Sachverständige fordern Anschlussförderung für Biogasanlagen
Zeit:
Mittwoch, 15. Januar 2025,
9
bis 11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.300
Eine Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) muss aus Sicht von Sachverständigen ebenso noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden wie eine Anschlussförderung für Biogasanlagen. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Mittwoch, 15. Januar 2025, deutlich.
Gesetzentwurf von SPD und Grünen
Um Biogasanlagen eine Anschlussperspektive zu eröffnen und eine flexiblere Fahrweise der Biomasse-Anlagen nachhaltig anzureizen, haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf (20/14246) vorgelegt. Dem Entwurf zufolge soll künftig die Förderung für eine bestimmte Anzahl an Betriebsstunden gezahlt werden, nicht mehr auf einen Anteil der jährlichen Bemessungsleistung. Außerdem soll der Flexibilitätszuschlag von 65 Euro pro Kilowattstunde auf 100 Euro pro Kilowattstunde installierter Leistung angehoben werden. Zudem solle die Förderung künftig bereits bei schwach positiven Preisen entfallen.
Zum KWKG gibt es sowohl einen Gesetzentwurf der Unionsfraktion (20/13615) als auch eine Formulierungshilfe der Bundesregierung. Ziel ist es, dass neue Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auch dann gefördert werden können, wenn sie erst nach Ende 2026 in Betrieb gehen, was nach aktueller Rechtslage nicht möglich ist.
Umsetzung vor Neuwahl gefordert
Die zeitnahe Verlängerung des KWKG, „noch in dieser Legislaturperiode“, sei dringend erforderlich, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Sie begrüßte den sich abzeichnenden Konsens zwischen Regierung und Opposition in dieser Frage. Es brauche Investitionssicherheit für laufende KWK-Projekte, aber auch für zukünftige Investitionen in die Wärmewende und den dafür wichtigen Fernwärmeausbau. Andreae plädierte dafür, „möglichst nah“ an den bestehenden beihilferechtlichen Genehmigungen der EU-Kommission zu bleiben und daher an vorhandene Regelungen anzuknüpfen.
Mit Blick auf die Flexibilisierung bei den Biogasanlagen verwies sie darauf, dass 2025 und 2026 knapp 15 Prozent des Bestandes an Biogasanlagen aus der EEG-Förderung fallen würden. Es brauche daher eine Anschlussförderung. „Wir brauchen aber auch ein umfassendes Konzept für Biomasse“, sagte Andreae. Dieses zu erstellen, werde Aufgabe der neuen Bundesregierung sein.
Michael Beil, Abteilungsleiter Erneuerbare Gase und Bioenergie beim Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik, begrüßte die Regelung zu Biogasanlagen, weil sie auf eine Lenkungswirkung abziele, dass bei sehr hohen Einspeisungen durch PV- oder Windstrom die Einspeisung durch Biogasstrom deutlich reduziert und die Einspeiseleistung des Anlagenparks bei hohem Strombedarf erhöht werde. Weiterhin erhöhe sich die Chance zum Weiterbetrieb von Biogasanlagen mit bestehenden Wärmeversorgungskonzepten durch eine Priorisierung innerhalb der Ausschreibungen.
Dr. Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer der 8KU GmbH, einem Zusammenschluss großer kommunaler Energieversorgungsunternehmen, hält ebenfalls die Umsetzung der Gesetzesinitiativen noch vor der Neuwahl für nötig. Eine Verlängerung der Wirksamkeit des KWKG müsse unverzüglich, rechts- und beihilfesicher erreicht werden. „Dem gegenüber erachten wir alle weiteren Anpassungen als nachrangig“, sagte er. Das KWKG sei die entscheidende Größe, um Fernwärmeinfrastruktur auszubauen. Da das bestehende Gesetz ein Auslaufdatum mit Inbetriebnahme 2026 hat, stehe bereits heute unmittelbar „der Fadenriss bevor“, warnte Dümpelmann.
„Weiterentwicklung hat nicht stattgefunden“
Sabine Gores, stellvertretende Bereichsleiterin Energie & Klimaschutz beim Öko-Institut, sieht in der Verlängerung des KWKG nur einen Notbehelf, „weil erforderliche Weiterentwicklungen nicht stattgefunden haben“. Das KWKG sei in seiner bestehenden Form ein Förderinstrument für das Stromsystem und den Kraftwerkspark der letzten beiden Dekaden.
Es fördere derzeit vor allem fossile Stromerzeugung und sei damit nicht kohärent zu den klimapolitischen Zielsetzungen. Wenn also eine KWK-Anlage ab 2026 in Betrieb geht, so Gores, dürfe die Förderung ab 2035 nur noch bei treibhausneutraler Erzeugung erfolgen. „Das gibt dann auch Richtungssicherheit bei den Investitionen“, sagte sie.
Auf ausgeglichene Wirtschaftlichkeit achten
Die KWK-Förderung muss aus Sicht von Dr. Till Jenssen vom Deutschen Städtetag bis 2035 verlängert werden, um den dringend notwendigen Ausbau der Fernwärme sicherzustellen. Mit Blick auf die geplanten EEG-Novelle sagte der Kommunalvertreter: „Wir befürworten, dass Ausschreibungsvolumina erhöht und Anschlussförderung für Biogasanlagen sowie Flexibilisierungsanreize verlängert werden sollen.“
Bei einer fortlaufenden Förderung müsse zugleich auf eine ausgeglichene Wirtschaftlichkeit geachtet werden. In Regionen mit hohem Anteil an Biogasanlagen und starker Förderung sei derzeit ein starker Anstieg der Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen zu beobachten.
„Unabdingbar während ,Dunkelflaute'“
Prof. Dr. Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hält die Sicherung und insbesondere die Erhöhung der installierten Leistung von Biogasanlagen für unabdingbar, „um in Deutschland in den kommenden Jahren eine sichere Stromversorgung auch während der ,Dunkelflaute' zu gewährleisten“. Zudem sei die Bereitstellung von Reserveleistung durch die Flexibilisierung von Biogasanlagen erheblich kostengünstiger als mit Wasserstoff- und Wasserstoffkraftwerken. Neben einer Flexibilisierung der Biogasanlagen erachtet Karl auch die Realisierung ausreichend großer Biogasspeicher für notwendig. Deshalb brauche es zusätzlich zum Flexibilitätszuschlag ein Speicherkapazitätszuschlag in Höhe von 25 Cent pro Kilowattstunde installierter Speicherkapazität, sagte er.
Martin Laß, Mitglied des Vorstands im Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein und selber Betreiber einer Biogasspeicheranlage, verwies auf die überwiegend einheitlichen Stellungnahmen der Sachverständigen. Um die benötigten Investitionen in die Bioenergie und damit die dezentrale Wärmeerzeugung möglich zu machen, müssten die Regelungen jetzt beschlossen werden.
Unbedenklichkeitsbescheinigung der EU-Kommission
Dr. Kai Lobo, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), bewertete die Formulierungshilfe der Bundesregierung zur KWKG-Verlängerung als den „Spatz in der Hand“, während der Unionsentwurf die „Taube auf dem Dach“ sei. Sollte die neue Fördersystematik auf Grundlage der Formulierungshilfe beschlossen werden, brauche es eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung der EU-Kommission, sagte er.
Die Investoren könnten sich schließlich nicht abschließend auf die Rechtsauffassung der Bundesregierung verlassen. „Herr im Haus“ beim Beihilfeverfahren sei schließlich die EU-Kommission.
„Uns läuft die Zeit weg“
Die Branche warte sei zwei Jahren auf die entsprechenden Gesetzesinitiativen, sagte Stefan Lochmüller, Referent Energiepolitik beim Energieversorger N-ERGIE. Kurz vor knapp stehe man nun an dem Punkt, „dass uns die Zeit wegläuft“. So gerate die Wärmewende ins Stocken.
Lochmüller erläuterte, dass noch in diesem Jahr eine Förderung laut KWKG möglich sei. Diese Förderung passiere aber im Folgejahr 2026, in dem auch die Abrechnung erfolge. Im nächsten Jahr werde jedoch nicht mehr gefördert, weil die Abrechnung erst im Jahr 2027 möglich sei. „Wird dieses Gesetz nicht verlängert, ist damit die Wärmewende in dem Bereich KWK und Ausbau der Wärmenetze nicht mehr möglich“, sagte er.
BBE plädiert für Übergangsregelung
Die Anhebung des Flexibilitätszuschlags sowie die Verlängerung der Anschlussregelung für Biogasanlagen sei zu begrüßen, befand Sandra Rostek, Leiterin Politik beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BBE). Die Ausgestaltung der neuen Anforderungen an die Flexibilisierung beziehungsweise die Überbauung von Biogasanlagen sowie das Fehlen jeglicher Übergangsfristen gingen in der aktuellen Form jedoch an der Realität der Branche vorbei. So könne die Rückbauwelle nicht aufgehalten werden, sagte Rostek.
Der Entwurf müsste um einen realistischen Transformationspfad mit pragmatischen Anforderungen und praxisgerechten Fristen ergänzt werden, forderte sie. Sei dies nicht möglich, plädiere der BBE für eine Übergangsregelung, nach der nur für 2025 und 2026 Ausschreibungsvolumen und Flexibilisierungszuschlag angehoben werden. Alles andere müsse dann zu einem späteren Zeitpunkt nochmals diskutiert werden, sagte Rostek.
Rechts- und Planungssicherheit herstellen
Christian Seyfert, Geschäftsführer beim Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), begrüßte, dass in das Thema KWKG noch vor der Bundestagswahl Bewegung komme. Eile sei geboten, um Rechts- und Planungssicherheit herzustellen, sagte Seyfert. Ohne Gelder zur Modernisierung oder dem Bau von Neuanlagen werde der KWK-Kraftwerkspark ganz sicher dahinschwinden.
Mit einer Verlängerung des KWKG könne indes ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der energieintensiven Industrie in Deutschland geleistet werden, so der VIK-Geschäftsführer. (hau/15.01.2025)