Parlament

AfD-Antrag zu Äußerungen von Deniz Yücel abgelehnt

Die Fraktion der AfD ist mit ihrer Forderung nach einer Missbilligung für den Journalisten Deniz Yücel gescheitert. Ein entsprechender Antrag (19/846) wurde am Donnerstag, 22. Februar 2018, von 552 Abgeordneten nach heftigem Schlagabtausch in namentlicher Abstimmung abgelehnt. 77 votierten für den Antrag, es gab eine Enthaltung.

„Durch nichts begründete bevorzugte Behandlung“

Die AfD bezog sich mit ihrer Forderung auf den Inhalt von zwei Kolumnen in der Tageszeitung „taz“ in den Jahren 2011 und 2012. Yücel, der für einen dieser Texte über den Buchautoren und früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin vom Deutschen Presserat als „Beleidiger“ gerügt worden war und der „ein aufgrund seiner Texte ausgewiesener Deutschland- und Deutschen-Hasser“ sei, sei im Zusammenhang mit seiner ein Jahr währenden Untersuchungshaft in der Türkei vom deutschen Außenminister als „deutscher Patriot“ und „Brückenbauer“ belobigt und von der Kanzlerin als Fall „besonderer Dringlichkeit“ herausgehoben und begünstigt worden.

Diese öffentliche Darstellung sei im Lichte der angeführten Äußerungen zu korrigieren: „Es ist dringend dem Eindruck entgegenzutreten, dass die durch nichts begründete bevorzugte Behandlung des Deniz Yücel durch die deutsche Regierung etwa eine Billigung seiner Deutschland-feindlichen Äußerungen einschließt“, heißt es im Antrag.

AfD: Antideutsche Äußerungen der „Ikone der Linkspresse“

Dr. Gottfried Curio (AfD) begrüßte die Freilassung Deniz Yücels aus politischer Willkürhaft in der Türkei, monierte aber, dass dem Journalisten bei den Bemühungen um seine Freilassung durch die Bundesregierung eine „Sonderbehandlung“ zuteil geworden sei. Die „Ikone der Linkspresse“ stehe mit „antideutschen“ Äußerungen für Hetze „und Rassismus pur“.

Es dränge sich der Eindruck auf, dass es in Deutschland eine „Zwei-Klassen-Redefreiheit“ gebe: Eine für Angehörige des Establishments, bei denen „antideutsche“ Äußerungen als Satire durchgingen, und eine für „patriotische Deutsche“, deren Äußerungen mit Hass-Paragrafen sanktioniert würden.

CDU/CSU: Wir sind nicht das literarische Quartett

Alexander Throm (CDU/CSU) stellte fest, dass der Bundestag nicht der Ort für die Beurteilung journalistischer Texte sei: „Wir sind hier nicht das literarische Quartett.“ Es müsse niemandem gefallen, was Yücel in seinen „als Satire erkennbaren Texten“ geschrieben habe, und es habe damals auch Sanktionen, etwa des Deutschen Presserates, gegeben.

Der Fall Yücel sei ein Paradebeispiel für den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat. „Wir lassen es nicht zu, dass jemand in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, unabhängig davon, ob wir seine Auffassungen teilen oder nicht“, sagte Throm.

SPD: Der deutsche Staat schützt seine Bürger

Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) sagte, die Tatsache, dass der deutsche Staat seine Bürgerinnen und Bürger im Inneren schütze und auch dann, wenn sie irgendwo in der Welt ins Gefängnis gelangen, sei ein Grund, stolz auf dieses Gemeinwesen zu sein. Der AfD-Fraktion empfahl er, besser „Politik auf Grundlage unsere Grundgesetzes“ zu machen: „Sie können uns hier nicht auffordern, journalistische Texte zu missbilligen.“

Der türkische Präsident Erdoğan sei „Bruder im Geiste“ der Antragsteller: „Der hat es nicht so mit der Presse- und Meinungsfreiheit, und Sie haben es eben auch nicht so“, sagte Castellucci.

FDP: Ausweis intellektueller Erbärmlichkeit

Wolfgang Kubicki (FDP) nannte den Antrag einen Ausweis „intellektueller Erbärmlichkeit“. Die Bundesregierung sei nicht befugt, einen Journalisten wegen seiner Äußerungen zu missbilligen, weil durch ein solches Handeln der Eindruck direkter oder indirekter Zensur entstehen würde. Die „taz“ habe sich damals wegen der Äußerungen Yücels bei Thilo Sarrazin entschuldigt.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland habe sich aber bis heute nicht bei der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, entschuldigt für seine Äußerung, man werde sie „in Anatolien entsorgen“, kritisierte Kubicki.  „Ich bin stolz auf mein Land. Ich will mich nicht dafür schämen müssen, dass es Kollegen gibt, die wieder so reden wie Sie.“

Linke: Das ist völkisches Denken

Jan Korte (Die Linke) griff eine Äußerung der AfD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Alice Weidel auf, für die Yücel weder Journalist noch deutscher Staatsbürger sei. Dahinter stehe das Motto: „Ich entscheide, wer Deutscher ist und wer nicht“. Das sei exakt dasselbe Denken wie das des türkischen Präsidenten Erdoğan, der einmal das Blut deutscher Abgeordnete testen lassen wollte.

„Das ist völkisches Denken, das Europa schon einmal in den Abgrund geführt hat“, sagte Korte. Die AfD falle permanent durch Grenzüberschreitungen auf, weil sie inhaltlich nichts zu bieten habe, und sie berufe sich dabei stets auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Jetzt wolle sie diese einschränken und weine auch noch wie „Mimosen“ herum, wenn Kritik zurückkomme.

Grüne: Bundestag benotet nicht die Arbeit von Journalisten

Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) stellte klar, dass der Bundestag nicht die Arbeit von Journalisten benote. „Zensurbehörden gibt es nur in Ländern, die Sie bewundern.“ Die AfD träume offenbar von einem Regime, das „mir das Mikro abstellen“ könne. „Sie wollen bestimmen, wer Deutscher ist und wer nicht.“ 

Die AfD verachte alles, wofür Deutschland in der Welt geachtet werde, seine Erinnerungskultur, seine Vielfalt. „Sie sind aus demselben faulen Holz geschnitzt wie diejenigen, die Deniz Yücel verhaftet haben.“ Die türkische Regierungspartei AKP habe in Deutschland einen Ableger, und der heiße AfD. (ahe/22.02.2018)

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