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Bau

Was macht eigentlich der Verkehrsausschuss?

Winfried Hermann

Winfried Hermann (DBT/Urban)

Beschäftigt man sich mit dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, stößt man schnell auf Superlative: Er ist einer der größten Ausschüsse des Bundestages, behandelt ein Themenspektrum, das vom Autobahnbau bis hin zur Frage reicht, ab wann ein Jugendlicher den Führerschein machen darf - und ist mitverantwortlich für ein Politikfeld, in das der Staat das meiste Geld investiert. In diesem Jahr rund 15 Milliarden Euro.

„Lebensnahe Politik“

„Was im Ausschuss diskutiert und geregelt wird, betrifft jeden Bürger - ob er nun Bahnfahrer, Autofahrer oder Radfahrer ist, Mieter oder Hausbesitzer, auf dem Land oder in der Stadt lebt“, sagt Winfried „Winne“ Hermann (Bündnis 90/Die Grünen). Für den Ausschussvorsitzenden ist das Politikfeld deshalb ein besonders lebensnahes.

Umso mehr bedauert er, dass Verkehr-, Bau- oder Stadtentwicklungsthemen eher selten in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. „Die Bedeutung des Politikbereichs spiegelt sich nicht genügend in Plenardebatten oder in den Medien wieder“, sagt Hermann mit deutlichem Missfallen. „Für manchen Politiker mag die Diskussion lächerlich sein, ob man den Führerschein mit 17 oder 18 bekommt. Doch für die nachwachsende Generation ist das eine wichtige Frage.“

„Ausschuss auf Ballhöhe“

Auch Infrastrukturmaßnahmen wie fehlende Straßen oder unsanierte Bahnhöfe seien „Aufregerthemen“, die eigentlich oben auf die Tagesordnung des Bundestages gehörten, findet er. Daher bemüht sich Hermann zusammen mit dem Ausschuss um mehr öffentliche Resonanz. „Das ist doch die Voraussetzung, dass sich etwas bewegt.“

Ob nachhaltige Mobilität, klimafreundliches Bauen oder der städteplanerische Umgang mit dem demografischen Wandel - der Ausschuss müsse stets auf „Ballhöhe“ sein, fordert Hermann. „Ich möchte, dass wir uns frühzeitig mit den wichtigen Themen beschäftigen - und nicht abwarten, was die Bundesregierung macht.“ Ein selbstbewusstes Parlament setze selbst Themen und lasse sich nicht treiben. „Es versteht sich als Antreiber.“

37 Mitglieder

So wie Hermann seine Rolle als Ausschussvorsitzender. Zwar leitet der 58-Jährige erst seit Beginn der Wahlperiode im Oktober 2009 die Sitzungen des Gremiums. Doch der Bündnisgrüne, der den Wahlkreis Tübingen seit 1998 im Bundestag vertritt, ist längst ein Routinier in seinem Fach: Bereits in der vergangenen Wahlperiode gehörte er dem Ausschuss an, war zudem der Sprecher seiner Fraktion für Verkehrspolitik.

37 Mitglieder hat der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - damit ist er einer der größten Ausschüsse im Bundestag. 14 Abgeordnete stellt derzeit die Fraktion der CDU/CSU, neun die SPD, die FDP sechs. Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion gehören jeweils vier Parlamentarier an.

Verkehrs- und Bauausschuss fusionierten 1998

Dass der Ausschuss so viele Mitglieder habe, sei „historisch gewachsen“, erklärt Hermann. Als 1998 die bislang getrennten Ministerien für Verkehr und für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zusammengelegt wurden, fusionierten auch die Ausschüsse im Bundestag.

Fachlich sei die hohe Mitgliederzahl ebenfalls sinnvoll, findet Hermann. „Wir brauchen schließlich Leute im Ausschuss, die auf sehr unterschiedlichen Themenfeldern bewandert sind - im Verkehrsbereich, in punkto Automobilität, im Schiffs-, Flug- oder Schienenverkehr.“ Und nicht zuletzt Bau- und Städteplanungsexperten.

Externer Rat von Fachleuten

Fachlichen Rat holt sich der Verkehrsausschuss auch gezielt von außen. Dazu nutzt er weniger die in anderen Ausschüssen üblichen Anhörungen, zu denen unterschiedliche Fachleute eingeladen und um eine Beurteilung des im Ausschuss zu beratenden Gesetzentwurfs gebeten werden.

Diese oftmals nachmittags stattfindenden außerregulären Anhörungen haben sich aus Sicht Winfried Hermanns nicht bewährt. Lieber lädt der Ausschuss die Experten direkt in die regulären Sitzungen ein, die in Sitzungswochen mittwochs zwischen 9.30 und 13 Uhr im Paul-Löbe-Haus des Bundestages stattfinden. „Dann kommen wirklich alle Mitglieder, nicht nur die Sprecher der einzelnen Fraktionen“, sagt Hermann. Anhörungen am Nachmittag hätten leider den Nachteil, dass sie oft mit anderen Verpflichtungen der Parlamentarier kollidierten.

Öffentlich und nichtöffentlich

Zusätzlicher Vorteil: Anders als bei Anhörungen, bei denen das Prozedere - unter anderem die Auswahl der Experten - den Regeln der parlamentarischen Geschäftsordnung unterworfen sei, falle es dem Ausschuss bei den Expertengesprächen leichter, die Fachleute im Konsens - und nach fachlichen Gesichtspunkten einzuladen. „Und nicht vornehmlich, weil sie die Meinung der einen oder anderen Fraktion vertreten.“

Auch in der Frage, ob Sitzungen - mit oder ohne Experten - öffentlich oder nichtöffentlich stattfinden, pflegt der Ausschuss eine pragmatische Herangehensweise: „Wir entscheiden danach, ob wir für ein Thema mehr Öffentlichkeit herstellen wollen oder ob es sinnvoller ist, hinter geschlossenen Türen zu beraten.“

Kontakte vor Ort

Nicht immer sei es ratsam, Journalisten zuzulassen, erläutert Hermann, der eigentlich ein erklärter Anhänger des „möglichst öffentlichen Ausschusses“ ist. „Man muss nachfragen können, ohne zu befürchten, dass Details des Gesprächs schon am nächsten Tag in der Zeitung stehen.“ So fand beispielsweise ein Expertengespräch zur Elektromobilität öffentlich statt, eins zum Thema Bahnsicherheit nicht.

Neben diesen Gesprächen sucht der Vorsitzende bewusst auch den Kontakt vor Ort: Ob eine Delegationsreise nach China, um dort unter anderem das Werk eines Pekinger Nutzfahrzeugherstellers zu besichtigen, oder ein Besuch in Offenburg, wo eine Bürgerinitiative gegen den viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn für den Güterverkehr protestiert - Einladungen erhält der Ausschuss viele. Meist sind es zu viele, um alle wahrzunehmen.

„Themen mit bundesweiter Bedeutung“

Dennoch wehrt sich Hermann gegen ein kategorisches „Nein“ zu solchen Terminen, das andere ihm raten, um keine gesellschaftliche Gruppe zu bevorzugen. „Wir müssen eben die auswählen, bei denen es exemplarisch um Themen geht, die bundesweite Bedeutung haben“, sagt der Vorsitzende.

Der Offenburger Protest hat für ihn eine solche Bedeutung, weil er sich gegen eines der derzeit wichtigste Bauvorhaben richtet, das darauf zielt, den Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Hermann wird deshalb ins Rheintal fahren - und einige andere Ausschussmitglieder wohl auch.

Vorgaben aus Brüssel

So breit das Aufgabenspektrum des Ausschusses ist, gemeinsam ist den meisten Themen der europäische Bezug. Winfried Hermann schätzt, dass inzwischen mehr als die Hälfte aller Themen, mit denen sich der Ausschuss befasst, durch die Europäische Union gesetzt wurden.

„Die kommen zwar national daher, aber wenn man genau hinschaut, gab es vorher bereits eine Regelung auf EU-Ebene.“ Führerschein mit 17? Mautgebühren? „Die Rechtsgrundlage war zunächst eine europäische.“ Eigentlich seien alle relevanten Themen inzwischen von der EU vorgegeben oder hätten eine so große europäische Bedeutung, dass sie nicht ohne Europa behandelbar seien, so Hermann.

Berichte aus Brüssel

Um aber nicht nur der europäischen Politik hinterherzuhinken, sondern mitgestalten zu können, ist es für den Ausschuss wichtig, früh zu wissen, was sich auf europäischer Ebene tut. Dazu nutzen die Abgeordneten neben den Berichten vom Ministerrat auch die dreimal im Jahr erscheinenden so genannten Frühwarnberichte, die vom Büro des Bundestages in Brüssel extra für das Parlament in Berlin herausgegeben werden.

Für den Verkehrsausschuss sind diese Berichte zu einer wichtigen Informationsquelle geworden, um zu erfahren, was Europäische Kommission oder Europäisches Parlament planen. Doch den persönlichen Kontakt können die Berichte trotzdem nicht zu ersetzen.

„Es geht um Gestaltung“

Deshalb ist im Herbst etwa ein Besuch des Generaldirektors des europäischen Kommissariats „Verkehr“ im Verkehrsausschuss vorgesehen. „Er wird uns davon in Kenntnis setzen, was in den kommenden Jahren geplant ist, und wir können uns schon jetzt damit befassen“, sagt Hermann. Nichts sei ärgerlicher, als erst dann eine Diskussion zu führen, wenn es schon zu spät sei. „Dann kann man nur noch blockieren, aber nichts mehr ändern.“ Und dies sei unbefriedigend: „Dann ist man nur Bremser - und hat nichts gestaltet!“

Und um Gestaltung geht es Hermann schließlich: Nach der Sommerpause wird sich der Ausschuss mit Anträgen aus den Fraktionen zur Elektromobilität befassen. Aber auch Änderungen im Bau- und Mietrecht zur Förderung des Klimaschutzes will der Vorsitzende vorantreiben.

„Rechtliche Blockaden abbauen“

„Alle Experten sind sich einig, dass es wichtig wäre, endlich rechtliche Blockaden abzubauen. Wir müssen handeln“, findet Hermann. Dass der Ausschuss gerade durch die Expertengespräche dazu Impulse geben kann, davon ist er überzeugt. „Wir haben so vor allem die Möglichkeit, Denkanstöße und Expertise für die Fraktionen zu geben.“

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