+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Reaktorsicherheit

Kontroverse um Laufzeiten von Atomkraftwerken

Atomkraftwerk Philippsburg in Baden-Württemberg

Atomkraftwerk Philippsburg in Baden-Württemberg (dpa - Fotoreport)

Eine Große Anfrage der SPD-Fraktion (17/832) zu der von der Bundesregierung geplanten Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken hat am Freitag, 11. Juni 2010, im Plenum erneut zu heftigem Streit über die Nutzung der Kernkraft geführt. In der 45-minütigen Aussprache prallten die Meinungen von Koalitions- und Oppositionspolitikern hart aufeinander. Während die Sozialdemokraten der Koalition vorwarfen, die Interessen der Atomlobby gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen zu wollen, verteidigten die Redner von CDU/CSU und FDP die Nutzung der Atomenergie als „notwendige Brückentechnologie“. Ein Antrag, mit dem die SPD Laufzeitverlängerungen verhindern wollte, scheiterte allerdings an den Stimmen der Koalition (17/1980).

In der Debatte hielt der SPD-Politiker Ulrich Kelber der schwarz-gelben Regierung vor, sich in eine „atomare Wageburg geflüchtet“ zu haben. Die Befürworter längerer Laufzeiten seien auf ein „kleines, verlorenes Häuflein“ zusammengeschrumpft, das sich dort verschanzt habe und versuche, die eigenen Interessen und die der Atomlobby gegen die Mehrheit der Bevölkerung und der Experten durchzusetzen.

„Schwarz-Gelb hat sich in die atomare Wagenburg geflüchtet“

Aber selbst unter den Anhängern von CDU/CSU und FDP schwinde inzwischen die Unterstützung, behauptete Kelber und verwies etwa auf die ablehnende Haltung des Städtetags - und die fehlende Mehrheit für eine Laufzeitverlängerung im Bundesrat.

Besonders kritisierte der Sozialdemokrat deshalb Überlegungen innerhalb der Koalition, die Laufzeitverlängerungen ohne Zustimmung der Länder zu beschließen. „Obwohl selbst die Juristen aus dem Innen- und Justizministerium warnen, dass dies ein Weg mit erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken ist!“ Kleber kündigte an, die SPD werde notfalls ein Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht anstrengen.

„Wir brauchen die Atomkraft noch“

Auf diese Drohung wollte Thomas Bareiß (CDU/CSU), Koordinator für Energiepolitik, gar nicht eingehen. Er riet seinem Vorredner stattdessen, weniger „Bonanza“ zu schauen und lieber die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Dann wäre klar, dass Deutschland die Kernenergie als „Brückentechnologie“ noch dringend benötige.

Ziel der Bundesregierung sei es zwar, eine Energiepolitik basierend auf erneuerbaren Energien aufzubauen und gleichzeitig die vereinbarten Klimaziele bis zum Jahr 2020 zu erreichen. „Doch bis zu diesem Datum schaffen wir es nicht, die Atomkraft vollständig durch erneuerbare Energien zu ersetzen“, gab Bareiß zu bedenken. Schließlich sei bis dahin noch viel zu tun. Der CDU-Politiker nannte als Stichworte den Netzausbau und den Aufbau von Speichertechnologien.

„Laufzeitverlängerungen sind kontraproduktiv“

Dorothee Menzner, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, widersprach Bareiß: Selbst das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten komme zu dem Ergebnis, dass Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke weder notwendig noch sinnvoll seien. „Sie sind sogar in ökologischer und ökonomischer Hinsicht kontraproduktiv“, betonte die Abgeordnete.

Tatsächlich müssten immer wieder Windräder abgeschaltet werden, weil sie zuviel Strom produzierten - und Atomkraftwerke nicht auf solche Überkapazitäten flexibel reagieren könnten. Menzner griff auch ein weiteres Argument auf, das in der Diskussion von Befürwortern von Laufzeitverlängerungen oft angeführt wird: Die geringeren Kosten der Atomkraft gegenüber anderen Energien.

Diese bezeichnete die Politikerin jedoch als „Mär“. Rechne man Subventionen, Steuern sowie die Kosten für solche „Desaster“ wie etwa im atomaren Zwischenlager Asse II zusammen, so sei klar: „Atomkraft ist überhaupt nicht billig - ganz zu schweigen von dem Aspekt der Sicherheit.“

„Sicher, klimaschonend und bezahlbar“

Michael Kauch, umweltpolitischer Sprecher der FDP, verteidigte den energiepolitischen Kurs der Bundesregierung: „Diese Koalition geht den Weg ins regenerative Zeitalter.“ Ihr Energieprogramm ziele auf eine sichere, bezahlbare und klimaschonende Energieversorgung. Bis 2050 sei es möglich, eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien zu gewährleisten, betonte der Liberale. Doch bis dahin seien es noch 40 Jahre, die überbrückt werden müssten.

„Und was in dieser Zwischenzeit geschehen soll, darauf gibt die Opposition keine Antwort“, monierte Kauch. Zur Not noch „ein paar Gaskraftwerke zu bauen und die Abhängigkeit von russischen Gas zu erhöhen“ sei jedenfalls keine verantwortliche Alternative.

Die Bundesregierung werde ihr energiepolitisches Konzept bald vorlegen, in dem die Atomkraft als Teil eines Energiemixes auch in Zukunft eine Rolle spielen werde, so der Politiker. Wie Laufzeitverlängerungen beschlossen werden sollten, darüber sei aber noch keine Entscheidung in der Koalition gefallen „Seien Sie sicher, es wir eine verfassungsfeste Lösung geben“, sagte Kauch in Richtung der SPD.

„Noch immer keine Lösung in der Endlagerfrage“

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete Laufzeitverlängerungen als „schlechte Lösung“ für Umwelt und Sicherheit. Sie behinderten zudem den Aufbau einer nachhaltigen und effizienten Energieversorgung. „Gut ist diese Lösung nur für die Taschen der Konzerne“, kritisierte die Abgeordnete. Die Abhängigkeit von russischem Gas, die ihr Vorredner Kauch befürchte, erscheine ihr nicht halb so „gespenstisch“ wie die noch immer ungelöste Endlagerfrage.

Eine Laufzeitverlängerung von etwa 28 Jahren werde aber die Menge des bis zum vereinbarten Ausstiegs aus der Atomkraft anfallenden Atommülls verdoppeln, warnte Kotting-Uhl. Und das, obwohl allen bewusst sein müsse, dass weder die Kapazitäten der Zwischenlager ausreichten noch die Frage der Endlager geklärt sei. Die Abgeordnete forderte die Koalition auf, auf die Meinung der Gutachter zu hören und von den geplanten Laufzeitverlängerungen Abstand zu nehmen.

Marginalspalte