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Kultur und Geschichte

Böhmer: Welterbekomitee der Unesco reformieren

Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt

Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt (DBT/Jörg F. Müller)

Prof. Dr. Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin im Auswärtigen Amt für auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, will die Arbeit des Unesco-Welterbekomitees reformieren und fordert im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ zudem eine bessere Finanzierung. Böhmer leitete als Präsidentin das Welterbekomitee, das vom 28. Juni bis 8. Juli 2015 in Bonn zu seiner jährlichen Konferenz zusammentraf. So soll das Auswahlverfahren für das Welterbe transparenter werden und sich wieder an fachlichen Kriterien orientieren. Böhmer will damit der zunehmenden „Politisierung“ der Komitee-Entscheidungen in den vergangenen Jahren entgegenwirken. Das Interview im Wortlaut:


Frau Böhmer, vom 26. Juni bis 8. Juli tagte das Unesco-Welterbekomitee in Bonn. Als Präsidentin hatten sie Reformen angemahnt. Unter anderem kritisierten Sie, dass Entscheidungen über die Aufnahme in das Welterbe zunehmend „politisiert“ worden seien. Können Sie Beispiele dafür nennen?

In der Welterbekonvention ist festgelegt, dass vor der Aufnahme in das Welterbe eine Evaluierung durch eine der Beratungsorganisationen - ICOMOS für das Kulturerbe und IUCN für das Naturerbe - stattfindet. Das Ergebnis dieser Evaluierung wird dem Welterbekomitee als Empfehlung präsentiert. In der Vergangenheit ist das Komitee in den meisten Fällen dieser Empfehlung gefolgt. Auf den letzten Sitzungen des Welterbekomitees wurden jedoch viele dieser Empfehlungen ignoriert und überstimmt, weil verschiedene Länder ihre Kandidaten partout in das Welterbe aufnehmen wollten. So kam es zu Entscheidungen, die nicht nur im Welterbekomitee selbst, sondern auch in der Öffentlichkeit heftig kritisiert wurden. Deshalb wurde auf der Sitzung des Welterbekomitees 2014 in Doha eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um Reformen zu erarbeiten. Nach meiner Wahl zur neuen Präsidentin des Komitees habe ich die Leitung dieser Arbeitsgruppe übernommen, um den Grundgedanken der Welterbekonvention wieder Geltung zu verschaffen. Eine Welterbestätte muss von außergewöhnlichem und universellem Wert für die Menschheit sein und nicht nur für ein einzelnes Land.

Welche Reformen wollen Sie konkret einleiten?

Wir setzen an drei Stellen an: Die Reformen betreffen die Beratungsorganisationen, das Welterbekomitee und die Finanzierung. Zum einen müssen die Arbeit in den Beratungsorganisationen und ihre Entscheidungen transparenter werden. Die Organisationen sollen früher als bisher Kontakt zu den Ländern aufnehmen, die einen Kandidaten für das Welterbe benennen, die Kriterien für eine Aufnahme verdeutlichen und dabei helfen, diese zu erfüllen. Zum anderen sollen sich die Entscheidungen des Welterbekomitees wieder stärker an den fachlichen Empfehlungen der Beratungsorganisationen orientieren. Darüber besteht auch Einigkeit in der Arbeitsgruppe. Bei den Finanzen allerdings knirscht es noch. Die Mittel des Welterbefonds in Höhe von fünf Millionen US-Dollar jährlich werden zu rund 80 Prozent für die Evaluierungen sowohl der Nominierungen als auch der bestehenden Welterbestätten aufgebraucht. Für den Erhalt der 1.007 Welterbestätten ist nicht mehr genügend Geld vorhanden. Das ist ein Missverhältnis. Deshalb dringe ich darauf, dass wir neue Finanzmittel bekommen.

Fordern Sie höhere Beitragszahlungen der Unesco-Mitgliedsländer?

Verpflichtend wird das nicht funktionieren. Die ärmeren Länder, die zudem auf der Welterbeliste unterrepräsentiert sind, empfinden dies als Benachteiligung. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass die reicheren Länder die Evaluierungskosten der Beratungsorganisationen von etwa 25.000 US-Dollar selbst tragen. Bislang war die Evaluierung kostenfrei für die Bewerber.

Oder Sie sparen Geld durch eine Verringerung der jährlich rund 40 Nominierungen für das Welterbe...

Entweder wir akquirieren mehr Geld, dann können wir es bei dieser Zahl belassen. Darüber würde ich mich sehr freuen, denn wir haben in einigen Regionen der Welt, zum Beispiel in Afrika, relativ wenige Welterbestätten. Dort gibt es noch viele verborgene Schätze, die man heben kann. Wenn wir nicht mehr Geld zur Verfügung haben, dann müssen wir die Zahl der Nominierungen reduzieren. Ich möchte diesen Weg zwar nicht beschreiten, aber an diesem Scheideweg stehen wir.

Die Welterbestätten im Irak und in Syrien sind akut von Zerstörungen durch die IS-Terrormiliz bedroht oder wurden bereits zerstört. Die UN-Generalversammlung hat auf Initiative von Deutschland und des Irak eine Resolution verabschiedet, nach der solche Zerstörungen als Kriegsverbrechen geahndet werden sollen. Der IS dürfte darüber aber wohl nur höhnisch lachen...

Möglicherweise vergeht dem IS das Lachen. Die Resolution, die auch von den islamischen Ländern mitgetragen wird, macht deutlich, dass die barbarischen Zerstörungen von Kulturgütern nichts mit Religion zu tun haben, sondern auf die Vernichtung der kulturellen Identität der Völker. Alle UN-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, gegen die Täter eine Strafverfolgung einzuleiten, zum Beispiel gegen IS-Kämpfer, die in ihre Heimatländer zurückkehren. Kulturgüter werden aber nicht nur zerstört, sondern auch aus ihrem Zusammenhang geraubt und zur Finanzierung des Terrors verkauft. In der EU haben wir den Handel mit Kulturgütern aus dem Irak und Syrien bereits verboten. Aber ein Verbot in Europa allein reicht nicht. Auch deshalb ist diese UN-Resolution so wichtig. Kulturstaatsministerin Monika Grütters wird zudem einen Gesetzentwurf zum Kulturgüterschutz vorlegen, mit dem prinzipiell strengere Nachweise für den Import von Kulturgütern eingeführt werden.

Dem Dresdner Elbtal wurde 2009 der Welterbetitel wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke aberkannt. Braucht das Welterbekomitee weitere Sanktionsmöglichkeiten zum Schutz des Welterbes?

Das war eine sehr bittere Erfahrung für Deutschland, aus der wir aber gelernt haben. Deshalb ist der frühzeitige Kontakt zwischen den Beratungsorganisationen und den Verantwortlichen vor Ort so wichtig, um eine Aberkennung zu vermeiden. Im Falle des Kölner Doms, der auch auf der Roten Liste stand, ist dies gelungen. Eine drohende Aberkennung ist schon ein wirksamer Schutz für das Welterbe. In Australien zum Beispiel hat das zu einer großartigen, auch politischen und finanziellen Unterstützung zur nachhaltigen Sicherung des Great Barrier Reefs geführt.

(aw/jbi/10.08.2015)

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