich wiederhole das, was der Bundesjustizminister soeben gesagt hat: Wir haben schon vor den Attentaten von Paris das beschlossen, was für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger wichtig ist. Wir haben bereits den Versuch der Ausreise in Kampfgebiete mit terroristischer Absicht unter Strafe gestellt. Damit haben wir schon sehr früh die Möglichkeit, Ausreisen in Kriegsgebiete zu unterbinden. Aktuell werden im Übrigen viele Ermittlungsverfahren wegen genau solcher Straftaten geführt. Außerdem haben wir einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung eingeführt und den Anwendungsbereich erweitert. Wir müssen den Terrorgruppen, so gut es geht, den Geldhahn zudrehen, ihnen den finanziellen Nährboden entziehen. Nicht zuletzt haben wir auch die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt. Die Ermittler bei unseren Sicherheitsbehörden brauchen geeignete Instrumente, um die Täter zu fassen und gegen Terror vorzugehen. Damit haben wir einiges auf den Weg gebracht. Wahr ist aber leider auch: Einen Terroranschlag kann man auch dadurch nicht gänzlich ausschließen. Gleichwohl sollten wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die uns das Strafrecht bietet, wenn es darum geht, gegen terroristische Vereinigungen vorzugehen, und - ich sage es an dieser Stelle noch einmal - wenn es darum geht, ihnen den geistigen Nährboden zu entziehen. In meinen Augen sind wir es auch den Opfern schuldig, unsere Instrumente zur Bekämpfung von Terror immer wieder zu überprüfen und, wenn es sein muss, neu zu justieren - nicht ohne Maß und nicht ohne Plan, aber gewissenhaft, gründlich, mit Verantwortung. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!) - Schön, dass Sie alle auch zu dieser etwas fortgerückten Stunde noch wach und aufmerksam sind. Für mich gilt: Terrorwerbung ist kein Grundrecht. Wer für Terrorvereinigungen wie die Terrormiliz "Islamischer Staat" Sympathie äußert und für sie wirbt, der muss bestraft werden können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Um potenzielle neue Anhänger gerade auch in unserem Land anzusprechen, sind Terrororganisationen zunehmend auch auf den Plattformen Twitter, Facebook und Instagram unterwegs. Dies gilt im Übrigen nicht nur für islamistische Terrorgruppen, sondern in starkem Maße auch für rechtsextreme Gruppen, die auch über das Internet Werbung für ihre kruden Positionen machen. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine ganz neue Erkenntnis!) Die Terrorwerbung ist der geistige Nährboden für terroristische Gewalt. Insbesondere onlineaffine junge Männer werden so direkt und in einer wirklich furchterregenden Art und Weise angesprochen. Sympathiewerbung für terroristische - islamistische wie rechtsextremistische - Vereinigungen ist nichts anderes als Werbung für Terror und Gewalt. Deswegen reicht es, jedenfalls nach meiner Auffassung, nicht aus, auf Vereins- oder Betätigungsverbote nach dem Vereinsgesetz durch den jeweiligen Innenminister zu warten. Es ist unzweifelhaft richtig, dass das vom Innenminister im September 2014 gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" ausgesprochene vereinsrechtliche Betätigungsverbot eine Grundlage bietet - das war eine völlig richtige Entscheidung des Innenministers -; die Werbung für eine solche Organisation ist jedoch mit unserer Werteordnung so absolut unvereinbar, dass sie auch aus sich heraus strafbar sein sollte, auch ohne ein vereinsrechtliches Verbot. Es darf doch keinen Unterschied machen, ob man für den "Islamischen Staat" Werbung macht - das ist strafbar - oder für al-Qaida; das ist nicht strafbar, weil es hier kein Betätigungsverbot gibt. Wer unseren freiheitlichen Staat bekämpft, dem müssen wir so früh wie möglich wehrhaft entgegentreten. Dazu gehört, dass Werbung für terroristische Vereinigungen unter Strafe gestellt wird. Denn damit können wir früh ansetzen und auch dem geistigen Nährboden, der täglich rasend schnell über das Internet verbreitet wird, die Grundlage entziehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Einen Bereich dürfen wir hierbei ebenfalls keinesfalls aus den Augen verlieren: Je mehr Islamisten wir verhaften können, umso größer wird die Herausforderung in unseren Haftanstalten. Klar ist: Wir dürfen diese Menschen nicht einfach nur einsperren und sich selbst überlassen. Damit bleiben sie eine Gefahr für sich selbst und für viele andere. Zudem besteht die Gefahr, dass sie Mithäftlinge in ihre kruden Gedankenwelten mit hineinziehen. Radikalisierungsprozessen müssen wir dort entgegenwirken, wo sie entstehen. Dies ist in den Haftanstalten in starkem Maße der Fall. Hier sind natürlich die Bundesländer in erhöhtem Maße gefragt. Es liegt seit längerem auf der Hand, dass hier sehr große Probleme auf uns zurollen. Denn irgendwann werden die Extremisten wieder aus den Gefängnissen entlassen. Möglicherweise sind sie dann noch mehr radikalisiert, möglicherweise ist es ihnen gelungen, andere, die vorher gar nicht radikal waren, zu radikalisieren. Das ist natürlich eine gefährliche Entwicklung. Deshalb brauchen wir ein umfassendes Konzept sowohl für Prävention als auch gerade für die Arbeit mit radikalen Islamisten in der Haft, um weitere Radikalisierung zu verhindern und Menschen zu schützen. Experten sagen uns: Gerade in der Haft entstehen häufig salafistische Netzwerke, die später genutzt werden. Manche Bundesländer wie etwa Hessen und Bayern haben das frühzeitig erkannt und ein Konzept entwickelt, wie sie damit umgehen. Aus meiner Sicht - darum möchte ich uns alle bitten - sollten wir einen Antiterrorpakt oder eine Allianz gegen den Terror auch im Präventions- und Deradikalisierungsbereich bilden. Herr Bundesminister Maas, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns in diesem Bereich beispielsweise eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einsetzen. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Ländern den außerordentlichen Herausforderungen des extremistischen Islamismus in unseren Gefängnissen tatkräftig und schnell begegnen. Wir brauchen auch hier dringend eine bessere Vernetzung, ein gesamtheitliches Konzept und einen Austausch von gewonnenen Informationen zwischen Bund und Ländern, etwa Informationen aus den beiden genannten Ländern, die hier seit einiger Zeit über Erfahrungen verfügen. Ein erster richtiger Schritt ist hierbei sicherlich die Einrichtung einer neuen Anti-Salafismus-Koordinierungsstelle im Hause von Frau Schwesig. Einen Aspekt möchte ich noch anbringen, nämlich ein Lob für unsere Polizei, für unsere Dienste und für alle, die gerade in diesen Zeiten an vorderster Front für die Sicherheit und die Freiheit in Deutschland stehen. Wir in der Großen Koalition sind es unseren Polizistinnen und Polizisten schuldig, dass wir ihren Einsatz honorieren und ihnen zeigen: Wir stehen hinter euch. Wir wissen, was ihr gerade in dieser Zeit jeden Tag leistet. Wir danken euch herzlich für eure Arbeit, die ihr tagein und tagaus macht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Koalitionsvertrag haben wir im Übrigen noch stehen, dass wir den Schutz von Polizistinnen und Polizisten sowie anderen Einsatzkräften verbessern wollen. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange steht das noch drin?) Niemals war das nötiger als jetzt, sowohl was die Ausbildung und Ausrüstung als auch was den strafrechtlichen Schutz angeht. Wir sollten das zwingend auf unsere To-do-Liste für die zweite Hälfte der Legislaturperiode schreiben und schnell weiter an diesem Thema arbeiten. (Beifall des Abg. Klaus-Dieter Gröhler [CDU/CSU]) Noch ein Gedanke zum Abschluss. Nach Paris und zuletzt auch Mali bin ich noch verärgerter darüber, welch absurde Diskussionen, die jeden Bezug zur Realität verloren haben, in unserem Land in letzter Zeit geführt werden. Unsere Freiheit ist in allererster Linie durch den Terror bedroht und durch nichts anderes. Bedenken der Opposition gegen die Vorratsdatenspeicherung und ihre Kritik an der Arbeit der Geheimdienste sind mir über weite Strecken gerade in dieser Zeit gänzlich unverständlich. (Beifall bei der CDU/CSU) Wer so argumentiert, hat den Schutz der Bürgerinnen und Bürger aus den Augen verloren. Ich jedenfalls möchte, dass jede Bürgerin und jeder Bürger auch in diesem Jahr ohne Angst auf einen Weihnachtsmarkt gehen kann. Dafür müssen wir unsere Sicherheitsbehörden tatsächlich und rechtlich so ausstatten, dass sie uns schützen können. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Strobl, Sie denken an die Zeit, ja? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich rede gleich auch 15 Minuten!) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Das ist keine Scharfmacherei, sondern eine Selbstverständlichkeit in einem freiheitlichen Land. Abschließend: Wir werden die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger so gut, wie es nur irgendwie möglich ist, konsequent schützen und verteidigen. Die Freiheit wird den Terror am Ende des Tages besiegen. Schönen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Nächste Rednerin ist Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich will am Anfang auf das eingehen, worüber auch Herr Strobl gerade geredet hat. Heute ist ja der erste Plenartag nach den Anschlägen in Paris und nach der Verhängung des Ausnahmezustandes dort und in Belgien. Weil ich hier gar nicht die breite Palette der Maßnahmen durchdiskutieren kann - das ist vorhin schon in der Debatte über den Haushalt des Innenministeriums geschehen -, will ich mit einer Bitte an Herrn Maas, den Bundesjustizminister, beginnen: Begeben Sie sich in die Rolle, den sicherheitspolitischen Falken in der Bundesregierung Kontra zu geben! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ei, ei, ei!) Es ist in Deutschland schon lange eine gute Tradition, dass das Justizministerium die sicherheitspolitischen - oder vermeintlich sicherheitspolitischen - Wünsche der Innenpolitiker rechtsstaatlich einhegt. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Sie werden keine Gegensätze aufbauen, wo es bei uns keine Gegensätze gibt!) Ja, Herr Strobl, ich bin schon der Meinung, dass ein Bundesjustizministerium dazu da ist. Das ist gar keine direkte Kritik am Innenministerium; vielleicht ist das auch aus der Aufgabe heraus so gewachsen. Aber das Justizministerium muss sagen, wo die roten Linien gezogen werden und welche Grenzen es gibt, die auch in Zeiten großer Not nicht zu überschreiten sind. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wir überschreiten gar keine Grenzen!) Ich hätte mir das schon bei der Vorratsdatenspeicherung gewünscht, meine Damen und Herren. Ich würde mir das auch nach dem Safe-Harbor-Urteil des Europäischen Gerichtshofs wünschen. Denn ich frage mich, mit was für einem Mandat Herr Juncker und Frau Jurová eigentlich nach Washington reisen, was sie da eigentlich wie verhandeln - außer den Leitsätzen der Gerichtsentscheidung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Sie in die Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung als Begründung gegenüber Brüssel schreiben, man dürfe das alles nur hier speichern, weil es überall sonst nicht sicher sei, dann müssten Sie bei den Safe-Harbor-Verhandlungen jetzt aber auch sagen: "Es wird alles nur hier gespeichert und nicht woanders", wenn Sie sich nicht selber unglaubwürdig machen wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir brauchen schon eine Leitlinie, und wir brauchen ein solches liberales Justizministerium. Ich hoffe, dass Sie bei der Frage: "Wird in Zukunft zielgerichtet gehandelt, oder schaffen wir einfach einen immer größer werdenden europäischen Datenpool und tauschen international aus?", stark bleiben und ein liberales Justizministerium auflegen. Das gilt auch bei der Frage des Einsatzes der Bundeswehr im Innern; dazu haben Sie, Herr Maas, sich gerade schon geäußert. Es geht also um feste Grenzlinien des rechtsstaatlich Möglichen. Das sage ich auch an Herrn Strobl. Herr Strobl, wir brauchen nicht einfach mehr vom Alten und vom Gleichen. Die ganze Situation im Hinblick auf den Terrorismus hat sich verändert, Herr Strobl. Die haben ein Kalifat ausgerufen. Es gibt keine hierarchischen Strukturen, sondern die schlagen zu, wo sie mögen. An dieser Stelle brauchen wir eine gute Analyse, statt einfach zu sagen: Mehr vom Alten, mehr von den alten Ideen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen eine Analyse, wie die Begehungsweisen sind, welche sinnvolle Antwort wir darauf geben können und welche Antwort auch mit Blick auf Polizei und Staatsanwaltschaft Sinn macht. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Jetzt sind wir einmal gespannt!) Ich möchte nicht, dass wir gemäß der alten Idee von Carl Schmitt quasi sagen: "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet." Damit hat er die Weimarer Republik damals ja quasi in den Nationalsozialismus hineinargumentiert. Nein, ich will nicht, dass wir uns immer weiter in einen Ausnahmezustand begeben, sondern dass wir rational analysieren, effiziente Maßnahmen ergreifen und - das ist hier schon einmal gesagt worden - wirklich gezielt für Integration und Prävention sorgen. Ich glaube, niemand von uns hat schon die richtige Lösung dafür, wie es geht. Was ist eigentlich die richtige Antwort für junge Frauen und Männer, die in der Pubertät ihre Bezugsgruppe suchen, damit sie nicht nach Syrien gehen, sondern hierbleiben? Niemand hat das richtige Werkzeug komplett in der Hand, aber wir alle haben die Aufgabe und die Verantwortung gegenüber diesem Land, an dieser Stelle weiter nachzudenken, etwas zu entwickeln und sie nicht alleinzulassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Herr Maas, ich wünsche mir aber nicht nur das, sondern ich wünsche mir auch, dass wir uns hier nicht nur erzählen, wie viel Kleingedrucktes geschrieben wurde und wie viele Gesetze gemacht worden sind. Das sage ich auch zu Herrn Rohde mit "h", wo immer das "h" auch stehen mag, Herr Kollege. Es geht nämlich nicht nur um die Anzahl der Gesetze, sondern auch um die Fragen: Was steht im Gesetz? Sind diese Gesetze praktikabel? Manches Gesetz ist hier nachgebessert worden. Beim Kleinanlegerschutz und anderen Dingen war der Otto Normalverbraucher mit seinen Anlagemöglichkeiten zum Beispiel ein bisschen an den Rand gedrängt worden. Gleichwohl sage ich: Die BaFin hat ein Verbrauchermandat; andere Behörden bräuchten das auch, und ich sehe, dass hier jetzt mehr Geld ausgegeben wurde. Das ist schön, muss sich aber von Jahr zu Jahr weiterentwickeln. Viel von diesem Geld ist jedoch in die Öffentlichkeitsarbeit und nicht in Gutachten investiert worden. Ich will aber auch sagen, dass es Gesetze gibt, bei denen wir noch nicht wissen, ob sie wirken. Ich denke zum Beispiel an die sogenannte Mietpreisbremse. Ich habe erhebliche Zweifel, ob sie wirklich funktioniert und ob die erlassenen Rechtsverordnungen der gerichtlichen Überprüfung standhalten und mit höherrangigem Recht vereinbar sind - schauen Sie sich das einmal an -, weil die Daten nicht erhoben worden sind, Herr Rohde. Ich wünsche mir ein richtiges Engagement für die Verbraucherinnen und Verbraucher - bei TTIP, Herr Minister, und zum Beispiel auch im Bereich Textilien. Im Bereich Textilien geht es nicht nur um Entwicklungshilfe und um freiwillige Regeln, sondern es müsste wirklich europaweit für alle Verbraucher klar sein, wie diese Produkte hergestellt worden sind. Eines Tages müssen wir zu Transparenzrichtlinien auf europäischer Ebene kommen, damit wir wissen, ob zum Beispiel die ILO-Kernarbeitsnormen eingehalten wurden. Zu diesen Herausforderungen sehe ich noch gar keine Vorlage. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Lassen Sie mich zum Schluss einen Gedanken zu VW sagen: Die Vorgänge bei VW nehmen langsam putzige Formen an. (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: "Putzige" ist der falsche Ausdruck!) Wir haben einen Bundesverkehrsminister, der eine Kommission gebildet hat und in einer Art vorkonstitutioneller Anmutung nicht einmal sagt, wer darin ist. Das ist kurios. Daneben gibt es täglich - auch heute wieder - neue Meldungen. Ich wünsche mir einen Bundesminister für Verbraucherschutz, der jetzt, nach zwei Monaten, wirklich die Stimme erhebt und nicht nur sagt, dass alle gleichbehandelt werden. Nein, es muss klar sein, dass VW alle Kundinnen und Kunden so stellt, dass sie keinerlei finanzielle Nachteile erleiden. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Künast. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mein letzter Satz. - Ein vollständiger Ausgleich der Finanzen muss her. Sie müssen dabei an alle Kunden denken, das heißt, nicht nur an die Kunden in den Vertragswerkstätten, sondern auch an die Kunden in den freien Werkstätten. Bei uns mehren sich zum Beispiel die Fragen von denen, die verschiedene Autotypen - darunter auch VWs - verkaufen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Diese lassen Sie alleine. Also: Zur Stärkung des Marktteilnehmers Verbraucher ist noch viel zu tun. Der Erfolg misst sich nicht an der Anzahl der Gesetze, sondern daran, ob sich Ihre Gesetze und ihr engagierter Einsatz im Alltag beweisen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie wirklich darum, Ihre Redezeiten einzuhalten und dass jetzt nicht bei jedem der "letzte Satz" mindestens zwei Seiten lang ist. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe frei geredet!) Wir sind ohnehin schon weit über unsere vereinbarte Redezeit hinaus. Frau Elvira Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion, bitte schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin, das wird immer bei denen gesagt, die von ihrer Redezeit ohnehin schon etwas streichen müssen. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir, die SPD, sind 2013 in den Wahlkampf gezogen, um die Verbraucherpolitik als einen wesentlichen Baustein in einer gerechten und solidarischen Gesellschaftspolitik zu stärken. In den Koalitionsverhandlungen hat sich die SPD dann auch mit sehr wichtigen Forderungen durchgesetzt, nämlich zum Beispiel mit dem Ausbau der Verbraucherforschung, der Einsetzung eines Sachverständigenrates und dem Ausbau der Verbraucherzentralen durch Marktwächter für die Bereiche Finanzen und digitale Welt. Dieser Haushalt zeigt, so finde ich, wie wichtig uns die Verbraucherpolitik ist. (Beifall bei der SPD) Bereits im Entwurf zum Haushalt 2016 waren für diesen Bereich im Einzelplan 07 35,8 Millionen Euro angesetzt. Seitdem Heiko Maas Verbraucherminister ist, haben wir den Bereich Verbraucherpolitik im Bundeshaushalt eindrucksvoll ausgebaut. Ich finde, da kann so mancher in der Opposition neidisch werden. (Beifall bei der SPD - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachdem Sie erst schlecht verhandelt haben!) Wir schaffen mit diesem Haushalt die Voraussetzung, damit viele gute Ideen und Projekte umgesetzt werden. Sie wollen Beispiele? Die Beispiele sind von Herrn Minister Maas wie auch von den Kollegen schon mehrfach genannt worden. Ich spreche von den Marktwächtern, aber auch von dem Sachverständigenrat. Starke und unabhängige Verbraucherorganisationen - auch das ist schon angesprochen worden - sind ein wichtiges Ziel unserer Verbraucherpolitik. Nachdem wir im vergangenen Jahr die Vertretung der deutschen Verbraucherinteressen in Brüssel dauerhaft eingerichtet haben, wird jetzt auch der Verbraucherzentrale Bundesverband in diesem Jahr mit rund 15 neuen Stellen ausgestattet. Das ist seit seiner Gründung der größte Stellenausbau beim vzbv. Diese Stellen sind dringend erforderlich. So kann beispielsweise ein eigenständiges Team Energie eingerichtet und die Rechtsdurchsetzung - auch davon war schon die Rede - bei zweifelhaften Abmahnungen und Klagen gegen unseriöse Anbieter verstärkt werden. Die Stiftung Warentest erhält von uns zusätzliches Stiftungskapital: 10 Millionen Euro 2016, weitere Millionen in den Folgejahren; auch das haben Sie schon mehrfach gehört. Mir ist sehr wichtig - das hatte ich bereits bei der ersten Lesung zu unserem Haushalt betont -, dass in Zeiten starker Zuwanderung neue Projekte und Ideen vonnöten sind, um den Start für Flüchtlinge, für Zugewanderte in den deutschen Alltag zu erleichtern. Die Entscheidung, 500 000 Euro für Verbraucherinformationen für Flüchtlinge zusätzlich zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus die Stellenausstattung beim BMJV zu verbessern, halte ich für sehr gut. Auch wenn diese fünf zusätzlichen Stellen für zwei Jahre befristet eingerichtet werden, glaube ich doch, dass das ein sehr guter Start ist. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, woran sieht man, dass ein Sozialdemokrat Verbraucherminister ist? An diesem Haushalt! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Frau Kollegin. Das war jetzt vorbildlich. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nächste Rednerin ist Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist allgemein bekannt, dass unser Haushalt der kleinste im gesamten Haushalt ist und den höchsten Deckungsgrad aufweist. Wir haben gehört, dass er um etwa 8 Prozent gewachsen ist. All das sind zunächst einmal sehr gute Ausgangsdaten. Ansonsten gibt es nicht so richtig viel Dynamik in diesem Haushalt. Die 10 Millionen Euro on top für die Stiftung Warentest fallen auf. Dass die Stiftung unter dem besonderen Schutz unseres Fraktionsvorsitzenden steht, haben wir gehört. Ich freue mich, dass wir im Bereich Verbraucherschutz auf unseren Vorschlag hin wichtige Gutachten durchgesetzt haben und finanzieren können: eine rechtsvergleichende Studie zum Kaufrecht in Europa, eine Studie zum Datenschutz im Bereich Produktsicherheit, ein Gutachten zur Haftungsverantwortung bei Fahrassistenzsystemen und ein weiteres zur Bedeutung der persönlichen Daten im Zusammenhang mit Versicherungsrecht; wirklich Themen, die für die Zukunft des Verbraucherschutzes eine Rolle spielen. Damit wird der rechtliche Aspekt im Verbraucherschutz wieder zurück ins Ministerium gebracht. Das war der Grund, weshalb wir das Thema Verbraucherschutz ins Justizministerium geholt haben: Wir wollten vor allem diese Themen wieder besonders in den Blick nehmen und zur Grundlage einer guten Verbraucherpolitik machen. In der Rechtspolitik gibt es ansonsten wenig Spektakuläres, vom Etat für Öffentlichkeitsarbeit einmal abgesehen, der sich gegenüber dem ursprünglichen Ansatz bei Amtsübernahme verfünffacht hat. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch komisch! So was kritisieren Sie doch sonst immer!) Daraus dürfen aber heute keine Rückschlüsse auf die Bedeutung der Rechtspolitik gezogen werden. Vielmehr haben wir einen anderen Politikansatz. Für uns geht es eben nicht darum, Geld zu verteilen, sondern darum, gute Gesetze zu machen bzw. gute Regeln auf den Weg zu bringen und dann für die Durchsetzung die passenden Verfahren bereitzustellen. Die Haushaltsdebatte - die Kollegen haben es auch gemacht - bietet eine gute Gelegenheit, einmal über den Tellerrand der Tagespolitik hinauszuschauen. Wenn wir den Blick auf die Rechtspolitik richten, dann ist aus meiner Sicht der Befund, dass wir sehr gute Gesetze und Regeln haben, aber häufig noch an den letzten zwei bis drei Prozent arbeiten, um die Dinge zu optimieren. Zugleich ist aber zu beobachten, dass Akzeptanz und Durchsetzung des Rechts häufig zu wünschen übrig lassen. Das können Sie auf allen Ebenen erkennen, angefangen beim Völkerrecht. Sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten ist da einiges in Unordnung geraten. Das Recht wird nicht mehr automatisch eingehalten. Das geht bis hin zur Ebene der Europäischen Union, wo sich viele Länder nicht mehr an Verträge und Vereinbarungen halten und Solidarität als Einbahnstraße betrachten. Es sind dazu auch einige Beispiele im nationalen Recht zu nennen: wenn Abgasteste nicht mehr ordentlich durchgeführt werden oder aus gutem Grund geheim gehaltene Beratungsunterlagen über den Haushalt veröffentlicht werden. Wir müssen an der Akzeptanz, aber auch an der Durchsetzung des Rechts durch den Staat arbeiten. Es wurde schon auf das Bezug genommen, was wir derzeit in Paris und Brüssel erleben. Wir sehen ganz klar: Der Terrorismus zielt auf unser aller Freiheit. Das ist nicht nur ein Thema der Innenpolitik, sondern dabei handelt es sich auch um einen Angriff auf Grundwerte und Grundrechte bzw. auf unseren Rechtsstaat und unser Leben. Dem muss mit Mitteln des Rechtsstaates begegnet werden. Sicherheit und Freiheit, die manchmal in einen Gegensatz gebracht oder als Zielkonflikt betrachtet werden, sind tatsächlich keine Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig. Wo keine Sicherheit gegeben ist, hat man nämlich nichts von der Freiheit, weil man sie nicht ausüben kann. Selbst derjenige, der um sich keine Angst hat, hat aber Angst um die Menschen, für die er Verantwortung trägt und für die er sorgen muss. Das zeigt uns noch einmal ganz deutlich, von wem die Bedrohung ausgeht und wer für den Schutz verantwortlich ist und für ihn sorgt. Auch zeigt es noch einmal, mit welcher Zielrichtung der Staat Ermittlungen auch im Bereich der Internetkommunikation führen muss. Da geht es um Terrorismus und schwere Kriminalität und nicht um ein paar Netzaktivisten, die alles immer auf sich beziehen und denken, sie seien das Ziel und das Maß der Dinge. Nein, da müssen wir jetzt einmal ganz tapfer sein: Es geht um etwas wirklich Ernstes, um etwas, das uns wirklich bedroht, und nicht um irgendwelche Quisquilien. (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist der Staat, der die Legitimation und auch die Aufgabe hat, seine Bürger zu schützen. Er muss dafür eben auch das Personal und die Ausstattung sowie die passenden Befugnisse haben. Er muss sich dabei sicher im Rahmen der Gesetze bewegen und auch effektiv kontrolliert werden; er muss aber auch in die Lage versetzt werden, das zu tun, was seine Aufgabe ist. Der Staat muss mit dem Gewaltmonopol des Staates agieren und seine Bürger schützen. Deshalb bin ich froh, dass wir das Thema Vorratsdatenspeicherung unter Dach und Fach haben und es jetzt nicht unter dem Eindruck der akuten Anschläge diskutieren müssen. Auch ist es wichtig, dass wir im Strafrecht bereits wesentliche Dinge durchgeführt haben. Wir haben die Terrorismusfinanzierung und die Ausreise in Ausbildungscamps unter Strafe gestellt. Damit sind wir schon ganz gut gerüstet. Eine sinnvolle Ergänzung, die tatsächlich noch fehlt, ist die Strafbarkeit der Sympathiewerbung für Terroristen. Hier sollten wir jede Form der Sympathiewerbung unter Strafe stellen. Das würde auch das Vorgehen gegen die Hassprediger erleichtern. Man müsste dann nicht mehr immer den Straftatbestand der Volksverhetzung - das ist eine deutlich höhere Hürde - nachweisen, sondern es würde dann reichen, wenn im Gesamtkontext einer Rede oder einer Schrift eine Sympathiewerbung zu erkennen ist. Ich weiß wirklich nicht, warum wir hier die Falschen schützen. Das müssen wir mit dem Strafrecht angehen und entsprechende Sanktionen vorschreiben. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte ein Thema ansprechen, an dem im Moment keiner vorbeikommt, und dies nicht nur deshalb, weil wir im Bereich Verbraucherschutz 500 000 Euro für diese Zielgruppe vorgesehen haben. Es geht um die Menschen, die als Flüchtlinge aus anderen Ländern zu uns kommen und häufig ganz andere Erfahrungen mit ihrem Staat, ihrem Gesellschaftssystem und ihrem Rechtssystem gemacht haben. Ich erlebe eine sehr große Bereitschaft, Menschen in Not zu helfen und ihnen die Integration zu ermöglichen. Ich habe in der letzten Wahlkreiswoche einige ermutigende Beispiele erlebt. Es gibt auch viele, die die Chancen sehen, die darin für unser Land liegen. Trotzdem kommt auch immer wieder die Sorge zur Sprache, wie unser Rechtsstaat mit seinen Grundrechten und Gesetzen damit umgehen und sich dabei behaupten kann. Diese Sorge steht bei unseren Bürgern noch mehr im Vordergrund als die Frage nach dem Geld. Letzteres wird nur ganz selten thematisiert. Ich bin mir sicher, dass es für viele Flüchtlinge überhaupt kein Thema ist: Sie möchten sich an die Gesetze des Gastlandes halten und tun das auch sehr gern, weil das ein Teil der Integration ist. Bei all denen, die mit anderen Vorstellungen kommen, müssen wir aber ganz klar darauf bestehen, dass sie sich an unser Recht halten und unser Rechtssystem akzeptieren. Sonst kann eine Integration nicht gelingen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das beginnt bei dem sogenannten Urgrundrecht der Religionsfreiheit, wie Georg Jellinek es einst nannte, und gilt auch für andere Freiheitsrechte und vor allem für das Gleichheitsgrundrecht, der Gleichbehandlung von Mann und Frau. Daraus ergeben sich auch für die Rechtspolitik etliche Aufgaben. Wir müssen uns zum Beispiel fragen: Wie können wir es verhindern, dass Parallelgesellschaften entstehen, in denen eigenes Recht zur Anwendung kommt, das kein Recht in unserem Sinne ist? Wie gehen wir damit um? Wie schaffen wir es, dass gleiche Maßstäbe und unsere Vorstellungen und Werte gelten? Wie gehen wir damit um, wenn wir Burkas im Straßenbild sehen oder wenn es dadurch zu einer offenen Missachtung von Frauen kommt, dass man sich weigert, einer Frau die Hand zu geben? Ich denke, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zur Durchsetzung des Rechts gehört für mich auch, dass es bei der Entscheidung über ein Bleiberecht auch darauf ankommen kann, ob man das Verfahren nach Kräften unterstützt oder ob man schon mit falschen Papieren kommt und als Erstes die Behörden und Gerichte belügt, mit denen man es hier zu tun hat. Die Akzeptanz des Rechts setzt Durchsetzungsstärke des Staates voraus. In diesem Sinne, auf dieser Linie werden wir uns noch einmal die StPO in einigen Punkten genauer anschauen. Wir wollen sie praxistauglicher machen. Es kann nicht angehen, dass zum Beispiel für das Verfahren in Hamburg zu dem Piratenüberfall auf ein Schiff am Horn von Afrika 106 Verhandlungstage gebraucht werden und 4,5 Millionen Euro für die Kosten aufgewendet werden müssen, während ein vergleichbarer Fall in einem französischen Gericht in einer dreiwöchigen Hauptverhandlung abgeschlossen werden kann. Es ist nicht akzeptabel, wenn Täter aus der U-Haft entlassen werden müssen und Verjährung eintritt, weil die Gerichte nicht rechtzeitig dazu kommen, sich um die Fälle zu kümmern, obwohl wir in Deutschland weltweit die höchste Richterdichte haben. Das ist keine Frage von zu wenig Personal, sondern das sind selbstgemachte Probleme im Verfahren. Das müssen wir angehen, mit dem klaren Ziel, den Aufwand zu verringern und zu praktikableren Ergebnissen zu kommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen die Gewinnabschöpfung verbessern. Ausreden und Vermögensverschiebungen dürfen nicht mehr dazu führen, dass Täter in den Genuss ihres schlimmen Tuns kommen und das Geld behalten können. Auch das werden wir in Kürze angehen. Dem Anliegen der Justiz und damit der Durchsetzung des Rechts dienen auch fünf weitere Bundesrichterstellen beim Bundesgerichtshof entsprechend der Wunschliste der BGH-Präsidentin. Zwar wäre aus meiner Sicht die Ausgestaltung einer der zusätzlichen Stellen als Vorsitzendenstelle und die Einrichtung eines neuen Senats ratsam gewesen; denn nur mit zusätzlichen Beisitzern wird der Arbeitsstau auf der Vorsitzendenebene nicht weniger. Aber das war nicht gewünscht, und dann gilt eben der Grundsatz "ne ultra petita". Damit sollte die Zusatzbelastung durch die Nichtzulassungsbeschwerden aufzuarbeiten sein. Weitere Entlastungen durch Einschränkungen des Rechtsschutzes sind da nicht mehr angezeigt. Ich möchte unter der Überschrift "Akzeptanz des Rechts" noch ganz kurz auf einen weiteren Punkt eingehen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Aber wirklich kurz, Frau Kollegin Winkelmeier-Becker. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Bei den Syndikusanwälten sind wir mit einer Rechtsprechung konfrontiert, die keine Akzeptanz gefunden hat. Aber gerade durch die Arbeit der Syndikusanwälte werden die Akzeptanz des Rechts und seine Durchsetzung gestärkt. Hier hakt es noch an einer Stelle. Wir wollen dafür sorgen - das ist ganz klar unsere Position -, dass die ursprüngliche Syndikusarbeit wie bisher nicht einer Haftungs- und einer Versicherungspflicht unterliegt. (Beifall bei der CDU/CSU - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Man kann sich doch nicht nur die schöne Rente aussuchen!) Soweit aus dem Kreis der Betroffenen gesagt wird, dass das sein müsse, ist klar - wenn man das hinterfragt -, dass es um einen Wettbewerbsvorteil geht und nicht um ungedeckte Haftungsrisiken. Da werden unrichtige Argumente vorgeschoben. Wir werden an dieser Stelle am Ende eine gute Lösung bekommen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rosinenpicken, das geht nicht!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Jetzt kommen Sie aber bitte zum Schluss. Sonst geht es zulasten des Kollegen Frieser. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Nächster Redner ist Metin Hakverdi, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Metin Hakverdi (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Lieber Kollege Strobl, gleich zu Ihnen, und zwar durchaus freundschaftlich und kollegial. Wir wissen, dass ein Ort der Radikalisierung die Gefängnisse sind. Wir müssen sicherlich noch mehr tun, um straffällig gewordene junge Menschen zurückzugewinnen. Wir lassen aber die Länder dabei nicht allein; Ihr Punkt ist absolut richtig. Noch in dieser Woche wird es ein Treffen zwischen den Fachleuten innerhalb des Justizministeriums geben. Mir war es wert, das Ihnen noch mit auf den Weg zu geben. Sie haben vollkommen recht, dass wir das nicht allein dem Ländervollzug überlassen dürfen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zweite und dritte Lesung bietet traditionell eine gute Gelegenheit, den Menschen zu danken, die an diesem Haushaltsentwurf mitgearbeitet haben. Einige sind heute schon genannt worden. Ich schließe mich diesen Danksagungen an. Gestatten Sie es mir an dieser Stelle, mich noch einmal besonders bei Dennis Rohde zu bedanken. Vielen Dank, Dennis! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Einzelplan 07, der Haushalt des Justizministeriums, stellt, gemessen an der Gesamtsumme aller Bundesministerien, den kleinsten Einzeletat dar. Von den insgesamt 316 Milliarden Euro entfällt weniger als 1 Milliarde Euro auf diese Position. Das macht die Aufgaben, die mit diesem Etat erledigt werden, nicht weniger wichtig. Auch in einem solch kleinen Etat kann man durchaus Schwerpunkte setzen. Ein Schwerpunkt ist der Verbraucherschutz. Zur Halbzeit dieser Legislaturperiode lassen Sie mich feststellen: Mit Heiko Maas haben wir endlich einen Minister, der die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich stärken will. Vielen Dank, Herr Minister! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Mittel für den Verbraucherschutz steigen auf 35 Millionen Euro. Seit 2014 bedeutet das einen Anstieg von über 40 Prozent. Knapp die Hälfte der Mittel soll in die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher fließen. Die Komplexität der Rechtsverhältnisse, mit denen es die Menschen heute zu tun haben, hat deutlich zugenommen. Ich bin überzeugt, dass der Staat in der Pflicht ist, die Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Markt zu schützen. Wir haben mit den Marktwächtern für Digitales und Finanzen ein wichtiges und richtiges Instrument geschaffen. Das Informieren der Verbraucherinnen und Verbraucher ist ebenfalls sehr wichtig. Für diesen Bereich Geld auszugeben, ist gut angelegtes Geld. Der Ausbau des Verbraucherschutzes muss aber weitergehen. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Unterlassungsklagegesetzes stellt aus meiner Sicht einen wichtigen Baustein dar. Deshalb will ich meinen Appell an die Kolleginnen und Kollegen von der Union hier erneuern: Bitte geben Sie sich einen Ruck, damit wir in diesem Punkt endlich zu einem Gesetz kommen. - Ein weiteres wichtiges Gesetzesvorhaben stellt aus meiner Sicht die Musterfeststellungsklage dar. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja, schön!) Wir haben über diese bereits gesprochen. Wir freuen uns auf den Entwurf des Ministeriums. (Beifall bei der SPD) Der zweite Schwerpunkt, der in diesem Etat gesetzt wird, betrifft aus meiner Sicht die Stärkung des Rechtsstaates. Unsere höchsten Gerichte werden personell gestärkt. Am Bundesgerichtshof werden Stellen für zwei Ermittlungsrichter bzw. -richterinnen geschaffen. Ferner findet weiterer Personalaufwuchs bei der Bundesanwaltschaft statt. Wir stärken unsere Justizorgane für eine wirksame Bekämpfung der Gefahren, die vom islamistischen Terrorismus und von Rechtsradikalen ausgehen. Es ist der Rechtsstaat, der auch in Zukunft eine ausgewogene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit garantieren muss. Unsere Antwort auf die gewachsene Bedrohung durch Rechtsradikale und durch islamistischen Terrorismus muss deshalb lauten: mehr Rechtsstaat. Genau das tun wir, wenn wir unsere Gerichte und Ermittlungsapparate stärken. Die Debatte über den Justizhaushalt ist aber auch eine gute Gelegenheit, um Anliegen hinsichtlich bevorstehender Gesetzesvorhaben anzusprechen. Mein persönliches Anliegen ist das Thema "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Es geht um die Forderung, dass bei gleicher Arbeit kein Lohnunterschied zwischen Leiharbeitern und Stammbelegschaft gemacht werden darf. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen müssen. Es ist unmöglich, den Menschen in diesem Land zu erklären, warum der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" nicht gelten soll. (Beifall bei der SPD) Wir werden hier gesetzlich handeln müssen, um Gerechtigkeit herzustellen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wettert nun gegen diese Absicht. Es finde ein Angriff auf die Tarifautonomie statt. Liebe BDA, warum sind Sie gegen dieses Prinzip? Warum sind Sie mit uns Sozialdemokraten nicht einer Meinung, dass dieser Zustand ungerecht ist und deshalb abgeschafft gehört? Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns nichts vor: Der Verweis auf die Tarifautonomie wird von der BDA vorgeschoben, um an dieser ungerechten Praxis festzuhalten. All denen, die den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet sehen, sage ich: Unser Land ist zur wirtschaftlichen Prosperität nicht durch Leiharbeit gelangt. (Beifall bei der SPD) Das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gilt derzeit ebenfalls nicht zwischen den Geschlechtern. Warum Frauen bei gleicher Arbeit und Leistung weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen, ist nicht erklärbar. Offensichtlich ist der Arbeitsmarkt nicht in der Lage, diese Ungerechtigkeit aus eigener Kraft zu beseitigen. Auch diese Ungerechtigkeit gehört abgeschafft. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der Kollege Michael Frieser, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Frieser (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über einen Haushalt nach zwei Jahren ist immer eine Zwischenbilanz; Kollege Strobl hat darauf hingewiesen. Jetzt haben wir aber die Grenzen dieser Zwischenbilanz über die Rechtspolitik schon sehr weit ausgedehnt. Der letzte Beitrag, Herr Kollege, war schon sehr weit vom Justizhaushalt entfernt. Aber auch das gehört dazu; denn das zeigt die Tragkraft und die Auswirkungen, die von der Rechtspolitik ausgehen. Wenn es schon sonst keiner in diesem Haus tut, dann machen wir es eben: Wir loben die Koalition dafür, was sie alles von ihrem Koalitionsvertrag abgearbeitet hat. Das kann sich - so möchte ich die Debatte abschließen - wirklich sehen lassen. Der Koalitionsvertrag ist ein interessantes Programm. Wir sind weit über das hinausgegangen, was sich manche Vorgängerregierungen auf ihr Panier geschrieben haben, und haben unser Programm trotzdem geschafft. Ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Es wird Sie nicht wundern, dass auch ich mit dem Thema Terror anfangen muss. Wir haben es oftmals gehört: Wir haben unsere Hausaufgaben zumindest zum Teil erledigt. Wenn es um die Reisetätigkeit von Gefährdern geht, wenn es um die Frage der Höchstspeicherfristen geht, dann darf man allerdings auch darauf hinweisen, dass sich die Tauglichkeit unserer Instrumente beim Kampf gegen den Terror erst noch erweisen muss. Wir werden daran gemessen werden, ob sich diese einschneidenden Maßnahmen, die sich der Rechtsstaat nach langen Diskussionen regelrecht herauspresst, letztlich so abschleifen, dass sie ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erreichen können. Wir haben beim Thema der Terrorismusfinanzierung ein gutes Stück unserer Vorhaben erledigt. Wir hören allerdings, dass im Augenblick erst um die 5 000 Euro tatsächlich eingefroren worden sind. Auch hier geht es also darum, dass wir bei der Frage der Vermögensabschöpfung im Zusammenhang mit der Terrorismusfinanzierung ein gutes Stück weiterkommen. Ja, als medienaffine Politiker haben wir gelernt, dass man bestimmte Aussagen mindestens fünfmal machen muss, damit sie überhaupt draußen ankommen. Deshalb sage ich: Sympathiewerbung ist und bleibt ein Dauerbrenner. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben uns ein bisschen um das Thema herumgemogelt. Jetzt kann ich als Bayer - ich bin zwar ein Franke, aber ein Bayer - mit Stolz sagen: Das Netzwerk gegen Salafismus, das ein Zusammenschluss vieler verschiedener Ressorts in Bayern ist, zeigt, dass es ganz wichtig ist, bei der Frage der Werbung und der Öffentlichkeitsarbeit anzufangen. Wir müssen deutlich machen: Wer Werbung für eine solche Art von Krieg und für Terror macht, der muss den Rechtsstaat spüren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ganz ehrlich, da ist mir keine Koalition zu fies. Wenn Anonymus tatsächlich der Meinung ist, diese Seiten lahmlegen zu können: Her damit; dann zeigt einmal, was ihr könnt. Vielleicht funktioniert das tatsächlich. Dadurch sollen ungewöhnliche Maßnahmen nicht außen vor gelassen werden können. Ich sage auch: Wir in diesem Haus haben einen rechtsstaatlichen Auftrag zu erfüllen. Artikel 26 des Grundgesetzes gibt uns den Auftrag - brandaktuell, obwohl aus den Gründungstagen dieser Republik stammend -, denjenigen, der etwas unternimmt, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, denjenigen, der einen Angriffskrieg mit vorbereitet, mit Strafe zu bedrohen. Da hinken wir ein gutes Stück hinterher. Genau in diese Kerbe schlägt die Aussage: Wenn wir das friedliche Zusammenleben auf dieser Welt als wichtig erachten, dann müssen wir die, die dies von diesem Land aus gefährden, mit Strafe bedrohen. Thema Asylverfahren - da will ich schon ein Lob loswerden -: Natürlich unterliegt dies eigentlich der Kompetenz des Innenressorts. Natürlich tun die Innenpolitiker alles, um in dieser Frage voranzukommen. Aber gerade die Rechtspolitik mit der Kreativität der Juristen ist aufgefordert, da Beihilfe zu leisten und tatsächlich deutlich zu machen, an welchen Stellen wir agieren müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das haben wir auch wirklich weidlich getan. Glaubwürdigkeit bei den Bürgern gewinnen wir nur dann, wenn wir deutlich machen, dass die Rechtspolitik geeignet ist, einen entscheidenden Beitrag zu leisten, wenn es um die Frage der Asylverfahrensvereinfachung und der Asylverfahrensbeschleunigung geht. Der Stellenaufwuchs im Justizministerium ist dazu geeignet. Es reicht nicht, die Anzahl der Stellen im BAMF zu erhöhen. Wir haben es schon gehört: Es geht um die Richterstellen. Das Ganze geht hinunter bis in die Kommunen, wo die Anzahl der Stellen dieser Herausforderung angepasst werden muss. Deswegen muss man deutlich sagen: Es ist gut und wichtig, dass in der Rechtspolitik findige, kreative Juristen am Werk sind, die hier ihren Beitrag leisten können. Ich will noch zwei Themen kurz und sachlich ansprechen, bei denen sich der ursprüngliche und der jetzt vorliegende Haushaltsentwurf etwas unterscheiden. Ganz wichtig ist uns das Thema Onlineverträge, gerade im Lichte - ich fasse es etwas zusammen - der Fortschreibung des europäischen Kaufrechtes. Ich wiederhole: Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wir wissen, dass wir beim Umgang mit digitalem Nachlass, beim Weiterkauf von Software wirklich einiges aufholen müssen. Wir wissen, dass unser im BGB und im AGB-Recht verankertes Regelwerk gerade in diesen Angelegenheiten nicht unbedingt passgenau ist. Wer eine CD-Sammlung weitergibt oder vererbt, hat keine Probleme. Aber beim Weiterverkauf oder bei der Weitergabe von Mediatheken wird es ganz besonders schwierig. Das passt nicht ganz zusammen. Da sind wir sicherlich aufgerufen, noch etwas zu ändern. Ähnliches gilt beim Urheberrecht. Da geht es nicht nur um die Umsetzung der jetzigen Richtlinie, sondern auch darum, die Kreativität nicht zu ersticken, den Erfindergeist nicht abzutöten, ihn nicht der Marktmacht preiszugeben und dennoch den Bedürfnissen der Informationsgesellschaft zu genügen. An der Bewältigung dieser Herausforderung arbeiten wir schon Jahre. Die Rechtspolitik muss beweisen, dass sie in der Lage ist, dem auch Folge zu leisten. Insofern kann ich guten Gewissens sagen: Ja, die Arbeit dieser Koalition kann sich zur Halbzeit dieser Legislaturperiode sehen lassen. Der Haushalt des Justizministeriums, Herr Minister, und aller anderen Ressorts versetzt nicht nur in die Lage, eine leistungsfähige Justiz zu haben, sondern auch dazu, eine lösungsorientierte Rechtspolitik zu betreiben. Daher wäre es angebracht, dass nicht nur die Koalition, sondern auch andere in diesem Haus diesem Haushalt zustimmen. Aber ich gebe mich nicht der irrigen Annahme hin, dass das Abstimmungsverhalten durch diese Debatte wesentlich geändert wird. Zumindest die Koalition kann sehr stolz sein, und sie kann durchaus sagen, dass dieser Justizhaushalt auf jeden Fall in der Lage ist, für die nächsten beiden Jahre eine tragfähige Grundlage zu schaffen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ein schöner Abschluss!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Damit sind wir am Ende der Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 07 - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/6767? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir stimmen nun über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen. Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt I.8 auf: Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/6124, 18/6125 Die Berichterstattung zu diesem Geschäftsbereich haben die Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Anette Hübinger, Roland Claus und Ekin Deligöz. Zu dem Einzelplan 30 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen, und das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bildung und Forschung sind für das Parlament von zentralem Interesse; hier wird schließlich über Zukunftsthemen entschieden, und deshalb haben wir bei der Beratung dieses Etats im Haushaltsausschuss und in anderen Ausschüssen die Einzelposten besonders gründlich überprüft. Diese Methode werden wir auch nach Beschlussfassung über den Etat fortsetzen. Das will ich hier schon mal kundtun, weil die Ministerin sich von uns zuweilen überkontrolliert fühlt; aber das ist nun mal unsere Aufgabe. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - René Röspel [SPD]: So ein Anfang ist immer gut für eine Rede!) Frau Bundesministerin Wanka wird nachher gewiss verkünden, wie viel mehr Geld sie zur Verfügung hat. Ich glaube, da sagt sie nichts Falsches. Ich muss Sie aber daran erinnern, Frau Ministerin, dass Sie die Kritik des Bundesrechnungshofs wegen mangelnder Erfolgskontrolle in Ihrem Etat nicht schlicht und einfach aussitzen können. Wir haben dazu in der ersten Lesung eine Reihe von Beispielen vorgetragen. Ich will die gar nicht wiederholen; dafür ist die Liste der Kritik auch viel zu lang. Nur ein Beispiel aus dem Bericht des Rechnungshofs will ich bringen. Dort heißt es: Nahezu grotesk erscheint die Tatsache, dass das Ministerium Erfolgskontrollen bei der Projektförderung daran scheitern lässt, dass deren Ziele nicht ausreichend definiert werden. - Das heißt, es gibt Zuwendungen ohne Kriterien. Etwas vereinfacht heißt es im Volksmund: Man bildet sich eine Philosophie nach der Art: Die Karte ist richtig, nur die Gegend ist falsch. - So geht es aber nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden dieser Kritik des Hofes und der Kritik aus der Opposition weiter nachgehen, und wir werden auch nicht müde werden, hier eine ganze Reihe von Veränderungsvorschlägen einzubringen; dazu kommen wir dann noch im Einzelnen. Nun hat das Bundesministerium sich kreativerweise ein eigenes Gutachten zur Evaluierung der Hightech-Strategie bestellt. Es wurde von einer Expertenkommission Forschung und Innovation erstellt, die als Abkürzung den schönen Namen EFI trägt. Man höre und staune: Diese Expertenkommission bescheinigt dem Bundesministerium gute Arbeit. Daran haben namhafte Professoren mitgewirkt, deren Kompetenz ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen will. Nur das eine ist verwunderlich: Bis auf zwei Kolleginnen und Kollegen aus Zürich handelt es sich um Professores von Zuwendungsempfängern des Ministeriums - von Zuwendungsempfängern! Das macht uns dann schon stutzig, Frau Ministerin. Das lassen wir so auch nicht durchgehen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zunehmend müssen wir im Haushaltsausschuss, auch wenn es um die Verflechtung von mehreren Einzelplänen geht, recht dubiose Praktiken der Förderung durch verschiedene Bundesministerien feststellen. Es gibt zum Teil auch Projekte mit hohen militärischen Anteilen, die aus mehreren Häusern gefördert werden. Ein Beispiel: TanDEM-X soll ein dreidimensionales Satelliten-Beobachtungssystem werden, das von einem namhaften Flugzeugbauer und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt wurde. So weit plausibel. Das Kuriose aber ist nun: Das Bundesministerium der Verteidigung kauft von dem Flugzeugbauer und dem Zentrum ein Produkt, das zuvor vom Bundeswirtschaftsministerium und vom Bildungs- und Forschungsministerium subventioniert wurde. Ja - muss man fragen -, geht das noch? Das kann doch so nicht hingenommen werden. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Linke hat in die Haushaltsberatungen unter anderem einen Vorschlag zur Unterstützung von Fachhochschulen - ich sage einmal - in förderbedürftigen Regionen eingebracht; das klingt ein bisschen netter als "in strukturschwachen Regionen". Die Fachhochschulen bekommen natürlich von dem großen Kuchen dieses Ministeriums recht viel ab. Aber wir haben festgestellt, auch vergleichsweise kleine Hochschulen können in solchen strukturschwachen Regionen als Impulsgeber enorm wichtige Aufgaben lösen. (Beifall bei der LINKEN) Ich nehme nur einmal zwei Standorte. Das ist die Hochschule in Mittweida in Sachsen, und das ist die Hochschule in Köthen in Sachsen-Anhalt. Nun wissen wir, dass deren Grundfinanzierung bekanntlich Sache der Länder ist. Aber Anschubfinanzierung im Sinne von wichtigen Zukunftsinvestitionen wäre ein interessanter Weg. Wir werden Ihnen dazu in Kürze einen Antrag vorlegen. Nach wie vor nicht gelöst ist das Problem der befristeten Arbeitsverträge von Akademikerinnen und Akademikern. Wir halten das nach wie vor für einen Skandal. (Beifall bei der LINKEN) Es ist im Verlauf der Beratungen heute schon gefeiert worden, dass die Zahl der geschlossenen Arbeitsverträge noch nie so hoch war. Aber, meine Damen und Herren, was hilft es einem 40-jährigen Forscher, wenn er in fünf Jahren vier solcher Arbeitsverträge hat? Das ist doch keine vernünftige Politik, um Zukunftsfähigkeit sicherzustellen. (Beifall bei der LINKEN) Nun wurde auf diesen Vorwurf in der ersten Beratung des Haushalts hier vonseiten der Koalition reagiert. Mir wurde vorgeworfen, ich hätte quasi den Schuss nicht gehört. Mit dem wunderbaren Konstrukt des Wissenschaftszeitvertragsänderungsgesetzes würde dieses Problem jetzt gelöst. Mit diesem Gesetz, so wie es jetzt ist, wird das Problem zwar beschrieben, aber gelöst wird leider nichts. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wären Sie mal zur Anhörung gekommen, dann wüssten Sie es besser!) - Ich habe im Moment keinen Mangel an Anhörungen; das kann ich Ihnen versprechen, und wir kommen auch mit den Themen hinterher. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Aber bei der Anhörung zu diesem Gesetz waren Sie nicht und sagen hier etwas, was nicht stimmt!) Der Bildungszustand der Nation ist insgesamt unbefriedigend. Das hat mit dem Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung zu tun. Wir haben es mit einer chronischen Unterfinanzierung der Schulbildung in den Ländern zu tun. Auch das müssten wir ändern. Nehmen Sie unseren Vorschlag an, eine Vermögensteuer einzuführen. Das ist eine Steuer, die im Wesentlichen den Bundesländern zugutekommt. Dann könnten wir wieder eine vernünftige Schulbildung machen. Das wäre in dieser Republik nötig. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Nächste Rednerin ist Anette Hübinger, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Anette Hübinger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In politisch schwierigen und die Gesellschaft sehr fordernden Zeiten ist es uns wieder gelungen, einen Haushalt ohne Neuverschuldung aufzustellen. Gelungen ist uns das insbesondere, weil wir aus dem Haushaltsjahr 2015 gut 6 Milliarden Euro in das Jahr 2016 übertragen können, wodurch uns die Möglichkeit eingeräumt ist, den gebotenen Aufgaben Rechnung zu tragen. Seit der Aufstellung des Haushaltsentwurfs sind fast sechs Monate vergangen. In diesen Monaten - bis heute - haben sehr viele Menschen bei uns Zuflucht vor Terror und Gewalt in ihren Ländern gesucht. Diesen und anderen Herausforderungen Rechnung tragend, haben wir den Haushalt 2016 im Haushaltsverfahren angepasst und - wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist - die Priorität für Bildung und Forschung weiter gestärkt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dem Ministerium für Bildung und Forschung räumen wir die notwendigen Handlungsoptionen ein, den neuen bildungspolitischen Aufgaben gegenüber den jungen Menschen, die zu uns kommen, gerecht zu werden, ohne dabei eine solide Gegenfinanzierung aus dem Auge zu verlieren. In der Bereinigungssitzung hat der Haushaltsausschuss den vorgelegten Regierungsentwurf des Einzelplans 30 mit einer Rekordsumme von 16,4 Milliarden Euro nochmals um rund 500 Millionen bei den Programmmitteln erhöht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Weichenstellung für zukünftige Generationen in einem Deutschland, das sich vor gesellschaftlichen Herausforderungen und Veränderungen in einer globalisierten Welt nicht verstecken kann und auch nicht verstecken will. Für die Finanzierung von Bildungsmaßnahmen für Flüchtlinge verwendet das Ministerium für Bildung und Forschung zum einen Ausgabereste, zum anderen werden Mittel in Höhe von 27 Millionen Euro umgeschichtet und zusätzlich 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Ministerium knüpft neben Sprachkursen in der Projektausgestaltung an Bewährtes wie zum Beispiel Potenzialanalyse, Lernbegleiter, Bildungsketten, das Programm "Kultur macht stark" an und macht all das jungen Flüchtlingen zugänglich. Des Weiteren wird ein Schwerpunkt auf die berufliche Bildung von Flüchtlingen im Alter zwischen 18 und 25 Jahre gelegt. In Kooperation mit den überbetrieblichen Bildungsstätten und den Handwerkskammern soll ein Zugang zur Ausbildung geschaffen werden. Die akademische Ausbildung wird in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst gestärkt. Wir stärken zum Beispiel die Studienberatung und bauen die zur Verfügung stehenden Plätze in den Studienkollegs weiter aus. Wir würden aber unseren Aufgaben nicht gerecht, wenn wir den Bildungs- und Forschungshaushalt nur an den gesellschaftlich wichtigen Aufgaben der Bildung und Ausbildung von Flüchtlingen ausrichten würden. Vielmehr ist es erforderlich, dass wir die neuen und die bereits vorhandenen Angebote im Bereich Bildung, die sich an alle jungen Menschen in Deutschland richten, miteinander verzahnen, um so zu einer besseren Integration beizutragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Daher fördern wir in der frühkindlichen Bildung im MINT-Bereich die Stiftung "Haus der kleinen Forscher" mit weiteren 550 000 Euro und heben bei der Alphabetisierung den Titelansatz noch einmal um 3 Millionen Euro an. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ein klarer Schwerpunkt dieses Haushaltes ist die Stärkung der dualen Berufsausbildung. Das spiegelt sich in der Förderung der beruflichen Aufstiegsförderung, die wir um 14 Millionen Euro anheben, wider. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Damit tragen wir dem politischen Willen der Koalition Rechnung, beim Meister-BAföG den Basisunterhaltsbeitrag, den Maßnahmebeitrag und den sogenannten Erfolgsbonus zu erhöhen, und entlasten damit zukünftige Meister finanziell erheblich. Das ist ein klares Signal dafür, dass uns die für Deutschland so wichtigen typischen Handwerksberufe sehr am Herzen liegen und wir Karrierewege fördern wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber auch bei der akademischen Ausbildung haben wir im Haushaltsverfahren nachgesteuert. Ein wichtiges Zeichen setzen wir durch die Anhebung des Titels für die Begabtenförderungswerke um 4,5 Millionen Euro. Mit dieser Anhebung werden diese in die Lage versetzt, ihre Promotionsstipendien auf das finanzielle Niveau der Stipendien von außeruniversitären Einrichtungen anzuheben. Wir wertschätzen damit die engagierte Arbeit der Begabtenförderungswerke wie auch das gesellschaftliche Engagement der hervorragenden Stipendiatinnen und Stipendiaten, das Voraussetzung zur Erlangung eines Stipendiums ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt, aber auch im Privatbereich kommen in rasantem Tempo immer neue Möglichkeiten, aber auch Risiken auf uns zu. Hier hat das Ministerium für Bildung und Forschung wichtige Steuerungsfunktionen übernommen, deren Umsetzung wir unter anderem mit neuen Personalstellen stützen. Zudem werden der Fraunhofer-Gesellschaft für die Ausbildung von IT-Sicherheitsexperten an Fachhochschulen 6 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Deutschlands Erfolge und wirtschaftliches Fortkommen sind eng verbunden mit exzellenter Forschung und deren Vernetzung weltweit. Diese Netzwerke müssen früh geknüpft und gepflegt werden. Ein Garant hierfür sind der Deutsche Akademische Austauschdienst und die von-Humboldt-Stiftungen. Daher stellen wir ihnen für diese wichtigen Aufgaben zusätzliche Mittel zur Verfügung und stärken darüber hinaus im Bereich des europäischen Forschungsraums mit weiteren 2,5 Millionen Euro die Stellung Deutschlands. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD]) Die Innovationsförderung in den neuen Ländern erfährt einen Aufwuchs von 10 Millionen Euro. Diesen Aufwuchs verknüpfen wir mit einer Weiterentwicklung und Durchführung von Pilotmaßnahmen im Bereich "Unternehmen Region" zu einem deutschlandweiten Innovationskonzept Strukturwandel. Somit profitieren strukturschwache Regionen in ganz Deutschland - das sage ich als Saarländerin: auch das Saarland - künftig von den bereits gewonnenen Erkenntnissen in den neuen Bundesländern und zugleich von dem neuen Innovationsförderungskonzept. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD]) Besonders freut mich, dass die Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsforschung mit besonderem Augenmerk auf Produktentwicklungspartnerschaften, die der Bekämpfung von vernachlässigten armutsassoziierten Krankheiten dienen, gestärkt wurden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die Ausschreibung für eine zweite Förderrunde wurde im Oktober eröffnet mit einer Verdoppelung der Mittel auf circa 50 Millionen Euro über die gesamte Förderperiode. Zum anderen wurden die thematischen Einschränkungen der ersten Förderperiode aufgehoben. Deutschland geht hier einen weiteren Schritt nach vorne in der Übernahme seiner Verantwortung für die weltweite Gesundheit. Trotz der umfassenden Aufgabenfelder, die im Bildungs- und Forschungshaushalt gebündelt sind, und trotz der Priorität für Bildung und Forschung leistet dieser Bereich seinen finanziellen Beitrag zur Bewältigung der derzeitigen großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die globale Minderausgabe wurde um 50 Millionen Euro erhöht. Das heißt, im Haushaltsjahr muss dieser Betrag erwirtschaftet werden. Unserer Meinung nach ist das bei einer Gesamtsumme von 16,4 Milliarden Euro verkraftbar, zumal die globale Minderausgabe im kommenden Haushalt fast 200 Millionen Euro unter der dieses Jahres liegt. Alles in allem gehen wir im Bereich Bildung und Forschung gut aufgestellt in das neue Jahr. Daran haben viele mitgewirkt. Ich bedanke mich bei Ministerin Wanka, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, des Ausschusses und unserer Arbeitsgruppen, bei meinen Kollegen und Kolleginnen Mitberichterstatter für die gute Zusammenarbeit und natürlich besonders bei unserem Hauptberichterstatter Swen Schulz für die gute Koordination unserer Arbeit. Herzlichen Dank für das Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. - Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Ekin Deligöz. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, dem Dank an die Berichterstatter schließe ich mich natürlich an. Es war tatsächlich ein sehr gutes und intensives Zusammenarbeiten. Der Etat für Bildung und Forschung steigt. Aber auch die Anforderungen an diesen Etat steigen. Mein Kollege Roland Claus hat es bereits gesagt: Die Ausgaben in diesem Ressort sind für die Aufgaben auf dem Weg in die Zukunft. Deshalb haben sie auch diese Bedeutung. Umso wichtiger ist es auch, dass das Geld an der richtigen Stelle eingesetzt wird. (Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Frau Ministerin, ich will Ihnen in meiner Rede einige Beispiele nennen, wo ich in Ihrem Etat Handlungsbedarf sehe, wo das sehr deutlich wird und wo ich am Ende etwas enttäuscht bin. Erstes Thema: Flüchtlinge. Menschen kommen momentan nach Deutschland, sie fliehen vor Krieg und Terror. Sie finden den Weg zu uns, und sie werden bleiben. Ja, es ist eine große Herausforderung, sie zu integrieren. Bildung bildet hier eine absolute Schlüsselfunktion. Anhand von guten Bildungs-, Fortbildungs- und Qualifizierungsstrukturen wird es sich entscheiden, ob diese Menschen einen Job finden, ob sie einen Platz in der Gesellschaft finden, ob sie ihre Existenz sichern können, ob sie eine Perspektive haben, ob ihre Kinder auf der Strecke bleiben oder eine Chance bekommen. Bildung ist der Schlüssel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit Verlaub, eine Lese-App für Kinder und für Ehrenamtliche mag eine gute Sache sein. Aber sie ersetzt keine Lehrerin, keinen Lehrer, keinen Sozialpädagogen, keinen Erzieher. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist zu wenig. Ich hätte gern gesehen, dass Sie für eine Bildungsoffensive in diesem Land kämpfen. Das fordern wir von Ihnen: zehn Jahre lang Investitionen von 1 Milliarde Euro jährlich in die Schulen, in die Kindergärten, in die Ausbildung von Erzieherinnen und Sozialpädagogen. Diese Investitionen hätten dazu beigetragen, die Integration und das Erlernen der Sprache voranzubringen. Das wäre eine echte Investition in die Menschen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich halte es in diesem Zusammenhang für falsch, dass Sie ausgerechnet beim Hochschulpakt 13 Millionen Euro kürzen. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Nein, das machen wir nicht! Das sind Ausgabenreste! - Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sie haben den Haushalt nicht verstanden!) Wir fordern hier 370 Millionen Euro mehr. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass es in diesem Land mehr Studierende geben wird. Es reicht auch nicht, lieber Swen, wenn du sagst: "Das sind Ausgabenreste!" Die Universitäten brauchen diese Mittel, weil die Zahl der Studierenden steigt. Wir sollten das Geld im System lassen und nicht aus dem System herausnehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ekin, das ist nicht korrekt!) Es ist gut - und da freuen wir uns, dass Sie auf unseren Vorschlag eingegangen sind -, dass Sie die Mittel für den Studenten- und Wissenschaftleraustausch beim DAAD und bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung erhöhen. Ich nenne auch die Zahl: Es werden 7 Millionen Euro mehr sein. Das dient der Völkerverständigung. Davon brauchen wir mehr. Wenn es um die Förderung dieser guten Instrumente geht, werden Sie immer unsere Unterstützung haben; darauf können Sie bauen. Kommen wir zu einem anderen Thema: Chancengerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung. Es gibt mehr Abiturientinnen, es gibt mehr Studentinnen, es gibt mehr Absolventinnen; aber bis zur Spitze von Forschung und Wissenschaft wird die Zahl der Frauen immer geringer. Es ist eben nicht so, dass es mehr Frauen an der Spitze gibt, und deshalb fordern wir, dass die Förderlinie "Frauen an die Spitze" fortgesetzt wird. Das stark nachgefragte Professorinnenprogramm muss ausgeweitet werden. Die Warteliste ist lang; aber was fehlt, ist die Zuversicht. Das, was Sie zum Bereich MINT sagen, das, was Sie dort unternehmen, ist zwar gut und richtig; aber die MINT-Förderung ist nicht die einzige Antwort auf die Herausforderung der Frauenförderung. Wir brauchen mehr Frauenförderung auch mit Blick auf die Spitze unserer Universitäten und unserer Wissenschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE]) Nächstes Thema: Rückbau der nuklearen Forschungsanlagen. Auch im Jahr 2016 werden mehr als 328 Millionen Euro als Forschungsmittel deklariert, aber dazu genutzt, die Beseitigung von Altlasten bei den Forschungsanlagen zu finanzieren. Diese Kosten werden steigen; sie werden explodieren. Weil wir das voraussehen, fordern wir Grüne: Diese Mittel müssen raus aus Ihrem Etat. Im Moment ist die Arbeitsaufteilung so: Sie finanzieren, aber die Verantwortung liegt beim BMF. Wir müssen die Verantwortung und die Gestaltung bündeln, damit das Geld verantwortlich eingesetzt und nicht verschwendet wird. Das sage übrigens nicht nur ich; das sagt der Bundesrechnungshof. Sie sollten sich daran halten. Das ist nämlich in Ihrem ureigenen Interesse. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zumindest sollten Sie im Sinne der Haushaltsklarheit und -wahrheit dem Haushaltsausschuss einmal im Jahr einen Bericht vorlegen. Sie würden am meisten davon profitieren, wenn Sie die Übersicht darüber bewahrten. Nächstes Thema: Investitionen in die Klimaforschung. Wir stehen vor der UN-Klimakonferenz in Paris. Da gibt es auch Erwartungen an Deutschland. Und was machen Sie? Sie kürzen die Mittel im Bereich der Klimaforschung um 20 Millionen Euro. Ich weiß, warum Sie die Mittel kürzen; ich weiß auch, wo Sie sie kürzen. Aber ich sage Ihnen: Schiffe sind nicht das Einzige, mit dem wir uns im Bereich der Klimaforschung beschäftigen. Die Bandbreite ist da sehr groß. Politisch verstehe ich dieses Signal, ehrlich gesagt, nicht. Ich halte es absolut für einen Fehler. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unser Auftrag sollte sein, eine führende Rolle in der Klimaforschung zu übernehmen, (Anette Hübinger [CDU/CSU]: Tun wir doch!) in Europa und weltweit. Dafür müssen wir etwas überzeugender investieren. Frau Ministerin, die Zusammenfassung des Haushalts 2016 lautet: kein Herz, keinen Plan, keinen Mut. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Nun ist aber gut!) Nehmen Sie die Herausforderungen ernst; denn Ihr Themengebiet ist zu wichtig, um es so nachlässig zu behandeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Deligöz. - Schönen guten Abend Ihnen allen, auch den fünf Gästen auf der Tribüne! - Der nächste Redner ist Swen Schulz für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Swen Schulz (Spandau) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren - gewissermaßen einzeln angesprochen - auf der Tribüne! Liebe Ekin Deligöz, dass aus der Sicht der Opposition einiges zu kritisieren ist, kann ich natürlich nachvollziehen. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du kritisierst doch selber!) Aber eine Nummer kleiner hätte es auch getan. Das wäre auch ein Stück weit glaubwürdiger gewesen; (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wahrheit tut manchmal weh!) denn dieser Regierungsentwurf für den Haushalt 2016 ist tatsächlich gut gelungen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben das in der ersten Lesung hier im Bundestag gebührend betont, und darum bestätigen wir auch den größten Teil des Entwurfes. Denken Sie nur an das steigende BAföG, den Hochschulpakt 2020 für mehr Studienplätze, den Qualitätspakt Lehre, den Pakt für Forschung und Innovation, die Exzellenzinitiative für Forschung an den Hochschulen, die Projektförderung usw. usf. Wir haben uns vorgenommen, einige Themen genauer anzuschauen. Das haben wir in den parlamentarischen Beratungen auch gemacht, und nach intensiven Gesprächen, auch mit der Bundesregierung, haben wir uns auf einige wichtige Änderungen geeinigt. Um es in Zahlen zusammenzufassen: Wir steigern den Haushalt für Bildung und Forschung noch einmal um über 16 Millionen Euro - bis 2018 werden es sogar über 100 Millionen Euro sein -, wir mobilisieren rund 55 Millionen an Ausgaberesten aus EU-Programmen - bis 2018 sind es dann etwa 130 Millionen Euro -, und wir verteilen rund 90 Millionen Euro neu und setzen damit Akzente in der Bildungs- und Forschungspolitik für Deutschland. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nun ist das für einen Haushälter wie mich immer so eine Sache; denn über die fachliche Expertise verfügt schließlich in erster Linie der Ausschuss für Bildung und Forschung. (Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Albert Rupprecht [CDU/CSU] - Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr gute Haltung!) Wir im Haushaltsausschuss verstehen uns als Dienstleister (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU - Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Swen Schulz lernt! Super! - René Röspel [SPD]: Bravo!) und erfüllen nach Kräften die Wünsche des Fachausschusses, manchmal sogar seine geheimen Wünsche, die er gar nicht ausformuliert hat. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Was also haben wir im Haushaltsausschuss im Einzelnen beschlossen und legen es hier dem Deutschen Bundestag in Gänze vor? Erstes Thema: Alphabetisierung. Wir wissen um die fehlende Grundbildung von vielen Menschen in Deutschland, ganz und gar nicht nur bei Migranten. Die Alphabetisierung ist ein Schwerpunkt dieser Koalition. Wir haben darum 3 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, weil Lesen, Schreiben und Rechnen Grundvoraussetzungen für Teilhabe in der Gesellschaft sind und wir die Menschen unterstützen und stärken wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zweites Thema: Berufliche Bildung. Die ist uns genauso wichtig wie die akademische Bildung. Darum wollen wir im nächsten Jahr nicht nur das BAföG für Schüler und Studierende anheben, sondern auch das Meister-BAföG. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das war ein guter Vorschlag meiner Fraktion!) In dem Regierungsentwurf wurden dafür bereits 11 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen, aber wir legen noch einmal weitere 14 Millionen Euro drauf. In voller Jahreswirkung ab 2017 werden es dann insgesamt 70 Millionen Euro mehr sein. Das ist ein starkes Bekenntnis zur beruflichen Bildung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Drittes Thema: Akademische Bildung. Natürlich haben wir uns auch darum gekümmert. Der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung erhalten 7 Millionen Euro mehr, als im Regierungsentwurf vorgesehen. (Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD] und Dr. Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU]) Wir haben ein klares Zeichen für die Begabtenförderung gesetzt. Die Förderwerke erhalten 4,5 Millionen Euro zusätzlich für die Erhöhung der Promotionsförderung. Ab 2017, wenn wieder volle Jahreswirkung erzielt wird, sind das dann sogar 13 Millionen Euro mehr. Das ist ein großer Fortschritt für die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Viertes Thema: Wissenschaft. Wir haben den Titel "Innovationsförderung in den neuen Ländern" um 10 Millionen Euro gestärkt. (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Richtig!) Wir wollen ganz bewusst schauen, was wir aus diesem im Osten erfolgreichen Programm in strukturschwache Gebiete in Westdeutschland transferieren können. Das ist ein guter und wichtiger Ansatz. Wir haben einen Schwerpunkt bei den Geistes- und Sozialwissenschaften gelegt mit ebenfalls 10 Millionen Euro mehr. Die zusätzlichen Mittel sehen wir vor für die Migrations- und Integrationsforschung, für die sogenannten kleinen Fächer, für die Friedens- und Konfliktforschung (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und für die Digitalisierung. - Ich wusste, wen das freuen wird. - Uns sind die Geistes- und Sozialwissenschaften wichtig. Wir wissen zwar, dass die Ingenieurs- und Naturwissenschaften von großer Bedeutung sind; (Michaela Noll [CDU/CSU]: Von sehr großer! Davon haben wir zu wenig!) aber es ist eben auch klar, dass wir die gesellschaftlichen Probleme nur lösen können, wenn wir die Menschen und die Gesellschaft in den Blick nehmen. Technologie alleine genügt nicht. (Beifall bei der SPD - Michaela Noll [CDU/CSU]: Aber dringend notwendig ist sie trotzdem!) Wir geben den Geistes- und Sozialwissenschaften einen ordentlichen Schub. Ich glaube, das ist eine wirklich gute Nachricht für die Wissenschaftslandschaft insgesamt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir haben noch einige weitere Veränderungen vorgenommen, auf die ich aus Zeitgründen hier nicht näher eingehen kann; die Kollegin Hübinger hat schon einiges dazu gesagt. Ich möchte auf mein fünftes Thema zu sprechen kommen: Maßnahmen für Geflüchtete. Darüber haben wir selbstverständlich schon in der ersten Lesung hier im Deutschen Bundestag gesprochen, und auch in den parlamentarischen Haushaltsberatungen haben wir uns intensiv damit befasst. Im Ergebnis stellen wir über 100 Millionen Euro für die Bildung von Geflüchteten bereit. Dabei handelt es sich um einen ganzen Strauß von Maßnahmen: Alphabetisierung, kulturelle Bildung, berufliche Bildung, Übergang in den Beruf, bessere Koordination der Bildungsangebote, Qualifizierung von Lernbegleitern, studentische Maßnahmen, Feststellung der Studierfähigkeit, Studienkollegs und anderes mehr. Nun wird immer wieder gesagt, dass so viel für die Geflüchteten gemacht werde und so wenig für diejenigen, die bereits hier sind. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt nur die CSU!) Das ist nicht der Fall. Denn erstens unternehmen wir zwar erhebliche Anstrengungen für Geflüchtete; gemessen an den Gesamtausgaben ist der Anteil aber eher gering, und auch bei den vorgenommenen Änderungen des Haushaltsentwurfs hatten wir nicht nur Geflüchtete, sondern die ganze Breite der Bildung und Forschung im Blick, von der Alphabetisierung bis zur Innovationsförderung; ich habe das schon ausgeführt. Zweitens ist es doch gerade Aufgabe der Bildungspolitik, allen Menschen, die hier sind, gute Angebote zu machen. Denn was wäre die Alternative? Den Geflüchteten zu sagen: "Ihr bekommt keine Bildung"? Was wäre die Folge? Die Geflüchteten müssten länger von der Gemeinschaft finanziert werden, könnten keinen eigenen Beitrag leisten. Die Kinder und ihre Eltern würden abgehängt, anstatt befähigt, sich hier einzubringen. - Nein, das ist für uns keine Option. Diejenigen, die hier in Deutschland ankommen, müssen und sollen ein gutes Bildungs- und Integrationsangebot bekommen - in ihrem Interesse und in unser aller Interesse. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir müssen ehrlicherweise dazusagen: Ob das, was wir in den Haushaltsplan geschrieben haben, ausreicht, werden wir im Laufe des Jahres 2016 sehen. (René Röspel [SPD]: Sehr wahr!) Gegebenenfalls müssen wir nachsteuern; aber dazu sind wir in der Lage und auch bereit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bei allen Änderungen haben wir den Haushalt insgesamt im Gleichgewicht gehalten, indem wir erstens Mittel, die nicht benötigt werden, klug umgeschichtet haben. Das betrifft das Forschungsschiff "Polarstern", Ekin; denn mindestens 20 Millionen Euro der im Regierungsentwurf vorgesehenen Mittel können nicht abgerufen werden. Zweitens nutzen wir Ausgabereste aus EU-Mitteln und von der Programmpauschale des Hochschulpaktes. Das geht nicht zulasten geplanter Maßnahmen und auch nicht zulasten Studierender, Ekin; ich erkläre dir das gerne im Nachgang noch einmal. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Swen! - Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nennt man oberlehrerhaft!) - Es war nachgerade unfair und unredlich, wie du das hier dargestellt hast; als ob wir Studienplätze kürzen würden. Das ist nicht der Fall. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann bist du denn zum Oberlehrer mutiert? Bislang warst du ja sympathisch!) Kritik sollte sachlich vorgetragen werden, auch von der Opposition. - Drittens haben wir die globale Minderausgabe maßvoll erhöht. Sie liegt immer noch mehr als 170 Millionen Euro unter dem Ansatz von 2015. Viertens haben wir über 16 Millionen Euro draufgepackt. Abschließend will ich nicht verhehlen, dass in dieser Koalition unterschiedliche Ideen vertreten werden. (René Röspel [SPD]: Das ist auch gut so!) Wir sind eben unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Vorstellungen, und das ist ja auch gut so. (Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Und das soll auch so bleiben!) Wir von der SPD haben noch sehr viel weitreichendere Pläne, die wir gerne im Rahmen einer nationalen Bildungsallianz realisieren würden. Wir wollen die Aufhebung des Kooperationsverbotes und ein neues Ganztagsschulprogramm mit erheblich mehr Schulsozialarbeit, um nur einige Stichworte zu nennen. (Beifall bei der SPD - Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das wollen wir! - Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht vorne und hinten nicht!) Aber in einer Koalition geht es gerade in den Haushaltsberatungen immer nur so weit, wie es gemeinsam geht. Im gegebenen Rahmen haben wir einen guten Haushalt zur Abstimmung vorgelegt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich zum Abschluss als Hauptberichterstatter ganz herzlich bedanken bei meinen Mitberichterstattern, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums und der gesamten Bundesregierung, bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten, des Bundestages und der Fraktionen. Es war eine sehr intensive, sehr interessante und am Ende sehr erfolgreiche Haushaltsberatung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Swen Schulz. - Nächste Rednerin in der Debatte: Ministerin Dr. Johanna Wanka für die Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten heute früh eine Pressekonferenz zu dem Thema, das jedes Jahr einmal kommt: der OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick". Ich kann mich genau erinnern, was uns 2005 - damals war ich KMK-Präsidentin und Frau Bulmahn war Bundesbildungsministerin, und ich weiß noch, wie wir beide da saßen - ins Stammbuch geschrieben wurde und was wir uns damals an zum Teil auch wirklich berechtigter Kritik anhören mussten. Das war ein großer Unterschied zu dem, was heute im OECD-Bericht steht. Im aktuellen OECD-Bericht hat unser Land wirklich hervorragende Ergebnisse. Es ist nicht einfach, diese Standards zu halten. Ich will nur zwei, drei Dinge nennen. Zum einen belegen wir im Tertiärbereich, also bei den höheren Qualifikationen, einen Spitzenplatz. Dabei geht es nicht nur um Studierende, sondern auch um Meister, Erzieherinnen etc. Beim Bereich Ingenieure, MINT haben wir jahrelang geklagt. Jetzt kommt bei uns ein Drittel aller Absolventen im Hochschulbereich aus einem entsprechenden Studiengang. Wie ist es im OECD-Durchschnitt? Da sind es 23 Prozent. Bei uns sind es also etwa 10 Prozent mehr. Das betrifft nicht nur die Absolventen. Auch wenn man sich die Anfängerquoten anschaut, sieht man, dass wir dort deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegen. Im OECD-Durchschnitt fängt jeder Vierte in solch einem Fach an, bei uns sind es fast 40 Prozent. Das heißt, wir sind stabil und haben in den letzten Jahren etwas erreicht, was für die Zukunft Deutschlands, für Industrie 4.0 und anderes außerordentlich wichtig ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich glaube, man muss hier gar nicht ausführen, wie es um die Jugendarbeitslosigkeit steht. Wir sehen, wie das in Ländern mit einem hohen Akademikeranteil ist, in denen alle studieren wollen, zum Beispiel in Spanien. Die Zahlen kennen Sie. Sie wissen auch, wie es bei uns ist. Das heißt, das, was wir jahrelang nicht nur gepredigt, sondern auch getan haben - duale Ausbildung und akademische Ausbildung -, trägt jetzt Früchte und wird auch im Vergleich mit Ländern wie Japan und allen anderen anerkannt und akzeptiert. Ein Punkt, dessen Entwicklung ich selbst vor sieben oder acht Jahren nicht geglaubt hätte, betrifft die frühkindliche Bildung. Wir wussten schon im letzten Jahr, dass bei uns wesentlich mehr Drei- und Vierjährige in Kindereinrichtungen gehen als in den anderen OECD-Staaten. Jetzt ist dies erstmals für die Zweijährigen erhoben worden. Die sind ja wirklich noch sehr klein. Raten Sie einmal, wie viele Zweijährige in Deutschland in Kindereinrichtungen gehen! Es sind 59 Prozent. (René Röspel [SPD]: Die Widerstände waren ja auch groß vor zehn Jahren!) Diese Dinge haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Natürlich betrifft das auch die Bildungsausgaben. Jetzt werden Sie vielleicht morgen in der Zeitung lesen, dass die Bildungsausgaben in Deutschland unter dem OECD-Schnitt liegen. Das bezieht sich aber nur auf die Gesamtmenge, nicht auf die Ausgaben pro Schüler, pro Kitakind, pro Person im Tertiärbereich, in der Berufsschule oder an der Hochschule. Immer wenn es um die Personen geht, also wie viel wir für ein Kind in der vierten Klasse ausgeben, wie viel wir für einen Studenten ausgeben, liegen wir konsequent über dem OECD-Durchschnitt. Wir sind da wesentlich besser, zum Teil erheblich besser. Die Zahlen für die Kinder im Elementarbereich liegen bei uns pro Kind im Schnitt bei 9 400 Euro, Dollar; ist ja egal. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht egal! Das ist ein kleiner Unterschied!) - Das ist eigentlich nicht egal, aber hier geht es ja um die Vergleichszahlen. - Das sind 2 300 Dollar mehr als in allen anderen Ländern; die Größenordnungen sind also erheblich. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir uns das anschauen, dann sehen wir, dass das natürlich Dinge sind, die Länder, Bund und Kommunen betreffen: Schulbildung, Kitabildung. Aber wenn man sich die Ausgaben anschaut, dann sieht man, dass es die Milliarden sind, die der Bund in den letzten Jahren zusätzlich in das System als frisches Geld hineingegeben hat, die den Unterschied bewirken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Frau Deligöz, Sie sagen: Für zehn Jahre 1 Milliarde Euro pro Jahr, dann kann man endlich etwas machen. - Wir haben in dieser Großen Koalition beschlossen, auf unbeschränkte Zeit jedes Jahr 1,2 Milliarden Euro in die Bundesländer zu geben. Das Geld muss nur eingesetzt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wofür soll es denn noch alles eingesetzt werden?) Ich habe bei der Einbringung des Haushalts im September die Summen genannt. Jetzt sind wir bei 16,4 Milliarden Euro. Ich habe erklärt, was mir als zentrales Thema wichtig ist: Chancen für alle, Bildungsgerechtigkeit. Dies habe ich anhand verschiedener Themen ausgeführt. Das will ich heute nicht wiederholen; man kann es ja nachlesen. Nur zu einem Thema: Bezüglich der Mittel für Alphabetisierung, Herr Schulz, bin ich froh. Denn Anfang dieses Jahrtausends gab es Jahre, in denen die Mittel für Alphabetisierung weniger als 100 000 Euro in einem ganzen Jahr betrugen. Jetzt stellen wir über zehn Jahre 180 Millionen Euro zur Verfügung und 3 Millionen Euro mehr im nächsten Jahr. Auch das ist okay. (Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Was wir aber brauchen, ist, dass andere mitziehen, dass die Länder mitziehen und nicht nur der Bund hier 180 Millionen Euro investiert. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Dr. Wanka, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Nein, ich würde gern erst einmal meine Rede zu Ende halten. Vizepräsidentin Claudia Roth: Alles klar, gut. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Was wir brauchen, ist ein verbesserter Übergang von der Schule in den Beruf, auch wenn die OECD heute mitgeteilt hat, dass er in Deutschland bereits exzellent ist. Wir haben eine individuelle und eine präventive Bildungsberatung, weil wir noch längst nicht zufrieden sind. Das haben wir - so viel zum Thema Gerechtigkeit - auch gegenüber den Bundesländern als Grund angegeben, warum wir dafür Geld zur Verfügung stellen. Wir wollen nämlich, dass Bildungsberatung auch an Gymnasien erfolgt. Die ersten Verträge - mit Hessen und mit Hamburg - sind fertig; sie liegen bereits auf dem Tisch. Alle anderen Länder reden darüber. Das ist ein wichtiger Schritt, der uns in Deutschland bei der Lösung des Matching-Problems langfristig enorm helfen wird. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Maßnahme wird auch den jungen Flüchtlingen zugutekommen. Sie können diese etablierten Instrumente nutzen. Wenn sie in die Schule gehen, erhalten sie ganz automatisch eine Bildungsberatung. Wir wollen mit den 20 Millionen Euro - ich bin sehr dankbar, dass sie draufgelegt werden, und zwar den Plafond erhöhend - im Rahmen eines Programms zielgenau mehrere Maßnahmen ergreifen, die dazu führen sollen, dass junge Flüchtlinge wirklich eine Chance in Deutschland haben. Es geht uns aber nicht nur um die jungen Flüchtlinge, sondern auch um schwer vermittelbare Jugendliche, die bereits hier leben. Außerdem wollen wir die Wirtschaft, vor allen Dingen die kleinen und kleinsten Betriebe, die in den letzten Jahren nie die Chance hatten, Lehrlinge zu bekommen, entlasten. Das, glaube ich, ist wegweisend dafür, wie man sinnvoll vorgeht. Es geht nicht nur darum, zu sagen: Wir brauchen die oder die Summen. - Allerdings sind die Summen, die wir für den Flüchtlingsbereich ausgeben - Herr Schulz hat das dankenswerterweise gesagt -, wirklich beachtlich. Dieses Thema haben wir sofort aufgegriffen und im Haushalt eindeutige Prioritäten gesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich möchte jetzt nicht alle Aspekte im Zusammenhang mit Bildungsgerechtigkeit im Einzelnen deklinieren. Dazu gehören zum Beispiel BAföG, Anerkennungsgesetz, Deutschlandstipendium und Begabtenförderung. Manches davon wurde schon angesprochen. Zum Hochschulpakt. Frau Deligöz, Sie sprachen die 13 Millionen Euro an. Sie wissen es aber besser. In den Hochschulpakt fließen jetzt 370 Millionen Euro mehr. Auch die genannten 13 Millionen Euro stehen zur Verfügung. Wie viel Geld haben Sie denn in Ihrer Regierungszeit für mehr Studienplätze ausgegeben? 0 Euro! Und dann gehen Sie so mit Millionen um! (Beifall bei der CDU/CSU - Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lag an der SPD! Es ist übrigens schon verdammt lange her, dass wir regiert haben! - Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie der SPD sagen!) Ich möchte heute etwas zur Forschungsförderung sagen - das Thema Bildungsgerechtigkeit hatten wir schon; jetzt geht es also um die Forschungsförderung -: Es gibt die EFI, Herr Claus. Das ist die Expertenkommission Forschung und Innovation. Dieser Bundestag hat beschlossen, dass es eine solche Kommission geben und diese jährlich begutachten soll: Wie ist die Situation in Deutschland insgesamt? (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war damals Ministerin? - Gegenruf des Abg. René Röspel [SPD]: Das war übrigens unter der rot-grünen Koalition! - Gegenruf der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kritik ging aber auch an euch, Leute!) Schwerpunkt war in diesem Jahr die Hightech-Strategie. Natürlich werden viele Punkte evaluiert, nicht nur von der EFI. Im Bereich der Landwirtschaft kann man vielleicht sagen: Es geht um die und die Hektarerträge. - Evaluation im Forschungsbereich heißt aber, dass man eben nicht vorher sagt: Ihr müsst das und das herausbekommen. - Wenn wir hier keine Freiheit zulassen, dann sind wir die Allerletzten. Wenn wir in einem bestimmten Themenbereich Forschungsförderung betreiben, dann dürfen wir das Ergebnis nicht vorwegnehmen. Wir müssen die Ziele nennen, also sagen, was wir wollen, und wir müssen einkalkulieren, dass es auch einmal einen Misserfolg geben kann; das ist völlig klar. Ich glaube, es gibt kein Ressort, das so viele Evaluationen durch Dritte, durch internationale Wissenschaftler durchführen lässt, wie das in unserem Bereich der Fall ist. Auch der Bundesrechnungshof sieht das zum Teil so. (Beifall bei der CDU/CSU) Zur Klimaforschung. Wir kürzen in diesem Bereich 0 Euro, also überhaupt nicht. Beim Schiff "Polarstern" verzögert sich die Planung; das betrifft die 20 Millionen Euro im Investitionsteil. Ich will jetzt nicht wieder auf Ihrer Regierungszeit herumhacken. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Machen Sie doch ruhig!) Aber ich glaube, im Hinblick auf den Klimaschutz bzw. für das, was wir im Pazifik und andernorts erforschen, ist es ganz zentral, die Forschungsflotte zu erneuern. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Wenn Hunde bellen!) Kein Wort wird über die Kopernikus-Projekte verloren. Diese Initiative ist auf zehn Jahre angelegt. Es geht dabei um Energieforschung in vier großen Themenbereichen, mit klarer Prioritätensetzung und mit einem Volumen von Hunderten von Millionen Euro. Das ist natürlich auch Klimaforschung. Sie können Erneuerbare hoch- und runterdeklinieren. Aber keiner weiß, wie ein Energienetz in Deutschland aussehen kann, wenn 80 Prozent der Energie aus Erneuerbaren kommen. Dafür brauchen wir Forschung, und wir haben sie angestoßen. Das ist perspektivisch ganz entscheidend, und dafür wollen wir auch einmal gelobt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Letzte Woche fand der IT-Gipfel statt. Zentrales Thema war natürlich die Cybersicherheit, also die Sicherheit im Netz, die Sicherheit vor Angriffen. Die drei Kompetenzzentren zur IT-Sicherheitsforschung in Darmstadt, Saarbrücken und Karlsruhe, die vom Bund initiiert wurden, sind gerade international evaluiert worden, Frau Deligöz. Sie sind im EU-Bereich, also international, ausgezeichnet worden und so gut, dass wir sagen konnten: Das wird in den nächsten Jahren fortgesetzt. - Die in den Haushalt dafür eingestellte Summe wird nicht nur verdoppelt. Fast 40 Millionen Euro stellen wir jetzt für diesen Bereich zur Verfügung. Danach können wir entscheiden, ob wir gemäß Artikel 91 b des Grundgesetzes handeln oder anders vorgehen und das langfristig machen. Die Software zum Beispiel, die in Darmstadt entwickelt wird, bietet Lösungen, die auf der ganzen Welt von Interesse sind. Ich denke zum Beispiel an die Beseitigung von Trojanern oder anderen Viren auf Smartphones. Hier gibt es handfeste Lösungen, die sofort zur Verfügung stehen. Ich komme zu Industrie 4.0. Ich glaube, dass unser Ressort hier der Treiber ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir konzentrieren uns dabei keinesfalls nur auf die technologische Forschung. Diese gibt es aber natürlich. Ich denke zum Beispiel an die Interaktion von Mensch und Maschine. Dieses und andere Themen werden bearbeitet, aber es muss auch um Maßnahmen gehen, die sehr stark am Mittelstand orientiert sind. Das Wirtschaftsministerium hat jetzt fünf Mittelstand-4.0-Kompetenzzentren gestartet. Wir möchten, dass die Mittelständler, wenn sie eine Idee haben und sich trauen, diese auch umzusetzen, keine Investitionen in ihre eigene Firma realisieren müssen, sondern die Möglichkeit haben, das, was sie sich vorstellen, an vorhandenen Testplätzen zu testen. Deswegen haben wir ein neues Programm gestartet. Wir geben dem Mittelständler Geld, und er kann entscheiden, wo er seine Innovation testen lassen will - bei einer Forschungsinstitution, bei einem Fraunhofer-Institut, bei Siemens, Bosch oder woanders -, um Innovationen in der Breite anzuregen und die Schwellenangst zu nehmen. Das muss uns in Deutschland gelingen. Ich glaube, Industrie 4.0, also "Ergebnisse auf den Hallenboden bringen", "Arbeitswelt von morgen" usw., das sind Zukunftsthemen. Das ist das, was unser Land braucht, was unser Land ausmacht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein letzter Punkt aus dem breiten Förderstrauß, den wir in diesem Ministerium verantworten, ist das Förderkonzept Medizininformatik. Auf der einen Seite haben wir riesige Datenmengen in der Krankenversorgung, auf der anderen Seite gibt es Forschungsprojekte. Die Daten kommen aber nicht zusammen. Dieses Förderkonzept Medizininformatik, das erst einmal mit 100 Millionen Euro ausgestattet wurde, orientiert sich sehr stark an den Unikliniken, die aber andere mit ins Boot nehmen. Hier sind Versorgung und Forschung ja sozusagen in einer Hand. Durch dieses Konzept besteht die Möglichkeit, wirklich wichtige Erkenntnisse für die einzelnen Patienten zu gewinnen. Der nächste Schritt wäre dann natürlich, dass man es, wenn es funktioniert - eine Voraussetzung dafür ist die Vergleichbarkeit der einzelnen Datensysteme -, auf das gesamte Bundesgebiet ausweitet. Das ist nicht mit 100 Millionen Euro zu bewältigen und dann auch keine Aufgabe, die dieses Ressort alleine zu bewältigen hat, sondern hier müssen die Krankenversorger und andere mitziehen. Ich habe es selten erlebt, dass Forscher mit einem Konzept sehr zufrieden sind - sie haben immer noch Wünsche -, aber hier wurde unisono von allen, die ich im Medizin- und im Hightechbereich kenne - und ich kenne eine Menge -, gesagt: Das ist ein Programm, das punktgenau gebraucht wird. Die Idee dazu wurde gerade auch auf Drängen unserer Fraktion geboren, und die Entwicklung dieses Konzepts war auch die Leistung der Mitarbeiter meines Hauses. Ich glaube, wir können aufgrund all dieser Punkte sagen, dass es uns nicht nur mit den Haushalten der letzten Jahre, sondern auch mit diesem Haushalt gelungen ist, im Bereich Bildung und Forschung Zeichen zu setzen. Damit haben wir ein Fundament für das gesellschaftliche und soziale Miteinander in diesem Land und auch für sozialen Wohlstand gelegt, sodass wir auch in der Lage sind, Flüchtlinge gut aufzunehmen und zu versorgen. Mit dem Haushalt des BMBF geben wir für diesen Aufgabenbereich ehrliche und sehr tragfähige Antworten. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dr. Wanka. - Nächster Redner in der Debatte: Ralph Lenkert für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die positiven Mittelsteigerungen im Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung wurden bereits umfassend gewürdigt. Mehr Geld für Bildung, Hochschulen und Forschung ist auch zwingend notwendig. Wir kennen doch die Realität in Deutschland: Schulgebäude sind so mies wie die Kommunalhaushalte, Hochschulen sind überfüllt, und deren Ausstattung hängt von Drittmitteln oder dem Glück bei Exzellenzinitiativen ab. (Stephan Albani [CDU/CSU]: Oder von der Landesregierung!) Junge Wissenschaftler und Forscher müssen sich wegen der mangelhaften Grundfinanzierung unserer Hochschulen (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Die Länder sind zuständig!) und aufgrund der fehlenden Stellen in Stellenplänen dem Befristungswahnsinn nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz unterwerfen. Im Grundgesetz werden vergleichbare Lebensverhältnisse in der gesamten Republik gefordert, auch in der Bildung. (Beifall bei der LINKEN) Aber die Ausstattung der Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen hängt an Landeshaushalten (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Richtig! Das ist festgelegt, Herr Lenkert!) oder an der Finanzkraft der Kommunen. Was kann ein Student für seine Herkunft, was kann ein Kind für seinen Wohnort? Nichts. Aber an Herkunft und Wohnort hängen die Bildungschancen und hängt die Zukunft eines Kindes. Ihre Exzellenzinitiativen verschärfen die Unterschiede zwischen armen und reichen Bundesländern. Das ist grundgesetzwidrig. (Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Freilich ist in diesem Haushalt für die Hochschulen mehr Geld vorgesehen. Reicht jedoch Ihr Ansatz aus? Leider nein. Die Studentenzahlen wachsen schneller als die Mittel für die Hochschulen. Die Mittel je Student sinken mit diesem Haushalt erneut. Das ist falsch. (Beifall der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE]) Das Verhältnis von Professorinnen und Professoren zu Studentinnen und Studenten sackt in den Keller. Die Hochschulen ersetzen festangestellte Dozenten durch Lehrbeauftragte, die nur 500 Euro pro Lehrveranstaltung im Semester erhalten. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!) Ein Lehrbeauftragter, der sechs Veranstaltungen inklusive Vor- und Nachbereitung schafft, ist echt spitze und bekommt dafür 3 000 Euro - im Halbjahr. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Darum soll sich Ramelow kümmern!) Das ist Hartz-IV-Niveau. Diese Zustände sind menschengemacht und kein Naturgesetz. Also nehmen Sie die zusätzlich eingestellten Mittel in Höhe von 1,7 Milliarden Euro für den Hochschulpakt in die Hand: für zusätzliche Dauerstellen in Lehre und Forschung, für bessere materielle Ausstattung und für eine bessere Grundfinanzierung an den Hochschulen. (Beifall bei der LINKEN) Zu erfolgreichen Abschlüssen braucht es auch eine materielle Mindestabsicherung für Auszubildende und Studierende. Gerade für Kinder aus einkommensschwachen Familien bestehen in diesem Bereich riesige Hürden. Viele Abiturientinnen und Abiturienten verzichten wegen des akuten Geldbedarfs ihrer Familien auf ein Studium oder können die Zusatzkosten einfach nicht aufbringen. Ein Fünftel der Studienabbrüche beruht auf Problemen mit der Finanzierung. Ohne Ausbildung, ohne Studium sieht die Zukunft junger Menschen schlecht aus. Die entscheidenden Rohstoffe unseres Landes sind Wissen und Bildung. So wie man im Bergbau in beste Anlagen investiert, so müssen wir in beste Bildung investieren. (Beifall bei der LINKEN - Uwe Schummer [CDU/CSU]: Das tun wir doch!) Gehen wir es an und investieren weitere 5,4 Milliarden Euro in unsere Jugend, in ein echtes BAföG-Programm und in ein Sonderprogramm Ausbildung. Natürlich braucht es dafür Mehreinnahmen beim Bund. Höhere Spitzensteuersätze, Wiedereinführung der Vermögensteuer, (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Reichensteuer!) Einführung der Finanztransaktionsteuer und eine höhere Körperschaftsteuer auf Helmut-Kohl-Niveau schaffen die finanziellen Spielräume. (Beifall bei der LINKEN) Übrigens finden sich auch in Ihrem Haushaltsentwurf Potenziale zur Umschichtung. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Allerdings!) 48 Millionen Euro planen Sie für das Deutschlandstipendium ein. Fast ein Viertel des Geldes geht für die Bürokratie drauf. Lassen Sie das Deutschlandstipendium auslaufen, und stecken Sie das Geld lieber in das BAföG! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Oder warum zahlen Sie 73 Millionen Euro für die Erforschung der Auswirkungen der umstrittenen Fracking-Technologie? Fracking ist politisch tot und ein Irrweg für die Umwelt. (Beifall der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE]) Lenken Sie das Geld zur Unterstützung der Hochschulen in strukturschwachen Regionen um. (Beifall bei der LINKEN) Im Haushalt 2016 stecken erneut Risiken für Bildung und Forschung. Im Bildungsetat sind über 250 Millionen Euro als globale Minderausgabe vorgesehen. Diese Millionen haben also einen Sperrvermerk. Bei den Sperrungen der letzten Jahre waren die Klimaforschung, die Projektverbundforschung von Fachhochschulen mit Forschungseinrichtungen und die Ausbildung besonders hart betroffen. Wiederholen Sie diesen Fehler nicht! (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wer im Bildungs- und Forschungshaushalt spart, ist wie ein Bauer, der minderwertiges Saatgut einsetzt. Er freut sich über das eingesparte Geld bis zur Ernte, die dann mager ausfällt. Lassen Sie uns mehr für die Bildung investieren, wie es die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen macht, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Da ist nichts! Da wird nichts mehr investiert!) welche für Thüringer Schulen, Berufsschulen und Hochschulen 2016 190 Millionen Euro mehr einsetzt als die unionsgeführte Vorgängerregierung 2014. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist eine gute Sache!) Von der Wichtigkeit von Bildung und Forschung wurde hier genug geredet. Handeln Sie endlich! Geben Sie zusätzliche Milliarden Euro für Bildung und Forschung! Dann bekommt die Koalition sogar unsere Zustimmung. (Beifall bei der LINKEN - René Röspel [SPD]: Das möchte ich ja mal erleben! Ab wie viel Milliarden gilt das denn?) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Lenkert. - Nächster Redner ist Dr. Ernst Dieter Rossmann für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CUS) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lenkert, es ist manchmal nicht so gut, wenn man sowohl bei der ersten wie bei der zweiten Lesung spricht. Ich lasse Sie heute einfach einmal links liegen (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU - Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich habe bei der ersten Lesung nicht geredet! Da war ich krank!) und wende mich dem zu, was wir in der Großen Koalition zusammen erarbeitet haben und was nicht nur eine Vorgeschichte im Ministerium, sondern auch im Haushaltsausschuss hat. Ich danke dem Ministerium und den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, dass sie diesen Haushalt noch so verfeinert bzw. weiter optimiert haben. Wir haben ja als Koalitionsfraktionen einen ersten Aufschlag im Parlament gemacht. Mit dem haben wir uns nicht umsonst der beruflichen Bildung und der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung gewidmet. Wenn das ernst gemeint war, müsste es eigentlich durch jedes Haushaltsjahr hindurch tragen. Ich will dieses Ziel noch einmal in folgenden Zusammenhang stellen: Natürlich entspricht es unserer Gesamtphilosophie, wenn sowohl die Unterstützung der High Potentials im akademischen Bereich im Rahmen des Promotionsstipendiums als auch die Unterstützung der High Potentials im beruflichen Bereich im Rahmen des Meister-BAföG verstärkt werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Diese Gleichgewichtigkeit macht immer eine Erzählung aus, nämlich die Erzählung, dass wir auch weiterdenken müssen und wir uns fragen müssen, was denn daraus folgt, wenn wir hervorragende Promovierende haben, die sich ohne materielle Sorgen noch mehr auf den Gegenstand von Wissenschaft konzentrieren können. Damit münden wir in ein Zehn-Jahres-Programm ein, das dem wissenschaftlichen Nachwuchs gewidmet ist - mit all den Wirkungen, die sich dann hoffentlich auch noch im Hinblick auf eine Qualifizierung an den Hochschulen ergeben werden. Denn, Frau Ministerin, auch wenn uns die OECD bestätigt hat, dass manches gut ist: Die Verringerung der Abbruchquoten an den Hochschulen ist natürlich eine gemeinsame Aufgabe. Sie sollten zumindest nicht so hoch bleiben. Es sollte da eine Angleichung an das Niveau der Abschlussquoten in der beruflichen Bildung geben. Ich will, dass wir unsere Anstrengungen fortsetzen. Deshalb fördern wir die Aufstiegsfortbildung für die 170 000 Betroffenen, die sich jetzt darin befinden. Leider sind das in der Mehrzahl keine Handwerksmeister, sondern Techniker und Fachwirte. Wenn wir aber auch noch in höherem Maße die Handwerksmeister gewinnen könnten, würden wir auch dort eine zukunftsweisende Linie aufzeigen; denn es ist absehbar, dass 200 000 Betriebsnachfolger im handwerklichen Mittelstand gesucht werden. Ohne eine qualifizierte Ausbildung verlieren wir dort das Potenzial, aus dem dann wieder Lehrstellen - ich denke dabei an die duale Ausbildung sowie auch an die Qualifizierung im beruflichen Bereich - mit erwachsen können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Erzählung soll also sein, dass in geschickter Weise an wichtigen strategischen Punkten so angesetzt wird, dass es eine nachhaltige Wirkung gibt. Um auf ein zweites Thema einzugehen: Wir brauchen diese nachhaltige Wirkung auch, wenn wir verstärkt die große Chance - das ist eine Chance und keine Bedrohung - nutzen wollen, diejenigen, die zu uns geflohen sind - Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene -, über unser Bildungssystem als gute deutsche Staatsbürger in die Gesellschaft und in die Wirtschaft zu integrieren. Dieses setzt aber auch entsprechende Bildungsinvestitionen voraus. Auch dazu kann wiederum gesagt werden, dass es hier eine Gleichgewichtigkeit geben muss. Schauen Sie auf die Veränderungen, die es im Haushalt gibt. Sie sehen dann, dass im Bereich der beruflichen Bildung von Potenzialanalysen bis KAUSA rund 20 Millionen Euro draufgepackt wurden. Bei der akademischen Bildung sieht es genauso aus. Es wurden an der Stelle auch wichtige strategische Entscheidungen mit vorbereitet. Frau Deligöz, ich muss jetzt auf Ihre Ausführungen noch einmal eingehen. Man kann ja viel kritisieren. Aber es ist doch gut, dass jetzt 13 Millionen Euro von den 2,5 Milliarden Euro, die für den Hochschulpakt vorgesehen sind, umgeschichtet worden sind; denn die DFG konnte nicht genügend Projekte an den Hochschulen platzieren, sodass dort die zweite Säule des Hochschulpaktes, die Forschungspauschale, nicht gegriffen hat. Insofern ist es doch erst einmal gut, wenn Haushälter das merken. Und zum Zweiten ist es gut, wenn das übrig gebliebene Geld in ganz präzise funktionierende Projekte übertragen wird. Natürlich war dies das Beste, was gemacht werden konnte. Mit dem Geld in gleicher Höhe, ungefähr 15 Millionen Euro, wurde ein Projekt beim DAAD - ich nenne das Stichwort "Humboldt" - entsprechend verstärkt. Was haben Sie da eigentlich zu kritisieren? Das ist doch wunderbar. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es ist doch wunderbar, dass diese 13 Millionen Euro aus den 2,5 Milliarden Euro für den Hochschulpakt zielgerichtet eingesetzt wurden. Ich könnte noch etwas anderes anführen. Auch die Frau Ministerin hat schon an anderer Stelle mit angesprochen, dass es eine großartige Bewegung an den Hochschulen ist, wenn sich Studierende für Studenten, die zu uns geflohen sind, einsetzen. Auch das findet sich in den Haushaltsanträgen wieder. Es sind 4 Millionen Euro für Refugee-Unterstützung an den Hochschulen vorgesehen. Ich meine, dass wir eine Integrationserzählung brauchen. Wir brauchen eine Integrationserzählung, die besagt: Wenn wir wirklich eine Bildungsrepublik sind, gibt es jetzt auch die Chance, das aktive Engagement vieler Bürger in der Bildungsförderung im Hinblick auf die Zuwendung für Zugewanderte ehrenamtlich aufzunehmen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) indem Bildung nicht an Profis delegiert wird, sondern indem sich diese Bürger selber bemühen und sich zu in der Bildungsintegration engagierten Persönlichkeiten entwickeln. Auch dies nimmt das Ministerium mit auf, indem dort ehrenamtliche Helfer, Lernbegleiter und andere gefördert werden sollen. Macht es eine Bildungsrepublik nicht erst aus, dass es ein Engagement gibt, und zwar nicht nur, weil man selbst ein Elternteil ist oder weil man dafür bezahlt wird, sondern weil man die Bildung als Zentrum einer demokratisch-integrativen Kultur begreift und sich deshalb dafür engagiert? Eine Bildungsrepublik setzt auch ehrenamtliches Engagement voraus, und die Chance in der Flüchtlingsintegration besteht jetzt darin, dass es dann auch ausstrahlt und dass es bleibt. Das auch haushalterisch mit unterstützt zu haben, ist genauso gut wie die Tatsache, dass es sich im Gesamthaushalt und in der gesamten Politik dieser Bundesregierung abzeichnet, dass Bildungsfragen nicht allein an das Bildungsressort delegiert werden. Wenn es um das wichtige Element der Sprachförderung geht, dann finden Sie Maßnahmen im Familienministerium, durch die denjenigen, die das Sprachniveau C1 erreichen wollen, eine entsprechende Förderung zuteilwird. Sie finden das im Sozialministerium, in dem 180 Millionen Euro für berufsbezogene Sprachförderung bereitgestellt worden sind. Sie finden das beim Innenministerium, wo der Ansatz verdoppelt worden ist, um über die Integrationskurse Sprachinklusion betreiben zu können. Und Sie finden das auch im Bildungsministerium. Damit ist die Sprachförderung eine Querschnittsaufgabe bzw. die Aufgabe des gesamten Kabinetts und der gesamten Regierung. Wer will das schelten? Es ist doch wunderbar, dass dies langsam und schrittweise begriffen wird und dass sich auch weitere Perspektiven abzeichnen. Wir wissen nämlich, dass wir bei diesem Bildungs- und Integrationsprogramm des Jahres 2016 nicht stehen bleiben können. Die Ministerin hat es schon angedeutet. Wir werden zusätzlich etwas in Bezug auf berufliche Bildung und auf Schulbegleitung tun müssen. Wenn es um die beiden Lernorte Schule und Ausbildungsbetrieb geht, sollte es neben dem Bildungsassistenten vielleicht auch Einstiegsassistenten oder Integrationsassistenten geben. Wir werben jedenfalls darum. Letzen Endes soll es um das gute Ergebnis gehen. Ob das unter dem Stichwort "Aufhebung des Kooperationsverbotes", "Nationale Bildungsallianz" oder "Gemeinschaftsaufgabe Bildung" läuft oder als Fachprogramm, wie es jetzt von der CDU/CSU und ihrer Arbeitsgruppe vorgelegt worden ist, kann am Ende wichtig sein, aber es ist nicht die entscheidende aktuelle Frage. Die entscheidende aktuelle Frage ist, ob wir im Haushalt 2017 und 2018 eine nachhaltige Fortsetzung des Integrationsaufbruchs finden, die durch diesen Haushalt vorgezeichnet ist. Darum werben wir. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dr. Rossmann. - Der nächste Redner ist Özcan Mutlu für Bündnis 90/Die Grünen. (Uwe Schummer [CDU/CSU]: Mal gucken, ob er uns lobt!) Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Rossmann, Bildungsrepublik schön und gut, aber so etwas muss sich auch in einem Haushalt des Bundes abbilden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn man sich Ihren Haushaltsentwurf anschaut, dann wird sehr schnell klar, dass Sie selbst hinter den von Ihnen formulierten bildungspolitischen Ansprüchen zurückbleiben. Wenn man sich vor Augen führt, vor welchen Herausforderungen unsere Bildungseinrichtungen stehen und welche Aufgaben sich dadurch ergeben, dass mehr als 500 000 geflüchtete Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen und ausbildungsnahen Alter in Deutschland angekommen sind, dann ist Ihr Haushalt nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) An dieser Stelle möchte ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, unseren Bundespräsidenten zur Bildung der Geflüchteten zitieren: Die Aufgabe und die Verpflichtung, Chancengerechtigkeit in unserem Land sicherzustellen, werden uns schon deshalb dauerhaft begleiten, weil wir als Einwanderungsgesellschaft noch mehr ... gefordert sein werden. Ich bin nicht immer einer Meinung mit Herrn Gauck. Aber hierin stimme ich ihm ausdrücklich zu. Ihr Haushaltsentwurf wird weder diesem Anspruch noch den Herausforderungen der Bildung im 21. Jahrhundert gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) Denn neben der dringenden Aufgabe, unsere Bildungsinstitutionen fit für die Einwanderungsgesellschaft zu machen, müssen digitale Bildung, Inklusion und Schulsozialarbeit weiter vorankommen. Hier darf sich der Bund keinen schlanken Fuß erlauben. (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das tun wir doch nicht, Herr Kollege!) - Das tun Sie. - Auch für den Bund muss Aufstieg durch Bildung und damit soziale Gerechtigkeit eine zentrale Aufgabe sein. Wir dürfen unsere Bildungseinrichtungen bei den zahlreichen wichtigen Herausforderungen nicht im Stich lassen. Aber das tun Sie. Deshalb sagen wir als Grüne: Wir brauchen viel mehr Investitionen in die Bildung. Vor allem bedarf es einer stärkeren Kooperation zwischen Bund und Ländern. Auch das Kooperationsverbot - hier schaue ich in die Reihen der SPD - muss thematisiert werden. Zusätzliche finanzielle Mittel für die Bildung, um das nötige pädagogische Personal und die Schulplätze bereitstellen zu können, müssen jetzt oberste Priorität haben. Mehr Sprachbildung, mehr psychologische Unterstützung, mehr Inklusion und mehr Chancengleichheit, darauf kommt es an, auch wenn einige in den Reihen der Union nun sagen, das sei Blabla. Für uns ist das kein Blabla. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unser Bildungssystem ist im OECD-Vergleich unterfinanziert und steht bei der Bildungsgerechtigkeit trotz Verbesserungen - diese will ich gar nicht verhehlen - weltweit ganz unten. Wir sind weiterhin Weltmeister in Bildungsungerechtigkeit. Auch das ist ein Ergebnis der heute vorgestellten Studie "Bildung auf einen Blick". (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Zu welchem Haushalt reden Sie? Zu einem Rekordhaushalt? Total das Thema verfehlt!) Sehr geehrte Frau Wanka, Sie sind vielleicht mit Mittelmaß zufrieden. Wir als Grüne sind es jedenfalls nicht. Unser Land als eines der reichsten Länder der Welt muss auch Spitzenreiter bei den Investitionen in Bildung sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zum Schluss. Kein Herz, kein Plan und kein Mut, so kann man Ihren Haushaltsentwurf in der Tat zusammenfassen. Das reicht uns nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das war die schlechteste Rede, die Sie je gehalten haben!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Mutlu. - Nächster Redner in der Debatte: Stephan Albani für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Stephan Albani (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt noch genau fünf Besucher auf der Zuschauertribüne und vielleicht den einen oder anderen Zuhörer zu Hause. Henry Ford sagte einmal: "Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes beginnt nicht in der Fabrikhalle oder im Forschungslabor. Sie beginnt im Klassenzimmer." (Beifall des Abg. René Röspel [SPD]) Für diese Aussage gibt es viele Belege. Die Wissenschaft würde die Aussage Fords insofern als eine gültige Hypothese anerkennen. Deshalb ist es wirtschaftlich sinnvoll und politisch allemal klug, dass wir die Investitionen in die Bildungs- und Forschungslandschaft Deutschlands für 2016 auf ein neues Rekordniveau heben. Seit Beginn unserer Regierungsverantwortung erhöhten wir diese von 7,6 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf nunmehr rund 16,4 Milliarden Euro im Jahr 2016. Das ist aus meiner Sicht alles andere als Mittelmaß. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch die Wissenschaft, vertreten durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, bestätigt dies. Seit 2007 ist in Deutschland eine deutliche Steigerung der Forschungsaktivitäten festzustellen. Dies hält bis heute an. Anders als früher beteiligt sich heute der Bund deutlich stärker an den Forschungsinvestitionen. Dies bezeichnet das DIW als den Politikwechsel, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass es Deutschland heute so gut geht. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist es, Herr Mutlu!) In diesem Sinne habe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ressort auch für das kommende Haushaltsjahr für einen weiteren Mittelaufwuchs gekämpft, und zwar mit Erfolg. Der Haushaltsausschuss beschloss in der vergangenen Sitzungswoche einen Etat, der die Regierungsvorlage nochmals um 50 Millionen Euro übersteigt. Damit investieren wir weiter in Wirtschaftswachstum, Forschungs- und Entwicklungsleistung und damit auch in den kontinuierlichen Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt. Um hier im Plenum noch einmal deutlich zu machen, wo die Akzente gesetzt werden, nenne ich unter anderem die zusätzlichen 20 Millionen Euro für Innovationen und Strukturentwicklungen in der beruflichen Bildung sowie die Verbesserungen beim Meister-BAföG mit 14 Millionen Euro. Das zeigt, dass ein Schwerpunkt auf der beruflichen Bildung liegt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Des Weiteren haben die Förderung einer Initiative zur Ausbildung von IT-Sicherheitsexperten am Fraunhofer-Institut und die Zuschüsse an deutsche Begabtenförderwerke einen Zuwachs um 6 Millionen bzw. 4,5 Millionen Euro erfahren. Was mich besonders freut, sind die zusätzlichen Mittel für die Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dafür haben wir uns im vergangenen Sommer starkgemacht. Ich möchte vor dem Hintergrund der Ereignisse in den letzten Wochen und Monaten hierauf noch einmal besonders eingehen. Unser Ansatz in der Bekämpfung der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten ist die Förderung der zugehörigen Gesundheitsforschung mit besonderem Augenmerk auf die Produktentwicklungspartnerschaften, auf Englisch: PDPs. Nach dem Auslaufen der ersten Förderrunde in diesem Jahr wird es nun eine zweite Förderrunde für die PDPs in den kommenden fünf Jahren geben, in denen der Mitteleinsatz auf nunmehr insgesamt 50 Millionen Euro verdoppelt wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Hier danke ich ganz besonders dem Kollegen Röspel, dass wir das gut zusammen auf den Weg gebracht haben, auch mit der Unterstützung von Anette Hübinger. Da die Ministerin eben in meine Richtung gezeigt hat, als sie vom Drängen der Fachpolitiker sprach, möchte ich mich explizit an dieser Stelle dafür bedanken, dass diesem Drängen auch nachgegeben wurde. (Beifall des Abg. René Röspel [SPD]) Die Forschung ist insgesamt auf einem guten Weg, und es gibt bereits vielversprechende Kandidaten für zukünftige Impfstoffe und Heilmittel. So stieg die Zahl der aussichtsreichen Medikamente von 350 in 2012 auf 500 in 2015. Auf diesen Lorbeeren darf man sich aber nicht ausruhen. Auch darf man den begonnenen Kampf gegen die vernachlässigten Krankheiten nicht eindimensional sehen. Primär geht es um die Verbesserung des Lebens in den ärmsten Regionen dieser Welt. Wir wollen den Menschen in ihrer Heimat eine gute Gesundheitsversorgung ermöglichen und ihnen damit auch eine Perspektive in ihrem eigenen Land bieten. Entsprechend ein gutes Leben zu fördern, das ist unser Ziel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Davon profitiert aber auch die Gesundheit der Menschen hierzulande maßgeblich. In der globalisierten Welt kehren einige längst überwunden geglaubte Krankheiten zurück und können aufgrund fehlender diagnostischer Mittel und Ausbildung nicht sofort erkannt werden. Zunehmend entwickeln die Erreger von Infektionskrankheiten Resistenzen gegen einen oder mehrere Antibiotikawirkstoffe. Resistenzen heißt an dieser Stelle, dass wir die Patienten auch hier vor Ort nicht mehr adäquat behandeln können. Hiergegen müssen wir uns mit klar angelegter Forschung in den Gesundheitsbereichen - dort wird eine Viertelmilliarde Euro investiert - für die Zukunft wappnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich betone daher bei jeder Gelegenheit, dass wir endlich verstehen müssen, dass die Ansteckungsgefahr nicht an Landesgrenzen endet. Die Weltgesundheit ist unser gemeinsames Gut. Wenn sie sich verschlechtert, betrifft dies jeden von uns - hier und überall. Daher ist es uns ein besonderes Anliegen, die Gesundheitsforschung in Deutschland weiter zu unterstützen und zu fördern; denn - Zitat -: Was nützet mir der Erde Geld? Kein kranker Mensch genießt die Welt! So hat schon Goethe pointiert gesagt. Dieser Erkenntnis trug auch der G-7-Gipfel der Gesundheits- und Forschungsminister Rechnung. Wir haben nun die Aufgabe, die entsprechenden Beschlüsse voranzutreiben, in Programme umzusetzen und konkrete Aktionspläne zu vereinbaren. Unsere Politik kann und muss also wichtige Impulse setzen. Wir können das, wie wir es mit der Schwerpunktsetzung in diesem Haushalt erneut gezeigt haben. Wir brauchen in Deutschland Wissenschaft und Forschung auf höchstem Niveau. Das ist wichtig, was die Spitze angeht, aber auch, was die Wirkung in der Breite angeht. Genau deshalb haben wir gemeinsam mit der Bundesregierung die Gesundheitsforschung nicht nur in den zurückliegenden Jahren weiter gestärkt. Dies ist nicht zuletzt ein wichtiges Signal für unsere Gesundheitswirtschaft, die zusammen mit dem Gesundheitssystem in Deutschland einen erheblichen Wirtschaftsfaktor ausmacht. Mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden dort erwirtschaftet. Für diese notwendigen Innovationen in der Gesundheitswirtschaft haben die Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft bereits intensive Anstrengungen unternommen. Seite an Seite mit der öffentlichen Hand können sie die Zukunftsfähigkeit unseres Systems sichern. In Anbetracht dieser Herausforderungen haben wir den Auftrag, weiterhin konsequent einen integrierten Politikansatz zu verfolgen. Hier gibt es aus meiner Sicht noch einiges zu tun; denn die Innovationen brauchen durchschnittlich 14 Jahre, bis sie beim Patienten ankommen. Hier muss Forschung noch deutlich mehr leisten. Wir müssen in der Lage sein, dieses zu beschleunigen. Stellen Sie sich einen Patienten vor, der in einem Wissenschaftsmagazin liest, dass wir im Bereich der Forschung Mittel und Methoden, Medikamente und Therapien gegen seine Erkrankung entwickelt haben. Er schöpft Hoffnung und muss dann erfahren, dass es nun noch 10 bis 20 Jahre dauert, bis er von dieser Entwicklung profitiert. Das muss sich ändern. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Unsere Investitionen in die Gesundheit der Menschen müssen schneller Früchte tragen. Wir investieren in medizinische Forschung und brauchen einen schnelleren Transfer zum Nutzen der Patienten. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Bereitstellung weiterer Gelder wollen wir im kommenden Jahr die Digitalisierung und den damit verbundenen digitalen Wandel fördern. Auch dies ist ein wichtiger Impuls, nicht nur für die großen Unternehmen und einzelne Branchen, sondern gerade für den Mittelstand und annähernd jeden Sektor unserer Volkswirtschaft. Wie wir mit der Digitalisierung unserer Gesellschaft umgehen, wird über die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands - hiermit begann ich - in der Zukunft wesentlich entscheiden. Mit dem erneuten Aufwuchs der Mittel für Bildung und Forschung in Deutschland haben wir deutlich gemacht, dass wir mit unserer Politik diese Zukunftsfragen anpacken. 16,4 Milliarden Euro - dies ist alles andere als Mittelmaß, Herr Mutlu -, investiert in Bildung, in Forschung, in die Köpfe der Menschen, in die Ideen von morgen, das ermöglicht Zukunftschancen pur. Diesen Weg beschreiten wir, und diesen Weg werden wir auch konsequent weitergehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie sich die Studie einmal genau an!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächste Rednerin: Beate Walter-Rosenheimer für Bündnis 90/Die Grünen. Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste und Zuhörerinnen und Zuhörer! Es gibt im aktuellen Haushalt der Bundesregierung so viele Versäumnisse, dass meine knappe Redezeit nicht ausreicht, sie alle namentlich zu nennen. Deshalb möchte ich mich auf einen sehr aktuellen und wichtigen Aspekt in der Flüchtlingspolitik beschränken. Er steht exemplarisch dafür, dass in dieser Regierungskoalition Selbstdarstellung manchmal offenbar mehr zählt als politischer Gestaltungswille. Wir alle wissen, dass der Zugang zu Bildung der zentrale Schlüssel zur Teilhabe von Flüchtlingen ist. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass Sie mir alle zustimmen, dass gerade die berufliche Bildung dabei ganz entscheidend ist. Deshalb war ich sehr überrascht, als Sie, Frau Ministerin, vor einigen Wochen stolz Ihren neuesten Coup zum Nachtragshaushalt verkündeten: 130 Millionen Euro möchten Sie für die Ausbildung und Bildung von jungen Flüchtlingen in den nächsten Jahren investieren. Das ist angesichts von Hunderttausenden jungen Flüchtlingen, die allein dieses Jahr zu uns kommen, doch irgendwie ein schlechter Scherz. Quer durch die Republik sind sich Bildungsexpertinnen und Bildungsexperten, Politikerinnen und Politiker, Gewerkschafter und Arbeitgeber einig, dass der so dringend notwendige Ausbau von Sprachkursen, die Aufstockung von Lehrkräften und zusätzliche sozialpädagogische und psychologische Betreuung viele Milliarden Euro kosten werden. Entweder irrt die ganze Republik, oder aber diese Republik hat eine Bildungsministerin, die - verzeihen Sie bitte - in ihrem Elfenbeinturm tatsächlich glaubt, mit ein paar Millionen sei schon ein Bildungsstaat zu machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nein, jeder Euro, den wir heute in die Chancen von jungen Menschen investieren, ist eine gute Investition in die Zukunft. Ich fordere Sie deshalb auf: Lassen Sie uns nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, Stichwort "Gastarbeiter". Integration durch Bildung kann es nicht zum Nulltarif geben. Haben Sie den Mut, eine echte Bildungsoffensive für Flüchtlinge zu starten. Wer von Bildung und Integration spricht, der muss auch mit Mut und Verstand über notwendige Investitionen in Milliardenhöhe sprechen. Trauen Sie sich doch einfach, das zu sagen. Das gilt übrigens auch für die Große Koalition. Ein Blick auf Ihren Änderungsantrag zum Titel "Innovationen und Strukturentwicklungen in der beruflichen Bildung" zeigt leider, dass Innovation nicht Ihre Stärke ist. Mit zusätzlich 20 Millionen Euro sollen die Potenzialanalysen und die Beratungsstellen für Flüchtlinge ausgebaut werden. Das ist wichtig, ja. Aber glauben Sie ernsthaft, dass das ausreicht, um junge Flüchtlinge auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten? (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nein, da wird auch noch mehr kommen müssen!) Dass Innovation für Sie ein Fremdwort ist, zeigt schließlich auch die fehlende Ausbildungsgarantie, auf die wir immer noch vergeblich warten. Stattdessen pumpen Sie lieber Jahr für Jahr über 4 Milliarden Euro in einen ineffizienten Übergangsdschungel, aus dem kaum ein junger Mensch mit anerkanntem Berufsabschluss herausgeht. Haben Sie doch den Mut, die berufliche Bildung in Deutschland vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das hilft allen, vor allem auch den jungen Flüchtlingen, die hier eine Perspektive haben wollen. Sie brauchen Taten und nicht nur warme Worte. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollegin Walter-Rosenheimer. - Die nächste Rednerin ist Saskia Esken für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Saskia Esken (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! "Bildung", so sagte schon Aristoteles, "ist der beste Reiseproviant für die Reise zum hohen Alter." Dieser Bundeshaushalt für Bildung und Forschung erhält wichtige Signale dafür, dass wir die Menschen in diesem Land mit einem gut gepackten Rucksack in die Zukunft schicken wollen. Es ist uns wieder gelungen, mehr in Bildung und Forschung, mehr in die Köpfe der Menschen und damit auch mehr in die Zukunft unseres Landes zu investieren. Wir knüpfen damit nahtlos an eine Politik an, die die SPD in Regierungszeiten immer vorangetrieben hat. Ich will sehr gerne dem SPD-Haushälter für Bildung und Forschung, dem Kollegen Swen Schulz, sozusagen stellvertretend für alle anderen Haushälter und für weitere Beteiligte meinen herzlichen Dank aussprechen. (Beifall bei der SPD) Mit welchen Bildern beschäftigen wir uns derzeit, meine sehr verehrten Damen und Herren? Es sind Bilder von Flüchtlingen, die auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg und Terror am Ende einer gefährlichen Odyssee bei uns ankommen. Die Ankunft dieser Menschen in Deutschland lässt auch die Bildungspolitik nicht unberührt. Wir alle wissen, dass die Integration der Menschen, die mit fremder Muttersprache und aus einer anderen Kultur zu uns kommen, in unsere Gesellschaft eine große Aufgabe ist; aber wir machen das schon. Wie überall müssen wir jetzt auch im Bildungsbereich Wege finden, um die Integration zu unterstützen, und zwar am besten ohne viel Bürokratie und ohne es zu kompliziert zu machen. Ohne Geld aber - da sind wir uns sicher einig - geht es nicht. Der aktuelle Haushalt sichert deshalb als einen ersten Schritt die Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Integration von Geflüchteten finanziell ab. Insgesamt fast 130 Millionen Euro - wir haben es schon gehört - werden hier bereitgestellt. Mit rund 100 Millionen Euro wollen wir die Grundbildung und die kulturelle Bildung unterstützen. Die mobilen Endgeräte wie Smartphones, die die meisten Flüchtlinge besitzen, bieten hierbei die große Chance, viele Anwender zu erreichen. Dazu müssen aber Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter ausgebildet werden, die vor Ort unterstützen. Das sind hoch sinnvolle Investitionen, wie ich meine. Bei dem Vorhaben, eine neue Deutsch-Lern-App zu entwickeln, bin ich mir da nicht ganz so sicher. Nach meiner Information gibt es bereits eine ganze Anzahl solcher Angebote, seien es die Deutschkurse des Goethe-Instituts oder anderer Anbieter, seien es die YouTube-Videos, mit denen Professor Jürgen Handke von der Universität Marburg Menschen mit Arabisch als Erstsprache beim Lernen der deutschen Aussprache unterstützt. Solche Angebote sind mit viel linguistischem und didaktischem Sachverstand und Fachwissen entwickelt worden. Deshalb müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Weitere 27 Millionen Euro investieren wir in die Eingliederung von Geflüchteten ins akademische Bildungssystem; denn nicht wenige von ihnen bringen die Befähigung zum Studium prinzipiell mit. Wir investieren in die Feststellung der Studierfähigkeit, aber natürlich auch in die Vermittlung von Sprachkenntnissen und in zusätzliche Vorbereitungskurse. Damit unser Bildungssystem jungen Flüchtlingen und anderen bildungsbenachteiligten jungen Menschen, also allen, die besondere Förderung brauchen, besser gerecht werden kann, hat die SPD-Fraktion den Vorschlag einer nationalen Bildungsallianz ausgearbeitet. Dieser Vorschlag enthält ganz konkrete Ziele und Maßnahmen, die unser Bildungssystem für die vor ihm liegenden Aufgaben stark machen. Wir machen darin aber auch eines ganz deutlich: Wenn der Bund in der anstehenden Dekade der Integration das Bildungssystem erfolgreich unterstützen soll, dann muss das sogenannte Kooperationsverbot aufgehoben werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Neben der Dekade der Integration, die auch eine Dekade für mehr Bildungsgerechtigkeit sein muss, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht eine weitere große politische Gestaltungsaufgabe auf der Agenda, und das ist die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Vergangene Woche hat Wirtschaftsminister Gabriel bei der Eröffnung des Nationalen IT-Gipfels den Vorschlag von Ministerin Wanka aufgegriffen, die digitale Bildung zum Leitthema des IT-Gipfels 2016 zu machen. Ich freue mich sehr über die Unterstützung dieses wichtigen Themas. Sowohl der Koalitionsvertrag als auch die Digitale Agenda der Bundesregierung formulieren das Vorhaben, gemeinsam mit den Bundesländern und anderen Akteuren des Bildungssystems eine gemeinsame Strategie "Digitales Lernen" zu entwickeln und umzusetzen. - So weit ein Zitat. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Union haben dieses Vorhaben, wie Sie alle wissen, durch einen gemeinsamen Antrag nochmals bestärkt und konkretisiert. Das Parlament hat dies am 2. Juli dieses Jahres auch so beschlossen. Deshalb freue ich mich, wie der Wirtschaftsminister es formuliert hat, darauf, wenn im IT-Gipfel-Jahr, das nun begonnen hat, bei diesem Vorhaben konkrete Fortschritte erreicht werden, die wir im Herbst 2016 beim nächsten Nationalen IT-Gipfel vorstellen können. Im Zusammenhang mit dem genannten Beschluss des Bundestags hatte meine Fraktion die Forderung formuliert, die Mittel für die digitale Bildung im Bundeshaushalt auf 60 Millionen Euro aufzustocken. Es ist sehr, sehr bedauerlich, dass es uns für das kommende Haushaltsjahr nicht gelungen ist, diese Forderung durchzusetzen. Deutschland hat immer gut daran getan, in die Köpfe der Menschen zu investieren. Wie wir aus verschiedenen Studien leider erfahren müssen, sind deutsche Schülerinnen und Schüler bei digitalen Kompetenzen im internationalen Vergleich eher unteres Mittelfeld. Ich halte es deshalb geradezu für fahrlässig, bei der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft womöglich den Anschluss zu verpassen, indem wir die Bildung vernachlässigen. Natürlich ist es mit Investitionen auf Bundesebene nicht getan. Auch die Länder müssen ihre Hausaufgaben erledigen. Gerade bei einer so wichtigen Zukunftsaufgabe braucht es aber eine gemeinsame Strategie. Bund, Länder und Kommunen, aber auch die weiteren Akteure müssen die digitale Bildung deshalb als gemeinsame Aufgabe anerkennen und die Strategie "Digitales Lernen" jetzt endlich gemeinsam angehen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine der wichtigsten Aufgaben der Politik besteht darin, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, wie wir es ja beim vorliegenden Haushalt mit der Flüchtlingsthematik gemacht haben. Besonders im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche ist es auch im Bereich der digitalen Bildung unser Auftrag, auf neue Herausforderungen die richtigen politischen Antworten zu geben. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Esken. - Nächster Redner: Dr. Wolfgang Stefinger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon wieder ein Rekordhaushalt im Bereich Bildung und Forschung: 16,4 Milliarden Euro, ein Aufwuchs von 1,1 Milliarden Euro gegenüber dem laufenden Jahr. Das ist ein, wie ich finde, wichtiges Signal der Koalition, ein wichtiges Signal für die Zukunft Deutschlands, für die Investitionen in unser Land, und das trotz aktueller Herausforderungen durch die Flüchtlingskrise. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Was bisher noch nicht gesagt wurde: Wir machen dies möglich auch ohne neue Schulden. Nie zuvor ist so viel Geld in Bildung und Forschung investiert worden. Das Geld wird nicht nur ausgegeben, sondern eben auch klug in Zukunftsthemen investiert, wie es von der OECD - die Frau Ministerin hat es angesprochen - oder auch vom EFI-Gutachten bestätigt wird. Es ist ja heute die Verantwortung der Länder angesprochen worden. Das ist richtig. Ich wollte das Thema Flüchtlinge eigentlich nicht ansprechen, aber ich möchte das jetzt doch kurz tun, weil auch hier ein Blick auf Bayern, auf mein Heimatbundesland, helfen kann. (Zuruf von der CDU/CSU: Das hilft fast immer!) Wir schaffen über 1 000 neue Lehrerstellen, gerade was den Bereich Flüchtlinge angeht. (Beifall bei der CDU/CSU - René Röspel [SPD]: Rund 3 000 in NRW! Wir sind mit Bayern solidarisch!) Das muss man auch einmal erwähnen, vor allem, nachdem Thüringen angesprochen wurde. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es dort 500 neue Lehrerstellen; das ist richtig. Aber 800 Lehrer gehen in Pension. Das macht nach meiner Rechnung dann ein Minus. Das muss man auch festhalten dürfen. (Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine spontane Rückfrage? Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): Nein. (René Röspel [SPD]: Uns interessiert die Frage, wie viele jetzt in Bayern in Pension gehen!) Ich darf bitte in meiner Rede fortfahren und möchte den Blick jetzt vor allem auf unseren Koalitionsvertrag richten; denn ich möchte festhalten, dass wir Wort halten und alle Vorhaben des Koalitionsvertrags Schritt für Schritt umsetzen. Die berufliche Bildung ist schon angesprochen worden; das Meister-BAföG ist bereits angesprochen worden. Wir wollen weiterhin die Ausbildungsordnungen modernisieren und eventuell, wenn es notwendig ist, auch neue Ausbildungsberufe schaffen. Reduzieren wollen wir im Übrigen die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss durch Förderung und intensive Berufsorientierung und -beratung. Wir halten Wort bei der Exzellenzinitiative. Bis 2017 trägt der Bund rund 2 Milliarden Euro der insgesamt 2,7 Milliarden Euro. Wir halten Wort bei den Aufwüchsen für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die Zuwendungen steigen im Jahr 2016 um 3 Prozent. Ich darf daran erinnern, dass diesen Aufwuchs der Bund alleine schultert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist wiederum eine Entlastung der Länder um 1,2 Milliarden Euro. Wir halten Wort und fördern weiter konsequent die Grundlagenforschung und schaffen finanzielle Planungssicherheit bei den Forschungseinrichtungen. Die Forschungsorganisationen verpflichten sich im Übrigen, dafür dann forschungspolitische Ziele umzusetzen, unter anderem die Nachwuchsförderung, den Transfer, die Gleichstellung und den Ausbau von Vernetzung und Kooperationen, was dann im Monitoringbericht dargelegt und überprüft wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Digitalisierung ist schon angesprochen worden. Wir hatten in der letzten Sitzungswoche einen Antrag zum Thema Industrie 4.0. Wir wissen alle: Die Digitalisierung unserer Produktion, unseres Wirtschaftens ist ein bedeutendes Zukunftsprojekt. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, eine Aufgabe von Wirtschaft, Wissenschaft, Staat und Gesellschaft. Die Digitalisierung wird die kommenden Jahre noch mehr prägen. Wir wollen diese Entwicklung aktiv mitgestalten, weil sie von herausragender Bedeutung ist. Ein wichtiger Baustein hierfür ist die Datensicherheit. Wir haben im Frühjahr 2015 das Forschungsrahmenprogramm zur IT-Sicherheit mit zahlreichen Förderaktivitäten im Bereich der Sicherheitsforschung beschlossen, ein Programm, das mit 180 Millionen Euro aus dem Etat des Bundesbildungs- und -forschungsministeriums gefördert wird. Fraunhofer leitet das Projekt zum Industrial Data Space. Ziel ist, einen branchenübergreifenden, sicheren, vernetzten Datenraum zu schaffen. Gerade diese Initiative, meine sehr geehrten Damen und Herren, findet international große Beachtung. Wir sind eben hier nicht das Schlusslicht, sondern wir sind ganz vorne mit dabei. Wir wollen Standards setzen. Deswegen sind in diesem Haushalt auch 5 Millionen Euro für diesen Bereich vorgesehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Außerdem investieren wir 6 Millionen Euro bei Fraunhofer für die Ausbildung zum Fachexperten für IT-Sicherheit; denn Deutschland steht aufgrund seiner Innovations- und Wirtschaftskraft, deren Grundlage wiederum auch im Bildungs- und Forschungsbereich liegt, bei Cyberkriminellen weit oben auf der Liste, und hier entstehen jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Deswegen ist Forschung auf dem Gebiet der IT- und Datensicherheit wichtig, aber eben auch die Ausbildung von Anwendungsexperten. Beides findet sich jetzt in diesem Haushalt. Dafür vielen Dank! (Beifall bei der CDU/CSU) Wir alle wollen die Wettbewerbsfähigkeit, unsere Innovationskraft und unseren Wohlstand sichern. Wir wollen, dass Deutschland Leitanbieter im Bereich Industrie 4.0 ist und dass Deutschland weiterhin der Fabrikausrüster der Welt bleibt. Das heißt, Chancen nutzen, Herausforderungen angehen und den Prozess beschleunigen. Ich bin sehr dankbar - ich habe das in der letzten Sitzungswoche schon gesagt -, dass sich die Plattform Industrie 4.0 so dynamisch entwickelt, seitdem auch das Bildungs- und Forschungsministerium mit an Bord ist. Dafür vielen Dank an Sie, Frau Ministerin, und an Ihr Haus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD]) Wir investieren aber auch im Bereich Weiterbildung. Das Thema Digitalisierung bringt natürlich auch Veränderungen mit sich. Mancher Arbeitsplatz, manche Tätigkeitsbeschreibung werden sich verändern. Das Programm "Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen" wird bis 2020 mit 1 Milliarde Euro gefördert. Hier stehen vor allem die Erforschung von technischen Entwicklungen in der Arbeitsorganisation und in Arbeitsprozessen, die Forschung zur Kompetenzentwicklung sowie zu Bedingungen für eine gute Beschäftigungsentwicklung und Arbeitsqualität sowie die Gesundheit am Arbeitsplatz im Fokus. Wir stärken mit diesem Haushalt auch die überbetrieblichen Bildungsstätten sowie den Bereich Weiterbildung und lebenslanges Lernen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt festzuhalten: Im Bildungs- und Forschungsbereich wird kräftig investiert - im frühkindlichen Bereich, wenn ich an das Haus der kleinen Forscher denke, über die Studien- und Berufsförderung, die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, die Förderung im Bereich "Mensch-Technik-Interaktion", die Spitzencluster, die Sensorik bis hin zum Gesundheitsbereich, dem Hochschulpakt und dem Pakt für Forschung und Innovation, um nur einige zu nennen. Das alles ist gut, das ist richtig und für die Zukunft unseres Landes entscheidend. Von daher sage ich einen herzlichen Dank allen Haushältern, meinen Kollegen im Ausschuss, auf die die Haushälter gehört haben, (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Dank zurück!) aber auch Ihnen, liebe Frau Ministerin, Ihren Staatssekretären und Ihrem ganzen Haus. Auf weiterhin gute Zusammenarbeit! Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dr. Stefinger. - Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Ralph Lenkert. (Uwe Schummer [CDU/CSU]: Jetzt mal etwas Neues! - Michaela Noll [CDU/CSU]: Aber kurz!) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Herr Kollege Stefinger, so ist das mit Zahlen, die man nicht vollständig kennt. Nach 24 Jahren CDU-geführter Landesregierung ist unser Lehrkörper in Thüringen hoffnungslos überaltert. Im Gegensatz zu Bayern sind die Lehrer oftmals nicht pensioniert. Und aus dem aktiven Dienst scheiden weniger als 500 Lehrerinnen und Lehrer jährlich aus. Der Rest ist schon unter der unionsgeführten Regierung in den Ruhestand getreten, und die Union hatte während ihrer Regierungszeit keinen Ersatz vorgesehen. Das heißt, hätten wir die Pläne der Union fortgesetzt, dann hätten wir jetzt nicht diese 500 zusätzlichen Stellen. Zu diesen Stellen hinzu kommt eine Vertretungsreserve. Das heißt, wir korrigieren jetzt die Fehler, die von den Regierungen davor gemacht wurden. Um Ihnen das mit Zahlen zu belegen: Im Haushalt der letzten unionsgeführten Landesregierung standen für allgemeinbildende und berufliche Schulen 1,46 Milliarden Euro im Jahr zur Verfügung. (Uwe Schummer [CDU/CSU]: Sind wir im Landtag, oder wie?) Im nächsten Jahr wird die rot-rot-grüne Thüringer Landesregierung 1,57 Milliarden Euro ausgeben. Das sind fast 10 Prozent mehr. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Das sind höhere Steigerungsraten als im Bundeshaushalt. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Das ist Politik für Bildung und Zukunft. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ich dachte, das war spontan! So spontan kann das aber nicht gewesen sein! - Gegenruf des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das war auch die Interpretation der Präsidentin!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Stefinger, wenn Sie mögen. Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): Herr Kollege, ich danke für den Hinweis, habe aber Ihrer Antwort nicht entnehmen können, was speziell für den Bereich Flüchtlinge vorgesehen ist. Vizepräsidentin Claudia Roth: Letzter Redner in der Debatte ist René Röspel für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) René Röspel (SPD): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mach' es kurz und schmerzlos!) Es ist schon merkwürdig, wie sauber bei Regierung und Opposition zwischen Kritik und Lob getrennt wird. Ich finde, manchmal gehört auch ein bisschen Selbstkritik zum Lob dazu. Wenn man vier Sitzungswochen und dazwischen eine sitzungsfreie Woche hat, ist ein Praxis- oder Realitätscheck angebracht. Dann kann man sehen, was die Menschen im Wahlkreis von dem wahrnehmen, was wir im Bereich Bildung und Forschung machen. Ich habe fünf Beispiele aus der letzten Woche mitgenommen, die unseren Zustand aufzeigen. Das erste Beispiel. Ich war am Sonntag beim Tag der offenen Tür des Max-Planck-Institutes für molekulare Physiologie in Dortmund. Keine Angst, es ist nicht mein Wahlkreis, und es ist auch der falsche Fußballverein. (Heiterkeit bei der SPD) Ich kenne das Institut seit Mitte der 90er-Jahre. Damals herrschte verhaltener Optimismus; es gab gute Chemiker und Physiker - sie hatten interessanterweise damals keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Die wissenschaftliche Reputation, das Engagement waren eher verhalten. Am Sonntag war es ganz anders: neues Gebäude, 500 Mitarbeiter, man platzt aus den Nähten. Ich habe viele junge engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler getroffen, die begeistert Forschung machen, Topforschung; der neueste ERC Grant ist gerade eingeworben. Es ist eine ganz andere Stimmung als noch vor 20 Jahren. Ich finde, man wird auch in Jena und vielen anderen Universitäten und Hochschulen des Landes feststellen, dass sich vieles getan hat. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will auch deutlich sagen: nicht erst seit 2005. Es war gar nicht so einfach; denn es war eine rot-grüne Koalition, die unter Bundesministerin Bulmahn den Pakt für Forschung und Innovation auf den Weg gebracht hat. Seitdem gibt es verlässlich mehr für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen; manchmal 3, manchmal 5 Prozent. Genau das war es, was sie gebraucht haben. Alle Fraktionen, jedenfalls bis zu dieser Stelle, von rechts aus gesehen, haben in den letzten Jahren ihren Beitrag geleistet. Wir alle können ein bisschen stolz darauf sein, dass Deutschland im wissenschaftlichen Bereich recht gut dasteht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zweites Beispiel. Ähnlich war es im Bereich der Fachhochschulen. Als wir uns 1998/99 den ersten Haushalt angesehen haben, handelte es sich um 10 Millionen D-Mark für die Fachhochschulen. Im Ministerium hatte man den Eindruck: Das ist ein Bereich, der sich totlaufen wird und für den sich keiner interessiert. Das war mühsame Arbeit. Auch da haben alle in den letzten Jahren mitgewirkt, dass wir mittlerweile einen Etatansatz von 48 Millionen Euro für die Forschung an Fachhochschulen haben. Das ist ganz wichtig und ein Motivationsschub. Damit können wir Verlässlichkeit hineinbringen. Auch hier haben viele ihren Anteil beigetragen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Letzte Woche hatte ich einen Termin zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz mit Fachhochschulen und Universitäten. Dabei handelt es sich eigentlich um einen Arbeitsrechtsvertrag. Es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber am Ende kamen wir zu dem grundsätzlichen Problem, dass die Hochschulen in diesem Land immer noch zu schlecht grundfinanziert sind und dass der Mittelbau wegbricht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das sagen wir doch!) Das kann nur eine gemeinsame Aufgabe über den Hochschulpakt und über 2020 hinaus sein. Die BAföG-Mittel - das sind die Mittel für den Eurofighter 1990; wer sich daran erinnert. Das Geld haben wir verbraucht; das ist schon längst ausgegeben. (Zuruf des Abg. Albert Rupprecht [CDU/CSU]) - Stellen Sie eine Zwischenfrage, Herr Rupprecht. Darauf würde ich gerne antworten. Aber so viel Zeit habe ich jetzt nicht. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das traut er sich doch gar nicht!) Ich finde, es bleibt eine gemeinsame Aufgabe. Wir können die Hochschulen nicht alleinelassen, die Länder und Kommunen auch nicht. Drittes Beispiel. Ich habe mir im Wahlkreis das Projekt "JUGEND STÄRKEN im Quartier" angesehen, das drei Städte zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt machen. Hier geht es darum, jugendliche Schulabsenten, also Schulverweigerer, sozusagen von der Straße zu holen und dahin zu führen, dass sie wieder zur Schule gehen, und darum, sie dafür zu begeistern. Dieses Projekt wird übrigens vom Umweltministerium und vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert, nicht vom Bildungsministerium. Ich habe die Engagierten gefragt: Was braucht ihr, und was seht ihr als zentralen Punkt, um zu verhindern, dass Jugendliche in die Situation kommen, in der sie nicht mehr zur Schule gehen wollen und keinen Bock mehr haben? Da haben sie gesagt: Macht Schulsozialarbeit! (Beifall bei der SPD - Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ja, genau! Das brauchen wir!) Ihr vom Bund habt mal ein Programm zur Schulsozialarbeit gemacht. Am besten ist es, damit in den Grundschulen anzufangen. Warum macht das der Bund nicht mehr? Es gibt doch ein Bundesbildungsministerium. - Da musste ich erklären, dass das Ministerium in der Regel mit beruflicher Bildung befasst ist, auch wenn es manchmal Pressemitteilungen zu Lesestart und anderen Bildungsmaßnahmen veröffentlicht, und dass es schwierig war, in den Koalitionsverhandlungen einen entsprechenden Beschluss mit dem Koalitionspartner hinzubekommen. Da müssen wir selbstkritisch sein und an uns selber appellieren: Wir müssen in diesem Bereich aktiv werden, wenn wir nicht wollen, dass wir Kinder und Jugendliche verlieren, die wir dann nur über Programme einfangen können, die schwierig aufzustellen sind, weil sie von zwei Ministerien finanziert werden müssen. Das vierte Beispiel. Die Bundesagentur für Arbeit in Hagen hat einen Arbeitnehmertag durchgeführt, Stichwort: Arbeit 4.0. Da habe ich mich sehr gefreut, sagen zu können: Wir haben schon im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir Arbeitsforschung betreiben. - Ich will ausdrücklich sagen: Die Mittel in Höhe von 89 Millionen Euro in den Etats von 2015 und 2016 können ausgebaut werden; da müssen wir besser werden. - Das war aber ein Punkt, bei dem man gut zeigen konnte: Die Politik ist nicht hintendran, sondern hat das Thema auf dem Schirm. Wir müssen nämlich wissen, wie wir zukünftig arbeiten werden und was wir anbieten können. Das fünfte Beispiel war mir eigentlich das liebste. Viele von Ihnen waren wahrscheinlich auch am Internationalen Tag der Kinderrechte in der letzten Woche an Schulen unterwegs. Ich war in einer dritten und vierten Klasse der Grundschule Pestalozzi in Gevelsberg und einer siebten Klasse des Ricarda-Huch-Gymnasiums in Hagen. Dort bin ich auf tolle Kinder gestoßen, die von ihren Lehrern gut vorbereitet waren und ganz viele Fragen hatten. Als ich sie gefragt habe: "Was meint ihr, was für euch wichtige Rechte sind?", haben sie geantwortet: Nicht geschlagen zu werden, keinen Krieg zu erleben, mit den Eltern zusammen zu sein. - Das fand ich spannend. Es gab ganz viele spannende Fragen der Kinder. Eine Frage war, was wir denn machen, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Da konnte ich sagen, dass wir im Forschungsbereich ein Programm haben, mit dem wir bekämpfen, dass Krankheiten in der Dritten Welt ganze Länder lahmlegen, so wie es bei Ebola der Fall war. Ich konnte also ein positives Beispiel dafür nennen, was wir hier tun. Da müssen wir aber noch zulegen. Die zweite Frage: Wie kann man eigentlich Konflikte und Krisen verhindern, und was kann man tun, wenn sie ausgebrochen sind? Da konnte ich darauf verweisen - danke an die Haushälter -, dass wir mehr Geld für Friedens- und Konfliktforschung ausgeben, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) weil es ganz wichtig ist, zu wissen, wie Kriege entstehen und wie man sie möglicherweise verhindern oder wieder eindämmen kann. Ein letzter Punkt, der mich sehr beeindruckt hat - Väter und Mütter kennen das -: die Angst der Kinder, von ihren Eltern getrennt zu sein. Diese Angst habe ich sehr häufig wahrgenommen; die Kinder meinten das ganz ernst. Auf eine entsprechende Frage hin habe ich gesagt: Ich halte es für unmenschlich, wenn man Kinder von ihren Eltern trennt. - Jetzt hat die CSU, liebe Kollegen, am Samstag die Forderung beschlossen, den Familiennachzug größtmöglich einzuschränken. Da bin ich gespannt, was Sie eigentlich diesen Kindern antworten würden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Röspel. - Sie haben am Anfang gesagt, dass der BVB der falsche Verein ist. Als Fußballfan bin ich jetzt natürlich interessiert, zu wissen, was denn der richtige Verein ist. (René Röspel [SPD]: Schalke!) - Kein Kommentar. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 - Bundesministerium für Bildung und Forschung - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken angenommen. Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung für morgen, Mittwoch, den 25. November, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. (Schluss: 19.23 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 24.11.2015 Binder, Karin DIE LINKE 24.11.2015 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.11.2015 Ernstberger, Petra SPD 24.11.2015 Gundelach, Dr. Herlind CDU/CSU 24.11.2015 Gysi, Dr. Gregor DIE LINKE 24.11.2015 Hartmann, Sebastian SPD 24.11.2015 Heiderich, Helmut CDU/CSU 24.11.2015 Jung, Andreas CDU/CSU 24.11.2015 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.11.2015 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.11.2015 Lagosky, Uwe CDU/CSU 24.11.2015 Launert, Dr. Silke CDU/CSU 24.11.2015 Neu, Dr. Alexander S. DIE LINKE 24.11.2015 Nissen, Ulli SPD 24.11.2015 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.11.2015 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.11.2015 Schick, Dr. Gerhard BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24.11.2015 Schnieder, Patrick CDU/CSU 24.11.2015 Strässer, Christoph SPD 24.11.2015 Westphal, Bernd SPD 24.11.2015 Wicklein, Andrea SPD 24.11.2015 13612 Deutscher Bundestag - 18. Wahlperiode - 138. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 24. November 2015 Deutscher Bundestag - 18. Wahlperiode - 138. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 24. November 2015 13613 Plenarprotokoll 18/138