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Parlament

„In Verantwortung vor Gott und den Menschen“

Anette Hübinger (CDU/CSU) ist Mitglied des Gebetskreises beim Deutschen Bundestag.

Anette Hübinger (CDU/CSU) ist Mitglied des Gebetskreises beim Deutschen Bundestag. (DBT/Photothek.net)

„Als ich nach Berlin kam“, erinnert sich die Unionsabgeordnete Anette Hübinger, „sagte mir eine Kollegin: Sie werden sich nirgendwo so einsam fühlen wie in Berlin. Das konnte ich mir gar nicht so recht vorstellen, denn eigentlich bin ich ein sehr kommunikativer Mensch.“ Doch schon sehr bald bemerkte die 58-Jährige aus Saarbrücken, dass „jeder in Berlin seine ganz eigenen Wege geht“. Für Freizeitaktivitäten, beispielsweise in einem Verein, blieb in ihrem prall gefüllten Terminkalender allerdings kein Platz. „Also habe ich mir gedacht: Gehst du mal zum Gebetsfrühstück, dort findest du vielleicht Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie du.“ Und tatsächlich – in dieser einen Stunde fand sie, was sie suchte: Einen sozialen Ausgleich, den sie für ihren anstrengenden Arbeitsalltag im Berliner Politikbetrieb als sehr bereichernd empfand.

„Jeder hat mich willkommen geheißen“

Vielen Abgeordneten geht es wie Anette Hübinger: Der Gebetskreis des Deutschen Bundestages gleicht einem Anker für jene, die hier in Berlin allein sind und einen Ausgleich suchen.

„Ich musste mich als Neuling kurz vorstellen“, erinnert sich Hübinger, die inzwischen bereits in der zweiten Wahlperiode dabei ist, weiter. „Jeder hat mich willkommen geheißen, und ich habe mich gleich direkt am Gespräch beteiligt. Ich fühlte mich sofort von der ersten Stunde aufgenommen.“

200 stehen auf der Teilnehmerliste

Vielen der gläubigen Parlamentarier, die jeden Freitag in unterschiedlicher Besetzung zusammenkommen, tut es gut, nach langen Diskussionen um Zahlen und Gesetze schließlich über Dinge ins Gespräch zu kommen, die sie abseits der Politik bewegen. Dabei kommen Kollegen miteinander in Kontakt, die sich sonst nicht treffen würden. Bei 620 Abgeordneten, die das Parlament zählt, kennt längst nicht jeder jeden.

Rund 200 von ihnen stehen derzeit auf der Liste der Teilnehmer. Im Schnitt kommen 15 bis 20 – in wechselnder Besetzung. Und das schon seit 30 Jahren. Manchmal nehmen auch ehemalige Abgeordnete teil.

Einendes statt Trennendes

Dann bleiben Parteipolitik und Sitzungshickhack zwischen 8 und 9 Uhr vor der Tür. Der Ablauf hat sich über die Jahre bewährt:

„Einer aus unserem Kreis gibt einen so genannten Impuls“, erzählt Anette Hübinger. „Das kann ein biblisches Thema sein, es kann auf einer Tageslosung beruhen, das kann aber auch etwas Persönliches sein, etwas, das ihn bewegt.“ Und dann wird darüber gesprochen – miteinander. In diesem Kreis stehen im Gegensatz zu den Parlamentsdebatten Themen im Mittelpunkt, die die Abgeordneten einen, nicht trennen. „Es geht in diesem Kreis nicht darum, die vermeintlich einzige Wahrheit zu verteidigen oder seine Meinung durchzusetzen.“

Offenheit überwindet Fraktionsgrenzen

Daher erntet der Vortragende – anders als im Plenum – statt Kopfschütteln und ablehnenden Gesten oftmals ein Nicken am Tisch. Durch jene Teilnehmer, die sich bereits in einer ähnlichen Situation befunden oder vor vergleichbaren Gewissensfragen gestanden haben und sich in den Worten wiedererkennen. Diese Offenheit überwindet alle Fraktionsgrenzen.

Oberstes Prinzip dabei: Was im Gebetsfrühstückskreis gesagt wird, bleibt auch dort. „Weil dieser geschützte Raum akzeptiert ist, kann man sich sehr gut öffnen“, sagt Hübinger.

Werteorientierung in persönlichen Situationen

Abseits des Plenums und der Kameras offenbaren Abgeordnete über die Fraktionsgrenzen hinweg auch ihre Schwächen. „Wenn zum Beispiel gravierende Entscheidungen anstehen, die wiederum weitere Entscheidungen berühren, kommt es durchaus vor, dass jemand im Kreis sagt: Ich habe damit Probleme.“

Häufig beschäftigen die Abgeordneten dabei Fragen nach der Werteorientierung in persönlichen Situationen oder bei politischen Entscheidungen. Dabei nehmen sie die Präambel des Grundgesetzes wörtlich. Dort steht: in Verantwortung vor Gott und den Menschen.

Bin ich auf dem richtigen Weg?

„Das ist in den Gesprächen unser Leitgedanke, hieran versuchen wir, unser persönliches und politisches Handeln zu orientieren. Das ist natürlich schon eine anspruchsvolle Aufgabe – der Mensch ist nun einmal fehlbar“, weiß Hübinger. „Aber es ist wichtig, stets zu hinterfragen: Bin ich da eigentlich mit meiner Politik und meinem Handeln auf dem richtigen Weg?“

Am Schluss des Zusammentreffens fasst der Vortragende das Gespräch nochmals zusammen, den Abschluss bildet das Vaterunser.

Hart in der Sache, aber nie persönlich

Auch wenn der seit 1982 bestehende Kreis sich an christlichen Werten orientiert, bleibt er dennoch offen für alle Glaubensrichtungen. „Ob Christ, Muslim oder Atheist – jeder, dem Fragen der Werteorientierung am Herzen liegen, ist willkommen.“

Obwohl von den besprochenen Inhalten nichts nach außen dringt, hinterlässt das Miteinander, das die Teilnehmer im Gebetskreis erleben, auch in der parlamentarischen Debatte seine Spuren. „Wir nehmen aus unseren Treffen sehr viel mit. Viele Kollegen haben bereits festgestellt, dass die Art, wie sie auch bei Meinungsverschiedenheiten mit dem politischen Gegner umgehen, sich positiv verändert hat. Hart in der Sache, aber nie persönlich!“ (jmb/12.08.2013)

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