Kampftruppendenkmal
`Das Denkmal stellte eine Kampfgruppe dar. Es war ziemlich groß. Ich glaube, es waren zwei Figuren, aber man vergisst es leider so schnell.'
`Im Kopf habe ich die Dinge immer noch, und ich suche in der Landschaft nach diesen Bildern. Da war mal ein Denkmal. Eine Gruppe von vier, fünf Leuten mit Betonsockel, schätzungsweise alle so drei Meter hoch. Die Figuren waren aus Bronze. Einer von ihnen hatte seine Faust gereckt. Sie sahen wirklich nicht so aus, als hätte es ihnen Spaß gemacht. Aber außerdem hatten sie auch nicht viel zu lachen. Der Typ rechts schien Hallo zu sagen, aber er konnte keinen Dialog aufbauen, weil keiner ihn auch nur anschaute.'
`Das war ein dunkler Guss, Eisen oder so. Das war eine Dreiergruppe, drei Leute. Arbeiter und ein Kampfgruppenmann vielleicht. Einer hatte eine Hand, wie so eine Mistforke, bisschen groß geraten. Und die waren bewaffnet, wie die Kampfgruppen damals ausgestattet waren. Für mich war wichtig, dass sich das auf einem Berg befand, der aus Trümmern besteht, die aus dem zerbombten Berlin zusammengekarrt wurden. Dieses Denkmal stellt die Werktätigen dar, die ihre Errungenschaften verteidigen, und das hatte für mich einen Zusammenhang, weil dieser Krieg ja von jemand anders ausgegangen ist.'
`Die Dinger sind ziemlich spät aufgestellt worden, vielleicht 1983, und standen nicht lange da. Die waren sehr umstritten, viele Leute fanden sie hässlich. Damals hab ich das aus einem ganz anderen Gesichtspunkt gesehen, ich habe nicht gedacht, dass man zu jeder kleinen Geschichte ein Denkmal braucht. Aber wenn ich es aus dem jetzigen Kontext heraus sehe und sehe, wie mit Eigentum umgegangen wird, und dass das Kapital selber sein Eigentum mit militanter Gewalt verteidigt, dann denke ich, dass dieses Denkmal durchaus seine Berechtigung hatte, und dass auch die Aufforderung, dass die Werktätigen genauso ihre Rechte verteidigen müssen, berechtigt ist. Dass da jetzt etwas fehlt, kann man nicht sagen, aber dieses ganze Ensemble mit dieser Treppe sieht sehr öde aus, leer und tot.'
'Es ist ein Wunschtraum der Partei gewesen, dass es in dieser Form so einen Kontext gibt zwischen der jungen Generation und der Generation, die diese Kampfgruppen darstellten. Das schien sinnvoll zu sein, aus dem Arbeiteraufstand von 1953 heraus, wo sie in der Stalinallee angefangen haben, die Arbeit niederzulegen, weil sie fanden, sie waren unterbezahlt, und es schlechtes Essen gab. Da kam es auch zu Übergriffen auf volkseigene Betriebe, und da haben die Belegschaften angefangen, ihre Betriebe zu verteidigen. Aus diesem Anlass sind die Betriebe, also die Belegschaften mit Waffen ausgestattet worden. Ausgelöst hat dieses Denkmal in mir ein Gefühl dafür, dass diese Art von Kampfgruppen eine berechtigte Anwesenheit hat.'
`Das war eben nicht so ein militantes Ding, es ging nur darum, darzustellen, dass Kampfgruppen ein Teil der Bevölkerung sind. Ich erinnere mich an Männer mit schönen breiten Schultern, besonders an den einen in der Mitte, der eine Mütze trug. Ob da Frauen waren, weiß ich nicht mehr, aber in den Kampfgruppen sind Frauen nicht üblich gewesen.'
'Es war eine Gruppe von Soldaten, die eine Länge von mindestens vier Metern gehabt hat. Im Frühjahr 1992 ist das abgebaut worden. Sie waren zu dritt, wie die Musketiere, aber der vierte, d'Artagnan, kam nicht rechtzeitig, um sie zu retten. Was mir auffiel, war, dass man zunächst versuchte, Seile um die ganze Figurengruppe zu legen; aber am Ende haben sie es so abgebaut, dass sie das Seil um den Kopf der mittleren Figur gehängt haben. Dabei könnte auch zum Ausdruck kommen, dass sie mit der ganzen Gruppe nicht fertig wurden und darum eine einzelne Person von
ihnen angegriffen wurde. Es scheint einen übereinstimmenden Umgang mit diesen Denkmälern zu geben, sie nämlich einer Hinrichtung zu unterziehen, in diesem Fall der Hinrichtung durch den Strang. Das Verschwinden hat mich nicht weiter berührt, ich war nie in einer Kampfgruppe, ich war immer parteilos.'
`Ich habe mich geärgert, als es entfernt wurde. Die DDR-Führungsleute haben mit Sicherheit dafür gesorgt. Das Denkmal konnte sie so nicht mehr an ihre eigene Geschichte erinnern. Es passierte 1993. Es gab damals mächtig Schwierigkeiten, das Ding abzureißen, weil die Bezirke Lichtenberg und Prenzlauer Berg sich nicht entscheiden konnten. Also hat man das Ding in einer Nachtaktion abgerissen, von der Polizei still beobachtet'
`Mir fehlt das nicht. Wenn die Karl-Marx-Straße in West-Berlin nicht mehr so heißen würde — er ist immerhin eine historische Persönlichkeit gewesen — das hätte mich schon berührt. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Marx, Engels, Lenin, solche Persönlichkeiten, die in der Weltgeschichte mal was dargestellt haben, in der Senke verschwinden würden. Aber dieses Denkmal hier berührt mich absolut überhaupt nicht. Das hatte nichts da zu suchen, in dem Park. Verloren in der Landschaft. Ganz persönlich würde ich sagen — als Kunsthistoriker darf ich's nicht sagen, aber als Privatmann würde ich sagen — war es ein sehr naives und ehrlich gesagt, ein sehr schlechtes Kunstwerk. Drei kolossale Figuren auf einer minimalen Fläche, vielleicht sollte diese Sparsamkeit des Raumes unsere Lebensbedingungen widerspiegeln. Sie hätten den Sockel aufheben sollen, als sie das Denkmal abrissen. Er könnte noch mal gebraucht werden.'
Aus: Calle, Sophie: Die Entfernung, Dresden 1996 (vergriffen).