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18. Dezember 2015 Presse

Jürgen Hardt: Rückzug war zu ehrgeizig
Interview mit der Zeitung „Das Parlament“

Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“  (Erscheinungstag: 21. Dezember 2015)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion, Jürgen Hardt, hat die Aufstockung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr verteidigt. „Wir haben im Laufe des Jahres festgestellt, dass insbesondere der Rückzug aus der Fläche womöglich zu ehrgeizig war“, sagte Hardt im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 21. Dezember 2015). Jetzt gehe es darum, den seit 14 Jahren laufenden Unterstützungseinsatz nicht durch ein übereiltes Ende zu gefährden. „Wir werden den Einsatz fortsetzen und mit zusätzlichen Aufgaben im Bereich des Fernmeldewesens die Zahl der Soldaten von 850 auf bis zu 980 erhöhen.“

Die zwischenzeitliche Einnahme von Kundus durch die Taliban habe für Verunsicherung gesorgt. „Umso mehr müssen wir den Menschen in Afghanistan das Gefühl geben, dass wir dauerhaft an ihrer Seite stehen.“ Hardt sprach sich für die Rückführung afghanischer Flüchtlinge in jene Regionen aus, „die wir als hinreichend sicher betrachten können“. Es gebe heute  keine flächendeckende Bedrohung mehr, so wie das unter der Herrschaft der Taliban der Fall war, insbesondere dort, wo Al-Qaida Rückzugsräume hatte.

Das Interview im Wortlaut:

Herr Hardt, als der Bundestag vor einem Jahr die „Resolute Support Mission“ für Afghanistan beschlossen hat, war die Rede von einer Abzugsperspektive. War der Plan zu voreilig?
Jürgen Hardt: Wir haben im Laufe des Jahres festgestellt, dass insbesondere der Rückzug aus der Fläche womöglich zu ehrgeizig war. Jetzt geht es darum, den seit 14 Jahren laufenden Unterstützungseinsatz in Afghanistan nicht durch ein übereiltes Ende zu gefährden. US-Präsident Barack Obama hat erklärt, dass für ihn nicht der Abzug Ende 2016 Priorität hat, sondern die Stabilität Afghanistans. Das war bereits letztes Jahr unsere Position. Wir werden den Einsatz fortsetzen und mit zusätzlichen Aufgaben im Bereich des Fernmeldewesens die Zahl der Soldaten von 850 auf bis zu 980 erhöhen. Wir verändern nichts am Auftrag der Bundeswehr. Es bleibt bei der Ausbildungs- und Unterstützungsmission, weil nachhaltige Sicherheit nur dann gewährleistet werden kann, wenn Streitkräfte, Polizei und Justiz Afghanistans selbstbewusst und aus einer Position der Stärke heraus den Gegnern entgegentreten können, die im Land ihr Unwesen treiben.

Deutschland stellt Hunderte Millionen Euro zur Verfügung, die Afghanistan eine selbsttragende Entwicklung ermöglichen sollen. Trotzdem gehört das Land zur den Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen. Stößt der „vernetzte Ansatz“ in Afghanistan an seine Grenzen?
Jürgen Hardt: Zunächst ist festzuhalten, dass viele Hunderttausend Menschen in den vergangenen Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt sind, wir also kein Szenario erleben wie jetzt in Syrien. Aber die zwischenzeitliche Einnahme von Kundus durch die Taliban hat für Verunsicherung gesorgt. Umso mehr müssen wir den Menschen in Afghanistan das Gefühl geben, dass wir dauerhaft an ihrer Seite stehen. Wir müssen auch den Mut haben, Menschen in jene Regionen zurückführen, die wir als hinreichend sicher betrachten können. Die afghanische Regierung ist aufgefordert, ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen und afghanische Bürger aufzunehmen. Es gibt im Norden des Landes und in Kabul trotz aller Probleme eine hinreichende Sicherheit. Es gibt keine flächendeckende Bedrohung mehr, so wie das unter der Herrschaft der Taliban der Fall war, insbesondere dort, wo Al-Qaida Rückzugsräume hatte.

Es gibt immer wieder Berichte über Verbindungen zwischen Taliban und pakistanischen Behörden. Muss Pakistan mehr in die Pflicht genommen werden?
Jürgen Hardt:
Wir ermutigen die afghanische Regierung, das Gespräch mit der pakistanischen Seite zu suchen – das war übrigens ein wichtiger Punkt beim Besuch von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Afghanistan Anfang Dezember. Kabul bemüht sich ernsthaft um eine Annäherung an den Nachbarn. Präsident Ghani war ja bereits in Islamabad. Umgekehrt dürfte auch Pakistan kein Interesse an einem Nachbarn haben, der Terrorismus nicht wirksam und aus eigener Kraft bekämpfen kann.

Halten Sie es für ausgeschlossen, dass eines Tages mit den Taliban verhandelt wird?
Jürgen Hardt:
Es gibt auch unter den Taliban Kräfte, die für eine friedliche Zukunft des Landes zu gewinnen sind. Das ist aber eine Entscheidung der demokratisch gewählten afghanischen Regierung. Sie muss entscheiden, wen sie für gesprächsfähig hält.

Der Bundestag hat auch der Fortsetzung von „Active Endeavour“ im Mittelmeer zugestimmt, einem Einsatz, der noch immer auf Artikel 5 des Nordatlantikvertrags im Zusammenhang mit 9/11 gründet. Soll aus dem Bündnisfall ein Dauerzustand werden?
Jürgen Hardt:
„Active Endeavour“ hat genauso wie UNIFIL vor der libanesischen Küste, die Operationen „Atalanta“ am Horn von Afrika und „Sophia“ vor der libyschen Küste – dazu beigetragen, dass wichtige internationale Seewege sicher sind. Bei „Active Endeavour“ streben wir bis zum Nato-Gipfel Mitte 2016 an, den Einsatz vom Artikel 5 zu lösen und auf eine andere völkerrechtliche Grundlage zu stellen.

Wie steht es um die völkerrechtliche Legitimation beim militärischen Vorgehen gegen internationalen Terror? Die Kritik lautet, dass es sich de facto um einen grenzenlos aufgefassten „Krieg gegen den Terror“ handeln würde, der sich  gegen nichtstaatliche Akteure wendet.
Jürgen Hardt:
Alle Bundeswehreinsätze, auch der in Afghanistan und im Rahmen von „Active Endeavour“ und der Syrien-Einsatz haben eine tragfähige völkerrechtliche Grundlage. Das Recht zur Selbstverteidigung, wie es die Charta der Vereinten Nationen vorsieht, bezieht sich nicht nur auf Angriffe durch Staaten, sondern auch durch nichtstaatliche Akteure. Um den UN-Sicherheitsrat als rechtsschaffendes Gremium noch handlungsfähiger zu machen, wäre es allerdings wünschenswert, wenn wir einen Konsens erreichen könnten, den UN-Sicherheitsrat zu reformieren und seine Zusammensetzung zu ändern. Zudem gibt es den Vorstoß Frankreichs, die fünf Vetomächte dazu zu bringen, dass sie auf ihr Veto im Fall von Völkermorden verzichten. Diesen halte ich für absolut unterstützenswert.

Was lässt sich aus den Fehlern in Afghanistan beim Einsatz gegen den „Islamischen Staat“ (IS) lernen?
Jürgen Hardt:
Man darf die Situation in einem Land, in dem man einen Militäreinsatz plant, niemals unterschätzen und sollte ein pessimistisches Szenario mitbedenken. Zweitens haben wir gelernt, dass ein motivierter, gut ausgebildeter einheimischer Soldat oder Polizist ein ganz anderes Potential hat, in seiner Heimat für Frieden und Sicherheit zu sorgen als ausländische Kräfte. Deshalb setzen wir beim Kampf gegen den IS auf Akteure am Boden, die mit der Region und den Menschen vertraut sind, wie etwa die Peschmerga im Nordirak.

Also kein Einsatz der Bundeswehr als Bodentruppe – weder in Afghanistan noch im Kampf gegen den IS?
Jürgen Hardt:
US-Truppen führen gemeinsam mit der afghanischen Armee nach wie vor auch militärische Operationen durch. Das machen wir dort nicht mehr. Mit Blick auf Syrien stellt sich diese Frage heute nicht. Aber es wäre nicht ehrlich, hier von vornherein eine rote Linie zu ziehen.

Hätten Sie sich mehr Klarheit für das Mandat beim Syrien-Einsatz gewünscht?
Jürgen Hardt:
Der Einsatz besteht aus drei Teilen und der Auftrag ist klar. Es geht um den Schutz des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“, es geht um die Betankung französischer Kampfflugzeuge durch unsere Tankflugzeuge und es geht um Aufklärung per Satellit und aus der Luft. Der Auftrag der UN-Resolution 2249 umfasst das Recht, den IS dort zu bekämpfen, wo er herrscht. Ein Lagebild, das erlaubt zu beurteilen, wo der IS militärische Stellungen hat, ist Voraussetzung dafür, das Mandat ordnungsgemäß zu erfüllen.

Ist das politische Ziel für Syrien klar genug definiert?
Jürgen Hardt:
Es wird keinen Frieden in Syrien geben, solange es den IS gibt. Und es wird keine nachhaltige erfolgreiche Bekämpfung des IS geben, solange es den Konflikt in Syrien gibt. Es geht darum, eine Expansion des IS zu verhindern, um dann auf der Basis eines Friedensschlusses die syrischen Kräfte zu ermutigen, geschlossen gegen den IS auf syrischem Gebiet vorzugehen. Das hängt allerdings von zwei entscheidenden Punkten ab. Die syrische Opposition muss einen Weg finden, mit Kräften des syrischen Regimes zu einer Vereinbarung zu kommen, die zu einem Waffenstillstand und idealerweise zu Wahlen führt. Zum zweiten müssen wir Russland davon überzeugen, sich der Bekämpfung des IS und der Befriedung Syriens mit gleicher Konsequenz zu verschreiben, wie wir das tun. Da gibt es positive Signale – etwa das Tandem der Außenminister Lawrow und Kerry, die bei den Genfer Verhandlungen zeigen, dass Russland und Amerika in dieser Frage an einem Strang ziehen. Aber es gibt auch entmutigende Signale, wenn man sich anschaut, welche Ziele mit russischer Unterstützung in Syrien derzeit bekämpft werden. Das sind überwiegend keine Stellungen des IS, sondern Orte, die der syrischen Opposition zuzuordnen sind.

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