Besuch

Valérie Favre

Ein Baum über Texten von Olympe de Gouges, Siebdruck über gouachiertem Papier, 2018, (Edition Reclam: Texte von Olympe de Gouges)

Die Schweizer Künstlerin Valérie Favre (geb. 1959 in Evilard) widmet ihre Arbeit der Französin Olympe de Gouges, einer der ersten Frauenrechtlerinnen Europas. De Gouges (eigentliche Marie Gouze, 1748 – 1793) entstammte armen Verhältnissen, entschied sich nach dem frühen Tod ihres Mannes aber für einen Umzug nach Paris und verfasste nach einigen Jahren des Selbststudiums, in denen sie sich Lesen und Schreiben beibrachte und die höfische Gesellschaft studierte, eigene hoch politische Texte und Theaterstücke, in denen sie
etwa die Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien forderte. 1791, zwei Jahre nach der Deklaration der Menschen und Bürgerrechte, sendete sie die von ihr verfasste „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ an die Nationalversammlung Frankreichs und die französische Königin, um die Gleichstellung der bis dahin rechtlosen Frauen zu fordern. Zu den Kernsätzen ihres Manifests gehört der erste Artikel: „Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten. Die gesellschaftlichen Unterschiede können nur im allgemeinen Nutzen begründet sein.“ Zu ihren zentralen Forderungen gehörte das Wahlrecht für Frauen. Olympe de Gouges scheute keine Auseinandersetzung und war schon während der Französischen Revolution auf der Bastille inhaftiert gewesen. Unter der Herrschaft Robespierres allerdings wurde sie von einem Revolutionsgericht zum Tode verurteilt und am 3. November 1793 durch die Guillotine hingerichtet. In der Begründung zum Urteilsspruch hatte es geheißen: „Ein Staatsmann wollte sie sein, und das Gesetz hat die Verschwörerin dafür bestraft, dass sie die Tugenden vergaß, die ihrem Geschlecht geziemen.“

In Valérie Favres Arbeit ist Olympe de Gouges durch ihre Texte präsent. Sie bilden, wie ein Wabenmuster zusammengelegt, eine Folie, in deren Mitte Favre ein Selbstbildnis setzt. In der Hand hält sie einen kleinen Baum, der als Symbol für die Natur steht – jene Metapher, die einst dazu gedient hatte, Frauen auf ihren „natürlichen“ Platz in der Gemeinschaft unterhalb der Welt der Männer zu suchen. Zugleich ist es ihr wichtig, auf die aktuellen Herausforderungen gesellschaftlicher Kampfplätze hinzuweisen. In Verbindung der der Collage zugrundeliegenden Raute, die seit Aristoteles die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft symbolisiert, versteht sie den Kampf um ein ökologisch nachhaltiges und also gerechtes Leben als zentrale Aufgabe aller.

Valérie Favre ist seit 2006 Professorin für Malerei an der Universität der Künste zu Berlin. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen in Frankreich, in der Schweiz und in Deutschland. Zu den ihr verliehenen Preisen zählen der Livre Bibliographique des französischen Kulturministeriums, der Fond national d’art contenporain, der Prix de Peinture, Salon de Montrouge, France und der Prix de la Fondation Irène Raymond. 2012 war sie für den Marcel-Duchamp-Preis nominiert. Sie lebt und arbeitet in Berlin. (kvo)

Marginalspalte