Besuch

Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag

Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)
Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)
Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)
Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)
Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)
Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)
Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)
Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

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Eröffnung der Ausstellung „Kein fernes Land – Künstler aus Israel im Deutschen Bundestag“ durch den Knessetpräsidenten und den Bundestagspräsidenten (2.12.2015) (DBT/Jens Liebchen)

Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages hat aus Anlass des 50. Jahrestages der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland sein Augenmerk auf die Kunstszene in Israel gerichtet und Werke israelischer Künstler für die Kunstsammlung des Deutschen Bundestages erworben. Die Arbeiten werden anlässlich des Besuches einer Delegation der Knesset des Staates Israel unter Leitung des Präsidenten Yuli-Yoel Edelstein in der Abgeordnetenlobby ausgestellt.

Ergänzt wird die Sonderausstellung durch bereits zuvor erworbene Werke von Künstlern wie Christian Boltanski oder Susan Hiller, die sich Themen deutsch-jüdischer Geschichte gewidmet haben. Ferner wird eine der bedeutendsten Kunst-am-Bau-Installationen im Parlamentsviertel vorgestellt, das „Grundgesetz 49“ vor dem Jakob-Kaiser-Haus. Es wurde von dem Bildhauer Dani Karavan aus Tel Aviv geschaffen. Es ist derselbe Künstler, der auch das monumentale Wandrelief für den Plenarsaal der Knesset gestaltet hat: Israel – kein fernes Land.

Boaz Aharonovitch

Dark Matter

vierteilig, Pigmentdruck auf Plexiglas, 2011

Geb. 1970 in Tel Aviv, lebt und arbeitet in Tel Aviv

Boaz Aharonovitch studierte Fotografie an der Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem. Der Künstler wurde mit verschiedenen Stipendien und Preisen geehrt, seine Werke sind in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.

Aharonovitchs Arbeiten sind nicht Fotografie im klassischen Sinne, sondern die größtmögliche Verdichtung und Kombination tausender fotografischer Aufnahmen zu einem Thema – die nur zum Teil aus der eigenen Kameralinse stammen. Die vierteilige Arbeit „Dark Matter“ etwa entstand in der Kombination vieler Aufnahmen von Supernovae, die der Künstler in zeitintensiven Recherchen fand und neu kombinierte. Das kosmische Panorama, in dem nun zeitgleich stattfindet, was sich in Wirklichkeit in Jahrmillionen und Lichtjahre weit voneinander entfernt vollzog, wirkt dabei hyperrealistisch wie der Blick in tatsächliches kosmisches Geschehen.

Der Widerspruch zwischen dem realen Ereignis,das im Einzelbild dokumentiert wurde, und der Fiktion, die in der Kombination vieler Einzelbilder entsteht, macht die Faszination der Arbeiten von Aharonovitch aus. Sie wirken wie ultimative Abbildungen zu einem Sujet – es gibt nichts hinzuzufügen, nichts wegzunehmen. Damit überschreitet der Künstler die Grenzen des Mediums in mehrfacher Weise, denn er setzt sich dabei nicht über die Ebenen und Dimensionen menschlicher Wahrnehmung hinweg, sondern findet Bilder für das Unvorstellbare. Das All, dessen Geschehen dem menschlichen Auge normalerweise ohnehin verborgen bleibt, ist eben auch der metaphysische Ort für die Schöpfungsgeschichten vieler Religionen. kvo

Ilit Azoulay

Telegram 24

Tintenstrahldruck, 2010

Geb. 1972 in Jaffa (Tel Aviv), lebt und arbeitet in Tel Aviv

Die israelische Fotografin Ilit Azoulay studierte an der Bezalel Academy of Art and Design in Jerusalem und Tel Aviv. Ihr Umgang mit Fotografie als künstlerischem Medium verbindet das Dokumentarische mit dem Konzeptionellen. Ihr Vorgehen gleicht am ehesten dem einer Bildarchäologin, die visuelle wie dingliche Fundstücke zu neuen Bildern zusammensetzt.

Die Aufnahme „Telegram 24“ stammt aus der Serie „messengers“ (Boten), in der unscheinbare Restmaterialien aus Wohnhäusern der Gründergeneration Tel Avivs wie auf einer Pinnwand aufgereiht zu einem großen Wandbild gerinnen, das man, so scheint es, nur „lesen“ muss wie ein Buch, um an die mit den Dingen verbundenen Erzählungen über die einstigen Hausbewohner heranzukommen. Die Aufnahme zeigt einen mehrfach gebogenen Draht, Nägel, Nadeln, Unterlegscheiben, Papierfetzen, Plastikteile, Zahlenschildchen – bis auf eine Fotografie geradezu surreal unpersönliche, ihrem ursprünglichen Zweck entfremdete Überbleibsel eines Lebens, das an diesem Ort einmal vollzogen wurde.

Dieses Prinzip von Montage und Rekonstruktion durchzieht alle fotografischen Projekte und Serien der Künstlerin. Erst 2014 war die „Archäologin der Städte“ (K. Reich) nach Berlin zu einem Arbeitsstipendium eingeladen. Von hier aus fuhr sie durch ganz Deutschland und sammelte auf Straßen und Plätzen traditionsreicher Städte nicht Dinge, sondern Bilder – architektonische, skulpturale, städtebauliche und alltagsweltliche Details, die in der Neumontage zu großen, überraschenden, teils absurden Panoramen werden, die Deutschland und seine Schätze ganz anders in einen Zusammenhang setzen und sich nur selten mit den kanonisierten Kenntnissen über die berühmten Ursprungsorte abgleichen lassen. kvo

Hila Ben Ari

o.T. (aus der Serie: 8 Exhalations)

Radierung, 2011

Geb. 1972 im Kibbutz Ein Harod, lebt und arbeitet in Tel Aviv

Hila Ben Ari studierte in Tel Aviv und Jerusalem bildende Kunst und vergleichende Literaturwissenschaft und gehört zu den jungen israelischen Kunstpositionen, die sich mit den Fragen von Körper als individueller Dimension und Raum als dessen politischen Rahmen auseinandersetzen.Ben Ari nutzt verschiedene Medien, um Themen in zwei- und dreidimensionalen Gestaltungen komplex zu entwickeln. Sie arbeitet in Videos, Gemälden und Druckgraphik und hat vor kurzer Zeit ihre erste Dramaturgie für ein Theaterstück vorgelegt. Ben Aris Werk wird weltweit in Solo- und Gruppenausstellungen gezeigt und für öffentliche und private Sammlungen angekauft.

Die für den Deutschen Bundestag erworbene vierteilige Arbeit von Druckgraphiken stammt aus der Serie „8 Exhalations“ (in etwa: acht Übungen Auszuatmen) und zeigt eine bzw. mehrere Frauen bei Turnübungen am Reck. Der Raum ist nicht klar definiert, große Gerüste und andere räumliche Strukturen verorten das Geschehen eher im Metaphysischen denn in einem realen Raum. Die Köpfe bzw. Gesichter der Figuren sind mit Farben verdeckt, es geht demnach weder um die individuelle Schönheit, noch um das Erkennen konkreter Figuren, sondern um den weiblichen Körper und seine Behauptung im Raum. Ben Ari, die in einem Kibbutz aufwuchs, beschreibt ihre Arbeit auch als Akt der Selbstbefreiung von Regeln und Kodexen, die nicht am Individuum, sondern an der Gemeinschaft gebildet wurden. Ihre Arbeit steht so stellvertretend für die kritische Befragung moralischer Standards und gesellschaftlicher wie sozialer Erwartungen an den Einzelnen. kvo

Christian Boltanski

Die Jüdische Schule (Berlin 1939), Lithographie (Handdruck) auf Transparentpapier collagiert, aus dem Mappenwerk: Der gefrorene Leopard, Teil II,Galerie Bernd Klüser, München 1992

Christian Boltanski

Archiv der Deutschen Abgeordneten, 1999, Metallkästen mit Aufklebern, Kohlefadenlampen, Untergeschoss Ost im Reichstagsgebäude

Geb. 1944 in Paris, lebt und arbeitet in Malakoff bei Paris

Das Blatt zeigt ein Foto, leicht geknittert und mit Klebeband befestigt wie ein Fundstück aus einem vergessenen Nachlass. Eine Gruppe fröhlicher Kinder ist auf dem unscharfen Bild zu erkennen, doch ist kaum ein einzelnes Gesicht zu identifizieren. Dem Betrachter schnürt die Fröhlichkeit der Kinder die Kehle zu, denn er ahnt, welch ungewissem Schicksal die Kinder entgegengingen.

Diese Tragik ist auch im „ Archiv der Deutschen Abgeordneten“ gegenwärtig durch die schwarzen Bänder, die die Abgeordneten auszeichnen, die Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten wurden. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20.Juli 1944 hatte Heinrich Himmler mit der „Aktion Gitter“ gezielt demokratische Politiker der Weimarer Republik verhaften und in Konzentrationslager bringen lassen.

Christian Boltanski weist über diese konkreten Fragen der Geschichte hinaus auf übergreifende Fragen menschlicher Existenz. So entsteht unterhalb des Osteingangs zum Reichstagsgebäude durch die gestapelten „Archivboxen“ der Eindruck einer festgefügten Mauer, die wie ein tragendes Fundament des Parlamentes wirkt und die demokratische Tradition Deutschlands eindrucksvoll versinnbildlicht. Der Gedanke der Gleichheit aller angesichts der Endlichkeit der menschlichen Existenz kommt durch die serielle Fügung der Kästen bildkräftig zum Ausdruck: Ob ein Parlamentarier nur zwei Jahre als „Hinterbänkler“ im Parlament gesessen oder die Geschicke Deutschlands maßgeblich geprägt hat, ihnen allen wird der gleiche Erinnerungsraum zuteil. In diesem Sinne führt die gleichförmige Reihung der Abgeordneten vor Augen, dass erst in der Abfolge vieler Generationen von Parlamentariern ein breites und solides Fundament des deutschen Parlamentarismus entstanden ist. akae

Susan Hiller

Snow Scenes, Dreiteilig, aus der Serie: „The J. Street-Project“, 2003

Geb. 1942 in Tallahassee in Florida, lebt und arbeitet in London

Die Serie „The J. Street Project“ von Susan Hiller setzt sich auf ganz eigene und sehr berührende Weise mit deutsch-jüdischer Vergangenheit auseinander. Das Projekt nahm seinen Ausgang im Jahre 2002, als sich die Künstlerin im Rahmen eines DAAD-Stipendiums in Berlin aufhielt. Zufällig stieß sie auf eine „Jüdenstraße“, war überrascht und irritiert und begann zu recherchieren, ob es weitere ähnliche Straßennamen in Deutschland gibt. Bei ihrer Suche entdeckte sie 303 Straßennamen, in denen noch das Wort „Jude“ erscheint. Ihren künstlerischen Niederschlag fand Susan Hillers dreijährige Entdeckungsreise durch Deutschland in über 300 Fotografien, einem Verzeichnis der betreffenden Orte und Straßen mit einer Landkarte von Deutschland, einer Videoinstallation sowie in einem umfangreichen Buch. Es sind beunruhigende Reisebilder, denn die damaligen Bewohner der ausgeschilderten Straßen und Orte sind verschwunden, weil sie Opfer unfassbarer Verbrechen wurden - von den Judenpogromen des Mittealters bis zum Holocaust. Hillers Erinnerungsarbeit mit der Serie „The J. Street Project“ deckt die Spuren dieser Vergangenheit auf, die vielerorts fast spurlos untergegangen ist, und verweist so auf den schmerzlichen Verlust einer einstigen, reichen jüdischen Kultur in Deutschland und der steten Gefährdung auch ihrer Spuren durch Missdeutung, Ressentiment und Ausgrenzung. In ihren Fotos zeigt sie die immer wieder neuen und immer wieder anderen Wege des Umgangs mit den Spuren jüdischer Vergangenheit in Deutschland und lässt die Schnittstelle von Vergangenheit und Gegenwart sinnlich erfahrbar werden. akae

Orit Hofshi

Resilience

zweiteilig, Holzschnitt, 2012

Geb. 1959 im Kibbutz Matzuva, lebt und arbeitet in Herzliya

Orit Hofshi studierte an den Universitäten von Leeds, Pennsylvania und Haifa und spezialisierte sich im Holzschnitt, der ältesten druckgraphischen Gattung. Ihre großformatigen Blätter, für die sie so renommierte Preise und Stipendien wie die Art Residency in Buenos Aires (Argentinien), und den The William J. Cooper Foundation Grant (USA) erhielt, gelten als exzeptionelle Position im zeitgenössischen Kunstbetrieb.

Der Deutsche Bundestag erwarb zwei Arbeiten von Orit Hofshi: Die Einzelarbeit „Glimpse“ und das zweigeteilte Werk „Resilience“. Beide Arbeiten sind typisch für Hofshis Arbeitsweise: Ihr Hauptmotiv sind neo-romantische Landschaften, die als Gleichnis für den Menschen in der Welt gesehen werden können. Anders als in den Vorbildern aus dem 19. Jahrhundert sind die von Hofshi gezeigten Kräfte der Natur jedoch zerstörerisch, unbeherrschbar und beunruhigend. In der Arbeit „Resilience“ (Resilienz: psychische Widerstandskraft; die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen) verwebt und kombiniert sie Naturmotive mit einem konkreten historischen Bezug: Der linke Bildteil zitiert ein altes Foto, auf dem die Synagoge im Geburtsort ihrer Eltern in Tschechien abgebildet war. Alle Gemeindemitglieder wurden – wie die Großeltern von Orit Hofshi auch – zu Opfern des Nationalsozialismus.  

„Resilience“ wird so zu einer der stärksten Arbeiten der Künstlerin: Nichts vom konkreten biografischen Bezug ist an Hofhsis Arbeit für den Betrachter auf den ersten Blick identifizierbar, trotzdem stellt sich eine Beunruhigung über ein unsichtbar bleibendes Geschehen ein. Dass Hofshi darüber hinaus die Maserungen der Holzplatten, von denen sie die Blätter druckte, sichtbar werden lässt, transzendiert das Motiv in die Ebene der Erinnerung als unsicheren – und oft beunruhigenden – Zeugen für unsere gegenwärtige Identität. kvo

Erez Israeli

o.T. (Struwwelpeter), verschiedene Materialien auf Sperrholz, 2014

Erez Israeli

o.T., zweiteilig, Zeichnung auf historischen Musterbögen, 2014

Geb. 1974 in Beer Sheva, lebt und arbeitet in Tel Aviv

Der Künstler war bereits 2005 in der Ausstellung „The New Hebrews: A Century of Art in Israel“ im Martin-Gropius-Bau in Berlin vertreten und besitzt enge Beziehungen zur deutschen Hauptstadt. So gewann er beispielsweise den Wettbewerb zur Gestaltung einer Brandwand am Kottbusser Tor.

Die Gestalt des Struwwelpeters vor brennenden Häusern spielt einerseits auf das Kinderbuch Heinrich Hoffmanns aus dem Jahre 1845 an (Pauline stirbt dort infolge Ungehorsams gegenüber den Eltern den Feuertod) als auch auf das bekannte jüdische Lied „Es brent – Es brennt“ (bzw. „Unser Städtchen brennt“) von Mordechai Gebirtig (geboren 1877, ermordet 1942 im Ghetto Krakau). Dieser hatte das Lied 1938 als Reaktion auf ein Pogrom in der polnischen Stadt Przytyk geschrieben – eine Vorahnung des Holocausts. So gelingt es Erez Israeli, mit Assoziationen aus einem scheinbar harmlosen Kinderbuch den Blick auf eine brennende Stadt und die Abgründe von Intoleranz und Menschenverachtung zu lenken.

In ähnlicher Weise verwendet Erez Israeli Schnittbögen der 1930er Jahre mit Kindermotiven für zwei Zeichnungen, die gleichfalls für die Kunstsammlung erworben wurden. Die harmlosen Kindermotive übermalt er goldfarben mit der Silhouette des Titelmotivs auf dem Katalog der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ im „Haus der Deutschen Kunst“ und konfrontiert auf diese Weise Schablonen aus der Kinderwelt mit den auf ihre Weise schablonenhaften Motiven nationalsozialistischer Kunstdoktrin. akae

Dani Karavan

Grundgesetz 49, Glasstelen und Cortenstahlbänder, 1998/2003, Jakob-Kaiser-Haus, Hof von Haus 3 und Spreepromenade, Berlin

Geb. 1930 in Tel Aviv, lebt und arbeitet in Tel Aviv, Paris und Florenz

Die Garten- und Stadtraumgestaltung des israelischen Künstlers bestimmt das Erscheinungsbild des Jakob-Kaiser-Hauses zur Spree hin. Er hat den Hof, der sich zur Spreepromenade hin öffnet, so geplant, dass eine Verbindung zwischen Innenhof und Außenbereich entsteht. Eine solche ästhetische Lösung entspricht seiner Arbeitsweise, die sich nicht in die herkömmlichen Kategorien des Schaffens von Architekten, Bildhauern, Environment- oder Konzept-Künstlern einordnen lässt. Vielmehr verbindet er Elemente aus all diesen Bereichen zu einem neuen, raumgreifenden und gärtnerischen Gesamtkunstwerk. Um einen solchen gesamträumlichen Eindruck zu erzielen, hat er den Hofbereich mit Glasplatten abgegrenzt, die einen freien Blick auf die Büros der Abgeordneten gewähren. Auf jeder der 19 Glasplatten ist eines der 19 Grundrechte des Grundgesetzes in der Fassung aus dem Jahre 1949 zu lesen. Diese 19 Grundrechtsartikel unmittelbar an der Spree, die einst Ost- und West-Berlin trennte, erinnern an die schwierigen Jahre der Gründung der jungen deutschen Demokratie in Bonn am Rhein. Aus dem Innenhofbereich heraus schieben sich unter diesen Glasplatten strahlenförmige Bodenstrukturen – Vegetations- und Metallflächen – bis an die Spree. Ein Baum aus der Baumreihe entlang der Spree „überspringt“ die Glasbrüstung und findet seinen Platz nunmehr hinter den Glasscheiben. So schlägt das Kunstwerk von Dani Karavan historisch und geographisch einen Bogen von der Spree zum Rhein. Zugleich hebt der Künstler durch die klare, von allen Zusätzen und Ergänzungen freie Formulierung aus dem Jahre 1949 das Wesentliche des Grundgesetzes und der Grundrechte deutlich hervor, sie werden im wortwörtlichen Sinne transparent und auf eine neue, eindringliche Weise sichtbar gemacht. akae

Sigalit Landau

Bridge Map 2 und 3

Fotoradierung Monoprint (Unikate), 2014

Geb. 1969 in Jerusalem, lebt und arbeitet in Tel Aviv

Sigalit Landau gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Künstlerinnen Israels. Sie vertrat ihr Heimatland 2011 auf der 54. Biennale in Venedig und erhielt zahlreiche Preise und Stipendien.

Die beiden Blätter aus der Serie „Bridge Map“ stehen für das Selbstverständnis der Künstlerin, die sich selbst als „Brückenbauerin“ bezeichnet und nach „neuen und lebendigen Materialien“ sucht, um „Vergangenheit mit Zukunft, West mit Ost, private Sphäre mit Gemeinschaft, das Alltägliche mit dem Tiefsinnigen, das Zufällige mit den tradierten Erzählungen und Mythologien“ (Selbstauskunft S.L.) zu verbinden. Darüber hinaus ist die Brücke ein konkretes künstlerisches Projekt, das sie seit mehreren Jahren entwickelt und umsetzt. Landau, die in allen künstlerischen Gattungen zuhause ist, beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit bildlichen Metaphern für die menschlichen, kulturellen und politischen Konflikte nicht nur in ihrem Heimatland. Über Jahre nutzte sie für ihre Installationen und Skulpturen Salz aus dem Toten Meer, dessen physische Beschaffenheit und symbolträchtige Herkunft als natürliches Material für alle potentiellen Formen, geeignet ist. „The Salt Route Bridge“ ist die konsequente Fortführung dieses künstlerischen Gesamtprojekts: Ähnlich den großen LAND ART Projekten von Christo, James Turrell oder Anish Kapoor arbeitet sie an einer realen, aus Salz gebauten Brücke über das Tote Meer, eine Verbindung zwischen Israel und Jordanien. Die Serie „Bridge Map“ gehört zu den Arbeiten, in denen sich die Künstlerin dem Ziel nähert. Auf der Landkarte des Toten Meeres sind Farben und Motive wie eine „Melonenkette“ eingezeichnet, die an frühere, geradezu als Ikonen zeitgenössischer israelischer Kunst gefeierte Arbeiten anknüpfen. Ein kurzer Text verbindet ihren künstlerischen Traum von der Brücke mit ihrer Kindheit in Jerusalem. kvo

Katharina Sieverding

Den von 1933 bis 1945 verfolgten ermordeten und verfemten Mitgliedern des Reichstages der Weimarer Republik zum Gedenken, 1992, Großfotos, Gedenktische und Gedenkbücher, Kupfertafel

Geb. 1944 in Prag, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Berlin

Die Düsseldorfer Künstlerin hat die Gedenkstätte für die verfolgten Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik bereits im Jahre 1992 für das Reichstagsgebäude gestaltet. Das fünfteilige Fotogemälde erweckt mit dem Hintergrundmotiv der lodernden Sonnenkorona Assoziationen sowohl an den Reichstagsbrand und den von den Nationalsozialisten ausgelösten Weltenbrand als auch an die geläuterte Wiedergeburt des demokratischen Deutschland als „Phönix aus der Asche“.

Eine Röntgenaufnahme in Gelb ist vor das Flammenmeer gesetzt. Sie zeigt in der Mitte ein Rückgrat und links davon einen Krebstumor und wirkt wie eine bedrohliche Tür in den Flammenofen. Gleichzeitig jedoch stellt das zentrale Motiv des Rückgrates den Bezug zu den Mitgliedern des Reichstages her, die wortwörtlich Rückgrat bewiesen und sich dem Terror der Nationalsozialisten nicht gebeugt haben. Die ihr Schicksal würdigenden Gedenkbücher liegen vor dem Mahnmal auf drei Holztischen aus. Im zentralen der drei Gedenkbücher sind die Schicksale der 120 ermordeten Mitglieder des Reichstages jeweils mit einem Porträtfoto und einer kurzen Biographie gewürdigt. Die beiden anderen Gedenkbücher erinnern an die Abgeordneten, die inhaftiert oder in die Emigration getrieben wurden oder anderen Verfolgungstatbeständen ausgesetzt waren.

Katharina Sieverding schlägt mit dem quasi-dokumentarischen Medium der Fotografie den Bogen zum Schicksal der Verfolgten. Der Rückblick auf die Gräuel des nationalsozialistischen Terrors ist mit einer Würdigung der verfolgten Abgeordneten und einem freien assoziativen Blick auf Gegenwart und Zukunft deutscher Geschichte zu verbunden. Zugleich jedoch bleibt die durchschlagende Feuerlohe eine Mahnung, die Sicherung der Zukunft unserer Demokratie als fortwährende Aufgabe und Herausforderung zu begreifen. akae

Micha Ullman

Im Sand lesen (Nummer 593, 587, 573)

Sand auf Papier, 2006

Geb. 1939 in Tel Aviv, lebt und arbeitet in Ramat Hasharon

Micha Ullman gehört neben Dani Karavan und Moshe Gershuni zu den Großen der ersten in Israel geborenen Künstlergeneration. Er studierte in Jerusalem und London, lehrte  in Düsseldorf und Haifa und wurde als Professor für Bildhauerei an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart berufen. Ullman ist seit 1997 Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Er realisierte zahlreiche Werke für den öffentlichen Raum – allein in Berlin sind es die Skulptur „Niemand“, heute am Jüdischen Museum Berlin, das Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem Berliner Bebelplatz, die Treppeninstallation „Sieben Stufen“ in der Matthäikirche am Kulturforum und, zuletzt, das Denkmal für Moses Mendelssohn auf dem Platz vor dem Roten Rathaus.

Ullmans Denkmale folgen strengen Entwürfen, in denen es nicht um Illustration oder Dokumentation des Geschehenen, sondern um Denkräume des Erinnerns geht. Diese schafft er durch zeichenhaft verknappte Formen, die im dialogischen Prinzip mit dem Betrachter individuelle Vergegenwärtigung und Aneignung ermöglichen können. Die konzentrierte Stille, die seine Arbeiten umgibt, ist eine der bemerkenswertesten Leistungen Ullmans.

Für die Kunstsammlung des Deutschen Bundestages wurden drei Blätter erworben, die im Zusammenhang mit dem Denkmal zur Bücherverbrennung am Bebelplatz entstanden und – sehr abstrakt gehaltene – Formen zeigen, die entfernt an Bücher erinnern. Er betitelt die Blätter „Im Sand lesen“ und verrät damit zugleich, dass er anstelle von Farbe roten Sand aus der Wüste Negev verwendete. kvo

Texte: Andreas Kaernbach, Kristina Volke
Sekretariat des Kunstbeirates des Deutschen Bundestages

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