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Verfassungs­wirklichkeit in der DDR

17. Juni 1953: Ausgelöst von Protesten um eine 10-prozentige Erhöhung der Arbeitsnormen kam es 1953 zu einem Volksaufstand gegen das SED-Regime. Nur mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht konnte der Aufstand niedergeschlagen werden.
Blick vom Westen auf die Berliner Mauer nahe des Übergangs Heinrich-Heine-Straße: Die Mauer wurde am 13. August 1961 errichtet. Die Zahl der an der Mauer Getöteten ist umstritten, wissenschaftlich nachgewiesen sind mindestens 136.
Artikel 27: Die Collage zeigt Porträtgemälde, aus denen Christina Kaiser die Mundpartien entfernt hat. Die Künstlerin setzte sich damit für die in der Verfassung zugesicherte, tatsächlich aber unterdrückte Meinungsfreiheit ein.

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17. Juni 1953: Ausgelöst von Protesten um eine 10-prozentige Erhöhung der Arbeitsnormen kam es 1953 zu einem Volksaufstand gegen das SED-Regime. Nur mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht konnte der Aufstand niedergeschlagen werden. (Deutsches Historisches Museum, Berlin)

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Blick vom Westen auf die Berliner Mauer nahe des Übergangs „Heinrich-Heine-Straße“: Die Mauer wurde am 13. August 1961 errichtet. Die Zahl der an der Mauer Getöteten ist umstritten, wissenschaftlich nachgewiesen sind mindestens 136. (Deutsches Historisches Museum, Berlin)

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„Artikel 27“: Die Collage zeigt Porträtgemälde, aus denen Christina Kaiser die Mundpartien entfernt hat. Die Künstlerin setzte sich damit für die in der Verfassung zugesicherte, tatsächlich aber unterdrückte Meinungsfreiheit ein. (Deutsches Historisches Museum, Berlin)

Die DDR war kein demokratischer Rechtsstaat. Verfassungsfragen besaßen eine nur untergeordnete Bedeutung. Mit den Verfassungen von 1949, 1968 und 1974 wollte sich die DDR den Anschein eines Rechts und Verfassungsstaates geben. Doch die Realität sah anders aus: Die Verletzung von Menschenrechten wie Rede, Versammlungs- und Pressefreiheit war an der Tagesordnung. Das 1950 gegründete Ministerium für Staatssicherheit überwachte und verfolgte Regimekritiker und andere Bürger. Nicht erst seit dem Bau der Mauer 1961 wurde „Republikflucht“ hart bestraft. Teile der Bevölkerung arrangierten sich mit dem System und suchten Freiräume in Nischen der sozialistischen Gesellschaft.

Die Verfassung von 1949 sicherte zwar formal einige Grundrechte zu, doch galten diese aufgrund einschränkender Gesetze faktisch nicht und waren auch nicht einklagbar. Mit Verweis auf den Artikel zum Verbot der „Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen“, mit dem alle gegen die SED gerichteten Aktivitäten gemeint waren, bekämpfte der Staat Oppositionelle.

Um den Anschein von Legitimität zu bewahren, wurde 1968 eine neue Verfassung durch eine von der Staatsführung manipulierte Volksabstimmung beschlossen. Doch wie alle Wahlen in der DDR war auch diese Abstimmung nicht frei und geheim. Die zentrale Führungsrolle der SED verankerte Artikel 1 der Verfassung.

Laut Verfassung konnte nur die Volkskammer Gesetze beschließen. Tatsächlich bestimmte jedoch ausschließlich die SED-Führung die Politik. Die Rolle der Abgeordneten beschränkte sich auf die Zustimmung zu den von der SED vorbereiteten Gesetzesvorlagen. Eine parlamentarische Opposition existierte nicht.

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