Kultur und Geschichte

Michael Jastram. Europa und der Stier

Ausstellung in Brüssel
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1. Februar bis 4. Mai 2012

Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages hat im Jahr 2010 die Bronzeskulptur „Europa und der Stier“ von Michael Jastram aus dem Jahr 2006 für die Dependance des Deutschen Bundestages in Brüssel erworben. Die Skulptur wird zusammen mit weiteren Arbeiten des Künstlers, sowohl Skulpturen als auch Zeichnungen, im Verbindungsbüro des Deutschen Bundestages bei der Europäischen Union in Brüssel der ausgestellt.

Michael Jastram, 1953 in Berlin geboren, ist Spross einer Bildhauer- Familie. Sein kürzlich verstorbener Vater Jo Jastram (1928 – 2011) zählt zu den bedeutendsten Bildhauern seiner Generation.

„Im Dialog mit dem Vater“

Michael Jastram studierte an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Jo Jastram und wirkte zunächst als Bildhauer in Berlin. Eine seiner ersten Ausstellungen fand 1988 bei der Galerie Eigen+Art in Leipzig statt. Seinem Antrag im Jahre 1984 auf Ausreise wurde erst im Jahre 1989 in der Form der Ausbürgerung stattgegeben. Er übernahm neben anderen Aufgaben die Leitung der künstlerischen Ausbildung in der Bildhauerwerkstatt der Deutschen Oper Berlin.

Michael Jastrams Skulpturen stehen bei aller Eigenständigkeit immer auch in einem Dialog mit den Themen und Gestalten, die im Mittelpunkt des Schaffens seines Vaters standen, nämlich Mensch- und Tierdarstellungen im Spannungsverhältnis zum umgebenden Raum.

Es ist dies ein Ur-Thema der Skulptur, dem sich auch ein Jahrhundertbildhauer wie Marino Marini lebenslang gewidmet hat. Dessen Werke waren es im Übrigen, die Michael Jastram im Jahre 1971 für sich entdeckte und die ihn zur Bildhauerei führten. Während bei Jo Jastram die Auseinandersetzung mit dieser Tradition im Vordergrund stand, beschreitet Michael Jastram unkonventionelle Wege, indem seine filigranen, oft en miniature gestalteten Figuren sich in ein architektonisches Ambiente einfügen.

Entwurf mythischer Bilder

Der Verweis auf Archaisches bildet bei Michael Jastrams Skulpturen ein Leitmotiv. So entwirft er mythische Bilder in Gestalt von Pyramiden, einfachen schlichten Hütten, Pfahlbauten oder Himmelsleitern und immer wieder Wagen, die entfernt an den berühmten bronzezeitlichen Sonnenwagen von Trundholm erinnern. Die Figuren wirken unfertig, transitorisch, existenziell gefährdet, so als würden sie – kaum aus der Materie geboren – sich allmählich rückverwandeln, oder als seien sie archäologische Fundstücke aus ferner Vorzeit.

Ihre Oberflächen sind unruhig, schrundig und lassen die Arbeitsspuren erkennen. Dieser Eindruck des Gefährdet- Seins wird häufig motivisch verstärkt, wenn zum Beispiel auf der obersten Zinne der Skulptur „Turm“ (2001, Kunstsammlung des Deutschen Bundestages) eine fragile Figur mit Balancierstange sitzt. Das architektonische Ambiente bietet den Figuren gleichwohl einen gewissen Halt, oft öffnen sich die Architektur-Elemente aber auch zum Raum hin, so dass dieser zum Bestandteil des Ensembles wird.

Der Torso „Ikarus“ hingegen verzichtet auf jedes Beiwerk, die Skulptur wird zum eindrucksvollen Symbol, wirkt so erdenschwer, dass sie keine Hoffnung aufkommen lässt, Ikarus könnte sich emporschwingen. Auch diese Skulptur erweckt den Eindruck eines Fundstückes – aus dem Schutt der Jahrhunderte geborgen und von vergangenen gescheiterten Utopien Zeugnis ablegend.

Kritischer Blick auf den Mythos Europa

Michael Jastrams Zeichnungen verraten den versierten Künstler, der Skulpturen mit wenigen, sparsamen Linien auf dem Papier zum Leben erweckt. Besonders seine Studien zum Sujet „Europa und der Stier“ überzeugen als eigenwertige Artefakte und lassen zugleich die Grundidee der Skulptur deutlich werden. Im Mittelpunkt steht die massige Gestalt des Stieres, aufgegliedert in tektonische Platten, wie in einen Panzer gezwängt, aus denen sich die Gestalt kubisch aufbaut.

Ein angedeutetes Rad verwandelt den Stier in ein Vehikel – verschiebbar, aber ohne Anstoß von außen unbeweglich. Die obenauf seitlich sitzende Europa, klein und zerbrechlich im Vergleich zum Stier, schaut an ihm vorbei in unerforschliche Ferne. Mit dieser Konfiguration erzählt Jastram nicht die Sage von der Entführung einer phönizischen Prinzessin nach Kreta in der überlieferten Fassung voller Dynamik und Erotik, vielmehr überführt er den bekannten Mythos in die beziehungsreiche Beschreibung eines aktuellen Zustandes: Europa und der Stier sind zwar an einem Ziel angekommen.

Aber ein weiterer „Fort-Schritt“ ist vorerst nicht absehbar – der verheißungsvolle Entwurf droht in Unbeweglichkeit zu erstarren, wenn nicht eine Revitalisierung der Idee erfolgt. So gelingt es dem Künstler, mit seiner Skulptur der falschen Selbstgewissheit, mit der jener Mythos oft beschworen wird, bildkräftig die Mahnung entgegenzuhalten: Europa braucht mehr als den selbstgefälligen Stolz auf einen historisch-literarischen Mythos. Europa braucht die Entschlossenheit und die Kraft zur Realisierung und Verlebendigung seiner Utopie. Europa braucht den Glauben an sich und einen Aufbruch zu neuen Ufern – weit über Kreta hinaus.

Michael Jastram lebt und arbeitet in Berlin.

Ausstellungsort:

Verbindungsbüro des Deutschen Bundestages in Brüssel
Square de Meeûs 40,
B-1000 Brüssel

Dauer der Ausstellung: 1. Februar bis 4. Mai 2012

Anmeldung

Der Besuch der Ausstellung im Verbindungsbüro des Deutschen Bundestages ist nach Voranmeldung dienstags und donnerstags in der Zeit zwischen 12 und 14 Uhr möglich. Dazu bitten wir Sie spätestens 48 Stunden vorher unter Angabe des vollen Namens, der Staatsangehörigkeit und des Geburtsdatums um Anmeldung per E-mail an verbindungsbuero-bruessel@bundestag.de. Wenn es noch Kapazitäten gibt, erhalten Sie eine Bestätigung Ihrer Anmeldung per E-Mail. Wir bitten beim Besuch des Büros um Vorlage des Personalausweises.Der Besuch der Ausstellung ist kostenfrei.

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