Parlament

Lammert eröffnet Aus­stel­lung mit Comics von Simon Schwartz

Zwei Männer in dunklen Anzügen stehen vor Bildern mit Comics und sprechen miteinander
Ein Mann steht mit einem Stift an einem Pult und zeichnet
Ein Mann steht zwischen einem Mann und einer Frau
Menschen stehen in einem Raum mit hoher Decke und großen Fenstern
Ein Mann steht hinter einem Mikrofon und spricht zu Abgeordneten, die an Tischen stehen
Eine Gruppe Menschen steht an Tischen und hört zu
Ein Mann steht hinter einem Mikrofon und spricht
Zwei Männer stehen sich gegenüber und unterhalten sich

Bild 1 von 8

Norbert Lammert und Simon Schwartz (links) (DBT/Melde)

Bild 2 von 8

Simon Schwartz zeichnet ein Gesicht in ein Buch. (DBT/Julia Nowak)

Bild 3 von 8

Simon Schwarz (Mitte) entwarf mehrere Comics zu Parlamentariern der Deutschen Parlamentsgeschichte. (DBT/Julia Nowak)

Bild 4 von 8

Die Ausstellung „Das Parlament“ ist in der Abgeordnetenlobby des Reichstagsgebäudes zu sehen. (DBT/Julia Nowak)

Bild 5 von 8

Norbert Lammert verabschiedete im Rahmen der Ausstellungseröffnung zahlreiche Abgeordnete, die nicht mehr zur Bundestagswahl antreten. (DBT/Julia Nowak)

Bild 6 von 8

Zahlreiche Abgeordnete, die nicht noch einmal zur Wahl antreten, nahmen an der Ausstellungseröffnung teil. (DBT/Julia Nowak)

Bild 7 von 8

Norbert Lammert während seiner Rede bei der Ausstellungseröffnung. (DBT/Julia Nowak)

Bild 8 von 8

Norbert Lammert und Simon Schwartz im Gespräch (DBT/Julia Nowak)

Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat am Dienstag, 5. September 2017, in der Abgeordnetenlobby des Reichstagsgebäudes die Ausstellung „Das Parlament“ mit Comiczeichnungen von Simon Schwartz eröffnet.

Eine bunte Zeichnung im Stil eines Comics mit Textpassagen zum Leben Eduard von Simsons

Simon Schwartz zeichnet das Leben Eduard von Simson (1810-1899) nach, der als Jurist, Richter und Hochschullehrer an der Reichsverfassung von 1849 mitbeteiligt war und als „erster deutscher Verfassungsvater“ gilt. (Simon Schwartz)

Die Ausstellung mit Comiczeichnungen namhafter Parlamentarier aus der Zeit zwischen der Paulskirchenverfassung von 1848 und der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 ist bis Donnerstag, 30. November,  zu sehen.

Für den Bundestag zeichnete der 1982 in Erfurt geborene Simon Schwartz im Auftrag des Kunstbeirates zunächst 20 Comicbiografien, die dem Leben und Wirken der Parlamentarier gewidmet sind. Es handelt sich dabei um Vertreter jener ersten Generationen der parlamentarischen deutschen Demokratie, die erst das Amt oder den Beruf des Politikers begründeten. Die existenziellen Konflikte und Verwerfungen, die im Prozess des Zusammenschlusses verschiedener Fürstentümer und Königreiche zu einem durch ein Parlament regierten deutschen Staat entstanden, widerspiegeln sich beispielhaft in den Biografien ihrer Vertreter.

Eigene Bildsprache für jede Person

Schwartz interessiert sich dabei vor allem für die individuellen Geschichten und die jeweilige Herkunft, für die Konflikte und Zufälle, auch für die jähen Wendungen, die die Entscheidungen und den Werdegang jedes einzelnen Abgeordneten bestimmten. Er konzentriert sich bei seinen Bilderzählungen auf die entscheidenden kulturellen wie religiösen Eckpfeiler der Protagonisten. Die teils schweren Auseinandersetzungen und Kämpfe setzt er dabei in bildnerisch opulenten, aber textlich nur von knappen Sätzen und Zitaten begleiteten Comicstrips um. Wie in der Serie „Vita Obscura“ nutzt Schwartz dabei die Möglichkeiten des Bilderbogens weidlich, indem er für jede Person eine eigene Bildsprache entwickelt.

Das Blatt zu Ludwig Windthorst (1812-1891) ist im Stil eines Kirchenfensters unterteilt und schafft so eine Assoziation zur St.-Ludwig-Kirche in Berlin-Wilmersdorf, die als Gedächtniskirche für den Politiker römisch-katholischen Glaubens gilt. Das Leben des weltberühmten Pathologen Rudolf Virchow (1821-1902) wird in der Struktur einer medizinischen Darstellung des menschlichen Kopfes erzählt, der an Virchows Verdienste für seine medizinischen Forschungen erinnert.

Schwieriger Brückenschlag

Er nutzt Collagetechniken und holt „echte“ Bilder wie Fotografien und Gemälde in seine gezeichneten Geschichten und gibt den in Vergessenheit geratenen Welten von „damals“ neue, konkrete Bilder, die die Geschichte in unsere heutige Vorstellungswelt einbinden. Auf diese Weise gelingt Simon Schwartz der schwierige Brückenschlag zwischen objektiv verlaufener Geschichte und subjektiver Verantwortung für diesen Verlauf. Dass Politik aber von vielen Einzelnen gestaltet und dass Demokratie das Werk vieler miteinander ringender Interessen und ihrer Protagonisten ist, könnte sinnfälliger kaum dargestellt werden.

Die ersten 20 Comics widmen sich: 

  • Heinrich von Gagern (1799-1880)
    Mitbegründer der Heidelberger Burschenschaft, an den an den Befreiungskriegen im Großherzogtum Hessen beteiligt, kurzzeitig hessischer Ministerpräsident, dann Präsident der Frankfurter Nationalversammlung. Setzte sich für eine Zentralgewalt ein und verhandelte mit den deutschen Staaten. 
  • Robert Blum (1807-1848)
    Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, Publizist, Verleger und Dichter. Nahm am Oktoberaufstand 1848 an der Verteidigung Wiens gegen die kaiserlich-österreichischen Truppen teil und wurde nach der Niederschlagung des Aufstands standrechtlich hingerichtet.
  • Friedrich Siegmund Jucho (1805-1884)
    Jurist, Führer der liberalen Bewegung in Frankfurt am Main, aktiv im Vormärz und deshalb mehrere Jahre inhaftiert. Abgeordneter für die Fraktion der Westendhall in der Frankfurter Nationalversammlung. Rettete das Original der Verfassungsurkunde der Frankfurter Nationalversammlung und brachte sie sicher nach England.
  • August Giacomo Jochmus (1808-1881)
    Hauptmann und Generalstabsoffizier in verschiedenen Diensten, darunter Fremdenlegionär sowie Pascha und Oberbefehlshaber des türkischen Heeres. Für ein Jahr Außen- und Marineminister der Frankfurter Nationalversammlung.
  • Eduard von Simson (1810-1899)
    Promovierter Jurist, Richter und Hochschullehrer aus Königsberg. Arbeitete an der Reichsverfassung von 1849 mit und gilt als „erster deutscher Verfassungsvater“. War Präsident der Frankfurter Nationalversammlung, danach Präsident der Parlamente des Norddeutschen Bundes und des Kaiserreichs.
  • Moritz Hartmann (1821-1872)
    Dichter und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Trat mit 17 Jahren aus dem Judentum aus und bekannte sich fortan zum Atheismus. Floh nach der Badischen Revolution aus Deutschland nach Frankreich. In der Revolutionssatire „Reimchronik des Pfaffen Maurizius“ setzte er sich kritisch mit der Frankfurter Nationalversammlung auseinander.
  • Ludwig Windthorst (1812-1891)
    Jurist, Justizminister des Königsreich Hannover, dann Abgeordneter für die Zentrumspartei im Reichstag und im Preußischen Abgeordnetenhaus. Setzte sich als Katholik für die Gleichberechtigung aller Minderheiten, so auch für die Rechte der Juden und Polen ein.
  • Rudolf Virchow (1821-1902)
    Pathologe, Prähistoriker und Politiker der Deutschen Fortschrittspartei und der Deutschen Freisinnigen. Als entschiedener Gegner Bismarcks stand er für eine allgemeine Abrüstung, die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa und die Befreiung der Kultur vom Einfluss der Kirche.
  • Ludwig Bamberger (1823-1899)
    Journalist, Bankier und Abgeordneter der Nationalliberalen Partei im Reichstag. Aus einer jüdischen Bankiersfamilie stammend, berichtete er zunächst als Chefredakteur der „Mainzer Zeitung“ über die Frankfurter Nationalversammlung und wurde später Abgeordneter im Norddeutschen Bund und im Kaiserreich. Gehörte 1870 zu den Gründern der Deutsche Bank AG und gilt als Vater der Münzreform und der deutschen Mark.
  • Eduard Lasker (1829-1884)
    Jüdischer Politiker und Jurist, Abgeordneter der Deutschen Fortschrittspartei im Reichstag. Setzte sich für eine Stärkung des Parlaments ein. Lasker klärte den Wirtschaftsskandal um die Berliner Nordbahn maßgeblich parlamentarisch mit auf, wodurch er in Konflikt mit Bismarck geriet.
  • Ferdinand von Radziwill (1834-1926)
    Jurist, Vorsitzender der Fraktion der polnischen Minderheit im Deutschen Reichstag. Befürchtete zurecht eine Beschneidung der Rechte der polnischen Minderheit in Preußen nach der Reichsgründung. Entschiedener Gegner Otto von Bismarcks.
  • Eugen Richter (1838 – 1906)
    Publizist und Mitglied der Deutschen Fortschrittspartei, der Deutschen Freisinnigen Partei und der Freisinnigen Volkspartei. Von 1867 bis 1906 Reichstagsabgeordneter. Er wird als einer der besten Rhetoriker des Preußischen Abgeordnetenhauses und des Deutschen Reichstags angesehen. Richter war seinerzeit einer der ersten Berufspolitiker.
  • Clara Zetkin (1857-1933)
    Sozialistin, Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin. Ab 1887 Mitglied der SAP (ab 1890 SPD) und ab 1917 in der USPD Vertreterin des Spartakusbundes. Von 1920 bis 1933 Reichstagsabgeordnete für die KPD und 1932 Alterspräsidentin des Parlaments. Floh vor den Nazis in die Sowjetunion. Obwohl sie von Stalin verachtet und gezielt isoliert wurde, trug dieser ihre Urne persönlich zu Grabe.
  • Hugo Haase (1863-1919)
    Rechts- und Staatswissenschaftler aus Ostpreußen, gemeinsam mit August Bebel für einige Jahre Vorsitzender der SPD, später Vorsitzender der USPD, zwei Mal Mitglied des Reichstags. War parallel mit Friedrich Ebert ca. einen Monat lang auch Reichskanzler. 1919 bei einem Attentat ermordet.
  • Gertrud Bäumer (1873-1954)
    Lehrerin, Publizistin, führend in der deutschen Frauenbewegung, Mitbegründerin und stellvertretende Vorsitzende der DDP, Mitglied der Weimarer Nationalversammlung, später des Reichstags. Delegierte der Reichsregierung beim Völkerbund in Genf. Später am politischen Aufbau und der Gründung der CSU beteiligt.
  • Otto Wels (1873-1939)
    Gelernter Tapezierer, Gewerkschafter, für die SPD Reichstagsabgeordneter und später Parteivorsitzender. Mitbegründer der „Eisernen Front“ gegen den Nationalsozialismus, einer der Köpfe des Generalstreiks während des Kapp-Putsches. Hielt die letzte freie Rede vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und verlor im Prager Exil 1933 die deutsche Staatsbürgerschaft. Starb wenig später in Paris.
  • Marie Baum (1874 -1964)
    Sozialpolitikerin und eine der ersten promovierten Chemikerinnen. Gründete 1925 die „Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit“. Reichstagsabgeordnete der DDP, später Lehrbeauftragte an der Universität Heidelberg. Nach dem Krieg Mitglied der CDU, die sie verließ, als sich diese vom christlichen Sozialismus abwandte. 1950 schrieb sie die Einführung zum Tagebuch der Anne Frank.
  • Otto Rühle (1874-1943)
    Schriftsteller und sozialdemokratischer, später rätekommunistischer Politiker und Abgeordneter des Reichstags. Beteiligt an der Gründung des Spartakusbundes. Stimmte neben Karl Liebknecht als einziger Abgeordneter gegen die Bewilligung der Kriegskredite. Starb nach seiner Flucht 1932 aus Nazideutschland in Mexiko, wo er zuvor seinen Lebensunterhalt als Postkartenzeichner bestritten hatte.
  • Marie-Elisabeth Lüders (1878-1966)
    Studierte als eine der ersten Frauen Staatswissenschaften und promovierte über die Aus- und Fortbildung von Frauen in gewerblichen Berufen. War als Gründungsmitglied der DDP Abgeordnete in der Nationalversammlung und im späteren Reichstag. Von 1951 bis zu ihrem Tod Mitglied im Bundesvorstand der FDP, ab 1957 als Ehrenpräsidentin.
  • Marie Juchacz (1879-1956)
    Schneiderin, Abgeordnete der Weimarer Nationalversammlung. Hielt die erste Rede einer Frau vor einem freien deutschen Parlament. Gründete die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und war bis zur Machtergreifung der Nationalsozilisten deren Vorsitzende. Nach ihrer Emigration in die USA gründete sie 1945 auch dort eine AWO, die sich der Hilfe für Opfer des Nationalsozialismus engagierte.

Die Ausstellung mit den Comiczeichnungen ist vom 5. September bis 30. November 2017 in der Abgeordnetenlobby des Reichstagsgebäudes zu sehen. Die Ausstellung kann im Zusammenhang mit den Kunst- und Architekturführungen im Reichstagsgebäude angesehen werden. Weitere Informationen erhalten Sie unter der E-Mail-Adresse: kunst-raum@bundestag.de. (vom/05.09.2017)

Marginalspalte