Bildung

Öffentliche Anhörung „Technologieagenda Neue Energien - Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung stärken“

Zeit: Mittwoch, 18. Januar 2023, 9.40 Uhr bis 11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal Sitzungssaal 4.300

Die Forschungsförderung im Energiebereich muss gestärkt werden. Diese Forderung erhoben die zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch, 18. Januar 2023, geladenen Sachverständigen. Grundlage der Anhörung war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/4315), in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, eine „Technologieagenda Neue Energien“ zu erstellen.

Experte: Energieforschung ist gut aufgestellt

Ziel müsse es sein, Deutschland zu einem internationalen Champion nachhaltiger Energietechnologien zu machen, sagte Prof. Dr. Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. „Dies wird nur durch eine nationale Anstrengung in einem engen Schulterschluss von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft möglich“, betonte er. Wiestler sieht Deutschland im Bereich der Energieforschung „gut aufgestellt“.

Wichtig sei es, die Ergebnisse in der Praxis schneller auszurollen. „Es braucht neue Transferideen“, sagte er. Wesentliche Ziele würden in Programmen der Helmholtz-Gemeinschaft abgebildet. Es gehe um neue Generationen potenter Photovoltaik-Module, computergesteuerte Grids, innovative Speicherkonzepte, grünen Wasserstoff sowie geobasierte Energietechnologien.

Transformation des Energiesystems

Um die Klimakrise bewältigen zu können, ist es aus Sicht von Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, essenziell, die Transformation des Energiesystems unter Nutzung erneuerbarer Energien massiv voranzutreiben. Eine hohe Relevanz habe die Systemforschung. „Reallabore sind ein ganz wesentliches Element, um Systemlösungen erfolgreich implementieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können“, sagte Henning.

Ein funktionierendes Innovations-Öko-System brauche aber auch die industrielle Wertschöpfung, was durch die entsprechenden Forschungsprogramme flankiert werden müsse. Bei der Fotovoltaik gehe es darum, die Fertigung in Deutschland und Europa wiederzubeleben. Eine „hervorragende Ausgangsposition“ habe Deutschland bei der Wasserstofftechnik. Ziel müsse es sein, sich als einer der führenden Standorte weltweit zu entwickeln.

Einbindung der Wissenschaft in politische Entscheidungen

Die durch eine zielgerichtete Förderung gestärkte Wissenschafts- und Forschungslandschaft kann nach Ansicht von Prof. Dr. Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, durchaus ein Booster gegen die aktuelle Energiekrise sein. Kemfert sprach sich dafür aus, die Rolle der Wissenschaft in politischen Entscheidungsprozessen zu stärken.

„Eine frühzeitige Einbindung von Wissenschaft zur Bewältigung der Energiekrise insbesondere im Hinblick auf zur Verfügung stehende technische Lösungsoptionen sowie ihre Implementierung erscheint ebenso durchaus sinnvoll“, befand sie. Ebenso ratsam sei es, einen Prozess zu implementieren, der eine unabhängige wissenschaftliche Beratung der Bundesregierung in Energiefragen kontinuierlich sicherstellt.

Forderung nach technologieoffener Energieforschung

Prof. Dr. Aaron Praktiknjo, Leiter des Lehrstuhls für Energiesystemökonomie an der RWTH Aachen, plädierte für eine „mutige und technologieoffene Energieforschung“. Die Ergebnisse einer Energieforschung, die sich mit grundlegenden Neuerungen befasst, seien von Natur aus nie komplett vorausschaubar und daher durchaus riskant, sagte er. Für Investitionen sei aber eine Diversifikationsstrategie wichtig, um das Ertragsrisikoverhältnis zu optimieren. Das gelte insbesondere bei der Energieforschung mit niedrigen Technologiereifegraden.

Zwar würden diese kurz- bis mittelfristig voraussichtlich keine substanziellen Beiträge zur Energiewende leisten. Allerdings könnten sie langfristig national und international wertvolle Beiträge für nachhaltige Energiesysteme liefern, die nicht nur mit geringen, sondern netto-null Treibhausgasemissionen einhergehen. Als Beispiele benannte Praktiknjo die Wasserstoffindustrie sowie „kleine modulare Kernreaktoren“.

Forschung und Investitionen in neue Technologien

Die deutsche Industrie benötige eine sichere, bezahlbare und klimagerechte Energieversorgung, um wettbewerbsfähig zu sein und ihre Klimaziele zu erreichen, sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Gleichzeitig seien Forschung und Investitionen in neue Technologien Voraussetzung, um internationale Technologieführung zu erhalten und auszubauen. Auch deshalb habe der BDI die Energieforschungsprogramme der Bundesregierung stets eng begleitet.

Im Rahmen einer „Technologieagenda Neue Energien“ sollte Deutschland aus Sicht des BDI seine nationale Innovationsagenda auf den Hochlauf der vielversprechendsten grünen Technologien fokussieren, gezielt potenzielle „Game-Changer“ erforschen, und die Skalierung von bereits vorhandenen Technologien beschleunigen. Zudem dürfe eine „Technologieagenda Neue Energien“ mittelständische Unternehmen auf keinen Fall ausschließen. Sie bildeten das Rückgrat der deutschen Industrie und sicherten dabei Arbeitsplätze und Wohlstand.

Ausrichtung der Transfer- und Fördersysteme

Ähnlich sah das Markus Jerger, Vorsitzender der Bundesgeschäftsführung des Vereins „Der Mittelstand“. Als Rückgrat der deutschen Wirtschaft müsse die Ausrichtung der Transfer- und Fördersysteme konsequent auf den Mittelstand ausgerichtet werden, um dort das Innovationspotenzial optimal auszuschöpfen, sagte er. Das eigentlich zur Unterstützung von Unternehmen gedachte europäische und deutsche Innovations- und Fördersystem sei allerdings sehr komplex, überbürokratisiert und berücksichtige die Belange des Mittelstands unzureichend. „Die Transformation macht nur Sinn, wenn sie beim Mittelstand ankommt“, so Jerger.

Es bestehe aber die Gefahr, dass ein Teil des Mittelstandes in Deutschland absinke und sein Knowhow ins Ausland abverkauft werde. Wenn Unternehmen aufgegeben würden, ziehe das auch andere Unternehmen mit. „Deshalb unterstützen wir jede Agenda der Bundesregierung, die dem Mittelstand schnell Geld zur Verfügung stellt, damit er sich transformieren kann.“ Ohne Geld komme der Mittelstand nicht in die Zukunft, sagte Jerger.

Antrag der Union

Der CDU/CSU fehlt in der Energie- und Klimakrise mit Blick auf das Handeln der Ampelkoalition eine technologische Strategie. „Gerade in der aktuellen Krise sollte die Stunde von Wissenschaft und Forschung schlagen“, heißt es in ihrem Antrag. Die Fraktion fordert die Bundesregierung deshalb unter anderem dazu auf, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel eine „Technologieagenda Neue Energien“ zu erstellen. Dazu solle sie kurzfristig unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine unabhängige, ergebnisoffene wissenschaftliche Analyse zu einer sicheren, bezahlbaren und klimafreundlichen Energieversorgung in Deutschland für die Jahre 2023, 2024 und 2025 in Auftrag geben.

Die Ergebnisse sind nach dem Willen der Antragsteller im ersten Quartal 2023 vorzulegen. Auf dieser Basis solle die Bundesregierung die politischen Schlussfolgerungen in Form einer forschungs- und innovationsgeleiteten Agenda der Öffentlichkeit vorstellen und unter gemeinsamer Federführung des BMBF und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Schnellläuferinitiativen zur zeitnahen Markteinführung „from lab to fab“ reifer Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Energieforschung an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufsetzen. Dabei solle der Fokus auf die Umsetzung mit kleinen und mittleren Unternehmen sowie Start-ups gelegt werden. (hau/mis/18.01.2023)

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