Nukleare Sicherheit

Öffentliche Anhörung zum Thema „Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, (BT-Drs. 20/3498)“

Aus dem Schornstein eines Kraftwerks steigt Rauch auf.

Eine mögliche Gasmangellage ist Gegenstand einer Anhörung im Umweltausschuss. (picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt)

Zeit: Montag, 26. September 2022, 12.15 Uhr bis 13.45 Uhr
Ort: Videokonferenz, Sitzungssaal PLH E 800

Die von der Ampelkoalition vor dem Hintergrund der angespannten Lage am Gasmarkt geplante Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz am Montag, 26.09.2022, grundsätzlich auf Zustimmung gestoßen. Die Mehrheit der Experten begrüßte den von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegten Gesetzentwurf (20/3498). Dieser sei gut geeignet, um Genehmigungsverfahren zu verkürzen und Betreibern von Kraftwerken und Industrieanlagen den dringend erforderlichen Brennstoffwechsel zu ermöglichen, so ihre Einschätzung.

Einige Experten sahen zudem weitergehenden Handlungsbedarf. Andere Sachverständige äußerten auch Bedenken zu den geplanten Ausnahmen vom Immissionsschutz. Die Regelungen gingen teilweise sehr weit, schränkten Umweltstandards zu stark ein und damit auch europäisches Recht, so ihre Kritik.

Beitrag zur Bewältigung der Gasversorgungskrise

Vertreter von Unternehmen und Anlagenbetreibern wie Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München, begrüßten das Gesetzgebungsvorhaben. Die geplanten Regelungen seien ein „effektiver Beitrag“ zur Bewältigung der Gasversorgungskrise, so der Sachverständige.

Mit Blick auf die technische Umsetzung machte er im Detail jedoch Lücken aus: So sollten auch bivalente Anlagen, also Anlagen, die mit zwei Brennstoffen betrieben werden können, von den Ausnahmeregelungen erfasst werden. Zudem plädierte Bieberbach dafür, auf die Pflicht zur Nachrüstung von Anlagen zur Abgasreinigung zu verzichten. Diese zu erfüllen sei bis zum Winter kaum möglich, und angesichts des Ausnahmecharakters der Regelung auch unverhältnismäßig.

„Mehr gewünscht“ für kleinere Betriebe

Hauke Dierks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag unterstützte die vorgesehenen Ausnahmen und Verfahrenserleichterungen für Unternehmen ebenfalls. Allerdings ließ er durchblicken, dass man sich für kleinere Betriebe „mehr gewünscht“ hätte. Viele dieser Betriebe seien bereits dabei, einen Brennstoffwechsel vorzubereiten, scheiterten jedoch an rechtlichen Vorgaben. Eine Hürde sei etwa die Genehmigungspflicht für die Installation größeren Flüssiggastanks, so der Sachverständige. Dierks drängte zudem darauf, Behörden die Möglichkeit zu geben, Abweichungen von Emissions-Grenzwerten befristet zu dulden – sofern von Anlagen keine Gefahr für Gesundheit und Umwelt ausginge.

Wolfgang Hausdörfer, Werkleiter beim Ziegelhersteller Creaton, signalisierte auch Zweifel, ob sich die geplanten Änderungen erleichternd auswirken könnten. Die Energieträgerumstellung sei schlichtweg nicht so schnell zu bewerkstelligen, dass sie sich noch in diesem Winter auswirke.

„Ausnahmen auch von europäischem Recht nötig“

Dr. Markus Frank vom Verband der Chemischen Industrie bedauerte, dass keine Ausnahmen von „europäischen Anforderungen“ geplant seien.

Dafür müssten nun aber die geplanten Änderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz schnell umgesetzt und durch weitere im Bereich der Betriebssicherheit und für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdeten Stoffen ergänzt werden, mahnte er. Es brauche dringend rechtssichere Genehmigungsverfahren.

Unbestimmte Formulierungen laden zu Missbrauch ein

Deutliche Kritik an dem Gesetzentwurf übten Experten wie der Umwelttechniker Peter Gebhardt und die Juristin Dr. Franziska Heß: Beide erkannten zwar die Notwendigkeit zu Ausnahmeregegelungen an, monierten aber, dass die konkret vorgesehenen Änderungen über das Ziel hinausschössen.

Der Entwurf gehe über „dasjenige, was zur Bewältigung der Gasmangellage erforderlich ist, deutlich hinaus“, so formulierte es etwa Franziska Heß von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte. Die Fälle, in denen Ausnahmen von Umweltstandards gelten sollten, seien nicht genügend klar eingegrenzt und ermöglichten Missbrauch. Einzelne Regelungen verletzten auch europäisches Recht, konkret die Industrieemissionsrichtlinie, kritisierte sie. Heß plädierte insgesamt dafür, Ausnahmen auf systemrelevante Anlagen zu beschränken.

Zu weit gehende Regelungen

Peter Gebhardt, Ingenieurbüro für Umweltschutztechnik, zweifelte auch an, ob alle der geplanten Änderungen tatsächlich erforderlich seien. Ausnahmen von Emissionsgrenzwerten für Stickstoffoxide seien zum Beispiel nicht nötig, da von einem Ammoniak- oder Harnstoffmangel nicht auszugehen sein, argumentierte der Experte.

Die Voraussetzungen, um Sonderregelungen zu beantragen, seien letztlich so breit gefasst, dass Unternehmen „jegliche Erschwernis“ im Zusammenhang mit einer Gasmangellage als Grund heranziehen könnten, um Vorhaben „ohne Genehmigung und mit extrem eingeschränkter Öffentlichkeitsbeteiligung zu realisieren“, gab der Sachverständige zu bedenken.

„Es geht um die Beschleunigung der Prozesse“

Die Sorge teilte Annette Giersch vom Bundesverband der Deutschen Industrie nicht: Der Schutz von Mensch und Umwelt werde weiterhin gewährleistet, versicherte sie und betonte: „Es geht hier um die Beschleunigung der Prozesse.“

Aktuell dauerten Genehmigungsverfahren ein Jahr. Soviel Zeit hätten Betriebe und Unternehmen nicht. Die Energiekrise bedrohe sie existenziell.

Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen

Die Koalitionsfraktionen stellen in ihrem Gesetzentwurf fest, dass durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine „unvorhersehbare, außergewöhnliche und volatile Lage am Gasmarkt“ entstanden sei. In der „angespannten Versorgungslage“ sei es erforderlich, Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zügig durchzuführen. Um kurze Verfahrensdauern zu erreichen, müssten zeitlich befristete Erleichterungen eingeführt werden. Neue gesetzliche Regelungen sollen auf zwei Jahre, Übergangsregelungen auf vier Jahre befristet werden.

Der Gesetzentwurf sieht Sonderregelungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen bestimmter Genehmigungsverfahren sowie weitere Erleichterungen vor, wenn das entsprechende Verfahren in einem näher beschriebenen Zusammenhang mit der Gasmangellage steht, etwa bei einem Brennstoffwechsel, beim Fehlen notwendiger Betriebsmittel für Abgaseinrichtungen oder wegen einer anderen Notwendigkeit, die durch die „ernste oder erhebliche Gasmangellage“ ausgelöst wird. Mit Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas liegt diese Gasmangellage nach Regierungsangaben vor und muss vom Anlagenbetreiber nicht erneut nachgewiesen werden. Die Regierung verweist darauf, dass die durch die Gasmangellage erzeugten Fallkonstellationen „derzeit noch nicht vollständig absehbar sind“.

Kürzere Einwendungsfristen

Bei einem Zusammenhang mit der Gasmangellage soll die Genehmigungsbehörde über die Zulassung des vorzeitigen Beginns bereits vor Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf Grundlage der Antragsunterlagen entscheiden, um eine Beschleunigung zu erreichen. Sichergestellt bleiben müsse, dass das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der abschließenden Genehmigungsentscheidung angemessen berücksichtigt wird.

Unter anderem sollen bestimmte Einwendungsfristen von zwei Wochen oder einem Monat auf eine Woche verkürzt werden. Auch soll unter Umständen auf einen Erörterungstermin verzichtet werden können. In Fällen, in denen die Zulassung einer Ausnahme von Emissionsgrenzwerten beantragt wird, soll in Bezug auf die davon erfassten Auswirkungen weder eine Änderungsanzeige noch eine Änderungsgenehmigung erforderlich sein. (ste/sas/26.09.2022)

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