Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 184. Sitzung Berlin, Freitag, den 8. Juli 2016 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18217 D Christine Lambrecht (SPD) 18219 A Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) 18220 A Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) 18221 B Tagesordnungspunkt 33: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) Drucksachen 18/8860, 18/9096 18222 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) Drucksachen 18/8832, 18/8972, 18/9096 18222 D Johann Saathoff (SPD) 18222 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 18224 A Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) 18225 A Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18226 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 18227 C Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18229 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) 18230 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) 18231 A Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18233 A Bernd Westphal (SPD) 18234 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) 18235 A Namentliche Abstimmung 18236 D Ergebnis 18239 D Tagesordnungspunkt 34: a) Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Genehmigungen für Rüstungsexporte in die Staaten des Golfkooperationsrates widerrufen und keine neuen erteilen Drucksache 18/8930 18237 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Waffenexporte in die Golfregion verbieten Drucksachen 18/768, 18/1674 18237 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jemen – Militärische Intervention stoppen – Neue Friedensverhandlungen beginnen Drucksachen 18/5380, 18/6145 18237 B Jan van Aken (DIE LINKE) 18237 C Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) 18242 B Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18244 C Ulrich Hampel (SPD) 18246 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18246 B Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) 18247 A Matthias Ilgen (SPD) 18249 A Jan van Aken (DIE LINKE) 18249 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18250 D Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 18251 D Jan van Aken (DIE LINKE) 18253 C Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) 18254 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18254 D Barbara Lanzinger (CDU/CSU) 18255 D Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) 18256 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes Drucksachen 18/4624, 18/9093 18257 D Rita Stockhofe (CDU/CSU) 18258 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 18259 A Petra Crone (SPD) 18259 D Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18261 A Cajus Caesar (CDU/CSU) 18262 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes Drucksache 18/9040 18263 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Konstantin von Notz, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste Drucksache 18/8163 18263 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 18263 D Dr. André Hahn (DIE LINKE) 18265 B Uli Grötsch (SPD) 18266 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18267 C Clemens Binninger (CDU/CSU) 18269 A Gabriele Fograscher (SPD) 18270 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18272 A Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 18272 B Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes Drucksache 18/9041 18274 A Peter Altmaier, Bundesminister für besondere Aufgaben 18274 B Dr. André Hahn (DIE LINKE) 18276 A Dr. Eva Högl (SPD) 18277 C Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18279 B Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) 18280 B Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 18281 D Burkhard Lischka (SPD) 18283 C Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Steffi Lemke, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen Palmölproduktion verankern Drucksache 18/8398 18285 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18285 B Jürgen Klimke (CDU/CSU) 18286 B Niema Movassat (DIE LINKE) 18288 B Stefan Rebmann (SPD) 18289 C Peter Stein (CDU/CSU) 18291 A Nächste Sitzung 18292 D Berichtigung 18292 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 18293 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg), Edelgard Bulmahn, Dr. h. c. Gernot Erler, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Ulli Nissen, Dr. Simone Raatz, Gerold Reichenbach, René Röspel, Svenja Stadler, Christoph Strässer und Kerstin Tack (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) 18293 D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriela Heinrich und Martina Stamm-Fibich (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) 18295 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hilde Mattheis und Dr. Nina Scheer (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) 18296 C Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) 18297 D Marco Bülow (SPD) 18298 A Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) 18298 D Gabriele Hiller-Ohm (SPD) 18300 A Ulrich Kelber (SPD) 18301 B Daniela Kolbe (SPD) 18302 A Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD) 18303 B Bettina Müller (SPD) 18304 B Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/ CSU) 18305 C Dr. Martin Rosemann (SPD) 18305 C Sarah Ryglewski (SPD) 18306 B Anlage 6 Amtliche Mitteilungen 18306 C 184. Sitzung Berlin, Freitag, den 8. Juli 2016 Beginn: 9.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich zu unserer voraussichtlich letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause. (Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor!) Gestern Abend hat in Marseille ein Fußballspiel stattgefunden, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir deswegen eine Sondersitzung? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vielen Dank für die Erinnerung!) das die deutsche Mannschaft gerne gewonnen hätte. Tatsächlich hat die französische Mannschaft gewonnen, weil sie die Tore erzielt hat, die der deutschen Mannschaft nicht gelungen sind. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Brillante Analyse!) Deswegen nutze ich die Gelegenheit gerne, der Équipe Tricolore und unseren französischen Freunden herzlich zum Einzug in das Finale der Fußballeuropameisterschaft zu gratulieren (Beifall) und der deutschen Mannschaft zu dem grandiosen Turnier, das sie in Frankreich geboten hat. (Beifall) Ich will eine Bemerkung hinzufügen: Im Sommer 1916, vor 100 Jahren, sind sich Franzosen und Deutsche nicht auf Fußballfeldern, sondern auf Schlachtfeldern begegnet. Gewonnen hat damals niemand, aber es gab Millionen Tote. Das vermittelt uns die doppelt tröstliche Gewissheit, dass es doch einen Fortschritt in Europa gibt. (Beifall im ganzen Hause) Bevor wir nun in unsere Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich der Ältestenrat in der gestrigen Sitzung darauf verständigt hat, in der Haushaltswoche ab dem 5. September, also in unserer voraussichtlich nächsten ordentlichen Sitzungswoche, wie üblich keine Befragung der Bundesregierung, keine Fragestunde und auch keine Aktuellen Stunden durchzuführen. Als Präsenztage sind wie üblich die Tage von Montag, dem 5. September, bis Freitag, dem 9. September 2016, festgelegt worden. – Dazu stelle ich Ihr Einvernehmen fest. Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, müssen wir einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat beantragt, die zweite und dritte Beratung der von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines Erneuerbare-Energien-Gesetzes von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Das Wort zur Geschäftsordnung hat die Kollegin Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen meiner Fraktion beantrage ich, dass wir heute den Tagesordnungspunkt zum Erneuerbare-Energien-Gesetz absetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Es besteht kein unmittelbarer Zeitdruck, diese Gesetzesvorlage, die beim Kollegen Hofreiter auf dem Tisch liegt – das, was ich hier habe, ist nur der Änderungsumdruck –, heute im Deutschen Bundestag zu verabschieden. Weder im Hinblick auf den Bundesrat noch auf die europäische Ebene ist die Verabschiedung eines solchen Gesetzentwurfes unter dem Zeitdruck und mit der mangelnden Sorgfalt und Prüfungsmöglichkeit für das gesamte Parlament zu vertreten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Deshalb beantragen wir diese Absetzung. Was geht dem voraus? Am Mittwoch tagten die Fachausschüsse des Deutschen Bundestages, federführend der Wirtschaftsausschuss. Die Koalitionsfraktionen hatten sich anscheinend erst Dienstagnacht auf die umfangreichen Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes geeinigt (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Montagnacht!) und kündigten schon mal im Obleutegespräch viele Detailänderungen des Gesetzes an. Da kann man von vornherein schon mal sagen: „Vorsicht, meine Damen und Herren“; denn es ist nicht das erste Mal, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Deutschen Bundestag beraten. Ich erinnere daran: Im Juni 2014 sollte das Erneuerbare-Energien-Gesetz schon einmal durch den Bundestag gepeitscht werden, (Gustav Herzog [SPD]: „Gepeitscht“ niemals!) und zwar von Dienstag bis Freitag. Meine Damen und Herren, was haben wir uns damals alles anhören müssen! Großkotzig und etwas selbstgefällig (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD) äußerte sich damals Wirtschaftsminister Gabriel, nach dem Motto, ob die Grünen nicht in der Lage seien, fünf Seiten Synopse zu 270 Seiten Änderungsanträge zu lesen, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) und dass doch alles gebongt sei, weil sein gutes Ministerium das vorbereitet habe. Wissen Sie, was das Resultat war? Die Koalitionsabgeordneten machten Augen und Ohren zu, zogen das Ding durch. Und kaum war das Gesetz unterzeichnet und in Kraft, kam es zur ersten Änderung des Gesetzes; sie erfolgte peinlicherweise schon am 22. Juli 2014. Die zweite gesetzliche Änderung hier im Bundestag folgte dann am 22. Dezember 2014. Die dritte Änderung, meine Damen und Herren, erfolgte dann am 29. Juni 2015, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na und?) die vierte Änderung am 21. Dezember 2015. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Und die fünfte heute!) So viel zum Thema Schlamperei und nicht sorgfältige Arbeit im Bundeswirtschaftsministerium und im Parlament selbst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, wer denkt, dass man aus solchen Fehlern lernt und klug wird, der hat sich gehörig getäuscht. Am Mittwochmorgen um 9.41 Uhr gingen bei den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses per Mail – denn so schnell konnte die Bundestagsverwaltung gar nicht arbeiten – 412 Seiten Änderungsantrag in Synopsenform ein. Die hatten ja noch Glück; denn sie hatten die Vorlage wenigstens um 9.41 Uhr. Um 10 Uhr begann die Sitzung. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Reicht doch!) Der Rechtsausschuss – auch kein geringer Ausschuss; er befasst sich sorgfältig mit Gesetzentwürfen – bekam das Ganze um 10.30 Uhr als Tischvorlage. – Meine Damen und Herren, ich glaube, mehr Argumente braucht es nicht, um darzulegen, dass dieser Beratungsvorgang vollkommen inakzeptabel für ein Parlament ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Gleich werden sicherlich von den anderen Fraktionen Argumente bemüht wie: (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warten Sie doch mal ab!) Das hatten wir doch schon mal, das hat doch jeder schon mal gemacht, die Große Koalition, Schwarz-Gelb oder auch Rot-Grün. – Ich frage Sie mal: Sind Sie eigentlich zufrieden damit? Das Parlament wird doch nicht dadurch besser, dass man schlechte Praxis fortsetzt, oder? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn ich Sie fragen würde, wer von Ihnen das hier gelesen hat, (Zuruf von der LINKEN: Und verstanden hat!) dann würde vielleicht ein Drittel von Ihnen aufzeigen; „verstanden“, danach frage ich erst gar nicht. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man muss es auch verstehen wollen!) Ich gehe davon aus, dass über die Hälfte des Hauses das Ding hier überhaupt nicht gelesen hat. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was ist denn mit Ihnen? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!) Zum Abschluss. Kommen Sie mir nachher nicht wieder mit den Argumenten, Ihre Fraktionen hätten das gelesen. Kommen Sie mir auch nicht damit, dass wir das immer praktiziert haben. Das ist kein Grund, eine schlechte Praxis im Parlament fortzusetzen, und das ist ganz eindeutig schlechte Praxis. Ich garantiere Ihnen – ich würde jede Wette eingehen –, dass Sie, unabhängig von dem heutigen Beschluss, schon längst dabei sind, – Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – für September, Oktober oder November die nächste Änderung vorzubereiten; denn die ersten Fehler haben Sie bei den Beratungen schon entdeckt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt machen wir es am 1. Dezember! Den haben Sie nicht genannt!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion erhält die Kollegin Christine Lambrecht das Wort. (Beifall bei der SPD) Christine Lambrecht (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Haßelmann, Sie haben uns und damit auch mich gefragt, ob ich mit dem Verfahren zufrieden bin. Ich sage als Parlamentarierin: Nein. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie es dann?) Es hätte auch anders laufen können, und es hätte eigentlich auch anders laufen sollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn daran schuld?) Wir haben eine solche Situation in verschiedenen Konstellationen erlebt; Sie haben darauf hingewiesen. Ich bin seit 1998 dabei, und auch ich habe unterschiedlichste Konstellationen erlebt. Es ist für einen Parlamentarier sehr schwierig, wenn man so eine Tischvorlage bekommt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als im Rechtsausschuss vom Kollegen Trittin oder von der Kollegin Künast, damals als Minister, Tischvorlagen mit einer ähnlichen Dimension vorgelegt wurden. (Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt hört doch mal zu!) Das ist eine schwierige Situation. Aber 400 Seiten – das ist eben von Ihnen ja genannt worden – bedeuten ja nicht 400 Seiten Änderungsanträge, sondern es handelt sich um eine Synopse. Wenn man es eindampfen würde, dann wären es nur noch einige Seiten; aber es wären eben immer noch einige Seiten. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie die gelesen?) Es stellt sich die Frage, ob dieses Verfahren tatsächlich notwendig ist. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist es nicht! Es gibt keine Frist!) Ich sage: Ja. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Gibt es überhaupt nicht!) Denn es gibt manchmal Situationen, in denen man ein solches Verfahren durchziehen muss. Sie wissen selbst, dass die Notifizierung Ende 2016 ausläuft (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ende 2016!) und dass damit die Förderung von Erneuerbare-Energien-Anlagen nicht mehr möglich wäre. Mal allen Ernstes, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das kann in diesem Haus doch wirklich niemand wollen, vor allem nicht jene, denen der Ausbau der erneuerbaren Energien am Herzen liegt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausbau? Abbau! Sie haben sich versprochen! Es geht um den Abbau!) Das hätte ich eigentlich von Ihnen erwartet. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es nicht verstanden!) Wir wissen, wie lange ein solches Notifizierungsverfahren auf europäischer Ebene dauert: in der Regel fast acht Monate. Deswegen wäre es eben nicht möglich gewesen, zu sagen: Ach, das schieben wir auf die Zeit nach der Sommerpause. – Dann wäre Ihnen bestimmt noch etwas eingefallen. Nein, es ist notwendig, dass wir diesen Schritt gehen, damit erneuerbare Energien weiter ausgebaut werden können. Ich muss auch ehrlich sagen: Ich habe den Eindruck: Ihnen sind die sachlichen Argumente abhandengekommen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Deswegen machen Sie jetzt eine Geschäftsordnungsdebatte wie in vielen anderen Fällen auch. In dem parlamentarischen Verfahren sind viele positive Änderungen erreicht worden, die auch in Ihrem Interesse sein müssten, wenn Sie tatsächlich am Ausbau der erneuerbaren Energien interessiert wären. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie peinlich!) Als Beispiel nenne ich nur: Bürgerenergiegesellschaften müssen jetzt 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten. Wozu führt das denn? Das führt zu Akzeptanz vor Ort, und deswegen ist diese Veränderung im Interesse der Energiewende. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Geschäftsordnung, bitte! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, ist das eine sachliche Debatte?) Mieterstrommodelle sollen über eine Verordnung ermöglicht werden. Damit können auch die Städte von den Erneuerbaren erreicht werden. Außerdem können Privatpersonen und kleine Unternehmen Dachphotovoltaikanlagen weiter nach dem System der garantierten Einspeisevergütung errichten. Ich glaube, das ist ebenfalls ein richtiger Schritt, der genau durch diese von Ihnen kritisierten Änderungen erreicht werden konnte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man hätte dieses Verfahren auch anders machen können, (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aber aufgrund des Zeitdrucks und der auslaufenden Notifizierung ist es eben notwendig. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich! Peinlich!) Lassen Sie uns jetzt den Gesetzentwurf beraten und beschließen – im Interesse des Erfolgsmodells der erneuerbaren Energien, damit sie weiter gefahren werden können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Petra Sitte erhält nun das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Herr Präsident! Wenn dieses Gesetz etwas auszeichnet, dann überstürzte Verfahren: Immer ist es eilig, es steht ein Termin an, es ist eine Notifizierung notwendig usw. Es kann ja sein, dass zu Zeiten von Rot-Grün Vorlagen zur Energiepolitik fehlerhaft waren. Es kann ja sein, dass die Änderungsvorlagen aus der Zeit von Schwarz-Gelb oder anderen zu kurzfristig vorgelegt wurden. Und es kann auch sein, dass die Beratungen damals genauso ungeordnet, chaotisch oder überstürzt gewesen sind. Aber trotzdem gibt es zwei Gründe, warum wir heute darüber reden müssen: Der erste Grund: Bei den damaligen Vorlagen ging es um einen Einstieg in die Energiewende. Der zweite Grund: Heute geht es mindestens um eine Verlangsamung, wenn nicht gar um einen Ausstieg aus der Energiewende. Das ist das Problem. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der SPD – Thomas Jurk [SPD]: Das ist ja lachhaft! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Glauben Sie eigentlich, was Sie da erzählen?) Und das ist auch der Hauptgrund, warum wir dieses Verfahren kritisieren. Dieses Gesetz ist hochkompliziert. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Für Sie wahrscheinlich zu kompliziert!) Das ist es schon immer gewesen. Diese Verfahren führen dazu, dass noch mehr Verwirrung gestiftet wird, dass noch mehr Verunsicherung gestiftet wird und dass sich die Akteure und andere Initianten in diesem Bereich in Zukunft mit Investitionen zurückhalten werden. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was sind denn „Initianten“?) Das heißt für uns – das wird deutlich, wenn man Ihr Gebaren in Sachen Energiepolitik in diesem Land beobachtet –: Es droht ein Rückschritt in die Energiewelt des 20. Jahrhunderts. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Das ist Quatsch!) Das EEG ist in immerhin 60 Länder sozusagen exportiert worden oder von diesen kopiert worden, und zwar erfolgreich. (Johann Saathoff [SPD]: So schlecht kann es dann ja nicht gewesen sein!) Und wir verändern jetzt permanent das EEG zu seinem Nachteil. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Debatte kriegen wir noch!) Das halte ich ebenfalls für ein Problem, weil Sie sich damit aus der Reihe der Vernünftigen auskoppeln. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Haben Sie keine Redezeit in der Debatte bekommen? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann waren wir bisher doch die Vernünftigen! Immerhin ein Fortschritt!) Ich darf daran erinnern, dass die übereilten Verfahren immer wieder – meine Kollegin hat das im Einzelnen minutiös dargelegt – zu gravierenden Fehlern geführt haben. Der letzte große Fauxpas führte sogar dazu, dass wir mit einem sogenannten Omnibusgesetz eine ganze Branche retten mussten, nämlich die Bioenergiebauern. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das war ein Warnzeichen, genau so nicht damit umzugehen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zum parlamentarischen Verfahren in dieser Woche: Wie gesagt, am Mittwoch, 9.40 Uhr, kam die Vorlage. Um 10 Uhr begannen die Ausschusssitzungen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hatten wir alles schon! Weiter!) Die Abgeordneten waren zum Teil schon unterwegs, sodass diese Vorlage sie überhaupt nicht erreicht hat. Mitberatende Ausschüsse, also nicht nur der Rechtsausschuss, sondern auch der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, hatten die Vorlage zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ihre Sitzungen hatten zum Teil nämlich schon längst begonnen. Das ist für die Abgeordneten natürlich ein Problem, das ist natürlich für seriöse Beratungen ein Problem, und das ist auch für eine Verteidigung des EEG gegenüber der Gesellschaft ein Problem. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wieder einmal gilt das 80 : 20-Prinzip: 80 Prozent Mehrheit der Koalition, 20 Prozent für die Opposition. Es gilt: Was interessieren mich die Einwände der Opposition? Was kümmern mich die Kritiken von Experten und Betroffenen? (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Quatsch!) Was soll das? Wir können es ja hier mal einfach so beschließen! – Im Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht haben vor allem die Vertreter der Union darauf hingewiesen, wie wichtig und bedeutsam aus ihrer Sicht die Rolle des einzelnen Abgeordneten ist; das haben sie betont. In dem Verfahren, über das wir gerade sprechen, ist das aber umgekehrt: Das Recht des einzelnen Abgeordneten, sich umfassend mit der Materie zu beschäftigen, sich seriös einzuarbeiten und mit seinen Kollegen abzustimmen, ob das fachlich überhaupt trägt, wird von Ihnen vollkommen ignoriert. Sie legen darauf überhaupt keinen Wert. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Entscheidungssouveränität des Abgeordneten war Ihnen im Zusammenhang mit dem Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wichtig; aber in der Praxis sieht das anders aus. Ich stelle fest: Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen geben ihre Entscheidungssouveränität in diesem Verfahren vollkommen ab. Ich stelle fest, dass sie ihrer Kontrollaufgabe gegenüber der Regierung nicht nachkommen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Unverschämtheit!) Um bei dem Bild zu bleiben, das der Präsident am Anfang benutzt hat: Sie laufen wieder Gefahr, ein Eigentor zu schießen. Fazit: Stimmen Sie der Absetzung dieses Tagesordnungspunkts zu! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion: Michael Grosse-Brömer. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sitte, es ist wirklich schade, dass Sie auch nach zweieinhalb Jahren noch nicht in Ihrer Oppositionsrolle angekommen sind. Hören Sie doch einmal auf, zu jammern, und machen Sie inhaltliche Arbeit, damit Sie uns beeindrucken können! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN) Das schaffen Sie nicht durch Geschäftsordnungsdebatten in jeder Sitzungswoche – mit Sicherheit nicht. Das, was Ihnen das Bundesverfassungsgericht zu den Oppositionsrechten gesagt hat, ist doch viel interessanter: dass wir Ihnen als Große Koalition wesentlich mehr Rechte zugestanden haben, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zur Sache!) als Ihnen nach Ihren Wahlergebnissen überhaupt zugekommen wären. (Beifall bei der CDU/CSU) Also hören Sie auf, zu jammern, und fangen Sie mit der ordentlichen Arbeit an! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der zweite Punkt: Ich bin der Kollegin Haßelmann wirklich sehr dankbar dafür, dass sie auch kurz in die Vergangenheit geschaut hat. Ich erinnere mich gerne an meine Anfangszeit im Bundestag – allerdings nicht so gern, weil ich damals noch in der Opposition gewesen bin, hoffentlich zum letzten Mal –; ich erinnere mich an den Rechtsausschuss. Voller Spannung ging man Mittwochmorgen dorthin, und dann kam das rot-grüne EEG auf die Tagesordnung. Wissen Sie, was für Änderungsanträge ich dazu bekommen habe? Dagegen ist Ihr „Zettelwerkchen“ eine Lachnummer. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hatte aber nur zwölf Seiten!) Die Änderungsanträge, die damals von Rot-Grün kamen, konnte ich gar nicht allein in mein Büro tragen, (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei der SPD) ein solcher Berg war das – obwohl es Freitag debattiert werden sollte! Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Grosse-Brömer, waren Sie damals so schwach, dass Sie nicht mal zwölf Seiten tragen konnten?) Wenn Sie von Schlamperei reden, dann erinnern Sie sich einmal daran – da war ich glücklicherweise noch nicht Mitglied des Bundestages –, als es eine Gesundheitsministerin der Grünen – Andrea Fischer – gab, die 24 Seiten eines Gesetzes vollständig vergessen hatte. Da ist es mir doch lieber, ich bekomme nachträglich 100 Seiten an Informationen, bevor 24 Seiten überhaupt nicht im Gesetz vorhanden sind. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zu diesen Punkten kann ich Ihnen nur den Rat geben: Hören Sie auf, immer das Verfahren zu kritisieren! Machen Sie inhaltliche Arbeit! Dadurch können Sie auch beeindrucken. Im Übrigen: Die Länder, die heute über dieses Gesetz dringend abschieben wollen, (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Abschieben wollen“!) entscheiden wollen – – (Lachen bei der LINKEN und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ja, das wäre mein Wunsch, dass manche Länder beim Abschieben ein bisschen erfolgreicher wären; das ist auch wahr. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber auch sie wollen sich mit der Energiepolitik beschäftigen und haben deshalb beim Bundesrat Fristverzicht erklärt. Sie wollen also genau das Gegenteil von Ihnen und sagen: Wir möchten gern entscheiden. – Sie stehen nämlich in der Verantwortung und können nicht als Opposition permanent rumjammern, sondern sie sagen: Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen in Deutschland Rechtssicherheit geben, damit sie wissen, ob sie noch investieren sollen und wie es mit der erneuerbaren Energie weitergeht. Das ist wahrhafte Verantwortung in der Regierung. Die nehmen sie wahr; auch Sie sind ja an Landesregierungen beteiligt. Die sehen es eben gravierend anders als Sie als Bundestagsfraktion, die hier permanent versucht, über Geschäftsordnungsdebatten in der Sitzungswoche Aufmerksamkeit zu bekommen. Es geht auch anders. Frau Haßelmann, wenn Sie hier immer stehen und erklären: „Ja, gut, das verstehe ich überhaupt nicht: Warum nehmen Sie denn Ihre Parlamentsrechte nicht wahr?“, sage ich Ihnen: Ich brauche von Ihnen keine Belehrungen, wie die CDU/CSU-Fraktion im Parlament zu handeln hat. (Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Diese Kollegen prüfen die Unterlagen mit Sicherheit so genau wie Sie. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Und wenn sie zur der Auffassung gelangen, sie können entscheiden, dann ist das ihre Entscheidung. Da brauche ich von Ihnen keine Belehrungen. Wir sind keine schlechteren Parlamentarier als Sie, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) und deswegen wird dieser Tagesordnungspunkt nicht abgesetzt, sondern sinnvollerweise heute debattiert. Vielen Dank. (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Grosse-Brömer, ich will mich nur vergewissern: Mit Blick auf den Bundesrat haben Sie nicht die Aufsetzung weiterer Tagesordnungspunkte beantragt? (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Kommt noch! – Hubertus Heil [Peine] [SPD], an den Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] gewandt: Was hattest du heute zum Frühstück?) Gut, das beruhigt mich sehr, was den Ablauf unserer heutigen Sitzung angeht. Wir stimmen jetzt über den Geschäftsordnungsantrag ab. Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Geschäftsordnungsantrag abgelehnt. Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 33: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) Drucksache 18/8860 – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) Drucksachen 18/8832, 18/8972 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) Drucksache 18/9096 Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Gesetzentwurf werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch, also können wir so verfahren. Ich eröffne die Debatte und erteile dem Kollegen Johann Saathoff für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Johann Saathoff (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verännerungen mutten up een fasten Grund stahn, würde man in Ostfriesland sagen. Das heißt, Veränderungen brauchen einen guten Grund. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz braucht immer wieder Veränderungen. Diese Veränderungen sind Verbesserungen. Niemand auf der Welt kann ein Erneuerbare-Energien-Gesetz einfach nur einmal beschließen, und damit sind die erneuerbaren Energien eingeführt. Das muss an dieser Stelle einmal gesagt sein. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]) Der Grund für das EEG 2014 waren die Kosten, war die Frage: Wohin werden sich die Kosten entwickeln? Wie wird sich die EEG-Umlage künftig entwickeln? Wie wird in diesem Zusammenhang die Bürgerakzeptanz der Energiewende sein? Der Grund für das EEG 2016 oder EEG 2017, wie es jetzt heißt, ist in erster Linie die Synchronisation, nämlich die Synchronisation des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Ausbau des Netzes in Deutschland. Das muss miteinander in Einklang gebracht werden. Hierbei müssen wir den Ausbaustand, den wir im Moment haben, betrachten. Das Instrument für diese Synchronisation ist der Einstieg in das Ausschreibungsregime. Das machen wir jetzt nach ersten Pilotversuchen in der Photovoltaikbranche – man kann sagen, dass diese Versuche gut gelungen sind –: Mit diesem Gesetz steigen wir in das Ausschreibungsregime für Wind onshore, für Wind offshore und auch für den Biomassebereich ein. Dem Besitzer eines Einfamilienhauses, der Sorge hat, ob er auf seinem Dach jetzt noch eine Solaranlage bauen darf oder nicht oder an Ausschreibungen teilnehmen muss, können wir an dieser Stelle unmissverständlich zurufen, dass er natürlich von Ausschreibungen ausgenommen ist. Wir haben einen sehr, sehr hohen Grenzwert eingeführt. Es geht nur um ganz große Dächer. Was ist ein großes Dach? Damit man sich das ungefähr vorstellen kann: Das Dach zum Beispiel eines schwedischen Möbelkaufhauses wäre solch ein großes Dach. Wir steigen in die Akteursvielfalt ein. Das bedeutet, dass es für Bürgerenergiegesellschaften erleichtert wird, an Ausschreibungen im Windenergiebereich teilzunehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Sie brauchen keine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Sie brauchen im Prinzip nur zwei Dinge: Flächen oder Flächenrechte und ein Windgutachten. Dann können sie schon an der Ausschreibung teilnehmen. Nicht nur das: Sie kommen darüber hinaus, wenn sie an einer Ausschreibung teilgenommen haben, am Ende nicht mit dem Gebot, das sie abgegeben haben, zum Zuge, sondern mit dem höchsten bezuschlagten Gebot. Damit werden sie noch einmal erkennbar bessergestellt. Das sind deutliche Verbesserungen gegenüber dem Kabinettsentwurf. Doch damit nicht genug. Wir führen auch noch eine kommunale Beteiligung ein. Das heißt, Bürgerenergiegesellschaften werden über unser Gesetz, dessen Entwurf hier vorliegt, verpflichtet, einen Anteil an die Kommune, in der der Windpark errichtet wird, abzugeben. Erst dann sind sie Bürgerenergiegesellschaften. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Das führt dazu, dass alle Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden, nicht nur ein paar, sondern alle, vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Millionär. Das ist sozialdemokratische Energiepolitik. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Wir beteiligen auch Menschen, die nicht über ein eigenes Haus oder Dach verfügen. Das Stichwort dafür ist: Mieterstrom. Ich lade Sie ein: Kommen Sie im Sommer einmal nach Ostfriesland, und schauen Sie sich dort um! Sie werden dort eine wunderbare Landschaft sehen, und Sie werden sehen, dass auf jedem zweiten oder dritten Haus eine Solaranlage ist. In Kreuzberg ist das nicht der Fall. Warum nicht? Weil wir das Mieterstromproblem hatten. Dieses werden wir lösen. Wir werden die Energiewende dadurch ein Stück weit vom ländlichen Raum in die urbanen Zentren übersetzen. Das ist gut so. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Uns wird mit diesem Gesetz auch der Einstieg in die Sektorkopplung gelingen. Wir haben in den Gebieten mit Netzengpässen die Möglichkeit, dass der Strom, der dort aus erneuerbarer Energie produziert wird, nicht abgeregelt, zu schlechten Preisen verkauft oder gar vernichtet wird, sondern sinnvoll genutzt wird. Ich glaube, das ist ein guter Weg, den wir in der Sektorkopplung miteinander gehen. Allerdings ist es nur ein Einstieg; das muss uns allen klar sein. Mit den tatsächlichen Regelungen zur Sektorkopplung werden wir uns im Herbst sicherlich noch einmal intensiv beschäftigen müssen. (Beifall bei der SPD) Ich möchte mich abschließend bei meinen Kollegen Thomas Bareiß und Andreas Lenz herzlich bedanken. Wir haben viele Stunden miteinander verbracht, viele Runden miteinander diskutiert und 58 Punkte miteinander abzuwägen gehabt. Niemand kann uns vorwerfen, wir hätten dieses Gesetz inklusive der Synopsen nicht gelesen. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich glaube, wir können konstatieren, dass es ein gutes Gesetz ist, ein Gesetz, das wir auf dem Weg zu erneuerbaren Energien brauchen, ein Gesetz, das uns helfen wird, unseren vorgeplanten Zielkorridor von 40 bis 45 Prozent erneuerbarer Energien in 2025 zu erreichen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Rednerin ist Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Superschnellverfahren erinnert mich an die Bankenrettung, die hier in ähnlich hohem Tempo durchgepeitscht wurde. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Und erfolgreich!) Wenn es um den Einsatz von Milliarden Steuergeldern geht, werden Demokratie und Parlament ausgehebelt und unter Druck gesetzt. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Jetzt aber!) Ein anderes Beispiel ist die Erbschaftsteuer, die jetzt ganz schnell beschlossen wurde und Firmenerben mit bis zu 26 Millionen Euro schont. Beim Erneuerbare-Energien-Gesetz ist es dasselbe Spiel. Wir von der Opposition haben – das wurde schon gesagt – den Änderungsantrag der Regierungskoalition, diese 412 Seiten, vorgestern eine Viertelstunde vor Ausschussbeginn bekommen. Wenn die Große Koalition etwas durchsetzen will, dann wird Druck gemacht, dann muss es schnell gehen. Das ist die Strategie dieser Koalition. (Bernd Westphal [SPD]: Habt ihr auch einen Inhalt? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sagen Sie mal dem Bundesverfassungsgericht, dass Sie das ganz anders sehen!) Ich finde, dafür, dass Sie mit Ihrer Mehrheit von 80 Prozent die Rechte der Opposition mit Füßen treten, sollten Sie sich wirklich schämen. Ich frage mich: Was ist das für ein Demokratieverständnis? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Wirtschaftsausschuss haben wir am Mittwoch vonseiten der Union gehört: Sie stimmen ja sowieso dagegen. – Das halte ich für eine Frechheit. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Tun Sie das etwa nicht? – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ach, Sie stimmen zu?) Mit dieser Logik braucht man der Opposition Gesetzentwürfe künftig gar nicht mehr vorzulegen, weil sie ja sowieso dagegen stimmt. Ich frage mich: Wo sind wir hier eigentlich? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es ist schon klar, weshalb Sie so auf die Tube drücken: Sie machen heute das erfolgreiche EEG kaputt. Sie stellen die Ökostromförderung auf Ausschreibungen um und schaffen damit die verlässliche Einspeisevergütung für erneuerbaren Strom ab. Das ist ein tiefer Einschnitt. Warum? Weil die garantierte Vergütung und der Vorrang der erneuerbaren Energien die wichtigsten Gründe für den großen Erfolg dieses Gesetzes waren. Das EEG war bislang das erfolgreichste Klimaschutzinstrument Deutschlands. Man muss sagen: „war“; denn diesen Erfolg gefährden Sie nun. Mit dieser Reform wird Deutschland seine Klimaschutzziele eben nicht erreichen; das bestätigen viele Fachleute, auch wenn Sie das immer wieder negieren. Ein besonders großer Erfolg war auch die große Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunen an der Energiewende. Alle konnten mitreden und mitmachen. Die Energie war seitdem nicht mehr nur in der Hand der Konzerne. Auch diesen Erfolg gefährden Sie nun. Die Anbieter von Bürgerenergie werden sich aus Kostengründen weniger oder auch gar nicht an Ausschreibungen beteiligen können. Daran ändern auch die Ausnahmeregelungen nichts. Die Energieversorgung sollen wieder ein paar wenige Großprojektierer regeln, die viel Kapital mitbringen und die kleinen Bieter an die Wand drücken. Investmentfonds kaufen am Ende alles auf. Die SPD ist ja sehr stolz, weil sie etwas für die Kommunen getan hat. (Ulli Nissen [SPD]: Zu Recht!) Von den Bürgerenergieprojekten sollen an die Kommunen mindestens 10 Prozent abgegeben werden. (Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch klasse!) Es ist gut, die Kommunen zu beteiligen; dafür bin ich auch. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Warum aber sollen nur die Anbieter von Bürgerenergie etwas abgeben? Warum nicht auch die Großprojektierer? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich frage mich schon, warum da die Liebe der SPD zu den Kommunen aufhört. Genauso gut könnten die Kommunen doch bei großen Investoren mit 10 Prozent einsteigen. Ich frage mich: Haben Sie wenigstens darüber nachgedacht? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Um die radikale Kehrtwende bei der Ökostromförderung zu rechtfertigen, sprechen Sie immer wieder von explodierenden Kosten. Das war schon 2013 und 2014 bei der Kampagne gegen die EEG-Umlage so, und das ist jetzt auch wieder so. Angeblich würden die Kosten für die Abregelung von Windkraftanlagen in den Himmel steigen. Dass das nicht stimmt, wird zum Beispiel vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bestätigt. Allerdings wird bei den sowieso schon enorm großzügigen Entlastungen für die stromintensive Industrie noch ein dicker Batzen obendrauf gepackt – ob berechtigt oder nicht, ob effizient oder nicht, das ist Ihnen wahrscheinlich egal. Die 5 Milliarden Euro für Industriestrom zieht man den Verbraucherinnen und Verbrauchern gerne aus der Tasche. Beim Mieterstrom hingegen fehlt wieder eine Regelung; das müssen Sie einfach zugeben. Noch ein Wort zum schnellen Durchdrücken. Vor zwei Tagen haben Sie in letzter Minute eine alte FDP-Forderung aufgenommen. Sie wollen technologieneutrale Ausschreibungen erproben. Die Experten, die in der Anhörung am Montag danach befragt wurden, lehnten dies ab; denn es ist ein offenes Geheimnis, dass dies das Aus der Photovoltaik wäre. Aber absurd ist es schon: Die FDP ist weg, und Sie machen FDP-Politik. Die Sektgläser werden heute bei Banken, Fonds und anderen Großinvestoren klingen, aber nicht bei den Herstellern von Solar- oder Windanlagen, auch nicht bei den Bürgerenergiegenossenschaften. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Da findet doch nichts mehr statt!) Die Linke sagt: Wir stehen hinter der Bürgerenergie. Wir stehen hinter einer echten Energiewende. Deshalb lehnen wir das Gesetz ab. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: „Sozialistische Energiewende“ wollten Sie sagen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer wirklich will, dass die Energiewende und der europäische Binnenmarkt für Energie, den wir im Gegensatz zu anderen Teilmärkten in Europa immer noch nicht haben, zum Erfolg geführt werden, der muss dafür sorgen, dass wir in der Energieversorgung mehr Markt, mehr Wettbewerb und mehr Europa bekommen. Wir haben bereits in der letzten Sitzungswoche wesentliche Teile des Gesetzespaketes für den Umbau neu justiert, etwa das Strommarktdesign und die damit verbundene Flexibilisierung auf der Nachfrageseite. Der Wettbewerb funktioniert in vielen Bereichen immer noch nicht richtig. Die Angebotsseite wird zwar zunehmend flexibler, aber die Nachfrageseite ist immer noch recht starr. Wir haben ebenfalls die Digitalisierung der Energiewende eingeleitet. Heute geht es um einen weiteren wesentlichen Eckpfeiler, nämlich das EEG marktwirtschaftlicher, wettbewerblicher und europafester auszurichten. Es geht darum, den Weg dafür einzuschlagen, die Energiewende und den europäischen Binnenmarkt endgültig zum Erfolg zu führen. Warum sind gerade im EEG Veränderungen so dringend notwendig? Das EEG und sein Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz, gibt es nun seit fast 26 Jahren. Es ist auf der einen Seite sehr erfolgreich, was den Zuwachs der Erzeugung von erneuerbaren Energien anbelangt. Es ist zum Teil sogar Opfer seines eigenen Erfolgs: Der technologische Fortschritt und die Kosteneffizienz bei vielen Technologien sind deutlich schneller vorangeschritten – bei der Photovoltaik war das bereits Ende der 2000er-Jahre der Fall; jetzt erfolgt dies bei Wind onshore, aber auch bei Wind offshore –, als wir uns das erhofft und vorgestellt hatten. Auf der anderen Seite waren wir alle gemeinsam nicht in der Lage, die politische Preissetzung – im EEG gibt es ja eine politische Preissetzung, keine marktwirtschaftliche – so zu verändern, dass sie mit dem technologischen Fortschritt und den Fortschritten bei der Kosteneffizienz Schritt hält. Wozu hat das geführt? Das hat dazu geführt, dass der Ausbau der Erzeugung in vielen Sektoren weit über dem lag, was wir uns als Ausbauziele gemeinsam vorgenommen hatten. Im Koalitionsvertrag von 2013 haben wir für die Windenergie Ausbaupfade festgelegt, die schon viel höher lagen als die von fast allen Fraktionen im Energieprogramm von 2010/2011 gemeinsam festgelegten Ausbauziele, die wieder explodiert sind. Das hat dazu geführt, dass unnötig hohe Kosten entstanden sind, nämlich rund 500 Milliarden Euro an Ausgabenzusagen allein durch das EEG durch den Festpreis, die unbegrenzte Mengengarantie und eine 20-jährige Laufzeit. 350 Milliarden Euro dieser Ausgabenzusagen sind in den nächsten 20 Jahren noch von den Stromverbrauchern abzutragen. Dass wir es trotz aller Bemühungen versäumt haben, den Netzausbau mit dem überproportionalen Anstieg der Erzeugung zu synchronisieren, hat dazu geführt, dass der Strom vielfach nicht in die Verbrauchszentren abtransportiert werden kann, also dorthin, wo er gebraucht wird. Ganz eklatant ist die Situation in Niedersachsen. Dabei müssen wir uns aber nicht parteipolitisch den Schwarzen Peter zuschieben: Seit wir 2009 mit dem EnLAG begonnen haben, den Netzausbau zu beschleunigen, haben es weder die frühere noch die jetzige Regierung vollbracht, in den letzten sieben Jahren in Niedersachsen auch nur einen Meter Leitung im Übertragungsnetz zu bauen. Deshalb haben wir die Situation, dass die Offshorewindenergie, deren Ausbau wir vor zwei Jahren in diesem Hause ebenfalls mit hohem Kostenaufwand beschleunigt haben, und die Onshorewindenergie nicht durch Niedersachsen in den Süden abtransportiert werden können. Von den mit dem Energieleitungsausbaugesetz geplanten Vorhaben, die eigentlich bis 2011 umgesetzt werden sollten, ist heute gerade einmal ein Drittel der Leitungen fertig. Von den im Bundesbedarfsplangesetz für den Netzausbau vorgesehenen Leitungen ist bis jetzt nur 1 Prozent fertiggestellt. Das zeigt, dass das einseitige Setzen auf Erzeugung nicht zum Erfolg führt – da können Sie ein noch so großes Brimborium veranstalten –, sondern es muss mit dem Netzausbau synchronisiert werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann macht das endlich mal! Mit Ihrer eigenen Unfähigkeit begründen Sie den Nichtausbau der erneuerbaren Energien! Sie benutzen Ihre eigene Unfähigkeit als Argument! – Gegenruf des Abg. Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die Unfähigkeit heißt Wenzel!) Wenn dies nicht erfolgt, dann entstehen Redispatchkosten durch die Abregelung von EEG-Anlagen im Norden – die Kosten fallen an, unabhängig davon, ob der Strom eingespeist wird oder nicht –, und im Süden oder auch im benachbarten Österreich werden Kraftwerke hochgefahren, um das System mit der notwendigen Frequenz und Spannung aufrechtzuerhalten und die Energieversorgung zu gewährleisten. Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Deshalb ist es dringend notwendig, den Systemwechsel, der heute beschlossen werden soll, vorzunehmen, nämlich weg von der Preisgarantie, also von der politischen Preissetzung, hin zu einem Ausschreibungsverfahren, mit dem wir zumindest in Zukunft eine Mengensteuerung erreichen können, damit die Preise wettbewerblich am Markt gebildet werden und wir dann die bereits erwähnten Kosteneffizienzpotenziale, die wir bisher im System nicht heben konnten, zukünftig heben können. Das gilt gerade für Sie als Grüne und auch als Linke – Sie waren immer vehement gegen diese Ausschreibungen und sind es zum Teil noch heute –: Wider besseres Wissen haben Sie in den letzten Jahren verhindert, dass wir den Energieumbau und die Energiewende kosteneffizienter gestalten und die notwendigen Änderungen vornehmen. Das müssen Sie sich auf Ihre Fahnen schreiben lassen. Wir wollen heute wesentliche Änderungen beschließen. Kollege Saathoff hat schon einige Punkte angesprochen. So wollen wir im Windonshorebereich, weil die Ausschreibungen nicht von heute auf morgen greifen können, notwendige Absenkungen vornehmen. Statt einer Einmalabsenkung sind Absenkungen in mehreren Stufen vom 1. März bis zum 1. August nächsten Jahres vorgesehen, um die unnötigen Kosten, die bisher im System entstehen, zu senken. Ich wage eine Prognose: Es wird keine einzige Anlage weniger gebaut werden als vorgesehen. Es ist genauso wie vor ein paar Jahren beim EEG 2014. Damals haben Sie, Herr Krischer, von der „Abrissbirne der Energiewende“ gesprochen und den Untergang des Abendlandes vorausgesagt, wenn der Stichtag nicht verlängert wird. Was ist passiert? Nichts! Keine einzige Windkraftanlage ist nicht gebaut worden. Alle sind gebaut worden, aber zu geringeren Kosten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Sie machen sich schuldig, das Ganze unnötig teuer zu machen. Mit diesem Gesetz machen wir nicht nur die Energiewende europafester. Wir sorgen auch für mehr Markt und mehr Wettbewerb und schlagen damit die richtige Richtung ein. Wir hätten gern noch mehr gemacht. Es ist aber wie immer beim EEG: Die Reform geht in die richtige Richtung und ist besser als der Status quo. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Pfeiffer. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Gibt es noch eine Zwischenfrage? (Heiterkeit) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein, es gibt keine mehr. Die Redezeit ist zu Ende. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Dann komme ich zum Ende. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wie schön. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Vielen Dank für die Anmerkung. – Es geht in die richtige Richtung und ist besser als der Status quo; aber eigentlich wäre noch mehr nötig gewesen. Das, was wir heute verabschieden, war schon ein ordentliches Stück Arbeit. Deshalb bitte ich um Zustimmung. Ich hoffe auf breite Unterstützung nicht nur hier im Haus, sondern später auch im Bundesrat. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Julia Verlinden ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen EEG-Novelle bremsen Sie eines der erfolgreichsten Innovations-, Export- und Beschäftigungsprojekte der letzten 15 Jahre aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ihr Gesetz bedroht die Bürgerenergiewende, die dafür gesorgt hat, dass wir inzwischen schon bei über 36 Prozent Ökostromanteil sind – und dies wurde mit dem bisherigen EEG, mit einer festen Einspeisevergütung erreicht. Doch dieser Erfolg passt Ihnen offenbar nicht. Ich habe wenig Zeit. Deshalb möchte ich nur zwei Punkte herausgreifen: Erstens. Für das Märchen, dass ausgerechnet Sie jetzt die Bürgerenergie retten, haben Sie sich selbst gelobt. Doch der Grund, warum die Bürgerenergie überhaupt Probleme bekommt, ist doch Ihre vermurkste Zwangsumstellung auf ein Ausschreibungssystem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Erst legen Sie der Bürgerenergie zig Steine in den Weg, und dann behaupten Sie, zumindest einen davon wieder wegzurollen. Das ist doch absurd. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) In den letzten 15 Jahren wurde die Hälfte der Erneuerbaren-Anlagen von Bürgern geplant und finanziert. Bei den Pilotausschreibungen für Photovoltaik ging kürzlich weniger als 1 Prozent der bezuschlagten Leistung an Bürgerenergiegesellschaften. Und da trauen Sie sich allen Ernstes, von Akteursvielfalt zu sprechen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Jetzt haben Sie viel neue Bürokratie und wirtschaftliche Risiken geschaffen. Aber besser wäre gewesen, Sie hätten gemacht, was die EU explizit zugesteht, nämlich dass kleine Windenergieprojekte bis 18 Megawatt gebaut werden können, ohne an den Ausschreibungen teilnehmen zu müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Zum Thema Mieterstrom. Hier klopfen Sie sich auf die Schulter für etwas, das noch gar nicht da ist. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber es kommt!) Sie schreiben nur eine Verordnungsermächtigung ins Gesetz, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja!) dass man irgendwann theoretisch ja mal vielleicht … und Details wären dann noch zu klären. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Hätten wir was vorgelegt, hätte es geheißen, das wär zu viel!) Wir haben doch erlebt, was mit einer solchen Verordnungsermächtigung im letzten EEG passiert ist: nämlich nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zweitens. Sie reden die ganze Zeit davon, die Energiewende gerechter gestalten zu wollen. Sie tun so, als ob jede zusätzliche Windenergieanlage die Kosten der EEG-Umlage in die Höhe schießen lassen würde. Gleichzeitig beschließen Sie aber kurz vor Toresschluss, der energieintensiven Industrie knapp 1 Milliarde Euro zusätzlich an Industrierabatt hinterherzuwerfen, und zwar Jahr für Jahr. Und wer bezahlt am Ende diese teuren und unnötigen Geschenke an die Industrie? Das sind mal wieder die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher und die kleinen Unternehmen, zum Beispiel das Handwerk. Sie nehmen es von den Kleinen und geben es den Großen. So sieht Ihre Form der Umverteilung aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Krönung bei diesen Industrierabatten ist, dass Sie von den begünstigten Industrieunternehmen nicht einmal den Hauch einer Gegenleistung verlangen. Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie doch endlich Ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst, und verlangen Sie von den Unternehmen wenigstens konkrete Maßnahmen für mehr Energieeffizienz. Wenn die begünstigten Unternehmen die Energiewende schon nicht mitfinanzieren wollen, dann sollten sie doch nicht für das Energieverschwenden belohnt werden, sondern wenigstens durch Energiesparen zur Energiewende beitragen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland möchte deutlich mehr Energiewende und mehr Klimaschutz als das, was Sie uns heute präsentieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Bundesregierung erhält nun der Bundeswirtschafts- und -energieminister das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will wiederholen, was ich schon in der ersten Lesung zum Thema gesagt habe. Wenn Sie nachlesen, was zum EEG 2014 von Frau Verlinden und Herrn Krischer von den Grünen sowie von den Rednern der Linksfraktion gesagt wurde, dann finden Sie dort fast alle Begriffe, die Sie eben gehört haben: Untergang der Energiewende, Ausbremsen, Stopp, Abrissbirne. – Das Ergebnis ist, dass die erneuerbaren Energien im Zeitraum von 2014 bis heute mit 7,4 Prozent die größte Steigerung seit Inkrafttreten des Gesetzes erfahren haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir sind insbesondere bei der Windenergie onshore weit über dem verabredeten Korridor. Wir nähern uns fast dem Doppelten. Wir liegen bei der Photovoltaik deutlich darunter. Da kommt immer der Hinweis, dass wir dort nicht so viel erreicht hätten. Warum? Weil wir zuvor drei Jahre lang einen Ausbau mit einem Volumen von mehr als 7 000 Megawatt pro Jahr zu verzeichnen hatten und es dann natürlich weniger wurde. Des Weiteren wird gesagt, dass wir die Biomasse ausbremsen, weil wir für sie weniger machen. Ich verweise auf das, was wir zusammen mit einem grünen Ministerpräsidenten 2014 beschlossen haben: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hatte das Ziel, die entsprechenden Technologien preiswerter zu machen. Es gibt eine erneuerbare Energie, die jedes Jahr teurer geworden ist. Das ist die Bioenergie. Das ist die teuerste Form der Produktion von erneuerbaren Energien. Angesichts eines Technologiefördergesetzes, das den Menschen verspricht: „Wir machen es preiswerter“, bei dem aber am Ende eine Produktionsform immer teurer wird, können Sie doch nicht so tun, als wäre das völlig egal. Es ist nicht etwa Zufall, sondern es ist gewollt, dass wir die Biomasse auf das vertretbare und notwendige Maß beschränken. Das ist kein Kollateralschaden, sondern das wollen wir. Bei der Windenergie, der preiswertesten Form, hatten wir 2,5 Gigawatt als Ziel. Wir bauen, glaube ich, auf knapp 4 Gigawatt aus. Von dem ganzen Gerede über das Ende der Windenergie ist – es tut mir leid, aber Sie müssen sich das anhören; ich musste mir auch anhören, was Sie erzählt haben – nichts wahr. Ich will einmal auf die letzten beiden Argumente von Frau Verlinden eingehen. Sie hat gesagt: Wir beenden nun das EEG, wie wir es kennen. – Ja, das ist auch dringend nötig. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das EEG war ein Technologiefördergesetz, das eine Nischentechnologie fördern sollte. Nun sind die Erneuerbaren die bestimmende Säule des Strommarkts. Nun müssen wir den Strommarkt fit für die Erneuerbaren und die Erneuerbaren fit für den Markt machen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Linke ein System fortschreiben will, bei dem Folgendes passiert: Wenn der Staat immer die Preise für die Erneuerbaren festsetzt, rechnet jeder Marktteilnehmer aus, wie hoch er gehen kann, um sich dabei zu bedienen. Das führt zu Grundstückspachtkosten in Höhe von 30 000 bis 40 000 Euro im Jahr pro Hektar. So viel verdient mancher Arbeitnehmer im Jahr nicht. Aber das wollen Sie beibehalten? Was ist denn daran links, wenn sich jeder bedienen kann? Was ist das denn für eine Debatte? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sie machen Politik für Grundstückseigentümer und gegen diejenigen, die in Wohnungen zur Miete leben. Das ist, was Sie machen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Mieter muss das alles bezahlen, weil er das Pech hat, kein Grundstück und kein Dach zu haben. – Sie haben doch angefangen. Ich kann auch netter, wenn Sie wollen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Gabriel, dann müssen Sie aber langsam anfangen, weil die Redezeit zu Ende geht. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Präsident, dieses Mal scheint es mir nicht zu gelingen. Es ist doch wirklich irre, dass hier so getan wird, als ginge es um ein Ausbremsen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen, dass die Erneuerbaren in Wettbewerb treten, damit die Preiswertesten gewinnen. Nun behaupten Sie, dass die Bürgerenergiegenossenschaften bei Ausschreibungen nicht dabei sind. Wir haben drei Pilotausschreibungen im Photovoltaikbereich durchgeführt. Das Ergebnis war, dass bei dem niedrigsten Preis die meisten Bürgerenergiegenossenschaften dabei waren. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1 Prozent!) Die werben derzeit dafür; das ist auch vernünftig. Sie sprechen immer von den großen Konzernen. Wir machen Folgendes: Jedes Unternehmen, das sich an einer Ausschreibung beteiligt, muss eine emissionsschutzrechtliche Genehmigung vorweisen. Die kostet pro Windenergieanlage bis zu 100 000 Euro. Den Bürgerenergiegenossenschaften erlassen wir diese Auflage. Sie brauchen ein Grundstück, auf dem die Anlage errichtet wird, und ein Windgutachten, mehr nicht. Diese Genossenschaften haben keine Vorlaufkosten. Wir fördern sie ganz besonders. Warum machen Sie den Bürgerenergiegenossenschaften denn Angst? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sie scheinen eine ganz besondere Strategie zu verfolgen: den Leuten Angst machen, obwohl es sich um einen Ausbau der erneuerbaren Energie handelt. Wir haben heute einen Anteil der erneuerbaren Energien von 33 Prozent. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen um die Grundrechenarten steht. – Wir haben heute 33 Prozent. Wir werden im Jahr 2025 vermutlich bei über 45 Prozent liegen. Für mich ist das ein Ausbau. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Jetzt sagen Sie, man könne noch mehr machen. Damit ignorieren Sie aber die Physik. Man kann doch nicht den Anlagenbau erhöhen, ohne zeitgleich die Netze auszubauen. Das geht doch nicht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Auch ich bedaure, dass sich weder die Grünen noch ich früher beim Ausbau der Erdverkabelung durchsetzen konnten. Sie und ich haben das viel länger gefordert. Deswegen will ich gar keine Schuld zuweisen. Ich hoffe, dass wir jetzt schneller vorankommen. Aber man kann in der Zwischenzeit doch nicht so viele Windparks wie möglich bauen nach dem Motto: Je mehr, desto besser. Am Ende zahlen wir dann den Strom doppelt, einmal beim Windmüller und, wenn der Strom nicht geliefert werden kann, noch einmal bei einem anderen Kraftwerk, damit wir keinen Blackout bekommen. 1 Milliarde Euro kostet uns das derzeit, sagen die Unternehmen. Nach ihren Angaben steigt die Summe auf 4 Milliarden Euro, wenn wir nichts ändern. Wenn Sie den Unternehmen nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht dem Öko-Institut. Das sagt, dass die Kosten auf 2,7 Milliarden Euro steigen, wenn wir nichts machen. Das ist ein Institut, das Ihnen nähersteht. Es ist auch nicht wahr, dass der Klimaschutz ausgebremst wird. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Frau Hendricks hat in der Fragestunde das Gegenteil gesagt!) – Auf Sie kann man sich vorbereiten; das ist nicht so schwer. – (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Die unabhängige Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ sagt: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor liegt Deutschland auf Zielkurs. (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Das ist bezogen auf das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich einen Anteil von 45 Prozent im Jahr 2025. Sie suchen sich immer ein Gutachten, das Ihnen passt. Das ist alles. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, möchten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Verlinden zulassen? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Aber selbstverständlich. (Heiterkeit) Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Gabriel, nehmen Sie zur Kenntnis, dass in demselben Bericht, den Sie gerade zitiert haben, auf Seite 2 auch steht: Festzustellen ist, dass das zentrale Ziel der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren, erheblich gefährdet ist. Die Expertenkommission hat im Dezember in Ihrem Haus im Rahmen der Pressekonferenz gesagt, Sie müssten beim Strom mehr tun, weil Sie in den Bereichen Wärme und Verkehr nichts auf die Reihe bekommen. Es ist schon seltsam, wie Sie hier Ihre eigenen Experten zitieren. Die Expertenkommission belegt doch eindeutig, dass Sie das Ziel, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, nicht erreichen. (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Verlinden, Sie haben völlig recht, dass die Expertenkommission sagt, wir müssten mehr in den Bereichen Verkehr und Gebäude machen. Sie aber behaupten, wir müssten mehr bei den erneuerbaren Energien machen. Genau das sagt die Expertenkommission aber nicht. Übrigens: Weil die Expertenkommission gesagt hat, wir müssten mehr tun, legen wir 13 Prozent der Braunkohlekapazitäten in Deutschland still. Sie hätten sich früher gar nicht getraut, das zu fordern, was wir in diesem Jahr machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie wollten die Braunkohlekraftwerke ab 2025 stilllegen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sind Sie denn drauf? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Wo ist denn Ihre Gesetzesinitiative gewesen, als wir jetzt beschlossen haben, dass wir 13 Prozent Braunkohlekapazitäten, beginnend in diesem Jahr, stilllegen, und zwar wegen dieses Berichtes? (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Sie müssen einfach davon ausgehen, dass ich die Berichte lese und nicht nur Einzelteile zitiere. Im Bericht steht: Beim Klimaschutz sind wir im Bereich der erneuerbaren Energien auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben vor fünf Jahren für Erneuerbare 12 Milliarden Euro ausgegeben. Übrigens, Frau Bulling-Schröter, das Geld kam nicht vom Steuerzahler, sondern vom Stromkunden. (Widerspruch der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jahr für Jahr!) – Nein. Sie haben vorhin von Steuergeldern gesprochen. Es sind keine Steuergelder. – Heute geben wir für Erneuerbare 23 Milliarden Euro aus. Ich wiederhole: Vor fünf Jahren waren es 12 Milliarden Euro, heute sind es 23 Milliarden Euro. Durch die mit dem EEG 2014 einhergehenden Maßnahmen sind wir von 24 Milliarden Euro auf 23 Milliarden Euro heruntergegangen. Ich will gar nicht sagen, dass das zu viel Geld ist. Im Gegenteil: Ich finde, dass das mit Blick auf die große Aufgabe von Klimaschutz und Energiewende gut angelegtes Geld ist. Aber man muss sich dieses Betrages auch bewusst sein; denn ihn zahlen die Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher in Deutschland. Dieser Betrag ist übrigens anderthalbmal so groß wie der gesamte Forschungshaushalt des Bundes und dreimal so groß wie der Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Frau Schwesig. Ich sage das nur, damit man einmal ein Gefühl dafür bekommt, über wie viel Geld wir hier reden. Das führt natürlich dazu, dass Begehrlichkeiten geweckt werden, dass alle möglichen Interessen ins Spiel kommen. Das macht übrigens den eigentlichen Grund für den Umfang des Gesetzentwurfs und seine Komplexität aus. Bei 24 Milliarden Euro oder 23 Milliarden Euro gilt das alte Motto: Geld macht sinnlich. Schlecht ist nicht der Lobbyist, der für die klassische Industrie eintritt, und gut ist nicht der Lobbyist, der für die grüne Industrie eintritt; vielmehr haben alle das gleiche Ziel: an das Geld anderer Leute zu kommen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Genau!) Parlament und Regierung haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass man nicht glaubt, dass die Summe der Einzelinteressen das Gemeinwohl ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Herr Kauder hat gestern auf all das hingewiesen, was wir geschafft haben. Dass wir in drei Jahren, ich glaube, etwa zehn Gesetze und Verordnungen zur Energiewende zustande gebracht haben, die die Bausteine der Energiewende endlich ineinandergreifen lassen – vom Strommarkt über KWK, von der Braunkohle bis hin zum EEG –, ist, finde ich, ein gutes Ergebnis. Ich danke allen, die daran mit viel Engagement mitgearbeitet haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ralph Lenkert ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Gabriel, Sie haben recht: Es ist schon irre, was hier abgeht. Vorgestern um 9.41 Uhr erhielten wir diesen Wälzer mit Änderungsanträgen, und 45 Minuten später sollten wir darüber abstimmen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das hatten wir doch schon!) Herr Gabriel, hier habe ich den 260-seitigen Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung zu den Folgen eines langanhaltenden großräumigen Stromausfalls. Enthalten sind Empfehlungen, wie die Systemsicherheit durch dezentrale Netzstrukturen besser gesichert werden kann. Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich diese 260 Seiten gleich Herrn Gabriel übergebe, damit er sie in der Restdebattenzeit durcharbeiten kann. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vielleicht begreift er dann, warum Linke und Grüne auf dezentrale Energieerzeugung setzen, auf keine Deckelung bei der Biomasse, auf keine Deckelung bei der Solarenergie und auf keine Deckelung bei der Windkraft an Land. (Beifall bei der LINKEN) Um auf die Gründlichkeit der Gesetzgebung zurückzukommen: Der Bericht, den Sie uns übergeben haben, enthielt Fehler. In der Debatte im Wirtschaftsausschuss wurde uns schriftlich ein vierjähriger Kürzungszeitraum verkündet. Die Abgeordneten der Union und der SPD erklärten uns, der Kürzungszeitraum solle fünf Jahre betragen. Das heißt, Sie haben nicht einmal die richtigen Unterlagen zur Verfügung stellen können. So viel zur Gründlichkeit in Ihrem Ministerium. (Beifall bei der LINKEN) Worum geht es bei diesem Thema, Stichwort „kleine Verschreibung“? Es geht um Hunderte Arbeitsplätze in Thüringen. Es geht um 440 Arbeitsplätze in einer Zellstoff- und Papierfabrik in Blankenstein. Es geht um Hunderte Zellstofffabrikarbeitsplätze in Sachsen-Anhalt und in Bayern. Mit dieser Änderung kürzen Sie für die Zukunft schnell einmal die Frist zur Förderung dieser Werke von zehn auf fünf Jahre. Das verkürzt deren Übergangsfrist, in der sie sich an die Wettbewerbsbedingungen, die sich verschärft haben, anpassen können. In der Vorlage stand, dass die Förderung zehn Jahre fortgesetzt werden solle; jetzt haben Sie den Förderzeitraum – mit Degression – auf fünf Jahre gekürzt. Die Kolleginnen und Kollegen in den Werken werden einen sehr unruhigen Sommer haben. Sie werden Angst um ihre Jobs haben, und das ist angesichts der angeblichen Wirtschaftskompetenz von Union und SPD schon schäbig. (Beifall bei der LINKEN) Aber das sind ja auch nur mittelständische Unternehmen und keine Großkonzerne, keine Großkunden, denen Sie die Industrieprivilegien niemals auch nur ein kleines bisschen streichen würden. Herr Gabriel, ich kann Ihr Gejammer über die ausufernden Redispatch-Kosten, über die Kosten wegen Überlastung von Stromnetzen, einfach nicht mehr hören. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihr Ministerium verhindert doch die Senkung dieser Kosten. Warum untersagt die Ihnen unterstehende Bundesnetzagentur den Einsatz einer Siemens-Software bei den Übertragungsnetzbetreibern, die nur 300 000 Euro kostet, aber die von Ihnen genannten Kosten von 1 Milliarde Euro um 40 bis 50 Prozent reduzieren würde? (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Was sind das für Verschwörungstheorien?) Warum nutzen Sie nicht, wie in Österreich, eine 24-Stunden-Vorschau zu Netzengpässen? Damit könnten Sie preiswertere Ausgleichsmaßnahmen umsetzen und die Redispatch-Kosten ebenfalls senken. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wieso schieben Sie die Kosten für Reservekraftwerke oder durch Störungen und Havarien in konventionellen Kraftwerken den erneuerbaren Energien in die Schuhe? Herr Gabriel, Sie selbst schaffen die Gründe, mit denen Sie dann das Abwürgen der erneuerbaren Energien begründen können, und das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deshalb lehnt die Linke dieses „GEEBG“, das Gabriel’sche Erneuerbare-Energien-Behinderungsgesetz, ab. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Oje!) Die Linke will die Unterstützung der Bürgerenergie statt der Stützung von Großkonzernen. Wir wollen keine Deckel für Photovoltaik und Windstrom. Wir fordern, die Stromsteuer von 2 Cent auf die EU-Mindesthöhe von 0,1 Cent zu senken. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Das gleicht die nächste Steigerung der EEG-Umlage aus. Stimmen Sie unseren Vorschlägen für erneuerbaren Strom bei stabilen Strompreisen zu! Dann klappt es mit der Energiewende sozial und ökologisch. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Rituale bei einer EEG-Reform sind offenkundig immer dieselben. Es beginnt mit einer Geschäftsordnungsdebatte. Das Argument ist auch immer gleich: Man hätte das in der Kürze der Zeit nicht erfassen können. Wenn man sich die Reden der Opposition anhört, merkt man: Das stimmt. Sie haben es nicht erfasst. Nun weiß ich nicht, ob es an der Zeit liegt. Ich will auch nicht sagen, dass es an der Auffassungsgabe liegt – überhaupt nicht –, sondern es liegt daran, meine Damen und Herren, dass Sie es nicht verstehen wollen. Sie wollen es nicht erfassen, weil Sie die Welt einfach aufteilen wollen in die einen, die für die Erneuerbaren, für das EEG sind, und die anderen, die dagegen sind. Sie wollen einfache Botschaften machen und, Herr Lenkert, dann auch noch einfache Lösungen anbieten. So einfach ist die Realität nicht. Ich sage hier am Anfang auch ganz klar: Wenn man insbesondere den Grünen gefolgt wäre, wären wir heute noch auf dem Stand von 2000, wo man die Solarenergie zu früh und zu teuer an den Markt geführt hat. Das kostet uns jährlich 10 Milliarden bis 12 Milliarden Euro. Das sind die Altlasten, die wir an dieser Stelle durchschleppen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich will Ihnen an dieser Stelle auch nicht einfach die Schuld zuschieben. Wir haben ein systemisches Problem im EEG, das ich ansonsten – ich habe das immer wieder betont – für ein gutes Gesetz halte. Wir haben das systemische Problem, dass die Erfolgskurven Gott sei Dank steil sind, die Kosten schneller sinken, als der Deutsche Bundestag reagieren kann. Deshalb kommt es immer wieder zu Überrenditen, aktuell wieder bei der Windkraft, und deshalb waren wir bisher immer im Zugzwang, nachzusteuern. Ich gehe davon aus, dass der Systemwechsel, über den wir heute hier reden, das ändern wird, dass wir über die Ausschreibungen verhindern können, dass wir nachsteuern müssen, und dass wir Überrenditen marktnah ändern können. Meine Damen und Herren, wir wollen die Energiewende nicht stoppen. Wir wollen sie steuern; das ist entscheidend. Wenn man darüber nachdenkt, ist die Notwendigkeit, glaube ich, auch offenkundig. Allein das, was bei Windparks auf hoher See passiert – Stichwort „BorWin 3“, 700 bis 900 Millionen Euro, die die Stromkunden für Strom ausgeben müssen, der sozusagen nicht produziert wird, der bezahlt werden muss, aber nicht transportiert werden kann –, ist ein Schildbürgerstreich. Das können wir uns auf Dauer nicht leisten. Das wird die Akzeptanz des EEG und damit auch der Energiewende deutlich infrage stellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb ist das, was wir hier tun, intelligent, intelligent auch für die Erneuerbaren. Wer sagt, das gehe nicht, müsste Folgendes einmal bedenken: Es ist ein großer Erfolg, dass wir nach der Einführungsförderung, nach einem beachtlichen Zuwachs bei den erneuerbaren Energien jetzt an einen Punkt kommen, wo wir Markt organisieren können. Wer das nicht glaubt, wer das nicht sieht, der glaubt nicht an den Erfolg der Erneuerbaren. Deshalb bin ich ein bisschen traurig, dass Linke und Grüne dem an dieser Stelle nicht folgen können. Nun tun wir einiges, um zu steuern. Wir verlegen eine Tranche der Offshoreprojekte in die Ostsee, weil wir zuversichtlich sind, dass wir den Strom dort tatsächlich in die Netze bekommen. Wir weisen Netzengpassgebiete dort aus, wo es zu viel Wind und zu wenig Leitungen gibt. Wir sorgen für eine Einmaldegression bei Wind onshore, um den Übergang zu den Ausschreibungen richtig zu schaffen. Das sind alles notwendige Dinge. Aber, meine Damen und Herren, das ist auch ein Hinweis an die, die Windenergie produzieren, dass es jetzt höchste Zeit ist, Netze auszubauen. Ich weiß, wenn man das als Bayer sagt, dann kommen sofort Anwürfe, wir hätten da doch verzögert, und was auch immer. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!) Ich sage Ihnen: Wir haben etwas anderes gemacht. Wir haben erstens dafür gesorgt, dass die Verkabelung auf das notwendige Maß reduziert wird. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht verzögert, sondern sabotiert! Sie sabotieren weiter!) Wir haben zweitens dafür gesorgt, dass sich Erdverkabelung durchsetzt. Das wird der Akzeptanz helfen. Und drittens sage ich: Wenn Sie sich anschauen wollen, wie das richtig umgesetzt wird, dann können Sie auch nach Bayern kommen. Stichwort „Thüringer Strombrücke“ – die bayerische Wirtschaftsministerin sitzt dort auf der Länderbank; die kann Ihnen das beschreiben –, beispielgebend auch für andere Bundesländer. Ich kann insbesondere den Niedersachsen nur empfehlen, dem zu folgen, meine Damen und Herren. Denn wenn sich da nichts ändert, dann wird es eng, nicht nur in Niedersachsen, sondern insbesondere bei der Frage, wie wir zukünftig in Schritten die Erneuerbaren ausbauen können. Ich will Ihnen sagen, es geht uns ganz erkennbar um die Sache. Da ist das Thema Biomasse ein gutes Beispiel. Die Biomasse scheint ein ungeliebtes Kind zu sein. Die Vaterschaft dafür – ausgenommen die CSU – wird mittlerweile von allen Parteien geleugnet. Alle machen sich an dieser Stelle sprichwörtlich vom Acker, obwohl Bioenergie speicherbar ist, obwohl wir erkennen können, dass wir für die Energiewende genau einen solchen Beitrag brauchen. In den Debatten haben ein paar so getan, als sei das Thema Biomasse ein bayerisches Hobby. Dazu muss ich Ihnen sagen: Ein Drittel der Biogasanlagen liegt in Bayern. Das heißt im Umkehrschluss, zwei Drittel müssen anderswo liegen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir uns für dieses Thema immerhin noch starkgemacht haben und mit diesem Erneuerbare-Energien-Gesetz die Botschaft senden, dass es für die Bestandsanlagen einen Anschluss gibt, dass es weitergeht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das halte ich für ganz wichtig, insbesondere als Botschaft in eine Branche, nämlich in die Landwirtschaft, die momentan schwer gebeutelt ist. Die Landwirtschaft sagt uns ja: Uns mit eurer politischen Irrlichterei in die Investitionen zu führen und dann zu sagen: „Braucht man nicht“, das ist ein falscher Ansatz. – Deshalb war es mir wichtig, dass wir an dieser Stelle tatsächlich zu wichtigen und richtigen Perspektiven kommen. Weitere Beispiele dafür, dass wir es mit der Energiewende ernst meinen, wurden hier schon angesprochen. Bürgerenergie und Akteursvielfalt sind ein wichtiges Thema; denn wir wollen die Bürger schon noch bei der Stange halten, und wir sehen, dass Ausschreibungen den Nachteil haben, dass man nicht steuern kann, wer am Schluss den Zuschlag bekommt. Deshalb haben wir da, glaube ich, die richtigen Weichen gestellt, dass Bürgerenergiegesellschaften ohne große Vorlaufkosten bieten können und dann auch eine gute Aussicht haben, privilegiert beteiligt zu werden. Das Thema Mieterstrom wurde angesprochen. Es geht darum, den Strom aus erneuerbaren Energien in die Städte zu bekommen. Ich weise darauf hin, dass das ein Modell für beide Seiten ist, nicht nur für die Mieter, sondern auch für die Vermieter. Das ist etwas, was der Vertragsfreiheit von Mietern und Vermietern unterliegt. Da haben wir noch Defizite, und da muss sich etwas ändern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir haben beim Thema „zuschaltbare Lasten“ dafür gesorgt, dass Windstrom, der eigentlich abreguliert wird, fossile Brennstoffe in KWK-Anlagen ersetzt. Da spart niemand Geld, aber es macht ökologisch und, wie ich meine, auch volkswirtschaftlich Sinn, so etwas zu tun. Apropos Volkswirtschaft: Ich halte es für richtig, dass wir die besondere Ausgleichsregelung aufrechterhalten haben, dass wir dafür Sorge getragen haben, dass diejenigen Unternehmen, die bisher, weil sie energieintensiv sind, Ausnahmen genossen haben, in diesem Bereich bleiben, nicht zu tief nach unten fallen. Es geht hier darum, Deutschland aufgrund der hohen Kosten nicht zu deindustrialisieren. Ich glaube, wir haben auch hier einen guten Weg beschrieben, wie wir der Industrie helfen können – nicht nur den neuen Unternehmen, die beim Thema Offshore entstehen, sondern auch den etablierten, die trotz hoher Energiekosten hierbleiben und weiter investieren sollen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden uns in der Tat – irgendjemand hat gefragt: wie geht es weiter? – im Herbst noch einmal über das Thema Eigenstromproduktion unterhalten müssen und auch über die Frage: Unter welchen Umständen kann man das zulassen, und wie kann man diese fördern? Da wird es die üblichen Diskussionen mit Brüssel geben. Auch das ist ein Thema, das uns wichtig ist. In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass wir auch mit dem Bundesfinanzminister zu Recht kontroverse Diskussionen über die Frage der Stromsteuer führen; denn ich sehe überhaupt nicht, dass wir hier eine Doppelförderung haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wenn jemand erneuerbaren Strom produziert, dann verkauft er den einen Teil, der nach dem EEG gefördert wurde, und verbraucht den anderen Teil, der nicht gefördert wurde, selber. Diesen Strom kann man ohne Probleme von der Stromsteuer befreien, so wie das bei vielen seit Jahrzehnten der Fall ist. Ich spreche an dieser Stelle insbesondere die Mühlenbetriebe an, die seit ewigen Zeiten diesen Strom selber produzieren und selber verwenden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Sie können deshalb zu Recht darauf pochen, dass das in Zukunft weiter so bleiben und Bestand haben darf. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Sie müssen bitte zum Ende kommen. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss meiner Rede, Herr Präsident. – Sie sehen: Wir haben hier einen wohlabgewogenen Entwurf vorgelegt, von dem ich meine, dass auch Sie von der Opposition ihm zustimmen sollten, weil er Sinn macht, weil er die Akzeptanz erhöht und weil er bei weitem nicht so schlimm ist, wie Sie hier den Eindruck erwecken wollen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun der Kollege Anton Hofreiter das Wort. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Dienstag, beim Petersberger Klimadialog, hat die Kanzlerin noch davon schwadroniert, dass man beim Klimaschutz Verantwortung übernehmen müsse. Am Mittwoch hat die Umweltministerin dann zugegeben, dass man in der nächsten Legislaturperiode den Deckel in Höhe von 45 Prozent beim Ausbau der erneuerbaren Energien wegnehmen muss, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Heute, zwei Tage später, beschließen wir ein Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit dem man nach Einschätzung aller Experten ebendiese Klimaschutzziele nicht erreichen kann. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wissen Sie, Herr Gabriel, wir haben in der Vergangenheit schon immer davor gewarnt, dass Sie sich zur Abrissbirne der erneuerbaren Energien entwickeln. Wenn Sie nun behaupten, dass nichts passiert sei, dann ist das gegenüber all den Menschen, die ihre Arbeitsplätze verloren haben, schlichtweg zynisch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Herr Pfeiffer und die CDU davon sprechen, dass nichts passiert sei, wenn die Sozialdemokraten davon sprechen, dass nichts passiert sei, aber fast 40 000 Menschen ihre Arbeitsplätze verloren haben, dann ist das nicht nur eine Frechheit gegenüber dem Klimaschutz, sondern dann ist das, finde ich, auch eine Armutserklärung der Sozialdemokraten. Und deshalb: Hören Sie auf, davon zu sprechen, dass hier nichts passiert wäre! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nachdem Sie bereits die Bioenergie gestoppt haben, nachdem Sie die Photovoltaik in den Bankrott getrieben haben und nachdem Sie Unmengen von Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben haben, nehmen Sie sich jetzt die Windkraft vor, die letzte verbleibende erneuerbare Energie, die noch floriert. Und damit Sie sich auch ganz sicher sein können, dass Sie die auch noch plattmachen können, haben Sie sich allein für die Windkraft insgesamt vier Deckel ausgedacht: Neben dem Gesamtdeckel für die erneuerbaren Energien haben Sie sich noch zwei Deckel für die Windkraft auf See und noch einmal zwei für die Windkraft an Land ausgedacht. Und damit der letzte Rest von Leben, der in der Photovoltaik und der Bioenergie noch drinsteckt, entweicht, haben Sie sich noch einmal drei Deckel für die Photovoltaik ausgedacht und zwei Deckel für die Bioenergie. Insgesamt sind es also zehn Deckel, die den Ausbau der erneuerbaren Energien stoppen sollen. Das ist doch absolut unverantwortlich. Ich verstehe nicht, wie Sie als Sozialdemokraten das mitmachen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es wird immer gesagt: Ja, selbstverständlich muss der Netzausbau mithalten mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. – Das ist logisch; das ist richtig. Aber Sie begründen den Stopp des Ausbaus der erneuerbaren Energien, den Abbruch in manchen Bereichen, wie zum Beispiel in der Nordsee, wie das die Küstenländer bereits befürchten, sozusagen mit Ihrer eigenen Unfähigkeit. Weil Sie jetzt schon wissen, dass Sie in den nächsten Jahren nicht in der Lage sind, die Netze vernünftig auszubauen, müssen Sie bereits jetzt Gesetze machen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen. Wie wäre es denn, beim Netzausbau anstatt auf die eigene Unfähigkeit auf die eigene Fähigkeit zu setzen und zu sagen: „Ja, die Netze müssen ausgebaut werden, und deswegen strengen wir uns jetzt endlich an“? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gäbe durchaus Möglichkeiten, die Netze schneller auszubauen. Es gibt noch weitere Möglichkeiten. Was verstopft denn die Netze? Die Netze werden unter anderem vom Kohlestrom verstopft. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Falsch!) Man könnte einfach einen Ausstiegsplan für die Kohle machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann sprechen Sie immer über Ihre Redispatchkosten von 1 Milliarde Euro. Wir haben nachgefragt, woher die kommen. Ja, woher kommen die? Die kommen ganz erheblich auch aus den fossilen Kraftwerken. Ja, dann ändern wir halt etwas bei den fossilen Kraftwerken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Dann zu den 4 Milliarden Euro zukünftige Redispatchkosten. Woher kommt denn die Zahl? Wir haben bei der BNetzA nachgefragt. Die BNetzA sagt: Diese Zahl haben wir uns ausgedacht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Du weißt doch gar nicht, was das ist! Erklär doch einmal, was Redispatch heißt!) Es gibt bei denen überhaupt keine Vorstellung davon, woher diese Zahl kommt. Also deshalb: Ein bisschen mehr Seriosität in diesem Bereich würde dem Ganzen guttun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, wenn Herr Gabriel hier steht und jammert, dass Bürger und Kommunen bis jetzt an der Energiewende verdient haben und der Rest der Menschen das bezahlen muss, dann stimmt das. Aber wie war es denn vorher? Da haben alleine wenige Großkonzerne die Leute abgezockt. Ich frage mich schon, was Sozialdemokraten sinnvoller finden: dass weiter vier Großkonzerne – das haben Sie jetzt wohl vor; das Ganze ist nämlich vor allem ein Großkonzerne-Rettungsgesetz – zukünftig abzocken sollen oder ob wir weiter eine Energiewende haben, wovon viele Menschen profitieren können? Ich frage mich: Was wäre denn sozialdemokratischer? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zum Mieterstrommodell. Ja, das Mieterstrommodell muss dringend umgesetzt werden. Das ist richtig. Aber hier haben wir wieder das schöne Modell, dass eine Verordnungsermächtigung drinsteht. Bis jetzt haben wir erlebt, dass bei den Verordnungsermächtigungen noch nie etwas Vernünftiges herausgekommen ist. Wir werden euch genau auf die Finger schauen, ob ihr diesmal ausnahmsweise etwas Vernünftiges macht. Deshalb: Wir brauchen einen Neustart der erneuerbaren Energien, wir brauchen einen Neustart, wir brauchen eine Energiewende 2.0. Das ist dringend notwendig. Man muss Frau Hendricks recht geben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach 2017 kommen wir hoffentlich zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, bei dem diese Deckel herausfliegen; denn das ist notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bernd Westphal ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bernd Westphal (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Hofreiter, Sie müssen schon bei der Wahrheit bleiben. Sie haben gerade angeführt, dass der Arbeitsplatzverlust in der Solarindustrie dem EEG zu verdanken ist. Das ist absolut falsch. (Beifall bei der SPD) Sie wissen wie alle hier im Raum, dass die Importe von billigen Solarpanels aus China dazu beigetragen haben, dass sie nicht mehr wettbewerbsfähig war. Deshalb sind die Arbeitsplätze weggefallen. Das ist Demagogie, was Sie hier betreiben. Das, was Sie behaupten, haut vorne und hinten nicht hin. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Im Gegenteil. Wir beraten heute abschließend den wohl wichtigsten Baustein für die energiepolitische Zukunft Deutschlands in dieser Legislaturperiode. Die Energiewende basiert auf dem Zieldreieck: sicher, sauber und bezahlbar. Diesem energiepolitischen Dreieck wollen wir gerecht werden. Deshalb haben wir den Vorrang der Erdverkabelung, die Neugestaltung des Strommarktes, die Digitalisierung der Energiewende, den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und das Fördern von Elektroautos auf den Weg gebracht. Ich bin Sigmar Gabriel als Bundesminister und dem Ministerium sowie allen Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition dankbar, dass wir das hinbekommen haben. Damit hat die SPD allein in dieser Legislaturperiode gleich mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie eine wichtige Antriebskraft dieser Energiewende ist. Die SPD kann Energiewende, sie macht Energiewende. Das nennt man Fortschritt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) Das EEG 2016 fügt sich inhaltlich nahtlos in den bisherigen energiepolitischen Fortschritt ein. Es führt an zwei Stellen zu einem großen Paradigmenwechsel: auf der einen Seite die Umstellung auf Ausschreibungen, auf ein marktwirtschaftliches Instrument, auf der anderen Seite das Ziel der Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Netzausbau. Das, was wir an Ausbaupfaden festgelegt haben, wird dazu beitragen, Klimaziele zu erreichen. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir uns Anarchie im Ausbau der Erneuerbaren nicht mehr leisten können. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Anarchie“?) Wir beenden den Wettlauf der Einzelinteressen, kurz: Wir bringen die Energiewende auf die Spur, damit in Zukunft erfolgreich zu Ende geführt werden kann, was wir uns dort vorgenommen haben. Ein Abwürgen der Energiewende sähe völlig anders aus. Das, was hier von den Oppositionsfraktionen behauptet wird, ist völlig falsch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen genau diese Veränderungen vornehmen, weil wir im Ausland Nachahmer für die erfolgreiche Energiewende finden wollen. Nur so wird das funktionieren. Energiepolitik ist auch Wirtschaftspolitik. Sie schafft wichtige Voraussetzungen für Investitionen und Vertrauen von Unternehmen ebenso wie von Bürgerinnen und Bürgern. Um diesem Vertrauen gerecht zu werden, brauchen wir Planbarkeit und Berechenbarkeit. Das schaffen wir mit den Ausbaupfaden, das schaffen wir mit dem EEG 2016. Gleichzeitig sind erneuerbare Energien ein wichtiger Industriezweig geworden, der sich auch aufgrund des Einsatzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, durch das Know-how, die Entwicklungen und die Innovationen, sehr gut entwickelt hat. Um die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplätze zu erhalten, brauchen wir einen starken und verlässlichen Heimatmarkt. Insofern sichern wir mit dem EEG 2016 die Basis für Innovationen hier im Land, aber auch die Option auf Exporte. Wir brauchen die Energiewende für unsere industrielle Basis, für erfolgreiche Wertschöpfung und für die Perspektive auf weitere Arbeitsplätze in den entsprechenden industriellen Strukturen auch in Norddeutschland. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Wettbewerbsfähigkeit für die Industrie und die Bezahlbarkeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu sichern. Eine Dekarbonisierung darf eben nicht zur Deindustrialisierung führen. Die SPD ist die Partei, die diese schwierige Balance in der Vergangenheit bereits gemeistert hat, und das werden wir auch in Zukunft tun. Lassen Sie uns mit dieser Energiewende gemeinsam Geschichte schreiben. Wir brauchen die Energiewende für unsere Zukunft; denn nur mit ihr haben wir eine. Ich bitte um Zustimmung zum Gesetz. Herzlichen Dank und Glück auf! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner ist der Kollege Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heute zu beschließende Reform des EEG bedeutet einen wirklichen Systemwechsel – so weit sind wir uns einig. Künftig wird die Einspeisevergütung nicht mehr hier im Bundestag festgelegt, sondern vom Markt bestimmt. Strom aus erneuerbaren Energien soll in der Höhe vergütet werden, die für einen wirtschaftlichen Anlagebetrieb notwendig ist. Wir schaffen damit mehr Kosteneffizienz beim Ausbau der Erneuerbaren, und diese brauchen wir auch. Gerade die Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Netzausbau ist von kaum zu überschätzender Bedeutung. Es hilft uns nichts, wenn wir zwar einen hohen Zuwachs an Erneuerbaren im Strombereich haben, aber keine Leitungen, über die der Strom abtransportiert werden kann. Übrigens kommen wir gerade im rot-grün regierten Niedersachsen mit dem Netzausbau immer noch nicht voran. In Bayern läuft es mittlerweile. Insofern ist es schön, dass die bayerische Wirtschaftsministerin hier anwesend ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vielleicht liegt da der Grund, warum der niedersächsische Minister nicht hier ist, aber die bayerische Ministerin schon. Das ist ein Beispiel für funktionierendes Regierungshandeln. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Wegen der Situation beim Netzausbau werden wir bestimmte Regionen als Netzengpassgebiete ausweisen, in denen der Ausbau der Windenergie begrenzt wird. Das ist ein wichtiger Schritt dahin, dass künftig bei der Standortwahl die Netzsituation stärker berücksichtigt wird, damit der Netzausbau insgesamt vorankommt. Ich fühle mich in der heutigen Debatte bei einigen Wortbeiträgen um zwei Jahre zurückversetzt. Beim EEG 2014 hieß es: „Abbruchveranstaltung“, „Abrissbirne“, „ein Anschlag auf die Energiewende“. Das alles hat damals Herr Krischer gesagt. Heute wurde anscheinend Herr Krischer durch Herrn Hofreiter ausgewechselt, aber das macht die Sache insgesamt natürlich nur unwesentlich besser (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das macht es überhaupt nicht besser!) – oder überhaupt nicht besser. Diese Untergangsszenarien helfen uns nicht weiter, wenn wir bei der Energiewende vorankommen wollen. In Wirklichkeit ist es doch so, dass Sie mit Ihren unrealistischen Forderungen und Vorstellungen die Energiewende gefährden. Wir hingegen wollen die Energiewende zukunftssicher machen. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Berichterstattern, bei Herrn Saathoff, aber auch bei Thomas Bareiß, bedanken. Ich möchte betonen, dass wir einen Wirtschaftsminister haben, der beim Thema Energiewende ganz bei der Sache ist und nicht über den Dingen schwebt, auch wenn man nicht immer zu denselben Schlüssen kommt. Das ist auf jeden Fall ein Vorteil in der Debatte. Das hat der Minister in der letzten Ausschusssitzung auch noch einmal bewiesen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sehr feiner Zug!) Wir wahren mit der Reform die Akteursvielfalt. Die Akzeptanz der Energiewende hängt auch von der Möglichkeit der Bürger ab, sich an der Energiewende zu beteiligen. Natürlich muss sich auch die Bürgerenergie dem Wettbewerb, dem Markt stellen. Ich glaube, dass die Bürgerenergie das auch kann. Wir haben hier eine gute Lösung gefunden. Bürgerenergieprojekte erhalten, wenn sie bei einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen, den Preis des letzten bezuschlagten Gebots; sofern möglich, müssen 10 Prozent der Anteile der jeweiligen Kommune angeboten werden. Bei der Photovoltaik gilt eine Bagatellgrenze von 750 Kilowatt, das heißt, Betreiber von Anlagen, deren Leistung kleiner als 750 Kilowatt ist, müssen sich nicht an den Ausschreibungen beteiligen. Ich halte das für folgerichtig und aus Praktikabilitätsgründen auch für geboten. (Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/CSU]) Ab einer Größenordnung von 600 Megawatt wird bei der Photovoltaik zukünftig ausgeschrieben. Dabei gilt, dass die Freiflächen auf Äckern und Feldern nur infrage kommen, wenn das jeweilige Bundesland eine entsprechende Verordnung erlässt. An dieser Stelle muss man auch ansprechen, dass es ein Unding ist, dass für Photovoltaikfreiflächen gleichzeitig Ausgleichsflächen beansprucht werden müssen. Es muss sich also auch in der Bundeskompensationsverordnung etwas ändern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Um meine Sicht ganz klar zum Ausdruck zu bringen: Photovoltaik gehört zunächst aufs Dach, höchstens noch auf Konversionsflächen des Bundes, aber eben nicht auf landwirtschaftlichen Nutzgrund. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Beginn der Degression bei der Geothermie wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Das ist aufgrund der von den Projektierern vielfach nicht verschuldeten planungsrechtlichen Verzögerungen auch gerechtfertigt. Skaleneffekte und Lernkurven können sich erst einstellen, wenn die Anlagen entsprechend umgesetzt werden. Gerade der Bestand an Biogasanlagen kann dazu beitragen, die stark fluktuierenden Energien wie Wind und Photovoltaik in den Spitzen auszugleichen. Die Biomasseanlagen werden in den kommenden sechs Jahren mit einem Ausschreibungsvolumen von 1 050 Megawatt berücksichtigt; hier noch einmal mehr mein Dank an Bayern, das sich über den Bundesrat, aber auch in den Vorgesprächen sehr stark eingebracht hat, allen voran natürlich unsere bayerische Wirtschaftsministerin. Dabei erhalten auch die Betreiber von Anlagen, deren Leistung kleiner als 150 Kilowatt ist, die Möglichkeit, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen. Für sie wird der letzte erfolgreiche Gebotspreis übertragen, um ihre Chancen bei der Ausschreibung zu verbessern. Das ist ein erster Schritt für den langfristigen Erhalt der Biomasse, die durch ihre Flexibilität, durch ihre Grundlastfähigkeit, aber auch durch ihren Beitrag zur CO2-Einsparung wichtig bleibt. Wenn man das Kostenargument bemüht, dann muss man auch darauf hinweisen, dass bei der Biomasse keine Netzausbaukosten anfallen. Die Verstromung von Schwarz- und Dicklauge – wir haben schon von Herrn Lenkert etwas darüber gehört – soll in den nächsten fünf Jahren außerhalb der Ausschreibung durch das EEG weiter gefördert werden. Die EEG-Vergütung wird über diese fünf Jahre degressiv abgebaut. Das schafft vor allem Wettbewerbsgleichheit unter den Zellstoffproduzenten; denn es hilft uns nichts, wenn wir noch zwei Zellstoffproduzenten im Osten haben, aber die Anlagen im Westen bankrottgehen. Die fünf Jahre sind dem EU-Vorbehalt geschuldet und dienen einer besseren Genehmigungsfähigkeit. Die Reform des EEG stellt einen wichtigen Teil der Weiterentwicklung der Energiewende dar, hin zu mehr Kosteneffizienz bei gleichzeitiger Wahrung ökologischer Ziele. Meine Damen und Herren, ein Mehr an Markt hilft, richtig umgesetzt, allen. Änderungen sind natürlich auch in Zukunft noch vorzunehmen. Im Herbst haben wir zahlreiche weitere Regelungen zu treffen. Es wurde schon angesprochen, dass gerade die Regelung zur Eigenversorgung der Industrie noch auf sichere Füße gestellt werden muss. Hier sind wir mit der EU-Kommission einen guten Schritt weitergekommen. Außerdem wird es um weitere Ansätze bei der Sektorkopplung gehen, und das Thema Netzausbau wird uns weiterhin begleiten. Es wird beim EEG also weiterhin gelten: „Nach der Reform ist vor der Reform“, oder, um eine Fußballweisheit zu bemühen: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, auch wenn diese Aussage gerade heute besonders bitter ist. Die heute zu beschließenden Änderungen sind insgesamt auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Deshalb bitte ich um Zustimmung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien. Dazu liegen mir inzwischen über 20 persönliche Erklärungen zur Abstimmung vor, die wir, wie üblich, dem Protokoll beifügen.1 Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/9096, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/8860 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich darf alle diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen bitten. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf mit der Mehrheit der Koalition ganz offenkundig gegen die Stimmen der jedenfalls meisten Mitglieder der Oppositionsfraktionen in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Hier stimmen wir nun über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen und mir zu signalisieren, wenn sie ordnungsgemäß besetzt sind. – Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses im Saal, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2 Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/9106. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt. Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/9107 zur Abstimmung auf. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9096, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/8832 und 18/8972 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das ist einvernehmlich so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a und b sowie den Zusatzpunkt 6 auf: 34   a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Genehmigungen für Rüstungsexporte in die Staaten des Golfkooperationsrates widerrufen und keine neuen erteilen Drucksache 18/8930 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Auswärtiger Ausschuss b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Waffenexporte in die Golfregion verbieten Drucksachen 18/768, 18/1674 ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jemen – Militärische Intervention stoppen – Neue Friedensverhandlungen beginnen Drucksachen 18/5380, 18/6145 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache insgesamt 77 Minuten vorgesehen. – Dazu erhebt sich kein Widerspruch. Also verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Jan van Aken für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich muss Sie jetzt enttäuschen. Ich werde jetzt nicht über Steinmeier, Gabriel und Frau Merkel herfallen und mich maßlos über die unfassbar hohen deutschen Waffenexporte aufregen, (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Unfassbar hoch? Unfassbar!) obwohl sie natürlich viel zu hoch sind und obwohl ich mich natürlich aufrege. Mich treibt, ehrlich gesagt, im Moment eine andere Frage um. Wenn ich mir anschaue, wie sich die deutschen Waffenexporte in den letzten drei Jahren entwickelt haben, drängt sich mir nämlich vor allem die Frage auf: Woran ist Sigmar Gabriel eigentlich gescheitert? Sigmar Gabriel hat 2013 massiv Wahlkampf gegen die Waffenexporte gemacht. Er hat sich – auch als Minister – immer wieder dagegen ausgesprochen. Das kann man jetzt alles als Propaganda abtun. Ich tue das nicht, sondern glaube, er wollte tatsächlich hier und da ein bisschen verändern. Er hat sogar an einigen ganz kleinen Punkten etwas bewegt. Aber in der Summe, unter dem Strich, ist Gabriel grandios gescheitert, wie ich feststelle, wenn ich mir ansehe, dass sich die deutschen Waffenexporte im letzten Jahr – in einem einzigen Jahr! – verdoppelt haben. 2015 war das Jahr in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, in dem mehr Waffenexporte als je zuvor genehmigt wurden, nämlich im Wert von 12,8 Milliarden Euro. Ich finde, das sind 12,8 Milliarden zu viel. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wie gesagt, das geschah unter Sigmar Gabriel, der genau das Gegenteil angekündigt hatte. Wenn ich mir jetzt seine Entschuldigungen anhöre, mit denen er diese hohen Exporte rechtfertigen will, stelle ich fest, dass das kompletter Unsinn ist. Er hat in den letzten zwei, drei Tagen vor allem zwei Entschuldigungen vorgebracht. Erstens. Schuld sind immer die anderen. Schuld sind die Vorgängerregierungen. Es war ja Schwarz-Gelb, die damals schon den Panzerdeal mit Katar durchgewinkt haben. Richtig ist, dass die erste Genehmigung von Schwarz-Gelb kam. Richtig ist aber auch, dass die zweite entscheidende Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz von Sigmar Gabriel im letzten Jahr erteilt worden ist. Er hätte sich weigern können. Er hätte Nein sagen können. Es war ganz allein seine Entscheidung, dazu Ja zu sagen. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!) Alles andere ist eine faule Ausrede. Hören Sie bloß auf damit! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich jetzt höre: „Na ja, wenn wir jetzt Nein gesagt hätten, dann hätte die Firma eine Schadensersatzklage eingereicht“, dann ist das richtig peinlich für die deutsche Sozialdemokratie. Dann sollen die doch klagen. Die müssen den Prozess erst einmal gewinnen. Sie haben doch gute Argumente. Sie können sagen: Katar führt Krieg im Jemen, und Sie wollen keine Panzer an eine kriegsführende Partei liefern. Diesen Prozess sollen die erst einmal gewinnen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Selbst wenn die Bundesregierung diesen Prozess am Ende verliert, ist das uns das Geld nicht wert, wenn wir an die Toten im Jemen denken? Ich habe von einem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sehr viel mehr Rückgrat bei der Frage von Leben und Tod erwartet. Das ist ganz schwach, Herr Gabriel. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt kommen wir zur zweiten Ausrede von Sigmar Gabriel: In diesem Jahr waren ein paar ganz große Projekte dabei, die wir eigentlich herausrechnen müssen. Zum Beispiel sind das die Kriegsschiffe für Großbritannien für 1,1 Milliarden Euro. Das war ein ganz besonderer Sondereffekt. Das darf man nicht mitzählen. – Das ist genauso Unsinn; Sie alle wissen das. Denn es gibt jedes Jahr solche Sondereffekte: 2014 U-Boote nach Israel, 2016 wird es die Fregatte nach Algerien sein. Das gibt es jedes Mal. Ich bin mir sicher: Ich höre das jetzt gleich drei-, vier-, fünfmal über die Kriegsschiffe nach Großbritannien. Streichen Sie das aus Ihrem Manuskript. Sondereffekte gibt es jedes Jahr. Das ist völliger Unsinn. (Beifall bei der LINKEN) Unter dem Strich bleibt genau ein Faktum übrig: Unter Sigmar Gabriel haben sich die Waffenexporte verdoppelt, obwohl er etwas ganz anders angekündigt hatte. Deshalb noch einmal die Frage: Woran ist er eigentlich gescheitert? Ich glaube, er ist am System gescheitert, am heutigen System der Rüstungsexportkontrolle, die schlicht und einfach nicht funktioniert. So, wie das System aufgestellt ist, ist es einfach kaputt. Wenn Sie im Bereich der Waffenexporte künftig wirklich etwas verändern wollen – das sage ich in Richtung der Grünen und in Richtung der Sozialdemokraten –, dann müssen Sie das System verändern. So geht es nicht weiter. (Beifall bei der LINKEN) Das System – das wissen Sie ganz genau – ist völlig wischiwaschi, butterweich. Selbst die schlimmsten Menschenrechtsverletzter, die schlimmsten Despoten können sich mit deutschen Sturmgewehren, mit Panzern, mit Raketen, mit Handgranaten eindecken. Alles, was sie wollen, kann man in diesem System liefern. Das System ist nicht restriktiv. Es ist kaputt. (Beifall bei der LINKEN) Sie alle hier im Bundestag müssen sich doch fragen, ob Sie wirklich ein System einer Exportkontrolle haben wollen, bei dem die Waffenexporte immer steigen, egal wer gerade regiert. Schauen wir einmal 15 Jahre zurück. Da gab es eine rot-grüne Bundesregierung. Die rot-grüne Bundesregierung wollte die Waffenexporte reduzieren. Sie haben die Regeln neu gemacht. Auch sie sind grandios gescheitert, genauso grandios wie Gabriel. Auch unter Rot-Grün sind die Waffenexporte immer weiter gestiegen. Brauchen Sie denn noch mehr Hinweise darauf, dass das System kaputt ist und Sie es anders machen müssen? Ich glaube, wir brauchen einen grundsätzlich anderen Ansatz. Der Kern unseres Vorschlages ist, dass wir definierte gesetzliche Verbote einführen. Ohne die kommen Sie bei den Waffenexporten nie weiter. (Beifall bei der LINKEN) Im Moment beruht das System bei der Exportkontrolle auf sogenannten Einzelfallentscheidungen. Die Kriterien für den Einzelfall – wird diese Waffe an jenes Land geliefert? – sind völlig vage. Sie haben Tausende von Schlupflöchern. Sie können am Ende eigentlich gar nichts verbieten. Alles ist erlaubt. Sogar an Kriegsparteien dürfen Sie unter diesen Kriterien liefern. Aber diese butterweichen Kriterien sind nur ein Problem. Es gibt noch zwei weitere Probleme, über die wir hier bis jetzt eigentlich viel zu wenig geredet haben, die automatisch dazu führen, dass heutzutage das System komplett auf Ja gestellt ist, dass praktisch keine Anträge abgelehnt werden. Wissen Sie eigentlich, wie viele Anträge im letzten Jahr abgelehnt worden sind? Über 12 000 Anträge sind gestellt worden, abgelehnt wurden 100. Das System ist auf Ja gestellt. Die zwei Gründe dafür sind folgende: Erstens. Ein Nein ist nicht nachhaltig. Ein Nein kann die nächste Bundesregierung sofort wieder aufheben. Ein Ja ist von Dauer, solange sich die Bundesregierung nicht traut, auf eine Schadensersatzklage zu warten. Zweitens. Das Problem ist: Wenn Sie sich denn einmal trauen, Nein zu sagen, haben Sie sofort ein diplomatisches Problem, weil sich das Empfängerland natürlich diskriminiert fühlt. Diese beiden Punkte kann man ganz wunderbar an einem aktuellen konkreten Beispiel aufzeigen. Das ist die G36-Fabrik, eine Sturmgewehrfabrik, in Saudi-Arabien. Sie wurde vor vielen Jahren genehmigt. Die Produktionsanlagen stehen bereit; sie sind aber noch auf Zulieferungen aus Deutschland angewiesen: auf Ersatzteile, auf Bauteile usw. Diese Zulieferungen hat Sigmar Gabriel jetzt gestoppt. Das finde ich gut, und dafür, dass er das gestoppt hat, möchte ich Sigmar Gabriel an dieser Stelle einmal ausdrücklich danken. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) – Da könnten Sie auch einmal klatschen, oder? (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Nein, das finde ich nicht gut!) Das Problem ist nur, dass dieser Stopp nicht nachhaltig ist. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja, hoffentlich!) Im nächsten Jahr findet die Bundestagswahl statt, und nach dieser Bundestagswahl ist Sigmar Gabriel hier weg und woanders – was immer er dann auch macht. Es gibt dann doch die ganz große Wahrscheinlichkeit, dass die nächste Bundeswirtschaftsministerin dieses Nein von Gabriel „kassiert“ und die Genehmigung erteilt und die G36-Fabrik in Saudi-Arabien weiterläuft. Dann hat Gabriel unter dem Strich gar nichts erreicht, nullkommanix. Das ist ein riesiges Problem. Das ist jetzt auch keine Schwarzmalerei. Es gibt in der deutschen Geschichte tatsächlich konkrete Beispiele dafür, dass genau das passiert ist. Als Joschka Fischer Außenminister war – wieder Rot-Grün –, hat er einen ganz schmutzigen Sturmgewehr-Deal mit Mexiko gestoppt. Das Auswärtige Amt hat 2005 Nein zur Lieferung von G36-Gewehren nach Mexiko gesagt. 2005 gab es dann die Bundestagswahl. Kurz danach wurde Steinmeier Außenminister, und ein paar Tage später sagte das Auswärtige Amt Ja zum Deal mit Mexiko. Das zur Nachhaltigkeit in diesem System! Sie können 20 Jahre lang regieren: Kaum sind Sie weg, kommt die nächste Ministerin oder der nächste Minister, und das Problem ist erneut, dass wieder alles geliefert wird. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt, dass es auf die Regierung ankommt und nicht auf die Gesetze!) Deswegen funktioniert das System nicht so, wie es funktionieren sollte. Die Regierungen wechseln, und Sie müssen jetzt ein System aufbauen, das nachhaltig ist, damit auch dann, wenn Sie abgewählt wurden, das Nein weiter bestehen bleibt. Das ist das Problem. (Beifall bei der LINKEN – Matthias Ilgen [SPD]: Sie machen es sich ja sehr einfach!) Auch den zweiten Grund dafür, dass das System auf Ja gestellt ist, kann man schön an der G36-Fabrik darstellen; denn selbst Gabriel könnte in den nächsten Wochen noch gezwungen werden, die Genehmigung doch zu erteilen. Was passiert denn, wenn Sie Nein sagen? Die Herstellerfirma wird wahrscheinlich klagen, es gibt einen Prozess, und plötzlich muss die Bundesregierung öffentlich begründen, warum Saudi-Arabien diese Sturmgewehre nicht bekommt. Dafür gibt es tausend gute Gründe, die man auch alle nennen kann. Merkel und Steinmeier müssen dann aber nach Riad und den Saudis Auge in Auge erklären, warum sie keine Sturmgewehre bekommen, ihre Nachbarn aber doch. Das ist doch eine diplomatische Katastrophe. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Deswegen bin ich mir ganz sicher, dass Merkel und Steinmeier jetzt dafür sorgen werden, dass das nicht abgelehnt wird. Dieses diplomatische Desaster mit Saudi-Arabien wollen sie sich nämlich gar nicht erst einhandeln. Das ist der Punkt. In dem Moment, in dem Sie Einzelfallentscheidungen treffen und einmal Ja und zweimal Nein sagen, haben Sie eine diplomatische Katastrophe. (Matthias Ilgen [SPD]: Also immer Nein sagen?) Das können Sie nur dadurch vermeiden, indem Sie immer Nein sagen. Wenn Sie ein generelles Verbot von Kleinwaffen haben, dann können Sie nach Riad fahren und sagen: Jungs, es tut uns leid; das hat gar nichts mit euch zu tun. Wir Deutschen sind ein bisschen pazifistisch. Kein Land kriegt etwas von uns geliefert. – Damit hätten Sie kein diplomatisches Problem. (Beifall bei der LINKEN) Eine gesetzliche Regelung, durch die die Waffenexporte wirklich endlich einmal reduziert werden, ist doch auch in Ihrem ureigensten Interesse. Gucken Sie sich Sigmar Gabriel in dieser Woche doch einmal an. Was für eine Blamage, nach diesem Wahlkampf jetzt eine Verdoppelung der Rüstungsexportzahlen rechtfertigen zu müssen! Das Gleiche geschieht in zwei Jahren wieder. Der nächste SPD-Wirtschaftsminister und der nächste grüne Außenminister werden genau solche Peinlichkeiten wieder vertreten müssen, wenn Sie nicht endlich an die Systemfrage herangehen. Sie wissen, dass wir von mir aus alle Waffenexporte jetzt sofort verbieten können. Ich weiß aber auch, dass das mit Ihnen so schnell nicht geht; ich bin Realist. Das Dringendste und Wichtigste – ich glaube, darin sind sich ganz viele hier einig – ist aber doch ein generelles Verbot von Kleinwaffenexporten. (Beifall bei der LINKEN) Das sind die tödlichsten Waffen dieser Welt. Wir wissen, dass wir das verbieten müssen. Kein Sturmgewehr, keine Handgranate, keine Panzerfaust mehr exportieren, nirgendwohin: Das ist unser Vorschlag. Ich sehe auch überhaupt nicht, wo das Problem ist. Warum machen Sie da nicht mit? Auch an die Grünen: Warum erheben Sie nicht endlich einmal diese Forderung? Es gibt doch eigentlich überhaupt kein gutes Argument gegen ein solches Verbot. Auch in Deutschland werden Sie auf keinerlei Widerstand treffen, wenn Sie sagen, dass Kleinwaffen nicht mehr exportiert werden. Sie hätten dann die Gewerkschaften, die Kirchen und über 80 Prozent der Bevölkerung auf Ihrer Seite und wahrscheinlich schon heute eine Mehrheit hier im Bundestag dafür. Sie müssen es nur tun. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wir wollen es aber nicht! Im Gegenteil!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, will ich eben das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien bekannt geben: abgegebene Stimmen 574. Mit Ja haben gestimmt 444, mit Nein haben 121 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, 9 haben sich enthalten. Damit ist der Gesetzentwurf mit der notwendigen Mehrheit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 574; davon ja: 444 nein: 121 enthalten: 9 Ja CDU/CSU Stephan Albani Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Dr. Heribert Hirte Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Matern von Marschall Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h.c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Volker Mosblech Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Iris Ripsam Johannes Röring Kathrin Rösel Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Jana Schimke Tankred Schipanski Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Ronja Schmitt Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Sebastian Steineke Christian Frhr. von Stetten Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Karl-Heinz Wange Nina Warken Kai Wegner Dr. h.c. Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h.c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz-Herrmann Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Petra Rode-Bosse Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Sarah Ryglewski Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Elfi Scho-Antwerpes Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein CDU/CSU Enak Ferlemann Helmut Heiderich Bettina Hornhues Elisabeth Motschmann Kees de Vries SPD Marco Bülow Bettina Müller Dr. Nina Scheer DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Klaus Ernst Nicole Gohlke Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Kerstin Kassner Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Enthalten CDU/CSU Oliver Grundmann Hans-Georg von der Marwitz Heiko Schmelzle Dieter Stier SPD Dr. Ute Finckh-Krämer Gabriela Heinrich Gabriele Hiller-Ohm Dr. Birgit Malecha-Nissen Martina Stamm-Fibich Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Klaus-Peter Willsch für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Herr van Aken, Sie setzen das Thema Rüstungsexporte immer wieder auf die Tagesordnung. Das ist ja Ihr Leib- und Magenthema. Es ist schon schwer erträglich, mit anzusehen, wie sehr Sie sich bei diesem Thema in Selbstgerechtigkeit suhlen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wenn wir es so machen würden, wie Sie es gerade gesagt haben, nämlich Rüstungsexporte einfach verbieten und dabei nicht nach links oder nach rechts schauen, dann hätte der IS die Jesiden in noch viel größerer Zahl abgeschlachtet, und dann wären die Peschmerga nicht in der Lage gewesen, den IS zurückzuschlagen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut jetzt weh!) Kobane wäre gefallen. Das Zurückdrängen dieser Steinzeitislamisten wäre ohne unsere Lieferungen von MILAN und den Sturmgewehren in diese Region nicht möglich gewesen. Wenn man selbst schon nicht helfen will, dann muss man wenigstens die, die zu kämpfen bereit sind, ertüchtigen, sodass sie diesen gerechten Kampf führen können. Das haben wir in diesem Falle gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie versuchen immer wieder den Eindruck zu erwecken, der Handel mit Rüstungsgütern bei uns sei so etwas wie der Handel mit Gebrauchtwagen im Libanon. Sie wissen ganz genau, dass das anders ist. Auch wenn wir über dieses Thema wiederholt debattiert haben, ist es nicht auszuschließen, dass Menschen zuhören, die sich damit noch nicht auskennen. Daher will ich die Grundlagen der Rüstungsexportpolitik kurz darlegen. Es ist klar geregelt: Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern liegen in der aktuellen Fassung vom 19. Januar 2000 vor. Das ist ein Beschluss aus einer Zeit, als Rot-Grün regierte. Wir haben uns in großer Kontinuität in allen Fragen des Exports kritischer Güter sehr zurückhaltend gezeigt. Einige bei uns finden: zu zurückhaltend. Es ist keinesfalls so, dass es irgendeinen Anspruch auf Genehmigung von Rüstungsgütern gibt. Jede Rüstungsexportgenehmigung ist eine Einzelfallentscheidung. Gemäß Außenwirtschaftsgesetz und Außenwirtschaftsverordnung ist die Ausfuhr aller Rüstungsgüter genehmigungspflichtig. Rüstungsexporte werden grundsätzlich nicht genehmigt, wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass die Rüstungsgüter zur internen Repression oder zu sonstigen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum tun Sie dann das Gegenteil?) Die Prüfung und Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern obliegt dem Bundessicherheitsrat, der geheim tagt. Den Vorsitz hat die Bundeskanzlerin inne. Zusätzlich sind im Bundessicherheitsrat der Vizekanzler sowie die Bundesminister der Verteidigung, des Auswärtigen, des Innern, der Justiz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Chef des Bundeskanzleramtes zugegen. Gegebenenfalls werden der Generalinspekteur und der Regierungssprecher hinzugezogen. Bei der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung handelt es sich nicht um einen formellen Akt. Es besteht kein Anspruch darauf. Dabei sind vielmehr zahlreiche Gesetze und Vereinbarungen zu beachten, die schon kurz angerissen worden sind. Im Einzelnen geht es um das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen und um das Außenwirtschaftsgesetz, um den Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren und um die Prinzipien zur Regelung der Transfers konventioneller Waffen der OSZE. Dazu haben wir erst vor wenigen Wochen – Stichwort Kleine und Leichte Waffen – mit der Sechsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung die Kontrolle über die Ausfuhr von bestimmten Rüstungsgütern verstärkt. Darin ist neu geregelt worden, dass die Grundsätze der Bundesregierung für die Ausfuhrgenehmigungspolitik bei der Lieferung von Kleinen und Leichten Waffen, dazugehöriger Munition und Herstellungsausrüstung in Drittländer vom 18. März 2015 und die Eckpunkte vom 8. Juli 2015 für die Einführung von Post-Shipment-Kontrollen bei deutschen Rüstungsexporten umgesetzt werden. Der Exporteur muss eine Erklärung des staatlichen Endempfängers der Rüstungsgüter beibringen, die über den sogenannten Reexportvorbehalt hinausgeht. Es gelten der Grundsatz „Neu für alt“ und der Grundsatz „Neu, Vernichtung bei Aussonderung“. Das ist ein umfangreiches Kontrollwerk, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Waffen in jedem Fall nicht unsachgemäß weitergegeben oder unsachgemäß eingesetzt werden. Ich will gerade an dem Beispiel, das Sie fälschlicherweise auf die See verlegt haben – es ging dabei um Tankflugzeuge für Großbritannien – noch einmal deutlich machen: Das ist ein europäisches Projekt. Wir können nicht einfach als Deutsche dieses ganze Projekt zu Fall bringen. Wenn wir mit einem NATO-Partner ein solches Geschäft machen und auf europäischer Ebene innerhalb unserer industriellen Partnerschaften nicht mehr handlungsfähig sind, dann beschädigen wir damit unseren Industriestandort Deutschland. Wir müssen uns in diesen Fällen der engen Zusammenarbeit versichern. Deshalb ist es gut, dass wir unser europäisches Regelwerk auch hier eingeflochten haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Notwendigkeiten, denen wir uns im Hinblick auf die Arabische Halbinsel ausgesetzt sehen – sie ist alles andere als der Garten Eden und ein Hort blühender Stabilität –, bestehen im flexiblen Handeln und im Eingehen auf die konkrete Situation von Fall zu Fall. Wir sind der festen Überzeugung, dass nicht ein Land alleine, auch nicht der große Weltpolizist, die Problemfälle in unserer Welt bereinigen kann. Im außenpolitischen Konzept der Bundesregierung „Globalisierung gestalten – Partnerschaften ausbauen – Verantwortung teilen“ vom Februar 2012 heißt es: Kein Staat der Welt kann heute nur mit militärischen Mitteln oder allein für seine Sicherheit sorgen. Hierbei misst die Bundesregierung insbesondere der Entwicklung und weiteren Vertiefung sicherheitspolitischer Partnerschaften mit Staaten in entfernten Regionen sowie deren jeweiligen Regionalorganisationen (z. B. im Rahmen der Afrikanischen Union (AU) oder der Arabischen Liga (AL)) große Bedeutung bei. Es gibt einen regen Besuchsaustausch, um die Kontakte am Leben zu erhalten, natürlich auch zum Nutzen unserer Exportwirtschaft, aber auch, um immer wieder am Gesprächsfaden zu arbeiten und die Möglichkeiten der friedlichen Konfliktbeilegung und der Unterstützung im Kampf gegen Terror, Piraterie und andere Geißeln, die die Menschheit heimsuchen, zu nutzen. (Beifall des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) In diesem Zuge bleibt es nicht aus, dass wir mit Staaten reden müssen, deren staatliche Verfassung mit der, die wir sie uns gewählt haben und die wir in unserem Lande errichtet haben, nicht übereinstimmt. Sie weisen oft Unterschiede auf, die wir nicht gutheißen. Wir sagen: Mag jeder das machen, was er für richtig hält; wir sprechen es an, wenn es Menschenrechtsverletzungen gibt. Aber wir sehen: Die Welt ist, wie sie ist, und wir müssen mit dem Betrachten der Wirklichkeit anfangen und in der Welt leben, die wir haben. Wir arbeiten alle jeden Tag ein Stückchen daran, die Welt besser zu machen. Das, was Sie vorgetragen haben, Herr van Aken, nämlich dass Waffen grundsätzlich von Übel seien, kann ich nicht nachvollziehen. Genauso wie wir unseren Polizisten und Soldaten zugestehen, mit Waffengewalt die Rechtsgüter, für die sie einstehen, durchzusetzen, werden wir das anderen Staaten nicht verwehren können. Wenn ein Land seine Küste nicht alleine schützen kann, weil es nicht die entsprechende Industrie hat, rufen wir ihm freudig zu: Wir haben sie! Ihr kriegt von uns Patrouillenboote, wenn ihr sie braucht und sie bei uns bestellt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das sichert in Wolgast Arbeitsplätze auf der Peene-Werft von Lürssen. Das gilt gerade für den Deal, von dem vor kurzem die Rede war. Es ist keinem Land zu verwehren, dass es einen Küstenschutz aufbaut, um sich gegen Insurgenten und alle möglichen kriminellen Elemente, die weltweit unterwegs sind, zur Wehr zu setzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das gehört zur internationalen Politik; es ist eine Frage von Sicherheits- und Außenpolitik. Das ist keine normale wirtschaftliche Sektorenbetrachtung – das haben wir auch nie behauptet –; gleichwohl bin ich der festen Überzeugung: Wenn nun das G36 nicht nach Saudi-Arabien geliefert wird, werden die saudischen Einheiten wahrscheinlich trotzdem nicht mit Holzgewehren herumlaufen, sondern einen anderen Lieferanten finden, der ihnen bereitwillig die entsprechende Technik zur Verfügung stellt. Ich wünsche mir, dass wir mit unserer restriktiven Politik, mit der wir versuchen, auf die Länder Einfluss zu nehmen, Sicherheitspartnerschaften in der Welt generieren können und dass das zum Wohle der deutschen Industrie, der Deutschen insgesamt, aber auch der internationalen Partner geschieht. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Brugger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 7,86 Milliarden Euro: Das ist der Wert der Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, die die schwarz-rote Bundesregierung im Jahr 2015 erteilt hat. Das ist nicht nur eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr, sondern es ist der höchste Wert, seitdem unter Rot-Grün erstmalig die Berichtspflichten eingeführt worden sind. Ich finde, das ist ein beschämender Rekord der sicherheitspolitischen Verantwortungslosigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Union macht keinen Hehl daraus, wie zum Beispiel Herr Ramsauer im Deutschlandfunk, dass sie auf diesen Rekord auch noch stolz ist. Aber die SPD und allen voran Sigmar Gabriel, der schließlich nicht nur Wirtschaftsminister und damit federführend für Rüstungsexporte zuständig ist, sondern auch noch Vizekanzler der Koalition ist, ist angetreten, um diese verheerende Rüstungsexportpolitik zu beenden – völlig richtig; denn es ist höchste Zeit für eine radikale Kehrtwende, die Frieden, Sicherheit und Menschenrechte über die Gewinninteressen der deutschen Waffenkonzerne stellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 7,86 Milliarden Euro – Sie sind krachend gescheitert und haben dabei völlig versagt. Aber Sigmar Gabriel wäre nicht Sigmar Gabriel, wenn er nicht versuchen würde, sich hier aus der Verantwortung zu stehlen. (Zuruf von der SPD: Ihr werdet euch noch nach ihm zurücksehnen!) In den drei Jahren, in denen er jetzt Wirtschaftsminister ist, hat er uns eine Reihe fadenscheiniger Ausflüchte und billiger Ausreden präsentiert, und diese nehme ich mir gern, auch wenn es Unmut bei der SPD gibt, im Einzelnen vor und schaue sie mir genauer an: (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man muss Menschen nicht immer herabwürdigen!) Die hohen Zahlen haben etwas mit Sonderfaktoren zu tun. Da wird dann alles hineingeschoben, was einem nicht in den Kram passt. Sie wollen damit den Eindruck erwecken, es sei ja nur ein Ausreißer nach oben, und es sei ja eine Ausnahme. Ja, Pech für Sigmar Gabriel, Pech auch für Sie von der SPD und für Sie von der Union ebenso, dass nun schon die Zahlen für das erste Halbjahr 2016 bekannt geworden sind. Das sind 4 Milliarden Euro in einem halben Jahr. Wenn Sie die nächsten sechs Monate so weitermachen wie die letzten, dann stellen Sie wieder einen neuen Rekord auf. (Beifall bei der SPD) Dann kommt die nächste Ausrede: Man müsste doch einen differenzierten Blick haben und sich die Dinge im Einzelnen anschauen. (Matthias Ilgen [SPD]: Aber hallo!) Dann schaue ich mir einen Deal im Einzelnen an: Der Bundessicherheitsrat hat die Lieferung von Panzern und Haubitzen im Wert von 1,6 Milliarden Euro an Katar erlaubt, an einen Staat, der für die Gewalt im Jemen mitverantwortlich ist, in dem Menschenrechte verletzt werden und aus dessen Mitte heraus der islamistische Terror finanziert und unterstützt wird. Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu den Regeln, die es in Deutschland gibt, auf die Sie sich ja auch immer gern berufen, und sie ist ohne jeden sicherheitspolitischen Sachverstand getroffen worden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Ilgen [SPD]: Nein!) Und wieder versuchen Sie, abzutauchen, und Sigmar Gabriel versucht, sich auch hier aus der Verantwortung zu stehlen, womit wir bei der dritten Ausrede ankommen. Ja, es grenzt schon fast an Lüge, was da immer wieder behauptet wird: Die Genehmigungen kommen ja von der bösen schwarz-gelben Vorgängerregierung; Sie wollten ja so gern, aber Sie könnten halt nicht. Spätestens der Fall Russland hat doch gezeigt: Es ist möglich, Genehmigungen, die erteilt worden sind, wieder zurückzunehmen, wenn der politische Wille da ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bin da beim Kollegen van Aken: Ja, die Gesetze kann man verschärfen, und das System kann man noch mehr stärken. Aber das Beispiel zeigt doch, dass nicht das System an sich kaputt ist, sondern dass es hier um den politischen Willen der Regierung geht, und der ist es, der sich ändern muss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da wir uns schon mit den Gesetzen beschäftigen, will ich Ihnen sagen, was dazu klipp und klar in § 7 Absatz 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes steht. Ich zitiere aus dem Gesetz: „Die Genehmigung kann jederzeit widerrufen werden.“ Aber wissen Sie was? § 7 Absatz 2 des gleichen Gesetzes verpflichtet die Bundesregierung sogar, eine Genehmigung zu widerrufen, wenn die Gefahr besteht, dass Kriegswaffen zu einer friedensstörenden Handlung eingesetzt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei allen Staaten, die Teil der Kriegsallianz im Jemen sind, ist das nicht nur eine theoretische Gefahr, so wie es im Gesetz beschrieben ist; denn diese Sache hat sich doch schon längst realisiert. Auch das zeigt: Das Problem sind eigentlich nicht die Gesetze, sondern das Problem sind Union und SPD. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und ja, es gibt ein Manko, das ist, glaube ich, auch der wahre Grund für Ihr Herumgeeiere: Bei einem Stopp entstehen Schadenersatzansprüche für Rüstungsunternehmen, und ja, ich finde es schlimm genug, dass dann mit Steuergeld Profiteure einer sicherheitspolitisch wahnwitzigen Entscheidung von Schwarz-Gelb entschädigt werden müssen. Aber das ist doch weniger schlimm, als einen Staat mit deutschen Waffen zu beliefern, der für blutige Gewalt verantwortlich ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb fordern wir Grünen auch schon seit Jahren, alle Waffendeals mit Staaten wie Saudi-Arabien und Katar zu stoppen, sie zu beenden, und deshalb finde ich auch den Antrag der Linken, über den wir heute debattieren, richtig. Aber ich erwarte schon auch, dass die Regierung so viel Mumm hat, sich hierhinzustellen und zu sagen: Wir wollen den Schadenersatz nicht zahlen, er ist uns zu hoch, und wir lassen aktiv und bewusst diese verantwortungslosen Deals – Panzer nach Katar, Patrouillenboote nach Saudi-Arabien – weiterlaufen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man muss auch die Frage stellen: Was machen eigentlich die anderen Mitglieder des Bundessicherheitsrates? Schließlich muss nicht nur Herr Gabriel darüber abstimmen. Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen tauchen einfach ab, obwohl sie diesen Waffengeschäften zugestimmt haben. Auch diese sollen sich einmal vor der Öffentlichkeit rechtfertigen, warum sie das getan haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Außenminister Steinmeier, in dessen Haus die Federführung für Menschenrechte liegt, ist sich noch nicht einmal zu schade, diese Deals zu verteidigen. Dabei schweigt er zum brutalen Krieg im Jemen. Aber den Vogel abgeschossen hat in den letzten Tagen Finanzminister Schäuble, der angesichts der Krisen in der Welt und insbesondere der Krise, die wir gerade in Europa erleben, zu der Schlussfolgerung kommt, das Wichtigste sei nun, die deutschen Exportrichtlinien zu lockern, damit man besser auf europäischer Ebene zusammenarbeiten könne. Das soll eine Antwort auf die Verunsicherung der Menschen in Europa sein? Das soll eine Antwort für die Menschen in den Krisenstaaten dieser Welt sein? Das ist doch nur gut für die Rüstungsindustrie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Alle Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Außenminister und die Verteidigungsministerin, können zusammen noch so viele schöne Reden über Deutschlands neue Verantwortung in der Welt halten. Wenn sie gleichzeitig in den Hinterzimmern des Bundessicherheitsrates so verantwortungslos abstimmen, dann sollten sie mit diesen Reden aufhören; denn ihre Rekordzahlen sind nichts anderes als eine desaströse Bilanz der Verantwortungslosigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Ulrich Hampel für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ulrich Hampel (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Rüstungsexportpolitik nimmt seit einigen Tagen wieder breiten Raum in der öffentlichen Berichterstattung ein. Anlass ist der aktuelle Rüstungsexportbericht für das Jahr 2015, der in dieser Woche im Kabinett verabschiedet wurde. Die Bundesregierung berichtet damit bereits zum dritten Mal noch vor der Sommerpause über die Zahlen des vergangenen Jahres. Dass das Thema Rüstungsexporte in den vergangenen Jahren insgesamt wieder stärker in den öffentlichen Fokus gerückt ist, ist eine Entwicklung, die meine Fraktion und ich ausdrücklich begrüßen. Seit seinem Amtsantritt hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel dafür gesorgt, dass in deutlich kürzeren Abständen über die Exportpolitik betreffend konventionelle Rüstungsgüter berichtet wird und es damit endlich mehr Transparenz gibt. (Beifall bei der SPD – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart!) In der Geschichte der Bundesrepublik war die Rüstungsexportpolitik noch nie so transparent wie heute, und Wirtschaftsminister Gabriel hat die bisherige Geheimhaltungspraxis bei Exporten von deutschen Rüstungsgütern beendet. Deutschland verfolgt eine restriktive Exportpolitik betreffend Sicherheits- und Rüstungsgüter nach klaren Regeln und hohen Maßstäben. Gerade für sogenannte Drittstaaten, also Staaten außerhalb der NATO und der EU und den NATO-Staaten gleichgestellte Länder wie Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz, sind die Regeln besonders streng. Dies gilt natürlich auch für die Golfregion, für die die Linke in ihren beiden Anträgen ein generelles Exportverbot fordert. Ein solches generelles Exportverbot lehnen wir ab. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Hampel, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Keul? Ulrich Hampel (SPD): Ja, bitte. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Kollege, für die Zulassung der Frage. – Sie haben gerade zu Recht geschildert, dass in den Grundsätzen die Exporte außerhalb von NATO und EU besonders strengen Voraussetzungen unterliegen, im Gegensatz zu unseren Bündnispartnern. Wie erklären Sie sich dann, dass sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis ausweislich der Rüstungsexportberichte in den letzten Jahren umgekehrt hat und dass wir inzwischen mehr Kriegswaffen in Drittstaaten exportieren als in NATO- und EU-Staaten? Ulrich Hampel (SPD): Man muss sich genau anschauen, was letztendlich geliefert wird. Die Zahl besagt nichts über die Qualität. Man muss aber auch sagen: Wer nicht liefert, macht sich auch schuldig. Darauf wurde schon von meinem Kollegen Willsch explizit hingewiesen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Genau! Das trifft es! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Wer nicht liefert, macht sich auch schuldig“ – wenigstens mal ehrliche Worte!) Gerade bei Drittstaaten, zu denen die Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates gehören, gelten strenge Regeln. Exporte dorthin finden unter außen- und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten besondere Beachtung. Am Beispiel der Nichtgenehmigung für die Ausfuhr von G36-Bauteilen nach Saudi-Arabien zeigt sich, dass die aktuelle Bundesregierung hier verantwortungsvoll agiert. Anhand dieser Beispiele wird aber auch deutlich, dass es nicht so einfach ist, wie die Opposition die Menschen gerne glauben machen will, bereits genehmigte Exporte rückgängig zu machen; denn den betroffenen Firmen wie in diesem Fall Heckler & Koch steht natürlich in unserem Rechtsstaat der Klageweg offen. Gegebenenfalls entstehen Entschädigungsansprüche in Millionen- oder Milliardenhöhe gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Es stellt sich aber auch die Frage nach der Zuverlässigkeit Deutschlands bei seinen Exportzusagen. Diese möglichen Folgen müssen gründlich abgewogen und dürfen nicht einfach beiseitegeschoben werden. Im Falle der Nichtgenehmigung für die Ausfuhr von G36-Bauteilen unterstützen meine Fraktion und ich die Linie von Wirtschaftsminister Gabriel, künftig keine Genehmigungen für Komponenten und Technologie in Drittländer zum Aufbau neuer Herstellungslinien für Kleinwaffen zu erteilen. Die neuen deutschen Kleinwaffengrundsätze vom 18. Mai 2015 sind diesbezüglich ein richtungsweisender Leitfaden für die restriktive Handhabung von Rüstungsexportanfragen bezüglich Kleinwaffen. Mit diesen Grundsätzen nehmen wir eine führende Rolle ein. Laut dem aktuellen Rüstungsexportbericht ist der Gesamtwert der Genehmigungen zum Export von Kleinwaffen von 47 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 32 Millionen Euro im Jahr 2015 zurückgegangen. Das ist der niedrigste Stand seit 15 Jahren. (Beifall bei der SPD) Was den Export in Drittländer betrifft, reduzierte sich das Volumen um ein Drittel auf knapp 14 Millionen Euro. Wenn man sich vor Augen führt, dass insbesondere Kleinwaffen die Waffen der Bürgerkriege sind, ist der deutliche Rückgang des Exportvolumens ein wirklicher Erfolg. Die Bundesregierung handelt bei ihren Entscheidungen über Exporte in die Golfregion nach strengen Regeln und unter besonderer Beachtung von außen- und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten. Ein generelles Exportverbot, wie die Linken es gefordert haben, lehnen wir als SPD ab. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Ein herzliches Glückauf! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Rüstungsexporte wird in der Tat reflexartig in schöner Regelmäßigkeit immer wieder aufgerufen, es wird in populistischer und alarmistischer Weise versucht, Rüstungsexporte zu skandalisieren und das Thema aufzublasen. Ich möchte deshalb eingangs ein paar Bemerkungen zu den Zahlen und Fakten machen. Kollege van Aken sprach vorher – ich zitiere – von „unfassbar hohen“ Rüstungsexporten. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Da hat er recht!) Es wurde davon gesprochen, die Bundesrepublik eile von Rekord zu Rekord, es wurde vom Anstieg der Exporte und was weiß ich gesprochen. Fakt ist, dass im Zeitraum von 2005 bis 2015, also in den letzten zehn Jahren, der Anteil der Exporte von Kriegswaffen gesunken ist. Ich differenziere jetzt. Hier werden Äpfel mit Eiern und Birnen in einen Topf geworfen. Aber das ist Absicht. Ich unterstelle, dass man intellektuell wahrscheinlich schon, wenn man es möchte, in der Lage wäre, zu differenzieren, aber man möchte es gar nicht, weil einem das nicht ins Konzept passt. Ich rede jetzt von den Kriegswaffen. Das sind die Waffen, die im Kampf zum Einsatz kommen können. Die sollen in angeblich so unverantwortlich hoher Zahl exportiert worden sein. Der Anteil der Kriegswaffenausfuhr Deutschlands hat sich in absoluten Zahlen in den letzten zehn Jahren quasi nicht erhöht. Er ist gleich geblieben. In relativen Zahlen hat er sich sogar halbiert, nämlich von 0,26 Prozent auf 0,13 Prozent. Das ist im Rüstungsexportbericht nachzulesen. Ich gehe davon aus, dass die Zahlen stimmen. Ich habe es nicht nachgerechnet, aber ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung richtig rechnet. Sie finden die Zahlen auf den Seiten 30 und 31 des Berichts dieser Woche. Wenn Sie ihn zur Hand nehmen, dann können Sie das nachschauen. Der relative Anteil der Kriegswaffenexporte hat sich also von 2005 bis 2015 halbiert. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Relativ wozu? – Weiterer Zuruf der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Der Anteil vom Gesamtexport hat sich reduziert. Jetzt werfe ich einmal einen Blick auf die globalen Rüstungsexporte. Dazu gehören auch die Minenräumfahrzeuge, Wassertanks und andere Maschinen. Zwei Drittel der Ausfuhren entfallen auf Güter dieser Art, während die Kriegswaffen nur ein Drittel der Ausfuhren ausmachen. Im Zeitraum von 2011 bis 2015, also in den letzten fünf Jahren, haben sich die globalen Rüstungsexporte um 14 Prozent erhöht. Der Anteil Deutschlands daran ist im Vergleich zum Zeitraum 2006 bis 2010 von 11 Prozent auf 4,7 Prozent zurückgegangen. Er hat sich also mehr als halbiert – und, und, und. Das sind die Zahlen und Fakten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) – Ich komme gleich noch darauf zu sprechen. Dann können Sie sich ja daran abarbeiten. Ich finde Ihr Verhalten nicht erfreulich. Sie müssten eigentlich darüber jubeln, dass sich diese Zahlen reduziert haben; (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben sie aber nicht!) aber das machen Sie nicht. Im Gegenteil: Sie skandalisieren das Ganze weiter, obwohl es in der Sache definitiv falsch ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Definitiv ist Ihre Rede falsch! Wir schauen uns nur seriöse Zahlen an!) Jetzt einmal zu den Lösungsansätzen. Was sind denn Rüstungsexporte und Kriegswaffenexporte? Sie sind in allererster Linie Teil unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Selbstverständlich verfolgen wir mit großer Mehrheit hier im Hause zuvorderst multilaterale Ansätze im Rahmen der UN oder im Rahmen anderer internationaler Zusammenarbeit, die vor allem mit friedlichen Mitteln, mit Entwicklungshilfe, mit anderen unterstützenden Maßnahmen vorgehen. Die Probleme der Welt werden nicht durch Schönreden oder durch Wegducken gelöst. Der Kollege Willsch und der Kollege Hampel haben es angesprochen – ich fand es sehr treffend –: Wegschauen, nicht liefern, den Kopf in den Sand stecken und gleichzeitig hier rein binnenorientierte Debatten führen ist ein schlechter und der Welt gegenüber unverantwortlicher Weg. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sind uns darüber einig, dass es Probleme gibt, und wir versuchen auch, sie zu lösen. Wenn ich mich nicht irre, befindet sich die Bundeswehr im Moment in 16 Missionen in der Welt. Erst gestern Abend haben wir wieder ein entsprechendes Mandat verlängert. Mit diesen Missionen leisten wir einen Beitrag dazu, dass Sicherheit erhalten wird, zum Teil aber auch erst geschaffen wird; da sind wir uns einig. Ohne Sicherheit gibt es nämlich keine Weiterentwicklung, und ohne Weiterentwicklung, ohne Arbeitsplätze, ohne Wachstum gibt es keine Menschenrechte. Diese Abfolge lässt sich an der Historie der Länder erkennen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Fordern Sie jetzt, dass die Bundeswehr an noch mehr Auslandseinsätzen teilnimmt, dass wir noch häufiger Teil eines internationalen Verbundes werden? Diese Forderung wäre konsequent; sie erheben Sie aber nicht. Nein, Sie sagen stattdessen – jetzt kommen wir zu Abschichtung –: Dort, wo wir selber nicht sein können, um Frieden zu schaffen und um Frieden zu erhalten, haben wir Partner und Verbündete. Sie sind es zum Teil seit Jahrzehnten, und sie entsprechen nicht immer unseren Standards. Vielleicht haben sie auch eine andere Historie. Aber sie sorgen dafür, dass die Stabilität erhalten wird, dass die Sicherheit erhalten wird, dass Wachstum entsteht und dass auch dort die Menschenrechte eingehalten werden. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Menschenrechte werden mit Füßen getreten!) Das gilt auch für viele verlässliche Partner in Arabien, so auch für Saudi-Arabien auf der Arabischen Halbinsel. Sehen Sie sich an, was dort in den letzten Jahren passiert ist: Wahlen wurden durchgeführt, rechtsstaatliche Elemente wurden geschaffen, die Mitwirkung der Frauen wurde gestärkt. Das entspricht zwar nicht dem, was wir uns in Deutschland vorstellen und erreicht haben, aber es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Ich persönlich bin froh – ich sage das in aller Offenheit und Deutlichkeit –, dass Saudi-Arabien dafür sorgt, dass auf der Arabischen Halbinsel, also auch im Jemen, das Töten von Menschen und der Bürgerkrieg beendet werden. Ich halte das für richtig. (Zurufe von Abgeordneten der LINKEN: Was? – Jan van Aken [DIE LINKE]: Pfui! Bomben auf Zivilisten, und Sie finden das richtig! Pfui, Herr Pfeiffer! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mal was vom Völkerrecht gehört?) Ich bin froh, dass sie dieses machen. Das Schicksal der Jesiden im Irak und anderer kurdischer Gruppen ist bereits angesprochen worden. Andere gehen gegen deren Vertreibung mit militärischen Mitteln vor. Wenn wir sie dann aber im Stich lassen und ihnen nicht die Ausrüstung geben, die sie brauchen, um diese Aufgabe zu erledigen, wie sollen sie sie dann erledigen? In Mali machen wir es so. Dort soll das staatliche Sicherheitsmonopol hergestellt werden. Wir bilden die Leute aus, aber Waffen – da braucht man Kriegswaffen, nicht nur Wassertanks für die Wüste – liefern wir ihnen natürlich nicht. – Da muss ich sagen: Wer ist jetzt inkonsequent, wer ist scheinheilig? (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Bigotterie ist das, ja! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können das nicht mit einer UN-Friedensmission vergleichen!) Deshalb ist ein Systemwechsel nötig. Ein Verbot ist, glaube ich, nicht die richtige Lösung. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Doch!) Wir müssen die in der Tat viel zu restriktive Handhabung hier in Deutschland überdenken, und zwar aus politischen Gründen, nicht aus wirtschaftlichen oder Arbeitsplatzgründen. Die Zahlen habe ich dargelegt; Sie können sie nachlesen. (Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Es geht in erster Linie um Außen- und Sicherheitspolitik. Dann müssen wir innovationsfähig bleiben. Wir brauchen Kernkompetenzen, damit wir unabhängig bleiben und unsere Sicherheit selber gewährleisten können. Wir müssen auch verlässlich sein, und wir müssen dies partnerschaftlich organisieren können. Vorhin wurde Wolfgang Schäuble erwähnt. Er hat natürlich hundertprozentig recht, (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer!) wie er in fast allen Fragen hundertprozentig recht hat und dann auch irgendwann bekommt. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar, Sie werden die Menschen für Europa begeistern!) Zur Europäisierung haben wir hier gesagt: Jawohl, wir wollen eine Europäisierung. Aber die Europäisierung darf natürlich nur nach unseren Standards sein. Wenn alle anderen nicht so mitmachen, wie wir es gern hätten, dann funktioniert die Europäisierung nicht. – Ich glaube, das ist der falsche Weg. Wir müssen in Europa – das ist im Moment aktueller denn je – definieren, welche Außen- und Sicherheitspolitik wir anstreben wollen, und dann müssen wir die Instrumente dafür einsetzen. Dazu gehört eine verantwortliche, diesen Kriterien entsprechende Rüstungs- und Kriegswaffenexportpolitik, aber nicht mit einem nationalen Sonderweg – „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ –, sondern international und europäisch eingebunden. Das ist die Aufgabe. Dieser Systemwechsel ist notwendig, nicht ein populistisches, alarmistisches Verbot, das weder politisch noch den Menschen in der Welt weiterhilft. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Matthias Ilgen für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Matthias Ilgen (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen die Häufigkeit, in der der Rüstungsexportbericht inzwischen vorgelegt wird; denn das ist auch eine Gelegenheit, ab und an einmal deutlich zu machen, wie die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sich dann doch von den Christdemokraten unterscheidet. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Pfeiffer hat hier eben gesagt: Wir brauchen eine Wende, weg sozusagen vom Restriktivismus hin zum Aktivismus. Und er hat gesagt: Weg mit den Regeln! – Das unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion ganz klar nicht. (Beifall bei der SPD) Wir sind stolz darauf, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine restriktive Rüstungspolitik nicht nur angekündigt, sondern auch durchgehalten hat. Damit bin ich beim Antrag der Opposition, Herr van Aken, der Linksfraktion. Ich schätze Sie als Kollegen wirklich, als redlich und intellektuell. Aber Sie haben heute nicht mit einem Wort zu Ihrem Antrag gesprochen, (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: So ist das! Ganz genau!) sondern Sie haben lediglich erneut die Zahlen zum Gesamtvolumen laut Exportbericht benannt und skandalisiert. Das ist unredlich; denn man muss schon genau hingucken. Nicht ein nominaler Wert oder eine nominale Steigerung sind entscheidend dafür: „Wie gefährlich ist ein Rüstungsexport real?“, sondern entscheidend ist: Was wird im Einzelnen exportiert? Da muss man genauer hingucken. Bei Kleinwaffen, die wir für besonders gefährlich halten, insbesondere wenn sie in Drittstaaten gehen und wir die Weiterverwendung nicht nachprüfen können, wie das in der Vergangenheit der Fall war, sind die Zahlen relativ günstig verglichen mit dem, was wir vor allem an unsere vielen Partner in der Welt an Tankflugzeugen, Bergepanzern, Eisbrechern usw. liefern. Deswegen ist es einfach unredlich – das war es auch bei Ihnen, Frau Brugger –, das Volumen zu nehmen und zu sagen: Sie haben das verdoppelt, und deswegen ist die Welt jetzt schlechter geworden. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe einen differenzierten Blick! Ich habe das im Einzelnen dargestellt!) Das ist eine Schwarz-Weiß-Malerei, die man einfach nicht machen darf. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will erklären, dass die Welt manchmal Graustufen hat. Ich will ein Beispiel nennen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Ilgen, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen van Aken? Matthias Ilgen (SPD): Wenn ich den Gedanken noch zu Ende führen darf. Vizepräsidentin Petra Pau: Dann meldet er sich noch einmal. Matthias Ilgen (SPD): Ja, okay. – Eine Frage wird auf uns zukommen. Brasilien fragt an. In Brasilien stehen die Olympischen Spiele vor der Tür, und Brasilien will Maschinengewehre haben, weil man im Moment die Sicherheitslage so einschätzt, dass man mit der polizeilichen Ausrüstung nicht zurechtkommen wird, wenn es darum geht, die Olympischen Spiele zu schützen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann soll man es lassen!) Sie wollen – ich habe das jetzt mehrfach gehört, sowohl von den Grünen als auch von den Linken – in der Bundesrepublik Deutschland ein totales Exportverbot für Kleinwaffen. Das würde dazu führen, dass der Export der gewünschten Maschinengewehre nicht genehmigungsfähig wäre, und wir würden damit aktiv dazu beitragen, dass die Sicherheit bei den Olympischen Spielen in Brasilien nicht gewährleistet werden könnte. Das halten wir Sozialdemokraten für falsch. Man muss den Einzelfall prüfen. Das ist für uns das entscheidende Argument, warum man ein solches Totalverbot nicht machen kann. Jetzt bitte. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort erteile ich jetzt. – Der Kollege van Aken hat für eine Frage oder eine Bemerkung das Wort. Jan van Aken (DIE LINKE): Danke schön. – Herr Ilgen, Sie sagen ja zu Recht, man müsse genau hinschauen und dürfe nicht nur die Gesamtzahlen sehen, sondern müsse ins Detail gehen. Ja, dann reden wir doch einmal über den Antrag, reden wir einmal über Saudi-Arabien. Sie wissen, im letzten Jahr, 2015, hat Saudi-Arabien im Jemen bombardiert, hat bei Luftangriffen ganz viel Munition, Bomben und Raketen, verbraucht. All dieses kauft Saudi-Arabien jetzt nach. Wissen Sie, für wie viele Millionen Euro Saudi-Arabien in Deutschland Nachschub gekauft hat? Matthias Ilgen (SPD): 270, glaube ich. Aber Sie werden es mir sagen. Jan van Aken (DIE LINKE): Nur Munition! Ich rede nur über Munition. – Munitionsexporte im Wert von 20 Millionen Euro hat Ihr Wirtschaftsminister für Saudi-Arabien genehmigt, Munition, die sie wahrscheinlich am nächsten Tag gleich wieder im Jemen verballert haben. Das sind konkrete Zahlen, das sind konkrete Beispiele. Wenn Sie hier schon fordern, ins Detail zu gehen, dann sagen Sie auch, dass es deutsche Waffen sind, die gerade im Jemen töten, und dann äußern Sie sich bitte auch zu Herrn Pfeiffer, der sagt, dass er es richtig finde, dass mit deutschen Waffen Zivilisten getötet werden. (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Hat er überhaupt nicht gesagt! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: „Frieden schaffen mit deutschen Waffen“, und nicht: „Zivilisten umbringen“!) Das müssen Sie hier jetzt einmal ganz klar sagen. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Matthias Ilgen (SPD): Ich will versuchen, darauf einzugehen. Sie sprechen immer von „dem Wirtschaftsminister“. Das ist falsch. Ich muss Ihnen hier an der Stelle Nachhilfe in Staatsrecht erteilen. Der Bundessicherheitsrat genehmigt, und daraufhin erteilt dann das Bundeswirtschaftsministerium die Genehmigung. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!) Ich glaube, wir haben in diesem Hause mehrfach deutlich gemacht, dass es in der Vergangenheit Abstimmungen in diesem Bundessicherheitsrat gegeben hat, bei denen die sozialdemokratischen Bundesminister anders abgestimmt haben als die Kolleginnen und Kollegen von der Union. Es handelt sich allerdings um ein Kollegialorgan, das nach dem Mehrheitsprinzip entscheidet. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der entscheidet gar nicht!) Deswegen sind wir in einigen dieser Abstimmungen unterlegen. Nun werden die in der Regel nicht im Einzelnen öffentlich gemacht, aber der Bundeswirtschaftsminister hat ein paar Fälle genannt. Ich kann jetzt, ehrlich gesagt, zu diesem konkreten Anlass nichts sagen, weil ich das Abstimmungsergebnis und auch das Abstimmungsverhalten nicht kenne wie Sie ja auch nicht; aber vielleicht kennen Sie es ja. Auf jeden Fall geht es doch darum, dass man da differenziert. Wir als SPD-Bundestagsfraktion lehnen auf jeden Fall – das will ich Ihnen politisch sagen – diesen Stellvertreterkrieg, wie er dort durch Saudi-Arabien im Jemen geführt wird, ab. (Beifall bei der SPD – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Sie stimmen also unserem Antrag nachher zu?) – Nein, das werden wir nicht tun. Das, was mit diesem Antrag ja auch versucht wird, ist, sozusagen politische Sippenhaft einzufordern. Ich will das aus folgendem Grund sagen: Wenn man zum Beispiel Bergepanzer an den Oman liefert oder ABC-Abwehrfahrzeuge nach Kuwait liefert, dann geht es ja sozusagen auch um Lieferungen in den Nahen Osten. Sie wollen so etwas in Zukunft verbieten, weil Sie jetzt ein konkretes Problem mit Saudi-Arabien haben, wobei wir hier Ihre Analyse teilen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Herr Pfeiffer aber anders!) So kann man allerdings nicht vorgehen; vielmehr werden wir uns an dieser Stelle weiterhin ganz klar für die Einzelfallbetrachtung aussprechen. Ich will noch einmal etwas zu den Kleinwaffen sagen. Die konkreten Werte wurden ja noch einmal angesprochen. Aber ich denke, es ist doch ein entscheidender Punkt, dass wir alle miteinander in diesem Haus – zumindest von der linken Seite bis über die Mitte hinaus, sage ich einmal – daran festhalten, dass Kleinwaffenexporte weiter reduziert werden müssen. Meine Kollegin Finckh-Krämer wird auch noch etwas dazu sagen, was sozusagen unsere Vorstellungen hinsichtlich einer neuen Gesetzesgrundlage dafür angeht. Ja, eigentlich bin ich am Ende meiner Rede; denn alles andere wurde schon von den Kolleginnen und Kollegen gesagt. Wenn Sie noch weitere Interventionen planen – – Ich glaube, Frau Brugger hatte eben gezuckt. Vielleicht haben Sie noch – – (Heiterkeit bei der SPD – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, danke!) – Gut. Dann danke schön. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Es gibt keine Pflicht zum Ausschöpfen der verabredeten Redezeit. Insofern herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Aber wenn, hat er die für die Koalition eingespart, nicht für euch!) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 25. Mai rechtfertigte der Bundesaußenminister das Liefern von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien, indem er sagte, er habe Verständnis für die legitimen Sicherheitsinteressen Saudi-Arabiens. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja!) Jedes Land der Welt hat legitime Sicherheitsinteressen. Die Frage ist nur: Reichen sie dafür aus, dass wir ihnen Waffen liefern? Haben sie irgendetwas mit dem Weltfrieden und mit dem Völkerrecht zu tun? Schauen wir uns doch einmal an, was Saudi-Arabien macht, und zwar jetzt im 17. Monat. Sie bomben Jemen zurzeit in die Steinzeit zurück: 6 500 zivile Tote durch die Bombardements, die größte humanitäre Katastrophe der Zeit, 13 Millionen Menschen brauchen im Jemen zurzeit humanitäre Hilfe – doppelt so viele Menschen wie in Syrien –, 2,8 Millionen Binnenvertriebene, eine komplett zerstörte zivile Infrastruktur. Weltkulturerbe wird gebombt, Krankenhäuser werden gebombt, Flüchtlingslager werden gebombt. Das sind die Sicherheitsinteressen, die Saudi-Arabien formuliert. Herr Kollege Pfeiffer, wenn Sie sich jetzt hierhinstellen und sagen, Sie seien froh darüber, dass die das tun, dann ist das für mich nicht nur jenseits meiner Magenstärke; das ist vielmehr einfach menschenverachtender Zynismus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD]) Die Saudis sind nicht alleine schuld an diesem Krieg. Selbstverständlich haben auch die Huthis einen großen Anteil daran; das ist überhaupt keine Frage. (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Aha! Das hätten Sie mal differenzierter sagen können!) – So undifferenziert wie Herr Pfeiffer kann hier niemand reden. Das ist schon okay. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD]) Natürlich haben die Huthis angefangen. Die Eskalation der Situation ist aber entstanden durch die Bombardements und durch die Seeblockade, die im Übrigen durch diese Patrouillenboote verstärkt werden soll. Die Seeblockade hat dazu geführt, dass keine Pharmazeutika mehr ins Land kommen. Das öffentliche Leben im gesamten Land ist komplett stillgelegt. Deshalb muss man sich einmal fragen: Wer ist denn eigentlich Profiteur dieser sogenannten Sicherheitsinteressen? Es ist al-Qaida. Die Waffen, über deren Lieferung Sie sich vorhin gefreut haben, packen die in Holzkisten, werfen sie über Al-Qaida-Gebiet ab, weil sie wissen, dass al-Qaida gegen die Huthis kämpft. Hat es auch etwas mit den legitimen Sicherheitsinteressen der Menschen in Deutschland zu tun, wenn al-Qaida durch diesen irrsinnigen Krieg der Saudis gestärkt wird? Ich glaube nicht. Aber dazu hätten Sie ja vielleicht auch einmal etwas sagen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Hätten Sie mich ja fragen können!) Al-Qaida kontrolliert mittlerweile Häfen mit Zugang zum offenen Meer, profitiert von der Schmuggelwirtschaft und rekrutiert die Leute, die nicht mehr wissen, wie es mit ihnen weitergehen soll, weil sie nun seit 17 Monaten bombardiert werden. „Aber hey, freuen Sie sich weiter!“, kann man da nur sagen. Ich glaube nicht, dass die Menschen an den Bildschirmen irgendein Verständnis für diese wirklich abartige Positionierung haben, die ich hier gerade gehört habe. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Ganze betrifft ja nicht nur den Jemen. Die Saudis unterminieren gerade massivst die Vereinten Nationen. Der Menschenrechtsrat hat sich zum Beispiel nicht mit diesem Thema befassen können, weil die Saudis eine unabhängige Untersuchung konterkariert haben. Dann gab es eine sogenannte „Liste der Schande“, in der klar dargestellt wurde, wie gerade Kinder im Jemen unter den Bombardements leiden. Die Saudis haben gedroht, bei Veröffentlichung der Liste kein Geld mehr an die Vereinten Nationen zu geben. Das ist die wahre Schande, über die wir reden müssten, statt über die Frage der sogenannten legitimen Sicherheitsinteressen eines Landes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was ist denn mit den Sicherheitsinteressen der zivilen Opfer? Was ist denn mit den Sicherheitsinteressen der Vereinten Nationen? Was ist denn mit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland in diesem wahnsinnigen Krieg, in dem nur al-Qaida gewinnt? Die einzige Ausrede, die wir bisher hören, ist: Na ja, die Genehmigungen sind alt. – Ich kann nur aus den Rüstungsexportrichtlinien zitieren: Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder, – die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht … Spätestens seit Beginn des Jemen-Krieges ist klar: Auch alte Genehmigungen können und müssen widerrufen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eben leider wie immer in den Debatten: Dass die Diskussion über Rüstungsexporte keine einfache Diskussion ist, wissen wir alle, nur krankt die Diskussion immer wieder daran, dass Herr van Aken sozusagen versucht, Rednern anderer Fraktionen die Worte im Mund umzudrehen, und völlig populistische und aus dem Zusammenhang gelöste Sachen behauptet, die durch nichts gedeckt sind. Das ist genau dieselbe Situation, wie wir sie gestern im Zusammenhang mit der Diskussion um CETA schon erlebt haben. Die Linken betreiben Politik, indem sie mit populistischen Floskeln ohne Details, ohne wirklich sachlich aufzuklären, unter den Menschen Ängste schüren, um sozusagen gegen die Regierung, gegen die deutsche Politik zu argumentieren. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal ein Beispiel!) – Sie haben doch gerade Herrn Pfeiffer die Worte im Mund umgedreht. Es stimmte doch einfach nicht, was Sie behauptet haben. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Hat er doch gesagt! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man doch im Protokoll lesen!) Ich erinnere Sie immer wieder an die Historie Ihrer Partei. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden Sie doch mal konkret!) Wir in Deutschland haben die restriktivsten Rüstungsexportkontrollen, die restriktivsten Exportrichtlinien, an deren Formulierung die Grünen im Übrigen mitgewirkt haben. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Sie täglich verletzen! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden Sie einmal konkret!) – Langsam. – Die Waffen, die zum Teil heute noch in der Welt sind, die al-Qaida und andere benutzen, sind keine deutschen Waffen. Das sind möglicherweise noch Waffen, die die Sowjetunion mit ihren sozialistischen Partnern weltweit in Umlauf gebracht hat, völlig unkontrolliert, meine Damen und Herren. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hör doch auf! Peinlich!) Al-Qaida kämpft nicht mit deutschen Waffen. Das muss man doch einmal deutlich sagen. Es handelt sich nicht um deutsche Waffen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Jemen schon! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon einmal etwas von G3-Gewehren gehört?) Es gibt ganz andere Nationen wie die Russen oder die Amerikaner, die Waffen völlig unkontrolliert exportieren. Sie können doch die deutsche Rüstungsexportpolitik nicht mit anderen gleichsetzen. Das ist absurd, was Sie hier betreiben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Lämmel, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. – Dann müssen wir uns das einmal genauer anschauen – Herr Nouripour, Sie haben es doch selber gesagt –, statt es so populistisch wie Herr van Aken mit „Rekorde, Rekorde“ darzustellen. Schauen wir doch einmal, was auf der Exportliste steht. Von den Rüstungsexporten in Höhe von 96 Millionen Euro, die in den Oman geliefert wurden, entfallen wertmäßig gesehen zum Beispiel 25 Prozent auf Flugleiteinrichtungen, 20 Prozent auf Lkws, 12 Prozent auf Datenverarbeitungsanlagen und 12 Prozent auf Dekontaminationsausrüstungen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal etwas über Katar! Das ist viel interessanter!) Von den Rüstungsexporten in die Vereinigten Arabischen Emirate in Höhe von 107 Millionen Euro entfallen 40 Prozent auf Lkws, Schwerlasttransporter, Sattelauflieger, 20 Prozent auf Überwachungssysteme, der Rest auf Seeminenräumsysteme, aber auch auf Sportpistolen und Jagdgewehre. Ich will damit bloß sagen: Wenn man eine solche Diskussion führt, dann muss man ehrlicher differenzieren. Daran krankt die ganze Diskussion. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Leider!) Sie versuchen hier nämlich, sozusagen ein Monster aufzubauen: Deutschland als Politikmonster im internationalen Rüstungsexport. Der Kollege Pfeiffer hat ja darauf verwiesen, dass sich der deutsche Anteil am weltweiten Rüstungsexport, der um 14 Prozent gestiegen ist, deutlich verringert hat, da er nur um 4,7 Prozent gestiegen ist. So etwas ignorieren Sie einfach. Meine Damen und Herren, da muss man die Frage an die Kollegen der Fraktion Die Linke stellen, deren Antrag wir heute beraten – Herr van Aken hat ja gar nicht dazu gesprochen; er hat stattdessen die globale Lage der Welt erklärt –: Wie halten Sie es mit den UN-Missionen? Wenn man zu einem Verbot käme, beträfe das auch das Thema UN-Missionen. Wie verhält sich dann Deutschland? Deutschland ist dann ja praktisch raus. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!) Blicken wir einmal nach Afrika, wo sich jetzt südlich der Sahara in den sogenannten Sahel-G5-Staaten eine große Ansammlung von Terroristen befindet. Es gibt Bemühungen, dass die Afrikanische Union eine Eingreiftruppe mit dem Oberkommando in N’Djamena im Tschad aufstellt, um den Terrorismus in der Sahelzone zu bekämpfen. Teilweise können Sie sich in den Ländern überhaupt nicht mehr bewegen, und die Gebiete unter terroristischer Kontrolle sind so groß, dass es nicht mehr möglich ist, dorthin zu reisen. Wer stattet denn nun die Mission der Afrikanischen Union aus? Das ist doch die Frage. Sollen wir das mit unseren demokratischen Grundsätzen machen, oder sollen wir das den Russen oder Chinesen überlassen, wobei dann niemand mehr eine Kontrolle darüber hat, was geliefert wird? Es ist also die Frage, welche Sicherheitsinteressen wir mit unserer Rüstungsexportpolitik verfolgen. Es ist eben nicht so einfach, wie Sie es immer wieder versuchen darzustellen. Auch aus dem jetzigen Rüstungsexportbericht geht doch klar hervor, dass Deutschland mit dem Export von Gerätschaften acht VN-Missionen unterstützt. Auch das würde bei einem Verbot völlig unter den Tisch fallen. Auf der einen Seite fordern die NATO-Partner, fordern die Verbündeten weltweit ein stärkeres Engagement Deutschlands, weil es ein wirtschaftlich starkes Land ist. Gar keine Frage; das ist auch richtig so. Ich frage mich aber: Wie soll man das leisten, wenn wir uns mit dem restriktivsten Recht ein Verbot auferlegen und andere Staaten, in denen es keine Kontrolle gibt, in denen überhaupt nicht über den Verbleib von Waffen diskutiert wird, in diese Lücke springen? (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer soll das sein?) Wissen Sie, das ist genauso absurd wie die Diskussion über den Export von Kohlekraftwerken. Deutschland will die Welt sozusagen damit heilen, dass es keine Exportfinanzierung mehr für die Lieferung deutscher Kohlekraftwerke in die Welt gibt. Wir ruinieren unsere Industrie damit, wir gefährden Arbeitsplätze auf hohem Niveau, aber die Kraftwerke werden doch gebaut. Da freuen sich die Japaner, die Chinesen, die Russen. Alle freuen sich darüber, wenn sich Deutschland als gesitteter Staat aus diesen Exporten heraushält. Deswegen ist Ihr Antrag eigentlich ziemlich absurd. Dann muss ich noch etwas zum Kollegen Ilgen von der SPD sagen. Ich frage mich, woher Sie wissen, dass SPD-Kollegen im Sicherheitsrat anders abstimmen als CDU/CSU-Kollegen. Ich frage mal Frau Zypries, ob sie das bestätigen kann. Uns wird nie das Abstimmungsverhalten mitgeteilt. Meines Erachtens ist es geheim. Sie können mir ja nach der Debatte einmal verraten, woher Sie die Informationen haben. (Zuruf des Abg. Matthias Ilgen [SPD]) Ich möchte eine weitere Sache aufklären. Wir, CDU/CSU und SPD, haben im Koalitionsvertrag gemeinsam die Neuregelung bei den Rüstungsexportberichten vereinbart. Dass jetzt der Wirtschaftsminister den Willen der Koalition ausführt, ist ja das Normalste der Welt. Insofern muss ich sagen: Ursprung der Neuregelung ist die Koalitionsvereinbarung, und dass das Wirtschaftsministerium sie jetzt umsetzt, ist ja ganz klar. Es gibt also nicht nur eine Person, die jetzt hier den Glorienschein davonträgt, sondern es war unser gemeinsamer politischer Wille. Ich möchte ganz klar in Richtung der Linken sagen: Wir wissen ganz genau, wie sensibel dieses Thema ist. Nur: Mit Ihrem Populismus wird man erstens in der Welt nichts verändern und zweitens auch in der deutschen Politik nichts Vernünftiges zustande bringen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihr Populismus ist gefährlicher!) Wir sind da besser in der Spur. Ich denke, es hat sich in den letzten Jahren gerade auf diesem Gebiet sehr viel getan. Diesen Weg werden wir weiter beschreiten. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jan van Aken das Wort. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Der hat doch schon elf Minuten gehabt!) Jan van Aken (DIE LINKE): Es tut mir leid, aber ich möchte nur kurz drei Aussagen von Herrn Lämmel korrigieren. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur drei? Mindestens 30!) – 30 Dinge könnte man korrigieren, aber ich möchte mich auf drei fokussieren. Erstens. Herr Lämmel, Sie haben nicht hingehört. Auch irgendwelche Waffenexporte der Sowjetunion oder der Staaten des Warschauer Paktes bis 1989/1990 finde ich falsch; da bin ich ganz Ihrer Meinung. Der Unterschied zwischen uns ist: Ich finde auch die bundesdeutschen Waffenexporte falsch; Sie finden sie richtig. Sie finden die sowjetischen Waffenexporte falsch, ich finde alle falsch. (Beifall bei der LINKEN – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Das war jetzt aber keine Korrektur!) Zweitens. Sie haben jetzt drei-, viermal wiederholt: Al-Qaida kämpft nicht mit deutschen Waffen. – Ich persönlich war im Januar 2014 im Norden Syriens und habe dort eine MILAN-Rakete aus deutsch-französischer Produktion, zu 50 Prozent in Deutschland hergestellt, in der Hand gehabt; ich habe die Seriennummer, das Produktionsjahr usw. Mit dieser MILAN-Rakete hat al-Qaida damals direkt an der Grenze, im Dreieck zwischen Türkei, Syrien und Irak, gekämpft. Ihre Information ist falsch. Ich habe das Ding persönlich in der Hand gehabt. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt viele andere Beispiele – das Internet ist voll mit Fotos –, aber in diesem Fall kann ich es selbst bestätigen, weil ich die Waffe selbst angefasst und die Seriennummer gesehen habe. Drittens. Es geht zu weit, dass Sie hier von Seite 111 des Rüstungsexportberichtes zitieren und sagen, dass 40 Prozent der Exporte in die Vereinigten Arabischen Emirate, VAE, auf Lkws entfallen. Lesen Sie das bitte ganz vor! Die dort genannten 41,6 Prozent beziehen sich auf „LKW“ und „Teile für Kampfpanzer“ und „gepanzerte Fahrzeuge“. Es sind Kriegswaffen, die darunterfallen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Na und?) Tun Sie nicht so, als ob der Großteil von dem, was in die VAE geht, Lkws sind. Entweder haben Sie es nicht verstanden, oder Sie haben hier bewusst falsch zitiert. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Möchten Sie erwidern? Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Nein, danke, möchte ich nicht. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Bringt ja eh nichts!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie keine Angst, dass Sie alle dicken Papiere, die ich hier jetzt habe, heute ertragen müssen! Ich bin sowieso schon glücklich, dass zu dieser Zeit, am letzten Sitzungstag vor der angeblichen Sommerpause, über die es ja immer heißt, dass alle Abgeordneten in den Urlaub fahren, so viele Kolleginnen und Kollegen bei der Debatte zu diesem Thema da sind und so viele Zuhörerinnen und Zuhörer und ein ebenfalls fast voll besetzter Kabinettsbereich heute dieser Debatte lauschen. Eigentlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es mir bei dem Antrag der Linken, Herr Kollege van Aken, wie bei dem Klassiker Und täglich grüßt das Murmeltier. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist sehr konkret ausnahmsweise! – Zurufe von der LINKEN) Ob es der jährliche Bericht des Stockholm International Peace Research Institute, also SIPRI, ist, ob es der Rüstungskontrollbericht oder der Transparenzbericht der Bundesregierung ist, ob es irgendein Gutachten zur Rüstung ist – es kommt immer die gleiche Reaktion: erstens Empörung, (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Genau!) zweitens unreflektierte und undifferenzierte Nennung irgendwelcher Zahlen, die natürlich im Einzelfall stimmen, aber nie in dem Kontext gesehen werden, (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die stimmen dann irgendwie, oder?) drittens – ich sage es ganz bewusst – Verdrehung von Tatsachen, und schließlich Forderungen, für die man fast Textbausteine verwenden könnte. Mal wird, wie jetzt, gefordert, die Genehmigung für Rüstungsexporte in die Staaten des Golfkooperationsrates zu widerrufen, mal wird gefordert, keine neuen Genehmigungen zu erteilen. Gestern wurde der Austritt aus der NATO gefordert, (Beifall des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE]) vorgestern die Abschaffung der Bundeswehr und, und, und. Diese Textbausteine werden reflexartig immer wieder gebracht, ohne einen echten Lösungsansatz anzubieten. (Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte versuchen, die Behauptungen in ein paar Worten zu widerlegen. Waren es nicht unser Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und auch die SPD-Bundestagsfraktion, die den Anstoß für eine deutliche Absenkung des Volumens der Waffenexporte an Drittstaaten gegeben haben? Wir haben – mein Vorredner hat es schon gesagt – in den Koalitionsvertrag die Ziele eingebracht: hohe Transparenz und vor allem Senkung der Waffenexporte. Fakt ist – und das muss an dieser Stelle auch gesagt werden –, dass es doch eigentlich eine gute Nachricht ist, die nicht wegzudiskutieren ist, dass die Zahl der Genehmigungen von Kleinwaffenexporten so massiv zurückgegangen ist, wie sie in der Geschichte der Rüstungsexportgenehmigungen noch nie zurückgegangen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Kleinwaffen sind in Euro und Cent gemessen keine großen Positionen, aber es sind die Waffen, die das größte Unheil auf dieser Welt anrichten. Das Problem ist, dass sie in großen Stückzahlen zu geringen Gestehungskosten umgesetzt werden können. Sie richten den größten Schaden an. Deshalb halte ich es für ausgesprochen wichtig – und es ist bedauerlich, dass heute dazu noch niemand etwas gesagt hat –, dass die Post-Shipment-Kontrollen, die nunmehr eingeführt worden sind, nicht mehr wegzudiskutieren sind. Aber es heißt immer wieder – ich kenne das schon –: Da macht ja noch niemand was. In den Ländern werden ja noch gar keine Kontrollen durchgeführt. – Ja, richtig, sie werden noch nicht durchgeführt, aber doch nur, weil bisher keine dieser Waffen tatsächlich exportiert worden ist. Nur das, was exportiert wurde, kann kontrolliert werden und wird auch kontrolliert. Das ist richtig und auch zwingend notwendig. Meine sehr verehrten Damen, meine sehr verehrten Herren, ich halte es für politisch absolut nicht opportun, dass die Opposition, gleich welcher Art, immer die Zahl von 7,86 Milliarden Euro ins Spiel bringt. Dann folgt das Mantra „Sigmar Gabriel ist gescheitert“, aber den Blick in den Gesetzestext lässt man sein. Die Frage, ob etwas rechtmäßig ist oder nicht – – Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Brunner, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Brugger? Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Gerne, Frau Präsidentin. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kollege Brunner. – Sie haben die Kleinwaffengrundsätze und die Post-Shipment-Kontrollen angesprochen. Diese beinhalten ja, dass im Nachhinein kontrolliert werden soll, ob die Waffen auch wirklich in dem Land verblieben sind, für das eine Genehmigung erteilt wurde. Und auch der Bundessicherheitsrat soll eigentlich nur noch Genehmigungen für den Export von Kleinwaffen aussprechen, wenn die Empfängerstaaten vorher erklären: Wir lassen die Kontrollen zu, und wir verpflichten uns, die gleiche Menge an alten Waffen in unseren Beständen zu zerstören. Jetzt schreit die Opposition nicht immer nur: „Skandal!“, sondern ich habe Sigmar Gabriel genau für diese beiden Vorhaben sehr gelobt. Aber zur Aufgabe einer Abgeordneten gehört es auch, nach ein paar Monaten zu prüfen, was von der Ankündigung übriggeblieben ist. Das habe ich in einem regen Briefwechsel mit dem Bundeswirtschaftsministerium getan. Meine erste Frage lautet: Zeigt nicht die Tatsache, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für den Export von Kleinwaffen erteilt hat, ohne dass von allen Staaten die entsprechenden Erklärungen vorlagen, dass die Kleinwaffengrundsätze, die gut sind, nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie stehen? Zweitens frage ich mich: Wer soll diese Kontrollen durchführen? Dafür sind im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gerade einmal zwei Stellen geschaffen worden – glatte zwei Stellen! Und wissen Sie, wer die Vor-Ort-Kontrollen durchführen soll? Die Botschaftsmitarbeiter, die ja sonst nichts zu tun haben und die die Waffen anhand ihrer Typen- und Seriennummern natürlich unterscheiden können. Wollen Sie uns wirklich erzählen, dass das jetzt die große Trendwende bei der Endverbleibskontrolle von Kleinwaffen und bei der Durchsetzung des Prinzips „Neu für alt“ ist? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Verehrte Kollegin Brugger, selbstverständlich will ich Ihnen das erklären. Ich gebe zu, dass das derzeitige Personal nicht ausreichend ist. Aber es ist deshalb nicht ausreichend, weil aufgrund der erteilten Genehmigungen noch gar nicht geliefert wurde. Ich halte es schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen und aufgrund des gebotenen sorgsamen Umgangs mit Steuermitteln für notwendig, dass die Kontrollen erst dann erfolgen und das Personal erst dann zur Verfügung gestellt wird, wenn die Ausfuhr tatsächlich erfolgt. Alles andere wäre tatsächlich, wie Sie es sagen, Augenwischerei. Wir müssen kontrollieren, und wir werden kontrollieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu meinem Gedankengang zurückkommen. Unsere international verantwortlich denkende Regierung – damit meine ich alle Bundesregierungen, ganz egal, wie sie zusammengesetzt sind, also sowohl die jetzige als auch zukünftige Bundesregierungen – wird die in dieser Legislaturperiode durchgesetzten Verschärfungen der Rüstungsexportkontrollen nicht mehr ändern. Seit Anfang 2015 sprechen wir viel über die Rolle Deutschlands in der Welt, über mehr Engagement, über mehr Verantwortung. Genau dieser Verantwortung kommen wir mit der Rüstungsexportpolitik unseres Bundeswirtschaftsministers nach. Wir alle zusammen wissen ja, dass nicht zuletzt die Signale der Bundesrepublik Deutschland, die unser Bundeswirtschaftsminister setzt, in Europa gehört werden und weitere Kreise ziehen werden. Ich könnte es mir jetzt einfach machen und einen Kommentar aus der gestrigen Ausgabe des Tagesspiegels wiedergeben, in dem ganz klar und deutlich unter der Überschrift „Strenger wird es nicht mehr“ gefragt wurde, wie eine Bundesrepublik Deutschland, die international eine wichtige Rolle zu spielen hat, aussehen würde, wenn es in Deutschland keine Rüstungsindustrie mehr gäbe, wenn in Deutschland keine Rüstungsgüter mehr produziert würden, wenn es keine explizite Rüstungskontrolle gäbe und wenn Deutschland als starker Teil Europas letztendlich auf Indien und die Vereinigten Staaten angewiesen wäre. Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle noch einmal zusammenfassen: Worum geht es wirklich? Um welche Kernbotschaften geht es hier? Die jetzige Bundesregierung zeichnet sich durch eine besonders restriktive und transparente Exportkontrolle aus. Mit bloßen Zahlen wie den genannten kann man kein realistisches Bild zeichnen. Es wurden Einzelausfuhrgenehmigungen – jetzt ohne die Panzer für Katar – nur in Höhe von 9,5 Millionen erteilt. Die Kleinwaffengrundsätze sind gut und werden umgesetzt. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die werden nicht eingehalten!) Was Saudi-Arabien betrifft: Der größte Teil der erteilten Ausfuhrgenehmigungen bezieht sich auf Zulieferungen für Rüstungsgüter wichtiger europäischer und amerikanischer Partner. Insoweit sind sie notwendig und bindend. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit – verehrte Frau Präsidentin, ich sehe das Signal, dass ich zum Ende kommen soll – und wünsche den Kolleginnen und Kollegen, die nunmehr die Gnade haben, für ein paar Tage in Urlaub zu fahren, einen schönen Urlaub, und den anderen viel Spaß im Wahlkreis. Auch den Zuhörerinnen und Zuhörern fürs Zuhören herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Barbara Lanzinger das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Deutschen Bundestag! Ich möchte zu Beginn eines festhalten: Berücksichtigt man alle Gesetze, alle Regelwerke, die wir haben, stellt man fest, dass die Gesamtthematik, über die wir jetzt diskutieren, sicher zu den politisch, menschlich und auch emotional schwierigsten im Parlament gehört. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Es bedarf der Ausgewogenheit und auch der Abwägung zwischen kluger Diplomatie, Verteidigungsbereitschaft und Rüstungsexporten. Dass das ohne Verstand gemacht wird, wie Sie es vorhin sagten, weise ich ganz entschieden zurück. Wir haben strenge Regeln für Rüstungsexporte – das wiederhole und verdeutliche ich jetzt –, vor allem für den Export von Waffen. In jedem Einzelfall wird streng darauf geachtet, wer welche Güter wann bekommt. Deutschland hat sich für die Ausfuhr von Rüstungsgütern, und hier vor allem bei Waffen, mit die strengsten Regeln weltweit auferlegt. Diese sind beispielsweise festgehalten im Grundgesetz, im Kriegswaffenkontrollgesetz, im Außenwirtschaftsgesetz und in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000, die – das wurde schon erwähnt – von der damaligen rot-grünen Bundesregierung überarbeitet wurden. Letztere geben ganz klar vor, dass die Rüstungspolitik restriktiv gestaltet werden soll, dass sie sich aber auch am Sicherheitsbedürfnis und den außenpolitischen Interessen der Bundesregierung zu orientieren habe. Es wird immer der jeweilige Einzelfall geprüft. Die letztendliche Entscheidung trifft der Bundessicherheitsrat. Dieses Gremium der Bundesregierung ist aus Vertretern des Bundeskanzleramts, des Auswärtigen Amts, des Innenministeriums, des Wirtschaftsministeriums, des Entwicklungsministeriums, des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums und weiteren zusammengesetzt. Ich möchte der Ehrlichkeit halber noch erwähnen: Nachgeordnet spielen natürlich auch wirtschaftspolitische Interessen eine Rolle. Wir sind auch im Hochtechnologiebereich der Wehrtechnik Exportland. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass die Prüfungen bei uns oftmals länger als ein Jahr dauern und dass bei internationalen Rüstungsverträgen teilweise mit dem Label „German-free“ geworben wird. Das sind durchaus enorme Standortnachteile für unsere Industrie. Auch hier wird ganz deutlich: Die außen- und sicherheitspolitische Bewertung möglicher Empfängerländer hat immer Vorrang. Unter anderem im international anerkannten Wassenaar-Abkommen ist definiert und im Außenwirtschaftsgesetz rechtlich festgehalten, was Rüstungsgüter sind. Rüstungsgüter, wie sie im Rüstungsexportbericht aufgeführt werden, sind eben nicht nur Kriegswaffen, sondern zum Beispiel auch Nachtsichtgeräte, Feldkrankenhäuser in geschützten Containern, Boote zum Küstenschutz, gepanzerte Fahrzeuge und vieles mehr. Das wird auch mit Blick auf den Rüstungsexportbericht deutlich. Es stimmt, dass für Katar auch Einzelgenehmigungen für Panzer ausgesprochen wurden. Das muss auf Dauer sicher differenziert betrachtet werden. Bei genauerer Betrachtung der Liste wird aber auch deutlich, dass auch ganz andere Güter exportiert werden und wurden. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: Die Lieferungen an Saudi-Arabien umfassen beispielsweise Fahrgestelle für unbewaffnete Transporter, Lkws und Geländewagen mit Sonderschutz. Lieferungen an Oman umfassen unter anderem Teile für Feuerleiteinrichtungen, Lkws, Dekontaminationsausrüstungen, Kommunikationsausrüstungen, Teile für gepanzerte Fahrzeuge. Wir haben internationale Verpflichtungen und tragen auch außen- und sicherheitspolitische Verantwortung. Unsere außen- und sicherheitspolitischen Instrumente sind vielfältig. Rüstungsexporte sind eines davon. Nur so können wir in diesem hochsensiblen Bereich unsere wehrtechnischen Kernkompetenzen und somit Handlungssouveränität bewahren. Das ist wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU) Nur so können wir unsere internationalen Partner inner- und außerhalb der EU und der NATO befähigen, beispielsweise Grenzen zu sichern und gegen Terrorgruppen vorzugehen. (Zuruf der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir können und wollen unsere Soldatinnen und Soldaten nicht überallhin schicken. Niemand macht sich die Entscheidung zu Rüstungsexporten leicht. Die Entscheidung muss unter Einbezug außen- und sicherheitspolitischer Überlegungen immer sorgfältig abgewogen werden, und das wird getan. Ihr Antrag wird dem nicht gerecht. Daher lehnen wir ihn ab. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat Kollegin Dr. Ute Finckh-Krämer das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf der Tribüne! Als letzte Rednerin in der Debatte habe ich die Chance, das zu benennen, was in der Debatte noch nicht gesagt worden ist, und aufzuzeigen, wie wir mit diesem Thema weiter umgehen können. Noch nicht erwähnt wurde – das ist für die Debatte, was auf europäischer Ebene geschieht, wichtig –, dass das Europäische Parlament in einer Resolution vom 17. Dezember des vergangenen Jahres nicht etwa verlangt hat, deutsche Rüstungsexportrichtlinien auf das augenblickliche europäische Niveau herunterzufahren, sondern – im Gegenteil – verlangt hat, dass auf europäischer Ebene schärfere Regeln eingeführt werden, dass mehr Transparenz herrschen soll und eine öffentliche Überprüfung durch ein standardisiertes Melde- und Überprüfungsverfahren mit detaillierten Angaben zu den erteilten Genehmigungen möglich wird. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und das wäre auch eine Lösung für das Problem, das Herr Schäuble aus meiner Sicht in der verkehrten Richtung aufgeführt hat: dass sich nämlich europäische und deutsche Grundsätze unterscheiden. Man hat immer zwei Möglichkeiten: Man kann eigene Standards senken, oder man kann die europäischen Standards hochfahren. Ich trete ganz eindeutig für das Zweite ein. Ich glaube, da habe ich vollen Rückhalt aus meiner Fraktion und wahrscheinlich auch von denjenigen in der Unionsfraktion, die sich Sorgen machen, was mittel- und langfristig aus den Waffen wird, die wir irgendwohin liefern. (Beifall bei der SPD) Wir haben in der SPD-Fraktion mit Sigmar Gabriel über die Frage diskutiert, ob wir ein Rüstungsexportgesetz brauchen. Die Antwort lautete eindeutig Ja. Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung in Gesetzesform zu fassen, würde sie verbindlicher machen und würde auch nach außen ein Signal senden, dass wir es ernst damit meinen. Wir könnten auch zusätzliche Dinge, die seit langem aus der Zivilgesellschaft, zum Beispiel aus der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, gefordert werden, darin aufnehmen, zum Beispiel eine Kopplung von Ausfuhrgenehmigungen – zumindest für Waffen; vielleicht nicht für alle sonstigen Rüstungsgüter – an die Unterzeichnung des Arms Trade Treaty. (Beifall der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das wäre einerseits eine Unterstützung eines abrüstungspolitischen Anliegens der Bundesregierung, nämlich dem Arms Trade Treaty mehr Unterzeichnerinnen und Unterzeichner zu verschaffen, und andererseits wäre es ein klares und dann nicht mehr im Einzelfall diskutierbares Kriterium, ob ein Land diesen Vertrag unterzeichnet hat oder nicht. Ein weiterer Punkt, über den – auch mit Sigmar Gabriel – in der SPD diskutiert wurde, war die Frage, ob man Kriegswaffenexporte in Drittländer tatsächlich auch dem Deutschen Bundestag zur Genehmigung vorlegt. Denn damit hätten wir die Situation, die sich viele von uns wünschen: Beim Abwägen des Für und Wider würden nicht nur kurzfristige Überlegungen, sondern auch mittel- und langfristige Überlegungen – viele Kriegswaffen haben eine Lebensdauer von 40 Jahren und mehr – zur Sprache kommen, und das, was etwa die Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker zu bestimmten Waffenexporten zu sagen haben, würde genauso eine Rolle spielen wie das, was die Außen- und Sicherheitspolitiker dazu sagen. Insofern möchte ich all denen, die im Augenblick die Diskussion über Rüstungsexporte führen und zu dieser Diskussion innerhalb des Parlaments etwas beitragen, also den kirchlichen Vertreterinnen und Vertretern, den zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen, zum Beispiel der Aktion Aufschrei, und allen anderen Interessierten, herzlich danken. Ich danke Ihnen jetzt auch für die Geduld, der letzten Rednerin in dieser Debatte zuzuhören. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/8930 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Waffenexporte in die Golfregion verbieten“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1674, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/768 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Zusatzpunkt 6. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Jemen – Militärische Intervention stoppen – Neue Friedensverhandlungen beginnen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6145, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5380 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes Drucksache 18/4624 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) Drucksache 18/9093 Hierzu liegen ein Änderungsantrag sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich warte, bis die notwendigen Umgruppierungen abgeschlossen worden sind. – Nachdem offensichtlich alle einen Platz gefunden haben, bitte ich jetzt um die notwendige Aufmerksamkeit. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Rita Stockhofe für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Rita Stockhofe (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Waidmannsheil, liebe Jägerinnen und Jäger! Ich stehe hier heute mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum lachenden Auge: Mit der Umweltrichtlinie, die wir heute umsetzen, setzen wir eine Vorgabe um, die unumstritten und richtig ist. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu halbautomatischen Waffen, die auf der Jagd verwendet werden, haben wir auch hier dringenden Handlungsbedarf gesehen. Mit diesem Gesetz sorgen wir dafür, dass in der anstehenden Drückjagdsaison weiterhin halbautomatische Waffen verwendet werden dürfen und dass Jäger, die solche Waffen haben, nicht zu illegalen Waffenbesitzern werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Das weinende Auge ist deshalb so traurig, weil wir es bis heute leider nicht geschafft haben, das Bundesjagdgesetz insgesamt zu novellieren – und das, obwohl wir nach zweieinhalb Jahren einen guten Entwurf vorlegen konnten. Für diesen Entwurf, dessen Inhalt Bundesminister Schmidt auf dem Bundesjägertag vorgestellt hat, hat er viel Zustimmung und Applaus erhalten. Leider hat uns der Ministerpräsident aus Bayern einen Strich durch die Rechnung gemacht. (Burkhard Lischka [SPD]: Hört! Hört! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Was? – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist unglaublich!) Die Gründe dafür, seinem eigenen Minister in den Rücken zu fallen, kann ich bis heute nicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dabei wäre es so wichtig gewesen, die große Novelle auf den Weg zu bringen: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Bereich „Jägerausbildung und -prüfung“ beispielsweise liegt in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Bislang gibt es unterschiedlichste Arten, die Ausbildung durchzuführen. Das führt dazu, dass ein regelrechter Jagdscheintourismus stattfindet. Dem wollen wir entgegenwirken. Mit dem Erhalt des Jagdscheines geht eine große Verantwortung für das Wild und die Natur auf den Jäger über. Daher ist es richtig, dass wir gute Prüfungsinhalte brauchen – und auch eine geeignete Form, diese Inhalte zu vermitteln. Auch der Einsatz von bleihaltiger Munition muss bundesweit geregelt werden. Der Bleigehalt muss aus Verbraucherschutzgründen minimiert werden. In einigen Bundesländern ist der Einsatz bleifreier Munition bereits vorgeschrieben. Weil die Genauigkeit damit aber nicht immer gewährleistet ist, widerspricht das dem Tierschutz, und deswegen brauchen wir eine bessere Vorgehensweise. (Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Dann müssen sie halt besser schießen!) Der Schießübungsnachweis ist auch ein wichtiger Punkt. Er muss ebenfalls bundeseinheitlich geregelt werden. Wenn ein Jäger momentan nämlich bundesweit jagen will, dann muss er fünf unterschiedliche Schießnachweise mit sich führen. Das ist praxisfremd, und es ist Aufgabe des Bundes, das zu regeln. Das hat auch das Verwaltungsgericht Arnsberg entschieden. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: So ist es!) Grundsätzlich müssen wir auf Bundesebene handeln, um ideologische Akteure, die sich zum Teil in den Bundesländern tummeln, „einzufangen“. Bei uns in Nordrhein-Westfalen ist aus einem „Landesjagdgesetz“ ein „Ökologisches Jagdgesetz“ geworden – mit großen Einschnitten ins Eigentumsrecht und in die Bundeskompetenz. Das ist keine leere Behauptung von mir, sondern in zwei Punkten schon von Gerichten bestätigt worden, und das haben auch die über 15 000 Demonstranten, die sich aus über 17 Verbänden des ländlichen Raumes in Düsseldorf zusammengefunden haben, so gesehen und entsprechend bemängelt. Mit diesem Ökologischen Jagdgesetz auf Landesebene ist den Jägern ganz klar ihre Kompetenz abgesprochen worden, obwohl sie über das sogenannte Grüne Abitur verfügen. Umweltminister Remmel, der leider auch für Landwirtschaft und Jagd zuständig ist, hat beispielsweise die Jagd auf den Fuchs eingeschränkt. Wer kann so etwas verstehen? Die Anzahl der Bodenbrüter ist in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen, was gerne auf die industrielle Landwirtschaft geschoben wird. Da aber in der Zeit die Jagd auf Raubtiere wie Füchse, aber auch Krähenvögel stark eingeschränkt wurde, haben deren Beutetiere – dazu gehören ganz besonders die Bodenbrüter – einen schweren Stand, und es droht die Ausrottung. Hier sind dann wieder die Jäger gefragt, die durch ihre Hege Maßnahmen treffen, um diese Arten zu schützen. Hierfür wird kein öffentliches Geld zur Verfügung gestellt, wie es beispielsweise beim Wolf der Fall ist. Sogar die Jagdsteuer wollte Minister Remmel wieder einführen. Doch zum Glück hat in den Landkreisen die Vernunft gesiegt. Immer wieder wird in Nordrhein-Westfalen gefordert, dass auch Beauftragte der Behörden in die Reviere gehen und Kontrollen durchführen sollen. Wer sollen diese Beauftragten denn sein? Die Experten der unterschiedlichen Naturschutzvereine, die schon durch Zahlung eines Beitrages zum Experten werden? Oder legen wir unsere Natur nicht besser in die Hände von ausgebildeten Fachkräften wie unseren Jägern? Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist ein guter, aber sehr kleiner Schritt. Die große Novelle muss noch in dieser Legislatur kommen. Waidmannsheil. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ute Vogt [SPD] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Halali!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gespräche über die Jagd werden schnell emotional und kontrovers. Das Wild auf dem Teller mögen ja noch viele Menschen. Aber viel Wild im Wald und auf dem Acker wird wegen der Schäden in Forst- und Landwirtschaft schon kritischer gesehen. Die Jägerschaft wiederum soll zwar für den Wildbraten sorgen und die Wildschäden minimieren, aber so richtig gemocht und geliebt wird sie nicht. Vielleicht haben manche noch das feudale Jagdprivileg im Kopf und unterstellen der heutigen Jägerschaft vorwiegend Trophäenjagd. Oder sie meinen, die Natur werde sich schon selber regulieren. Andere wiederum lehnen das Töten von Tieren generell ab. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Jägerschaft. Das sind immerhin 374 000 Jägerinnen und Jäger, Tendenz übrigens steigend. Sie sind überwiegend ehrenamtlich tätig. Unterdessen legen 20 Prozent Frauen die Prüfung ab. Für sie alle haben wir als Gesetzgeber große Verantwortung. Ja, die Jägerschaft braucht Rechtssicherheit. Aber sie braucht eben auch Rahmenbedingungen, die gesellschaftlich breit akzeptiert werden. Für uns Linke gibt es zwei ganz wichtige Grundsätze. Erstens. Die Jagd darf kein elitäres Hobby einer reichen Oberschicht sein. (Beifall bei der LINKEN) Auch meine Nachbarin und mein Nachbar aus dem Dorf müssen zur Jagd gehen können, wenn sie denn wollen, und das Grüne Abitur ablegen können. Zweitens. Jagd muss dem Gemeinwohl dienen. Dazu gehören die Hege eines gesunden Wildbestandes und die Begrenzung von Wildschäden. Aber auch das gesunde Lebensmittel Wild ist bei vielen willkommen. Gemessen an diesem Anspruch ist die heute vorliegende Änderung des Bundesjagdgesetzes geradezu winzig. Wie 2013 liegt wieder nur ein Novellchen mit zwei kleinen Änderungen vor. Zum einen wird eine Regelungslücke zur Umsetzung des geltenden EU-Rechts für geschützte Arten geschlossen. Das ist nötig und unstrittig. Zum anderen geht es um eine Klarstellung zu halbautomatischen Waffen. Hier wird die Praxis nicht ausgeweitet, sondern nur Rechtssicherheit wiederhergestellt. Dem wird auch die Linke zustimmen. Das Problem ist, welche Änderungen heute nicht vorliegen. Ich weiß nicht, womit Seehofer gedroht hat. Aber es ist ein Stück aus dem Tollhaus, dass sein Veto längst überfällige und ausgehandelte Regelungen blockiert. Damit demontiert er übrigens gleich noch seinen eigenen Bundesagrarminister, der noch im Juni dieses Jahres die große Novelle angekündigt hatte. Diese brauchen wir wirklich dringend, zum Beispiel beim Thema Blei in der Munition. Ja, die Diskussionen waren schwierig. Ja, das ist vielleicht auch ein Generationenkonflikt. Aber unterdessen sind wir uns doch einig: Wir brauchen den Ausstieg aus der Bleimunition, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) damit Bleieinträge in die Lebensmittel- und Nahrungskette minimiert werden. Natürlich muss auch die neue Munition sicher sein. Die Tötungswirkung und Präzision dürfen auf keinen Fall in Zweifel stehen. Aber die Zweifel dürfen eben auch nicht vorgeschoben sein. Deswegen sind eine verlässliche Prüfung und Kennzeichnung der Sicherheit der Munition unerlässlich. Aber auch die Hersteller sind in der Pflicht, Munition zu liefern, die den neuen Anforderungen entspricht. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dem Veto aus München sind noch weitere wichtige Regelungen zum Opfer gefallen, zum Beispiel bundeseinheitliche Schießübungsnachweise oder die Mindestvorgaben für die Jagdprüfung. Selbst die deutliche Aufwertung des Ausbildungsfachs „Wildbrethygiene“ ist erst einmal vom Tisch. Als Tierärztin halte ich das für eine Katastrophe. Den Änderungsantrag der Grünen zum Bundeswaldgesetz unterstützen wir. Ja, wir wollen den Klein- und Kleinstwaldbesitz stärken. Denn nicht nur bei Äckern und Wiesen, sondern auch beim Wald ist für uns Linke eine breite Streuung des Bodeneigentums ein hohes Gut. Dafür muss aber die forstliche Betreuung gesichert werden, und sie muss auch finanzierbar bleiben. Es muss auch weiter staatliche Angebote dafür geben. Eine Klarstellung im Bundeswaldgesetz muss kartell- und europarechtliche Sicherheit bringen. Auch hier muss dringend gehandelt werden. Das sind wir auch den Beschäftigten in den staatlichen Forstbetrieben schuldig. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zum Schluss noch ein Wort zur Sommerpause: Vielleicht gelingt es den Koalitionsfraktionen, sich ein bisschen von München zu emanzipieren. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Petra Crone für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Petra Crone (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir von den großen Waffen zu den etwas kleineren Waffen. Es stimmt, was meine Vorrednerinnen gesagt haben: Viele Jägerinnen und Jäger waren nach dem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts vom März ziemlich verunsichert. 40 Jahre lang galt: Jägern war es verboten, die Jagd auf Wild mit halbautomatischen Waffen auszuüben, die ein Magazin mit mehr als zwei Patronen aufnehmen können, unabhängig davon, ob es sich um Schalen-, Haar- oder Federwild handelte. Das bedeutete im Umkehrschluss: Halbautomaten mit maximal zwei Patronen im Magazin waren bisher für die Jagd erlaubt. Übrigens ist klar: Maschinengewehre und Maschinenpistolen als Vollautomaten haben bei der Jagd überhaupt nichts zu suchen. Das versteht sich von selbst. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dann kam das völlig unerwartete Urteil: Sämtliche Halbautomaten mit wechselbaren Magazinen dürfen von Jägern nicht einmal besessen werden. Für die Politik hieß das, schnell zu reagieren, um die Hängepartie zu beenden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und wir Koalitionsfraktionen wollten rasch eine Klarstellung oder – besser – die gültige Gesetzeslage wiederherstellen. Gut war es, dass wir im Bundesjagdgesetz eine längst überfällige Gesetzesänderung in der Pipeline hatten, und zwar die Anpassung an die EU-Richtlinie für Umweltstrafrecht. So konnten wir beides koppeln. Mit der heute vorliegenden Änderung sind es nun im parlamentarischen Verfahren insgesamt drei Patronen geworden, mit denen die Waffen geladen werden dürfen. Wir werden dem heute zustimmen. Aber ich möchte nicht verhehlen, dass ich weiterhin Zweifel an der sachlichen und praktischen Notwendigkeit dieser Erweiterung des Ursprungsgesetzes habe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber ich bin sehr froh, dass die Jägerinnen und Jäger jetzt, kurz vor der Blattzeit, Klarheit haben. Wir hatten eigentlich mehr vor. Ich will nun gar nicht behaupten, dass ich zu Beginn der Verhandlungen zu einer großen Jagdnovelle vor vielen Monaten am Ende ein fortschrittliches Bundesjagdgesetz erwartet hätte. Aber dass wir heute mit leeren Händen hier stehen, das hätte ich ganz und gar nicht erwartet. Das ist sehr bedauerlich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht es doch mal!) Mir war es wichtig, mit dem Gesetz die Qualität der Jägerausbildung zu stärken. Ich komme aus dem ländlichen Raum, aus dem Sauerland in Südwestfalen, und dort wachsen die jungen Leute mit Natur und Jagd auf. Sie begleiten früh Eltern, Nachbarn oder Freunde zur Jagd und machen irgendwann über einen angemessenen Zeitraum hinweg ihren Jagdschein. Der Bezug zur und die Kenntnis über die Natur sind stark. Deshalb sind mir die Kurzausbildungen zum Jagdschein innerhalb von 14 Tagen sehr suspekt. Das kann nicht die gleiche Substanz haben. Daher habe ich eine verlängerte Ausbildungszeit gefordert, nämlich zehn Stunden mehr auf insgesamt 130 Stunden. Außerdem wäre Wildbrethygiene neben der Schießübung das zweite Sperrfach in der Ausbildung gewesen. Das heißt, wer in diesem Fach durchfällt, ist durch die ganze Prüfung gefallen. Mit dem Vorschlag wollte ich die Bedeutung und die sinnvolle Verwendung von Wildfleisch als Lebensmittel stärken – mit aller gebotenen Sorgfaltspflicht vom Aufbruch bis zur Wildwurst. (Beifall bei der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [Die Linke]: Schön wär’s gewesen!) – Ja. Apropos Sorgfalt mit Mensch und Umwelt: Nach langem, zähem Ringen hatten wir auch einen Kompromiss zur Verwendung von bleifreier Munition bei der Jagd gefunden. Die SPD-Fraktion hätte ein Minimierungsgebot nach Stand der Technik unterstützt. Es war nicht unser Wunschmodell. Ich hätte lieber ein sachliches Verbot in ein, zwei Sätzen in § 19 gehabt. Ich erinnere daran: Die vom Ministerium in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Untersuchungen und Gutachten haben doch letztendlich alle Vorurteile gegenüber bleifreier Munition ausgeräumt. An dieser Stelle frage ich mich auch: Wo bleibt eigentlich die Innovationsfreude deutscher Munitionshersteller? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Na gut, die SPD-Fraktion und genauso das Umweltministerium haben sich in den Verhandlungen sehr stark bewegt und haben einen Kompromiss zwischen den Jagd- und Naturschutzverbänden und der Politik gesucht, sei es bei der Regelung zur bleifreien Munition, sei es bei der Berücksichtigung des Erhaltungszustandes einer Art als Kriterium bei der Jagd oder sei es beim Schießnachweis. Übrigens: Das waren auch Teile, die von Bayern gefordert wurden. Jagd ist auf allen Seiten ein absolut emotionales Thema; das muss ich Ihnen ja nicht sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diese Emotionalität ist richtig klasse, führt aber auch dazu, dass manchmal sprichwörtlich über das Ziel hinausgeschossen wird. Das heißt praktisch aber auch: Der Schuss trifft nicht mehr oder geht nach hinten los. Und da stehen wir jetzt – ohne große Novelle. Es reichte ein wildes Aufbäumen aus einem südlichen Bundesland, um die Änderungen des Bundesjagdgesetzes zunichtezumachen. Das ist schade; denn die Jägerinnen und Jäger wünschen sich einheitliche Standards in der Fläche. Diese Novelle wäre nicht der große Sprung geworden – nein, das sicher nicht –, aber sie wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Ich hoffe, es ist nicht der letzte Versuch in puncto Bundesjagdgesetz. Das nächste Mal dann bitte mit mehr Mut und Offenheit und auf der Höhe der Zeit. (Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Die Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft liegt letztendlich in den Händen der Jägerinnen und Jäger. Ich habe in den vergangenen Monaten viele getroffen, die meine Einschätzung teilen. Jagd und Jäger agieren nicht im luftleeren Raum, sie sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Das heißt aber auch: Sie werden sich mit ihr verändern. Nun wünsche ich allen einen schönen Sommer und vor allem den Jägerinnen und Jägern eine schöne Blattzeit. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Harald Ebner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir schlagen heute ein weiteres Kapitel im Buch „Tu nix“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf. Das hat gute Tradition: Im Februar war in top agrar zu lesen: „Bundesregierung einigt sich auf Wald- und Jagdreformen“, aber bis heute legen Sie dazu nichts vor. Ja glauben Sie denn, es reicht, wenn es in top agrar steht, und dann braucht es kein Gesetz, Herr Minister? Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Nach zweieinhalb Jahren Geschiebe und Gezerre gibt es heute statt der überfälligen Modernisierung des Jagdrechts ein Mini-Novellchen, das nur Änderungen enthält, die nach EU-Recht dringend nötig oder einem Gerichtsurteil geschuldet sind. Alles andere hat Ihnen Ihr Chef in München kaputtgemacht, Herr Minister. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Bisschen, das Sie heute vorlegen, ist leider auch noch inhaltlich schwach. Sie versuchen, Schutzlücken im Artenschutz mit Stückwerk zu flicken, statt einen systematischen Schnitt zur Rechtsvereinfachung und Entbürokratisierung zu machen. Streichen Sie einfach die geschützten Tiere aus der Liste der jagdbaren Arten. Tun Sie das – das bringt tatsächlich Rechtssicherheit und erleichtert Artenschutzmaßnahmen –, statt stets von neuem den Konflikt zwischen Naturschutzrecht und der alten Hegepflicht aus Vornaturschutzzeiten anzuheizen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihre kurzfristig vorgelegte Änderung betreffend die halbautomatischen Waffen soll Rechtsklarheit schaffen. Aber faktisch schaffen Sie eine Grauzone. Niemand kann kontrollieren, ob sich die Jagdausübenden wirklich an die Begrenzung der Magazinladung auf drei Schuss halten. Technisch ist jederzeit ein gefährlicher Missbrauch dieser Waffen möglich. Deshalb halten wir Ihre Regelung für falsch, liebe Kollegin Connemann. (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist bei jedem Gesetz so!) Doch es geht noch schlimmer. Dort, wo wirklich Handlungsbedarf besteht, legen Sie heute nichts vor. Es kann doch nicht sein, dass Sie zum Thema Bleimunition noch immer keine Regelung hinbekommen. Blei ist hochgiftig und krebserregend. Das BfR rät Schwangeren und kleinen Kindern davon ab, Wild zu essen, das mit Bleimunition geschossen wurde. Wir können diese Gefährdung von Mensch und Umwelt nicht weiter hinnehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mittlerweile ist doch technisch ausgereifte, bleifreie bzw. bleiarme Munition auf dem Markt verfügbar. Mehrere Gutachten beweisen, dass auch bleifreie Munition über eine vergleichbar hohe Sicherheit und Geschosswirksamkeit verfügen kann. Also fehlen eine qualifizierte Beratung der Jagenden beim Umstieg und ein verbindlicher Ausstiegsfahrplan, der bei den hiesigen Herstellern endlich einen Innovationsschub bringen würde, statt alte Pfründe zu sichern. Aber was macht Minister Schmidt? Nichts! Laut seinem Referentenentwurf vom Februar will er mit dem Bleiausstieg noch zwölf Jahre warten. Warum eigentlich? Das ist Arbeitsverweigerung und nur noch peinlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Besonders ärgerlich und skandalös finde ich aber, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, zum wiederholten Mal die notwendige Hilfestellung für die Länder im Bundeswaldgesetz verweigern. Sie hatten in der Plenardebatte im März letzten Jahres versprochen, schleunigst Abhilfe im Bundeswaldgesetz gegen das unsinnige Kartellrechtsverfahren zu schaffen. Wir haben Ihnen dafür eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, wodurch die Waldbewirtschaftung nicht auf die reine Rohstoffgewinnung durch die Holzernte reduziert wird, wie es das Kartellamt tut, liebe Kollegin Crone, (Zuruf der Abg. Petra Crone [SPD]) sondern die Gemeinwohlleistungen der Wälder berücksichtigt und bewährte Forststrukturen bewahrt werden. Und jetzt? Passiert ist noch immer nichts. Der betreffende Artikel des geplanten Artikelgesetzes ist Herrn Seehofer geopfert worden. Baden-Württemberg steht im Rechtsstreit gegen das Bundeskartellamt vor dem OLG Düsseldorf. Vielen anderen Bundesländern mit ähnlichen Strukturen steht das Gleiche bevor. Haben Sie eigentlich einmal Ihre Parteifreunde Kraft, Dreyer und Bouffier gefragt, wie sie solche Aussichten finden? Seit über einem Jahr warten wir darauf, dass Sie endlich Ihr Versprechen einlösen und die nötige Klarstellung im Bundeswaldgesetz vornehmen. Doch statt zu handeln, begehen Sie Wortbruch zulasten von Ökologie und Ländern. Sie plädieren nun sogar dafür, eine Gerichtsentscheidung abzuwarten. Sie wollen also so lange warten, bis es zu spät ist. Also: Machen Sie endlich Schluss mit der Arbeitsverweigerung. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, damit die Bundesländer endlich Rechtssicherheit haben. Orientieren Sie sich an den Ländern, die ihr Jagdgesetz modernisiert haben. (Rita Stockhofe [CDU/CSU]: Die haben auch keine Bodengüter mehr!) Diese haben es geschafft und sind nicht so hasenfüßig wie Sie. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Cajus Caesar für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Cajus Caesar (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes handeln wir im Sinne der Jägerschaft schnell und unbürokratisch. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nicht unbürokratisch!) Wir müssen aufgrund der Bundesverwaltungsgerichtsurteile vom März 2016, die eine jahrzehntelange praxisnahe Vorgehensweise auf den Kopf stellen, handeln. Dies tun wir gerne. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich dem Minister, dass er schon vorab den Ländern übermittelt hat, dass wir diese Vorgehensweise anstreben. Mit dem heutigen Beschluss senden wir im Sinne der Jägerschaft und der Länder, die die Rahmenbedingungen setzen, die entsprechende Botschaft aus. Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre Arbeit! (Beifall bei der CDU/CSU) Jagd bedeutet Tradition. Aber Jagd ist auch deutlich mehr. Man muss Respekt vor den Leistungen der über 374 000 Jäger haben. Sie leisten ehrenamtlich Herausragendes. Zudem gibt es über 1 000 Berufsjäger, die hauptamtlich tätig sind. Ich darf an dieser Stelle namens unserer Fraktion auch dem Präsidenten des Deutschen Jagdverbandes, Hartwig Fischer, Dank sagen, der mit seinem passionierten Einsatz – das darf ich wohl sagen – Gutes voranbringt. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Jagd ist auch ein Handwerk. Nicht jeder kann sich selbst zum Jäger machen. Es bedarf über hundert von Theoriestunden, und es bedarf natürlich auch der Schulung vor Ort in den Revieren. Das bedeutet, dass man sechs Teilgebiete beherrschen muss. Das ist eine sehr anspruchsvolle Prüfung. Jäger tragen hier eine hohe Verantwortung und lernen den Umgang mit der Natur, den sicheren Umgang mit Waffen, die Lebensweise, das Verhalten und die Erkennungsmerkmale der Wildtiere, aber auch Pflegemaßnahmen für die Lebensräume. Deshalb: Danke an die Jägerschaft, dass sie ehrenamtlich so viel für unsere Gesellschaft auf den Weg bringt. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte dazu ein Beispiel nennen. Immerhin ist es so, dass die Jäger im Bereich des Artenschutzes für die Pflanzungen und Pflege von jährlich etwa 6 000 Kilometer Hecken verantwortlich sind. Das sollte man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das entspricht der Länge der Chinesischen Mauer. Ich denke, das jährlich zu leisten, ist schon eine sehr anspruchsvolle Herausforderung, und dies können wir nur mit Wertschätzung honorieren. Deshalb sind ideologische Vorgehensweisen wie etwa in Nordrhein-Westfalen mit dem sogenannten ökologischen Jagdgesetz, das vom Schreibtisch aus gemacht worden ist und immer neue Gebote und Verbote, Richtlinien usw. enthält, abzulehnen, weil man dadurch vor Ort letztendlich handlungsunfähig wird. Das ist nicht die richtige Vorgehensweise. Das wollen wir als Union nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen, dass praxisnah gehandelt wird und dass sich die Artenvielfalt entwickeln kann. Deshalb ist es gut, dass die Jäger in Nordrhein-Westfalen mit 80 rollenden Waldschulen unterwegs sind und in der Umweltbildung ehrenamtlich Hervorragendes leisten. Das ist doch die richtige Arbeit. Wir wollen etwas für Umweltbildung tun, wir wollen die Menschen mitnehmen; wir wollen nicht Ideologie, sondern wir wollen etwas für die Artenvielfalt machen. Das ist jedenfalls die Position der Union. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre schön, wenn ihr das wirklich macht!) Durch die Änderung des Bundesjagdgesetzes sollen halbautomatische Waffen mit maximal drei Schuss im Magazin legal bleiben. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Technisch gibt es mehr Möglichkeiten!) Hierbei wurde nicht nur an das Schießen gedacht, sondern auch daran, dass man unter Umständen angefahrenes Wild mit dem Fangschuss erlösen muss. Die Jäger sind somit auch in Bereichen tätig, an die man zunächst einmal gar nicht denkt. Auch das ist eine Herausforderung. Hier wird Außerordentliches für unsere Gesellschaft geleistet. Auch dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der CDU/CSU) Natürlich hätten wir uns mehr vorstellen können. Ich denke, wir sind nach wie vor auf dem richtigen Weg. Nicht Bleiverbot, sondern Bleiminimierung, wie es die Technik zulässt, ist unsere Forderung; denn wer Bleiverbot fordert, fordert auch, dass die Tötungswirkung reduziert wird, weil der technische Stand nichts anderes hergibt. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt nicht!) Wollen wir das wirklich? Ich meine, wir müssen auch an diese Dinge denken. Wir wollen die Zersplitterung durch unterschiedliche Länderregelungen aufheben. Wir wollen beim Schießnachweis und bei der Jagd in Schutzgebieten Rahmenbedingungen des Bundes auf den Weg bringen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ihr macht es nicht! Dann legen Sie doch etwas vor, aber mit qualifiziertem Schießnachweis!) Ich bin sehr optimistisch, dass wir das schaffen werden. Jagd trägt zu funktionsfähigen Lebensräumen für Pflanze, Tier und Mensch bei. Die Jagd ist und bleibt unseres Erachtens angewandter Natur- und Umweltschutz. Ich glaube, wenn wir die Jagd unter diesem Aspekt betrachten, sind wir auf dem richtigen Weg. Unsere Unterstützung haben die Jäger. Mit ihnen sind wir bei der Jagd und beim Natur- und Umweltschutz gut aufgehoben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesjagdgesetzes. Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/9093, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/4624 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/9104? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/9105. Wer stimmt für den Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich rufe die Zusatzpunkte 8 und 9 auf: ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes Drucksache 18/9040 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Verteidigungsausschuss Haushaltsausschuss ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Konstantin von Notz, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichtendienste Drucksache 18/8163 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss Digitale Agenda Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Die beiden Koalitionsfraktionen legen Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes vor. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu wenig!) Ich würde sagen: Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es sich nicht nur um ein Gesetz zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle handelt, sondern auch um ein Gesetz zur Verbesserung und zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wo?) Was ich persönlich schon etwas bedauerlich finde – auch das sage ich hier in aller Offenheit –, ist, dass schon wieder die ersten Pressemitteilungen kursieren, in denen eine Koalitionsfraktion, die der SPD, dies allein als ihren Erfolg bezeichnet. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ungeheuerlich!) Ich möchte hier deutlich betonen: Es ist ein gemeinsamer Erfolg der beiden Koalitionsfraktionen, dass wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vorlegen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dieser Gesetzentwurf wird auch in vollem Umfang dem gerecht, was wir uns selbst als Deutscher Bundestag in der letzten Legislaturperiode als Aufgabe gegeben haben. Ich möchte in Erinnerung rufen, was uns der erste NSU-Untersuchungsausschuss als Empfehlungen und Schlussfolgerungen mit auf den Weg gegeben hat. Ich zitiere aus dem Schlussbericht des Untersuchungsausschusses. Er gibt klar vor, dass es darum geht, in Zukunft die Stärkung einer systematischen und strukturellen Kontrolle der Nachrichtendienste vorzunehmen sowie die parlamentarische Kontrolle schlagkräftiger zu machen und eine dauerhafte Kontrolltätigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus ist eine der Schlussfolgerungen des Untersuchungsausschusses, dass es einer ausreichenden professionellen Personal- und Sachausstattung der parlamentarischen Kontrolle bedarf. Ich möchte betonen: Wir werden diesen Schlussfolgerungen, diesen Empfehlungen zu hundert Prozent gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der zentrale Bestandteil dieses Gesetzentwurfs ist, dass wir in Zukunft einen sogenannten Ständigen Bevollmächtigten schaffen wollen. Um auch hier allen Unkenrufen zum Trotz sofort jegliche Spekulation zu beseitigen: Es geht nicht darum, dass wir hier einen Geheimdienstbeauftragten schaffen wollen, der als freies Radikal im Universum herumschwirrt. Der Ständige Bevollmächtigte wird natürlich eng an das Parlamentarische Kontrollgremium angebunden sein. Er ist weisungsgebunden. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber eigenständig?) Wir als Parlamentarisches Kontrollgremium geben mit der Benennung dieses Ständigen Bevollmächtigten nichts aus der Hand. Ganz im Gegenteil: Wir geben vor, in welchen Bahnen, in welchem Rahmen er sich bewegen soll und darf. Ich glaube, das ist richtig und auch zielführend. Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Ständige Bevollmächtigte keine zusätzlichen Befugnisse erhält. Er erhält keine Befugnisse, die über das hinausgehen, was wir als Parlamentarisches Kontrollgremium an Befugnissen haben. Auch dies zu erwähnen, ist, glaube ich, wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die Aufgabe des Ständigen Bevollmächtigten ist es, uns als PKGr zu unterstützen. Das ist seine Hauptaufgabe. Um das klarzumachen: Er soll uns natürlich auch ein Stück weit entlasten. Ich glaube, wir als Mitglieder des PKGr müssen uns hier auch ehrlich machen. Jeder von uns hat noch vielfältige andere Aufgaben als Parlamentarier – hier im Bundestag, in Ausschüssen, in Arbeitskreisen; jeder von uns ist auch im Wahlkreis gefordert. Das Zeitbudget, das für die neun Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums für diese sehr wichtige parlamentarische Aufgabe zur Verfügung steht, ist naturgemäß begrenzt. Wir tagen ein- bis zweimal im Monat. Wir bereiten die Sitzungen natürlich intensiv vor. Ich möchte für uns alle in Anspruch nehmen – ich sage das hier auch ganz offen; das gilt über alle Fraktionsgrenzen hinweg –, dass alle neun Mitglieder im PKGr ihre Aufgabe sehr ernst nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen und dies auch entsprechend artikulieren, dass unsere zeitlichen Möglichkeiten, unsere Kapazitäten irgendwo begrenzt sind. (Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb finde ich es richtig, dass wir einen Ständigen Bevollmächtigten ernennen und dass wir ihm auch einen Leitenden Beamten als Stellvertreter zur Seite stellen. Wir werden auch für eine deutlich bessere personelle Ausstattung sorgen. Es werden drei zusätzliche Referate in der parlamentarischen Kontrolle geschaffen; auch das ist richtig und sachgerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, damit wird die parlamentarische Kontrolle, die ohnehin schon gut ist, noch besser. Ich möchte damit auch deutlich dem Eindruck entgegentreten, der angesichts der Vorkommnisse der letzten Jahre entstanden ist; darauf wird im Nachgang mit Sicherheit noch hingewiesen werden. Wir haben schon eine sehr gute parlamentarische Kontrolle in Deutschland. Aber auch da gilt der Grundsatz: Nichts ist so gut, als dass es nicht noch verbessert werden könnte. Es bleibt dabei, dass an der uns von der Verfassung zugeschriebenen wichtigen Bedeutung – Artikel 45d des Grundgesetzes – nicht gerüttelt wird. Das Parlamentarische Kontrollgremium behält seine zentrale Stellung, wenn es darum geht, die drei Nachrichtendienste des Bundes zu kontrollieren. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus werden wir noch bestimmte Veränderungen vornehmen. So werden wir endlich konkrete Regelbeispiele für die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung schaffen. Wir konkretisieren die Vorgaben dahin gehend, wann uns die Bundesregierung über sogenannte Vorgänge von besonderer Bedeutung informieren muss. Es wird den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums ein jederzeitiges Zutrittsrecht zu den Liegenschaften der drei Nachrichtendienste eingeräumt – natürlich nach vorheriger Anmeldung. Wir schaffen jetzt endlich auch eine klare Regelung für den Vorsitz und für den stellvertretenden Vorsitz im PKGr. Ich finde es richtig, dass wir genauso verfahren wie alle Ausschüsse im Deutschen Bundestag: dass der Vorsitz nicht jährlich wechselt, sondern dass der Vorsitz für die gesamte Legislaturperiode gewählt wird. Wir schaffen eine längst überfällige Regelung zur Besserstellung der Hinweisgeber. Hinweisgeber sind in Zukunft nicht mehr verpflichtet, den Dienstweg einzuhalten, sondern sie können sich mit ihren Hinweisen unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium wenden. (Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Ein letzter zentraler Punkt ist, dass wir zukünftig einmal im Jahr eine öffentliche Anhörung durchführen – auch das ist eine Verbesserung –, nämlich eine Anhörung der Präsidenten der drei Nachrichtendienste des Bundes nach amerikanischem Vorbild. Damit wird auch dem Gebot der Transparenz Rechnung getragen. Es gehört natürlich zur Wahrheit dazu, dass ein Parlamentarisches Kontrollgremium sehr begrenzt ist in seinen Möglichkeiten, etwas öffentlich zu machen, öffentlich zu tagen. Damit, dass wir in Zukunft einmal im Jahr öffentlich tagen und die Präsidenten der drei Nachrichtendienste anhören, zeigen wir, glaube ich, dass wir dem Transparenzgebot Rechnung tragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Ich möchte noch einmal deutlich betonen, dass die Nachrichtendienste in Deutschland hohe Bedeutung haben, dass sie besser sind als ihr Ruf, dass es falsch ist, hier ein grundlegendes Misstrauen gegenüber den Nachrichtendiensten zum Ausdruck zu bringen. Es gab in den letzten Jahren Verfehlungen, es gab individuelles Versagen von Mitarbeitern, aber ich möchte wirklich dem Eindruck entgegentreten, dass hier ein generelles Misstrauen angebracht ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die über 10 000 Mitarbeiter in den drei Nachrichtendiensten des Bundes leisten hervorragende Arbeit für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und im Ausland. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege Mayer, ich muss jetzt die Interessen des Kollegen Schuster vertreten. Sie reden auf seine Kosten. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Das möchte ich natürlich beileibe nicht. Deswegen, Frau Präsidentin, komme ich zum Schluss meiner Rede. Ich wünsche uns konstruktive und sachliche Beratungen dieses Gesetzentwurfs und freue mich schon auf eine dann hoffentlich im Herbst stattfindende Beschlussfassung über diesen notwendigen Gesetzentwurf. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. André Hahn für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. André Hahn (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich für die Linke gleich zu Beginn feststellen: Der Gesetzentwurf der Koalition wird dem postulierten Ziel einer effektiveren, vor allem besseren parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste nicht einmal ansatzweise gerecht – anders, als Sie es gerade, Kollege Mayer, behauptet haben. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch gar nicht!) Wichtige Punkte fehlen, andere sollen zwar Eingang finden, werden jedoch nur halbherzig geregelt, und in einer zentralen Frage wird das Parlamentarische Kontrollgremium eher geschwächt als gestärkt. Insofern ist der vorliegende Entwurf schlicht enttäuschend. Eigentlich wollte ich die Koalition zumindest in einem Punkt loben, (Dr. Eva Högl [SPD]: Das tun Sie ruhig!) weil – wie von der Linken seit langem gefordert – es den PKGr-Mitgliedern ermöglicht werden sollte, zumindest den eigenen Fraktionsvorsitzenden über wichtige Themen aus dem Gremium zu informieren. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stand auch darin!) Denn ich sitze ja schließlich nicht als Privatperson dort, sondern als Vertreter meiner Fraktion. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Als Vertreter des Parlaments sitzen Sie dort, nicht als Vertreter der Fraktion!) In einer dankenswerterweise von netzpolitik.org geleakten Arbeitsfassung der Vorlage der Koalition war auch genau das enthalten. Im Gesetzentwurf findet sich jetzt dazu kein Wort mehr. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rausgestrichen!) Nach allem, was mir bekannt geworden ist, hat sich vor allem Unionsfraktionschef Kauder gegen eine solche Regelung gesperrt, und die SPD ist wieder einmal eingeknickt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, so werden Sie aus dem Jammertal von 20 Prozent plus X mit Sicherheit nicht herauskommen. Eine öffentliche Anhörung der Chefs der drei deutschen Geheimdienste im PKGr fordert auch die Linke in ihrem Gesetzentwurf. Ob diese nun einmal oder zweimal im Jahr stattfindet, ist für uns eher zweitrangig. Wir wollen in diesen Fragen grundsätzlich mehr Öffentlichkeit. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dass sich die Mitarbeiter der Dienste künftig bei Missständen oder Problemen auch ohne Unterrichtung ihrer Vorgesetzten an das PKGr wenden können, ist grundsätzlich zu begrüßen. Wenn deren Name im Zweifel dann aber doch wieder der Bundesregierung bekannt gegeben werden kann, ist das mit Sicherheit kein wirksamer Whistleblower-Schutz. (Beifall bei der LINKEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wenn es zur Untersuchung notwendig ist!) Eigentlich selbstverständlich, Kollege Binninger, ist es, dass das PKGr von ihm in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten an andere Gremien des Bundestages und auch an Untersuchungsausschüsse der Landtage weitergeben kann. Hier wird eine bislang vorhandene Regelungslücke geschlossen. Völlig in die falsche Richtung geht aber die geplante Schaffung eines Ständigen Bevollmächtigten des PKGr. Diese Stelle, samt Personal- und Sachkosten, kostet Millionen und bringt wenig bis gar nichts. (Burkhard Lischka [SPD]: Woher wissen Sie das denn?) Vielmehr besteht die ernsthafte Gefahr, dass besonders sensible Vorgänge und Akten künftig allein dem Bevollmächtigten vorgelegt werden und nicht mehr den gewählten Abgeordneten. Damit würde die parlamentarische Kontrolle nicht unterstützt, sondern letztlich ausgehebelt. (Beifall bei der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Steht im Gesetz!) Schließlich fehlen wichtige Punkte: eine Stellvertreterregelung für die Mitglieder des PKGr, die Schaffung der Möglichkeit zur Einsicht in die elektronischen Daten und Netzwerke der Dienste – nach holländischem Vorbild – oder auch die Anfertigung eines Tonbandmitschnittes der gesamten Sitzung des PKGr, um später bei Bedarf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben der Vertreter von Bundesregierung bzw. Geheimdiensten prüfen zu können. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nach dem Willen von CDU/CSU und SPD gibt es trotz erdrückender Mehrheit im Parlament keine Stärkung der Minderheitsrechte im Kontrollgremium. Im Gegenteil – wir haben das ja eben von Herrn Mayer gehört –, offenbar soll nun eines der ganz wenigen originären und in der Geschäftsordnung verankerten Rechte der Opposition, nämlich dass der Vorsitz im PKGr jährlich zwischen der stärksten regierungstragenden Fraktion und der größten Oppositionsfraktion wechselt, sogar noch in der laufenden Wahlperiode abgeschafft werden. Meine Damen und Herren, es wäre schlicht unanständig, wenn das umgesetzt würde, was Herr Mayer hier angekündigt hat. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn die Neuregelung in Artikel 3 des Gesetzentwurfs so nicht gemeint sein sollte, dann wäre es gut, wenn das heute noch klargestellt wird. Natürlich muss das PKGr nicht nur über abgeschlossene, sondern auch über laufende und geplante Aktivitäten der Geheimdienste unterrichtet werden, wie wir es seit langem fordern. Zu diesem zentralen Punkt findet sich kein einziges Wort im Gesetzentwurf der Koalition. Der neue BND-Präsident Kahl hat bei seiner Amtseinführung folgenden Satz gesagt: „Geheimer Nachrichtendienst und totale Transparenz schließen sich aus.“ Da hat er wohl den Nagel auf den Kopf getroffen, und genau daraus resultiert unsere grundsätzliche Skepsis gegenüber Geheimdiensten. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, solange es für die Überwindung dieser Skepsis aber keine parlamentarische Mehrheit gibt, müssen wir wenigstens versuchen, die Geheimdienste halbwegs vernünftig zu kontrollieren. Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalition leistet dazu keinen Beitrag. Der Antrag der Grünen enthält wie unser Gesetzentwurf aus dem Jahr 2015 eine Reihe sinnvoller Punkte. Ich freue mich auf die Ausschussberatung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Uli Grötsch für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Uli Grötsch (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich jetzt jemanden draußen auf der Straße oder oben auf den Besuchertribünen fragen würde, was das Parlamentarische Kontrollgremium eigentlich ist, würde ich als Antwort höchstwahrscheinlich nur ein Achselzucken bekommen. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass die Menschen von der Arbeit des PKGr erfahren. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Deshalb wird es jährlich öffentliche Anhörungen geben, in denen die Präsidenten der Nachrichtendienste dem Gremium Rede und Antwort stehen müssen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird veröffentlicht!) Beim Bundesnachrichtendienst arbeiten mehr als 6 000 Personen, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf die Hälfte kürzen!) beim Bundesamt für Verfassungsschutz bald 3 000 und beim Militärischen Abschirmdienst mehr als 1 000 Menschen. Das sind zusammen mehr als 10 000 Männer und Frauen, denen neun Bundestagsabgeordnete gegenüberstehen, die wiederum diese 10 000 kontrollieren sollen. Dass das nicht möglich ist, haben wir im letzten Sommer im Zusammenhang mit den BND-eigenen Selektoren leidlich gesehen. Wir als SPD sind mehr als unzufrieden mit der jetzigen Situation. So kann es nicht weitergehen. Insofern bin ich froh, dass wir auf unsere Initiative hin dieses Gesetz auf den Weg gebracht haben. Eine der wohl wichtigsten Fortentwicklungen durch dieses Gesetz ist, dass das PKGr künftig durch den sogenannten Ständigen Bevollmächtigten, einen nur dem PKGr unterstellten Experten, unterstützt wird. Dieser verlängerte Arm des Kontrollgremiums wird die Nachrichtendienste mit seinem personellen Unterbau auf eine Art und Weise kontrollieren können, wie es uns Abgeordneten bisher so nicht möglich ist. Im Gegensatz zu uns Abgeordneten, die noch einen Wahlkreis zu betreuen und neben der Tätigkeit im PKGr auch noch andere Aufgaben und Verpflichtungen in Berlin haben, ist der Ständige Bevollmächtigte ausschließlich mit der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste befasst. Durch die durch dieses Gesetz neu geschaffenen Strukturen werden wir zukünftig also immer im Bilde sein und schon frühzeitig als Gesetzgeber eingreifen können, wenn wir es für notwendig halten. Bisher war es so, dass wir den Knall immer erst dann gehört haben, wenn die Bombe in den Medien schon längst explodiert ist. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht so ein schönes Bild!) Ein weiterer und der vielleicht für die Dienste und auch für uns als Parlament wichtigste Aspekt dieses Gesetzes ist meiner Meinung nach ein anderer: Wir wollen die Dienste aus der Grauzone holen. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger den Nachrichtendiensten wieder vollends vertrauen können und nicht immer nur von skandalösen Vorgängen hören, sondern eben auch davon, welch enormen Beitrag die Nachrichtendienste für die Sicherheit unseres Landes leisten. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die Chance haben Sie verpasst!) Ich weiß aus Besuchen beim Bundesnachrichtendienst, wie verunsichert dort viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, weil die oftmals über Jahre gutgeheißene Arbeitsweise von Teilen der Politik jetzt infrage gestellt oder kritisiert wird. Ich bin mir sehr sicher, dass es auch im Interesse der Dienste ist, wenn ihre Arbeit von einer effizienten parlamentarischen Kontrolle begleitet wird. „Begleitet“ sage ich sehr bewusst. Ich glaube nämlich nicht, dass die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste dazu dient, die Arbeit der Dienste ständig infrage zu stellen oder gar zu skandalisieren. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Für Skandale sorgen die schon selbst!) Bereits mit der letzten Reform 2009 wurde ein eigenes Referat errichtet, das dem PKGr zuarbeitet. Wir haben in Aufarbeitung der BND-eigenen Erfassung eindrucksvoll gemerkt, wie wichtig und sinnvoll ein stark aufgestellter Mitarbeiterstab in der parlamentarischen Kontrolle ist. Mit der jetzigen Reform bauen wir das Referat personell nochmals aus. Ich bin froh, dass bereits im Haushaltsplan 2016 die ersten Stellen dafür vorgesehen sind. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will auch noch auf den eben schon zitierten Satz des BND-Präsidenten Kahl eingehen. Ich glaube nämlich, dass er im Grunde schon Recht hat, wenn er sagt, dass sich Geheimdienste und totale Transparenz ausschließen. Mit diesem Gesetz aber schaffen wir so etwas wie die Quadratur des Kreises, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich bei unseren Nachrichtendiensten mehr Transparenz und gleichzeitig mehr Effizienz der parlamentarischen Kontrolle unserer Nachrichtendienste. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die Rede eines Träumers! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu schön, um wahr zu sein!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe das Ganze als einen Strategiewechsel, Herr Mayer. Das muss ich Ihnen leider einmal sagen. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben offenbar die Nase voll von den ständigen Diskussionen und den Veröffentlichungen von Fehlern, Fehlentwicklungen und Skandalen. Nun legen sie mitten in der Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und des PKGr zwei Gesetzeswerke vor: das eine ist das BND-Gesetz, über das wir anschließend beraten, und das andere ist die Änderung des PKGr-Gesetzes. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der Gesetzentwurf ist von uns, nicht von der Bundesregierung!) – Ja, dass Sie als Koalitionsfraktion mit der Bundesregierung etwas zu tun haben, unterstelle ich einmal. Sie sagen: Wir müssen in die Zukunft schauen. Wir müssen sehen, dass so etwas nie wieder passiert. Wir müssen das alles viel besser kontrollieren. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das sehen Sie doch auch so!) Wenn man diesen Maßstab anlegt an das, was Sie vorgelegt haben, dann sieht man ein: Es wird das mitnichten erfüllt, Ihr Vorschlag zur Stärkung des PKGr ist mager; es ist völlig unzureichend, weil Sie ganz wesentliche Kritik an der bisherigen Arbeit des PKGr – dies richtet sich nicht gegen das PKGr selber, sondern gegen die, die das PKGr informieren, nämlich die Bundesregierung und die Dienste – völlig außen vor lassen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nein!) Es kann nicht sein, dass Sie in dieses Gesetz eine Reihe von Punkten schreiben, die schon lange Praxis sind, wie das Umlaufverfahren oder dass sich das PKGr mit einem Vorgang als Vorgang von besonderer Bedeutung nur beschäftigen muss, wenn es in der Zeitung steht, wenn es also in den Medien diskutiert wird oder wenn es zum politischen Skandal geworden ist. Das ist selbstverständliche Praxis. Das muss man dort nicht hineinschreiben. Denn es werden ja sicherlich Anträge gestellt werden, in denen das alles steht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie wollen doch die Definition haben!) Das Einzige, das nach der langen Diskussion über einen Geheimdienstbeauftragten wirklich neu ist, ist, dass Sie das Amt eines Ständigen Bevollmächtigten einrichten wollen. Hier teile ich die Befürchtung – wir können sehen, wie es wird – des Kollegen Hahn. Es ist ein von den Koalitionsfraktionen installierter Bevollmächtigter. Sie wählen ihn ja, weil Sie die große Mehrheit haben. Das wird immer so sein. Die Koalitionsfraktionen werden diesen Bevollmächtigten immer wählen können. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja, das entscheidet aber der Wähler, ob wir die Mehrheit haben!) – Ja. – Jetzt stellt sich die Frage: Wie unabhängig ist er? Sie geben ihm eine Unabhängigkeit auch gegenüber dem Kontrollgremium. Sie geben ihm eine eigene Legitimation dadurch, dass er in einem besonderen Akt vom Bundestagspräsidenten ernannt wird. Sie geben ihm Eigenständigkeit. Sie geben ihm auch die Oberhoheit über das jetzt noch stellenmäßig auszuweitende Personal. – Wir wollen auch mehr Personal. – Er bekommt eine ungeheuer starke Stellung. Es besteht die Gefahr, dass die Bundesregierung und die Dienste mit ihm sehr eng zusammenarbeiten. Er bekommt Informationen, die wir aber nicht bekommen, weil wir nicht an die Akten herankommen. Das heißt, das ist auch keine bedeutende Verbesserung. Vielmehr haben wir es auch noch mit einer Verschlimmbesserung zu tun, wonach in Zukunft der Vorsitzende nicht mehr aus der Opposition kommen kann. Es war ein echter Fortschritt – das hat sich meiner Ansicht nach genauso bewährt wie die übrige Arbeit –, (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wo steht das denn? – Gegenruf des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das hat Herr Mayer gesagt!) dass das jedes Jahr gewechselt hat und dass auch die Opposition an der Reihe war. Das war gut und richtig – obwohl ich da leider nie in den Genuss gekommen bin, weil die Mehrheitsverhältnisse anders waren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Jetzt sage ich Ihnen, was der entscheidende Fehler ist. Der entscheidende Fehler ist, dass Sie überhaupt nicht berücksichtigen, dass die parlamentarische Kontrolle daran scheitert, dass das Gremium hintergangen wird, falsch informiert wird, unvollständig informiert wird und belogen wird. Liebe Kollegen von der Union und der SPD, ich erinnere mich an die Bilder aus dem Sommer 2013 – zum Teil waren Sie dabei –, nach den Veröffentlichungen von Edward Snowden. Da saßen – wie eine Ansammlung von Menschen aus dem Tal der Ahnungslosen – Vertreter der Bundesregierung und der Dienste und haben Auskunft zu der Frage gegeben, (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Tal der Ahnungslosen“ ist gut!) die die ganze Republik beschäftigte: Machen Deutsche auch so etwas, spionieren sie auch befreundete Länder aus? Da wurde gesagt: Die Frage ist schon eine Unverschämtheit; (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) um Freunde kümmern wir uns da nicht. – Die Kanzlerin hat dann ja noch einen draufgesetzt und gesagt: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“ Das war die Situation. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!) Und jetzt? Machen Sie irgendetwas, was in Zukunft dazu führen kann, dass die Auskünfte richtig sind? Geben Sie dem Parlamentarischen Kontrollgremium irgendeine Möglichkeit der Sanktion, wenn es belogen wird? Wenn ich belogen werde, möchte ich das der Öffentlichkeit mitteilen können, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) möchte ich sagen können: So geht das nicht, so geht man mit einem Parlamentarier nicht um, so geht man mit dem ganzen Parlament nicht um. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genauso ist es!) In diesem Bereich machen Sie null, machen Sie überhaupt nichts. Deshalb wird es die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste leider auch in Zukunft ungeheuer schwer haben. Ich weiß nicht, ob wir da überhaupt weiterkommen. Solange es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt – wie etwa die Möglichkeit einer Meldung nach außen in Form einer Presseerklärung oder einer Mitteilung des Gremiums, dass man belogen worden ist –, kommen wir nicht weiter. Dazu gehört die Forderung, die der Kollege Hahn schon gestellt hat und die ich seit zehn Jahren vor mir hertrage: Um beweisen zu können, dass die Unwahrheit gesagt worden ist, brauchen wir das Protokoll, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) brauchen wir ein Tonbandprotokoll, um es festzustellen. Denn heute wissen wir, dass auch der Bundesnachrichtendienst tausendfach Freunde und Partner ausgespäht hat – in Europa, in NATO-Ländern, überall. Wir werden dazu noch einen Bericht veröffentlichen. Das, was gesagt wurde, war also falsch. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Ströbele, denken Sie an Ihre Redezeit. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Entschuldigung. Letzter Satz. Wir müssen die Möglichkeit haben, uns das, was beispielsweise im Sommer 2013 gesagt worden ist, auf dem Tonband anzuhören, damit wir sagen können: Was hatte das mit der Wirklichkeit zu tun, was hatte das mit der Realität zu tun? Ihr habt uns etwas verschwiegen, ihr habt uns ausdrücklich belogen, und so geht das nicht. – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Solange Sie nicht mit uns daran weiterarbeiten, macht die ganze Arbeit an der Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums nur wenig Sinn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Clemens Binninger. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Clemens Binninger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorneweg kurz auf die Reden der Oppositionskollegen eingehen, die alle – wie auch ich als Vorsitzender – dem Parlamentarischen Kontrollgremium angehören. Kollege Hahn, Sie haben sich darüber echauffiert, dass jetzt eine Regelung im Gesetzentwurf enthalten ist, die vorsieht, dass der Vorsitzende des Gremiums und sein Stellvertreter zukünftig für die ganze Legislatur gewählt werden. Es steht nirgends, aus welcher Fraktion der Vorsitzende kommt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Bitte unterstellen Sie uns an dieser Stelle nicht, wir würden die Möglichkeiten der Opposition beschneiden. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Beweis können wir sofort antreten, Herr Binninger! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir haben die Geschäftsordnung!) – Es scheint Sie ja zu treffen, wenn die Erregung so groß ist. Dann haben Sie zum Recht der Information gegenüber den Fraktionsvorsitzenden gesagt, Sie seien von Ihrer Fraktion in dieses Gremium entsandt worden, deshalb müssten Sie Ihre Fraktionsvorsitzenden – bei Ihnen sind es ja zwei – informieren. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Das stimmt nicht. Sie sind nicht von Ihrer Fraktion entsandt worden. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber vorgeschlagen worden!) – „Vorgeschlagen“? Das spielt doch keine Rolle. – Dieses Gremium hat eine besondere Stellung und ist deshalb in der Verfassung genannt, in Artikel 45d. (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Alle, egal wie stark ihre Fraktion ist, können nur dann Mitglied dieses Gremiums werden, wenn sie mit Kanzlermehrheit in geheimer Wahl vom gesamten Plenum gewählt sind. Das heißt, Sie sind mindestens mit 250 Stimmen der anderen Fraktionen gewählt worden. Sie dürfen also nicht behaupten, Sie seien von Ihrer Fraktion entsandt worden. Wir haben eine andere Stellung. Wir vertreten das gesamte Haus. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deshalb haben wir dieses Wahlprinzip. Sie sollten darüber nachdenken, dann merken Sie, dass Ihre Kritik an dieser Stelle unberechtigt ist. Jetzt zu Ihnen, Herr Kollege Ströbele. Ich habe den Antrag der Grünen gelesen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wirklich?) – Ja, wirklich. – Ich war ein bisschen verwundert, dass gerade Sie kritisieren, dass wir das Amt eines Ständigen Bevollmächtigten – man könnte sagen: einen ständigen Arbeitsstab – zur wirksamen Entlastung schaffen wollen – derzeit haben wir nur ein Sekretariat, das diese Aufgabe kaum erfüllen kann –; denn auf Seite 4 Ihres Antrages schlagen Sie doch genau das vor. (Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!) Sind Sie mit der Position der Grünen nicht einverstanden, oder wie soll ich Ihren Beitrag verstehen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir machen nicht alles, was in Ihrem Antrag steht, aber lassen Sie mich eines deutlich machen: Ich will – da unterscheiden wir uns bestimmt; das sage ich auch zu den Kollegen der Linken –, dass wir die Dienste konsequent und nachhaltig, aber auch objektiv und seriös kontrollieren. Was ich nicht will, ist, dass wir jede Aufgabe mit einem permanenten Misstrauen, mit einem permanenten Skandalton auf den Lippen angehen. Nicht durch jede Kontrolle muss unbedingt ein Fehler gefunden werden, und nicht jeder Fehler ist ein Skandal. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Es gibt so viele Skandale!) Wir sind hier nicht der Skandaldurchlauferhitzer, wenn es um die Dienste geht. Wir kritisieren dort, wo es angebracht ist, aber wir stellen uns auch vor die Dienste. Genau das muss Sinn und Zweck eines solchen Gremiums sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Sie sind das dienstälteste Mitglied, Herr Ströbele, dann komme, glaube ich, schon ich; so schnell kann es gehen. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben im Zuge der letzten Reform 2009 folgende Instrumente an die Hand bekommen: Wir dürfen die Nachrichtendienste aufsuchen, wir dürfen die Mitarbeiter befragen, wir dürfen uns Akten vorlegen lassen, wir dürfen einen Ermittlungsbeauftragten einsetzen, und die Regierung muss uns informieren. Das sind unsere fünf wesentlichen Befugnisse. Wenn man nüchtern bilanziert, welche Befugnisse angewendet werden, dann müssen eigentlich alle zugeben: Wir wenden sie kaum an – Sie nicht, ich nicht, keines der Mitglieder; denn uns fehlt einfach die Zeit. Wir hatten uns ein Arbeitsprogramm, das sieben Aufträge enthält, gegeben, um zu zeigen, dass wir auch vor Ort sein können. Das Arbeitsprogramm galt für 2014/2015, jetzt haben wir Mitte 2016, aber es ist noch nicht abgearbeitet, weil wir eben viele andere Aufgaben haben. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einer fehlt noch!) – Ihr Arbeitsauftrag fehlt, glaube ich, auch noch. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Akten nicht gekommen sind!) Diesen Grundmangel zu beheben, finde ich völlig richtig. Dafür brauchen wir eine vernünftige Personalausstattung. Wir brauchen jemanden, der uns koordinierend zur Seite steht. Dann können wir eine gute, seriöse Kontrolle gewährleisten. Wir machen noch mehr; auch das betrifft Punkte, die Sie gefordert haben. Wenn es um öffentliche Elemente geht, soll das Gremium nicht nur im Geheimen tagen. Jetzt wissen wir alle: Nachrichtendienste sind mit sehr sensiblen Aufgaben betraut, da muss Geheimhaltung sein. Aber wir haben genau das Element eingeführt, das gerade von Ihnen, Herr Ströbele, immer gefordert wurde: Einmal im Jahr, wie in den USA, wird eine öffentliche Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes durchgeführt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut!) Das ist auch im Gesetzentwurf enthalten. In der Vergangenheit war es so, dass Beschäftigte der Dienste, die sich an uns wenden wollten, vorher ihren Präsidenten darüber informieren mussten. Das haben wir jetzt gestrichen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie können sich nun direkt an uns wenden. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ja, aber die Namen werden trotzdem herausgegeben!) – Moment, die Namen werden nur dann genannt – damit wollen wir falschen Anschuldigungen vorbeugen –, wenn sie zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind, nur dann. (Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist entscheidend!) Das halte ich für eine absolut überzeugende Regelung: (Beifall bei der SPD) zunächst Schutz für die Whistleblower, aber wenn es notwendig ist, um den Sachverhalt aufzuklären, dann muss auch jemand zu seiner Kritik stehen können. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Das ist genau der richtige Maßstab, den wir hier gefunden haben. Wir wurden bisher rechtlich daran gehindert – Kollege Hahn, das wissen Sie doch selber, Sie waren letztes Jahr Vorsitzender –, unsere Ergebnisse durch Ermittlungsbeauftragte zum Beispiel dem NSA-Untersuchungsausschuss oder den Landtagsuntersuchungsausschüssen zur Verfügung zu stellen. Das ging einfach nicht. Wir greifen diesen Mangel in dem vorliegenden Gesetzentwurf auf und sagen: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und vergleichbare Kontrollgremien dürfen zukünftig entsprechende Berichte erhalten. Dadurch sorgen wir für eine Verzahnung zwischen den Parlamenten und den Parlamentsgremien. Ich halte das alles für sehr gute und sinnvolle Lösungen. (Beifall des Abg. Christian Flisek [SPD]) Ich kann Sie nur ermuntern, unser Gesetzesvorhaben zu unterstützen. Wir sind auf einem sehr guten Weg hin zu einer sehr guten parlamentarischen Kontrolle der Dienste. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächste hat die Kollegin Gabriele Fograscher, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]) Gabriele Fograscher (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sollten die Nachrichtendienste des Bundes ihre Arbeit geräuschlos im Verborgenen, im Geheimen leisten. Sie geraten in letzter Zeit aber auffällig oft und negativ in die Schlagzeilen und damit in die öffentliche und in die politische Diskussion. So war in der letzten Zeit im Zusammenhang mit dem NSU zu lesen: „Kollektiv versagt“, oder auch: „Fall ‚Corelli‘ bringt Maaßen in Bedrängnis“. Und im Zusammenhang mit der NSA war zu lesen: „BND soll deutschen Diplomaten ausspioniert haben“, und: „Jetzt sogar 3 600 BND-Selektoren gegen Freunde“. Auch wenn der Kollege Grosse-Brömer noch im Dezember 2013 in der Welt erklärte, zusätzliche Befugnisse brauche das Kontrollgremium nicht, (Dr. Eva Högl [SPD]: Hört! Hört! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was? Ich habe doch selbst daran mitgearbeitet!) so haben doch die letzten Jahre mehr als deutlich gezeigt, dass mehr Kontrollmöglichkeiten dringend notwendig sind. Bereits 2009 wurde die Kontrolle der Nachrichtendienste neu geordnet. Das PKGr wurde gesetzlich mit mehr Kontrollmöglichkeiten ausgestattet. So muss zum Beispiel das Gremium jederzeit Zutritt zu den Dienststellen erhalten, darf Akten und Dateien einsehen und Auskünfte einholen. Das haben wir genutzt, wenn auch vielleicht zu wenig, Herr Kollege Binninger. Wir haben zum Beispiel für den Fall „Corelli“ einen Sonderbeauftragten eingesetzt. Wir haben die Möglichkeit genutzt, eigene Untersuchungen durchzuführen. Die Ergebnisse der Untersuchung der BND-eigenen Steuerung werden wir mit einer Bewertung in Kürze der Öffentlichkeit vorstellen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele? Gabriele Fograscher (SPD): Nein, ich will fortfahren. – Das jahrelange Nichterkennen der Morde und Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds ist in zwei Untersuchungsausschüssen des Bundes und in Untersuchungsausschüssen der Länder untersucht worden. Diese haben erhebliche Defizite in den Diensten und bei deren Zusammenarbeit aufgezeigt. Deshalb hat der NSU-Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode die Stärkung einer systematischen und strukturellen Kontrolle gefordert. Dafür bedürfe es einer ausreichenden und professionellen Personal- und Sachausstattung. Diesen Forderungen des NSU-Untersuchungsausschusses und unserem eigenen Anspruch bezüglich einer effektiven Kontrolle wollen wir mit diesem Gesetzentwurf nachkommen. Wir werden das Amt einer oder eines Ständigen Bevollmächtigten schaffen. Mit einem Mitarbeiterstab soll er oder sie für eine kontinuierliche, systematische und strukturelle Kontrolle der Dienste sorgen und das PKGr bei seiner Arbeit unterstützen. Wichtig ist mir auch, dass die Regelung zu Whistleblowern, also Hinweisgebern, neu gefasst wird. Hinweisgeber aus den Diensten selbst sind sehr wichtig; denn sie können auf interne Missstände hinweisen. Bisher gab es nur wenige Informationen aus den Diensten selbst. Das liegt auch daran, dass bisher Hinweisgeber, die Informationen an das PKGr geben, gleichzeitig die Leitung des Dienstes darüber in Kenntnis setzen müssen. Hinweisgeber mussten mit negativen Folgen rechnen. Das ändern wir jetzt. Hinweisgeber sollen sich künftig an das Kontrollgremium wenden können, ohne die Leitung des Dienstes oder einen Vorgesetzten informieren zu müssen. Bei der weiteren Behandlung der Eingabe wird der Name des Hinweisgebers nicht genannt, weder der Regierung noch den Diensten gegenüber. Eine Nennung des Informanten wäre nur dann notwendig, wenn das zur Aufklärung des Sachverhalts zwingend erforderlich wäre. Eine solche Konstellation halte ich für eher unwahrscheinlich. Sollte das aber doch der Fall sein, so darf der Hinweisgeber wegen seiner Informationen an das PKGr nicht benachteiligt oder einer Strafverfolgung ausgesetzt werden. Diese Neuregelung soll Hinweisgeber ermutigen, das PKGr über interne Missstände zu unterrichten. Eine weitere Neuerung ist die jährliche öffentliche Anhörung der Präsidenten der Dienste. Diese Anhörungen gibt es bereits in den USA und in Großbritannien. Sie haben sich dort bewährt. Damit kann man mehr Transparenz und auch mehr Verständnis für die Arbeit der Dienste in der Öffentlichkeit schaffen. Ich begrüße es, wenn die Arbeit des PKGr mal aus den Kellerräumen des Bundestages herauskommt. Zudem regelt der Gesetzentwurf Details zu Vorsitz und stellvertretendem Vorsitz, zu Zutrittsrechten der Mitglieder und des Beauftragten sowie hinsichtlich einer besseren Zusammenarbeit der Kontrollgremien untereinander. Funktionierende und effektive Nachrichtendienste sind für die Sicherheit Deutscher im In- und Ausland unverzichtbar. Gerade in der jetzigen Sicherheitslage leisten die Dienste wichtige Arbeit. Dafür ist es notwendig, dass die Dienste zusammenarbeiten, ihre Erkenntnisse austauschen. Dabei dürfen sie sich weder in rechtsfreien Räumen noch in Grauzonen bewegen. Es muss klar sein, was die Dienste dürfen und was nicht. Klar sein muss auch, dass ihre Arbeit effektiv kontrolliert wird. Deshalb gehören das PKGr-Gesetz und das gleich noch zu diskutierende BND-Gesetz zusammen. Einige Vorschläge im Antrag der Grünen sind auch in unserem Gesetzentwurf zu finden. Aber uns geht der Antrag der Grünen zu weit. Transparenz ist wichtig, aber sie darf nicht auf Kosten der Arbeitsfähigkeit gehen. Der am Mittwoch in sein Amt eingeführte neue BND-Präsident Kahl betonte, dass er den begonnenen Kurs der Transparenz fortsetzen wolle. Er fügte hinzu: Geheime Nachrichtendienste und totale Transparenz schließen sich aus. – Ich sage: So viel Geheimhaltung wie nötig, so viel Transparenz wie möglich. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Sie denken aber auch an die Zeit? Gabriele Fograscher (SPD): Letzter Satz. – Ich wünsche dem neuen BND-Präsidenten viel Erfolg in seinem Amt und hoffe auf gute Zusammenarbeit. Ich freue mich auf gute Beratungen im Ausschuss nach der Sommerpause. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Kollege Ströbele hat um die Gelegenheit zu einer Kurzintervention gebeten. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin, dass Sie es möglich gemacht haben. Ich wollte nur an etwas erinnern. – Herr Grosse-Brömer ist auch wieder hier. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war flüchtig!) Am Ende der letzten Legislaturperiode wurde ein Papier vorgelegt, an dem auch Grosse-Brömer mitgearbeitet hat, wo er allerdings nicht mit allem einverstanden war, insbesondere nicht mit dem, was Kollege Oppermann vorgeschlagen hat. Ich wünsche mir manchmal den Kollegen Oppermann zurück – allerdings in die Opposition. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber ich darf hierbleiben?) Denn er hat eine ganze Reihe von Forderungen in das Papier geschrieben, die wir jetzt hier auch stellen, nämlich dass es Sanktionen bei Falschinformationen und dass es einen Tonmitschnitt geben muss. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das haben wir doch!) Das steht alles drin; ich kann es Ihnen zur Verfügung stellen. Das stammt vom Dezember 2013, da waren Sie schon in der neuen Koalition. Da ist das verfasst worden. Daran wollte ich erinnern und Sie auch fragen, ob Sie das bei Ihren Beratungen im Auge haben. Vielleicht können wir, wenn wir es gemeinsam beraten, auch dieses Papier, das unter anderem vom Kollegen Oppermann verfasst worden ist, zurate ziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So machen wir es! – Heiterkeit bei der SPD – Christian Flisek [SPD]: Herr Ströbele geht in die Regierung!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat Kollege Armin Schuster, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorlage, ob Herr Oppermann in der Opposition sein soll oder nicht, nehme ich jetzt nicht auf. Aber, Herr Ströbele, eines stimmt nicht – wir müssen jetzt andauernd Dinge richtigstellen, und Sie wissen es genau –: (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn „andauernd“? Das ist eine Unverschämtheit!) Sie können natürlich im PKGr beantragen, dass Aussagen der Bundesregierung aufgenommen werden. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Aber nicht die Debatte! Nicht die Fragen!) Das tun wir auch regelmäßig. Ich weiß gar nicht, was Sie hier für Behauptungen aufstellen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regelmäßig?) Das gehört wahrscheinlich zur Mystifizierung. Meine Damen und Herren, wir leben zum Glück nicht in Zeiten von Krieg in Europa. Wir leben aber in Zeiten von Krieg im Rest der Welt, in Zeiten von Terror, von fürchterlichem Terror, und deshalb hat Deutschland Gegner, vielleicht sogar Feinde. Wenn man zu diesem Befund gekommen ist, muss man anerkennen, dass die Leistungen von Inlands- und Auslandsnachrichtendiensten für ein Land eminent wichtig sind. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt niemanden, der das bestreitet! – Gegenruf von der CDU/CSU: Die Linke!) Die Leistungen der Nachrichtendienste sind umso besser, je offensiver, je mutiger, je selbstbewusster und entscheidungsfreudiger die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, des Verfassungsschutzes und des Militärischen Abschirmdienstes agieren. (Beifall des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Begriff „rechtsstaatlich“ fehlt, Herr Grosse-Brömer!) Dafür bedanken wir uns auch einmal. Wir bedanken uns oft beim THW, bei der Bundespolizei sowie beim Zoll – zu Recht –, aber selten für die Leistungen unserer Nachrichtendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Zu Recht! Zu Recht!) und das möchte ich an dieser Stelle einmal tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] und Burkhard Lischka [SPD]) Und, meine Damen und Herren, wenn wir sie mutig haben wollen, wenn wir sie entscheidungsfreudig und selbstbewusst haben wollen, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und rechtsstaatlich, Herr Schuster! Das geht Ihnen nicht über die Lippen!) dann braucht es Vertrauen in den Rechtsstaat – da stimme ich Ihnen völlig zu –, und Vertrauen entsteht über Kontrolle. Deshalb, glaube ich, hat dieser Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, eine eminent wichtige Bedeutung. Wenn wir Kontrolle vertrauensvoll und partnerschaftlich ausüben, also nicht als Ankläger und Richter, sondern so, wie wir es in der Taskforce gemacht haben, Herr Grötsch und Herr Ströbele, nämlich als kritisch-konstruktiver Begleiter, dann optimieren wir unsere Dienste. Wir optimieren dann auch unsere Gesetzgebung, weil wir selber bemerken, dass es eventuell rechtsstaatliche Lücken gibt. Deshalb, glaube ich, beschließt die Union heute zusammen mit der SPD einen zweiten verfassungsrechtlich historischen Schritt nach der Reform 2009, als das PKGr mit seiner Aufgabe erstmals in die Verfassung kam. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute beschließen wir gar nichts! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen haben Sie einen so historischen Debattenplatz ausgesucht!) Das ist heute keine banale Debatte. Wir machen einen historischen Schritt, um die Kontrolle zu stärken. (Beifall bei der CDU/CSU) Meiner Meinung nach gibt es drei Gewinner. Das sind zum einen die Bürgerinnen und Bürger, die über öffentliche Anhörungen mehr Transparenz gewinnen, die aber vor allen Dingen mehr Sicherheit gewinnen, weil wir unsere Nachrichtendienste durch Kontrolle stärken. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gewinnen natürlich durch dieses Gesetz, weil die Kontrollpower, die wir jetzt endlich haben, dazu führt, dass die kritische Auseinandersetzung mit Vorgängen, wie wir sie jetzt im Bereich der Selektoren erlebt haben, Verbesserungen mit sich bringt. Ich habe als Parlamentarier im PKGr ein gutes Gefühl, wenn ich meinen Kollegen sagen kann: Wir haben die Kontrollpower, um für Transparenz zu sorgen. Um das klar zu sagen: Mir geht heute das Herz auf. Ich bin kein Oberschlaumeier, aber ich habe nur zwei Sitzungen im Parlamentarischen Kontrollgremium gebraucht, um zu kapieren, dass wir dem Auftrag niemals mit neun Kollegen gerecht werden können. Deswegen ist das, was wir jetzt im Zusammenhang mit der Personalausstattung tun, einmalig richtig. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Geben Sie uns doch mehr Mitarbeiter! Uns!) Ich bin sehr, sehr zufrieden. Jetzt erfüllen wir den Auftrag der Bürger. Jetzt erfüllen wir den Auftrag des Parlaments. Der dritte Gewinner sind die Nachrichtendienste selbst. BfV, BND und MAD – darauf werde ich persönlich achten – werden nicht darunter leiden, dass jetzt irgendwelche Chefankläger ins Feld geschickt werden. Wir werden darauf achten, dass es eine konstruktive, eine vertrauensvolle und kritische Kontrolle ist. Das wird die Kommunikation stärken. Eines darf ich sagen – Herr Grötsch, Herr Ströbele, ich weiß nicht, ob Sie es bestätigen –: Die Arbeit der Taskforce war durch und durch konstruktiv. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir hatten eine wunderbare Kommunikation mit dem Bundesnachrichtendienst und mit dem Bundeskanzleramt, trotz eines harten Befundes. Das zeigt: Es gibt auch Kontrolle mit Qualität. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Die jetzt nicht veröffentlicht werden soll! Die man jetzt zurückhalten will! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Veröffentlichen Sie das jetzt!) Dies sorgt am Ende für Vertrauen. Die Nachrichtendienste werden immer wieder in irgendwelche Darkrooms gezogen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schuster! Jetzt aber! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Dafür sorgen die schon selber!) Über die Nachrichtendienste wird immer wieder genörgelt, und sie werden kritisiert. Ich wäre sehr, sehr dankbar, (Zuruf des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]) wenn die Opposition oder etliche Medienvertreter, die das tun, einmal einen Vorschlag vorlegen würden, der zeigt, wie sie es machen würden. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt! – Gegenruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD]: Der war aber schlecht!) Zeitungsschnipsel auszuschneiden – das ist Ihre Vorstellung von Nachrichtendiensten –, erzeugt keine Sicherheit. Die einzige Kritik, die man an Helmut Schmidt üben kann, ist, dass er einmal gesagt hat: Ich lese lieber Zeitung, als dass ich den BND frage. – Diese Zeiten sind vorbei. Unsere Nachrichtendienste machen eine klasse Arbeit. Darin wollen wir sie unterstützen. Zum Schluss. Ehre, wem Ehre gebührt. Ein kleiner Gruß an Hartfrid Wolff von der FDP sei mir erlaubt. Er wäre jetzt, glaube ich, gerne dabei. Danke an die SPD, dass wir das zusammen machen können. Das Innenressort ist für mich das Ressort mit der stärksten Leistung in dieser Legislaturperiode. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Also bei der SPD! Bei uns sowieso!) – Ja, ja. – Ich möchte Clemens Binninger an dieser Stelle nennen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Sie müssen etwas schneller danken, Herr Schuster. Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Als Vorsitzender des PKGr muss er das vielleicht machen, aber er ist unermüdlich und mit Geduld an diesem Thema drangeblieben. Ohne ihn wäre es nicht gegangen. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]; Wir haben ein halbes Jahr vorher was vorgelegt!) Das ist auch als Botschaft an die eigenen Reihen gedacht. Ich finde, das ist eine klasse Arbeit. Ich bedanke mich. Ich empfehle Ihnen sehr, diesen Gesetzentwurf einmal zu lesen. Dann sprechen wir im Ausschuss darüber. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Herr Schuster!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke schön. – Ich schließe die Aussprache. Der Kollege Schuster war der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt. Es wird aber noch viele weitere Debatten dazu geben; denn zwischen den Fraktionen wurde vereinbart, die Vorlagen auf den Drucksachen 18/9040 und 18/8163 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 10 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes Drucksache 18/9041 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre auch hier keinen Widerspruch. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!) Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Bundesregierung hat Bundesminister Peter Altmaier. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Altmaier, Bundesminister für besondere Aufgaben: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung die bedeutendste und weitreichendste Reform des BND-Gesetzes, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Schon wieder? Das haben wir doch eben schon gehört!) Ich möchte mich vorweg bei allen Fraktionen, liebe Frau Högl, lieber Burkhard Lischka, lieber Clemens Binninger, lieber Stephan Mayer, lieber Armin Schuster, bedanken, die daran mitgewirkt haben, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Opposition?) aber auch bei den Mitgliedern des PKGr und des NSA-Untersuchungsausschusses sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundeskanzleramt und beim BND. Dass der Entwurf gut geworden ist, lieber Konstantin von Notz, sieht man daran, dass die Oppositionsbänke weniger als unzureichend gefüllt sind. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal auf die Regierungsbank geguckt? – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind besser besetzt als alle anderen!) Ich habe einmal durchgezählt: Von 127 möglichen Abgeordneten sind hier gerade einmal zwölf anwesend. Das sind weniger als 10 Prozent. So schlecht ist die Arbeit, die wir Ihnen heute vorlegen, offenbar nicht ausgefallen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen sind es noch weniger! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Solche Äußerungen stehen der Bundesregierung nicht zu!) Mit dieser Reform erreichen wir mehrere sehr wichtige Ziele. Die Arbeit des BND – das ist heute schon mehrfach gesagt worden – war in den vergangenen Jahrzehnten wichtig und ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Ihre Bedeutung wird in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen. Das hängt damit zusammen, dass der Prozess der Globalisierung, der uns so viele Vorteile im Hinblick auf Wohlstand und Freiheiten bringt, eben auch dazu führt, dass die Gewährleistung unserer inneren und äußeren Sicherheit immer mehr vorverlagert wird, weil die Bedrohungen, mit denen wir es zu tun haben, internationaler werden. Für den Bereich des internationalen Terrorismus kann das jeder nachvollziehen; das gilt aber auch für den Bereich der Cybersicherheit und vieles andere mehr. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir uns als Regierung und Parlament zu diesem Bundesnachrichtendienst bekennen. Mit dieser Reform schaffen wir eine ordentliche Rechtsgrundlage für seine wichtige Arbeit. Wir wollen die Arbeit des BND gerade nicht einschränken. Wir wollen sie aber auf eine klare und für jedermann nachvollziehbare rechtliche Grundlage stellen. Es handelt sich um die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, also darum, vom Inland aus ausländische Bürgerinnen und Bürger im Ausland aufzuklären. Das ist eine der wichtigen Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes, und mit dieser Gesetzesvorlage wird Rechtssicherheit geschaffen. Das ist auch wichtig im Hinblick auf die Diskussionen, die es in den letzten Monaten dazu gegeben hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir sorgen in einem zweiten Schritt dafür, dass auch die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit anderen Nachrichtendiensten weltweit auf eine hinreichende und gute Grundlage gestellt wird. Auch diese Zusammenarbeit wird immer wichtiger, weil bei der Vielzahl und Fülle an Bedrohungen kein Nachrichtendienst dieser Welt – und mag er noch so große finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung haben – für sich alleine die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger seines Landes und die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten, die sich in Auslandseinsätzen befinden, vollumfänglich gewährleisten kann. Wir haben zum ersten Mal Vorschriften aufgenommen, die die internationale Zusammenarbeit auch durch eine Regelung zur gemeinsamen Datenhaltung mit ausländischen Stellen stärken. Aber – und das ist ganz entscheidend – die Koalition hat gleichzeitig dafür gesorgt, dass diese Datenhaltung an klare rechtliche Vorgaben geknüpft wird. Wir haben dafür gesorgt, dass der Zweck der Datei klar definiert sein muss, dass die Teilnahme- und Zugriffsrechte eindeutig bestimmt werden müssen und dass ein rechtsstaatlicher Umgang mit den eingegebenen Daten in allen teilnehmenden Ländern gewährleistet werden muss. Das ist ein ganz wichtiges Signal dafür, dass die Arbeit der Nachrichtendienste, vor allen Dingen der Auslandsnachrichtendienste, unter besonderen Bedingungen gestaltet wird, dass sie nicht außerhalb des rechtlichen Rahmens stattfindet, obwohl vieles von dem nicht in der Öffentlichkeit im Detail diskutiert werden kann, und dass wir Wert darauf legen, dass die tragenden Prinzipien unserer Verfassungs- und Rechtsordnung auch in der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes Berücksichtigung finden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben drittens dafür gesorgt, dass die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes im Hinblick auf die Debatten überprüft worden ist, die es infolge der sogenannten Snowden-Berichterstattung und im Hinblick auf die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses und des PKGr gegeben hat. Lassen Sie es mich deutlich sagen, meine Damen und Herren: Viele der Vorwürfe, die zu Anfang im Raum standen, sind nach allem, was wir fast drei Jahre später wissen, nicht belegt und nicht vertieft worden. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist überhaupt nicht so!) – Lieber Kollege, Sie machen Ihre Zwischenrufe gerade auf Kosten meiner Redezeit. Das ist nicht ganz fair. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird nicht abgezogen! Widerspruch gehört ins Parlament, Herr Minister!) Wenn ich mir anschaue, mit welchen Vorwürfen der BND überzogen worden ist, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Zu Recht, Herr Altmaier! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Es ist noch viel schlimmer gekommen!) bevor die Arbeit des Untersuchungsausschusses begonnen hat, und wenn ich sehe, dass wir im Hinblick auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses tatsächlich über Defizite und Verbesserungsnotwendigkeiten gesprochen haben, dann, finde ich, ist es wichtig, dass man sagt, dass es keinerlei Belege dafür gibt, dass der BND an einer anlasslosen Massenüberwachung mitgewirkt hat. (Beifall des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings gibt es die!) Es gibt auch keinerlei Hinweise dafür, dass der BND seinen gesetzlichen Handlungsspielraum bewusst und systematisch überschritten hat. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie legalisieren den Massendatenabgriff, Herr Altmaier!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle eines gerne sagen: Ich bin als Chef des Bundeskanzleramtes im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht auch derjenige, der in vielen Fällen die Ernennungsurkunden für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BND unterzeichnet. Wenn ich mir anschaue, aus welchen Bereichen die jungen Menschen, die eingestellt werden, kommen – zum Beispiel aus der Geoinformatik, der Chemie, der Transplantologie, der Mathematik, den Asienwissenschaften, der Ostslawistik, der Medizintechnik und aus vielen anderen Bereichen –, dann wird klar: Das sind keine Schlapphüte, wie man sich das früher vorgestellt hat, die nur darauf aus sind, irgendwo rechtsfreie Räume zu entdecken. Diese jungen Menschen sind motiviert, der Sicherheit dieses Landes zu dienen, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Fehler liegen im Politischen! Das stimmt!) und zwar innerhalb der Rechts- und Gesetzesordnung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte diesen Menschen von dieser Stelle ein herzliches Dankeschön zurufen. Gleichwohl haben wir gemeinsam mit den beiden Koalitionsfraktionen dafür gesorgt, dass Konsequenzen gezogen worden sind. Wir haben die Position des Bundeskanzleramtes als Fach- und Dienstaufsicht gestärkt. Wir haben dafür gesorgt, dass eine unabhängige Überwachung bestimmter Maßnahmen durch ein Unabhängiges Gremium aus Richtern des Bundesgerichtshofs und einem Vertreter der Generalbundesanwaltschaft sichergestellt wird. Wir haben auch dafür gesorgt, dass Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und ihre Institutionen einen eindeutigen und besseren Schutz genießen und dass Wirtschaftsspionage in Zukunft auch gesetzlich ausgeschlossen ist. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!) Es gilt der Primat der Politik. Dafür haben wir in den letzten zwei Jahren die Voraussetzungen geschaffen. Das BND-Gesetz wird dazu beitragen, dass die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes in einem rechtsstaatlich einwandfreien Rahmen stattfinden kann, dass der Bundesnachrichtendienst gestärkt wird und dass er von der Politik und der Bundesregierung die Rückendeckung hat, die er braucht, um seine wichtige Arbeit für unser Land erfolgreich zu leisten. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Hahn für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. André Hahn (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem im NSA-Untersuchungsausschuss nicht zuletzt durch Aussagen von hochrangigen Verfassungsrechtlern klar geworden ist, dass der BND in vielen Fragen ohne adäquate Rechtsgrundlage agiert, die geltenden Bestimmungen von der technischen Entwicklung schon lange überholt sind (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist eine Einzelmeinung!) und spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden den immer weiter ausufernden Begehrlichkeiten der Geheimdienste dringend Einhalt geboten werden müsste, gab es keinen Zweifel mehr daran, dass das BND-Gesetz grundlegend überarbeitet werden muss. Entscheidend für meine Fraktion, Die Linke, war immer, dass bei aller Notwendigkeit zur Aufklärung von Gefahren und terroristischen Bedrohungen die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, aber auch in Europa so gut wie irgend möglich geschützt, offenkundig rechtswidrige Praktiken beim BND abgestellt und für die Zukunft grundgesetzkonforme Regelungen geschaffen werden. (Beifall bei der LINKEN) Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt nicht eine dieser drei Kernforderungen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Es ist ja auch gar kein rechtswidriges Verhalten da!) Er ist deshalb ein Armutszeugnis dieser Bundesregierung. Am Mittwoch wurde der neue BND-Präsident offiziell in sein Amt eingeführt. Was Kanzleramtsminister Altmaier aus diesem Anlass in seiner Rede gesagt hat, war aufschlussreich und entlarvend zugleich. Er nahm Bezug auf die öffentliche Kritik, dass der BND mit dem neuen Gesetz trotz der zurückliegenden Pannen und Skandale nicht enger an die Leine genommen werde, und erklärte frank und frei – O-Ton Altmaier –: Das war auch niemals unsere Absicht; denn ein angeleinter Hund kann seine Aufgaben nicht erfüllen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr richtig, Herr Hahn! Was gibt es denn da zu kritisieren?) Zuvor war in öffentlichen Stellungnahmen von Vertretern der Koalition, aber auch der Bundesregierung immer wieder erklärt worden, man wolle dem BND für die Zukunft klare Grenzen setzen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Internationaler Terrorismus!) Davon ist jetzt keine Rede mehr. Schäuble hat ausreichend gewirkt. Sie haben den Gesetzentwurf von der ersten Fassung bis zum vorliegenden Entwurf grundlegend geändert. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie kannten doch die erste Fassung gar nicht!) Das Statement von Herrn Altmaier steht für das genaue Gegenteil: Bloß keine Grenzen, bloß keine Beschränkungen! Denn das behindert die Arbeit unseres Auslandsnachrichtendienstes. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Richtig! Guter Mann!) Wer sich die Realität so zurückbiegt, der hat die Botschaft der Snowden-Enthüllungen nicht einmal ansatzweise verstanden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Flisek [SPD]: Sie haben das Gesetz schon gelesen, oder?) Ich habe leider nicht so viel Redezeit wie die Koalitionsabgeordneten (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Auch dafür können wir nichts!) und kann deshalb nur auf einige wenige Kritikpunkte am vorliegenden Gesetzentwurf eingehen. Im Kern muss man leider konstatieren: Es ist letztlich das eingetreten, was wir immer befürchtet haben. Statt dem BND klare rechtliche Grenzen aufzuzeigen und Grauzonen zu beseitigen (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das tun wir! – Christian Flisek [SPD]: Genau das tun wir!) und dem Auslandsgeheimdienst auch wirkungsvolle Zügel anzulegen, soll nun nachträglich fast alles legitimiert werden, was sich im NSA-Untersuchungsausschuss als unzulässig und rechtswidrig, mindestens aber als fragwürdig herausgestellt hat. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nein! Klare Rechtsgrundlagen! Ihr habt nichts Rechtliches festgestellt bisher! – Gegenruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so abwegig, was du sagst!) Ein derartiges Vorgehen halten wir für völlig indiskutabel. (Beifall bei der LINKEN) Die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung inklusive personenbezogener Daten soll bei Telefonanbietern und an Kabeln in Deutschland künftig fast uneingeschränkt möglich sein. Das Ausspähen von EU-Bürgern, Regierungen befreundeter Staaten, EU-Institutionen und internationalen Organisationen wird nicht etwa verboten, (Christian Flisek [SPD]: Sagen Sie mal die Wahrheit!) sondern unter Verweis auf unklar formulierte Voraussetzungen ausdrücklich erlaubt. Bundeskanzlerin Merkel hat sich mit ihrer Zustimmung zum Gesetzentwurf selbst widersprochen. Spionieren unter Freunden geht künftig doch und soll nun sogar per Gesetz erlaubt werden. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Genau!) Die Hürden für das Ausspähen in der EU sind lächerlich gering. Es reicht schon – so steht es im Gesetzentwurf –, wenn dadurch die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik gewahrt werden kann (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das ist aber nicht gering! Jetzt bitte ich Sie aber!) oder „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ zu gewinnen sind. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wenn das gering ist! Ich bitte Sie!) „Sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ – darunter kann man alles und nichts verstehen, und damit kann man jeden Einsatz begründen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Flisek [SPD]: Das ist Ihr Rechtsverständnis!) Natürlich werden wir einer solchen Regelung nie zustimmen. Was Sie auch nicht sagen, ist, dass internationale Organisationen außerhalb der EU bzw. NGOs künftig weiter als vogelfrei angesehen und vollumfänglich ohne jede Rechtfertigung abgehört werden können. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist Rechtsverdrehung, keine Rechtsauslegung! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das stimmt doch auch nicht!) – Aber ja, Herr Binninger. – Es gibt im Gesetzentwurf keinerlei Einschränkung für die Überwachung von Nicht-EU-Ausländern. Die Organisation Reporter ohne Grenzen weist zu Recht darauf hin, dass damit weltweit auch Journalisten abgehört werden dürfen. Andere deutsche Gesetze schließen das ausdrücklich aus. Hier soll offenbar eine Tür geöffnet werden, um die Pressefreiheit und den Informantenschutz auszuhebeln. Das ist mit uns definitiv nicht zu machen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Abenteuerlich! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist wissentlich falsch, was Sie da erzählen!) Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, nämlich die geplante Bildung eines vermeintlich unabhängigen Richtergremiums, das über die Ausspähung des BND im EU-Bereich und über Kooperationen mit ausländischen Diensten informiert werden soll und den Einsatz von Selektoren, also Suchbegriffen, prüfen soll. Damit wird dem regulären und sogar im Grundgesetz verankerten Kontrollgremium des Bundestages ein wichtiger Bereich de facto entzogen und nach Karlsruhe ausgelagert. (Burkhard Lischka [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Genau so ist es!) Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, sucht sich die Bundesregierung ihre Kontrolleure dann auch noch selbst aus. Dreister geht es wirklich kaum. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sollte es in den Ausschussberatungen nicht noch grundlegende Korrekturen geben, dann können und werden wir als Linke diesem Gesetzentwurf selbstverständlich nicht zustimmen. (Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ihr stimmt doch nie zu!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächste spricht Dr. Eva Högl für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Rück mal ein paar Dinge zurecht!) Dr. Eva Högl (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Hahn, wir hätten nicht damit gerechnet, dass Sie zustimmen. Dass muss ich so ehrlich sagen. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie hätten sich ja bemühen können!) Aber es geht doch eine Nummer kleiner. Dass hier Leute vogelfrei seien und der Gesetzentwurf völlig unzureichend sei, das muss ich für die Koalition in aller Deutlichkeit zurückweisen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist völlig unzureichend!) Wir legen einen wirklich guten Gesetzentwurf vor. Das ist eine sehr wichtige und richtige Reform des Bundesnachrichtendienstes. Ich möchte zu Beginn ganz deutlich sagen: Wir brauchen einen starken Bundesnachrichtendienst. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir brauchen ihn für unsere innere und äußere Sicherheit, zur Bekämpfung von Terror und organisierter Kriminalität sowie der Verbreitung von Waffen und zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Ausland. Das will ich ausdrücklich betonen. Die strategische Fernmeldeaufklärung ist ein wichtiges Frühwarnsystem für diesen starken Bundesnachrichtendienst; daran gibt es überhaupt nichts zu deuten und zu kritisieren. Natürlich haben wir Reformbedarf. Das haben wir erkannt. Deshalb haben wir diese Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Ich möchte Ihnen die Eckpunkte nennen. Dann werden Sie sehen, dass Sie mit Ihrer Bewertung dieses Gesetzentwurfes komplett falschliegen. Wir haben im NSA-Untersuchungsausschuss feststellen müssen, dass die gesetzlichen Grundlagen der strategischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom Inland aus völlig unklar sind. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! So würde man es sagen können!) Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Sie basieren auf überhaupt keiner gesetzlichen Grundlage. § 1 Absatz 2 wurde als Generalklausel herangezogen. Dass das keine klare Rechtsgrundlage ist – „keine Rechtsgrundlage“ würde zu weit gehen –, darin sind wir uns, denke ich, in diesem Haus alle einig. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist doch ein Skandal an sich!) – Liebe Frau Jelpke, das ist vielleicht ein Skandal; aber er ist im NSA-Untersuchungsausschuss herausgearbeitet worden und eben Anlass für diese Reform. Das Herzstück dieser Reform – darüber diskutieren wir heute – ist, dass wir endlich eine klare Rechtsgrundlage schaffen; denn unser Bundesnachrichtendienst braucht klare Regeln und ist selbstverständlich an die Grundrechte gebunden. Außerdem hatten wir bisher keine klaren Regelungen für die Kooperation mit Partnerdiensten. Auch das nehmen wir auf. Wir gehen dies an und schaffen auch hierfür klare Regelungen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Dies ist ein ganz wichtiger Punkt; denn – liebe Kolleginnen und Kollegen, das möchte ich auch noch einmal ganz deutlich sagen – eine vernünftige Arbeit des Bundesnachrichtendienstes gibt es nur in Kooperation und im Austausch mit Partnerdiensten. Das ist eine wichtige Voraussetzung für das Gewinnen von Informationen und ihre Weiterverarbeitung. Darüber hinaus schaffen wir klare Voraussetzungen für die Erhebung von Daten ausländischer Telekomunikation vom Inland aus und für den weiteren Umgang mit diesen Daten. Auch dies ist ein wichtiger Punkt. Er entspricht überhaupt nicht dem, was Sie eben in Ihrer Rede formuliert haben. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie kennen Ihren eigenen Gesetzentwurf wahrscheinlich nicht!) – Ich habe ihn mit den Kolleginnen und Kollegen hier mit erarbeitet. Wir kennen ihn sehr gut, und wir haben lange darum gerungen, bis zur letzten Minute. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir werden sehen, was am Ende herauskommt!) Lieber Herr Hahn, ich will Ihnen sagen: Wir hatten viele Widerstände zu überwinden, um heute, an diesem Freitag vor der Sommerpause, hier stehen und diesen Gesetzentwurf in erster Lesung beraten zu können. Das war nicht immer selbstverständlich in der Zwischenzeit. Uns ist sehr wichtig, dass wir diese klaren Regelungen schaffen – ich sage es noch einmal – für die Erhebung der Daten, für ihre Weiterverarbeitung und für ihre Speicherung. Es wird keinen Datenheuhaufen geben; das ist sehr wichtig. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich gibt es einen Datenheuhaufen!) Wichtig ist auch, dass wir Regelungen für die Gleichstellung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern mit deutschen Staatsangehörigen schaffen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das stimmt doch gar nicht!) Das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Punkt dieses Gesetzentwurfs. Wir legen großen Wert darauf, dass wir das jetzt anders regeln. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal was zu den Ausnahmen!) Ich will außerdem auf die Kritik eingehen: Warum greifen wir vorweg, warum reformieren wir, ohne die Ergebnisse des NSA-Untersuchungsausschusses abzuwarten? (Zuruf von der CDU/CSU: Berechtigte Kritik!) Das hatten Sie angedeutet, Herr Ströbele. Das ist ein wichtiger Punkt; denn es ist das normale Vorgehen – so haben wir es beim NSU-Untersuchungsausschuss gemacht –, zunächst den Bericht des Untersuchungsausschusses abzuwarten. Wir haben aber festgestellt, dass es wichtig und notwendig ist, dieses Zwischenergebnis schon jetzt umzusetzen und eine klare Rechtsgrundlage für die Arbeitsweise des BND zu schaffen. Deshalb haben wir uns entschieden, diese Reform vorwegzunehmen. Wir haben in der Koalition intensiv darüber beraten, wie wir dies tun. Heute legen wir in erster Lesung ein gutes Ergebnis vor. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will einen durchaus kritischen Punkt ansprechen – Herr Hahn, Sie haben das schon erwähnt –, das Unabhängige Gremium. Wir schaffen ein neues Gremium, das unabhängige Richtergremium, zur Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes. Die SPD-Fraktion hätte sich gut vorstellen können – das sage ich hier ganz deutlich –, das bestehende G10-Gremium für diese Kontrolle zu nutzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gehört es hin! Die Mehrheit hätten wir dazu, Frau Högl!) Es wäre sicherlich adäquat gewesen, ein gut eingespieltes Gremium für diese Kontrolle zu nehmen. Schließlich sind die Sachverhalte vergleichbar. Nun wird ein neues Gremium geschaffen; das ist auch gut und richtig. Die Aufgaben sind etwas Besonderes. Wo ich für die SPD-Bundestagsfraktion noch Beratungsbedarf in den parlamentarischen Beratungen sehe, ist die Frage, ob es tatsächlich richtig ist, dass Mitglieder dieses Gremiums vom Bundeskabinett ernannt werden und dass der Arbeitsstab beim Bundesgerichtshof angesiedelt ist. Ich denke, es wäre besser, das beim Parlamentarischen Kontrollgremium anzusiedeln. Dieses sollte die Mitglieder des Unabhängigen Gremiums ernennen. Dort sollte auch die Geschäftsstelle angesiedelt sein. Dann hätten wir auch einen guten Rahmen für die Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums geschaffen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eigentlich den BGH mal gefragt, was er dazu sagt?) Meine allerletzte Bemerkung. Wir brauchen starke Nachrichtendienste. Wir legen heute zwei Gesetzentwürfe dafür vor, zum einen den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums und zum anderen den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bundesnachrichtendienstes. Das ist eine gute Reform. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich im Wege der weiteren Beratungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, unseren Vorstellungen annäherten (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wenn Sie sich bewegen, können wir darüber reden!) und wir vielleicht gemeinsam zu guten Regelungen kämen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn Herr Maas eigentlich dazu? Hat er mal nachgefragt? – Gegenruf der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]: Herr Maas war damit einverstanden! Er war auch mit dabei!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir vor zweieinhalb Jahren mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses NSA/BND begannen, gab es eine Sachverständigenanhörung zur Praxis des Bundesnachrichtendienstes bei der Fernmeldeaufklärung. Es war die einhellige Meinung aller Sachverständigen inklusive des Sachverständigen der Union, Herrn Professor Papier: Die Praxis des Bundesnachrichtendienstes ist offenkundig rechtswidrig. Offenkundig rechtswidrig! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese juristische Bewertung wurde inzwischen x-mal bestätigt. Viele neue rechtswidrige Details haben wir, Tankred Schipanski, in den letzten Monaten herausgearbeitet: Millionen unkontrollierte Selektoren von BND und NSA, das heimliche Löschen Zehntausender dieser Selektoren während des Bundestagswahlkampfs 2013, Operationen wie „Eikonal“ und „Glotaic“, durch die milliardenfach Daten auf der Glasfaser in Deutschland abgegriffen wurden, usw. usf. Es ist gut, dass der PUA diesen Dingen auf den Grund gegangen ist. So entschieden wie bisher werden wir die nächsten Monate weiter aufklären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Spätestens heute offenbart sich mit diesem Gesetzentwurf in diesem Parlament aber auch Folgendes: Die Abmoderation der Snowden-Veröffentlichungen durch den damaligen Chef des Bundeskanzleramtes, Ronald Pofalla, im Bundestagswahlkampf 2013 war keine Nebelkerze. Es war schlicht die Unwahrheit. Die ganze Nummer damals – die gespielte Unwissenheit der Bundesregierung zum Können und Agieren der NSA, die vorgetragene Unschuld des Bundesnachrichtendienstes, die Ahnungslosigkeit der Spionageabwehr, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) der erhobene Zeigefinger Richtung USA, das „Abhören unter Freunden geht gar nicht“ der Bundeskanzlerin, die Inaussichtstellung des baldigen Abschlusses eines No-Spy-Abkommens –, das alles und noch viel mehr entspricht überhaupt nicht der Wirklichkeit. Es war eine bewusst gefahrene Lügenkampagne. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Weil die Verfassungswidrigkeit der Praktiken des BND inzwischen amtlich ist, bringen Sie nun diesen Gesetzentwurf ein. Es gibt akzeptable, sogar anerkennenswerte Motive, Herr Minister; das sehe ich genauso. Dieser Gesetzentwurf ist der Versuch, eine gesetzliche Grundlage zumindest für Teile der Fernmeldeaufklärung zu schaffen. Ansatzweise versuchen Sie, unter EU-Mitgliedstaaten die Überwachung zumindest teilweise zurückzufahren. Aber es geht nicht weit genug. Die eigentliche Kernfrage, das eigentliche Kernproblem der digitalen Gesellschaft ist der Grundrechtsschutz im Internet, hier speziell die Geltung der in Artikel 10 des Grundgesetzes verankerten Kommunikationsfreiheit auf der Glasfaser. Genau diesen Schutz verweigern Sie mit Ihrem Gesetzentwurf, und deswegen springt die Nummer hier entschieden zu kurz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie legalisieren die Massenüberwachung und schaffen ein neues Kontrollgremium; das wurde eben schon angesprochen. Es soll eines der Judikative werden. Nichts gegen die Richterinnen und Richter des BGH, aber Sie versuchen ganz bewusst, das Parlament vor die Tür zu setzen, weil Ihnen die Auseinandersetzungen mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium, Herr Kollege Binninger, mit der G10-Kommission und mit den Untersuchungsausschüssen zu anstrengend, zu unangenehm und zu skandalanfällig sind. Deshalb schaffen Sie einfach ein neues Gremium. Das ist ein Affront gegen den Deutschen Bundestag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich kann Ihnen, Frau Högl, nur sehr raten, bei dieser Selbstverzwergung des Parlaments, die Ihnen hier vorgeschlagen wird, nicht mitzumachen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Eva Högl [SPD]: Ich habe das ja angesprochen!) Es gäbe noch viel anzusprechen, aber die Zeit ist begrenzt; denn für Ihren historischen Gesetzentwurf haben Sie hier den letzten Slot vor der Sommerpause gezogen und ihm ganze 38 Minuten eingeräumt. Das lässt tief blicken. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es kommen noch die zweite und dritte Lesung! Locker bleiben!) Man kann nur hoffen, dass Sie über die Sommerpause zur Besinnung kommen. Das gilt im Übrigen auch für Ihre gestern bekanntgewordene Internetstrategie aus dem Haus des Innenministers. Das alles ist verfassungsrechtlich hochproblematisch und Kraut und Rüben. Darin fügt sich Ihr Entwurf heute ziemlich nahtlos ein. Sie beheben nicht die verfassungsrechtlichen Probleme, Sie vertiefen sie mit diesem Entwurf weiter. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Wir brauchen in diesen schwierigen Zeiten – da bin ich bei vielen der Vorrednerinnen und Vorredner – eine kohärente Strategie für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit im Netz, und wir brauchen einen funktionierenden, rechtsstaatlich fest verankerten und mit einer glasklaren Rechtsgrundlage ausgestatteten Bundesnachrichtendienst. Ich habe vorgestern dem neuen Präsidenten sehr genau zugehört; mir hat seine ausgewogene Rede ausgesprochen gut gefallen. Aber ich sage Ihnen allen hier: Wenn wir ihn in seinem neuen Amt nicht auf einen Schleudersitz setzen wollen, dann müssen Sie diesen Gesetzentwurf massiv nachbessern. Für konstruktive Diskussionen hierüber stehen wir gerne zur Verfügung. Ganz herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Patrick Sensburg, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Zehn Minuten zur Richtigstellung! So viele falsche Tatsachenbehauptungen passen gar nicht in eine Rede!) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute in erster Lesung die Überarbeitung des BND-Gesetzes. Zumindest nachrichtendienstlich, so sagen manche, wäre das der Beginn eines besseren Deutschlands. So hat es übrigens, lieber Konstantin von Notz, auch Edward Snowden getwittert, den ihr ja immer zitiert. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dein russischer Spion!) Er sagt – ganz anders, als ihr es gerade gesagt habt –, dieses Gesetz sei ein gutes Gesetz. Ich glaube, es ist ein gutes Gesetz. Das sieht man, wenn man es von vorne bis hinten durchliest, was Sie, lieber Kollege Hahn, anscheinend gar nicht gemacht haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Mehrfach! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sensburg zitiert Snowden!) Der Bundesnachrichtendienst wird nicht an die Kette gelegt. Vielmehr werden eindeutige rechtliche Grundlagen für seine Tätigkeit im Ausland gesetzlich festgeschrieben. Es gibt schon in der jetzigen Form des Bundesnachrichtendienstgesetzes durch die Eröffnung des Aufgabenbereiches eine klare Regelung, die wir präzisieren. Ich glaube, im Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen um die NSA ist deutlich geworden, dass eine Präzisierung notwendig ist. Das Gesetz ist ein klares Bekenntnis zu der guten Arbeit des Bundesnachrichtendienstes. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Gute Arbeit, sagen Sie?) Es macht aber auch eines ganz besonders deutlich: Der BND, wie alle Dienste und Behörden, hat sich in dem für ihn gesetzlich vorgegebenen Rahmen zu bewegen und unserem Land zu dienen. Ein Eigenleben wird von den Kontrollgremien der Parlamente nicht toleriert. Ob sich schon alle Ableitungen von dem, was wir im NSA-Untersuchungsausschuss in den letzten Monaten herausgefunden haben, in diesem Gesetz widerspiegeln, müssen wir in den nächsten Monaten noch genau betrachten. Aber ich glaube, dass mit diesem Gesetz ein ganz wesentlicher Schritt hin zu mehr Klarheit und zu mehr Rechtssicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BND selber geschaffen worden ist. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir diesen Gesetzentwurf heute auf den Weg bringen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Fograscher [SPD]) Auch exekutiv wird sich nach dem, was wir in den letzten Monaten im NSA-Untersuchungsausschuss diskutiert haben, einiges ändern müssen. Gerade mit Blick auf die Abteilung TA ist das deutlich geworden. Ich glaube, dass Dr. Bruno Kahl dafür die Gewähr bietet, den Bundesnachrichtendienst gut zu führen und die Dinge, die organisatorisch-exekutiv anzupacken sind, auch anzupacken. Ich möchte an dieser Stelle aber auch Gerhard Schindler, dem ausgeschiedenen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, für seine Arbeit danken. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Altmaier kannte nicht einmal den Namen!) Nach meiner Meinung hat er den Bundesnachrichtendienst exzellent geführt. Er hat mit der Transparenzoffensive das eingeleitet, was ein Nachrichtendienst heute im 21. Jahrhundert braucht: Effizienz und Transparenz gegenüber dem obersten Dienstherrn, aber auch gegenüber der parlamentarischen Kontrolle. Er hat Versäumnisse aus der Vergangenheit beim Bundesnachrichtendienst aufgearbeitet und sich auch immer vor den Dienst gestellt. Ich glaube, dafür gebührt ihm unser Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Genau aus dem, was der NSA-Untersuchungsausschuss herausgefunden und auch deutlich gemacht hat, ergibt sich jetzt das vorgelegte Gesetz. Das, was diesem Gesetz innewohnt, das, was es leistet, ist eine klare rechtliche Grundlage für das, was der Bundesnachrichtendienst bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung macht. Das ist eine ganz entscheidende Schlussfolgerung aus unserer Arbeit. Deswegen ist es gut, dass wir mit diesem Gesetz jetzt die rechtliche Präzisierung dieser Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes vornehmen. Aber dass wir Nachrichtendienste brauchen, dass wir starke Nachrichtendienste brauchen, das muss ich doch vor dem Hintergrund, dass wir im Parlament regelmäßig über Daesh und über den Links- und den Rechtsextremismus in Deutschland diskutieren, nicht extra erwähnen. (Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Ich glaube, kein vernünftiger Mensch – außer vielleicht Kollege Hahn, Kollege Ströbele und Frau Jelpke; sie ruft gerade dazwischen – glaubt doch, dass wir keine Nachrichtendienste brauchen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja wer sagt das denn?) Deswegen verstehe ich auch nicht den Zwischenruf des Kollegen Hahn eben, man sollte die Nachrichtendienste am liebsten abschaffen. In dieser Situation einer internationalen Gefährdung und angesichts dessen, was wir über Links- und Rechtsextremismus wissen, da wollen Sie Nachrichtendienste abschaffen? Wir brauchen starke Nachrichtendienste, und wir brauchen eine gute parlamentarische Kontrolle, und zwar ausgewogen, also in einer Balance. Genau das schafft dieses Gesetz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lieber Kollege von Notz, mir scheint, dass Sie sich mit den Inhalten gar nicht intensiv beschäftigt haben. In Ihrer ganzen Rede gab es keine Auseinandersetzung mit den einzelnen Normen dieses Gesetzes. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe fünf Minuten Redezeit! Wenn ich Ihre acht Minuten hätte, könnte ich auch bei Adam und Eva anfangen! Das ist eine Unverschämtheit bei einer Gesamtdebattenzeit von 38 Minuten! Unfassbar!) Sie haben fünf Minuten Redezeit, lieber Kollege. Wir haben in unserer Fraktion ein bisschen gerätselt, wie viele Sekunden es dauern wird, bis das Wort „Skandal“ kommt, wie viele Sekunden es dauern wird, bis Superlative genannt werden. Es waren wenige Sekunden, bis die Superlative kamen; aber es gab leider keine Inhalte. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dünnbrettbohrerei!) Wenn wir uns die Inhalte dieses Gesetzentwurfs anschauen, dann stellen wir fest, dass in den neuen §§ 6 ff. des BND-Gesetzes eine gute Regelung zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung getroffen worden ist. Wir stellen fest, dass eine gute Regelung in § 13 des BND-Gesetzes zur Kooperation im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung getroffen worden ist, und wir stellen fest, dass etwas Neues, nämlich das Unabhängige Gremium aus Richtern und Bundesanwälten, mit diesem Gesetz geschaffen wird. Das ist etwas Positives. Dass es neben der G 10-Kommission dieses Unabhängige Gremium gibt, stärkt die Kontrolle. Das ist etwas Gutes. Ich habe mich selber lange dafür ausgesprochen, dass wir das so machen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, vom Parlament weg! Sie vertrauen wahrscheinlich Richtern mehr, als Sie sich selbst vertrauen! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können ja nach Pullach ziehen!) Wir waren ja zusammen in Washington. Dort hätte man lernen können, was in Amerika an Reformen durchgeführt worden ist. Man hätte mitnehmen können, was andere schon gemacht haben, um hier etwas zu verbessern. So haben wir es gemacht. Das Unabhängige Gremium ist ein neuer guter Ansatz, von dem ich mir eine Stärkung der Kontrolle erhoffe. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Sensburg, ich muss Sie einmal unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Konstantin von Notz? Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Sehr gerne; denn meine Redezeit ist ja schon sehr knapp geworden. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Aber die Fragen können auch knapp sein und die Antworten darauf auch. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die ist total knapp. – Herr Kollege Sensburg, vielleicht können Sie kurz erläutern, was an einem Gremium, dessen Mitglieder von der Bundesregierung benannt werden, unabhängig ist? (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Ganz herzlichen Dank. – Herr Kollege von Notz, ich hole einmal etwas aus, um Ihnen das deutlich zu machen. Wir haben in unserem Untersuchungsausschuss – Sie kritisieren ja immer, dass die Bundesregierung mit ihm nicht zusammenarbeiten würde – inzwischen von der Bundesregierung 2 400 Aktenordner mit dezidiertem Material unserer Behörden erhalten. Wir haben 500 Aktenordner mit eingestuften Dokumenten – von Vertraulich bis hin zu Streng Vertraulich. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viel sind denn gesperrt? – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wie viel haben wir nicht gekriegt?) Wir haben inzwischen 102 Zeugen gemeinsam in vielen Sitzungen vernommen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Tat!) Immer wieder kommen wir an Themen heran, bei denen wir – Exekutive und parlamentarische Kontrolle – miteinander ringen, und dieses Ringen – das zeigt sich fast in jeder Sitzung – wohnt, glaube ich, der Gewaltenteilung – Herr Hahn, damit hatten Sie eben anscheinend ein Problem; Sie haben Exekutive und Legislative mehrmals verwechselt – inne. Wenn wir jetzt neben der G 10-Kommission, neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium, neben der Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) ein weiteres Gremium einrichten, (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das die Bundesregierung installiert! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das bei der Judikative angesiedelt ist!) das sich intensiv mit den Aspekten beschäftigen kann – Herr Kollege von Notz, interessiert Sie das noch? – (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja, aber Sie haben weit ausgeholt!) – sehr schön –, das kontrollieren kann (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sie sind nicht unabhängig!) und dem Parlamentarischen Kontrollgremium – – Ich probiere, die Frage zu beantworten. Es ist kaum möglich, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unabhängigkeit war das Stichwort!) weil der Kollege von Notz immer dazwischenruft. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielleicht könnten der Kollege von Notz und auch alle anderen daran denken, dass jetzt überwiegend der Herr Kollege Dr. Patrick Sensburg das Wort hat. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dann soll er etwas Vernünftiges erzählen!) Das wäre schön, damit man irgendwann dieses Frage-Antwort-Spiel beenden könnte. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre auch schön, wenn er die Frage beantworten würde!) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Dieses Unabhängige Gremium (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nicht unabhängig, weil Sie es so nennen!) berichtet dem Parlamentarischen Kontrollgremium, also uns, legt Berichte vor. Es geht hier um die klare Verantwortung, die bei der Nachrichtendienstkontrolle nicht ausschließlich dem Parlament aufgebürdet werden kann; bezüglich der Fach- und Dienstaufsicht hat sie die Bundesregierung. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum bestimmen wir nicht, wer das ist?) Dieses Gremium legt dem Parlamentarischen Kontrollgremium Berichte vor, sodass wir die klare Verantwortung auch für Sachverhalte, bei denen wir ringen müssten, festmachen können. Deswegen ist es ein Mehrwert. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht unabhängig!) Ein Satz vielleicht noch: Damit die Richter, die Mitglieder des Unabhängigen Gremiums, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist nicht unabhängig!) arbeiten können, ist es im Wege der demokratischen Legitimierung notwendig, sie zu ernennen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber vom Parlament, nicht von der Regierung!) Das kann die Bundesregierung, die wir aufgrund von Wahlen aus dem Parlament entstehen lassen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Staatsrecht I!) Das Prinzip der demokratischen Legitimierung hier infrage zu stellen, finde ich schon etwas unparlamentarisch. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich freue mich, wenn wir ein weiteres Gremium haben, das uns darin unterstützt, die Nachrichtendienste zu kontrollieren, und dieses Gremium schaffen wir. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abwegig!) Wir werden in der jetzt folgenden Beratung des vorgelegten Gesetzentwurfs bestimmte Dinge strittig diskutieren müssen, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) zum Beispiel, ob wir Regelungen noch vereinfachen können. Ich sehe in diesem Gesetz etwas, was ich aus Polizeigesetzen kenne: Ermächtigungsgrundlagen, Standardmaßnahmen, und dann folgt eine Vielzahl von Regelungen über den Datenschutz, die die Normen über die Ermächtigungsgrundlagen und die Standardmaßnahmen fast überwiegt. Ich würde mir wünschen, dass wir auf lange Sicht – das wird in diesem Gesetz sicherlich nicht mehr gelingen – eine gesetzliche Trennung von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst erreichen; wir sollten darüber nachdenken. Es muss uns gelingen, klarzumachen, dass die Verantwortung für die Dienst- und Fachaufsicht über die Dienste in erster Linie bei der Bundesregierung, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) beim Bundesinnenminister und beim Bundeskanzleramt, liegt. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Die gucken ja immer weg! Das ist das Problem!) Es wird uns nicht gelingen, hinter jeden Mitarbeiter der Nachrichtendienste einen Abgeordneten zu stellen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Deswegen ist im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht die Kontrolle gut aufgehoben. Wir kontrollieren die Bundesregierung, und das muss funktionieren. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann muss sie auch die Wahrheit sagen! Das ist wichtig!) Ein letzter Satz an uns alle. Wenn wir diese Aufgabe wahrnehmen und gut wahrnehmen, dann muss es auch so sein, dass wir in der Verantwortung für das Ganze mit den Dokumenten und Unterlagen, die wir erhalten, sorgsam umgehen, dass es keine Durchstechereien gibt (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Amerika funktioniert das!) und dass Bundesregierung und Bundestag Respekt voreinander haben. Ich kann als Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses sagen, dass wir im Ausschuss mit unseren Dokumenten immer ordentlich, immer sorgsam umgehen. Ich hoffe, dass das in allen anderen Ausschüssen – davon gehe ich aus – genauso passiert. (Dr. Eva Högl [SPD]: Und bei der Bundesregierung!) Ich wünsche der Bundesregierung, dass sie mit ihren Akten genauso sorgsam umgeht, wie wir es machen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Burkhard Lischka von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Burkhard Lischka (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem in der Debatte – ich finde, unnötigerweise – ein paar Emotionen hochgekocht sind, (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) möchte ich einfach mit ein paar Fakten anfangen. Wir hatten in diesem Jahr und im letzten Jahr allein in Europa über 1 000 Tote und Verletzte durch Terroranschläge, wir haben täglich Cyberattacken aus dem Ausland, und wir haben weltweit Krisen, so massiv wie schon lange nicht mehr. Wir haben internationale Verbrechen, organisiert durch einen Milliardenmarkt, der sich „organisierte Kriminalität“ nennt. Ich finde, das zeigt schon, dass wir in Deutschland einen schlagkräftigen Auslandsnachrichtendienst brauchen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlagen soll er nicht!) Der Bundesnachrichtendienst ist eine wichtige Institution. Herr Ströbele, ich weiß nicht, wie Ihnen das gegangen ist, aber als ich neu in das Parlamentarische Kontrollgremium gekommen bin und drei, vier Sitzungen mitgemacht habe, habe ich erlebt, wie der Bundesnachrichtendienst immer wieder um das Leben von deutschen Geiseln in den Händen von Terroristen und Kriminellen ringt und kämpft. Da habe ich gesagt: Jawohl, wir brauchen diesen Bundesnachrichtendienst. Ich finde, Herr Ströbele, der BND braucht sich für seine Arbeit wirklich nicht zu schämen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Er ist eine wichtige Institution für unsere Demokratie, für unsere Sicherheit. Das soll und das muss auch so bleiben. Was allerdings nicht bleiben darf, ist, dass er da teilweise ein Eigenleben führt, dass da immer wieder Eigenmächtigkeiten auffallen, dass es offensichtlich Abteilungen in diesem BND wie die Technische Aufklärung gibt, die niemandem sagen, was sie eigentlich tun. Und noch schlimmer: Die werden auch von niemandem gefragt. Ich finde das unwürdig für einen Nachrichtendienst in einem demokratischen Rechtsstaat, meine Damen und Herren. Was auch nicht bleiben darf, ist, dass durch Leichtfertigkeiten und Nachlässigkeiten des Bundesnachrichtendienstes selbst deutsche Bürger und Unternehmen in das Visier ausländischer Nachrichtendienste geraten, mit denen der BND kooperiert. Das darf nicht sein. (Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oder die eigene Botschaft!) Es darf erst recht nicht sein, dass dieser BND dann offensichtlich auch nach eigenem Gutdünken andere europäische Bürger und Institutionen ins Visier nimmt. Ich finde das geradezu grotesk. Wir haben in der letzten Sitzungswoche die Debatte über das Antiterrorgesetz gehabt. Da habe ich gesagt, es ist eigentlich ein Unding, dass wir hier in Europa noch nicht einmal eine gemeinsame Datenbank über Syrienkämpfer und terroristische Gefährder haben, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das sind die Beispiele, aber ihr macht ganz andere Sachen!) die den europäischen Sicherheitsbehörden zugänglich sind, aber dass andersherum genau dieselben Sicherheitsbehörden ihre wertvollen Ressourcen dafür vergeuden, sich noch untereinander auszuspionieren. Damit muss Schluss sein, und das machen wir mit diesem Gesetz. (Beifall bei der SPD) Wenn man diesen Gesetzentwurf wirklich einmal fair beurteilt, ist eines doch Geschichte: dass der BND einfach tun und machen kann, was er selbst für richtig hält. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir werden es sehen!) Ich meine, zur Wahrheit, Herr Hahn, gehört doch auch dazu, dass wir weltweit – bei allen Staaten – so ein regelloses Ausspähen haben, dass es keine Vorschriften gibt. Wir haben doch wirklich auch die groteske Situation, dass jeder Staat weltweit seine eigenen Bürger vor Spionage schützt, aber für die eigenen Nachrichtendienste sind die Bürger von anderen Staaten – wie es so schön heißt – zum Abschuss freigegeben. Da setzen wir klare Leitplanken. Ich will das hier nicht alles wiederholen. Aber Regelungen für diesen besonderen Schutz für europäische Bürger, Regierungen und Institutionen werden Sie zurzeit in keinem europäischen Gesetzblatt finden. (Dr. Eva Högl [SPD]: Aber bei uns!) Ein Verbot der Wirtschaftsspionage: Das ist weltweit einmalig. Auch mit diesem Eigenleben aufzuräumen, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt doch gar nicht allgemein!) dass der Präsident Telekommunikationsmaßnahmen anordnen muss, dass das Kanzleramt das genehmigen muss, dass wir hier ein unabhängiges Gremium schaffen, dass das genehmigen muss, ist ein solches Beispiel. Oder nehmen Sie Kooperationsvereinbarungen mit ausländischen Nachrichtendiensten: Die müssen dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt werden. Ich kenne das sonst so nicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde schon, da, wo wirklich ein bisschen im Graubereich und im Verborgenen herumgewurstelt wurde, stellen wir die Arbeit des BND, seine Befugnisse und seine Grenzen auf neue Füße. Das alles – ich sage es noch einmal – suchen Sie in den Gesetzesblättern anderer Staaten vergeblich. Wir haben das. Das ist kein Geheimnis. Das haben wir – da spreche ich uns auch gemeinsam an – gegen starke Widerstände durchgesetzt. (Dr. Eva Högl [SPD]: Ja! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Von Herrn Schäuble zum Beispiel! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Schäuble eigentlich?) Deshalb sage ich Ihnen, Herr Hahn, ganz offen: Ich halte Ihre Politik für kleinlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Nennen Sie mir bei der zweiten oder dritten Lesung einmal einen Staat, in dem Sie vergleichbare Regelungen gefunden haben. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: USA!) Ich sage Ihnen: Ein klares Nein, das werden Sie erleben. Sie haben eben auch ganz offen gesagt, worauf Ihre Kritik eigentlich beruht. Das ist, dass Sie den Bundesnachrichtendienst lieber heute als morgen abschaffen würden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das ist die eigentliche Triebfeder Ihrer Kritik. Deshalb reden Sie ja auch ständig davon, dass Telekommunikationsüberwachung – sobald man nur das Wort in den Mund nimmt – eine Massenausspähung ist. Das ist es nach diesem Gesetzentwurf nicht mehr. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bezüglich der Metadaten ist es das selbstverständlich!) Aber wir verzichten auch nicht, Herr von Notz, auf Kommunikationsüberwachung, weil wir nun einmal in einer Zeit leben, in der Terroristen und Kriminelle nicht mehr Brieftauben nutzen, sondern jeden Tag ihr Handy wechseln. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Solche Netzwerke müssen Sie auch überwachen. Aber wir stellen das auf neue Füße und entstauben diesen Dienst. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Auf tönerne Füße!) Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn alle anderen Staaten unserem Beispiel folgen würden, dann wäre das der Beginn eines Festes der Freiheits-, Bürger- und Menschenrechte, und zwar weltweit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache beendet. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/9041 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 37 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Steffi Lemke, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen Palmölproduktion verankern Drucksache 18/8398 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ich bitte Sie, die Plätze zügig zu tauschen und einzunehmen. Ich eröffne die Aussprache, für die 38 Minuten vorgesehen sind. Das Wort hat der Kollege Uwe Kekeritz, Bündnis 90/Die Grünen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am 11. November des letzten Jahres verkündete Landwirtschaftsminister Schmidt, dass er durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie in Deutschland zu 100 Prozent zertifiziertes Palmöl erreichen will. Zu diesem Zeitpunkt war in Indonesien längst eine der verheerendsten Umweltkatastrophen der vergangenen Jahre entfacht. Zwischen Juli und November 2015 wurden durch Brandrodungen in Indonesien 1,8 Millionen Hektar Torf- und Regenwälder zerstört, eine Fläche etwa so groß wie Sachsen. Heute, acht Monate nach der Ankündigung durch Minister Schmidt, erreichen uns wieder Berichte über Brände in Nordsumatra, Brände, die Platz schaffen sollen für neue Palmölplantagen. Einer Zertifizierung des Palmöls steht nichts im Wege. Der internationale Palmölboom hat nichts mit einer Petitesse zu tun. Millionen Hektar fruchtbaren Landes, Regen- und Torfwälder stehen mittelfristig und weltweit auf der Abholz- oder, vielleicht besser gesagt, Abbrennliste der Palmölproduzenten. Die klimatischen Folgen sind verheerend. Mit den vernichteten Regenwäldern geht bedeutender Artenreichtum für immer verloren, und Menschen vor Ort verlieren ihre Lebensgrundlage. Familien, ganze Dorfgemeinschaften werden mit Planierraupen vertrieben. Das Versprechen von guten Arbeitsplätzen in den Palmölplantagen ist reiner Hohn. Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich auf den Plantagen für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, werden eingeschüchtert, verfolgt und, wenn das nichts hilft, auch ab und zu ermordet. Diese Palmölwüsten belegen, wie inhaltsleer die Rhetorik des Landwirtschaftsministers, aber auch des Entwicklungsministers ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese Verhältnisse belegen das Scheitern einer Politik, die keine verbindlichen Lösungen schaffen will. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine Ursache für den sich ständig ausweitenden Hunger nach Palmöl ist aber auch die EU-Biokraftstoffpolitik. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Richtig!) Über 40 Prozent des in Europa verwendeten Palmöls landen mittlerweile im Tank. Dies wird durch die Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie leider gefördert, speziell durch die Beimischungspflichten. Das Märchen von der positiven CO2-Bilanz durch Biokraftstoffe ist seit 15 Jahren widerlegt, zuletzt durch eine Studie der EU-Kommission, die zunächst einmal in den Schubladen verschwunden ist und dann aufgrund des öffentlichen Drucks öffentlich gemacht wurde. Auch diese Studie belegt: Der Klimakiller Palmöl hat im Tank schlicht nichts zu suchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ein einziger Begriff macht die Konzeptlosigkeit dieser Bundesregierung deutlich. Es ist der Begriff „freiwillige Selbstverpflichtung“. Wie viele Jahre brauchen eigentlich die Minister Schmidt und Müller noch, um zu begreifen, dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht funktionieren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Müller und Schmidt überlassen es den Palmölproduzenten und den Palmölhändlern, die Spielregeln aufzustellen. Diese werden sicherlich keine Spielregeln aufstellen, die den Menschenrechten, der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit dienen. Ich muss Ihnen sagen: Das ist auch gar nicht die Aufgabe der Industrie. Das ist die Aufgabe der Politik. Es stellt sich nämlich die Frage, ob Politik die Globalisierung gestaltet oder die Globalisierung die Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ganz problematisch wird die Situation, wenn Politik zu feige ist, verbindliche Regeln aufzustellen. Diese Feigheit können wir uns schon lange nicht mehr leisten, weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch Müller und Schmidt haben die Unterzeichnung der Klimaerklärung in Paris und der Nachhaltigkeitsagenda in New York gefeiert, aber ihre konkrete Politik steht den Nachhaltigkeitszielen entgegen. Beide Minister wissen, dass wir so weder die Klima- noch die Nachhaltigkeitsziele erreichen werden. Beide Minister wissen auch, dass das RSPO-Siegel für Palmöl längst gescheitert ist. Das Siegel erlaubt die Umwandlung von Regenwäldern in Plantagen. Das Siegel limitiert keine Treibhausgasemissionen und lässt die Zerstörung bedeutender Torfböden zu. Das Siegel ist mitschuldig an Menschenrechtsverstößen usw. usf. Zusammengefasst kann man sagen: Das Siegel ebnet den Weg für schmutziges Palmöl in die globalen Lieferketten. Das ist nicht nur eine Aussage der NGOs. Auch der RSPO-Präsident und Unilever-Manager Jan Kees Vis bestätigt dies. Er sagt klipp und klar: Bisher kann man vor Ort keine Effekte durch RSPO sehen. Das RSPO gibt es seit zwölf Jahren. Wir müssen heute konstatieren: Es wird schlechter und bedrohlicher. Die Verbraucher und Verbraucherinnen – das sei auch gesagt – haben es satt, sich weiter durch einen undurchsichtigen Siegeldschungel kämpfen zu müssen. Wir benötigen Zuverlässigkeit, Klarheit und gesetzliche Lösungen, die von vielen Unternehmen befürwortet und gefordert werden. Viele Unternehmen haben eigene hohe Standards, die sie aber nur schwer einhalten können, weil eine unverantwortliche Politik es der Konkurrenz ermöglicht, diese Standards zu unterlaufen. Auch im Namen dieser Unternehmen fordere ich die Regierungskoalition und die Regierung auf: Holzen Sie den Siegeldschungel endlich ab, anstatt ihn weiter aufzubauen! Machen Sie Platz für einen fairen Wettbewerb durch klare, begründbare und verbindliche Regelungen! Ich bedanke mich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Jürgen Klimke, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Uwe Kekeritz, das war leider etwas einseitig grün. Beim Hemd mag man das ja noch akzeptieren, aber bei den Inhalten sollte man etwas ausgeglichener sein. Ich will versuchen, das bei dieser Thematik zu erreichen. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich gespannt! Jetzt kommt’s!) Völlig richtig: Palmöl ist überall. Wir haben es auf der einen Seite in Nahrungsmitteln, in Hautcreme, in Seife, in Sonnenmilch, in Lippenstiften. Es ist zudem in Schmiermitteln, bei Kerzen, in Farben und Lacken enthalten. 5 Prozent der Palmölernte werden weltweit als Rohstoff für die Strom- und Wärmeproduktion genutzt, und zwar als Biokraftstoff. Auf der anderen Seite ist der Rohstoff Lebens- und Einkommensgrundlage für viele Tausend Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele Arbeitsplätze gehen dabei verloren! Die Bauern werden vertrieben!) Aber der Segen für viele Kleinbauern ist oft ein Fluch für Umwelt und Gesundheit. Das muss man auch sehen und sagen. Während im letzten Jahr die Wälder in Indonesien – das ist gesagt worden – brannten, konnten viele Menschen in Teilen Südostasiens bis hin nach Singapur in den großen Städten nur mit Mundschutz über die Straße gehen. Das darf sich nicht wiederholen. (Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aktuell brennt es wieder!) Wir müssen auch sagen: Der Hauptmarkt für Palmöl ist nicht in Europa. Es sind Indien, Indonesien und China. Die EU kommt mit circa 10 Prozent erst an vierter Stelle. In Deutschland werden circa 2 Prozent der Weltproduktion von Palmöl verbraucht. China, Indien und Indonesien nutzen bereits 40 Prozent der weltweiten Produktion. Auch aus den Keimen der Palmölfrüchte wird Öl hergestellt, das sogenannte Palmkernöl. Hier liegt der deutsche Anteil am Verbrauch höher. Wir verbrauchen circa 8 Prozent der weltweit gehandelten Menge. Meine Damen und Herren, die Missstände bei der Produktion von Palmöl sind Fachleuten bekannt. Durch die verheerenden Wald- und Torfbrände in Indonesien wurden die negativen Begleiterscheinungen der Gewinnung des Rohstoffes auch weltweit der breiten Öffentlichkeit bewusst. Wie besorgniserregend diese Waldbrände waren, mag sich darin zeigen, dass die amerikanische Weltraumbehörde NASA sie als die bisher schlimmsten Waldbrände überhaupt bezeichnet hat. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Vielfach werden die Feuer absichtlich gelegt, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Von den Unternehmen!) um mit dem Mittel der illegalen Brandrodung Tropenwald zu beseitigen und anschließend auf den Flächen Palmplantagen anzulegen. Der Blick richtet sich in diesem Zusammenhang einerseits auf die Anbaugebiete. Dort werden oft durch Brandrodungen neue Anbauflächen geschaffen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Damit gehen der Verlust von wertvollen Primärwäldern, von Biodiversität sowie die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre einher. Andererseits muss sich der Blick auf unsere Verhaltensmuster richten. Es liegt in der Hand des Verbrauchers, die Herstellung von nachhaltigem Palmöl einzufordern. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Wie soll das denn der Verbraucher tun?) Er kann zertifizierte Produkte kaufen – oder eben nicht. Eine EU-Verordnung, die vorschreibt, Palmöl namentlich in der Zutatenliste aufzuführen, ist bereits in Kraft getreten. Das ermöglicht Verbrauchern, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man es lesen kann!) Das ist die Situation. Als Entwicklungspolitiker bin ich eindeutig an einer nachhaltigen Entwicklung im Bereich des Palmölanbaus interessiert – ich bin daran nicht nur interessiert, sondern setze mich dafür auch ein. Dabei dürfen Widersprüche nicht aus den Augen verloren werden: Auf der einen Seite fordern wir von unseren Entwicklungspartnern einen nachhaltigen Anbau von Palmöl. Auf der anderen Seite mischen wir Pflanzenöle in sogenannte Biotreibstoffe und subventionieren diese Treibstoffe wiederum. Die vermeintlichen Vorteile entlarven sich schnell als Trugschluss. Pflanzen, aus denen Biosprit gewonnen wird, müssen in den Boden gebracht, gedüngt, geerntet und verarbeitet werden. Es gibt weit verteilte Standorte. Die fertigen Produkte müssen transportiert und gelagert werden. Deshalb: Palmöl gehört nicht in den Tank. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommen wir mal zu den Maßnahmen der Regierung!) Ich möchte hier festhalten: Nicht das Palmöl an sich ist das Problem, sondern die Anbaumethoden und die Verwendung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb ist eine Förderung von nachhaltigem Palmöl von zentraler entwicklungspolitischer, klimapolitischer und gesundheitspolitischer Bedeutung. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie dafür?) Meine Damen und Herren, vor kurzem konnte ich bei einer Reise nach Indonesien einen Blick auf die Situation der Palmölplantagen vor Ort richten. Ich erhielt den Eindruck, dass auch bei unseren Partnern ein Umdenken eingesetzt hat. Die indonesische Regierung hat zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht. Zuletzt setzte die Regierung auf eine verstärkte Brandprävention und eine besser abgestimmte Brandlöschung. Das Abholzmoratorium, das Abholzverbot, wurde vom Präsidenten erneut verlängert. Das Forstministerium hat ein webbasiertes Frühwarnsystem eingeführt und nutzt Daten der NASA. Das indonesische Waldbrandüberwachungssystem ist übrigens in Echtzeit von jedem Smartphone erreichbar. Es finden regelmäßige Aufklärungsflüge statt. Regionale Waldbrandbüros wurden eingerichtet und Löschkanäle angelegt. Darüber hinaus investiert Indonesien in die Nachhaltigkeit des Palmöls – die Notwendigkeit hierzu hat man erkannt – und strebt in diesem Zusammenhang auch eine engere Zusammenarbeit mit den Importstaaten an. In der Übernahme der Verantwortung für den Anbau von Palmöl durch die Produktionsländer sehe ich einen zielführenden Ansatz. Die Umsetzung nationaler Gesetze und die Überwachung von Anbauverboten obliegen den jeweiligen Staaten. EU-Verordnungen und Siegel können nicht die notwendige Übernahme von Verantwortung vor Ort ersetzen, sondern nur einen Rahmen geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, lieber Uwe Kekeritz, ich gestatte mir einige Anmerkungen zu eurem Antrag. Erstens. Die eingeforderte verbindliche Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards ist ein wichtiges Anliegen der Koalition. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Kritik an bestehenden Referenzsystemen wie die des vom WWF initiierten runden Tischs für nachhaltig produziertes Palmöl ist zum Teil berechtigt. Meines Wissens setzt sich die Bundesregierung auch deshalb dafür ein, die bestehenden anerkannten Standardsysteme weiterzuentwickeln und zu verbessern. Zweitens. Die Forderung nach einer Reduktion des Palmölverbrauchs lässt außer Acht, dass Palmöl in großen Teilen von Kleinbauern produziert wird und deren Existenzgrundlage bildet. Die Reduktion von Palmöl würde zwangsläufig zu einem größeren Bedarf an Flächen für andere Rohstoffe führen, solange keine adäquate Alternative zur Verfügung steht. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es bleibt alles doch so, wie es ist!) Drittens. Die Produktion von Palmöl spielt eine gewichtige Rolle als Devisenbringer für Entwicklungs- und Schwellenländer. So macht die Produktion von Palmöl zusammen mit der Fischerei und der Forstwirtschaft immerhin 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Indonesiens aus. Viertens. Zur Forderung nach einer Erarbeitung und Ratifizierung der ILO-Konvention und der UN-Konvention in Bezug auf arbeitsrechtliche Fragen: Die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 über indigene Völker und das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt unterliegen derzeit der formalen Prüfung. Es besteht also kein Handlungsbedarf; denn es wird schon gehandelt. Fünftens. Die Forderung, bilaterale Regierungsverhandlungen mit palmölproduzierenden Ländern zu nutzen, um die Rechte der indigenen Minderheiten einzufordern, erweist sich in der Praxis als schwierig und fordert eine Abwägung. Am Beispiel Indonesien zeigt sich, dass Brandrodung zwar unter Strafe steht und mit Geldstrafen belegt wird, doch gerade bei indigenen Völkern gehört diese Landgewinnung auch zur Tradition, sodass sich nicht immer zwischen Brauchtum und illegaler Absicht unterscheiden lässt; zumal ein Funke ausreicht, um die trockenen Torfböden in Brand zu setzen. Meine Damen und Herren, es zeigt sich, dass die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen auf dem Gebiet veranlasst hat. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche? Sie haben doch keine Maßnahmen der Bundesregierung aufgezählt!) Halten wir fest: Wenn der Bedarf weiterhin so rasant steigt, müssen auf lange Sicht Alternativen zum Palmöl gefunden werden; es ist auch eine Frage des Verbrauches bei uns. Bis dahin gilt es, nachhaltigere Formen des Palmölanbaus zu fordern, ohne die betroffenen Entwicklungs- und Schwellenländer ihrer wirtschaftlichen Grundlagen zu berauben. Der Vorteil von Palmöl ist derzeit sein hoher Ertrag auf relativ geringer Fläche, gemessen an Pflanzen wie Soja und Raps. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bleibt es auch bei den Waldbränden!) Das Ausweichen auf jene beiden Pflanzenöle würde das Problem lediglich verlagern, zum Beispiel nach Brasilien oder Argentinien. Zum Ende möchte ich drei Entwicklungen nennen, die Zeichen für ein Umdenken sind. Erstens. Investitionen in Forschung und Technik zur Gewinnung alternativer Öle sind notwendig. (Beifall der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]) Zweitens. Zunehmend sollte die Verantwortung der Unternehmen eingefordert werden. Drittens. Deutschland hat im Dezember 2015 mit den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien und Frankreich die Amsterdamer Deklaration unterzeichnet. Die Unterzeichner unterstützen politisch die Zielsetzung, die Privatwirtschaft in den nachhaltigen Anbau von Palmöl einzubinden. Das ist richtig. Das schafft vernünftige Rahmenbedingungen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sind auf einem guten Wege. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, sind Sie nicht!) Wir sollten weiter voranschreiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Niema Movassat, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Niema Movassat (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Klimke, ich muss sagen: Ihre Rede war wirklich erstaunlich. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja, was wir alles können!) Sie nennen die Probleme beim Palmöl. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er sehr gut benannt!) Dann sagen Sie: Lösung – der Verbraucher soll sich darum kümmern; er soll schauen, welches Siegel ein Produkt hat. Später sagen Sie: Es gibt gar keine richtig guten Siegel. Ich muss sagen: Das ist wirklich eine Bankrotterklärung der Politik. Die Politik ist dafür zuständig, die Regeln festzulegen. Man kann nicht einfach sagen: „Irgendwer soll sich darum kümmern“, (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vor allem, wenn man weiß, dass Palmöl für Millionen von Menschen auf der Welt ein Albtraum ist. Seit 1970 ist die weltweite Palmölproduktion von 1 Million Tonnen auf 56 Millionen Tonnen gestiegen. Insbesondere in Malaysia und Indonesien breiten sich die Palmölplantagen wie ein Virus aus, und dieser Palmölvirus hat mittlerweile weite Teile Lateinamerikas und Afrikas erfasst und hinterlässt überall verbrannte Erde; denn um Plantagen anzulegen, werden Regenwälder abgeholzt und abgebrannt und Torfböden zerstört. Das hat verheerende Auswirkungen auf die Biodiversität und das Klima. Aber auch die Auswirkungen für die Menschen vor Ort sind dramatisch: Ihr Land wird geraubt, ihre Luft wird verpestet, ihr Wasser wird verseucht. Wer im Palmölsektor arbeitet – wir sprechen allein über 3,5 Millionen Menschen in Indonesien und Malaysia –, der durchlebt oft die Hölle. Menschenrechtsverletzungen, Missachtung grundlegender Arbeitsrechte, Vergiftung durch Dünge- und Spritzmittel, all das ist für die Arbeiter dort an der Tagesordnung. Dieser Palmölwahnsinn muss gestoppt werden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber nicht nur für die Natur und für die Arbeiter ist Palmöl schädlich. Es ist auch für uns Konsumenten schädlich. So hat die Europäische Lebensmittelbehörde erst vor kurzem gewarnt, dass Palmöl eine große Menge Giftstoffe enthält. Dieses Gift schädigt menschliches Erbgut und kann Krebs auslösen. Doch ob Nutella oder Tiefkühlpizza, es ist schwierig, verarbeitete Nahrungsmittel zu finden, die kein Palmöl enthalten. Unilever, Nestle und Co., die großen Lebensmittelkonzerne, schwören auf Palmöl, weil es vielfältig einsetzbar ist, aber vor allem, weil es für sie unschlagbar billig ist. Hauptsache, der Profit stimmt – das ist die Devise der Konzerne, egal wie sehr Mensch und Natur darunter leiden. Das ist schändlich. Die Politik ist gefragt, diesem rücksichtslosen Profitstreben Einhalt zu gebieten. (Beifall bei der LINKEN) Vor zwei Wochen hat das französische Parlament Pläne für eine höhere Besteuerung von Palmöl, die sogenannte Nutella-Steuer, in letzter Minute abgeblasen, auch auf Druck der Nahrungsmittelindustrie. Ich finde es schade, dass in dem Antrag der Grünen, den ich sonst gut finde, Pläne für eine solche Steuer fehlen; denn diese Steuer wäre ein erster und wichtiger Schritt, um den Palmölboom zu bremsen. (Beifall bei der LINKEN) Diesen Boom hat nicht nur die Wirtschaft zu verantworten; vielmehr hat ihn die Bundesregierung aktiv befeuert. Die Förderung sogenannter Biokraftstoffe wie E 10 hat die Palmölimporte in die EU und nach Deutschland in die Höhe schnellen lassen. In Deutschland wird heute mehr als die Hälfte des importierten Palmöls zur Energieproduktion verwendet. Dieser Import findet auch unter dem Label „Klimaschutz“ statt. Aber das Verrückte ist, dass man mit Palmölimporten zwar den Bedarf an fossilen Kraftstoffen senkt, dafür in den Entwicklungsländern aber Menschenrechte verletzt und Regenwälder zerstört werden, und am Ende des Tages wachsen damit die Klimaprobleme weiter. Um es klar zu sagen: Biokraftstoffe haben mit Klimaschutz nichts zu tun. Der richtige Weg zum Klimaschutz ist, den Energieverbrauch hierzulande zu senken. (Beifall bei der LINKEN – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist ja dasselbe Prinzip, wie wenn man sagt, man sollte auf Lippenstifte verzichten!) Die Bundesregierung fördert die Palmölproduktion übrigens auch direkt über die staatseigene DEG, die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft. Die DEG finanziert den Agrarmulti Feronia, der im Kongo eine Fläche halb so groß wie das Saarland gepachtet hat, um Palmöl zu produzieren, und das, obwohl die Nichtregierungsorganisation GRAIN illegale Landaneignungen, Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten sowie menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den Plantagen nachgewiesen hat. Feronia ist trotz all dieser Menschenrechtsverletzungen Mitglied des Roundtable on Sustainable Palm Oil. Das ist ein freiwilliger Nachhaltigkeitsstandard, den WWF und Industrie gemeinsam entwickelt haben; darum ging es heute ja auch schon. Die Bundesregierung setzt auch auf diesen Standard. Das Beispiel Feronia zeigt aber – das ist wahrlich kein Einzelfall –, dass dieser freiwillige Standard nicht das Papier wert ist, auf dem er gedruckt worden ist. (Beifall bei der LINKEN) Ich frage mich wirklich, wie viele Belege die Bundesregierung noch braucht, bis sie einsieht, dass unser zerstörerisches Wirtschaftssystem nicht an freiwilligen Selbstverpflichtungen von Unternehmen genesen wird. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich sage es einmal so: Eine Lawine stoppt ihre todbringende Talfahrt ja auch nicht durch gutes Zureden, sondern durch klar gesetzte Absperrungen. – Was wir für die Palmölproduktion brauchen, sind Absperrungen, sind starke, verbindliche Umwelt- und Sozialstandards; da unterstütze ich den Antrag der Grünen. Zugleich müssen wir aber Wege finden, die Palmölproduktion insgesamt zu drosseln, das heißt, den enormen Energie- und Rohstoffverbrauch unseres Wirtschaftssystems endlich einzudämmen. Ansonsten wird der Palmölvirus immer mehr und mehr Flächen befallen und Mensch und Natur gleichermaßen dahinraffen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächstes hat der Kollege Stefan Rebmann, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Stefan Rebmann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gehört – das spüren wir ja auch –, dass der Anbau von Palmöl höchst umstritten ist. Wir haben schon mehrfach gehört, was die Palmölproduktion bedeutet: Es findet eine Rodung von Tropenwäldern im großen Stil statt. Allein im Kongo wurden 2,8 Millionen Hektar für Plantagen gerodet. In Indonesien sind 57 Prozent der Entwaldung allein darauf zurückzuführen, dass dort Palmöl produziert werden soll. All das hat Auswirkungen auf die Umwelt, auf die Tierwelt, auf die Menschen vor Ort und auf den Wasserhaushalt in den betroffenen Regionen. Natürlich hat das auch Auswirkungen auf unser Klima. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Maßnahmen der Regierung!) Das alles spüren wir dann natürlich auch zeitverzögert hier bei uns, zumindest was den Klimawandel betrifft. Palmölplantagen bedeuten also Treibhausgasemissionen in ungeahnten Höhen durch Brandrodungen und dergleichen. Sie bedeuten Landkonflikte durch Vertreibung von einheimischen Kleinbauern und nicht selten die komplette Missachtung der Landrechte indigener Minderheiten und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den Plantagen. Das alles muss man leider mit dem industriellen Anbau von Palmöl verbinden. Inwieweit Palmöl, das wir nahezu ausschließlich aus Entwicklungs- und Schwellenländern beziehen – wir haben schon gehört, dass 85 Prozent aus Indonesien und Malaysia kommen –, schon unseren Alltag beeinflusst – wir haben gehört, wo überall Palmöl eingesetzt wird –, ist vielen von uns gar nicht bewusst. Mir war es bis vor wenigen Wochen auch nicht so bewusst. Das eine oder andere wusste ich, aber nicht in dieser Dimension: dass 68 Prozent des produzierten Palmöls in die Nahrungsmittelindustrie gehen. Wir kennen alle den schokoladenartigen Brotaufstrich, den Kinder morgens gern essen (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Meine Kinder nicht!) und den auch ich in der Vergangenheit gern gegessen habe. Wir kennen das alles: 27 Prozent der Produktion gehen in Kosmetika, Putz- und Reinigungsmittel, und 5 Prozent – das haben wir auch schon gehört, je nachdem, welche Zahlen man nimmt – werden im Kraftstoff verwendet. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind völlig veraltete Zahlen! Es sind 41 Prozent, die heute in den Tank gehen!) – Ja, Kollege, ich habe ja – hör richtig zu – gesagt: Je nachdem, welche Zahlen man verwendet. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Veraltete oder neue!) Ich sage selbstverständlich auch: mit extrem steigender Tendenz. Wenn man sich das gerade beim Kraftstoff anschaut, sieht man innerhalb von sechs Jahren eine Steigerung – wenn die Zahl richtig ist – um 365 Prozent. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Maßnahmen der Regierung!) Du siehst also, Kollege, ich habe den Antrag durchaus gelesen. Wir wissen natürlich: 58 Millionen Tonnen werden insgesamt produziert, und 10 Prozent davon gehen in die EU. Wenn wir jetzt die Auswirkungen des Palmölanbaus auf die vielen betroffenen Menschen vor Ort, also die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die indigene Bevölkerung, die Landbevölkerung, auf diejenigen, die dort vertrieben werden, auf das Klima, die Umwelt auf der einen Seite betrachten und uns auf der anderen Seite den steigenden Verbrauch, die enorme Nachfrage in den Industriestaaten vor Augen führen, dann stellen wir fest: Es ist eine enorme Schieflage zuungunsten der Entwicklungs- und der Schwellenländer da. Es ist schon ein Punkt, wo wir sagen müssen: Das ist eine enorme Schieflage zuungunsten der Länder und ihrer Umwelt, und dem müssen wir deutlich entgegenwirken. Ich sage aber auch: Wir müssen nicht nur entgegenwirken, sondern auch besonnen entgegenwirken. Ich sage das deshalb, weil der Kollege Klimke schon recht hat, dass nicht wenige Kleinbauern von den Einnahmen leben müssen, da dies ihre einzige Einnahmequelle ist, die sie zur Verfügung haben, um ihre Familie zu ernähren. Nicht wenige Entwicklungsländer verbinden mit dem Export von Palmöl auch die Hoffnung auf zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Einnahmen. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Arbeitsplätze werden ja durch die industrielle Produktion zerstört!) Ich betone: die Hoffnung. Wer also, lieber Kollege, den Anbau und den Verbrauch von Palmöl quasi untersagen will – was euer Antrag ja nicht fordert; das will ich hier deutlich sagen –, schießt eigentlich am Ziel vorbei, und es ist auch unrealistisch. Aber die hohen Erträge und günstigen Herstellungskosten machen diese Pflanze natürlich sehr attraktiv und behindern auch ein zügiges Ersetzen dieser Pflanze. Palmöl ist nun einmal dreimal so ertragreich wie Raps und beansprucht ein Sechstel der Fläche für Soja. Trotzdem finde ich: Wir können da eine ganze Menge tun. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank wächst sie in Deutschland nicht!) Wir Entwicklungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion sind für verbindliche, einklagbare soziale Umweltstandards – nicht nur beim Palmöl, sondern generell. Dazu gehören effektive Beschwerde- und Sanktionsrechte, damit Arbeitnehmer ihre Rechte auch einklagen können. Dazu gehören Gewerkschaftsrechte und faire Löhne. Dazu gehört, dass wir bei Handelsverträgen mit anderen Staaten die verbindliche Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen einfordern. Dazu gehört, dass multinational agierende Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette zu garantieren. Ich sage: Wir brauchen mehr Transparenz, mehr Verbindlichkeit und ein Mehr an Verantwortung, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch so, dass es eingefordert werden kann. Ich sage auch: Wir Entwicklungspolitiker der SPD sind, glaube ich, auf einem guten Weg. Wir haben in dem Bereich schon einiges auf den Weg gebracht. Unser Antrag „Gute Arbeit weltweit“, den dankenswerterweise viele Kolleginnen und Kollegen in der Koalition namentlich mitgezeichnet haben und damit persönlich dokumentiert haben, wie wichtig ihnen gute Arbeit weltweit ist, beweist das, glaube ich, nachdrücklich. Mit der Umsetzung der CSR-Richtlinie und dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, der gerade erarbeitet wird, müssen wir die nächsten Schritte konsequent und vor allen Dingen verbindlich umsetzen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Ziel muss sein, dass gut gemeinte, gut gemachte und ordentlich formulierte Anträge wie dieser – das will ich bei dem Antrag, den wir gerade debattieren, gar nicht in Abrede stellen –, die sich auf sektorale Produktionen, auf einzelne Produkte, auf Produktlinien oder auf einzelne Lieferketten beziehen, nicht mehr notwendig sind, weil verbindliche Sozial- und Umweltstandards, Menschenrechtsstandards, Unternehmensverantwortung und faire Arbeitsbedingungen sowie faire Löhne überall gelten und eingehalten werden müssen und notfalls auch eingeklagt werden können. Ich finde, das muss unser Ziel sein. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das verhindert diese Regierung: dass verbindliche Standards kommen!) – Kollege, zuhören. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist nicht seine Stärke!) Beim Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte sage ich recht deutlich: Wir müssen liefern. Ein Jahr lang haben sich Zivilgesellschaft, NGOs, Stiftungen, Gewerkschaften und viele Verbände mit ihrem Expertenwissen sehr konstruktiv, sachbezogen und lösungsorientiert eingebracht und sich dabei engagiert. Dieses Wissen und Engagement kann man nicht einfach mit einem Federstrich zur Seite wischen, auch die BDA nicht, möge sie seit wenigen Tagen über noch so gute Beziehungen zum Finanzministerium verfügen. Ich sage auch: Politisches Handeln muss durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden, weil es wichtig ist, dass die Menschen wissen, was in unseren Produkten enthalten ist. Denn nur dann, wenn sie wissen, was in den Produkten drin ist, können sie sich für Alternativprodukte entscheiden. Damit sind wir schon beim Thema Transparenz und Siegel. Aus meiner Sicht ist es ein durchaus schwieriges Unterfangen. Die Grundidee der Siegel halte ich für sehr gut. Unser Problem ist allerdings, dass wir eine ganze Reihe von Siegeln haben, die nicht das halten, was sie versprechen. Wir haben auch eine ganze Reihe von Siegeln, die im Grunde nur zu Werbezwecken erfunden wurden. Deshalb bin ich der Auffassung: Wir müssen da politisch handeln. Wir müssen Rahmenbedingungen vorgeben. Ich finde, das ist mit eine Aufgabe von Politik. Ich freue mich darauf, in den Wochen nach der Sommerpause, lieber Kollege Kekeritz, dieses Thema in den Fachausschüssen weiter zu verfolgen, weiter zu begleiten. Ich glaube, die Arbeit daran lohnt sich; denn es geht um gute Arbeit weltweit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt spricht Peter Stein, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Peter Stein (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es wurde schon vieles gesagt, deshalb will ich mich einmal ein bisschen mit dem Produkt Palmöl beschäftigen. Palmöl hat mittlerweile 30 Prozent Marktanteil, wodurch es weit vor dem Sojaöl liegt. Im Jahre 2015 sind tatsächlich knapp 60 Millionen Tonnen produziert worden, 85 Prozent davon allein in Malaysia und Indonesien. Die Anbauflächen dort haben sich seit 1990 verzehnfacht. Das zeigt die Dimension, über die wir hier reden. Laut WWF plant allein Indonesien, die Plantagen bis 2025 auf etwa 20 Millionen Hektar zu erweitern – die Hälfte davon auf Borneo, was 13 Prozent dieser Insel ausmachen würde. Auch das ist eine enorme Dimension. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bedarf an pflanzlichen Ölen, Speiseölen und Fetten, steigt weiterhin stark an – weniger in Europa, aber besonders in Afrika und Asien. Dort werden gerade Palmöle aufgrund der ausgezeichneten klimatischen Stabilität als Speisefette verwendet. Palmölprodukte haben besondere energetische Eigenschaften, die sich auch hinsichtlich Nachhaltigkeit und Erneuerbarkeit von Energie besser nutzen lassen. Die im Antrag der Grünen genannten 1,9 Millionen Tonnen, die verbraucht werden – ich nehme an, das ist eine aktuelle Zahl, Herr Kekeritz –, machen für europäische Kraftstoffe allerdings gerade einmal 3 Prozent des Weltverbrauches aus. Der Biodiesel mit Palmölanteil erreicht dabei hohe Cetanzahlen. In Fahrversuchen konnte ein um bis zu 45 Prozent geringerer Partikelausstoß und ein um bis zu 20 Prozent geringerer Stickoxidausstoß festgestellt werden. Ein weiterer Vorteil sind die geringeren Kosten der Herstellung, die gegenüber anderen Biodieselarten bei rund einem Viertel liegen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum ist das so billig!) Außerdem erzielt man mit der Ölpalme mit durchschnittlich 3,7 Tonnen pro Hektar den mit Abstand höchsten Ertrag unter den Ölpflanzen. Er ist fünfmal höher als der von Soja und dreimal so hoch wie der von Raps. Damit ist er am flächensparendsten. Das geht übrigens auch aus einem aktuellen Informationsblatt des WWF hervor. Palmölprodukte haben darüber hinaus besondere gesundheitliche Eigenschaften. Sogenanntes rotes Palmöl enthält eine ungewöhnlich hohe Konzentration von Carotinen und Vitamin E. Bereits ein Esslöffel enthält mehr als die empfohlene Tagesdosis. Ein Schwachpunkt ist jedoch der hohe Anteil an gesättigten Fettsäuren. Diese können sich bei übermäßigem Verzehr negativ auf die Blutfettwerte, vor allen Dingen auf das Cholesterin, auswirken. Auch eine Schädigung von Gefäßwänden kann dadurch entstehen. Eine Folge kann daneben die Begünstigung von Gefäßverkalkung sein. Das trifft allerdings auch auf andere pflanzliche Öle und Fette zu. Palmölprodukte haben besondere Lebensmitteleigenschaften. Palmöl eignet sich wie kaum ein zweites pflanzliches Fett gut zum Erhitzen, da darin kaum mehrfach ungesättigte Fettsäurereste gebunden sind, die sich beim Erhitzen in bedenkliche Fettsäurereste umlagern könnten. Palmkernöl ist bei Raumtemperatur fest; bei Körpertemperatur schmilzt es jedoch rasch ab, und es hinterlässt im Mund einen angenehmen Kühleffekt. Es findet bei uns daher zu einem großen Teil Verwendung bei der Herstellung von Margarine, oder es kann auch zu hochwertigen Spezialfetten für die Süßwarenindustrie umgewandelt werden. Zudem wird es aufgrund seiner Schmelzeigenschaften für Eiscremes, Schokoladen, Toffees und Karamell verwendet. Palmkernöl hat besondere grundstoffliche Eigenschaften. Es wird für die Herstellung von Tensiden, den waschaktiven Stoffen in konventionellen sowie ökologischen Reinigungsmitteln, eingesetzt. Alle Wasch- und Reinigungsmittel enthalten Anteile von 3 bis 30 Prozent Tenside, welche entweder aus Erdöl oder aus pflanzlichen Ölen – hauptsächlich Palmkernöl – hergestellt werden. Mit immer größeren Anbauflächen, besonders in Asien, sowie dem Trend zu nachwachsenden Rohstoffen ist der Anteil von Tensiden auf Palmölbasis stark zunehmend. Palmöl ist Basis in Wasch- und Reinigungsmitteln und derzeit nicht deklarationspflichtig; das ist richtig. Daher wird es bei den Inhaltsstoffen auch nicht explizit erwähnt. Liebe Kollegen von den Grünen, da Sie die Deklarationspflicht für Tenside, die aus Palmöl hergestellt werden, fordern, müssten Sie dies auch für Tenside aus Erdöl einfordern. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann jeden Vorschlag zerreden, wenn man will! Aber Alternativen sollten genannt werden!) Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Verbraucher im Sinne Ihres Antrages entscheiden würden, wenn sie die Wahl zwischen pflanzenöl- und erdölbasierten Produkten hätten. Vor allen Dingen wüsste ich auch gerne einmal, wie Sie sich selber entscheiden würden, wenn Sie die Wahl hätten. Palmfette haben derart besondere Eigenschaften, dass sie tatsächlich ohne Qualitäts- oder Geschmacksverluste kaum durch andere Produkte ersetzt werden könnten. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist völlig falsch!) Mancher süße Brotaufstrich wäre ohne Palmfett krümelig oder würde schnell ranzig, und Biodiesel wäre nicht marktfähig. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor zehn Jahren hatten wir nur krümelige Butter! Ich erinnere mich genau! Das ist doch Quatsch! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nutella gab es schon vor fünfzig Jahren!) Aufgrund des aktuell tatsächlichen Palmöl- und Palmkernölverbrauchs in all diesen Produkten ist ein Verzicht darauf als Rohstoff unmöglich; ich glaube, darin sind wir uns einig. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch!) Wenn Palmöl jedoch in großem monokulturellem Maßstab angebaut wird und dafür tropischer Regenwald vernichtet wird, dann sind die Auswirkungen auf die Umwelt mehr als negativ. Dazu tragen jedoch weniger unsere Verbrauchsgewohnheiten bei, sondern neben dem erheblichen Bevölkerungswachstum auch die Regelungen der Herstellerstaaten in Asien und Afrika. So muss seit 2007 in Malaysia der Diesel 5 Prozent verestertes Palmöl enthalten. Zudem unterstützt die malaysische Regierung aufgrund steigender Mineralölpreise den Bau von Palmöl-Biodiesel-Anlagen im Land. Liebe Kollegen der Grünen, Sie haben in Ihrem Antrag völlig zu Recht auf die Missstände in der Palmölproduktion hingewiesen, schießen aber in den übrigen Punkten über das Ziel hinaus. (Beifall des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie das, was über das Ziel hinausschießt! Nennen Sie mal den Teil, den Sie unterstützen!) Das gilt zum Beispiel für die Kennzeichnungspflicht, die nicht wirklich hilft, sondern wieder nur verunsichern würde. Das gilt besonders für Ihr Lieblingsthema, lieber Kollege Kekeritz, die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass es zur produzierten Menge an Palmöl auch in der Zukunft keine Alternative gibt. Das geht tatsächlich nicht alleine in kleinbäuerlichen Strukturen. Für Ihr Anliegen werden Sie auch bei den Herstellerländern keine Unterstützung finden. An diesem Punkt werden Sie das Rad nicht zurückdrehen. Palmöl an sich ist in der Verwendung bei uns kein problematisches Produkt, im Gegenteil. Daher ist der wichtigste Ansatz in den Herstellerländern zu finden. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was schlagen Sie vor?) Sie können völlig sicher sein, dass wir als Regierungskoalition an jeder erdenklichen Stelle in der Entwicklungszusammenarbeit und gerade bei der Umsetzung der Projekte über GIZ, KfW und DEG wie bisher in dieser Legislatur stets darauf achten werden, dass es, wo immer möglich, ein faires Einbinden der lokalen und staatlichen Strukturen des Partnerlandes gibt, und zwar auf Augenhöhe. (Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Problem: Das findet nicht statt!) Dazu stehen wir in dieser Bundesregierung. Punktlandung: Ich habe noch fünf Sekunden Redezeit. Als letzter Redner wünsche ich Ihnen allen eine schöne Sommerpause. Wer noch Urlaub hat, dem wünsche ich einen schönen Urlaub und viel Freude im Wahlkreis. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das war schon der Hinweis darauf, dass wir jetzt die Aussprache beenden. Nach einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen wird vorgeschlagen, die Drucksache 18/8398 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. – Ich sehe, dass Sie damit einverstanden sind. Dann ist das der Fall. Die Überweisung ist beschlossen. Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 6. September 2016, 10 Uhr, ein. Ich hoffe, dass Sie in der jetzt anstehenden sitzungsfreien Zeit die Gelegenheit haben, zur Ruhe zu kommen. Ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen alles Gute. (Schluss: 14.57 Uhr) Berichtigung 183. Sitzung, Seite 18094 D, zweiter Absatz, erster Satz, ist wie folgt zu lesen: „Nun beschweren sich die Kollegen der Grünen immer noch darüber, dass wir die berufsvorbereitenden Maßnahmen für Geduldete erst nach 15 Monaten zugänglich machen.“ Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 08.07.2016 Bär, Dorothee CDU/CSU 08.07.2016 Barley, Dr. Katarina SPD 08.07.2016 Böhmer, Dr. Maria CDU/CSU 08.07.2016 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 08.07.2016 Dehm, Dr. Diether DIE LINKE 08.07.2016 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 08.07.2016 Gunkel, Wolfgang SPD 08.07.2016 Hintze, Peter CDU/CSU 08.07.2016 Höger, Inge DIE LINKE 08.07.2016 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 08.07.2016 Jung, Dr. Franz Josef CDU/CSU 08.07.2016 Jung, Xaver CDU/CSU 08.07.2016 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.07.2016 Kipping, Katja DIE LINKE 08.07.2016 Kudla, Bettina CDU/CSU 08.07.2016 Launert, Dr. Silke CDU/CSU 08.07.2016 Leidig, Sabine DIE LINKE 08.07.2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 08.07.2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.07.2016 Müller (Chemnitz), Detlef SPD 08.07.2016 Obermeier, Julia CDU/CSU 08.07.2016 Petzold, Ulrich CDU/CSU 08.07.2016 Pflugradt, Jeannine SPD 08.07.2016 Pilger, Detlev SPD 08.07.2016 Poschmann, Sabine SPD 08.07.2016 Poß, Joachim SPD 08.07.2016 Rawert, Mechthild SPD 08.07.2016 Rohde, Dennis SPD 08.07.2016 Schäfer (Bochum), Axel SPD 08.07.2016 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.07.2016 Schindler, Norbert CDU/CSU 08.07.2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 08.07.2016 Steffen, Sonja SPD 08.07.2016 Tank, Azize DIE LINKE 08.07.2016 Werner, Katrin DIE LINKE 08.07.2016 Wicklein, Andrea SPD 08.07.2016 Zimmermann, Pia DIE LINKE 08.07.2016 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg), Edelgard Bulmahn, Dr. h. c. Gernot Erler, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Ulli Nissen, Dr. Simone Raatz, Gerold Reichenbach, René Röspel, Svenja Stadler, Christoph Strässer und Kerstin Tack (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen beim EEG 2017 durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen – zur Wahrung der Akteursvielfalt – die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann eine Teilhabe an der Energiewende über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Dies ist ein wichtiger Schritt, da nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung haben, so jedoch über ihre Kommune beteiligt werden können. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Darüber hinaus war bereits im Kabinettsentwurf verankert, dass Bürgerenergiegesellschaften keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen müssen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen konnte die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte zur Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – durchsetzen. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, wie etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnung sollen demnächst Mieterstrommodelle ermöglicht werden. Wir stärken an dieser entscheidenden Stelle das schwächste Glied in der Energieversorgungskette, nämlich die Mieterinnen und Mieter als Endverbraucher. Durch Mieterstrommodelle schaffen wir eine wesentliche Voraussetzung, dass die Energiewende nun auch die Städte erreicht. Damit werden wir einen Beitrag zur klimaneutralen Stromversorgung leisten und gleichzeitig die Mieterinnen und Mieter entlasten. Privatpersonen und kleine Unternehmen können Dach-Photovoltaikanlagen weiter nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw. zum Selbstverbrauch errichten. Für den Bereich Wind onshore konnte gegen den Willen des Koalitionspartners das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorliegenden, zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit am Ausschreibungsverfahren geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führen kann. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird sich zeigen müssen, ob die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure nicht dennoch zu einer Hürde werden könnte. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, dies jedoch in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, wird zu hinterfragen sein, ob unsere Klimaschutzziele erreicht werden können. Insofern ist es problematisch, dass mit der CDU/CSU keine Regelung möglich war, bezuschlagte nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sein werden. Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen würde bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite „Strahlkraft“. Allein in Deutschland entstanden im Bereich der erneuerbaren Energien weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2016 erste Anknüpfungspunkte bietet. In einer Gesamtabwägung werden wir daher dem Gesetz zustimmen. Entscheidend dafür ist vor allem, dass wir keinen technologischen Fadenriss erleben und beim Mieterstrom und der Sektorkopplung wichtige Durchbrüche erzielt haben. Wir brauchen wirksame Klimaschutzmaßnahmen und daraus abgeleitete Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien über die Sektoren hinweg. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriela Heinrich und Martina Stamm-Fibich (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen. Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitionspartner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorgenommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde darstellen. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors. Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Prozent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage. Alle fünf hiernach im Rahmen der Öffentlichen Anhörung am 4. Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind. Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze. Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden. Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“. Eine dahingehende Evaluation, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden. Nach der EU-Beihilfeleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Regelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich. Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Akteursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschreibungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt. Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung. Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet. Unter Berücksichtigung der genannten Punkte haben wir uns dazu entschieden, uns bei der Abstimmung zu enthalten. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hilde Mattheis und Dr. Nina Scheer (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – die Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen. Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitionspartner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorgenommenen sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß den Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde darstellen. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteuren teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors. Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Prozent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage. Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4. Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind. Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze. Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden. Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“. Eine dahin gehende Evaluation, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden. Nach der EU-Beihilfeleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Regelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich. Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Akteursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschreibungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt. Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung. Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet. In einer Gesamtabwägung kommen wir mit Blick auf die genannten energiewendebeschränkenden Auswirkungen der EEG-Novelle trotz unserer intensiven und auch erfolgreichen Bemühungen, in wichtigen Fragen zielführende Veränderungen herbeigeführt zu haben – etwa die Sektorkopplung und die Akteursvielfalt betreffend –, zu dem Schluss, mit Nein zu stimmen. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) Marco Bülow (SPD): Die Novellierung des EEG wird die Energiewende nicht stärken, sondern eher bremsen. Die EEG-Novelle wird auch nicht dazu beitragen, dass Deutschland seine Innovationskraft oder Technologieführerschaft im Bereich erneuerbarer Energien beibehält. Zudem befürchte ich eine Einschränkung der Akteursvielfalt zuungunsten von kleineren Anbietern. Von einigen Fraktionsmitgliedern konnten einzelne Verbesserungen durchgesetzt werden, aber insgesamt bleibt die EEG-Reform ein Irrweg, dem ich nicht zustimmen kann. Ausschreibungen sind der falsche Weg: Ausschreibungsmodelle waren schon immer eine Option von denen, die einen Erfolg der erneuerbaren Energien verhindern wollten. Keinem Land, das darauf gesetzt hat, ist es gelungen, die Erneuerbaren effizient am Markt zu etablieren. Laut Aussagen von Experten in der öffentlichen Anhörung haben 30 bis 40 Prozent der Marktteilnehmer, die sich bei den Ausschreibungen durchsetzen konnten, dann letztendlich gar keine Anlagen gebaut. Es gibt keinerlei Mechanismus im neuen EEG, mögliche Fehlmengen bei künftigen Ausschreibungsrunden auszugleichen. Es besteht die Gefahr, dass die Dynamik beim Erneuerbaren-Ausbau gebrochen oder zumindest gedämpft wird. Schon bei der letzten EEG-Novelle 2014 habe ich mit Nein gestimmt, weil ich die Pilotausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen schon damals als Einstieg in den Ausstieg aus dem bisherigen EEG angesehen habe. Der jetzt durch die Reform vollzogene komplette Regimewechsel weg von der Preissteuerung hin zur Mengensteuerung stellt für mich das Grundproblem der aktuellen EEG-Novelle dar. Wir verfügen über keinerlei dauerhafte positive Erfahrungen damit. Eine bessere Planbarkeit der Energiewende bzw. des Erneuerbaren-Ausbaus hätte man im Übrigen auch über andere Maßnahmen erreichen können (besseres Monitoring, bessere Koordinierung und Austausch der Länder bzw. Genehmigungsbehörden etc.). Es wäre dringend notwendig, Möglichkeiten für eine Korrektur dieses – vermutlich falsch – eingeschlagenen Weges zu schaffen, beispielsweise durch eine Befristung des Ausschreibungssystems und einer danach möglichen Rückkehr zum bisher bestehenden System. Da es sich bei der Ausweitung der Ausschreibungen auf große Photovoltaik-Anlagen sowie Wind On- und Offshore ohne jegliche Erfahrungen um ein ökonomisches Großexperiment für ganz Deutschland handelt, ist auch die Frage der Evaluation entscheidend. Daher sollte es nach den ersten Jahren sowohl eine umfassende und unabhängige Auswertung – die über den EEG-Erfahrungsbericht hinausgeht – als auch einen neuen politischen Mehrheitsbeschluss geben müssen, Ausschreibungen weiterführen zu wollen. Es muss von einer unabhängigen Institution überprüft werden, ob zum Beispiel die Ausbauziele erreicht werden, ob es tatsächlich eine höhere Kosteneffizienz als mit dem bisherigen System gibt, die Akteursvielfalt erhalten bzw. ausgebaut wird etc. Kritisch sehe ich auch die Situation für die Windenergie. Schon die 10H-Regelung war eine Windenergieverhinderungsmaßnahme. Wenn südliche Bundesländer den Windausbau behindern und gleichzeitig die Ausbauzahlen im Norden bzw. den „Netzausbauregionen“ deutlich reduziert werden, die wichtigste erneuerbare Energie in Deutschland also in vielen Teilen der Republik beschnitten wird, dann bleibt die Frage, wie die Energiewende gelingen soll. Hinzu kommt, dass bald – nach Ende der 20-jährigen Förderung eine größere Zahl an alten Windanlagen vom Netz gehen wird. Die 10H-Regelung müsste rückgängig gemacht werden, wir bräuchten Lösungen für die bald wegfallenden Altanlagen, und auch die Zubaureduzierung im Norden müsste durch andere innovative Lösungen ersetzt werden. Es gibt bereits genügend Ideen, wie man Windanlagen anders auslegen oder Stromüberschüsse anderweitig nutzen kann. Der Rückgang der Arbeitsplätze im Bereich der Photovoltaik war in den letzten Jahren enorm. Tausende haben ihren Job verloren. Da es sich aber um eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen handelt, stehen diese nicht so sehr im Fokus – anders als wenn beispielsweise einige wenige große Unternehmen der Automobilbranche auch nur damit drohen, in größerem Maße Mitarbeiter zu entlassen. Dieser Trend darf sich nicht fortsetzen. Wir müssen zudem auch endlich dafür sorgen, dass die großen Unternehmen mehr für das Klima tun. Jetzt noch mehr Unternehmen Vergünstigungen bei der EEG-Umlage zu gewähren, ohne – wie ursprünglich beschlossen – von diesen Effizienzmaßnahmen einzufordern, geht absolut in die falsche Richtung. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den eingeschlagenen Weg schon länger nicht konsequent fortsetzen und unser Energiesystem nicht wirklich den neuen Anforderungen entsprechend umbauen. Wir setzen damit auch den Klimaschutz bewusst aufs Spiel. Bei der Energiewende wird vorrangig problematisiert, verzögert und gezaudert. Mit Mut und Zuversicht sollten wir vorangehen, denn viele Länder schauen darauf, was in Deutschland passiert. Statt zu bremsen, brauchen wir endlich eine breitangelegte Offensive. Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen. Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitionspartner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorgenommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem Parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde darstellen. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteuren teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors. Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Prozent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht in Frage. Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4. Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind. Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze. Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden. Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“. Eine dahingehende Evaluation, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden. Nach der EU-Beihilfeleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Regelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich. Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Akteursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschreibungen zunächst zu überprüfen, blieben leider ungenutzt. Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben wurden zuletzt eindringlich auf der Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlung entwickelt. Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, nicht alle erhalten geblieben sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet. In einer Gesamtabwägung bin ich zu dem Schluss gekommen, mich bei der Abstimmung des Gesetzentwurfes in der dritten Lesung zu enthalten. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen – zur Wahrung von Akteursvielfalt – die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot (Bonus für Bürgerenergie), womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen. Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitionspartner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorgenommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde darstellen. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors. Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Prozent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage. Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4. Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind. Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze. Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden. Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“. Eine dahingehende Evaluation, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden. Nach der EU-Beihilfeleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Regelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich. Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Akteursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschreibungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt. Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung. Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet. In der Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile werde ich mich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf enthalten. Ulrich Kelber (SPD): Meine Zielsetzung bleibt: Wir brauchen eine möglichst schnelle vollständige Umstellung unserer Energieerzeugung auf erneuerbare Energien. Dies ist möglich, weil die Preise für die erneuerbare Erzeugung weiter sinken, und es ist notwendig, wenn wir unsere Zusagen zum weltweiten Klimaschutz und zum Ausstieg aus den fossilen Energien einhalten wollen. Ich werde mich dabei weiter für eine Beschleunigung dieser Umstellung gegenüber den Ausbaupfaden des EEG 2016 bzw. des Koalitionsvertrags, aber auch gegenüber allen anderen früheren Zielen, einsetzen. Mit dem EEG 2016 wird das bisherige Einspeisevergütungssystem auf mengengesteuerte Ausschreibungen umgestellt. Dies darf kein Selbstzweck sein, sondern muss regelmäßig auf seine Wirksamkeit überprüft werden – Wirksamkeit dahingehend, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien kontinuierlich weitergeht und die Akteursvielfalt in diesem Bereich erhalten wird. In den Verhandlungen der letzten Wochen, in die ich mich mit mehreren Vorschlägen eingebracht habe, wurden einige deutliche Verbesserungen gegenüber den ersten Entwürfen erreicht, sodass ich dem Gesetzentwurf in Anerkennung dieser Verbesserungen in seiner jetzigen Form trotz Bedenken gegen einzelne Regelungen zustimme. Diese wichtigen Verbesserungen sind insbesondere: Bürgerenergiegesellschaften erhalten eine faire Chance, bei den Ausschreibungen zum Zuge zu kommen, weil sie keine teuren Vorplanungen erstellen müssen. Zusätzlich zu dieser Regelung orientiert sich die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, an dem höchsten berücksichtigten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –. Das Modell sichert auch den kleineren Akteuren eine Vergütung zu marktüblichen Preisen. Privatpersonen und kleine Unternehmen können zum Beispiel Dach-Photovoltaikanlagen ohnehin weiter nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw. zum Selbstverbrauch errichten. Damit wird die Akteursvielfalt gesichert. Mieterstrom-Modelle und kleinteilige Quartierslösungen zum Beispiel über Kraft-Wärme-Kopplung sollen verstärkt gefördert werden. Über eine Verordnungsermächtigung ermöglichen wir, dass zukünftig – wie schon lange von mir gefordert – auch Mieter vom Ausbau der erneuerbaren Energien profitieren können, indem ihr Vermieter ihnen den Strom vom Dach preisgünstig und ohne EEG-Umlage zur Verfügung stellt. In Gebieten, in denen sogenannte Netzengpässe bestehen, soll Strom aus erneuerbaren Energien im Zusammenspiel mit Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen für die Wärmeerzeugung genutzt werden. Sollten die Wärmeerzeugungskapazitäten nicht ausreichen, kann die verbliebene Strommenge auch über andere Technologien eingesetzt werden. Dies ist ein dringend notweniger Einstieg in die sogenannte Sektorkopplung, also in die Verknüpfung der Bereiche Strom, Wärme und Verkehr. Ungelöst, und damit in der Wiedervorlage, bleibt die Tatsache, dass das seit 2009 bestehende Strommarktmodell den erneuerbaren Strom auf den Spotmarkt verdrängt. Versorger können sich unbegrenzt im Voraus mit fossilem Strom eindecken und prüfen dann nur, ob der erneuerbare Strom bei Lieferung noch preisgünstiger ist als die reinen Brennstoffkosten. Dadurch verfällt der Wert erneuerbarer Energien immer mehr. 2015 wurde gegenüber 2009 doppelt so viel Vergütung an die Betreiber erneuerbarer Energieanlagen ausgeschüttet, dafür musste aufgrund dieses Marktmodells aber sechsmal so viel EEG-Umlage eingesammelt werden. Ich will einen Strommarkt, in dem die erneuerbaren Energien im Mittelpunkt stehen und die immer weiter zurückgehende fossile Stromerzeugung nur noch ergänzt. Dafür werde ich weiter arbeiten. Daniela Kolbe (SPD): Ich stimme dem Gesetzentwurf mit großen Bauchschmerzen zu. Vor allem aufgrund der vielen Verbesserungen, die im parlamentarischen Verfahren erreicht worden sind. Für mich als Nichtfachpolitikerin ist es durch den extrem engen Zeitplan kaum möglich, die vielen wichtigen Details in der notwendigen Tiefe zu würdigen. Bei mir bleibt der Eindruck, dass wir insbesondere durch die rigiden Ausbaukorridore die Energiewende zu stark ausbremsen. Zu den Verbesserungen im Einzelnen: Im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen wird – zur Wahrung der Akteursvielfalt – die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann eine Teilhabe an der Energiewende über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Dies ist ein wichtiger Schritt, da nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung haben, so jedoch über ihre Kommune beteiligt werden können. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Darüber hinaus war bereits im Kabinettsentwurf verankert, dass Bürgerenergiegesellschaften keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen müssen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen konnte die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte zur Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – durchsetzen. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, wie etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnung sollen demnächst Mieterstrommodelle ermöglicht werden. Wir stärken an dieser entscheidenden Stelle das schwächste Glied in der Energieversorgungskette, nämlich die Mieterinnen und Mieter als Endverbraucherinnen und Endverbraucher. Durch Mieterstrommodelle schaffen wir eine wesentliche Voraussetzung, dass die Energiewende nun auch die Städte erreicht. Damit werden wir einen Beitrag zur klimaneutralen Stromversorgung leisten und gleichzeitig die Mieterinnen und Mieter entlasten. Privatpersonen und kleine Unternehmen können Dach-Photovoltaikanlagen weiter nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw. zum Selbstverbrauch errichten. Für den Bereich Wind onshore konnte gegen den Willen des Koalitionspartners das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorliegenden, zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen, liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit am Ausschreibungsverfahren geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führen kann. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird sich zeigen müssen, ob die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure nicht dennoch zu einer Hürde werden könnte. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, dies jedoch in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, wird zu hinterfragen sein, ob unsere Klimaschutzziele erreicht werden können. Insofern ist es problematisch, dass mit der CDU/CSU keine Regelung möglich war, bezuschlagte nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sein werden. Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen würde bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite “Strahlkraft“. Allein in Deutschland entstanden im Bereich der erneuerbaren Energien weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2016 erste Anknüpfungspunkte bietet. Insgesamt ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen im Parlamentarischen Verfahren, wichtige Änderungen beim EEG 2017 durchzusetzen. In einer Gesamtabwägung werde ich daher dem Gesetz zustimmen. Entscheidend dafür ist vor allem, dass wir keinen technologischen Fadenriss erleben und beim Mieterstrom und der Sektorkopplung wichtige Durchbrüche erzielt haben. Wir brauchen wirksame Klimaschutzmaßnahmen und daraus abgeleitete Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien über die Sektoren hinweg. Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD): Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Veränderungen bei der Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen – zur Wahrung von Akteursvielfalt – die Möglichkeit der Teilnahme von Kommunen gestärkt. Die Teilhabe an der Energiewende kann auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. So haben alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung über ihre Kommune. Teilhabe ist ein besonders wichtiges Kriterium zur Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen. Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitionspartner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorgenommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde darstellen. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2016 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors. Damit steht das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Prozent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag infrage. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind. Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2016 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze. Das EEG 2016 droht zu einer Innovationsbremse zu werden. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen. In einer Gesamtabwägung kann ich dem EEG 2016 in der vorliegenden Form leider nicht zustimmen und werde mich bei der Abstimmung enthalten. Bettina Müller (SPD): Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt. So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen. Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden. Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, etwa Speicher, verwendet werden können. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen. Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitionspartner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt. Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte. Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden. In den nun vorgenommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen, liegen allerdings auch Hemmnisse. Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive. Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre. Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben. Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstellung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Mengensteuerung eingeführt. Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsverfahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann. Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmodellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt. Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden. Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde darstellen. So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems. In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukorridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen. Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors. Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Prozent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage. Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4. Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien. Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien. Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Dies bedeutet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind. Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze. Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden. Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“. Eine dahingehende Evaluation, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden. Nach der EU-Beihilfeleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Regelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich. Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Akteursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschreibungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt. Mit Hilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen. Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit verfügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie. Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken. Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen. Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen. Das für die Erfolge der Energiewende bislang maßgebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung. Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet. In einer Gesamtabwägung werde ich daher dem Gesetz nicht zustimmen. Entscheidend dafür ist vor allem, dass wir keinen technologischen Fadenriss erleben und beim Mieterstrom und der Sektorkopplung wichtige Durchbrüche erzielt haben. Wir brauchen wirksame Klimaschutzmaßnahmen und daraus abgeleitete Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien über die Sektoren hinweg. Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): Entgegen den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag werden wichtige Energieeffizienzanreize nicht hinreichend verfolgt und umgesetzt. Auch zukünftig bieten sich Anreize für Energieverschwendung bei noch mehr energieintensiven Unternehmen. Industrieausnahmen im EEG sind richtig und wichtig, sollten jedoch stärker an Energieeffizienzfortschritte geknüpft werden. Ich stimme dem Gesetz dennoch zu, weil wichtige Aspekte nun im EEG berücksichtigt werden. Dazu zählen unter anderem der Systemwechsel von Festvergütung zu Strommengenausschreibungen, der besser verzahnte Ausbau der Windenergie auf See mit dem Stromnetzausbau an Land oder die angepasste Härtefallregelung für energieintensive Unternehmen. Dr. Martin Rosemann (SPD): In unserer Staatsordnung spielt der Deutsche Bundestag, das Parlament, eine zentrale Rolle im Gesetzgebungsverfahren. Die Möglichkeit zu haben, sich intensiv mit einem Gesetzentwurf zu beschäftigen, bevor ich darüber abstimme, ist für meine Arbeit als Abgeordneter von entscheidender Bedeutung. Beim vorliegenden Gesetzentwurf liegen zwischen erster und zweiter/dritter Lesung zwei Tage. Angesichts der vielfältigen weiteren Aufgaben, die ein Parlamentarier in Sitzungswochen parallel zu erledigen hat, ist eine intensive, kritische Auseinandersetzung bei einem Gesetz mit mehreren hundert Seiten in zwei Tagen schlicht unmöglich. Bei einem Gesetz von dieser Tragweite wird ein so kurzer Zeitraum dem parlamentarischen Anspruch nicht gerecht. Zudem bleiben bei mir Zweifel, ob der mit dem jetzigen EEG eingeschlagene Weg geeignet ist, die Energiewende so fortzusetzen, dass die Klimaziele erreicht werden, die Möglichkeiten der unterschiedlichen Formen regenerativer Energien voll genutzt werden und eine vielfältige Akteurslandschaft unter maßgeblicher Beteiligung von kommunalen Stadtwerken und Bürgerenergiegenossenschaften sichergestellt wird. Allerdings ist es der SPD-Bundestagsfraktion im parlamentarischen Verfahren gelungen, wertvolle Veränderungen zugunsten einer stärkeren Beteiligung von Bürgerenergiegenossenschaften und Stadtwerken durchzusetzen. Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit diesen wichtigen Akteuren der Energiewende Chancen auf Teilhabe gegeben wird. Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorlegen. Somit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart. Im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt wird auch die Möglichkeit der Teilnahme von Kommunen gestärkt. Dies wird dadurch erreicht, dass Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten zu einer eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden. Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entstehen. Dass dadurch neben den Hausbesitzern auch die Mieter an den finanziellen Vorteilen der Energiewende beteiligt werden, ist für mich ein wichtiger Erfolg. Aufgrund dieser weiteren Veränderungen stimme ich trotz der bestehenden Bedenken der EEG-Novelle zu. Die EEG-Novelle ist ein schwieriger Kompromiss in einer Großen Koalition mit einem Partner, der mehrheitlich andere Vorstellungen von Energiepolitik hat. Zugleich ist das EEG 2016 eine Fortschreibung des EEG 2014, das seinerseits bereits ein Kompromiss war. Mit der Umstellung von einer festen Einspeisevergütung auf Ausschreibungen betreten wir Neuland. Und es bleiben Zweifel, ob die Regelungen für kommunale Stadtwerke und Bürgerenergiegenossenschaften ausreichen, um diesen gleiche Wettbewerbschancen zu geben. Deshalb ist es wichtig, in den kommenden Jahren die Wirkungen der jetzigen Regelungen genau zu beobachten und gegebenenfalls nachzusteuern. Das gilt insbesondere dann, wenn sich zeigen sollte, dass es durch die Ausschreibungen zur Einschränkung der Akteursvielfalt und zu einer Verlagerung auf Großinverstoren kommen sollte. Sarah Ryglewski (SPD): Das EEG schafft Planungssicherheit für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland. Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen beim EEG 2017 durchzusetzen. So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen die Akteursvielfalt gestärkt. Positiv ist auch, dass Privatpersonen und kleine Unternehmen weiterhin Dach-Photovoltaikanlagen nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw. zum Selbstverbrauch errichten können und Bürgerenergiegesellschaften gestärkt werden. So leistet das EEG einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Energieversorgung in Deutschland. Klar ist aber auch, die Energiewende ist nicht allein mit Kleinanlagen zu stemmen. Um eine verlässliche Energieversorgung zu gewährleisten, braucht es grundlastfähige Kraftwerke wie die Offshore-Parks in Nord- und Ostsee. Hier ist Deutschland bisher Vorreiter. Sowohl, was die technologische Innovation, als auch die industrielle Fertigung angeht. Mit den jetzt im EEG vorgesehenen Ausbauschritten für die Offshore-Windenergie bis 2030 ist diese Vorreiterrolle in Gefahr. Ein Ausbau von nur 500 MW in den Jahren 2021 und 2022 gefährdet nicht nur Arbeitsplätze in Bremen und Bremerhaven, sondern birgt auch die Gefahr, dass Deutschland technologisches Know-how unwiederbringlich verloren geht und Unternehmen ins Ausland abwandern. Ich halte es für einen Fehler und einen Fehlanreiz, mit dem Verweis auf den fehlenden Netzausbau die Entwicklung der Offshore-Windenergie zu drosseln. Ich erwarte, dass alle Anstrengungen unternommen werden, die nötigen Leitungskapazitäten auszubauen, und es dann auch möglich ist, die Ausbauschritte für Windenergie auf See anzupassen. Für eine solche Regelung werde ich mich im weiteren Verlauf einsetzen, damit Arbeitsplätze in Bremen, Bremerhaven und ganz Norddeutschland erhalten bleiben. In der Gesamtabwägung werde ich dem Gesetz zustimmen, weil es Planungssicherheit für die Akteure der Energiewende schafft. Anlage 6 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/1929, 18/2048 Nr. 4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/2445, 18/2530 Nr. 13 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/3372, 18/3482 Nr. 1.2 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/5064, 18/5162 Nr. 11 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung (TA) Bilanz der Sommerzeit Drucksache 18/8000 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG) Drucksache 16/4146 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostendeckung im öffentlichen Personennahverkehr Drucksachen 18/8180, 18/8461 Nr. 1.1 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Petitionsausschuss Drucksache 18/8140 Nr. A.1 EP P8_TA-PROV(2016)0062 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/7286 Nr. A.6 Ratsdokument 14306/15 Drucksache 18/7934 Nr. A.9 Ratsdokument 5441/16 Drucksache 18/8140 Nr. A.11 Ratsdokument 6819/16 Drucksache 18/8140 Nr. A.12 Ratsdokument 7039/16 Drucksache 18/8668 Nr. A.17 KOM(2016)199 endg. Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/8936 Nr. A.19 EP P8_TA-PROV(2016)0237 Drucksache 18/8936 Nr. A.22 Ratsdokument 9706/16 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/8771 Nr. A.5 EP P8_TA-PROV(2016)0225 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/8470 Nr. A.23 Ratsdokument 7747/16 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/8668 Nr. A.26 Ratsdokument 8002/16 1)  Anlagen 2 bis 5 2)  Ergebnis Seite 18239 D --------------- ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 184. Sitzung, Berlin, Freitag, den 8. Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 184. Sitzung, Berlin, Freitag, den 8. Juli 2016 V Plenarprotokoll 18/184