+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Gesundheit

Verhandlungen sollen zu niedrigeren Arzneimittelpreisen führen

Arzneimittel

(picture alliance)

Im Jahr 2009 gab es einen neuen Rekord: 30,7 Milliarden Euro haben die gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel ausgeben. Das sind 1,5 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2008 - eine Steigerung um 5,2 Prozent. Damit soll nun Schluss sein. Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes, den der Bundestag am Freitag, 9. Juli 2010, ab 12.40 Uhr in erster Lesung 45 Minuten lang beraten wird, sieht Regelungen vor, mit denen die Kassen jährlich zwei Milliarden Euro einsparen sollen.

„Arzneimittelpreise vereinbaren“

Kernpunkt ist die vorgesehene Verpflichtung der Pharmaunternehmen, künftig den Nutzen für neue Arzneimittel nachzuweisen und innerhalb eines Jahres den Preis des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu vereinbaren. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle mit Wirkung ab dem 13. Monat nach Markteinführung über den Arzneimittelpreis.

Für Arzneimittel ohne Zusatznutzen wird die Erstattungshöhe begrenzt auf den Preis vergleichbarer Medikamente. Damit soll die Praxis, dass die Pharmaunternehmen die Preise für ihre Produkte quasi selbst festgelegt haben, beendet werden.

„Bonus-Malus-Regelung aufheben“

Weiterhin, so heißt es in dem Gesetzentwurf, werde der unübersichtliche Arzneimittelmarkt in der gesetzlichen Krankenversicherung „dereguliert“. Die bürokratische „Bonus-Malus-Regelung“, die Strafzahlungen für Ärzte vorsieht, die festgelegte Therapiekosten überschreiten, soll aufgehoben werden.

Gleiches soll für die Zweitmeinungsregelung gelten. Diese sieht vor, dass besonders kostenintensive Therapien nur von der Kasse übernommen werden, wenn der verschreibende Arzt eine Zweitmeinung zu dem Thema eingeholt hat.  Damit würden die „Wirtschaftlichkeitsprüfungen verschlankt“ und Ärzte in ihrer täglichen Arbeit entlastet, heißt es zur Begründung.

„Transparenz und fairer Wettbewerb“

Aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) werden mit dem Gesetz „grundlegende strukturelle Änderungen im Arzneimittelmarkt auf den Weg gebracht und gleichzeitig die schwierige Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit geschafft“.

„Das Gesetz sorgt für Transparenz für die Versicherten und einen fairen Wettbewerb“, schätzt der Gesundheitsminister ein. Auch der Koalitionspartner ist zufrieden mit dem Entwurf. CDU/CSU-Gesundheitsexperte Jens Spahn nannte es eine „fast historische, zumindest aber revolutionäre Entscheidung“. Eine „bürgerliche Koalition“ schaffe es, die mächtige Pharmaindustrie in die Schranken zu weisen und endlich an die Preiskette zu legen.

„Weichen werden falsch gestellt“

Bei eben jener Pharmaindustrie kommen die geplanten Regelungen erwartungsgemäß nicht so gut an. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, Bernd Wegener, kritisierte: „Nach Preismoratorium und Zwangsrabatten werden jetzt auch wichtige Weichen zur Struktur des Arzneimittelmarktes falsch gestellt.“

Auch der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller lehnt die geplanten Änderungen ab. Wenn Verhandlungen zwischen Industrie und Kassen künftig auf den Spitzenverband der Kassen konzentriert würden, schaffe dies ein „Nachfragemonopol und damit das Gegenteil von Wettbewerb“, erklärte Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Als „überfällig“ und „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnete es hingegen der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, dass die Industrie nicht länger die Preise nach „Gutdünken“ festlegen könne, sagte dessen stellvertretender Vorstandsvorsitzender Johann Magnus von Stackelberg.

Grüne: Einigungszwang fehlt

Der Opposition hingegen gehen die vorgesehenen Änderungen nicht weit genug. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth will ein Einknicken der Bundesregierung gegenüber Lobbyinteressen erkannt haben. „Zwar sollen die Pharmafirmen bei der Einführung neuer Arzneimittel zu Preisverhandlungen mit den Krankenkassen gesetzlich verpflichtet werden. Es fehlt aber jeder verbindliche Zwang, sich auf angemessene Preise einigen zu müssen“, bemängelt sie.

Ihr Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin fürchtet gar, dass die Regelungen „nicht zu niedrigeren, sondern zu höheren Preisen führen“. Von einer „Mogelpackung“ sprach die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Die Proteste der Pharma-Lobbyisten seien nichts weiter als „Krokodilstränen“, da die Unternehmen auch weiterhin ihre Medikamente „zu astronomischen Preisen in den Markt bringen“ dürften.

Linke: Mondpreise bleiben möglich

Das sieht auch die Abgeordnete der Linksfraktion Kathrin Vogler so und kritisiert: „Im ersten Jahr können die Hersteller nach wie vor exorbitante Mondpreise verlangen.“ Dies zeige, dass Gesundheitsminister Rösler ein „Untertan der Pharmakonzerne“ bleibe.

In einem Antrag (17/2324), der ebenfalls am Freitag in erster Lesung beraten wird, fordert daher die Linksfraktion von der Bundesregierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs, der „eine schnellstmögliche, transparente Preisgestaltung anhand des therapeutischen Nutzens von neuen Arzneimitteln im ambulanten und stationären Sektor ermöglicht“.

Marginalspalte