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Dagmar G. Wöhrl: Ich werde ganz sicher nicht unter Langeweile leiden

Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU)

Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) (DBT/Simone M. Neumann)

Als die Bundestagsabgeordnete Dagmar G. Wöhrl im April öffentlich bekanntgab, dass sie 2017 nicht mehr für den Bundestag kandieren wird, kam das Bedauern über den Rückzug aus der Politik augenblicklich via Twitter und Facebook, später über die Presse. Das rührte die CSU-Politikerin, aber an ihrem Entschluss änderte es nichts. „Politik füllt ein Leben aus, erfüllt es aber nicht dauerhaft“, schrieb sie, und im Nordkurier wird die engagierte Tierschützerin zitiert: Um als Silver-Surfer in Rente zu gehen, verspüre sie noch zu viel Energie und Tatendrang, deshalb möchte sie sich noch einmal neuen Herausforderungen stellen.

Von der Seiteneinsteigerin zur Staatssekretärin

Dagmar G. Wöhrl ist seit 1994 Abgeordnete des Deutschen Bundestages und gehört der CSU-Landesgruppe an. Sie kam als Seiteneinsteigerin in die Politik und kann nach mehr als zwei Jahrzehnten in der Bundespolitik auf eine außergewöhnliche und erfolgreiche Karriere zurückblicken. Die Nürnbergerin war Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, gehörte dem Präsidium des CSU-Vorstandes an, war Vorsitzende der CSU-Finanzkommission und ist seit 2009 Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag.

In die Politik kam Dagmar Wöhrl, weil der damalige bayerische Innenminister Günter Beckstein die CSU für Quereinsteiger öffnete. „Es war zu dieser Zeit absolut nicht üblich, dass man in der CSU ein politisches Spitzenamt übernehmen konnte, wenn man nicht vorher in der Jungen Union war und eine Karriere in Orts- und Kreisverbänden vorweisen konnte. Insofern war ich wohl nie eine typische CSU-Politikerin“, sagt Wöhrl.

Stadträtin in Nürnberg

Vor 26 Jahren wurde sie von einem CSU-Mitglied angesprochen, ob sie sich vorstellen könnte, für den Nürnberger Stadtrat zu kandidieren. „Ich hielt das damals für einen Scherz, denn ich war ja kein CSU-Mitglied und hatte auch keine parteipolitischen Ambitionen. Ich besprach die Sache trotzdem mit meinem Mann, und der reagierte ganz anders, als ich erwartet hatte. Er bestärkte mich darin, mich zur Wahl zu stellen, weil er der Meinung war, man könne sich nicht immer nur über die Politik beschweren, man müsse auch mitgestalten, wenn man etwas verbessern will. Also kandidierte ich und wurde in Nürnberg zur Stadträtin gewählt, obwohl ich das nicht für möglich gehalten hätte“, erinnert sich Dagmar Wöhrl.

„Ich habe immer versucht, authentisch zu sein“

Zur Bundestagswahl 1994 stellte sich die Frage, wer Nachfolger von Dr. Oscar Schneider, Bundesminister für Raumordnung a.D., werden sollte. Dagmar Wöhrl hatte sich seit 1990 als Nürnberger Stadträtin einen Namen gemacht, deshalb wurde sie als Direktkandidatin nominiert. Die sympathische Volljuristin eroberte mit viel persönlichem Engagement, verbindlichem Auftreten und der Fähigkeit, den Menschen zuzuhören, die Herzen der CSU-skeptischen Nürnberger und gewann das Bundestagsmandat. Seitdem siegte sie im schwierigen Wahlkreis Nürnberg Nord außer 1998 bei jeder Bundestagswahl.  

„Ich habe immer versucht, authentisch zu sein, aber man muss in der Politik auch in der Lage sein, Kompromisse zu schließen. Das ist mir oft gut gelungen, wobei ich immer Wert darauf gelegt habe und immer noch lege, dass ich meine Meinung frei heraus und ehrlich sage. Sonst brauchen wir keine Meinungsfreiheit“, sagt Dagmar Wöhrl. Markus Söder, bayerischer Staatsminister für Finanzen und ebenfalls ein Nürnberger, fand am Tag der Bekanntgabe des Verzichts nur lobende Worte für die Politikerin. „Dagmar Wöhrl hat vieles für Nürnberg bewirkt und eine hohe Akzeptanz bei den Bürgern. Es wird nicht leicht, sie politisch zu ersetzen.“

Markus Söder hat recht. Eine so beliebte und souverän agierende Politikerin zu ersetzen, wird ganz sicher schwer. Warum sie aber schon eineinhalb vor der nächsten Bundestagswahl ihren Verzicht bekanntgab, erklärt Dagmar Wöhrl so: „Für mich war es eine Frage der Fairness, dass ich meinen Rückzug aus der Politik rechtzeitig bekanntgegeben habe. So blieb ausreichend Zeit, einen geeigneten Kandidaten zu finden und diesen zu etablieren, damit Nürnberg in Berlin auch künftig gut vertreten werden kann.“

Tierschutz im Grundgesetz als größter Erfolg

Wenn Dagmar Wöhrl gefragt wird, welches ihr größter Erfolg als Bundestagsabgeordnete war, muss sie nicht lange überlegen: „Ich habe mich als Juristin, Politikerin und als Präsidentin des Tierschutzvereins Nürnberg-Fürth mit viel Herzblut dafür eingesetzt, dass der Tierschutz im Grundgesetz verankert wurde. Das ist im Jahr 2002 gelungen, und darauf bin ich noch immer sehr stolz“, erklärt die CSU-Politikerin. Der Deutsche Tierschutzbund e.V. formulierte diesen Erfolg mit den Worten: Es sei wichtig gewesen, den Umgang mit Tieren in ethisch verträgliche, tierschutzgerechte Bahnen zu lenken.

Historie: 1994 wurde mit dem neugeschaffenen Artikel 20a der Umweltschutz als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen. Der Tierschutz fand am 1. August 2002 seinen Weg in die Verfassung. Vorausgegangen war eine jahrelange gesellschaftspolitische Debatte. Artikel 20a des Grundgesetzes lautet nun: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“

Einsatz für die Kultur- und Kreativwirtschaft

Die Kultur- und Kreativwirtschaft zu stärken, war für Dagmar G. Wöhrl ebenfalls eine große Herzensangelegenheit. Deshalb setzte sie sich als Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft und Technologie dafür ein, diese Branche zukunftsfähig aufzustellen. Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung sollte eine Erfolgsgeschichte werden. „Ich erkannte die Wachstums- und Beschäftigungspotenziale in den Bereichen Musik, Film, Kunst, Theater und Literatur, und dies wollte ich unterstützen und fördern“, sagt Dagmar G. Wöhrl.

Der Alltag in der Politik ist nicht nur von Erfolgen gekrönt, sondern bedeutet oft Stress, Rückschläge und auch Niederlagen. Solche Erfahrungen macht wohl jeder Berufspolitiker. Dagmar G. Wöhrl kann auf eine Karriere in der Bundespolitik zurückblicken, in der sie vieles erreicht und erfolgreich auf den Weg gebracht hat. Wenn sich im Oktober 2017 die Türen der Politik hinter Dagmar Wöhrl schließen, heißt das aber noch lange nicht, dass sie aufs Altenteil gehen wird. Dafür ist die Politikerin noch viel zu energiegeladen.

„Ganz sicher werde ich nicht unter Langeweile leiden, denn ich bin noch in vielen Ehrenämtern aktiv. Ich werde mich weiterhin in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren, denn die entwicklungspolitische Arbeit hat sich als mein politischer Traumjob herausgestellt. Ich möchte auch in Zukunft dazu beitragen, Perspektiven für Menschen zu schaffen, denen es nicht so gut geht wie uns in Deutschland. Darum werde ich mich weiter in verschiedenen Stiftungen engagieren und endlich auch mehr Zeit für meine Emanuel-Wöhrl-Stiftung aufbringen. Und natürlich liegt mir der Tierschutz nach wie vor sehr am Herzen. Ich habe also mehr als genug Aufgaben, die auf mich warten“, sagt Dagmar G. Wöhrl. (bsl/05.01.2017)

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