Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes begrüßt
Zeit:
Mittwoch, 15. Januar 2025,
13.45
bis 15.15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.300
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes an die Änderung der Richtlinie 20023/87/EG (TEHG-Europarechtsanpassungsgesetz 20249, 20/13585, 20/13962) war am Mittwoch, 15. Januar 2025, Gegenstand einer eineinhalbstündigen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie. Die Sachverständigen begrüßten die Anpassung, im Konkreten gab es aber einige Kritikpunkte.
Städtetag fordert soziale Abfederung
Dr. Till Jenssen vom Deutschen Städtetag zum Beispiel erklärte: Nur wenn der CO2-Preis ausreichend hoch angesetzt sei, könne er die nötige Lenkungswirkung zur Vermeidung und Verminderung von Treibhausgasen entfalten. Zugleich aber sehe er die Notwendigkeit, dass die Transformation zu einem klimaneutralen Leben und Wirtschaften sozial abgefedert werde.
“Aus unserer Sicht muss daher zwingend ein Konzept für ein zielgenaues und unbürokratisches ausgestaltetes Klimageld vorgelegt werden„, sagte Jenssen. Es sei richtig, Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel sozial gerecht auf einkommensschwache Haushalte umzuverteilen.
Klimaforscher sprechen von einem historischen Schritt
Dr. Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sprach von einem “historischen Schritt„. Ohne Deutschlands Vorreiterrolle, die es überhaupt erst ermöglicht habe zu zeigen, dass eine Bepreisung funktionieren könne, würde man heute nicht über die Ausweitung der europaweiten Treibhausgas-Bepreisung sprechen. Mit der Europäisierung sei allerdings auch eine breitere Verantwortung verbunden, die für die Funktionsfähigkeit des ETS (Emissions Trading System) notwendige Kooperation zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu befördern.
Mit der Europäisierung sei allerdings auch eine breitere Verantwortung verbunden, die für die Funktionsfähigkeit des ETS notwendige Kooperation zwischen EU Mitgliedstaaten zu befördern. Deutschland sollte dafür Sorge tragen, dass die unterschiedlichen Lasten auf faire und solidarische Weise getragen werden, sagte Pahle.
“Möglichst einfach, erfüllbar und erwartungssicher„
Martin Kaspar von der Thüga Aktiengesellschaft begrüßte grundsätzlich das mit der Anpassung zum Ausdruck gebrachte Bewusstsein um die Wichtigkeit eines europaweit einheitlichen Emissionshandels, warnte aber: Da der Erwerb von Zertifikaten je nach Sektor unterschiedlich geregelt sein könne und der nationale Brennstoffemissionshandel einer nach wie vor staatlich festgelegten Preisbildung unterliege, seien Neuerungen tendenziell komplex und für die betroffenen Unternehmen mit einem höheren Erfüllungsaufwand verbunden.
“Änderungen am Emissionshandel sollten daher möglichst einfach, erfüllbar und erwartungssicher sein„, sagte Kaspar.
Der Wunsch nach mehr Planungssicherheit
Dr. Lutz von Meyerinck als Vertreter der KMW outrage management Partnerschaft kritisierte den vorgelegten Gesetzentwurf: Es fehle jede Planungssicherheit, niemand kenne den CO2-Preis nach 2026, der Seeverkehr könne nicht integriert werden – und womöglich drohten Deutschland Strafzahlungen von Seiten der EU.
Auch Dr. Carsten Rolle vom Bundesverband der Deutschen Industrie nannte als sein Hauptanliegen mehr Planungssicherheit. Die aktuelle Unsicherheit sei “extrem misslich„. Die Frist zur Umsetzung der ETS-Richtlinie sei seit Langem verstrichen. Die TEHG-Novelle sollte so rasch wie möglich in Kraft treten, um Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen.
Im gleichen Sinne äußerte sich Dr. Maximilian Rinck vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW ). Um den Marktakteuren frühzeitig Planungssicherheit zu geben, müssten Gesetze und nachgelagerte Verordnungen nun so schnell wie möglich geändert werden.
Aus seiner Sicht muss der Gesetzentwurf neben einer Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Vorgaben zwei Herausforderungen meistern: Zum einen müsse er einen nahtlosen und reibungsfreien Übergang des nationalen in das europäische Brennstoffemissionshandelssystem ermöglichen. Hierfür sei es von entscheidender Bedeutung, dass das aktuelle Festpreissystem des Brennstoffemissionshandelsgesetzes vorerst beibehalten wird. Zum anderen sei bei allen Regelungen im Sinne des Bürokratieabbaus zusätzlicher Überwachungs-, Berichts- und Verifizierungsaufwand so weit wie möglich zu vermeiden.
Umstrittene Einbeziehung der Abfallverbrennungsanlagen
Nadine Schartz vom Deutschen Landkreistag und Dr. Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) lehnten beide nachdrücklich die im Entwurf enthaltene vorgezogene Einbeziehung der Abfallverbrennungsanlagen in das Zertifikatevergabe-System ab. Die EU habe 2023 beschlossen, erst einmal bis Juli 2026 die Durchführbarkeit und die möglichen Folgen einer Aufnahme von Siedlungsabfallverbrennungsanlagen in den Zertifikatehandel frühestens ab 2028 auf europäischer Ebene zu bewerten. Dabei soll auch eruiert werden, ob durch eine CO2- Bepreisung der Abfallverbrennung in der EU das Risiko von Müllexporten in das außereuropäische Ausland erhöht wird. Insofern sei es “nicht akzeptabel und auch nicht sachgerecht, dem angekündigten Bericht der EU-Kommission über den EU-weiten Umgang mit der Abfallverbrennung vorzugreifen„, sagte Schartz.
Thärichen kritisierte, dass damit “der nationale Sonderweg in diesem Sachbereich perpetuiert„ Es könne. Es müsse aber über eine etwaige CO2 -Bepreisung der Abfallverbrennung nur europaweit einheitlich entschieden werden.
Dem Ökonomen Prof. Dr. rer. pol. habil. Fritz Söllner zufolge ist der Ansatz der deutschen und europäischen Klimapolitik insgesamt ein verfehlter“. Mit ihren nationalen Reduktionszielen und Anstrengungen könne das globale Problem des anthropogenen Klimawandels nicht gelöst werden. Die Reduktionsanstrengungen von Deutschland und der EU seien extrem und hätten angesichts des geringen Anteils von Deutschland beziehungsweise der EU an den weltweiten Treibhausgasemissionen keinen spürbaren Einfluss auf das Weltklima.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das europäische Emissionshandelssystem ist ein zentrales Instrument der europäischen und nationalen Klimaschutzpolitik, heißt es in dem Gesetzentwurf. Die europäische Rechtsgrundlage für den Emissionshandel bilde die Richtlinie 2003/87/EG (EU-Emissionshandelsrichtlinie). Die Umsetzung des europäischen Regelungsrahmens in nationales Recht erfolge in Deutschland seit 2011 durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG).
Mit der im Rahmen des „Europäischen Grünen Deals“ mit dem Ziel einer Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 und einer Netto-Treibhausgasneutralität bis 2050 beschlossenen Reform des europäischen Emissionshandels werde das Ambitionsniveau des Emissionshandels zur Erreichung des Treibhausgasminderungsziels der EU für 2030 deutlich erhöht und der Anwendungsbereich des Emissionshandels in diesem Zusammenhang erheblich ausgeweitet, heiß es weiter. Hierzu haben das Europäische Parlament und der Rat zwei Richtlinien (EU) 2023/958 und (EU) 2023/959 zur Änderung der EU-Emissionshandelsrichtlinie erlassen, die jeweils am 5. Juni 2023 in Kraft getreten sind.
Die Novelle des TEHG dient laut Bundesregierung vor allem der Umsetzung der geänderten EU-Emissionshandelsrichtlinie in nationales Recht. Diese geänderte Richtlinie regelt die vierte Handelsperiode des EU-Emissionshandels (2021 bis 2030). Hauptanliegen der Reform des EU-Emissionshandels waren die Stärkung des Instruments, die Fortführung des Schutzes vor Carbon Leakage und Solidaritätsmaßnahmen zugunsten weniger leistungsfähiger Mitgliedstaaten.
“Umsetzungsbedarf im nationalen Recht sinkt„
Mit der Reform des EU-Emissionshandels sei die EU-weite Harmonisierung der Regelungen weiter fortgesetzt worden, “sodass der Umsetzungsbedarf im nationalen Recht sinkt„, heißt es. So würden beispielsweise die Regeln zur kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten zukünftig in einer EU-Verordnung festgelegt. Auch Veränderungen der Produktionsmengen bei den teilnehmenden Anlagen würden zukünftig deutlich besser abgebildet als bisher. Dies führe insgesamt zu einer Vereinfachung der Zuteilungsregeln.
Für den EU-Emissionshandel im Luftverkehr setzt die TEHG-Novelle die Änderungen der ETS-Richtlinie um, die sich aus der Verordnung (EU) 2017/2392 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2017 ergeben. Das TEHG dient auch der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) ab 2019.
Stellungnahme des Bundesrates
In ihrer Stellungnahme macht die Länderkammer eine Reihe von Änderungswünschen geltend. Wie aus einer Unterrichtung durch die Bundesregierung hervorgeht (20/13962), ist zum Beispiel der Emissionshandel nach Auffassung des Bundesrates auf die thermische Behandlung von gefährlichen Abfällen nicht anwendbar beziehungsweise zielführend. Bei der CO2-Bepreisung der Verbrennung von (fossilen) Energieträgern gehe es darum, regenerative Energien zu fördern.
Die Verbrennung gefährlicher Abfälle könne nicht durch alternative Verfahren ersetzt werden, da die Zerstörung unter anderem persistenter organischer Schadstoffe und anderer organischer Verbindungen nur bei hohen Temperaturen möglich sei. Der Gesetzgeber solle daher von der Opt-in-Möglichkeit für die Verbrennung von gefährlichen Abfällen keinen Gebrauch machen und diese nicht in den europäischen Emissionshandel (EU-ETS 1 – European Union Emission Trading System) einbeziehen. In ihrer Gegenäußerung teilt die Bundesregierung mit, sie stimme dem Vorschlag des Bundesrats nicht zu.
“Kostenlast trifft kleinere Emittenten„
Ein anderer Punkt des Bundesrates: Das Brennstoffemissionshandelsgesetz und die Einführung eines neuen europäischen Brennstoffemissionshandels (“ETS-2„) verpflichteten Inverkehrbringer von Brennstoffen zum Erwerb und zur Vorlage von Emissionszertifikaten. Die tatsächliche Kostenlast treffe jedoch vor allem kleinere Emittenten wie Haushalte mit Gas- und Ölheizungen, da die Zertifikatspreise über höhere Heizkosten an diese weitergegeben werden – entsprechend dem Prinzip “Verursacher zahlt„. Hier braucht es nach Auffassung des Bundesrates einen stärkeren Schutz vor eventuell stark steigenden Zertifikatspreisen und eine gezielte Entlastung für vulnerablere Gruppen.
In ihrer Gegenäußerung erklärt die Bundesregierung, sie könne die Analyse in den Ausführungen des Bundesrates hinsichtlich der Wirkungen des EU-ETS 2 nachvollziehen, weist aber darauf hin, dass das TEHG-Europarechtsanpassungsgesetz 2024 der Umsetzung zwingender emissionshandelsrechtlicher Vorgaben der EU-Emissionshandelsrichtlinie in nationales Recht diene. Die Diskussion und Entscheidungsfindung hinsichtlich erforderlicher Maßnahmen zur sozialen Flankierung der Folgen aus der Einführung des künftigen europäischen Brennstoffemissionshandels (EU-ETS 2) erfolgt außerhalb dieses Gesetzgebungsverfahrens. (mis/15.01.2025)