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3. Untersuchungsausschuss

Fragen zu Ermittlungen gegen Ralf Marschner

Sitzungssaal des 3. Untersuchungsausschusses

Der Untersuchungsausschuss widmete sich der Rolle des V-Manns „Primus“. (pa/AA)

Die Ermittlungen um den Rechtsextremisten und ehemaligen V-Mann Ralf Marschner standen im Mittelpunkt der jüngsten öffentlichen Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses (NSU II). Hintergrund ist ein Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ von Anfang April, wonach Marschner in den Jahren 2000 bis 2002 das NSU-Mitglied Uwe Mundlos und möglicherweise auch dessen Komplizin Beate Zschäpe in seiner Abrissfirma in Zwickau beschäftigt haben soll. Wichtigster Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss war am Donnerstag, 2. Juni 2016, Kriminaloberkommissar Paul Lehmann vom Bundeskriminalamt, der nach der Enttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) im November 2011 zu Marschner und dessen Umfeld ermittelte.

„Keine Hinweise auf eine Beschäftigung von NSU-Mitgliedern“

Mehrere Ausschussmitglieder äußerten die Ansicht, dass bei diesen Ermittlungen gegen den seit 2008 in der Schweiz lebenden Marschner wichtige Fragen offengeblieben seien. Dafür könne man aber nicht Lehmann verantwortlich machen, der möglicherweise zu wenig Unterstützung gehabt habe, wie der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU/CSU) sagte.

Lehmann gab an, keine Hinweise auf eine Beschäftigung von NSU-Mitgliedern in Marschners Firma gefunden zu haben. Immerhin 16 Zeugen hätten die entsprechende Frage verneint. „Das ist glaubwürdiger als eine einzige anderslautende Aussage“, sagte Lehmann. Allerdings gehörten viele Mitarbeiter von Marschners Firma selbst zur rechtsextremen Szene.

Marschners kurzlebige Firmen

Marschner wurde vom BKA zweimal in der Schweiz vernommen und hat dabei bestritten, die drei NSU-Mitglieder Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt überhaupt gekannt zu haben. Binninger und andere Ausschussmitglieder halten diese Aussage für wenig glaubwürdig, da Marschner in Zwickau mit zahlreichen Unterstützern des Trios in Verbindung stand.

Wie in der Sitzung bekannt wurde, hat das Bundeskriminalamt im März 2013 einen Fragenkatalog zu den Ermittlungen um Marschner formuliert, der aber nur zum Teil abgearbeitet wurde. So sollte geklärt werden, ob ein von Marschner in den Jahren 2001 und 2002 angemieteter Audi A6 möglicherweise auch von den NSU-Terroristen genutzt wurde. Lehmann bezeichnete das vor dem Ausschuss als unwahrscheinlich. Auch sollten das Geschäftsmodell von Marschners oft sehr kurzlebigen Firmen untersucht und alle ehemaligen Mitarbeiter vernommen werden.

Facebook-Eintrag Marschners

Auf einem Computer, der von ihm genutzt worden war, fanden die Ermittler eine Datei mit der Titelmelodie des Films „Paulchen Panther“, der in dem Bekennervideo des NSU eine zentrale Rolle spielt. Einen Bezug zu dem Video konnten die Ermittler aber nicht herstellen. Marschner selbst war ein bekennender Rechtsextremist und Sänger in der Skinhead-Band „Westsachsengesoks“. Verbindungen soll er auch zur Chemnitzer Hooligan-Gruppe „HooNaRa“ und dem Neonazi-Netzwerk „Blood and Honour“ gehabt haben.

Die Abkürzung „HooNaRa“ steht für Hooligans, Nazis, Rassisten. Die Obfrau der Linken im Ausschuss, Petra Pau, präsentierte während der Sitzung einen Facebook-Eintrag Marschners. Wenige Tage nach der Enttarnung des NSU im November 2011 schrieb er als Kommentar zur Nachricht eines Freundes unter seinem Pseudonym Rolf Rollig: „Trink ordentlich! Heil NSU… Hahaha…“. Der BKA-Beamte räumte ein, dieses Posting nicht gekannt zu haben.      

Mögliche Verbindungen zum NSU

Ausweichend antwortete Lehmann auf die Frage, ob ihm bei den Vernehmungen Marschners schon bekannt gewesen sei, dass er bis zu seiner Abschaltung im Jahr 2002 unter dem Decknamen  „Primus“ für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Diese Frage falle unter den Geheimschutz, sagte Lehmann, was auch von einer Vertreterin der Bundesregierung betätigt wurde.

Die allgemeine Frage Binningers, ob er sich vor der Vernehmung Marschners ausreichend informiert gefühlt habe, bejahte Lehmann aber schließlich. Auch in den nächsten beiden Sitzungen des Untersuchungsausschusses soll es um Marschner und dessen mögliche Verbindungen zum NSU gehen.

Fragen an den Verfassungsschutz-Präsidenten

Zuvor hatte der Ausschuss in nichtöffentlicher Sitzung rund 90 Minuten lang den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Hans-Georg Maaßen, befragt. Grund waren die überraschenden Funde eines Handys und von vier Sim-Karten des 2014 verstorbenen V-Manns „Corelli“ in einem Tresor der Behörde. Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger sagte nach der Befragung vor Journalisten, dass sich das Handy und die Sim-Karten zusammen mit einer „Unmenge von Unterlagen“ wie Akten und CDs in einem großen Tresor des ehemaligen V-Mann-Führers von Thomas Richter alias „Corelli“ befunden hätten.

Als der Beamte im vergangenen Sommer seine Stelle gewechselt habe, sei der Tresor geräumt worden. Dabei habe man das Mobiltelefon ohne Sim-Karte in einem Umschlag gefunden und zunächst niemandem zuordnen können.

Keine brisanten Daten mit Bezug zum NSU

Weil die Brisanz des Fundes nicht erkannt worden sei, habe man das Handy erst im April dieses Jahres untersucht. Dabei sei anhand von Fotos schnell festgestellt worden, dass es „Corelli“ gehört haben muss. Erst schleppend sei dann die Amtsleitung über den Fall informiert worden. Laut Binninger befinden sich nach dem aktuellen Erkenntnisstand auf dem Handy keine brisanten Daten mit Bezug zum „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die jeweils zwei Sim-Karten von deutschen und niederländischen Providern, die jetzt ebenfalls „Corelli“ zugeordnet wurden, hätten sich angeheftet an ein Schriftstück in einem Ordner mit zahlreichen anderen Unterlagen befunden.

Binninger nahm Amtschef Maaßen gegen Vorwürfe in Schutz und kritisierte, dass dessen Anordnung aus dem Jahr 2014 missachtet worden sei, wonach die Mitarbeiter des BfV in ihren Tresoren nur Gegenstände aufbewahren sollten, „die dort auch hingehören“. Als problematisch wertete er auch, dass es zwischen dem V-Mann „Corelli“ und seinem V-Mann-Führer „keinerlei Distanz“ gegeben habe.

Pannen beim Verfassungsschutz

Die Abgeordnete Petra Pau (Die Linke) warnte vor „voreiligen Festlegungen“, dass die neuen Funde keinen Bezug zum NSU hätten. Sie habe genug von ständig neuen Pannen beim Verfassungsschutz. Irene Mihalic von Bündnis 90/Die Grünen sagte, im BfV herrsche offenbar „das absolute Chaos“. Es sei richtig, dass Innenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) dort jetzt für Ordnung sorgen wolle. Der Obmann der SPD-Fraktion, Uli Grötsch, kritisierte, dass es beim Verfassungsschutz noch immer „kein Bewusstsein für die besondere Brisanz des Falles ,Corelli‘ gebe.“

Bereits am Mittwoch hat das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) dem ehemaligen Grünen-Abgeordneten Jerzy Montag den Auftrag erteilt, bis zur Sommerpause die Umstände der Handy- und Sim-Karten-Funde zu untersuchen. Montag hat für das PKGr bereits im vergangen Jahr einen umfangreichen Bericht über den Fall „Corelli“ angefertigt.

Wirken des V-Mann „Corelli“

Der im März 2014 überraschend verstorbene Rechtsextremist Thomas Richter hatte unter dem Decknamen „Corelli“ 18 Jahre als V-Mann gearbeitet. Mitte der neunziger Jahre traf er bei der Bundeswehr das spätere NSU-Mitglied Uwe Mundlos, mit dem er Telefonnummern austauschte. Später verbreitete er im Internet das Neonazi-Magazin „Der weiße Wolf“, in dem 2002 eine Anzeige mit dem Wortlaut „Vielen Dank an den NSU“ erschien. Der Auftraggeber ist bis heute unbekannt.

2005 übergab er schließlich seinem V-Mann-Führer eine CD mit dem Deckblatt „NSU/NSDAP“. Kurz bevor Richter alias „Corelli“ dazu befragt werden sollte, starb er im März 2014 in seiner Wohnung in Paderborn. Für ein Fremdverschulden gibt es nach dem PKGr-Bericht von Jerzy Montag keine Hinweise. (rik/03.06.2016)

Liste der geladenen Zeugen
  • Ben Schönrock, Kriminalhauptmeister 
  • Dirk Münster, Kriminaloberrat 
  • Paul Lehmann, Kriminaloberkommissar
  • Rainer Grimm, Kriminalhauptkommissar

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