Plenarprotokoll 18/69 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 69. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 26. November 2014 I n h a l t : Begrüßung des Präsidenten des Parlaments der Republik Estland, Herrn Eiki Nestor 6495 A Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksachen 18/2000, 18/2002 6495 B b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826 6495 B I.8 Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Drucksachen 18/2823, 18/2824 6495 C Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) 6495 D Albert Weiler (CDU/CSU) 6500 B Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin 6501 C Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6507 C Thomas Oppermann (SPD) 6512 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6514 A Klaus Ernst (DIE LINKE) 6515 C Volker Kauder (CDU/CSU) 6517 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6521 A Volker Kauder (CDU/CSU) 6521 B Dr. Rolf Mützenich (SPD) 6521 C Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 6523 B Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) 6524 B Johannes Kahrs (SPD) 6526 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6528 A Ulrike Gottschalck (SPD) 6529 B Sigrid Hupach (DIE LINKE) 6530 C Rüdiger Kruse (CDU/CSU) 6531 C Martin Dörmann (SPD) 6533 A Marco Wanderwitz (CDU/CSU) 6534 A Siegmund Ehrmann (SPD) 6535 C Petra Hinz (Essen) (SPD) 6536 C Namentliche Abstimmung 6537 C Ergebnis 6539 C I.9 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/2805, 18/2823 6537 D Michael Leutert (DIE LINKE) 6538 A Doris Barnett (SPD) 6541 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6543 B Alois Karl (CDU/CSU) 6544 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 6546 B Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 6548 C Jan van Aken (DIE LINKE) 6548 D Philipp Mißfelder (CDU/CSU) 6550 C Stefan Liebich (DIE LINKE) 6551 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6553 A Norbert Spinrath (SPD) 6554 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 6555 B Norbert Spinrath (SPD) 6555 D Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6556 A Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) 6556 C Heike Hänsel (DIE LINKE) 6557 A Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) 6558 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6559 B Thomas Dörflinger (CDU/CSU) 6560 C I.10 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/2813, 18/2823 6562 A Michael Leutert (DIE LINKE) 6562 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) 6563 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6565 B Karin Evers-Meyer (SPD) 6567 D Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 6569 B Katrin Kunert (DIE LINKE) 6571 D Rainer Arnold (SPD) 6573 A Henning Otte (CDU/CSU) 6574 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6576 A Wolfgang Hellmich (SPD) 6577 C Ingo Gädechens (CDU/CSU) 6578 C Dirk Vöpel (SPD) 6579 D I.11 Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 18/2823, 18/2824 6580 D Michael Leutert (DIE LINKE) 6581 B Volkmar Klein (CDU/CSU) 6582 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6584 B Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) 6584 D Sonja Steffen (SPD) 6586 C Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6587 D Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) 6588 C Niema Movassat (DIE LINKE) 6590 C Dr. Bärbel Kofler (SPD) 6592 A Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6594 A Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) 6595 C Axel Schäfer (Bochum) (SPD) 6597 B Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) 6599 A Nächste Sitzung 6600 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6601 A Inhaltsverzeichnis 69. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 26. November 2014 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zum zweiten Tag unserer Haushaltsberatungen. Auf der Ehrentribüne hat der Präsident des Parlaments der Republik Estland, Herr Eiki Nestor, mit seiner Delegation Platz genommen. (Beifall) Ich begrüße Sie, Herr Präsident, im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, von denen Sie einige bereits gestern in Gesprächen persönlich kennengelernt haben, herzlich. Wir erinnern uns im Gedenkjahr 2014 nicht nur an den 25. Jahrestag des Berliner Mauerfalls. Wir haben hier im Deutschen Bundestag auch an das großartige und erfolgreiche Freiheitsstreben der baltischen Staaten erinnert, die vor einem Vierteljahrhundert mit dem „Baltischen Weg“ und einer spektakulären Menschenkette durch Estland, Lettland und Litauen europäische Geschichte geschrieben haben. Wir freuen uns, Herr Präsident, über die immer engere Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern, auch und gerade zwischen unseren Parlamenten, seit dem Beitritt Estlands zur Europäischen Union. Wir wollen diese enge Zusammenarbeit im Lichte der neuen Herausforderungen, die in diesem Jahr deutlich geworden sind, gerne fortsetzen. Wir setzen jetzt unsere Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt I – fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksachen 18/2000, 18/2002 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826 Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.8 auf: Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Drucksachen 18/2823, 18/2824 Berichterstatter sind die Abgeordneten Rüdiger Kruse, Bernhard Schulte-Drüggelte, Johannes Kahrs, Gesine Lötzsch, Tobias Lindner und Anja Hajduk. Zum Einzelplan 04 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Über diesen Einzelplan werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 224 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Kollegin Sahra Wagenknecht, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, Sie werden hier gleich ans -Mikrofon treten und wieder ausgiebig Ihre Politik loben. (Unruhe bei der CDU/CSU) Aber wenn man sich die derzeitige Politik und die derzeitige Situation in Deutschland, in Europa und in der Welt ansieht und wenn man vor allen Dingen Ihre ganz persönliche Mitverantwortung für diese Situation in Rechnung stellt, dann fragt man sich schon, wie Sie darauf auch noch stolz sein können. (Beifall bei der LINKEN) Ja, wir leben in einem reichen Land, das gute Autos und international gefragte Maschinen produziert. Aber es ist ein zutiefst gespaltenes Land. Es ist ein Land, in dem selbst fleißige Arbeit nicht mehr vor Armut schützt und in dem inzwischen die Auswahl des Elternhauses wichtiger geworden ist als die Auswahl des Berufs. Es ist ein Land, in dem kaum noch investiert wird, in dem Straßen und Brücken verrotten, in dem viele Kinder in verwahrlosten Wohngebieten aufwachsen, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sprechen Sie jetzt von Afrika?) in dem ihnen elementare Bildung vorenthalten wird. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Um Gottes willen! Wo leben Sie eigentlich?) Was tun Sie, Frau Bundeskanzlerin? Statt Problemlösungen liefern Sie Taschenspielertricks, statt solider -Finanzierungen liefern Sie kreative Buchführung, und statt wirtschaftspolitischer Rationalität liefern Sie okkulte Opferrituale vor Ihrer neuen Göttin, der schwarzen Null, die Ihnen trotz aller Beschwörungsformeln im nächsten Jahr wieder nicht erscheinen wird. (Beifall bei der LINKEN – Unruhe bei der CDU/CSU) Solide öffentliche Finanzen gibt es eben nicht ohne eine dynamische Wirtschaft. Es gibt sie nicht ohne Konsumenten, die genug Geld in der Tasche haben, um sich ein gutes Leben leisten zu können, und es gibt sie auch nicht ohne Unternehmen, die genau wegen dieser Nachfrage Anreize haben, zu investieren, statt ihr Geld zu bunkern oder ihre Aktionäre mit immer neuen Rekord-dividenden glücklich zu machen. Es gibt solide öffentliche Finanzen auch nicht, wenn gerade die reichsten Familien und die größten Konzerne kaum noch einen müden Euro zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen und der Staat dabei wegschaut. Und deswegen ist für mich die schwarze Null eigentlich ein Ausdruck einer Null-Kompetenz in der Wirtschaftspolitik. Das ist das Urteil des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger über Ihre Politik, Frau Kanzlerin. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch, was Sie im August im schönen Lindau am Bodensee von den Wirtschaftsnobelpreisträgern zu hören bekommen haben. Ich gebe eine kleine Kostprobe: Merkel verfolgt … eine völlig falsche Politik. Merkel scheint den Ernst der Lage nicht kapiert zu haben. Merkels Rede sei eine einzige Katastrophe gewesen. Wohlgemerkt: Das ist kein Mitschnitt aus einer Mitgliederversammlung der Linken. Das waren die Urteile international renommierter Wirtschaftsnobelpreisträger über Ihre Politik, Frau Merkel. Wenn Sie einmal zuhören könnten, vielleicht würde Ihnen das zu denken geben; (Beifall bei der LINKEN) aber offensichtlich interessiert Sie das überhaupt nicht. Weggucken, wegducken, wegreden – das ist Ihr Dreiklang im Umgang mit den Gefahren und Problemen der Gegenwart. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sieht die ganze Welt anders!) Aber die Gefahren sind einfach zu groß und die Probleme zu ernst, als dass wir so weiter mit ihnen umgehen könnten. Die deutsche Wirtschaft stagniert. Alle Prognosen für das nächste Jahr mussten nach unten korrigiert werden. Aus konjunkturellen wie aus prinzipiellen Gründen braucht dieses Land endlich mehr Investitionen. Sie haben nun lauthals ein Investitionsprogramm angekündigt. Aber was sieht man, wenn man in das Kleingedruckte schaut? Dann sieht man, dass nach Ihren eigenen Planungen der Anteil der Investitionsausgaben des Bundes weiter sinken soll, nämlich von aktuell 10,1 Prozent auf nur noch 8,3 Prozent im Jahr 2018. So viel wirtschaftspolitische Ignoranz kann einem wirklich die Sprache verschlagen. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: War das ein Versprechen? – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das wäre schön! Wir wollen Gysi!) – Sie können sich ruhig aufregen. Es wäre aber besser, wenn Sie sich nicht nur aufregen würden, sondern auch Konsequenzen ziehen würden. (Beifall bei der LINKEN) Es geht nicht nur um Straßen, es geht auch nicht nur um Brücken, es geht auch um Zukunftstechnologien und Innovationen. Wer meint, dafür wird schon der Markt sorgen, der sollte sich einmal fragen, warum sich eigentlich alle wichtigen digitalen Technologien heutzutage in der Hand von US-Unternehmen befinden, die Möglichkeit zur globalen Überwachung inklusive. Nicht, weil der Markt jenseits des Atlantiks so viel besser funktioniert, sondern weil sich der Staat das zumindest früher ziemlich viel hat kosten lassen. Fast die gesamte Technologie, die heute in einem iPhone steckt, ist doch nicht in Steve Jobs Garage entwickelt worden. Die ist in staatlichen Forschungszentren entwickelt worden. Wer glaubt, dass ein fundamentaler technologischer Umbruch wie die Energiewende möglich wäre ohne massive öffentliche Investitionen in die Erforschung und Umsetzung alternativer Technologien, der hat wirklich nichts verstanden. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie hatten doch nur Robotron! Die größten Chips der Welt!) Aber statt über solche Fragen auch nur nachzudenken, verhandelt diese Regierung lieber über Investorenschutz. Genau genommen verhandelt sie nicht, sondern der Wirtschaftsminister führt einen unglaublichen Eiertanz auf, um der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. Ich rede von den geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eine große Chance! Die müssen wir schnell umsetzen!) und ich rede von den Sondergerichten für große Konzerne, mittels derer diese Konzerne den deutschen Staat in Zukunft für jede Mindestlohnerhöhung und für jedes Umweltschutzgesetz vor den Kadi ziehen können. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber offensichtlich hat Herr Gabriel in seiner politischen Laufbahn nicht mehr vor, den Mindestlohn zu erhöhen oder die Umwelt zu schützen. Zumindest habe ich vernommen, dass er der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, diese Sondergerichte ließen sich – leider, leider – nicht mehr aus dem Abkommen CETA herausverhandeln. Ja, Herr Gabriel, wenn sich diese Sondergerichte nicht mehr herausverhandeln lassen, dann muss Deutschland diese Abkommen eben ablehnen. Dann muss man CETA ablehnen, und das Gleiche gilt auch für TTIP. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Beide Abkommen haben doch im Kern nur das Ziel, Löhne, Sozialstandards und Verbraucherschutz noch weiter auf Sinkflug zu schicken und den Kapitalismus endgültig vor den Zumutungen der Demokratie zu schützen; das ist doch das, worum es bei diesen Abkommen geht. Das ist das Letzte, was wir brauchen. Denn dann kann man auf Wahlen und Parlamentarismus konsequenterweise auch ganz verzichten. Wenn wir hier im Bundestag keine Gesetze mehr machen können, die den Banken und Konzernen nicht gefallen, dann verkommt das, was wir hier tun, wirklich zu einer schlichten Theatervorstellung. Da muss ich Ihnen sagen: Für ein Theater ist dieses Haus wirklich zu teuer und am Ende vielleicht auch zu wenig unterhaltsam. (Beifall bei der LINKEN) Der bekannte Ordoliberale Alexander Rüstow – vielleicht gibt es bei Ihnen noch den einen oder anderen, der ihn kennt – hat bereits vor einem halben Jahrhundert gewarnt, dass – ich zitiere – der Staat, der damit anfängt, die Raubtiere der organisierten Unternehmerinteressen zu füttern, letzten Endes von ihnen verschlungen wird. Gerade deshalb haben die Ordoliberalen ja immer wieder davor gewarnt, Unternehmen oder auch Banken so groß oder so mächtig werden zu lassen, dass sie die Allgemeinheit erpressen oder ihr schlicht auf der Nase he-rumtanzen können. Es war ihre zentrale Botschaft, dass das verhindert werden muss. „Versagt der Staat auf diesem Felde, dann ist es bald um die soziale Marktwirtschaft geschehen“, war Ludwig Erhards knappe Prognose zu diesem Thema. Gerade Sie von der CDU/CSU, die Sie sich so gern auf Ludwig Erhard berufen, sollten zugeben, dass er recht behalten hat. Der Staat hat auf diesem Feld versagt. Deswegen ist es um die soziale Marktwirtschaft geschehen. Wir haben nämlich keine mehr. (Beifall bei der LINKEN) Auch in Brisbane haben Sie, Frau Merkel, und auch die anderen Regierungschefs wieder auf vielen wichtigen Feldern vor den Raubtieren kapituliert: bei der -Finanzmarktregulierung, beim Klimaschutz und natürlich auch bei der Bekämpfung der Steuerflucht von Konzernen. Es ist einem schon aufgefallen, wie eilig sich diese Regierung, als die Enthüllungen über die Steuersparmodelle in Luxemburg in der Presse waren, bemüht hat, zur Tagesordnung überzugehen. Nun nehme ich -Ihnen ja ab, dass Sie über die Enthüllungen nicht besonders verblüfft waren. Auch ich war nicht besonders verblüfft. Es ist lange bekannt, dass es solche Steuersparmodelle gibt, und zwar nicht nur in Luxemburg, sondern auch in vielen anderen EU-Staaten. Es ist auch bekannt, dass dem deutschen Staat – dem Bund, den Ländern und auch den Kommunen – schätzungsweise 100 Milliarden Euro im Jahr entgehen, weil es solche Modelle gibt. 100 Milliarden Euro! Die Unternehmen gehen sogar ganz offen damit um, dass sie das praktizieren. Die Deutsche Bank zum Beispiel lobt sich in ihrem Geschäftsbericht ausdrücklich dafür, dass sie durch eine, wie es vornehm heißt, vorteilhafte geografische Verteilung ihres Konzernergebnisses ihre Steuerzahlungen minimiert, sprich die Öffentlichkeit kräftig geschädigt hat. Ich finde, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Eine Bank, die es ohne die Milliardenzahlungen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler überhaupt nicht mehr gäbe, die bankrott gewesen wäre, ist auch noch stolz darauf, dass sie solche Modelle nutzt und dadurch die Öffentlichkeit in Milliardenhöhe schädigt. Natürlich ist das kriminell. (Beifall bei der LINKEN) Aber genauso kriminell ist eine Politik, die die passenden Gesetze dafür liefert oder eben die passenden Gesetze akzeptiert. Da muss man sich gar nicht hinter der EU verstecken. Natürlich könnten wir solche Praktiken hier in Deutschland verhindern. Man muss einfach gesetzlich festlegen, dass Zinsen, Lizenz- oder Patentgebühren, die im Empfängerland nicht mit wenigstens 25 Prozent besteuert werden, in Deutschland nicht mehr steuerlich abzugsfähig sind. Das könnte man doch gesetzlich regeln. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie zu einem so einfachen Gesetz nicht in der Lage sind, dann hören Sie, verdammt noch mal, auf, der Bevölkerung zu erzählen, was in diesem Land alles angeblich nicht finanzierbar ist, zum Beispiel eine gute Rente. Es ist noch keine Woche her, dass das Statistische Bundesamt alarmierende Zahlen veröffentlicht hat. Danach ist das Armutsrisiko älterer Menschen seit 2006 konti-nuierlich gestiegen. Immer mehr ältere Menschen müssen Grundsicherung beantragen. Das heißt ganz brutal: Sie müssen ihren Lebensabend auf Hartz-IV-Niveau fristen. Was fällt der Bundesregierung dazu ein? Sie kürzen den Bundeszuschuss zur Rentenkasse, um ihre schwarze Null zu retten, und senken auch noch den Beitragssatz zur Rentenversicherung. Je weniger aber in einen Topf eingezahlt wird, desto weniger kann man natürlich auch aus diesem Topf wieder herausnehmen – in diesem Fall für die Rentnerinnen und Rentner –, und genau das scheint auch das Ziel zu sein. Seit den von SPD und Grünen eingeleiteten Rentenkürzungen ist das Rentenniveau in Deutschland von früher 53 Prozent auf 48 Prozent gesunken. In Zukunft soll es noch weiter bergab gehen. Das heißt, bald blüht selbst einem Durchschnittsverdiener nach einem langen Arbeitsleben ein Lebensabend auf Hartz-IV-Niveau. Ich finde, das ist einfach schändlich. Das ist Altersarmut per Gesetz. (Beifall bei der LINKEN) Sagen Sie jetzt nicht, das liege am Geld. Gleichzeitig verpulvert der Bund nämlich Milliarden, um die Riester-Rente zu subventionieren. Inzwischen wurden 27 Milliarden Euro dafür verpulvert, Betrugsprodukte zu subventionieren, an denen sich bekanntermaßen nur die Provisionsjäger der Versicherungsindustrie, der Fonds und der Finanzindustrie goldene Nasen verdienen, während die Sparer in der Regel noch nicht einmal das herausbekommen, was sie eingezahlt haben. Und trotzdem soll das alles so weitergehen! Wie man heute weiß, hat sich der Drückerkönig und Finanzhai Herr Maschmeyer beim damaligen Kanzler Schröder mit immerhin 2 Millionen Euro für dieses zuvorkommende Gesetz bedankt. Frau Nahles, ich weiß nicht, ob Sie hoffen, dass Ihnen irgendwann auch einmal jemand Ihre Biografie für 2 Millionen Euro abkauft. Man muss aber zumindest sagen: Ihr Festhalten an dieser Rentenpolitik ist verantwortungslos und übrigens auch ein klarer Bruch der SPD-Wahlversprechen. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich gekriegt?) Hören Sie deshalb auf, (Gustav Herzog [SPD]: Hören Sie auf!) die Rentenkasse mit Beitragssenkungen und versicherungsfremden Leistungen weiter zu plündern! (Beifall bei der LINKEN) Hören Sie auf, öffentliches Geld für Betrugsprodukte zu verschleudern, und stellen Sie wieder eine lebensstandardsichernde Rente ab 65 Jahren für alle Menschen her! (Beifall bei der LINKEN) Es brennt aber nicht nur bei der Rente. Vor gut zwei Wochen wurde mit Unterstützung des größten deutschen Sozialverbandes, VdK, eine Verfassungsklage für menschenwürdige Pflege eingereicht. Es geht um die katastrophale Situation und den extremen Personalmangel in vielen Pflegeheimen. Auch in vielen deutschen Krankenhäusern herrschen heute Zustände, die eines reichen Landes unwürdig sind, (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das stimmt nicht!) und auch die Gründe dafür lassen sich mit Zahlen messen: Seit Mitte der 90er-Jahre wurde an deutschen Krankenhäusern jede zehnte Stelle im Pflegebereich abgebaut. Was fällt Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, dazu ein? Deutschland geht es gut, und deshalb kürzen Sie den Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds in den nächsten zwei Jahren mal eben um 6 Milliarden Euro. Mögen Rentner durch Armut gedemütigt werden und Pflegebedürftige früher sterben, Hauptsache die schwarze Null lebt: Das scheint Ihre Logik zu sein. Was ist das für eine unglaubliche Politik! (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Was ist das für eine unglaubliche Rede! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) „Die Würde des Menschen ist unantastbar“: Das ist der oberste Verfassungsgrundsatz der Bundesrepublik. Er gilt auch für Ältere, Kranke und Pflegebedürftige, (Beifall bei der LINKEN) und er steht ausdrücklich nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Deswegen fordere ich Sie auf: Beenden Sie die unwürdige Zweiklassenmedizin! Schaffen Sie eine Bürgerversicherung, bei der jeder nach seinem Einkommen einzahlt und gleich gute Leistungen sowohl im Krankheits- als auch im Pflegefall bekommt! Krankheit ist keine Ware, die sich als Objekt von Renditejägern eignet. (Beifall bei der LINKEN) Ihre Kürzung des Zuschusses zum Gesundheitsfonds zeigt natürlich auch noch in anderer Hinsicht, wie unehrlich Ihre Politik ist. Das Mantra „Keine Steuererhöhung“ gehört ja zu den Gebetsformeln, die diese Regierung unablässig vor sich hinmurmelt. Sie wissen aber ganz genau, dass die Kürzung des Bundeszuschusses bei vielen Krankenkassen zu Beitragserhöhungen führen wird (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das stimmt nicht!) und dass eine Beitragserhöhung das Nettoeinkommen ganz genauso reduziert wie eine Steuererhöhung. Aber richtig: Es gibt einen wichtigen Unterschied. Eine Beitragserhöhung bezahlen ausschließlich die gesetzlich Versicherten, also vor allem die Arbeitnehmer. Sie belastet Normalverdiener weit mehr als Spitzenverdiener. Sogar Menschen mit sehr wenig Einkommen müssen diese Beitragserhöhung mit bezahlen. Das heißt, Ihr ganzes Gerede gegen Steuererhöhungen ist im Kern vollkommen verlogen. Sie haben überhaupt keine Skrupel, die normalen Beschäftigten, die heute schon die Hälfte ihres Nettoeinkommens für Steuern und Abgaben bezahlen, noch stärker zu belasten. Sie predigen zwar keine Steuererhöhungen. Aber im Kern geht es Ihnen doch darum: keine Steuererhöhung für Reiche. Das ist es doch, was tatsächlich Ihre Politik bewegt. Geben Sie es doch wenigstens zu! (Beifall bei der LINKEN) Offenbar, Frau Bundeskanzlerin, hat Ihnen noch niemand den Zusammenhang zwischen Schulden und Vermögen erklärt. Geld verschwindet nämlich nicht; Geld wechselt immer nur den Besitzer. In den letzten 15 Jahren hat unter Ihnen, Frau Merkel, und unter Ihrem Vorgänger Gerhard Schröder ganz besonders viel Geld in Deutschland den Besitzer gewechselt. Viele Milliarden Euro, die einst der Allgemeinheit gehörten, sind auf private Konten gewandert: durch Steuergeschenke an Vermögende und an große Unternehmen und natürlich durch die milliardenschwere Bankenrettung. Im Ergebnis haben sich in den letzten 15 Jahren eben nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch die privaten Vermögen der Millionäre und Multimillionäre mehr als verdoppelt. Deshalb wäre die Wiedereinführung einer Vermögensteuer nicht etwa eine Enteignung, wie Sie das immer gerne darstellen, sondern sie wäre im Grunde eine Rückgabe. (Beifall bei der LINKEN) Sie würde dafür sorgen, dass das Geld endlich einmal den Besitzer in die andere Richtung wechselt, nämlich weg von den privaten Konten der Millionäre und Multimillionäre und hin zu besserer Bildung, besserer Pflege und guten Renten. Da wäre das Geld auch besser angelegt. (Beifall bei der LINKEN) Es fällt übrigens auch auf, dass Sie wieder nur mit den Vermögen der Reichen so rücksichtsvoll umgehen. Bei den Vermögen der kleinen Leute sind Sie viel weniger zimperlich. Die auch durch Ihre Europapolitik und Ihre Kürzungsdiktate verursachte Dauerkrise im Euro-Raum ist die letztliche Ursache für die extremen Niedrigzinsen, die wir zurzeit haben. In der Konsequenz gibt es für normale Sparer mittlerweile kaum noch Anlagen, die auch nur den Werterhalt sichern. Das heißt, anders als der Millionär, der im Schnitt auf sein Vermögen Renditen zwischen 5 und 10 Prozent einfährt, zahlt der Kleinsparer längst mit seinen Spargroschen für Ihre falsche Krisenpolitik. Aber diese Enteignung der kleinen Leute stört Sie offenbar nicht im Geringsten. Das lassen Sie laufen. Nur an das Vermögen des Geldadels wollen Sie nicht heran. Das nennt sich dann Volkspartei; (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) eine Partei, die zulässt, dass das Volk enteignet wird, weil sie zu feige ist, an das Geld der oberen Zehntausend heranzugehen, um damit eine vernünftige Antikrisenpolitik zu finanzieren. Das ist wirklich skandalös. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Welt ist so einfach!) Das gilt leider nicht nur für die CDU. Auch Herr Gabriel hat sich mittlerweile auf die Fahne geschrieben, die Vermögensteuer auch bei der SPD programmatisch zu entsorgen. Da kann man nur sagen: Mit so einem Vorsitzenden arbeiten Sie wirklich hart daran, dass die SPD nie wieder in die Nähe davon kommt, in diesem Land noch einmal den Kanzler zu stellen. Nun muss man sagen: Auch andere Parteien hatten Vorsitzende, die sie klein gemacht haben, sogar bis zur letzten Konsequenz. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ein Vorsitzender war Lafontaine!) Eine dieser Parteien ist die FDP gewesen. Ich möchte hier einen Satz zur Ehrenrettung der FDP sagen. Es gibt tatsächlich ein unsoziales Gesetz, das an der FDP gescheitert ist, und zwar das Gesetz zur sogenannten Tarifeinheit. Es ist wirklich unglaublich, dass dieses Gesetz jetzt ausgerechnet von der SPD wieder auf die Tagesordnung gehievt wird. Schon der Name des geplanten Gesetzes ist doch der blanke Hohn: Gesetz zur Tarifeinheit. Ein Betrieb, ein Tarif: Das soll wieder gelten. Ich darf Sie, werte Damen und Herren von der SPD, daran erinnern, dass Sie selbst es waren, die dieses Prinzip zerstört haben, dass Sie es waren, die es mit den Agendagesetzen den Unternehmen ermöglicht haben, ihre Belegschaft aufzusplitten: (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) in Leiharbeiter, in Werkvertragler, in Minijobber, in befristet Beschäftigte. Alle haben natürlich unterschiedliche Tarifverträge. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben damit alles dafür getan, dass die Gewerkschaften nicht mehr wirklich streikfähig sind; denn bestreiken Sie einmal einen Betrieb, in dem ein Drittel der Beschäftigten in Leiharbeit ist, ein Drittel einen Werkvertrag hat und viele andere einen befristeten Vertrag haben. Einen solchen Betrieb kann man faktisch nicht mehr bestreiken. Entsprechend schlecht ist auch die Lohnentwicklung in Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn Sie der Tarifeinheit wirklich wieder zum Durchbruch verhelfen wollen, dann nehmen Sie die Agendagesetze zurück! Verbieten Sie Leiharbeit und den Missbrauch von Werkverträgen! (Beifall bei der LINKEN) Verbieten Sie die sachgrundlose Befristung, die die Beschäftigten in ständiger Abhängigkeit hält! Das wären Reformen, die dieses Land wirklich voranbringen würden. Aber dafür müsste man den Mut haben, sich dem „Raubtier der organisierten Unternehmerinteressen“ entgegenzustellen. (Widerspruch bei der SPD) – Ja, nach Alexander Rüstow. Das war ein Zitat, falls Sie das nicht bemerkt haben. Man hat allerdings den Eindruck, es gibt etwas, das Ihnen, Frau Merkel, noch wichtiger ist als die Interessen der deutschen Unternehmen: Das sind die Interessen der amerikanischen Regierung und der amerikanischen Wirtschaft. Bei Ihrer Rede in Sydney, Frau Merkel, haben Sie sich furchtbar darüber empört, dass es 25 Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch altes Denken in Einflusssphären gibt, das das internationale Recht mit Füßen tritt. „Wer hätte das für möglich gehalten?“, wurden Sie zitiert. Man fragt sich ernsthaft, Frau Merkel: Wo leben Sie eigentlich? Und wo haben Sie in den letzten Jahren gelebt? (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Bei Ihrer Rede frage ich mich auch, wo Sie leben!) Wo haben Sie gelebt, als die USA das internationale Recht im Irak mit Füßen getreten haben, um ihre Einflusssphäre auf das irakische Öl auszudehnen? Wo waren Sie, als unter Beteiligung Deutschlands das internationale Recht in Afghanistan mit Füßen getreten wurde, was es im Übrigen immer noch wird? Wo waren Sie, als Libyen bombardiert wurde und als die syrische Opposition aufgerüstet wurde, Waffenlieferungen an den IS eingeschlossen? War das alles Ihrer Meinung nach in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht? Selbstverständlich ging es dabei auch nie um Einflusssphären. Ich darf Ihnen die Lektüre eines Buches von -Zbigniew Brzezinski, langjähriger Vordenker der US-Außenpolitik, empfehlen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie lesen die falschen Bücher!) Das Buch aus dem Jahr 1997 trägt den schönen Titel Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft. In Bezug auf Europa plädiert Brzezinski darin für eine konsequente NATO-Osterweiterung zunächst nach Mitteleuropa, dann nach Süden und über die baltischen Republiken bis zur Ukraine, und zwar weil, wie der Autor schlüssig begründet – ich zitiere – „mit jeder Ausdehnung … automatisch auch die direkte Einflusssphäre der Vereinigten Staaten erweitert“ wird. Dieses alte Denken in Einflusssphären, das sehr erfolgreich umgesetzt wurde, ist Ihnen wirklich nie aufgefallen, Frau Merkel? (Beifall bei der LINKEN) Dabei gehörten Sie doch zu denen, die genau das in Europa weiter umgesetzt und unterstützt haben. Sie gehörten doch zu den Vasallen, um in der Sprache Brzezinskis zu bleiben, die genau diese Strategie mitgetragen haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Wagenknecht, darf Ihnen der Kollege Weiler eine Zwischenfrage stellen? Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Bitte schön. Albert Weiler (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Wagenknecht, vielen Dank, dass ich eine Zwischenfrage stellen darf. Sie haben gerade die SPD beschimpft und kein gutes Haar an ihr gelassen. (Zuruf von der SPD: Das habt ihr früher auch!) Ich kann dem in Teilen nicht zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber in Thüringen wiederum ist die SPD gut genug dafür, Ihren Herrn Ramelow auf das Pferd zu setzen. Dort nutzt man diese Partei aus, die man jetzt so beschimpft, um einen Vorteil daraus zu ziehen und den Herrn zum Ministerpräsidenten zu machen. Man gibt der SPD mehr Ministerien, als eigentlich notwendig ist, und alle solche Dinge. Das passt vorne und hinten nicht zusammen. (Widerspruch bei der LINKEN) Hier wird über diese alte Volkspartei geschimpft, (Beifall bei der CDU/CSU) und in Thüringen wird sie ausgenutzt, um den eigenen Mann nach oben zu hieven. Wie ist das möglich, Frau Wagenknecht? Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Ich nehme zur Kenntnis, dass die CDU das Trauma von Thüringen immer noch so bewegt, dass Sie das selbst in diese Haushaltsdebatte tragen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich der SPD vorwerfe, dass sie mit ihrer Politik alles dafür tut, dass sie ihre Glaubwürdigkeit nicht wiedergewinnt und damit auch bei Wahlergebnissen von 26 Prozent bleibt und dass sie damit nie wieder den Kanzler stellen wird, dann geschieht das aus Sorge um dieses Land, (Lachen bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) weil ich mir wünsche, dass Frau Merkel nicht ewig Bundeskanzlerin bleibt und dass Sie nicht ewig den Bundeskanzler stellen können, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) und weil ich mir wünsche, dass es eine andere und linke Politik in diesem Land geben kann. Aber ich darf Sie beruhigen: Ich werde gleich die SPD noch in einem Punkt loben. Auch das werden Sie noch zu hören bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich würde mir auch wünschen, dass es in Zukunft mehr Gründe geben würde, die SPD zu loben. Das fände ich zumindest sehr gut. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich war bei Brzezinski, der NATO-Osterweiterung und der deutschen Politik in dieser Hinsicht stehen geblieben. Frau Merkel, jetzt haben Sie Deutschland in die Neuauflage eines Kalten Krieges mit Russland hineingetrieben, der das politische Klima vergiftet und den Frieden in ganz Europa gefährdet. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Sie haben einen sinnlosen Wirtschaftskrieg angezettelt, der vor allem der deutschen und der europäischen Wirtschaft massiv schadet. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) – Da Sie so stöhnen: Sie müssen ja nicht in den Unternehmen sitzen, denen die Aufträge wegbrechen. Sie sind da nicht Arbeitnehmer oder Unternehmer. Sie müssen das nicht ausbaden, was Sie angerichtet haben. (Beifall bei der LINKEN) Sie warnen vor einem Flächenbrand, Frau Merkel. Aber Sie gehören doch zu denen, die mit brennendem Zündholz herumlaufen. „Verbale Aufrüstung war noch immer der Anfang von Schlimmerem.“ Das hat Ihnen Hans-Dietrich Genscher nach Ihrer Rede in Sydney zugerufen. Nein, man muss Putin wirklich nicht mögen. Man muss auch den russischen Kapitalismus mit seinen Oli-garchen nicht mögen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Aber Diplomatie heißt, die Interessen des Gegenübers ernst zu nehmen und sich nicht ignorant über sie hinwegzusetzen. Es fällt schon auf, dass Helmut Kohl und Michail Gorbatschow nahezu wortgleich warnen, dass ohne eine deutsch-russische Partnerschaft keine Stabilität und keine Sicherheit in Europa möglich sind. Der frühere SPD-Vorsitzende Platzeck hat darauf hingewiesen, dass der Handel zwischen Russland und den USA in diesem Jahr zugenommen hat, während der Handel zwischen Russland und Europa und vor allen Dingen Deutschland massive Einbrüche erlebt hat. Als Reaktion arbeitet die CDU/CSU daran, sogenannte vermeintliche Russland-Versteher wie Herrn Platzeck aus dem Petersburger Dialog herauszudrängen. Statt auf Verstehen setzen Sie offenbar lieber auf Unverstand. In der Ukraine kooperieren Sie mit einem Regime, in dem wichtige Funktionen des Polizei- und Sicherheitsapparates mit ausgewiesenen Nazis besetzt werden. Der Präsident Poroschenko redet vom totalen Krieg und hat den Krankenhäusern und den Rentnern in der Ostukraine alle Zahlungen abgeklemmt. Für Premier Jazenjuk sind die Aufständischen – ich zitiere – „Unmenschen, die es auszulöschen gilt“. Statt sich mit solchen Hasardeuren zu verbünden, (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, sind die gewählt oder sind die nicht gewählt?) brauchen wir endlich wieder eine deutsche Außenpolitik, der Sicherheit und Frieden in Europa wichtiger sind als Anweisungen aus Washington. (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD) In einem Jahr, in dem sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. und der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal jährt, wäre es dringend angebracht, sich an die Aussage Willy Brandts zu erinnern: „Krieg ist nicht mehr die Ultima Ratio, sondern die Ultima Irratio.“ Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein, Frau Merkel. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb: Kehren Sie auf den Weg der Diplomatie zurück! Stellen Sie die Sanktionen ein! Sollten sich in der SPD tatsächlich die Stimmen der außenpolitischen Vernunft durchsetzen – von Helmut Schmidt bis Matthias Platzeck –, dann, bitte, Frau Merkel, hören Sie auf Ihren Koalitionspartner. Beenden Sie dieses Spiel mit dem Feuer! (Beifall bei der LINKEN) Ich fasse zusammen. (Christine Lambrecht [SPD]: Oh nein!) Ihre Politik, Frau Merkel, spaltet Deutschland und versündigt sich an der Zukunft, weil Sie nicht den Mut haben, sich den organisierten Interessen von Banken und Konzernen entgegenzustellen. Sie haben das Erbe der Entspannungspolitik verspielt und Europa in einen neuen kalten Krieg und an den Rand eines Flächenbrands geführt, weil Sie nicht den Mut haben, der US-Regierung Paroli zu bieten. Das ist keine Bilanz, auf die Sie stolz sein sollten. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes jedenfalls haben eine bessere Politik verdient, eine Politik, die den Anspruch auf Wohlstand für alle endlich wieder ernst nimmt und die zurückkehrt zu einer Politik der guten Nachbarschaft mit allen europäischen Nachbarn. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Ziemlich mäßige Rede!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor zehn Tagen habe ich am Treffen der 20 größten Volkswirtschaften in Brisbane in Australien teilgenommen. Die jährlichen G-20-Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs sind eine Antwort auf Herausforderungen der internationalen Finanzkrise im Jahre 2008. Damals stand vor allem die Notwendigkeit einer globalen Regulierung der Finanzmärkte auf der Tagesordnung. Richtigerweise wurde der Anspruch formuliert, jeden -Finanzplatz, jedes Finanzmarktprodukt und jeden Finanzmarktakteur einer Regelung zu unterwerfen. Seitdem ist manches erreicht, insbesondere bei der Regulierung international agierender Banken. Wenn diese in Zukunft in Schwierigkeiten geraten, gibt es inzwischen weltweit Mechanismen, die Banken abzuwickeln, ohne dass zuerst der Steuerzahler dafür haften muss. Das ist ein Erfolg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit dieser Regelung werden außerdem Ansteckungsgefahren minimiert. Aber wir müssen sehen: Eine solche einheitliche Regulierung gibt es noch nicht für die systemrelevanten, global agierenden Schattenbanken. Sie soll bis 2016 vorliegen. Das Ziel wurde in Brisbane noch einmal bekräftigt, das weitere Vorgehen konkretisiert. Deutschland wird allerdings darauf drängen, dass wir dieses Ziel auch wirklich erreichen und nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Qualitative Fortschritte wurden im G-20-Prozess auch bezüglich der Themen Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit erzielt. Sie erinnern sich an die internationale Konferenz am 29. Oktober hier in Berlin, von Wolfgang Schäuble organisiert. Damit wurde eine neue Phase der Zusammenarbeit eingeleitet. Über 50 Länder haben sich ab 2017 zum automatischen Informationsaustausch bei Steuerfragen verpflichtet. Ohne die G 20 wäre ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen. Ebenfalls vorangekommen sind wir bei der Aufgabe, multinationalen Konzernen die Möglichkeit zu nehmen, durch Tricks keinerlei Steuern zu zahlen. Hier gibt es insbesondere in Europa deutliche Fortschritte, und auch in Brisbane wurde das Ziel der Steuergerechtigkeit noch einmal betont. Neben Fragen der Finanzmarktregulierung standen auf dem Gipfel vor allem die Fragen der Weltwirtschaftslage im Vordergrund. Gemeinsam war dort das Bekenntnis zu nachhaltigem Wachstum. Einen Schwerpunkt legte die australische Präsidentschaft auf das Thema Infrastrukturinvestitionen. Aber etwas war jenseits der Tagesordnung an diesem G-20-Gipfel besonders. Im Vorfeld dieses Gipfels hatten sich die Länder der Asien-Pazifik-Region beim Asien-Pazifik-Gipfel in Peking und beim ASEAN-Gipfel in Myanmar getroffen. Die dann anschließend auch beim G-20-Gipfel teilnehmenden Staaten der Asien-Pazifik-Region machten in Brisbane deutlich, dass für sie eine wesentliche Triebkraft für wirtschaftliches Wachstum – und die Dynamik in der Region ist groß – der Freihandel ist. Dazu werden die Verhandlungen zur transpazifischen Partnerschaft, dem pazifischen Äquivalent zum Transatlantischen Freihandelsabkommen, zügig vorangetrieben und eventuell schon in der ersten Jahreshälfte 2015 abgeschlossen. Während des bilateralen Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi in Australien nach dem G-20-Gipfel wurde ein Freihandelsabkommen zwischen Australien und China unterzeichnet. Das sind nur zwei Beispiele von vielen in der Region, die deutlich machen: Die Welt wartet nicht auf Europa. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn es uns nicht gelingt, das Transatlantische Freihandelsabkommen zügig zu verhandeln, werden wir nicht nur im internationalen Handel große Nachteile gegenüber anderen Regionen haben – eine schwere Bürde für ein Exportland wie Deutschland –, sondern wir werden auch Chancen verpassen, internationale Standards im globalen Handel im Blick auf Ökologie, Verbraucherschutz und rechtsstaatliche Mittel überhaupt noch mitbestimmen zu können, und das wollen wir ja. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) In Brisbane war mit Händen zu greifen, mit welcher Dynamik sich gerade der asiatisch-pazifische Raum wirtschaftlich entwickelt und wie er sich mit großem Selbstbewusstsein präsentiert. Das war erkennbar eine Herausforderung für die teilnehmenden europäischen Länder. Neben Deutschland waren das Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien sowie die Europäische Kommission und der Präsident des Europäischen Rates. Deshalb war es richtig und wichtig, dass wir Europäer gemeinsam mit Präsident Obama am Rande des G-20-Gipfels noch einmal unterstrichen haben, dass die Verhandlungen der Europäischen Union mit Amerika über ein Transatlantisches Freihandelsabkommen absolute Priorität haben. Die Entwicklung Europas wird weltweit sehr genau verfolgt, zumal der Weg aus der europäischen Staatsschuldenkrise alles andere als einfach ist. Dennoch: So schwierig und langwierig der Weg auch ist, in Europa sind wir insgesamt auf richtigem Kurs. Das durchschnittliche Haushaltsdefizit hat im Euro-Raum 2013 mit 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erstmals seit 2008 wieder die Maastricht-Grenze unterschritten. Die Bundesregierung unterstützt die Europäische Kommission darin, die Haushaltsplanungen der Mitgliedstaaten strikt zu prüfen. Die Verlässlichkeit der gemeinsamen Regeln des Stabilitäts- und Wachstums-pakts ist von großer Bedeutung für das Vertrauen in den Euro-Raum insgesamt. Dabei geht es immer um einen Dreiklang: Erstens: Solide Haushalte. Dafür gilt der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Der Name ist Programm; denn nachhaltiges Wachstum und solide Haushaltsführung bedingen einander; das zeigt sich immer wieder. Zweitens: Wachstumsfördernde Strukturreformen. In den von der Krise besonders betroffenen Ländern, aber nicht nur dort, sind diese Reformen unabdingbar für nachhaltiges Wachstums. Der in der Wirtschafts- und Währungsunion beschrittene Weg ist der richtige. Das zeigen die Länder, die ihre Anpassungsprogramme erfolgreich beendet haben. Irland zum Beispiel wächst in diesem Jahr mit 4,6 Prozent stärker als jedes andere Land im Euro-Raum. Portugal wächst erstmals seit zwei Jahren wieder und liegt sogar leicht über dem Durchschnitt des Euro-Raums. Die Arbeitslosigkeit geht in beiden Ländern Schritt für Schritt zurück, voraussichtlich noch stärker als im Frühjahr prognostiziert. Allerdings: Der Weg zu mehr Arbeitsplätzen, insbesondere für junge Menschen, ist noch lang und steinig. Deshalb muss Europa – drittens – Investitionen in die Zukunft fördern. Wir leisten mit mehr Investitionen in eine gute Zukunft unseres Landes auch einen Beitrag zu einer guten Zukunft Europas. Die Bundesregierung unterstützt daher im Grundsatz das heute von Kommis-sionspräsident Juncker vorgelegte Paket, mit dem die Kommission zusammen mit der Europäischen Investitionsbank zusätzliche Investitionen in Höhe von über 300 Milliarden Euro mobilisieren will. Wir betonen, dass Investitionen wichtig sind, dass aber vor allem klar sein muss, wo die Projekte der Zukunft liegen. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist für mich, die Chancen der Digitalisierung für Europa zu ergreifen. Europa muss vor allem wieder attraktiver werden für private Investitionen. Es kommt zentral auf einen investitionsfreundlichen Rahmen an, etwa durch Bürokratieabbau, um kleine und mittlere Unternehmen als wichtige Träger von Wachstum und Beschäftigung zu entlasten, sowie durch die notwendigen Strukturreformen in den Mitgliedstaaten, um Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu stärken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben den Themen der Finanzmarktregulierung und des wirtschaftlichen Wachstums hat am Rande des G-20-Gipfels natürlich immer auch die geopolitische internationale Lage eine zentrale Rolle gespielt. Im Übrigen liegt auch gerade in diesem Austausch über die weltweite außen- und sicherheitspolitische Lage die große Chance solcher internationalen Konferenzen. Dialog kann Konflikte entschärfen, Gemeinsamkeiten aufzeigen und Vertrauen schaffen. Drei Themen standen in Brisbane dabei besonders im Mittelpunkt unserer Gespräche: Erstens: Ebola. Diese schreckliche Krankheit breitet sich in Westafrika aus. Tausende Opfer sind in Liberia, Guinea und Sierra Leone zu beklagen. Die betroffenen Länder gehören zu den ärmsten Ländern der Welt. Unter der Krise drohen die fragilen staatlichen Strukturen zusammenzubrechen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Epidemie immer weiter ausbreitet. Deshalb ist Ebola auch zusehends eine Gefahr für die internationale Sicherheit. Die G 20 haben sich in einer gemeinsamen Erklärung verpflichtet, alles Notwendige zu tun, um sicherzustellen, dass die internationalen Bemühungen, die Ebolaepidemie einzudämmen und zu stoppen, auch erfolgreich sind. Auf lange Sicht müssen wir Strukturen schaffen, und zwar internationale Strukturen, die ein besseres Krisenmanagement in solchen Situationen gewährleisten. Entscheidend ist eine bessere Umsetzung der Gesundheitsregeln der Weltgesundheitsorganisation, und es ist wichtig, die Gesundheitssysteme weltweit zu stärken. Die Bundesregierung unterstützt die internationalen Hilfsanstrengungen mit über 100 Millionen Euro. Ich danke dem Bundestag für die Bewilligung dieser Mittel – sie werden dringend benötigt –, und ich danke vor allen Dingen auch den Hilfsorganisationen, die unter schwierigsten Umständen in den betreffenden Ländern Außerordentliches leisten. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zweitens. Breiten Raum bei den Gesprächen in Brisbane hat die Krise in der Ukraine eingenommen. Erinnern wir uns: Vor fast genau einem Jahr habe ich in meiner Regierungserklärung zum Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Vilnius mit Blick auf das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, Georgien und Moldawien und das Verhältnis zu Russland unter anderem hier im Deutschen Bundestag gesagt – ich darf zitieren –: Die EU hat immer wieder Gesprächsangebote an Russland gerichtet, um die beiderseitigen Vorteile einer Kooperation herauszuarbeiten. Wir müssen – das ist meine tiefe Überzeugung – weiter daran arbeiten, dass es kein Entweder-oder zwischen einer Annäherung der Länder der Östlichen Partnerschaft an die EU und dem russischen Bemühen um eine engere Partnerschaft mit diesen Ländern geben sollte. Die EU hat Russland dafür Vorschläge unterbreitet, über die wir schnellstmöglich sprechen müssen. So weit meine Regierungserklärung hier in diesem Haus am 18. November 2013. Was dann geschah, wissen wir: Präsident Janukowitsch hat das Abkommen in Vilnius nicht unterzeichnet. Das war selbstverständlich seine freie Entscheidung als Präsident der Ukraine. Es folgten die Demonstra-tionen auf dem Maidan, die Flucht von Präsident Janukowitsch nach Russland, später dann die Annexion der Krim durch Russland. Um es ganz klar zu sagen: Bei allen Schwierigkeiten, die aus der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit der EU für den ukrainisch-russischen Handel ohne jeden Zweifel entstehen können und über die ich auch wieder und wieder mit dem russischen Präsidenten gesprochen habe, muss gelten: Nichts davon rechtfertigt oder entschuldigt die Annexion der Krim durch Russland. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nichts davon rechtfertigt oder entschuldigt die direkte oder indirekte Beteiligung Russlands an den Kämpfen in Donezk und Luhansk. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Russland missachtet die territoriale Integrität der Ukraine, und das, obwohl Russland sich gemeinsam mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika im Budapester Memorandum 1994 genau zum Schutz dieser territorialen Integrität verpflichtet hat. Das Vorgehen Russlands stellt die europäische Friedensordnung infrage und bricht internationales Recht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, militärisch ist dieser Konflikt nicht zu lösen. Die Politik der Bundesregierung folgt vielmehr einem Ansatz aus drei Elementen: Erstens. Wir unterstützen die Ukraine politisch und auch ökonomisch. Zweitens. Wir lassen nichts unversucht, in Gesprächen mit Russland zu einer diplomatischen Lösung zu kommen, ich zuletzt in Brisbane bei meinen Gesprächen mit dem russischen Präsidenten, genauso wie der Außenminister Steinmeier bei seinen Gesprächen mit dem russischen Außenminister und dem russischen Präsidenten vor wenigen Tagen in Moskau und jetzt auch wieder in Wien. In allen Verhandlungen haben wir uns für die Sicherheit der Gaslieferungen eingesetzt. Für das Handelsabkommen mit der Ukraine haben wir eine Verhandlungszeit von zwölf Monaten eingeräumt, um die -Probleme zu lösen, die Russland in seinen Änderungsvorschlägen für das Handelsabkommen vorgelegt hat. Wir setzen uns für die Einhaltung des Minsker Abkommens ein. Wir sind bereit zu Gesprächen zwischen der Eurasischen Union und der Europäischen Union über Handelsfragen. Und dennoch: Noch immer ist die Situation in Luhansk und Donezk weit entfernt von einem Waffenstillstand. Deshalb sind und bleiben drittens wirtschaftliche Sanktionen weiterhin unvermeidlich. (Zuruf von der LINKEN: Das ist keine Logik!) Es zeigt sich: Für unsere Bemühungen, die Krise zu überwinden, brauchen wir Geduld und einen langen Atem. Das Ziel unseres Handelns ist eine souveräne und territorial unversehrte Ukraine, die über ihre Zukunft – nicht mehr und nicht weniger – selbst entscheiden kann. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Ziel ist die Durchsetzung der Stärke des Rechts gegen das vermeintliche Recht eines Stärkeren. So anstrengend und lang der Weg auch ist, so überzeugt bin ich dennoch, dass er uns gelingen wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, alle Teilnehmer des G-20-Gipfels bewegten in Brisbane außerdem die Tragödie in Syrien und die Lage im Irak. In beiden Ländern wütet die Terrormiliz IS. Sie ist eine der brutalsten Bedrohungen für das Leben der Menschen in der Region – mehr noch: für ganze Staaten –, die es je gegeben hat. Der IS lockt zudem Tausende ausländische Kämpfer an, auch aus den G-20-Ländern, im Übrigen aus allen G-20-Ländern, egal ob sie auf der anderen Erdhalbkugel liegen oder hier in Europa. Seine radikale Enthemmung und Bereitschaft zu morden bedrohen auch unsere Sicherheit. Die Bundesregierung trägt deshalb aktiv zum Kampf gegen den IS im Irak bei: durch Lieferung von Ausrüstung und Munition an die kurdische Regionalregierung. Es bedarf auch hier der gemeinsamen Anstrengung der Weltgemeinschaft gegen diese Bedrohung. Eine der dramatischsten Folgen der weltweiten Krisen, Kriege und humanitären Katastrophen ist ohne Zweifel ein starker Anstieg der weltweiten Flüchtlingszahlen, der uns alle vor große Herausforderungen stellt. Allein nach Deutschland werden 2014 voraussichtlich mehr als 200 000 Asylbewerber kommen. Wir versuchen, den vielen Menschen, die derzeit keinen anderen Weg sehen, als ihre Heimat zu verlassen, auch dadurch zu helfen, dass wir die Ursachen der Flucht in ihren Heimatländern bekämpfen. Auch deshalb engagieren wir uns gegen den IS in Syrien und im Irak, und deshalb engagieren wir uns auch in Zukunft weiter in Afghanistan. Dort löst am 1. Januar 2015 die Mission Resolute -Support den ISAF-Einsatz ab. In Zukunft beteiligen wir uns daran, afghanische Sicherheitskräfte auszubilden, zu beraten und zu unterstützen. Das, meine Damen und Herren, ist das weltwirtschaftliche und geopolitische Umfeld, in dem heute unsere Beratungen zum Bundeshaushalt 2015 stattfinden. Natürlich bleibt diese geopolitische Lage nicht ohne Auswirkungen auch auf die wirtschaftliche Lage in unserem Land. Denken wir nur daran, dass Wirtschaftssanktionen gegen Russland natürlich auch die deutsche Wirtschaft treffen. Daran kann es keinen Zweifel geben. Es kann deshalb gar nicht hoch genug geschätzt werden, dass es Deutschland trotzdem gelingt, mit diesem Haushalt für Deutschland einen Wendepunkt zu markieren; denn mit diesem Haushalt muss der Bund im kommenden Jahr zum ersten Mal seit 46 Jahren keine neuen Schulden machen, um seine Vorhaben und Verpflichtungen bezahlen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das gilt auch für kommende Jahre. Jahrzehntelang hat der Staat über seine Verhältnisse gelebt. Damit machen wir Schluss. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutschland ist Garant für Verlässlichkeit und Stabilität – für die Bürger wie für die Wirtschaft. Das ist wichtig für unser Land, aber auch wichtig für die Europäische Union und die Euro-Zone; denn Deutschland wird als Stabilitätsanker und Wachstumsmotor gebraucht. Das Ziel, keine neuen Schulden zu machen, ist realistisch; denn obwohl sich die Wirtschaftsdaten aufgrund der vielen internationalen Krisenherde zuletzt eingetrübt haben, ist die Ausgangslage robust. Die Zahl der Arbeitslosen ist weiter gesunken. Sie lag im Oktober bei 2,7 Millionen, die Arbeitslosenquote bei 6,3 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen hat ein historisches Hoch erreicht. Knapp 43 Millionen Menschen haben einen Arbeitsplatz, und der Anstieg geht vor allem auf den Anstieg der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zurück; die Zahl liegt jetzt bei über 30 Millionen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die gute Lage am Arbeitsmarkt ermöglicht auch spürbare Lohnzuwächse; das war ja viele Jahre nicht so. Gute Beschäftigung sowie kräftige Lohnabschlüsse und stabile Preise sorgen insgesamt für eine stabile Binnenkonjunktur. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr voraussichtlich 1,2 Prozent betragen. Die Lohnzusatzkosten bleiben in etwa konstant. Die Senkung der Rentenbeiträge auf 18,7 Prozent fängt die Steigerung der Pflegebeiträge in etwa auf. Ziel der Bundesregierung ist es, durch vernünftige Haushaltspolitik in den kommenden drei Jahren die gesamtstaatliche Schuldenquote auf weniger als 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren. Dadurch bleibt der Staat auch in Zukunft handlungsfähig, wenn der demografische Wandel noch stärker als heute spürbar sein wird. Meine Damen und Herren, künstliche Gegensätze oder Entweder-oder-Debatten, die in vergangenen Monaten immer wieder ausführlich geführt wurden, vernebeln nicht nur die Sicht auf die Realität; sie vernebeln auch die Sicht auf die Interessen Deutschlands und Europas. Ein solider Haushalt und eine Politik, die Wirtschaftswachstum fördert und investiert, sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten ein und derselben Medaille. Es gibt nicht gute Sozialpolitik oder gute Wirtschaftspolitik; nur zusammen wird ein Schuh daraus, nur zusammengedacht ist es das, was wir soziale Marktwirtschaft in unserem Lande nennen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zukunftsweisende Umwelt- und Energiepolitik sind keine Gegensätze zu wirtschaftsfreundlicher Politik, sondern sie sind moderne Wirtschaftspolitik. Wir schaffen für Bürger und Unternehmen stabile und verlässliche Rahmenbedingungen, damit sie in die eigene Zukunft investieren können – sei es der Einzelne, der für seine Familie spart, sei es der Unternehmer, der in die Zukunft der Firma investiert. Dafür muss der Staat Vertrauen schaffen und erhalten – Vertrauen in stabile politische Rahmenbedingungen, Vertrauen in gute Infrastruktur, Vertrauen in verlässliche Sozialsysteme, Vertrauen in einen Staat, der gut haushaltet, der mit den Steuern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber verantwortungsvoll umgeht. Dann investieren Menschen in Deutschland, dann entstehen weitere Arbeitsplätze, und die vorhandenen können gesichert werden; dann kann unser Land mit den vielfältigen Herausforderungen der Zukunft umgehen. Meine Damen und Herren, es ist richtig: Deutschland ist heute eines der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt. Dies bestätigte jüngst wieder der Report zur globalen Wettbewerbsfähigkeit des Weltwirtschaftsforums. Dort nehmen wir den fünften Platz ein. Er stellt zudem fest, dass der Bestand an öffentlichen Investitionen in Deutschland hoch und qualitativ gut ist. Beim Infrastrukturindex belegt Deutschland Rang 7 von 144 Ländern. Aber darauf ruhen wir uns nicht aus. Wettbewerbsfähigkeit muss immer wieder neu erarbeitet werden. Dazu muss unser Land innovativ bleiben und in Produkte und Dienstleistungen von morgen investieren. Wir haben im Koalitionsvertrag als Bundesregierung vereinbart, in Deutschland eine Investitionsquote anzustreben, die dauerhaft über dem Durchschnitt der OECD liegt. Die Bundesregierung arbeitet an einer Investitionsstrategie, die unsere Möglichkeiten systematisch erfasst und Verbesserungen aufzeigt. Vor allem bürokratische Lasten für die Wirtschaft sollen möglichst gering gehalten werden. Dazu haben wir gerade gestern wieder Beschlüsse gefasst. Darüber hinaus wollen wir die Investitionen des Bundes ab 2016 nochmals um 10 Milliarden Euro erhöhen. Gerade durch Haushaltsdisziplin werden nachhaltige Investitionen möglich: im Verkehrsbereich, in der Energieversorgung, bei der Gestaltung des digitalen Wandels und in Bildung und Forschung. Deutschland hat eines der besten Verkehrsnetze weltweit, und die Bundesregierung wird über die ganze Legislaturperiode hinweg 5 Milliarden Euro an zusätz-lichen Mitteln bereitstellen, um die Erhaltung und Modernisierung unseres Verkehrsnetzes voranzutreiben. Die Aufwendungen des Bundes für Verkehrsinfrastruktur summieren sich auf 34 Milliarden Euro bis 2017. Meine Damen und Herren, wenn wir über die Infrastruktur sprechen, dann ist natürlich auch die Energie ein wichtiges Thema. Die EEG-Novelle ist seit dem 1. August dieses Jahres in Kraft. Diese Reform schafft klare Rahmenbedingungen für den weiteren Um- und Ausbau unserer Energieversorgung. Zugleich gibt sie Planungssicherheit für notwendige Investitionen. Es ist weiter unser Ziel, die Kostendynamik bei der Entwicklung der EEG-Umlage zu durchbrechen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass wir dieses Ziel im kommenden Jahr erreicht haben werden. Es bleibt aber eine langfristige Aufgabe, die Energiewende so zu gestalten, dass auch Versorgungs-sicherheit gewährleistet bleibt und Bezahlbarkeit für alle gegeben ist. Die Energiewende ist eine der größten Herausforderungen – für Politik wie für die Volkswirtschaft insgesamt. Sie ist und bleibt eine Herkulesaufgabe, eine nationale Kraftanstrengung, und sie geht nicht ohne Strukturveränderungen und Härten ab. Aber sie ist eine der großen Investitionen in die Zukunft Deutschlands, in Wachstums- und Arbeitschancen und damit in zukünftigen Wohlstand. Die nächsten Schritte sind: Klarheit über den Leitungsausbau – beschleunigter Leitungsausbau im Übrigen –, Entscheidung über das Ob und Wie von Kapazitätsmärkten und die Aufgabe, den Einklang von Energiewende und Klimaschutzverpflichtungen herzustellen. Meine Damen und Herren, wir gestalten den digitalen Wandel – eine, wenn vielleicht nicht die zentrale Gestaltungsaufgabe für Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung die Digitale Agenda als eines der großen Projekte dieser Legislaturperiode definiert. Dazu gehören die flächendeckende Breitbandversorgung und die geplante Versteigerung der 700-Megahertz-Mobilfunkfrequenzen. Ich bin zuversichtlich, dass die ausstehende Einigung mit den Ländern zur Bereitstellung der zusätzlichen Frequenzen bis zur Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember gelingt. Das Kursbuch Netzausbau, das die Netzallianz Digitales Deutschland Anfang Oktober beschlossen hat, konkretisiert Maßnahmen und Weichenstellungen für den zügigen Breitbandausbau. Wir kommen damit dem Ziel näher, bis 2018 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen. Das ist wichtig für Unternehmen, wichtig für die deutsche Forschungslandschaft, wichtig für den Alltag und die Lebensqualität jedes Einzelnen. Wir müssen allerdings die Digitale Agenda auch im europäischen Rahmen umsetzen. Das Telekommunikationspaket mit so wichtigen Fragen wie Netzneutralität wird diese Woche wieder in der Europäischen Union beraten, genauso laufen die entscheidenden Beratungen zur Datenschutzgrundverordnung. Bei beidem wird über nicht mehr und nicht weniger entschieden, ob Europa ein spannender Investitionsstandort im globalen Wettbewerb sein wird in den nächsten Jahren und ob es uns gelingt, den Wandel der Industrie zur Industrie 4.0 zu gestalten, beides absolut entscheidende Zukunftsaufgaben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, die Innovationskraft Deutschlands und die Spitzenstellung als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort sind das Ergebnis unseres konsequenten Engagements für Bildung und Forschung. Von 2005 bis 2013 hat der Bund seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung um knapp 60 Prozent gesteigert. Mittlerweile liegen die Ausgaben bei rund 14,4 Milliarden Euro. Heute gehören wir zur Spitzengruppe in Europa, und wir werden auch in den kommenden Jahren alles tun, um das Ziel zu erreichen, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren. 2015 steigt der Haushalt des Bundesbildungsministeriums um 1,3 Milliarden Euro auf knapp 15,3 Milliarden Euro. In dieser Legislaturperiode investieren wir insgesamt 9 Milliarden Euro zusätzlich in Bildung und Forschung, und dazu gehört die 100-prozentige Übernahme der Finanzierung des BAföG für Schüler und Studierende. Wir entlasten die Länder erheblich, und wir entlasten sie dauerhaft. Der Bund erwartet, dass diese Mittel für die Bildung natürlich auch in den Ländern diesem Zweck zugutekommen, insbesondere den Hochschulen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wichtig ist: Beim Thema Bildung geht es eben nicht nur um Wissenschaftler, um Forschung und Spitzenleistungen, sondern es geht genauso um Ausbildung und berufliche Bildung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]) Deutschland wird weltweit um das duale System der Berufsbildung beneidet, und das zu Recht. Sie bietet jungen Menschen solide und praxisnahe Qualifizierung und einen erfolgreichen Einstieg in den Beruf an. Wir wollen Qualität und Attraktivität der beruflichen Bildung weiter stärken und junge Menschen im Ausbildungssystem besser begleiten, sofern das nötig ist. Die Bundesregierung will deshalb gemeinsam mit Ländern und Sozialpartnern eine Ausbildungsallianz beschließen, und ich hoffe, dass die Verhandlungen bald abgeschlossen werden können. Außerdem wollen wir die Potenziale von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien besser wecken. Aus diesem Grund wird der 7. Integrationsgipfel in der nächsten Woche, am 1. Dezember, den Schwerpunkt „berufliche Ausbildung“ haben. Junge Familien wollen darüber hinaus natürlich Familie und Beruf vereinbaren. Das Elterngeld Plus macht es für Mütter und Väter künftig einfacher, Elterngeldbezug und Teilzeitarbeit miteinander zu kombinieren. Auch die Elternzeit wird deutlich flexibler. Ziel ist es, den jungen Eltern den Rücken zu stärken, die gemeinsam für ihre Kinder da sein wollen. Ich weiß, dass diese Regelung allen, auch den Arbeitgebern, mehr Flexibilität abverlangt. Dies gilt im Übrigen auch für die Frauenquote. Dennoch: Sie ist beschlossen, und sie wird kommen. Wir werden uns noch im Dezember, am 11. Dezember, im Kabinett damit befassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir können es uns nicht leisten, auf die Kompetenzen der Frauen zu verzichten. Meine Damen und Herren, die Menschlichkeit unserer Gesellschaft entscheidet sich auch an ihrem Umgang mit denen, die Pflege brauchen. Der Deutsche Bundestag hat am 17. Oktober das Erste Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Es tritt zum 1. Januar 2015 in Kraft, und wir haben damit ein Leistungspaket für alle Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verabschiedet, das die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie der Tages- und Nachtpflege verbessert. Es wird vor allen Dingen auch die Lebensqualität der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen verbessert. Die Pflege in Deutschland soll sich damit stärker am Menschen, am Bedürftigen orientieren. Zu den Schwächsten einer Gesellschaft gehören im Übrigen auch die, die wegen Verfolgung oder aus Not und Verzweiflung ihre Heimat verlassen und zu uns kommen. Wir stehen zu unserer Verantwortung, Flüchtlinge zu unterstützen und politisch Verfolgten Asylrecht zu gewähren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Länder und Kommunen bei der Bewältigung dieser Herausforderung besser zu unterstützen. Deshalb stellen wir den Kommunen Liegenschaften zur Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung und haben im Haushalt 2014 300 neue Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschaffen. Es war richtig und politisch geboten, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Seit Anfang November können von vornherein erkennbar aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten schneller bearbeitet und somit die Anträge tatsächlich politisch Verfolgter zügig entschieden werden. Das muss unser Ziel sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Bund ist mit den Ländern über weitere Unterstützungsmöglichkeiten gerade in diesen Tagen im Gespräch. Natürlich muss dies alles untrennbar damit verbunden sein, alles dafür zu tun, dass die Menschen vor allem in ihren Heimatländern eine Zukunft sehen und dass sie dort eine Zukunft haben. Dafür setzt sich die Bundesregierung ein; die Initiativen von Bundesminister Müller zielen genau in diese Richtung. Im Übrigen wird auch das kommende Jahr ohne Zweifel im Zeichen der globalen Herausforderungen stehen. Deutschland hat im Augenblick die G-7-Präsidentschaft inne. Sie wird unsere Arbeit im Jahr 2015 maßgeblich prägen. Im Rahmen der deutschen G-7-Präsidentschaft wollen wir gezielt die Themen aufgreifen, die für die Zukunft der einen Welt von großer Bedeutung sind. Dazu gehören die Erarbeitung neuer Entwicklungsziele, die sogenannte Post-2015-Agenda, die die bisherigen Millenniumsziele ablösen werden; dazu gehört die Überwindung der absoluten Armut bis 2030; dazu gehört der Schutz des Klimas und der Meere; dazu gehört der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen und vernachlässigte tropische Krankheiten; dazu gehören auch die Stärkung von Frauen bei der Selbstständigkeit und bei der beruflichen Bildung sowie die stärkere Beachtung sozialer und ökologischer Standards im internationalen Handel. Das sind unsere Schwerpunktthemen, die wir gemeinsam als Bundesregierung erarbeitet haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen in unserer Präsidentschaft konkrete Verbesserungen für die Menschen erreichen, in den Ländern der G 7, aber auch weit darüber hinaus, nicht zuletzt auch in den Entwicklungsländern. Ein Beispiel ist der Kampf gegen die sich weltweit ausbreitenden Antibiotikaresistenzen. In der Folge wird die Behandlung vieler Infektionskrankheiten immer schwieriger, Infektionen dauern länger, die Sterblichkeit steigt. Ich begrüße ausdrücklich eine Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika vor allem bei der Nutztierhaltung. Wir müssen überlegen, was wir tun können, damit Ausbrüche von Infektionskrankheiten in Zukunft schneller und besser bekämpft werden können. Zur Verhinderung solcher Epidemien in der Zukunft können Impfungen einen entscheidenden Beitrag leisten. Ich freue mich deshalb, dass die GAVI-Geberkonferenz – das ist die Global Alliance for Vaccines and Immunization, also für Impfungen – im Rahmen der deutschen G-7-Präsidentschaft im nächsten Januar hier in Berlin stattfindet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir hoffen natürlich auf ein gutes Ergebnis. Am 7. und 8. Juni nächsten Jahres wird dann in Elmau der G-7-Gipfel stattfinden. (Zuruf von der LINKEN) Dort werden wir neben den genannten humanitären Fragen natürlich auch die Lage der Weltwirtschaft sowie Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik erörtern. Wir werden das Gespräch mit der Zivilgesellschaft suchen, mit der wir die Kräfte bündeln wollen. Selbstverständlich wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag regelmäßig zum G-7-Gipfel unterrichten. Meine Damen und Herren, nach einigen Jahren gravierender wirtschaftlicher Krisen mit großen Auswirkungen auf die Menschen sind wir in diesem Jahr in -besonderer Weise mit sicherheitspolitischen und humanitären Krisen konfrontiert, die weltweit viele Menschen bedrohen oder töten und Staaten an den Rand des Zerfalls bringen. Einmal mehr spüren wir, wie sehr die Politik gefordert ist. Sie ist gefordert, Verantwortung zu übernehmen (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für unsere Werte und Interessen, für die Gestaltung einer menschlichen Weltordnung. Sie ist gefordert, Position zu beziehen für Frieden und Freiheit. Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen unseres Landes und gegenüber unseren Partnern in Europa bewusst. Herzlichen Dank. (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Langanhaltender Beifall des Abg. Thomas Oppermann [SPD] – Volker Kauder [CDU/CSU]: Haltet durch! Haltet durch! – Anhaltender Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, bei den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der friedlichen Revolution haben Sie einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Nichts muss so bleiben, wie es ist.“ Das ist ein Satz, der Mut macht. Er strahlt aus, dass wir unser Schicksal in der Hand haben. Diese Gewissheit hat den Menschen die Kraft gegeben, für eine bessere Zukunft aufzustehen. Für mich ist das Teil der großartigen Geschichte der friedlichen Revolution vor 25 Jahren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Katja Kipping [DIE LINKE]) Dieser Satz kann uns auch heute Mut machen. Auch in einer Zeit voller Krisen können wir unsere Zukunft selbst gestalten und zum Besseren wenden. Aber dieser Satz macht nur dann Mut, wenn man eine Ahnung hat, was in Zukunft sein soll. Da frage ich mich: Was folgt für Sie, Frau Kanzlerin, aus Ihrem Satz für Deutschlands Zukunft? (Zuruf von der LINKEN: Nichts!) Was ist Ihre Vision für unser Land? Wie soll es in 10, 20 oder 30 Jahren aussehen? Wenn ich Ihnen zuhöre, dann sehe ich nur diffusen grauen Nebel vor mir. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie hocken zu viel in Ihren Tälern! Gehen Sie lieber auf die Alpen!) Ohne gute Ideen, ohne eine Vorstellung von unserer Zukunft hat Deutschland schlechte Aussichten. Wenn wir nicht endlich beim Klimaschutz wirklich vorangehen, dann zerstören wir unsere Lebensgrundlagen. Wenn wir nicht endlich die Elektromobilität vernünftig umsetzen, bauen am Ende Tesla und Google die Fahrzeuge der Zukunft und nicht Mercedes und VW. Wenn wir Frauen nicht endlich anständig bezahlen, dann ist das nicht nur ungerecht, sondern dann werden auch Wissen und Fähigkeiten verschwendet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn weiter nur darüber geredet wird und die Banken und das Finanzsystem insgesamt nicht wirklich reguliert werden, droht die Gefahr, dass wir wieder mit Milliarden an Steuerzahlergeld unser Finanzsystem retten müssen. Glauben Sie denn im Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, dass Sie mit Rentengeschenken an Ihre Stammwähler, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind keine Geschenke! Das ist alles erarbeitet!) mit Kohlekraftwerken aus der Zeit Konrad Adenauers und der Ausländermaut die Zukunft Deutschlands sichern? Das ist doch wirklich aberwitzig, was Sie hier machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Bundeskanzlerin, schauen Sie sich hier, in Ihrem Raum, um. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: In ihrem Raum?) Hier sitzen wirklich Unmengen von Leuten. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: „Unmengen“!) Hier sitzt Ihre Große Koalition. Aber Ihre Maximalko-alition macht nichts anderes als Miniaturpolitik. „Nichts muss bleiben, wie es ist.“ Dieser Satz würde Mut machen, wenn er für Ihren Koalitionsvertrag gelten würde. Aber wenn ich in Ihren Koalitionsvertrag schaue, finde ich keine Ideen für die Zukunft. Finden Sie Ideen für die Zukunft? Ich würde Ihnen eines vorschlagen: Schmeißen Sie einfach Ihren Koalitionsvertrag weg, und fangen Sie noch mal neu an! Sie haben immerhin noch drei Jahre zur Verfügung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will, wir Grünen wollen ein Deutschland, das Energie aus Wind, Sonne und Wasserkraft gewinnt, das die Kohle unter Tage lässt, kein Öl mehr verbrennt und keine Atome mehr spaltet, in dem die Stoffkreisläufe geschlossen sind und kein Müll mehr die Welt verpestet, ein Land, das die besten Kitas, Schulen und Unis und das schnellste Internet hat, in dem jedes Kind sich voll entfalten kann, egal wie viel Geld seine Eltern haben, in dem sich Männer und Frauen Familien- und Erwerbsarbeit fair teilen, in dem pflegebedürftige und kranke Menschen würdig und anständig versorgt sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) – Thomas Oppermann, du darfst auch klatschen. Wir sind dir nicht böse deswegen. Du hast schon gut angesetzt. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Oppermann [SPD]: Alter Reflex!) – Ja, ein verständlicher Reflex. Wie gesagt, wenn ihr euch ein bisschen anstrengen und endlich mal in die Puschen kommen würdet, (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das sagen die Richtigen!) könnte es ja vielleicht irgendwann auch mal wieder was werden, oder? Mit der Politik, fürchte ich, wird es aber noch eine Zeitlang dauern, bis wir gemeinsam klatschen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich wünsche mir ein Land, das Weltmeister in der Flüchtlings- und Entwicklungshilfe ist, ein Deutschland, das ohne räuberischen Verbrauch von Ressourcen auskommt, mit einer vielfältigen und kleinräumigen Landwirtschaft, dank der wir keine Angst vor multiresistenten Keimen aus tierquälerischen Massentierhaltungsställen haben müssen, ein Land, in dem wir uns schnell, nachhaltig und pünktlich auf der Schiene bewegen, ein Land mit E-Autos und E-Bikes. So eine Vision könnte einen Aufbruch schaffen, könnte Ideen freisetzen und, ja, sogar ein neues Wirtschaftswunder schaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihre Politik, Frau Merkel, lebt leider von einer unterschwelligen Angst, von einer Angst vor Veränderungen, von einer Angst vor der Konkurrenz aus China und -Indien, von einer Angst vor der Welt da draußen, wegen der wir uns angeblich keinen Umbau in der Wirtschaft leisten können, angeblich keine Reformen, angeblich nicht mehr Sozialpolitik, nicht mehr Gerechtigkeit, nicht mehr Umweltschutz, nicht mehr Nachhaltigkeit, nicht mehr Zukunft. Aber wissen Sie, diese Angst produziert nur Stillstand. Was wir brauchen, ist ein Aufbruch. Wir brauchen einen echten Fortschritt und Visionen von einem besseren Deutschland. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und wenn sich doch mal eine kleine, nette Fortschritts-idee in Ihren Koalitionsvertrag verirrt hat, wie die Frauenquote, dann veranstalten Sie, liebe Herren – da muss man wirklich sagen: liebe Herren von der Union –, (Katja Kipping [DIE LINKE]: Da hat sich auch Frau Merkel nicht mit Ruhm bekleckert!) ein veritables Heulsusenkonzert. Ihre Quote ist doch gerade mal ein Quötchen. Es kommen so seltsame Aussagen wie: Frauen seien eine Belastung, für die man ein Moratorium brauchte. Das ist doch wirklich absurd. Wir wissen doch alle, dass Frauen in Aufsichtsräten oder in Unternehmen überhaupt diese Unternehmen stärken und mehr Wirtschaftskraft schaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Christine Lambrecht [SPD]: Da können wir klatschen!) – Vielen Dank, liebe SPD. Es wird immer besser. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da wird einfach eine Rezessionsangst zur Verteidigung vor einem „old boys’ club“ in den Chefetagen in-strumentalisiert, und Sie, liebe Kollegen von der Union, lassen sich dafür einspannen. Ich sage mal so: Wegen so ein bisschen Quote, Herr Kauder, müssen Sie doch wirklich nicht so rumweinen. In der Jugendsprache würde man sagen: Heul doch! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wenn wir uns unsere Energieversorgung anschauen, stellen wir fest, dass die erneuerbaren Energien in den letzten Jahren wunderbar gewachsen sind – dank eines rot-grünen Gesetzes. Aber immer noch produzieren wir drei Viertel unseres Stroms aus Atom, Kohle und Gas. Die Menge des Klimakillers CO2 hat unter Ihrer Regierung sogar zugenommen. Von den zehn dreckigsten Kohlekraftwerken ganz Europas stehen alleine sechs in Deutschland. Frau Merkel und Herr Gabriel – man muss ihn ja jetzt leider den „schwarzen Gabriel“ nennen – bewahren die Kohledinosaurier mit dieser Politik leider vor dem Aussterben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutschlands Versprechen, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken – das ist ein Versprechen der ersten Großen Koalition –, werden Sie so nie einhalten können. Wenn Sie jetzt davon reden, dass Sie bei der Kohle vielleicht 22 Megatonnen CO2 einsparen wollen, dann klingt das ja erst mal nach viel. Aber man muss sich klarmachen, wie viel die Kohlekraftwerke Deutschlands im Jahr ausstoßen. Sie stoßen 340 Megatonnen CO2 aus. Das heißt, wir reden von noch nicht einmal 7 Prozent. Für diese 7 Prozent lassen Sie sich feiern? Glauben Sie wirklich, so das Klima retten zu können? Das ist doch kein wirklicher Fortschritt! Das ist doch keine wirkliche Klimapolitik! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann kommt hinzu: Glaubt denn hier im Raum jemand noch ernsthaft, dass diese Ankündigung wirklich wahrgemacht wird? Wir haben schon so viele Ankündigungen und einen solchen Zickzackkurs von Herrn Gabriel in diesem Bereich erlebt. Mal war er der Schutzpatron der Kohle, mal war er der Klimaretter. Es gibt ja auch in anderen Bereichen schöne Ankündigungen von Herrn Gabriel. Glaubt das denn noch irgendwer? (Johannes Kahrs [SPD]: Ja!) – Ja, ich glaube Ihnen, dass Sie von der SPD ihm das glauben. Aber Sie haben ja schon öfters seltsame Leichtgläubigkeit bewiesen, als es um Ankündigungen ging, die sich dann nicht in Wirklichkeit umgesetzt haben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Na, na!) Denken Sie nur an den Investorenschutz – da haben Sie ja sogar einen entsprechenden Beschluss gefasst – oder an andere Beispiele. Deshalb: Wir glauben es ihm nicht. Wir sehen einen Herrn Gabriel, der wild durch die Energiepolitik schlingert. Wir sehen einen Herrn Gabriel, der wie ein politischer Wackelpudding agiert. Auch wenn er jetzt nicht mehr hier ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, muss ich sagen – das ist vielleicht nicht besonders nett, und eigentlich mag ich Sigmar Gabriel echt gern; aber wenn es um die Energiepolitik geht, fällt mir immer dieses Bild ein –: Er agiert leider wie ein rot angestrichener Seehofer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Sehr originell! – Christine Lambrecht [SPD]: Ein sehr originelles Bild! Ei, ei, ei!) Ja, Herr Seehofer gehört halt auch zu Ihren Koalitionspartnern. (Johannes Kahrs [SPD]: Haben wir schon bemerkt! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Oh, Sie mögen ihn auch? Das ist schön!) Es ist einfach bitter, wenn die SPD in manchen Politikbereichen anfängt, genauso zu agieren wie Herr Seehofer. (Johannes Kahrs [SPD]: Aber es ist eine schwache Rede! Wenn Sie keine Inhalte haben!) Ich meine, dafür muss man sich schon etwas schämen. Da können Sie sich natürlich aufregen und dazwischenplärren; das kann ich verstehen. (Johannes Kahrs [SPD]: Wie wäre es mal mit Inhalten statt Beschimpfungen?) Aber anstatt hier dazwischenzuplärren, wäre es klüger, Sie würden Herrn Gabriel dazu bringen, keine seehoferhafte, sondern eine vernünftige Politik zu machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Schwache Rede ohne Inhalte!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber auch liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, wer eine wirklich erfolgreiche Energiepolitik machen will, der muss raus aus der Kohle – natürlich nicht auf einen Schlag, sondern Schritt für Schritt. Diese Schritte müssen eingeleitet werden. Wir müssen raus aus der Kohle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das ist auch nicht unmöglich. Das ist auch gar nicht so schwer, wie man es sich vorstellt. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Dänemark: Dänemark will ab dem Jahr 2030 sowohl die Wärme als auch den Strom vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugen und bis zum Jahr 2050 sogar komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Nennen wir das doch einfach eine pragmatische Vision – ehrgeizig, aber machbar. Das wäre ein echtes Vorbild. Nehmen Sie sich doch ein Beispiel daran! Dazu kommt noch etwas weiteres Schönes: Dänemark wird von da an keine einzige Krone mehr an Russland oder Saudi-Arabien überweisen müssen – weder für Öl noch für Gas noch für Kohle. Das gesparte Geld kann dann in Dänemark eingesetzt werden und dort neue Werte und Arbeitsplätze schaffen, anstatt letztendlich autoritäre Regime zu stabilisieren. Deutschland hingegen überweist immer noch über 30 Milliarden Euro pro Jahr für Öl, Gas und Kohle an Russland und stabilisiert damit das System Putins. Das muss doch überhaupt nicht so bleiben. Das könnten wir durch Politik doch ändern! Das könnten Sie, das könnte diese Große Koalition doch ändern! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dass nichts so bleiben muss, wie es ist, gilt auch für die völlig verfehlte Agrarpolitik hier im Land. Mit dieser Agrarpolitik der Großen Koalition zerstören wir weiterhin unsere Böden und wird dafür gesorgt, dass immer mehr Gensoja nach Europa importiert wird, wird dafür gesorgt, dass noch mehr Treibhausgase in der Landwirtschaft entstehen und dass mehr Gülle produziert wird, die unser Grundwasser verseucht. Sie erhöhen durch den ungezähmten Antibiotikamissbrauch das Risiko multiresistenter Keime, ja, Sie sind noch nicht einmal in der Lage, Reserveantibiotika zu verbieten. Das ist doch einfach wirklich ekelhaft – das ist nicht nur ekelhaft, das ist auch schlecht: schlecht für die Menschen, schlecht für die Tiere und schlecht für unser Land, und damit muss einfach endlich mal Schluss sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihre Politik führt am Ende auch dazu, dass sich die Investitionen der vielen anständigen Landwirte und Bauern in den Tier- und Umweltschutz nicht mehr lohnen. Die warmen Worte und vielen Lippenbekenntnisse, die wir hier immer wieder hören, helfen ihnen nichts, und zwar so lange nicht, wie das Geld vor allem auf die Großagrarindustriekonzerne konzentriert wird und die kleinen und anständigen Bauern, die Milchbauern nichts davon haben. Sie lassen sie einfach konstant hopsgehen. Seit Jahren wird ein Landwirt nach dem anderen gezwungen, aufzugeben, und nimmt die Anzahl der Bauernhöfe ab. Das ist doch keine Politik, die irgendetwas mit „konservativ“ oder „christlich“ zu tun hat und irgendwie gut für den ländlichen Raum ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie reden auch immer gerne von Marktwirtschaft und von den Märkten. Merken Sie nicht, dass Sie hier einen sich entwickelnden Markt verschlafen? Die Menschen sind sehr viel weiter als die Große Koalition. Sie kaufen schon längst Bio, und die Menschen kaufen doch längst regional. Das Problem ist nur: Sie sorgen dafür, dass diese Produkte nicht in Deutschland produziert werden können. Mit Ihrer Art von Landwirtschaftspolitik halten Sie das Angebot klein. Sie bremsen den Ökolandbau aus und fördern stattdessen Agrarexporte. Damit führen Sie nicht nur die Bauern, sondern auch die Verbraucher in die Sackgasse. Der Effekt ist, dass wir die Biolebensmittel aus Österreich, aus der Schweiz und aus vielen anderen Ländern importieren müssen, weil Ihre Politik in Deutschland dafür sorgt, dass sie hier nicht produziert werden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Stattdessen gibt es hier eine sogenannte Tierwohlini-tiative von Landwirtschaftsminister Schmidt. Das ist eine schöne Tierwohlinitiative. Sie setzt darauf, dass sich die Agroindustrie freiwillig bessert. Ja, glauben Sie denn wirklich im Ernst, dass sich Wiesenhof freiwillig bessert? Die Leute von Wiesenhof brauchen keine netten Ansprachen, nach dem Motto: „Jetzt reden wir mal miteinander, Firma Wiesenhof. Halten Sie doch Ihre Hühner und Puten mal ein bisschen besser“, sondern sie brauchen vernünftige Gesetze. Man muss sich gegenüber diesen Lobbyisten einfach trauen, vernünftige Gesetze durchzusetzen. Die Mehrheit dafür müssten Sie hier doch zustande bringen mit Ihren 80 Prozent. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Gleiche gilt für den Haushalt. Auch im Haushalt müsste eigentlich nichts so bleiben, wie es ist. Es muss nicht dabei bleiben, dass Deutschland zu wenig in Schienen, Brücken und Schulgebäude investiert, und es muss auch nicht dabei bleiben, dass wir Anfang des 21. Jahrhunderts noch immer in vielen Ecken kein funktionierendes Internet für alle haben. Es muss doch nicht so bleiben, dass im Bildungssektor, von der Kita über die Schulen bis zu den Universitäten, schlicht zu wenig Geld vorhanden ist. All das könnte man doch ändern. Das müsste doch mit einer 80-Prozent-Mehrheit änderbar sein, oder etwa nicht? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber dafür müssten Sie eine andere Politik machen. Dafür müssten Sie einfach Geld in die Hand nehmen, Geld, das im Grunde im Haushalt vorhanden ist. Dafür müssten Sie ein paar ökologisch schädliche Subventionen streichen und dann das Geld sinnvoll ausgeben. Stattdessen lassen Sie sich für ein 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm feiern. Von diesem 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm soll im nächsten Jahr de facto nichts kommen und in den folgenden Jahren vielleicht jeweils 3 Milliarden Euro. Also bitte! Welcher Anteil vom Bundeshaushalt ist denn das? Ein 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm klingt zwar gut, aber das ist ungefähr 1 Prozent des darauffolgenden Haushalts. Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) De facto sind das nur Krumen, die vom Tisch des -Finanzministers fallen. Die Folge davon ist, dass sich Ihre Minister um diese Krumen streiten wie die Spatzen im Biergarten. Es ist doch nicht so, dass wir Breitbandausbau oder Gebäudesanierung brauchen, dass wir Straßen- und Schienenerhalt oder Geld für die Kommunen brauchen. Nein, wir brauchen beides. Deshalb geben Sie Ihren Ministern nicht nur Krumen, sondern geben Sie ihnen endlich Geld, damit sie sich nicht so kindisch um diese Kleinigkeiten streiten müssen! Deutschlands Zukunft braucht beides. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland bräuchte wirklich einen Investitionsschub. Sie aber legen einfach die Hände in den Schoß und betreiben Schönfärberei. Erst heute haben Sie wieder Schönfärberei betrieben. Wissen Sie, Frau Merkel, Sie müssen uns von der Opposition nichts glauben. Sie müssen auch mir nichts glauben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das tun wir auch nicht!) – Da sind wir ganz großzügig. Wir haben ja sehr kompetente Verbündete. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Können Sie das einmal erklären?) Schauen Sie sich doch einfach einmal den Bericht der OECD an. In dem Bericht der OECD steht, dass sich die Wachstumsaussichten für Deutschland halbieren werden. Die Euro-Zone wird als der kranke Wirtschaftsraum des Globus identifiziert, und massive Investitionen in Bildung und Infrastruktur werden angemahnt. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das machen wir doch!) Das ist das bittere Urteil der OECD über Ihre fatale Haushaltspolitik, über Ihre schwächliche Investitions-politik, Ihre fehlgeleitete Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber anstatt das ernst zu nehmen, produzieren Sie einfach weiter Verlierer und sorgen nicht dafür, dass ausreichend Geld investiert wird. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mit Ihren Kollegen in Brisbane ein wunderschönes Wachstumspaket mit sagenhaften 800 Maßnahmen geschnürt. Aus Deutschland kommt allerdings überhaupt nichts Neues. Sie haben einfach den Koalitionsvertrag genommen und die darin enthaltenen Maßnahmen ins Abschlussdokument kopiert. Das war es dann: „copy and paste“. Und dafür sind Sie um die halbe Welt geflogen? Aber es gab wunderschöne Fotos, die wir bewundern konnten. Dieses Mal waren es keine schönen Fotos mit roter Windjacke vor Eisbergen, sondern stattdessen schöne Fotos von nächtlichen Abstechern in die Pubs von Brisbane. Dazu kann man sagen: Immerhin, dafür hat sich die Reise gelohnt. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Geht’s noch platter?) Allerdings: Zukunft gestalten geht heute eben nur noch global. Gerade im nächsten Jahr werden wichtige Weichen gestellt. Da kommt es entscheidend auf Deutschland an. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Inhaltslos! Mein Gott nochmal!) – Regen Sie sich nur darüber auf. Wenn Sie sich aufregen, dann merkt man, dass es wehtut. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ich rege mich gar nicht auf! Ich bin nur fassungslos, wie man so etwas sagen kann!) In der Tat haben wir heute den wunderschönen Beginn Ihres Gipfeltheaters erlebt. Ich sehe das nächste Jahr schon vor mir: Da holen Sie, Frau Merkel, wieder das schöne rote Jäckchen aus dem Schrank, (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Jetzt wird es wieder platt!) weil das mit den Grönlandfotos damals so gut geklappt hat. Der liebe Sigmar bürstet sich ein bisschen den Kohlestaub vom Jackett. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Noch platter!) Dann machen Sie sich beide fein für den Klimagipfel und für die G-7-Präsidentschaft. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn Sie brav sind, dürfen Sie das nächste Mal mitfahren!) Aber wissen Sie: Beim Klimaschutz zählt nicht die -Optik, sondern da zählen die realen Taten. Was die angeht, sind Sie kein schönes Paar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Während in den USA und in China neue Bewegungen entstehen, herrscht in Deutschland und Europa Stillstand. Diesen können Sie auch mit Ihren schönen Worten nicht mehr kaschieren. Auch bei den anderen globalen Herausforderungen übernehmen Sie keine Führung. Wo bleiben denn Ihre konkreten Vorschläge gegen Steuertricksereien, wie sie der Konservative Juncker in Luxemburg oder der Sozialdemokrat Dijsselbloem zu verantworten haben? Dazu sagen Sie nichts. Wir hören zwar zum wiederholten Male, dass die Banken und das Finanzsystem jetzt reguliert sind und etwas gegen die Steuertricksereien unternommen wird, aber vom Reden alleine wird das alles nicht unterbunden. Wir wünschen uns schlichtweg Taten von Ihnen. Denn auch von noch so schönen Reden – ehrlich gesagt, sie waren eher ermüdend – und von noch so schönen inhaltlichen Aussagen (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dass Sie das gerade sagen!) wird, wie gesagt, das Steuersystem nicht gerechter gestaltet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutlich wurde allerdings, was Ihnen wichtig ist: das globale sogenannte Freihandelsabkommen TTIP. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das ist nicht global! Das ist transatlantisch!) Damit kann es Ihnen gar nicht schnell genug gehen. Da werden einfach der Rechtsstaat und die rechtsstaatlichen Maßnahmen zu sogenannten nichttarifären Handelshemmnissen erklärt. Wir brauchen allerdings in Deutschland kein Abkommen für Konzerne mit besonderen Klageprivilegien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben in Deutschland einen funktionierenden Rechtsstaat mit demokratisch legitimierten Gerichten. (Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!) Sie reichen aus, und sie haben sich bewährt. Wir brauchen auch kein Standarddumping. Ich finde, wir müssen das europäische Vorsorgeprinzip behalten. Wir brauchen kein Handelsabkommen, das Gewinne für wenige organisiert, sondern wir brauchen endlich ein Handelsabkommen, das fairen Handel für alle organisiert. Das erwarten wir von Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben in der Ukraine erlebt, dass tatsächlich nichts so bleiben muss, wie es ist. Vor einem Jahr haben sich die Menschen in der Ukraine auf dem Maidan versammelt. Die Menschen, die aus allen Teilen des Landes kamen, bekannten sich zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in einer offenen Gesellschaft. Diese Menschen können sich unserer Solidarität sicher sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU gewandt: Da können Sie mitklatschen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Stimmt! – Beifall des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]) Ein Jahr danach ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Krim ist von Russland militärisch annektiert worden: ein ganz klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. In der Ostukraine setzt die russische Führung ihre Destabilisierungspolitik fort. In dieser verfahrenen Situation können Deutschland und die EU nur mit Geschlossenheit Fortschritte erreichen. Diese Geschlossenheit herzustellen ist Ihre Verantwortung. Das ist die Verantwortung unserer Bundesregierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In dieser Krise helfen uns auch keine markigen Worte der NATO und Gedankenspiele in Richtung NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Das kann uns nicht helfen und wird auch den Frieden in Europa nicht erhalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Grundfalsch wäre es aber, gegenüber dem russischen Präsidenten den geringsten Zweifel daran zu lassen, dass Europa entschlossen ist, in dieser Frage zusammenzustehen. Denn Sicherheit und Frieden kann es in Europa zwar nur mit Russland geben, aber Putin zeigt derzeit kaum Bereitschaft zur Lösung des Konfliktes. Er nutzt stattdessen den Konflikt, um gegen Kritikerinnen und Kritiker innerhalb Russlands vorzugehen. Deshalb waren die verhängten Sanktionen unumgänglich, und ich sehe derzeit keine Grundlage, um sie wieder aufzuheben. Ja, wir sind auf der Seite der Menschen in der Ukraine, aber wir sind auch auf der Seite der Opposition in Russland. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sehr geehrte Frau Kanzlerin, kürzlich war im Spiegel ein Interview mit einer 20-jährigen Frau zu lesen. Seit diese Frau Politik wahrnimmt, kennt sie nur Sie als Kanzlerin, Frau Merkel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sehr gut! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Da hat sie Glück gehabt!) – Seit dieser Zeit kennt sie nur Sie bewusst als Kanzlerin; eine Fünfjährige nimmt Politik nicht wahr. Diese Frau ist über Ihre Arbeit als Kanzlerin befragt worden. Ich zitiere wörtlich: Dieses Abwarten von ihr, dieses Passive macht mich wütend. Dass sie uns keine klaren Standpunkte zutraut, dass sie sich das nicht zutraut. So eine schlaue Frau, aber was will sie denn? Ich weiß nicht, was sie will. Ich kann sie nicht verstehen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da haben Sie lange gesucht, bis Sie eine solche Stelle gefunden haben!) Tja, Frau Merkel, damit spricht sie vielen Menschen in Deutschland aus der Seele. Ihre heutige Regierungserklärung hat uns wieder kein Stück vorangebracht. Ihre Regierungserklärung ist wieder vollkommen durch das Ungefähre gewabert, ohne anzuecken, ohne vorauszublicken, ohne irgendetwas anzustoßen. Der Klimawandel wartet doch nicht. Unsere Kinder haben doch keine Zeit mehr zu verschwenden in nicht sanierten Schulen. Die Unternehmen brauchen doch endlich ein schnelles Internet. Die Flüchtlinge brauchen unsere bedingungslose Hilfe, und Europa braucht vernünftige Investitionen. Drei weitere Jahre, in denen Sie weiter so amtsmüde und ideenlos vor sich hinwerkeln, kann sich unser Land, kann sich unsere Zukunft nicht leisten. „Nichts muss so bleiben, wie es ist.“ – Ja, das gilt auch für Sie, Frau Bundeskanzlerin. Sie könnten sich doch noch einmal einen Ruck geben. Schmeißen Sie Ihren Koalitionsvertrag weg! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Entwickeln Sie eigene Ideen! Unserem Land und unserer Zukunft wäre es zu wünschen. Uns allen wäre es zu wünschen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Thomas Oppermann ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Thomas Oppermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass es der Koalition gestern Abend gelungen ist – die Bundeskanzlerin hat das schon erwähnt –, sich auf die wesentlichen Inhalte der Frauenquote zu einigen. Das zeigt, dass wir in der Koalition auch bei kontrovers diskutierten Themen entscheidungsfähig sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Quote kommt, und sie kommt genau so, wie wir sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Sie kommt mit Gesetzeskraft, ohne Ausnahmen, ohne Härtefallklauseln. Das ist ein großer gesellschaftlicher Fortschritt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese Quote hat durchaus eine historische Dimension; denn mit ihr wird die Gleichberechtigung in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten der Unternehmen in Deutschland einen gewaltigen Sprung nach vorne machen. Das ist vor allem ein starkes Signal an die qualifizierten Frauen in diesem Land. Sie sind keine Belastung für die Wirtschaft. Sie sind eine Bereicherung und eine Verstärkung für die Wirtschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte allen in beiden Koalitionsfraktionen und in der Bundesregierung danken, die auf diese Einigung hingearbeitet haben. Vor allem aber möchte ich der Frauenministerin Manuela Schwesig danken, dass sie so hartnäckig, so selbstbewusst und so erfolgreich für diese Quote gekämpft hat. Es ist gut, dass wir eine starke Frauenministerin haben. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]) Vor einigen Wochen hat uns die Konjunkturprognose 1,3 Prozent Wachstum für das nächste Jahr vorhergesagt, übrigens so viel wie seit Jahren nicht mehr. Aber wer die Debatte in Deutschland verfolgt, hat das Gefühl, dass wir in einer anderen Welt leben. Bei den Grünen ist eine bessere Rente für Mütter und Langzeitarbeitnehmer eine Belastung für die Konjunktur. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei den Wirtschaftsprofessoren ist ein ausgeglichener Haushalt eine Bedrohung für künftige Generationen. Der Mindestlohn ist schuld daran, dass die Wirtschaft weniger wächst. Wer solche Gegensätze aufbaut, verunglimpft nicht nur Arbeitnehmer und Rentner in diesem Land, sondern spielt auch Dinge gegeneinander aus, die nur zusammen funktionieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unsere Konjunktur funktioniert nur mit einer guten Binnennachfrage. Künftige Investitionen funktionieren nur mit einer soliden Haushaltsführung. Eine erfolgreiche Wirtschaft funktioniert nur mit sozialer Gerechtigkeit. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag diese Dinge zusammengebracht, statt falsche Alternativen aufzubauen. Eine falsche Alternative, lieber Toni Hofreiter, ist es auch, wenn Sie den Klimaschutz gegen die Wirtschaft in Stellung bringen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch ihr!) Um es ganz klar zu sagen: Wir stehen zu dem Ziel, bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, und wir stehen auch zum Umbau unseres Energiesystems. Bis 2050 werden 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Aber wozu wir auch stehen, ist, dass dieser Umbau sozialverträglich gestaltet wird, dass die Strompreise auch für die Wirtschaft bezahlbar bleiben und dass der Strom verlässlich aus der Leitung kommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sozialverträglich, bezahlbar und verlässlich, an diesen Kriterien hängt die Akzeptanz der Energiewende. Die bekommen Sie eben nicht mit der Brechstange, wenn Sie gleichzeitig aus Atomstrom und Kohlestrom aussteigen wollen. Natürlich muss auch der Kraftwerkspark einen fairen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten. Deshalb hat Sigmar Gabriel der Energiewirtschaft eine klare Marschroute vorgegeben. Die Kraftwerksbetreiber müssen bis 2020 mindestens 22 Millionen Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Wie dieses Ziel erreicht wird, entscheiden die Unternehmen. Das halte ich für eine kluge Lösung, die Ökonomie und Ökologie zusammenbringt. Deshalb gibt es keinen Grund zu Alarmismus, weder bei den Gegnern der Kohle noch bei ihren Befürwortern. Den einen geht der Beitrag der Kohle zu weit, den anderen geht er nicht weit genug; das ist ein gutes Indiz dafür, dass Sigmar Gabriel mit seinem Vorschlag genau richtig liegt. (Beifall bei der SPD) Was wir jetzt brauchen, ist ein schneller Einstieg in die Energieeffizienz. Nur wenn wir es endlich schaffen, weniger Energie zu verbrauchen und Energie besser zu nutzen, werden wir langfristig das Klima schützen können. Meine Damen und Herren, wir beschließen in dieser Woche einen historischen Haushalt: seit 46 Jahren zum ersten Mal ohne Neuverschuldung. Das haben wir trotz einer schlechteren Konjunkturentwicklung geschafft, ohne soziale Kürzungen und mit mehr Geld für Bildung, Forschung, Kommunen und Infrastruktur. Das ist insgesamt eine gute Botschaft für junge Menschen in diesem Land. Wir wollen keine Politik mehr zulasten künftiger Generationen machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Denn selbst wenn wir uns heute zu Niedrigzinsen verschulden könnten, wozu uns einige raten, muss man doch sehen: Die Schulden bleiben uns über Jahrzehnte erhalten, und bei steigenden Zinsen müssen wir dafür teuer bezahlen. (Zuruf von der LINKEN: Mehr Steuereinnahmen, das brauchen wir!) Ich finde es ausgesprochen erfreulich und ich bin dem Finanzminister Schäuble sehr dankbar dafür, dass er für die Zeit ab 2016 Haushaltsreserven von 10 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen mobilisiert hat. Das ist ein starkes Signal für die Konjunktur in diesem Land. Wir sehen die Schwerpunkte für ein Investitionsprogramm bei der Infrastruktur, beim Netzausbau, bei energetischer Sanierung, beim Breitbandausbau, bei kommunalen Investitionen und im Städtebau. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sinkt dann die Investitionsquote?) Ich glaube, wir dürfen uns im Ergebnis aber nicht darauf beschränken, nur die öffentlichen Investitionen zu steigern; wir müssen auch die privaten Investitionen ankurbeln. Deshalb ist es gut, dass eine Expertengruppe des Bundeswirtschaftsministers an Vorschlägen für mehr Investitionen arbeitet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Oppermann, darf die Kollegin Haßelmann Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Thomas Oppermann (SPD): Ja, bitte. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank für die Möglichkeit einer Zwischenfrage. – Lieber Thomas Oppermann, Sie haben gerade aufgezählt, wo Sie überall investieren und wie stark diese Regierung bei Investitionen vorangeht. Allein, mit den Fakten passt das nicht zusammen. Vielleicht können Sie einen Teil Ihrer Redezeit darauf verwenden, uns das zu erklären. Sie feiern sich hier für Investitionen in Straßen- und Brückensanierung, in Breitbandausbau und viele andere Bereiche, senken aber im Bundeshaushalt gleichzeitig die Investitionsquote. Wie passen diese Fakten zusammen? Darauf können Sie uns sicher eine Antwort geben. Das Zweite, was ich noch kurz anmerken möchte, ist: Ich finde, hier im Haus ist den Frauen aus allen Fraktionen zu danken, die sich seit Jahren für die Quote eingesetzt haben, und nicht nur einer Ministerin, die Ihrer Fraktion angehört. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Thomas Oppermann (SPD): Ich hätte mich gerne, liebe Britta Hasselfeldt, auch bei den Grünen bedankt. Aber ich wollte Sie jetzt – – (Volker Kauder [CDU/CSU]: Haßelmann! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Liebe Kollegin Hasselfeldt – – (Heiterkeit – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie heißt Haßelmann!) – Haßelmann; die Nacht war kurz. – Ich hätte mich gerne auch bei den Grünen bedankt. Aber nachdem Ihr Fraktionsvorsitzender gesagt hat, das sei eigentlich gar keine Quote, wollte ich Sie nicht mit zu viel Lob überstrapazieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie heißt „Haßelfrau“! „Haßelmann“ geht gar nicht!) Was die Investitionen angeht, dürfen Sie natürlich nicht nur auf den Haushalt schauen. Sie müssen auch auf die mittelfristige Planung schauen. Sie müssen sehen, dass diese Koalition die Lkw-Maut auf Bundesstraßen ausweiten wird, und Sie müssen sehen, dass der Investitionshaushalt für öffentliche Infrastruktur bis zum Ende der Wahlperiode insgesamt um 40 Prozent gesteigert wird, und zwar, unabhängig von dem geplanten Sonderprogramm für Investitionen, nachhaltig und dauerhaft. Damit zeigen wir, dass wir nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig das Problem des Investitionsstaus in Deutschland angehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt nicht!) Was Investitionen in der Wirtschaft auch erleichtern könnte, wäre ein Bürokratieabbau. Wir haben in den letzten Jahren Kosten für Informationspflichten in Höhe von 12 Milliarden Euro eingespart. Trotzdem ist die deutsche Wirtschaft immer noch mit Bürokratiekosten in Höhe von 40 Milliarden Euro belastet. Ich weiß, jede einzelne bürokratische Regelung hat immer auch einen rationalen Kern. Jede einzelne Regelung lässt sich für sich immer irgendwie begründen. Aber in der Summe sind diese Regelungen für die Wirtschaft oft eine fast unerträgliche Belastung. Deshalb müssen wir dieses Problem angehen. Sigmar Gabriel hat ein Paket zum Bürokratieabbau vorgelegt. Ich habe große Sympathie für die neue Regel „one in, one out“. Immer dann, wenn neue Bürokratie geschaffen wird, muss sie an anderer Stelle in gleichem Umfang abgebaut werden. Die letzte Große Koalition hat es geschafft, mit der Schuldenbremse die Neuverschuldung zu stoppen. Ich finde, diese Große Koalition muss jetzt mit einer Bürokratiebremse endlich dafür sorgen, dass die Bürokratie für Unternehmen gestoppt wird, dass Unternehmer und Arbeitnehmer sich wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können und dass sie wertschöpfende Tätigkeiten ausüben, ohne dabei von einem Übermaß an Bürokratie behindert zu werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nur 8 Prozent des Bürokratieaufwandes betreffen die Statistik. Über 30 Prozent betreffen die Steuererklärung. Ein Beispiel dafür ist die Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter. Da kauft ein Schreiner einen PC für 500 Euro. Anstatt die Kosten direkt vom Umsatz abziehen zu können, muss er sie umständlich auf drei Jahre verteilen. Ich sehe keinen fiskalischen Sinn in einer solchen Aufteilung, und ich sehe darin auch keine Möglichkeit, Steuerbetrug zu verhindern. Deshalb sollten wir in dieser Wahlperiode über diese Themen zu gegebener Zeit noch einmal sprechen. Es ist eindeutig sinnvoller, Steuerbetrug dort zu bekämpfen, wo er uns wirklich Geld kostet, nämlich bei den transnationalen Unternehmen, die in Luxemburg und in den Niederlanden Steuerschlupflöcher nutzen, während unsere Mittelständler hier 30 Prozent Steuern zahlen müssen. Steuerdumping in der EU ist unerträglich. Es schadet unseren Unternehmen und geht zulasten aller Steuerzahler in diesem Land. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Deshalb finde ich es gut, dass sich Finanzminister Schäuble und Jean-Claude Juncker offen zeigen für die Einführung von Mindeststeuern in der Europäischen Union. Mindeststeuern für Unternehmen sind ein probates Mittel der Steuervermeidung. Wir wollen, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie auch erwirtschaftet werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ausgeglichener Haushalt, Bürokratieabbau, Investitionen, das sind Weichenstellungen für die Zukunft. Aber für künftige Generationen ist auch wichtig, wie wir in der Welt miteinander Handel treiben. Ich bin davon überzeugt: Ein Land wie Deutschland, das 40 Prozent seiner gesamten Wirtschaftsleistung im Export verdient, darf sich nicht vom Handel abschotten, sondern muss dem internationalen Handel offen gegenüberstehen. Die EU und die USA bilden mit 800 Millionen Einwohnern den größten Markt der Welt. Für große Konzerne ist es kein Problem, auf diesen Märkten zu agieren. Aber unsere Mittelständler können es sich kaum leisten, teure Expertengruppen zu bezahlen, um die unterschiedlichen technischen Systeme zu überwinden oder gleich eine eigene Fabrik in den USA zu bauen. Deshalb ist eine gute Handelspartnerschaft mit den USA eine gute, große Chance für unsere mittelständischen Unternehmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Unser Ziel ist es, bei TTIP die bestmöglichen Standards zu erreichen – für die Verbraucher, für die Arbeitnehmer, für die Umwelt. Natürlich muss der Zugriff auf unsere kommunale Daseinsvorsorge und auf unsere kulturellen Institutionen von vornherein ausgeschlossen bleiben. Dass in entwickelten Rechtssystemen Investor-Staat-Schiedsverfahren nicht mehr zeitgemäß sind, das ist inzwischen gründlich dargelegt worden. Wir treten dafür ein, dass alle Investoren, unabhängig davon, ob sie Inländer oder Ausländer sind, effektiven Rechtsschutz bekommen und dass er am besten vor staatlichen Gerichten aufgehoben ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Jetzt geht es darum, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern für erfolgreiche Verhandlungen zu sorgen. Die Forderungen nach Verhandlungsabbruch sind abstrus; denn wenn wir nicht verhandeln, dann werden andere verhandeln. Die Standards, auf die andere sich verständigen, das werden nicht unsere Standards sein. Entweder die Globalisierung gestaltet uns, oder wir gestalten die Globalisierung. Ich bin eindeutig für Letzteres. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Oppermann, darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen? Thomas Oppermann (SPD): Ja. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das muss aber nicht sein!) Klaus Ernst (DIE LINKE): Danke, Herr Oppermann. – Ich habe die Debatte in Ihrer Partei zu diesem Thema in den letzten Monaten verfolgt. Sie haben einen Beschluss auf einem kleinen Parteitag gefasst. Wir haben das hier im Bundestag debattiert, insbesondere auch die Frage des Investorenschutzes. Die Position Ihres Parteitages war eigentlich so, dass, wenn ich dies richtig interpretiert habe, man dies nicht will. Jetzt nehme ich – auch in den Medien, auch von Herrn Gabriel – eine gewisse Abkehr von dieser Position wahr. Heißt das nun, dass Sie bereit sind, CETA, das Abkommen der EU mit den Kanadiern, auch dann zu akzeptieren, wenn darin ein Investorenschutz enthalten ist? Bedeutet das ebenfalls, dass Sie auch TTIP akzeptieren würden, wenn darin ein Investorenschutz enthalten wäre, obwohl Ihr Parteitag entschieden hat, dass man dies nicht will? Thomas Oppermann (SPD): Wir sind jetzt dabei, TTIP zu verhandeln. Mitten in Verhandlungen genau zu definieren, unter welchen Voraussetzungen man zustimmt oder ablehnt, halte ich nicht für klug. Wir haben deutlich gemacht, dass wir für Investoren gleiches Recht wollen. Welches Recht ein Investor bekommt, kann nicht davon abhängen, woher er kommt. Wenn beispielsweise ausländische Investoren in schiedsgerichtlichen Verfahren Schadensersatzansprüche einklagen können, aber zum Beispiel deutsche Investoren vor ordentlichen Gerichten nicht die gleichen Möglichkeiten haben, wäre das eine Ungleichbehandlung, die von vornherein nicht akzeptabel ist. Wir wollen keine Paralleljustiz. Wir wollen, dass in entwickelten Rechtsstaaten die Möglichkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit genutzt werden; da gehört die Lösung von Konflikten hin. In keinem Fall wollen wir, dass über schiedsgerichtliche Verfahren die Entscheidungen von demokratisch legitimierten Gesetzgebern delegitimiert werden. Das ist unsere Position, und für die treten wir jetzt auch in den Verhandlungen ein. (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) – Das ist unser Beschluss. Lesen Sie nach! Meine Damen und Herren, auch 25 Jahre nach dem Mauerfall bleibt der Aufbau Ost eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch viele Regionen im Westen Deutschlands brauchen Unterstützung. Dass dafür die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag auch nach 2019 noch gebraucht werden, hat die Bundeskanzlerin schon vor einem Jahr klargestellt, und darin sind sich auch alle Fraktionen in diesem Hause einig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Die rot-grünen Ministerpräsidenten und Finanzminister Schäuble haben vorgeschlagen, wie das gehen könnte. Der Soli würde in die Einkommensteuer integriert, und dabei könnte man auch das Problem der kalten Progression lösen. Das wäre ein Weg, wie man einen Teil des Soli an die Steuerzahler zurückgeben könnte. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wer diesen Weg nicht gehen will – man mag das gut oder schlecht finden –, wer ihn schlecht findet und die Integration nicht will, der muss konkrete Vorschläge machen, wie ein anderer Weg aussehen könnte. (Beifall bei der SPD) Eines ist klar: Wir brauchen in Zukunft eine Solidarität zwischen den Regionen, die sich nicht nach Himmelsrichtungen, sondern nach dem Bedarf richtet, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Dieser Bedarf ist so verschieden wie unser Land. Dresden und Leipzig sind heute attraktive Wachstumskerne, die qualifizierte Zuwanderer anlocken. Aber nicht überall im Osten ist das so. Das Saarland und Bremen haben mit einer erdrückenden Schuldenlast zu kämpfen. NRW hat einen Strukturwandel hinter sich, der es in seiner Dimension durchaus mit dem Aufbau Ost aufnehmen kann. Seit der Kohle- und Stahlkrise im Ruhrgebiet sind 1,2 Millionen Arbeitsplätze allein im Bergbau und im Bereich Stahl weggefallen. Trotzdem gibt es im Ruhrgebiet heute mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als vorher. Ob in Marl, Essen, Dortmund, Duisburg oder Bottrop – in vielen Städten wurden innovative neue Zentren für Dienstleistungen, Wissenschaft und Industrie aufgebaut. Damit ist NRW heute sogar Nettozahler im Länderfinanzausgleich, (Beifall der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) wenn man auch den Umsatzsteuerausgleich zwischen den Ländern betrachtet. Ich finde, es ist eine enorme Leistung, die da vollbracht worden ist. (Beifall bei der SPD) Aber dieser Strukturwandel hatte auch seinen Preis, und diesen Preis hat NRW bisher weitestgehend allein bezahlt. Auch darüber müssen wir reden, wenn wir die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu ordnen. Wir können einzelne Länder, die einen tiefgreifenden Strukturwandel durchmachen, nicht alleinlassen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) genauso wenig wie wir Bayern (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist aber lange her!) beim Strukturwandel vom Agrarland zu einem modernen Industrieland alleingelassen haben. (Beifall bei der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: So weit kann man doch gar nicht mehr zurückdenken!) Wir wollen nicht, dass sich die Gräben der Ungleichheit zwischen den Bundesländern weiter vertiefen. Das ist es doch, was unser Land eigentlich so stark macht: dass wir nicht auseinanderdriften wie etwa England und Schottland, wie Flandern und Wallonien, wie Spanien und Katalonien, wie Nord- und Süditalien. Nur ein Deutschland mit gleichwertigen Lebensverhältnissen ist auf Dauer ein erfolgreiches und lebenswertes Land. Das ist jedenfalls die Richtschnur, mit der wir in diese Verhandlungen hineingehen. (Beifall bei der SPD) Wir diskutieren im Rahmen der Verhandlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen auch darüber, wie wir den Kommunen mit hohen Soziallasten am besten helfen können. Das ist auch richtig so; denn wir wollen, dass auch die finanzschwachen Kommunen wieder investieren können. Wichtig ist: Egal wo wir am Ende die Kommunen entlasten – die Reform der Eingliederungshilfe muss in jedem Fall kommen. (Beifall bei der SPD) Die haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart; schließlich haben wir 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention einstimmig ratifiziert. Bei der Eingliederungshilfe steht bisher im Vordergrund, dass die Menschen mit Behinderungen versorgt und verwaltet werden. Beim neuen Teilhaberecht wird es darum gehen, was ein Mensch mit Behinderungen braucht, um gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. (Beifall bei der SPD) Das muss nicht immer teurer sein. Es geht nämlich nicht nur darum, wie viel Geld wir ausgeben, sondern auch darum, wie wir es ausgeben. Wir wollen ein Teilhaberecht, bei dem das Geld bei den Menschen mit Behinderungen ankommt, das echte Teilhabe und Inklusion ermöglicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte zum Schluss noch auf die Außenpolitik zu sprechen kommen; denn die neuerlichen Gewaltausbrüche in der Ukraine und in Israel machen uns allen große Sorgen. Seit Monaten ist die Außenpolitik der Bundes-regierung extrem gefordert. Ich finde, dass Außenminister Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel unser Land mit großem Engagement und mit hohem persönlichen Einsatz außerordentlich gut vertreten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Bundesregierung ist zusammengeblieben; auch die Europäische Union und die NATO-Partner sind zusammengeblieben. Jetzt kommt es für die nächsten Monate darauf an, dass wir weiterhin zusammenbleiben. Wenn nun der Vorwurf in den Raum gestellt wird, es werde eine Nebenaußenpolitik betrieben, dann ist das völlig deplatziert. Die Außenpolitik ist in diesen Zeiten viel zu wichtig für unser Land, als dass wir sie für innenpolitische Ziele instrumentalisieren dürften, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist kein Widerspruch, den Dialog zu suchen und trotzdem klar zu sagen, was man von der russischen Politik hält und erwartet. Russland hat eine Verantwortung für das, was dort passiert. Russland hat die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine zu verantworten. Damit stellt Russland die europäische Friedensordnung infrage. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Das kann die EU nicht einfach akzeptieren. Deshalb war und ist die Entscheidung für gezielte Sanktionen richtig. Russland muss seine Guerillataktik beenden und aufhören, an der Spaltung der Ukraine zu arbeiten. (Beifall des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]) Wladimir Putin muss klar bekennen, dass auch er weder Krieg noch Bürgerkrieg in Europa toleriert oder gar fördert. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Dennoch müssen wir im Gespräch bleiben; denn es kann nur eine politische Lösung für diesen Konflikt geben. Es kann auch nur eine Lösung mit Russland geben; das muss uns immer bewusst sein. Das ist die Komplexität der Außenpolitik, mit der wir uns auseinandersetzen müssen und der wir uns mutig stellen müssen. Es reicht nicht, nach einem einfachen Schema – wie es die Linke gerne macht – Putin zu bejubeln und Israel zu kritisieren. Damit stellen Sie sich nur ins Abseits, aber zeigen keine Verantwortung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN) 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, so viele wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. In dieser dramatischen Lage müssen wir unseren Beitrag leisten, damit die Flüchtlinge den nächsten Winter überhaupt überstehen können. Ich bin froh, dass wir in den parlamentarischen Beratungen die Haushaltsmittel für die zivile Krisenprävention und die humanitäre Hilfe um 313 Millionen Euro aufgestockt haben. Damit zeigen wir, dass wir internationale Verantwortung für diese Krise übernehmen wollen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Jetzt müssen wir schauen, dass wir die Flüchtlinge in Deutschland gut unterbringen. Wir haben in diesem Herbst schon wichtige Verbesserungen beschlossen: Asylbewerber können schneller Arbeit finden und Sprachkurse besuchen. Wir haben die Residenzpflicht gelockert, und Asylanträge werden schneller bearbeitet. Aber das Wichtigste ist, dass wir jetzt auch die Kommunen in die Lage versetzen, die Flüchtlinge gut unterzubringen; denn es darf nicht sein, dass Kommunen mit der Unterbringung von Flüchtlingen aufgrund eines Geldmangels überfordert werden, und es darf nicht sein, dass durch überfüllte Provisorien Ressentiments gegenüber Flüchtlingen geschürt werden. Das müssen wir schon im Ansatz unterbinden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb ist es gut, dass die Regierung jetzt mit den Ländern darüber verhandelt, wie man die Kommunen unterstützen kann. Hier ist ein Kraftakt notwendig. Mit dieser finanziellen Unterstützung helfen wir aber nicht nur den Kommunen, sondern ermutigen auch die Bürgerinnen und Bürger, die sich in unserem Land für die Flüchtlinge engagieren, die ihnen bei Arztbesuchen helfen, sie bei Behördengängen unterstützen und dazu beitragen, dass die Kinder in die Schule gehen können. Das alles zeigt, dass die große Mehrheit der Deutschen ganz klar sieht, dass wir Verantwortung für die Flüchtlinge haben. Das ist gelebte Verantwortung. Das ist praktische Solidarität. Ich möchte allen, die sich daran beteiligen, die dabei mitwirken, ganz herzlich danken. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Volker Kauder. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bitte nicht so weinerlich!) Volker Kauder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Beratungen des Bundeshaushaltes für das Jahr 2015 finden in einer bewegten Zeit statt. Vor uns liegen große Aufgaben in unserem Land und auch in der Welt. (Abgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wedeln mit Taschentüchern – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier ist das Taschentuch!) – Sie von den Grünen und Sie persönlich, Frau Göring-Eckardt, haben allen Grund, ihre Taschentücher zu behalten. Es ist nämlich zum Weinen, was Sie 25 Jahre nach der friedlichen Revolution in Thüringen veranstalten. Das ist zum Heulen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Heul doch! Heul doch! Heul doch!) Ich kann Ihnen nur sagen: Sie werden es eines Tages zu spüren bekommen, (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! Oh!) dass Sie mit den Linken – die Sie auch noch so zur Brust nehmen wie heute – eine Koalition eingehen, dass Sie 25 Jahre nach der friedlichen Revolution jene an die Macht bringen, die man damals weggewischt hat, und dass Sie einen Linken zum Ministerpräsidenten wählen. Das ist wirklich zum Heulen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Frauenquote wollen wir jetzt was hören! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hallo? Das ist Unsinn pur!) Jetzt zum Ernst der Situation. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch was zu den Blockparteien! Zur Frauenquote und zu den Blockparteien!) Mit diesem Bundeshaushalt reagieren wir auf die großen Herausforderungen unserer Zeit. Trotzdem kommt er ohne neue Schulden aus. Die großen Herausforderungen, die es in unserem Land gibt, betreffen auch die Investitionen zur Stärkung der wirtschaftlichen Aktivitäten. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schaffen Sie ja leider nicht!) Auf die Frage von Frau Haßelmann hat Kollege Oppermann geantwortet, dass wir in unserer Regierungszeit die Investitionen stärken werden. Es steht auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir in den nächsten Jahren weitere 10 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen. Aber diese 10 Milliarden Euro müssen dann auch in Investitionen fließen, und zwar dorthin, wo es Probleme gibt, nämlich in die Infrastruktur, sowohl im digitalen Bereich als auch im Verkehrsbereich. Im Bereich der digitalen Infrastruktur ist es zwingend notwendig, dafür zu sorgen, dass das Internet schneller wird, und zwar nicht nur für die Familien zu Hause. Wenn Industrie 4.0 gelingen soll – und das muss gelingen –, brauchen wir ein Internet, das die Maschinen in Istzeit verbindet. Damit können wir nicht mehr lange warten. Die Zeit drängt. Mit diesem Haushalt werden die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen natürlich alles tun, um die deutsche Wirtschaft, nachdem wir erkennen, dass der Wachstumskurs nicht mehr ganz so dynamisch ist, weiter zu unterstützen. Wir haben überhaupt keinen Grund, die Dinge schlechtzureden. Wir werden auch im nächsten Jahr Wachstum haben. Jetzt aber geht es darum, die ganze Kraft darauf zu verwenden, dieses Wachstum zu unterstützen. Eine der großen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft, eine der großen Wachstumsfragen ist: Können wir der Wirtschaft genügend qualifiziert ausgebildete junge Menschen anbieten? Es geht nicht mehr um den Arbeitsplatz, sondern darum, den besonders qualifizierten Arbeitsplatz zu besetzen. Wir haben bereits in der letzten Koalition erfolgreich begonnen, eine der größten Investitionen in Angriff zu nehmen, nämlich die Investition in Bildung, Forschung und Innovation. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin manchmal fassungslos, wenn ich höre, dass man sich bezogen auf die Investitionsquote dieses Bundeshaushalts nur anschaut, was in die Infrastruktur, in Gebäude und vieles andere investiert wird. Dazu kann ich nur sagen: Eine Investition in ein Gebäude ist das eine. Aber wenn in der Schule oder in der Uni nicht in den Inhalt investiert wird, dann nützt das nichts. Deshalb sind die 15 Milliarden Euro, die wir im Etat von Frau Wanka veranschlagen, Investitionen in die Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist eine der größten Investitionsquoten überhaupt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn wir uns die Herausforderungen ansehen, auf die der Bundeshaushalt Antworten gibt: Auch Maßnahmen zum Klimaschutz sind eine große Investition; der Kollege Oppermann sprach es an. Beim Klimaschutz gibt es natürlich eine Reihe von Bereichen, die zu betrachten sind. Es ist klar, dass auch die Energiewirtschaft ihren Beitrag leisten muss. Für unsere Wirtschaft ist es zentral, dass wir den Klimaschutz einhalten; wir müssen aber auch Sicherheit bei der Energieversorgung herstellen und den Preis halten. Deshalb muss ich schon sagen: Wir sollten vor allem dort tätig werden, wo die Chancen groß sind, dass wir den Klimaschutz in besonderer Weise voranbringen, und das ist immer noch der Gebäudebestand in unserem Land. Wenn wir uns vornehmen, jedes Jahr nur 1 Prozent unseres Gebäudebestands energetisch zu sanieren, so ist dies eine große Aufgabe. Aber das ist schon das absolute Minimum. Daher erwarte ich, dass die Länder hier ihre Möglichkeiten nutzen. Wir versuchen seit einiger Zeit krampfhaft, ein energetisches Gebäudesanierungsprogramm auf den Weg zu bringen. Man kann nicht, wie in NRW, der Kohle das Wort reden, aber dann bei der Gebäudesanierung nicht mitmachen wollen. Jeder muss seinen Beitrag leisten: der Bund die eine Hälfte und die Länder die andere Hälfte. Dann kommen wir einen gewaltigen Schritt voran. (Beifall bei der CDU/CSU) Noch immer sind 85 Prozent der Heizungsanlagen in den Privatgebäuden nicht auf dem neuesten Stand. Wenn wir dort etwas tun, können wir Millionen einsparen. Das wird ein Schwerpunkt im Investitionsbereich werden müssen – Kollege Oppermann wies darauf hin –, auch wenn wir uns im nächsten Frühjahr mit dem Haushalt 2016 beschäftigen. Neben diesen Themen gibt es ein Thema, das jeden Tag Hunderte von Menschen unmittelbar betrifft; es ist erstaunlich, wie wenig darüber gesprochen wird. Jeden Tag – jeden Tag! – sind in den letzten zwölf Monaten 400 Häuser oder Wohnungen aufgebrochen worden, und die Leute wurden ausgeraubt. Es geht nicht nur um den materiellen Verlust. Die Menschen, die davon betroffen sind, sind ein Leben lang traumatisiert, weil sie Angst haben und sich nicht mehr in ihre Häuser zurücktrauen. Da kann man nicht so tun, als ob das kein Problem wäre. Vielmehr ist es richtig, zu sagen: Die Sicherheit des Einzelnen ist eine Kernaufgabe unseres Staates, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Da tragen der Bund und die Länder gemeinsam Verantwortung. Wir wollen, auch im Rahmen von Investitionen, überlegen, was man noch machen kann, um unsere Wohnungen, unsere Häuser sicherer zu machen. Darüber hinaus war es natürlich notwendig – ich bin dankbar, dass es gelungen ist, dies im Haushaltsausschuss durchzusetzen –, dass wir für den Bereich innere Sicherheit, also den Geschäftsbereich von Thomas de Maizière, nach den Maßnahmen in den letzten Jahren bei der Bundespolizei noch etwas Bedeutendes haben machen können. Wir sind da noch nicht am Ende; aber die Botschaft lautet: Wir werden nicht achselzuckend hinnehmen, dass Banden durch unser Land ziehen, Häuser aufbrechen können und wir keine Antwort auf diese die Menschen bewegende Frage geben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Haushaltsberatungen finden natürlich auch in bewegter Zeit statt, weil wir weltweit einige große Probleme haben. Die Bundeskanzlerin hat zu Recht die Ebolakrise angesprochen und auch den Beitrag, den wir dazu leisten können. Aber auch das Verhältnis von Russland, der Ukraine und Europa ist ein Thema. Ich möchte sagen: Die Überzeugung und Wahrnehmung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist die, dass unsere Bundeskanzlerin und unser Bundesaußenminister an einem Strang ziehen und dass sie eine ausgezeichnete Politik machen, die nicht nur die Menschen in der Ukraine, sondern auch die Stabilität Europas im Auge hat. Dafür sage ich einen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts der derzeitigen Situation kommt es natürlich ganz entscheidend darauf an, dass wir in Europa beieinanderbleiben, so wie diese Koalition in dieser wichtigen Frage beieinanderbleibt. In diesem Zusammenhang muss ich immer wieder darauf hinweisen, dass wir mehr darüber reden müssen, was Europa gerade in diesen wichtigen außenpolitischen Handlungsfeldern bedeutet. Mir wird zu viel über das Europa von Euro und Cent gesprochen und viel zu wenig über das Europa der Werte und der gemeinsamen Schicksalsgemeinschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Es ist schon bemerkenswert, dass es gerade Papst -Franziskus gewesen ist, der gestern genau auf diesen Punkt hingewiesen hat, nämlich dass dieses Europa etwas selbstbewusster, etwas dynamischer, etwas jünger an die Themen herangehen sollte. Er hat uns ins Stammbuch geschrieben, wir sollten uns nicht damit abfinden, dass Europa immer älter wird, auch wenn dieser Eindruck immer mehr vorherrscht. Ich kann nur sagen: Die europäischen Ideen vom Zusammenarbeiten, von Frieden und Freiheit, von Religionsfreiheit und von Chancen für alle, diese Ideen müssen in Russland lange gesucht werden. Das sind aber die Ideen, die Europa stark machen und die auch eine so starke Anziehungskraft dieses Europas ausmachen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Darüber müssen wir immer wieder auch klar und deutlich sprechen. Wenn wir von den genannten Werten sprechen, möchte ich hinzufügen: Es müssen auch all diejenigen, die sich Europa nähern wollen und in Europa mitmachen wollen, wissen, dass wir nicht nur nach der Wirtschaftskraft von Ländern urteilen können, sondern auch nach dem urteilen müssen, was sie in dem Bereich machen, der unseren Wertebereich ausmacht. Wir erleben im Augenblick die Diskussionen in der Türkei. Es mag jetzt einmal egal sein, ob die Türkei Amerika entdeckt hat oder nicht; darüber will ich gar nicht reden. Aber dass die Türkei noch einen erheblichen Nachholbedarf bei der Umsetzung der Religionsfreiheit hat, das ist Fakt. Das muss sich ändern, sonst ist der Weg nach Europa sehr, sehr schwer. (Beifall bei der CDU/CSU) Natürlich ist eine zentrale Aufgabe – das muss ich sagen; auch die Bundeskanzlerin hat davon gesprochen – die Bekämpfung des internationalen Terrors. Wir alle spüren – Thomas de Maizière hat in den letzten Tagen darauf hingewiesen –, dass diese Sorge nicht nur im Mittleren und Nahen Osten zu verorten ist. Sie ist inzwischen mitten in unserem Land, in unserer Gesellschaft angekommen. Wenn man sich vor Augen führt, dass mehr als 500 junge Menschen in den Krieg nach Syrien und in den Irak ziehen und zum Teil auch wieder zurückkommen, und wenn man weiß, dass für die Überwachung von sogenannten Gefährdern 25 Personen am Tag benötigt werden, weiß man, wie groß die Aufgabe ist. Deswegen müssen wir alles daransetzen, die Sympathiewerbung für solche Einsätze zu verbieten. Es ist doch geradezu grotesk, wenn junge Menschen im Internet angeworben werden können, wenn ihnen angeboten werden kann, in einen Krieg zu ziehen, in dem die Menschen enthauptet werden, in dem Frauen entführt und vergewaltigt werden. Ich habe die herzliche Bitte, dass wir das Verbot, für solche Gruppen zu werben, endlich durchsetzen, dass wir damit endlich ernst machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Auf IS bzw. ISIS eine Antwort zu geben, ist nicht einfach. Wir dürfen nicht glauben, dass wir dieses Problem in wenigen Wochen bewältigen können. Das ist eine Aufgabe, die noch mehrere Jahre dauern wird. Sie ist auch nicht allein mit Lufteinsätzen und Unterstützung der Bodenkräfte mit Waffen zu bewältigen. Alles, was wir diesbezüglich tun, ist völlig richtig. Aber diesen Gruppen muss auch der ideologische Nährboden entzogen werden, damit sie sich nicht auf eine besondere Ideologie berufen können. Wir haben lange darauf gewartet; jetzt können wir aber dankbar feststellen, dass der Zentralrat der Muslime in Deutschland sich klar distanziert hat. Besonders beeindruckt hat mich – das war ein wichtiger erster Schritt, auch wenn weitere folgen müssen –, dass sich führende islamische Theologen aus einigen arabischen Ländern, dass sich der Großscheich der Universität Kairo, die syrisch-orthodoxen und die koptischen Christen zusammengefunden haben und eine gemeinsame Erklärung herausgegeben haben, nach der Menschenrechtsverletzungen so schwerer Art, wie die ISIS sie begeht, in keiner Religion akzeptiert werden können, dass sie nicht Teil einer Religion sein können. Menschenrechtsverletzungen sind durch die Religionsfreiheit nicht gedeckt! Das war die Botschaft, und das ist die richtige Botschaft. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich unterstütze das und freue mich, wenn weitere Schritte folgen, weil es wirklich darauf ankommt, den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen und denjenigen, die glauben, mit solchen Methoden, mit solchen Schikanen im Namen einer Religion Verunsicherung verbreiten zu können, den Boden zu entziehen. Wir müssen natürlich auch unseren Beitrag leisten; das ist bereits angesprochen worden, sowohl von der Kanzlerin als auch vom Kollegen Oppermann. Wir formulieren es klar und deutlich: Wir wollen, dass die Menschen in aller Welt ihre Religion frei leben können. Diese Menschen im Nahen und Mittleren Osten können das aber nicht, weil man sie verfolgt, auch wegen ihrer Religion – nicht nur, aber auch wegen ihrer Religion. Wenn diese Menschen keinen anderen Ausweg mehr sehen, als zu uns zu kommen, dann erwarte ich – das muss ich sagen –, dass wir diese Menschen bei uns aufnehmen und sie anständig unterbringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was sollen die Christen und andere Betroffene wie die Jesiden eigentlich davon halten, wenn wir sagen, wir treten für Religionsfreiheit ein und stehen an der Seite derjenigen, die verfolgt werden, wenn sie dann zu uns kommen und dies nicht spüren? Nein, wenn sie bei uns sind, müssen sie spüren, dass wir unseren Worten auch Taten folgen lassen. Natürlich sind 200 000 Flüchtlinge eine große Aufgabe. Vor kurzem waren zwei Mitarbeiter unserer Fraktion in Arbil und Dohuk in Kurdistan. Dort werden jetzt langsam winterfeste Quartiere gebaut. Da kann man nur sagen: Ich danke dem Auswärtigen Amt, dem Außenminister und dem Entwicklungshilfeminister dafür, dass sie trotz der zähen Arbeit vorankommen. Manches ist besser geworden, als man in der Öffentlichkeit so hört. Auch die Mitarbeiter des Konsulats, Herr Bundesaußenminister, machen einen wirklich guten Job. Wir haben uns angeschaut, was in dieser Region passiert. Dort leben 4,5, vielleicht 5 Millionen Kurden. Inzwischen gibt es dort über 1 Million Flüchtlinge, die betreut und untergebracht werden müssen. Da kann ich nur sagen: Wenn eine so kleine Region wie Kurdistan mit seinen 5 Millionen Einwohnern mit über 1 Million Flüchtlinge fertig werden muss, dann werden wir das bei uns bei  250 000 Flüchtlingen auch schaffen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gemeinden in Bayern, ja!) Da bin ich zuversichtlich. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das auch mal Herrn Seehofer!) – Auf diesen Zuruf kann ich nur erwidern: Ich habe allen Respekt davor, was die Gemeinden in Bayern wie auch viele andere Kommunen im Augenblick leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD] – Michaela Noll [CDU/CSU]: Oh ja! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Seehofer ist nicht für die Gemeinden zuständig!) Nicht mit dem Finger zeigen! Das ist nicht die Zeit. Wir alle müssen uns anstrengen, und das werden wir auch machen. Ich bin dem Bundesfinanzminister, der den Haushalt zusammenhält und die große Leistung der schwarzen Null vollbracht hat, dankbar dafür, dass er gesagt hat: Das, was notwendig ist, um den Flüchtlingen vor Ort und hier zu helfen, werden wir auch leisten können. – Lieber Wolfgang Schäuble, herzlichen Dank für diese klare Aussage. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Der Bundeshaushalt 2015, der in dieser Woche verabschiedet wird, gibt Antworten auf die drängenden großen Fragen in unserer Gesellschaft und in unserem Land. Er gibt aber auch Antworten auf die großen, wirklich existenziellen Herausforderungen, die wir in der Welt haben. Herr Hofreiter, Sie haben heute über unseren -Koalitionsvertrag gesprochen. Ich kann nur sagen: Ich bin schon zufrieden damit. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegen der Frauenquote?) Wir haben einen Koalitionsvertrag, den wir Punkt für Punkt umsetzen. Es braucht sich daher niemand aufzuregen. Alle Punkte, die darin enthalten sind, werden eins zu eins umgesetzt. Wir von der Koalition sind aber auch handlungsfähig, was die Aufgaben angeht, die nicht im Koalitionsvertrag enthalten sind. Wir kannten sie nämlich noch nicht, als wir die Koalition gebildet haben. Man muss es erst einmal schaffen, den Koalitionsvertrag eins zu eins umzusetzen, keine neuen Schulden zu machen und bei den Herausforderungen in der Welt voll dabei zu sein und zu wissen, was man macht. Diese Koalition – das wird von der Opposition natürlich nicht gesagt, obwohl sie es sieht – leistet eine gute Arbeit. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Anja Hajduk hat das Wort zu einer Kurzintervention. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Kauder, Sie haben meine Kollegin Haßelmann mit dem Hinweis auf die Entwicklung der Investitionsquote angesprochen. Ich möchte jetzt Sie ansprechen, und zwar auf Ihren Schlusssatz, Sie wollten das anders machen und korrigieren, was Sie noch nicht gewusst haben. Wenn ich da anschließen darf: Kann es sein, dass Sie wirklich nicht wissen, dass die Investitionsquote im Finanzplan trotz der 10 Milliarden Euro, die Finanzminister Schäuble im Streit um die Investitionssteigerung für die Jahre 2016 bis 2018 ganz clever zusätzlich im Finanzplan versprochen hat – sie sind jetzt auch darin enthalten –, weiter sinkt? Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD in der Großen Koalition und der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU in der Großen Koalition nicht wissen, dass es so ist, dass die Investitionsquote im Finanzplan damit von über 10 Prozent auf 9,3 Prozent sinkt, dann nehme ich Sie jetzt beim Wort: Dann ist das wieder einmal etwas, was Sie nicht gewusst haben – Klammer auf: wovon ich aber sage, das hätten Sie wissen können –, und dann ist das definitiv etwas, was Sie ändern müssen. Auf, auf! Wir werden das am Freitag so beantragen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Erwiderung. Volker Kauder (CDU/CSU): Liebe Kollegin, ich bin eigentlich ein bisschen traurig, (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh, der Arme! – Wie schade!) dass Sie nicht zugehört haben, was ich am Schluss gesagt habe. Ich habe gesagt: Wir haben einen Koalitionsvertrag, mit dem wir auf die Herausforderungen in unserem Land reagieren. Auch Sie alle haben nicht gewusst – das kann ich ja mit der Kollegin Beck immer wieder besprechen; (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit mir? Warum?) darum ist es mir gegangen –, was in Russland passiert. Oder haben Sie gewusst, dass die Russen die Krim annektieren werden? Oder haben Sie gewusst, was ISIS macht? Das waren die Aufgaben, von denen wir nichts gewusst haben. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch jetzt gar nicht das Thema!) Jetzt zur Investitionsquote – dann sage ich das noch einmal –: Die Investitionsquote steigt. Wenn Sie die 15 Milliarden Euro aus dem Bereich Forschung, Entwicklung und Innovation berücksichtigen, zeigt sich ein anderes Bild. Wenn Sie das nicht machen, dann haben Sie einen altbackenen Investitionsbegriff, Frau Kollegin. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Jetzt haben Sie den Salat!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dr. Rolf Mützenich das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Außenpolitisch betrachtet war und ist 2014 – das hat die Bundeskanzlerin am Anfang ihrer Regierungserklärung hier gesagt – ein schlimmes Jahr. In Syrien werden Menschen vertrieben, tagtäglich über 100, und sie werden letztlich ihrem Schicksal überlassen. Gerade die Nachbarländer stehen großen Herausforderungen in Bezug auf die Flüchtlingspolitik gegenüber. Hinzu kommt Ebola, und es gibt zahlreiche Räume der Gewalt; mittlerweile kennen Generationen in ihrem unmittelbaren Umfeld nichts anderes als Gewalt. Leider kommen auch der Nationalismus und der Chauvinismus zurück nach Europa. Das sind bittere Tage und bittere Momente, wenn man auf die Außenpolitik schaut und versucht, darauf Antworten zu finden. Ich persönlich muss zugeben: Ich bin angesichts der Bilder manchmal ratlos, und manchmal bin ich auch verzweifelt, nicht nur angesichts der Taten, die in der Welt zu beobachten sind, sondern auch dann, wenn ich den Menschen in den betroffenen Ländern begegne. Aber ich finde, es gehört dazu, auch auf andere Entwicklungen hinzuweisen und das Bild etwas zurechtzurücken. Wir sehen in Tunesien eine Gesellschaft, die zumindest den Mut aufbringt, friedlich für einen Wandel einzutreten. (Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Möglicherweise sind darunter auch Menschen, die sagen: Gerade jetzt muss ich anpacken. Jetzt besteht die Verpflichtung, Vorbild zu sein, selbst als kleines Land in der arabischen Welt. – Es gibt Foren und Regionalorganisationen, die eben nicht auf andere warten, sondern, weil sie gemeinsame Interessen haben, versuchen, gemeinsam etwas umzusetzen. Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben von den Dialogforen in Asien gesprochen. Ich nenne die Entwicklung in Lateinamerika. Ich finde, auch das, was in Afrika passiert, macht, wenn man darauf blickt, durchaus Mut. In Mexiko ertragen es die Menschen nicht mehr, dass sie teilweise von einer Politikerkaste geführt werden, die mit der Mafia Hand in Hand geht. Ich finde, das sind mutige Beispiele, die zeigen, dass die Außenpolitik von Prinzipien geleitet werden muss, die sie dann auch umzusetzen hat, um die Herausforderungen zu bewältigen. Ich will hier einige Prinzipien nennen, die die Bundesregierung und auch dieses Parlament, wie ich glaube, sehr klug vermitteln, womit sie der deutschen Außenpolitik ein Gesicht geben: Nie allein: Das ist die Lehre aus dem verheerenden letzten Jahrhundert. Daneben werden wir mit neuen Partnern aktiv – zum Beispiel in Regionalorganisationen wie der Europäischen Union –, und außerdem gibt es neue Formate. Das erkennt man zum Beispiel daran, dass der Bundesaußenminister mit seinem französischen Kollegen in die Länder reist, die von Ebola betroffen sind. Es gibt deutliche Zeichen dafür, dass wir es nicht alleine schaffen. Gemeinsam können wir aber zumindest eine Perspektive aufzeigen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wir müssen auch immer wieder Gespräche anbieten. Wenn es beim hundertsten Mal nicht geklappt hat – das haben Sie zu Recht angesprochen –, dann muss ich es eben noch einmal versuchen. Man muss das Gespräch suchen und versuchen, Lösungen zu finden, weil wir andere Instrumente nicht zur Hand nehmen wollen oder auch nicht dürfen. Wir müssen das Völkerrecht verteidigen und uns dabei an Regeln orientieren. Das ist kein Selbstzweck, sondern die Regeln sind entwickelt worden, weil wir wollen, dass alle gleichbehandelt werden und nach denselben Instrumenten greifen. Insbesondere müssen wir die Institutionen stärken – das hat der Bundesaußenminister in den letzten Wochen immer wieder bewiesen – und diejenigen mitnehmen, die gemeinsame Interessen mit uns teilen. Hier ragt die OSZE heute in Europa heraus, weil sie ein Forum bietet, durch das auch andere mitgenommen werden. Wir haben bei der Aufstellung des Haushalts versucht, die Mittel für all diese Dinge und die entsprechend notwendige Arbeit zu erhöhen. Gleichzeitig dürfen wir aber auch die Gesellschaften nicht aus dem Blick verlieren, weil die Gesellschaften heute genauso ein bedeutsamer legitimer Akteur in der Außenpolitik sind. Deswegen hat der Bundestag gesagt: Das Goethe-Institut, die politischen Stiftungen und viele andere brauchen mehr Mittel; die müssen mitgenommen werden. Der Herr Kollege Kauder hat hier eben für mich sehr überzeugend und sehr nachdrücklich gesagt: Wir brauchen die humanitäre Hilfe, wir brauchen ein offenes Land, und wir brauchen insbesondere Mitgefühl für die Menschen, die glauben, bei uns einen gewissen Schutz oder vielleicht sogar eine neue Heimat zu finden. Angesichts dessen bin ich schon überrascht, dass in den letzten Tagen der Begriff „Nebenaußenpolitik“ gefallen ist. Ich finde, die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister haben von Anfang an einen vertrauensvollen Ansatz gewählt. Ich kann verstehen, dass man manchmal enttäuscht ist und eine entsprechende Rede hält, weil die Zusagen offensichtlich nicht eingehalten wurden, aber ich weise darauf hin: Wenn man einen solchen Begriff in den Mund nimmt, dann schafft man auch Irritationen bei unseren Partnern, weil sie vermuten könnten, dass wir einen Dissens in der Außenpolitik haben, und das ist sehr gefährlich. Ich muss bekennen, dass ich mich mittlerweile daran erinnern kann, wann der Begriff „Nebenaußenpolitik“ geboren wurde, nämlich in den 70er- und 80er-Jahren, als die sozialdemokratische Partei eine Entspannungs-politik versucht hat, die mehr als Regierungspolitik bedeutete. Dieser Kampfbegriff wurde jetzt wieder eingeführt. Ich finde, wir Sozialdemokraten sind gehalten, stolz auf unseren Beitrag zur Überwindung von Konflikten und Gewaltursachen zu sein. Das lassen wir uns von niemandem absprechen – egal in welcher Konstellation. (Beifall bei der SPD) Ich füge hinzu: Wir sind stolz darauf, dass Frank-Walter Steinmeier das Gesicht und die Stimme einer sozialdemokratischen Friedenspolitik in Europa und weltweit ist. Vielen Dank dafür. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]) Gleichzeitig möchte ich daran erinnern, dass es nicht zu unseren Aufgaben gehört, in öffentlichen Interviews über die Ablösung von Führungskräften in Dialogforen zu diskutieren, sondern diese Aufgabe haben die Mitgliederversammlungen dieser Institutionen. Für uns Sozialdemokraten sage ich sehr deutlich: Wir schätzen die Integrität und Souveränität von Matthias Platzeck. Für uns bleibt er ein herausragender und unverzichtbarer Akteur im deutsch-russischen Dialog. (Beifall bei der SPD) Wenn ich sage: „Wir müssen auf der einen Seite über Prinzipien sprechen und auf der anderen Seite über unverrückbare Wahrheiten“, dann müssen wir in der Tat klar zum Ausdruck bringen: Ohne Russland wird eine europäische Friedensordnung keine Gestalt und keine Verlässlichkeit annehmen, aber auch nicht ohne eine Ukraine, die, demokratisch und souverän, in dieser europäischen Friedensordnung ihren Platz haben muss. Das ist im Grunde genommen der Kern der Politik in unserem Dialog. Es ist wichtig, dass wir auf der Minsker Vereinbarung bestehen. Es ist wichtig, immer wieder, auch wenn sie nicht eingehalten wird, an sie zu erinnern und in dieser Frage die OSZE mitzunehmen. Ich bin dem Bundesaußenminister dankbar, dass Deutschland mit anderen Partnern, die diese Idee voranbringen wollen, eine noch stärkere Rolle in der OSZE einnehmen will. Wenn ich sage: „Wir Sozialdemokraten in dieser Großen Koalition wollen eine europäische Friedensordnung bauen“, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als nach gemeinsamen Interessen auch mit Russland zu suchen. Wir dürfen auch nicht verkennen: Die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wäre ohne den wesentlichen Beitrag Deutschlands nicht gelungen, aber es war auch im Interesse Russlands gewesen, dass diese verheerenden Waffen aus Syrien herausgebracht werden. Dieses gemeinsame Interesse teilen wir genauso wie den Wunsch nach erfolgreichen Verhandlungen mit dem Iran über die Bewältigung der Atomkrise. Deswegen bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Deutschland, aber auch viele andere Länder alles versucht haben, um bis Mitte nächsten Jahres einen belastbaren und für alle akzeptablen Vertrag auszuarbeiten, auch für die diejenigen, die nicht mit am Verhandlungstisch sitzen. Wenn ich hier über Außenpolitik spreche, dann tun wir gut daran, zu erkennen: Nicht nur unser Blick auf die derzeitige Konfliktsituation in der Ukraine und in Russland definiert das Außenbild der russischen Politik in anderen Weltregionen, sondern zum Beispiel auch in Asien – daran will ich erinnern – wird die Annexion der Krim genauso gesehen wie bei uns: völkerrechtswidrig. Das ist für die Einhaltung internationaler Regeln verheerend. Deswegen war Russland nicht erfolgreich, im Rahmen des Treffens mit den BRICS-Staaten in Schanghai eine Anerkennung der Annexion zu erreichen. Deswegen müssen wir nach diesen Partnern fragen, auch für unseren Ansatz im Zusammenhang mit der möglichen Bildung einer europäischen Friedensordnung. Ich sage hier an dieser Stelle: Es war auch mit Blick auf die Rolle der Atomwaffen eine wirklich schreckliche Niederlage, dass das Budapester Abkommen verletzt worden ist, weil damit den Atomwaffen wieder eine neue Rolle in der internationalen Politik zugewiesen wird. (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!) Nicht nur das Völkerrecht ist verletzt worden, sondern Regeln, die Russland damals für die Rückgabe von 1 500 russischen Atomwaffen eingegangen ist. Ich finde, es gehört mit zur Wahrheit, hier auch darüber zu sprechen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege Mützenich, Sie haben es nicht gesehen, aber Sie haben die Chance, Ihre ablaufende Redezeit dadurch zu verlängern, indem Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Marieluise Beck zulassen. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Bitte schön. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Kollege Mützenich, ich teile all Ihre Einschätzungen. Sie sind klar und deutlich, und wir brauchen sie als politische Botschaften. Sind Sie aber auch bereit, mit Ihrem Kollegen Platzeck, der immerhin Vorsitzender der großen sozialdemokratischen Partei gewesen ist, in eine ernsthafte Auseinandersetzung über seine Äußerung in Bezug auf die Annexion der Krim einzusteigen und noch einmal deutlich zu machen, welche Tragweite eine solche Äußerung für das völkerrechtliche Gefüge dieser Welt hat? Ich berichte immer wieder von einem kleinen Erlebnis im Europarat: Mein ungarischer Kollege von der Jobbik-Partei trug ein T-Shirt, auf dem vorne stand: „Die Annexion der Krim ist legal“ und hinten: „Die Karpaten gehören zu Ungarn“. Genau diese Entwicklung bahnt sich in Europa an, wenn begonnen wird, über die Verschiebung der Grenzen nachzudenken: Es wird dann vielen, gerade rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften in Europa, einfallen, welche Gebiete nach ihrer Meinung noch zu ihrem Land gehören sollten. (Beifall des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Darum geht es: dass wir – auch ein sozialdemokratischer Kollege – uns in Deutschland klarmachen, was das für eine Büchse der Pandora ist, und das auch – wenn ich das noch anführen darf – gegenüber den Ländern zwischen Deutschland und Russland, also Ungarn, Polen und dem Baltikum, im Blick behalten, die in ihrer historischen DNA die Erinnerung haben, dass es Verträge zwischen Deutschland und Russland zu ihren Lasten gegeben hat. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Liebe Kollegin Beck, ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie bei dem einen Teil Ihrer Frage geblieben wären, statt dann noch Matthias Platzeck mit gewissen anderen Parteien in Verbindung zu bringen. (Beifall bei der SPD) Ich glaube, das wäre sehr respektvoll gewesen. Ich habe darauf hingewiesen: Gerade Matthias Platzeck ist eine integre Persönlichkeit, über die Sozialdemokratische Partei hinaus geachtet – gerade auch in seinem Bundesland –, der sehr souverän und, finde ich, auch in der Öffentlichkeit korrigiert hat, was möglicherweise als Eindruck einer einseitigen Äußerung geblieben ist. Ich finde, er hat das am Wochenende sehr souverän gemacht. Das sollten wir alle im Deutschen Bundestag anerkennen. Nicht Matthias Platzeck hat die Büchse der Pandora geöffnet, sondern diejenigen, die für Gewalt, Annexion und anderes an Chauvinismus und Nationalismus in Europa verantwortlich sind. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Dann sollte man es nicht gutheißen!) Ich finde, das sollten wir Sozialdemokraten auch immer wieder betonen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Insofern glaube auch ich in der Tat: Wir sollten prinzipienfest sein. Deswegen ist das, was ich eben im Zusammenhang mit dem Budapester Abkommen angesprochen habe, eine wichtige Verpflichtung für das, was die Bundesregierung auch durch den Koalitionsvertrag mit auf den Weg bekommen hat, nämlich sich für Abrüstung und Rüstungskontrolle einzusetzen. Aber für uns Sozialdemokraten ist neben der Abrüstung und Rüstungskontrolle – das wissen Sie – auch die Frage der Rüstungs-exporte von herausragender Bedeutung. Wir müssen nämlich in Deutschland in einer anderen Art und Weise mit Rüstungsexporten verfahren. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das hat mit Platzeck nichts zu tun!) In diesem Zusammenhang bin ich insbesondere dem Bundeswirtschaftsminister dankbar. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich komme zum Schluss. Für uns bedeutet eine verantwortliche Politik nicht mehr, aber auch nicht weniger als das, was Willy Brandt uns mit auf den Weg gegeben hat. Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden – im Innern und nach außen. Daran werden wir mit Bedacht und Konzentration weiter arbeiten. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Gerda Hasselfeldt hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir in diesen Tagen und Wochen objektiv auf unser Land schauen, dann stellen wir fest: Deutschland geht es gut. Wir stehen außenpolitisch in großer Verantwortung. Wir sind Stabilitätsanker in Europa. Wir sind wirtschaftspolitisch erfolgreich, und wir haben innenpolitisch viel für den Zusammenhalt und für die Zukunft unserer Gesellschaft getan. Meine Damen und Herren, das ist die Bilanz dieser Regierung, und das ist eine Erfolgsbilanz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Situation im Land gibt uns recht. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Noch nie waren so viele Menschen in Beschäftigung, und zwar in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, wie heute. Genau deshalb können wir heute feststellen: Der bisherige Kurs war richtig. Deshalb werden wir genau auf diesem Kurs weiter die Politik in Deutschland gestalten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Zwei Merkmale prägen diesen Haushalt ganz besonders. Das eine ist: Wir machen keine neuen Schulden, und das ohne Steuererhöhungen. Das Zweite ist: Wir investieren zielgerichtet in die Zukunft unseres Landes. Beides gehört zusammen, und beides – das zeigen uns auch Beispiele wie Bayern, wo das seit Jahren praktiziert wird – ist erfolgreich für die Menschen im Land. Sie spüren es. Sie spüren es in der Arbeitsmarktentwicklung und im Bildungswesen. Sie spüren es in der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung und im Wohlbefinden. (Beifall bei der CDU/CSU) Keine neuen Schulden erstmals seit mehr als 45 Jahren, das ist ein Meilenstein in Deutschland und einzigartig unter den führenden Industrienationen. Das Entscheidende ist, dass wir dabei nicht nur den Bundeshaushalt im Blick hatten und haben, sondern in all den Jahren – genauso wie künftig – immer auch die Situation der Länder und vor allem die Situation unserer Kommunen. Es hat noch keine Bundesregierung gegeben, die so viel für die Kommunen geleistet und sie so stark unterstützt hat – angefangen mit der Übernahme der Grundsicherung über die Finanzierung, Förderung und Fortführung des Kitaausbaus bis hin zum geplanten Teilhabegesetz – wie diese Bundesregierung. Das wollen wir fortsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Nun ist ein ausgeglichener Haushalt kein Selbstzweck. Wir tun das, weil wir unsere Kinder und Enkelkinder im Blick haben, weil wir diejenigen im Blick haben, die nach uns kommen. Das Allerbeste, was wir für die nachkommenden Generationen und an Investitionen in die Zukunft des Landes tun können, ist, einen schuldenfreien Haushalt zu übergeben. Natürlich ist das alles eine Herausforderung für die künftigen Jahre. Das darf kein Einmaleffekt sein. So etwas darf es nicht nur im vergangenen und in diesem Jahr geben. Vielmehr muss es fortgeführt werden. Das ist zweifellos keine einfache Aufgabe. Das ist eine Herausforderung für uns alle. Aber dass wir auf dem richtigen Weg damit sind, zeigen nicht nur die vorhin von mir erwähnten Beispiele in Bayern, sondern auch Äußerungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium – das ist heute in den Zeitungen zu lesen –, der gerade diesen strikten Konsolidierungskurs, auf dem auch Investitionen getätigt werden, für richtig hält. Auch das sollte uns auf unserem weiteren Kurs bestärken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Das Ganze ist auch ein richtiges und wichtiges Signal nach Europa. Dort haben wir viel erreicht; das wurde heute schon angesprochen. Aber nach wie vor haben noch einige Länder Hausaufgaben zu machen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass die erste Grundlage für eine gute wirtschaftliche Entwicklung gerade in den Pro-blemländern in Europa ein solider Haushalt ist. Das gilt auch und gerade für unseren Nachbarn Frankreich. Ja, wir brauchen Wachstum und Arbeitsplätze, aber nicht schuldenfinanziert. Wachstum hilft nichts, wenn es auf Pump finanziert wird. Es muss vielmehr immer verbunden sein mit einem soliden Haushaltsgebaren, mit Strukturreformen, Deregulierung und Bürokratieabbau. Das sind die Aufgaben für Europa insgesamt, und das sind die Aufgaben auch für die europäischen Nationalstaaten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Europa ist aber nicht nur eine Wirtschafts- und Währungsunion; Volker Kauder hat das vorhin sehr eindringlich beschrieben. Europa ist eine Wertegemeinschaft und eine Friedensordnung, wie wir uns keine bessere vorstellen können. So richtig deutlich wird das vielleicht, wenn wir versuchen, zwei Folien aufeinanderzulegen, die Folie des früheren Europas mit den sich bekämpfenden und bekriegenden Nationalstaaten und die Folie des friedlichen und kooperativen Europas unserer Tage. Ich denke, dann wird uns allen bewusst: Dieses Europa, das wir heute haben, ist das beste Europa, das wir jemals in unserer Geschichte hatten, die beständigste Friedens- und Freiheitsordnung auf unserem Kontinent. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Ordnung ist jetzt als Ganzes im Kampf gegen Ebola und im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS gefordert. Sie ist gefordert bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme, und sie ist nicht zuletzt natürlich auch gefordert beim Konflikt in der Ukraine. Da geht es um das Leben der Menschen, da geht es um die Einheit des Landes, da geht es um das Selbstbestimmungsrecht der Völker. In der Ukraine geht es aber auch um das Primat des Rechts als Gegenentwurf zum Recht des Stärkeren. Es geht um die europäische Friedensordnung. Ich finde, die Bundeskanzlerin hat recht, wenn sie sinngemäß sagt, das freiheitsfeindliche Denken in geostrategischen Einflusssphären widerspreche diametral unseren Werten. Das darf in der Tat keinen Platz im Europa des 21. Jahrhunderts haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben vielfache Kontakte mit Parlamentariern, mit Freunden aus anderen europäischen Ländern, und wir besuchen sie auch. Überall spüren wir, welch großes Vertrauen dort in die Europäische Union, in die NATO, vor allem aber auch in Deutschland und im Besonderen in die Bundeskanzlerin gesetzt wird. Deshalb ist es bei all diesen Fragen ganz besonders wichtig, dass wir geschlossen auftreten, geschlossen in Europa, geschlossen in der NATO, dass wir auch geschlossen den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, sehr wohl aber auch klare Kante bei den Sanktionen zeigen, und dass wir auch innerhalb der Großen Koalition geschlossen auftreten. Ich möchte Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, und dem Bundesaußenminister für diese Geschlossenheit auch von meiner Seite aus meine Anerkennung und meinen Dank aussprechen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir verschließen natürlich auch nicht die Augen vor anderen Krisenherden in der Welt. Wir haben dafür die Mittel für Hilfsmaßnahmen, für die humanitäre Hilfe aufgestockt. Auch dafür gebührt dem Finanzminister, aber auch dem Entwicklungshilfeminister und dem Außenminister ein herzlicher Dank. Das ist ein ganz wichtiges Signal für die Menschen in den Krisenregionen, damit sie dort mit ihren Sorgen und Schwierigkeiten besser zurechtkommen, ja, zum Teil überhaupt erst zurechtkommen. Dann haben wir auch bei uns die große Herausforderung der Flüchtlingsströme zu bewältigen. Die erste Aufgabe ist, die Flüchtlinge gut unterzubringen. Lieber Herr Hofreiter, da muss ich schon sagen: Sie kennen die Situation in Bayern offensichtlich nicht, auch nicht die Unterstützung des Freistaats Bayern für die Kommunen in dieser Frage. Bayern bezahlt den Kommunen wie kaum ein anderes Land 100 Prozent der Kosten. In Nordrhein-Westfalen sind es gerade einmal 20 bis 30 Prozent. Das ist die reale Lage. (Beifall bei der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Daran könnten sich die Grünen ein Beispiel nehmen! – Gegenruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir lassen die Kommunen und die Länder auch künftig nicht im Stich. Wir haben zwei Gesetze im Bundesrat in dieser Woche zur Beratung, das Asylbewerberleistungsgesetz und das Freizügigkeitsgesetz, in denen wiederum Hilfen für die Kommunen enthalten sind. Der Finanzminister hat verfügt, dass die Bundesliegenschaften, die von der BImA verwaltet werden, kostenlos für Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung gestellt werden, und er hat auch zugesichert, dass zusätzliche Hilfe geleistet wird, wenn sie notwendig ist. Das ist eine großartige Bereitschaft der Länder, der Kommunen und des Bundes und vieler ehrenamtlicher Helfer, die uns dabei unterstützen und deren Hilfe einmal gewürdigt werden muss. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Die Konflikte und Krisen haben natürlich Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage bei uns. Nach einem guten Start Anfang des Jahres 2014 hat die Konjunktur nun einen kleinen Dämpfer erhalten. Krisenherde, Probleme im Euro-Raum und die weltwirtschaftliche Entwicklung sind die Hauptgründe dafür. In so einer Zeit ist es ganz besonders wichtig, verlässliche Politik zu machen. Vor diesem Hintergrund der verlässlichen Politik ist auch wieder die solide Haushaltspolitik ein ganz wichtiges Signal. Ein Zweites ist aber, dass wir alle miteinander Sorge dafür tragen müssen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft nicht zu beeinträchtigen, dass wir Sorge dafür tragen müssen, unnötigen Ballast für unsere Unternehmen zu vermeiden. Angesichts dessen begrüße ich auch das, was der Wirtschaftsminister mit Blick auf den Bürokratieaufwand an Vereinfachungsmöglichkeiten vorgelegt hat. Ich hoffe sehr, dass es diesbezüglich in den nächsten Monaten zu Kabinettsentscheidungen und zur Realisierung kommt. Das ist auf jeden Fall der richtige Ansatz. Damit wir uns auch darüber im Klaren sind: Ein falscher Ansatz wäre in jedem Fall gewesen, so etwas wie eine Anti-Stress-Verordnung zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben gestern Abend nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund über die Frauenquote gesprochen. Ich sage Ihnen hier ganz deutlich: Ich stehe zur Frauenquote. Wir haben das nach langen und intensiven Diskussionen vereinbart. Ich bin bekannt dafür, im eigenen Verantwortungsbereich Frauen zu fördern, und bin ohnehin der Meinung, dass jedes Gremium besser arbeitet, wenn Frauen und Männer dabei sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Ich war lange genug alleine in Männergremien und war auch einige Jahre in manchen reinen Frauengremien. Ich weiß also schon, wovon ich rede. Nur, wenn wir das machen, dann muss es natürlich auch vernünftig sein. Es ist ja nicht nur eine Seite davon betroffen. Es sind übrigens nicht alle Frauen betroffen, sondern es ist nur ein ganz kleiner Teil. Aber das hat eine Signalwirkung; da dürfen wir gar nichts wegreden. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass das Ganze praxisnah gestaltet wird, dass Berichtspflichten etwas entschärft werden und das Ganze auch auf einer rechtlich sauberen Basis steht. Der Kompromiss, der heute Nacht gefunden wurde, ist meines Erachtens ein guter Kompromiss, über den wir uns alle gemeinsam freuen können und an dessen Realisierung wir im Gesetzgebungsverfahren kon-struktiv mitwirken sollten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) Eine gute weitere wirtschaftliche Entwicklung hängt natürlich mit Investitionen zusammen. Das wurde vorhin mehrfach angesprochen. Deshalb kann ich diesen Part ganz kurz machen. Ich will nur von meiner Seite noch einmal betonen: Wenn wir über die Investitionsquote reden, dann gehören immer auch die Investitionen in unsere Kinder und Jugendlichen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Investitionen in Bildung, Forschung, Innovation mit dazu. Da, meine Damen und Herren, haben wir in den vergangenen Jahren so viel Gutes geleistet. Wir haben seit 2005 die Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung verdoppelt. Wir haben im vergangenen Jahr beschlossen, schon ab dem nächsten Jahr die Ausgaben im Rahmen des BAföG ganz zu übernehmen. Aber da muss man schon auch die Hoffnung aussprechen dürfen, dass die Länder die dadurch freiwerdenden Mittel ausschließlich für Bildung, Hochschule und Forschung ausgeben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zur Bildung gehört aber nicht nur die Universitätsbildung, sondern auch die betriebliche Bildung, das duale Bildungswesen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deshalb will ich gerade bei dieser Gelegenheit sagen: Immer wieder, wenn wir in Europa unterwegs sind, spürt man, dass das ein Exportschlager von uns ist. Das sollten wir auch hochhalten. Das Leben beginnt nicht erst mit dem Abitur oder gar erst mit dem Studium. Es kommt auf die Ausbildung jedes einzelnen Menschen nach seinen eigenen Talenten an. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bei den Themen Infrastruktur und Investitionen darf der Verkehr nicht fehlen. Da darf die Infrastruktur für die Breitbandversorgung nicht fehlen. Ich möchte neben den 5 Milliarden Euro, die in dieser Legislaturperiode zusätzlich dafür ausgegeben werden, und neben den 10 Milliarden Euro, die von 2016 bis 2018 – das ist vorhin ja schon angesprochen worden – insbesondere für Investitionen zusätzlich ausgegeben werden, nicht unerwähnt lassen, dass die Maut dazu auch einen Beitrag leisten wird. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jetzt zeigen Sie echt Humor!) Dass der Vorschlag des Bundesverkehrsministers europarechtskonform ist, dass er keinen deutschen Autofahrer zusätzlich belastet, dass er auch noch zusätzlich Geld bringt, welches ausschließlich für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur verwendet werden darf, zeigt, meine Damen und Herren: Das ist ein kluges Vorgehen, ein Zeichen dafür, dass wir noch in der Lage sind, für Gerechtigkeit im Land und für eine saubere Finanzierung unserer Infrastruktur zu sorgen. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Sauber!) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt setzt die richtigen Prioritäten ohne neue Schulden, ohne neue oder höhere Steuern, mit kraftvollen Zukunftsinvestitionen. Das ist der richtige Weg, und deshalb werden wir diesem Haushalt auch zustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern konnte ich hier darüber reden, dass dieser Haushalt keine neuen Schulden braucht, dass das eine gute Sache ist, aber nur dann, wenn „keine neuen Schulden“ auch für die Jahre 2016, 2017, 2018, 2019, 2020 ff. gilt. Wir müssen unsere Haushalte also dauerhaft so aufstellen. Ich glaube, dass man das nicht vergessen darf. Viele Redner haben hier heute gesagt: Keine Schulden machen ist das eine, Investieren ist das andere. Investieren, das tun wir auch. Ich spreche hier jetzt als Berichterstatter über einen Teilbereich des Einzelplans 04, über die Kultur. Gemeinschaftlich, wie wir hier sitzen, haben wir es geschafft, dafür zu sorgen, dass in den Bereich Kultur investiert wird. Das ist zum Beispiel Volker Kauder zu verdanken; er hat seinen Beitrag dazu geleistet. Es ist außerdem Steffen Kampeter und Wolfgang Schäuble zu verdanken. Insbesondere möchte ich auch der Staatsministerin Grütters und natürlich den Arbeitsgruppen Haushalt danken. Sie haben das Ganze mitgetragen. Thomas Oppermann, ohne deinen Rückhalt in der SPD wäre das ebenfalls nicht möglich gewesen. Man sieht, Kultur ist etwas, was eigentlich immer ein bisschen mitschwimmt und eine große Unterstützung braucht, um so nach vorne zu kommen, wie es hier geschehen ist. Deswegen kann man sagen: Wir als Parlament haben auf den Etat mehr als 100 Millionen Euro draufgelegt. Ich glaube, wir haben hier gemeinsam gute Entscheidungen getroffen. Wir haben uns verpflichtet, weitere 280 Millionen Euro in den Folgejahren auszugeben. Ich glaube, hiermit haben das Parlament, der Bundestag und insbesondere der Haushaltsausschuss gezeigt, dass wir als Parlamentarier die Dinge umsetzen, die im Koalitionsvertrag stehen, wenn es die Regierung selber nicht tut. Insofern noch einmal ganz herzlichen Dank allen, die daran mitgewirkt haben! Eine Bitte habe ich allerdings an das Finanzministerium und an Frau Staatsministerin Grütters im Hinblick auf die Aufstellung des Haushalts des nächsten Jahres. Das alles ist jetzt vielleicht ein bisschen langweilig, aber in der Sache wichtig: Bei der Anpassung der Tarife von Zuwendungsempfängern der Staatsministerin für Kultur gibt es unterschiedliche Empfängerbereiche, die unterschiedlich unterstützt werden. Das führt dazu, dass wir zwar jetzt für 2015  16 Millionen Euro für Tarifsteigerungen bereitstellen werden; davon betroffen ist aber nur ein kleiner Teil, nämlich die Menschen, die in dem Teil des Kulturbereichs unterwegs sind, der institutionell vom Bund unterstützt wird. Das ist zu wenig. Es gibt ganz viele andere, die davon nicht profitieren. Für die Zuwendungsempfänger ist das seit 2012 die erste Tarifsteigerung. Das gilt aber nur für die, die institutionell gefördert werden, die sich an dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes ausrichten. Viele andere, etwa die, die Hausverträge haben, wie zum Beispiel die Deutsche Welle, quasiinstitutionelle Zuwendungsempfänger oder Einrichtungen, die projektgefördert werden, bekommen seit über zehn Jahren keine Kompensation für Gehaltserhöhung. Das sind Tausende in diesem Land. Es kann nicht sein, dass es im Kulturbereich Menschen erster und zweiter Klasse gibt: die einen im öffentlichen Dienst, die jedes Jahr eine Tariferhöhung bekommen, und die anderen, die nicht mehr Geld bekommen. Deswegen meine Bitte an das Finanzministerium, an Sie, Frau Staatsministerin Grütters, das als Punkt Nummer eins bei den Haushaltsaufstellungen 2016 zu berücksichtigen, damit die Menschen, die Kultur machen und Kultur umsetzen, auch anständig bezahlt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Martin Dörmann [SPD]: Das ist ein sehr unterstützenswerter Vorschlag!) Neben diesem, wie ich zugeben muss, sehr sozialdemokratischen Punkt ist es uns gemeinschaftlich aber auch gelungen, ein weiteres Projekt umzusetzen. Wir als Parlamentarier haben uns seit Jahren angeguckt, dass da etwas nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Zum Museum für zeitgenössische Kunst in Berlin, dem sogenannten Museum der Moderne, hat es viele Verhandlungen gegeben, bis wir als Parlament gesagt haben: Jawohl, das muss kommen; so kann es nicht weitergehen. – Dann haben wir als Parlament das beschlossen. Das ist ein Parlamentsprojekt ersten Ranges. Ich glaube, dass es gut ist, dass man die jahrelangen Diskussionen beendet hat, dass man für die Sammlungen Pietzsch, Marx und Marzona hier einfach einmal einen Schritt nach vorn gemacht hat. Werke im Wert von deutlich über 1 Milliarde Euro sind da der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden. Dafür braucht man eine Ausstellungsmöglichkeit. Dafür, dass das geklappt hat, noch einmal vielen Dank an die Fraktionsvorsitzenden, an die Sprecher und die Arbeitsgruppen! Das ist wirklich wichtig. Weil es ein Parlamentsprojekt ist, haben wir die Mittel erst einmal gesperrt. Wir werden das Projekt als Parlament in den nächsten Jahren begleiten. Ich glaube, dass es ein wichtiges Projekt ist, mit dem man zeigen kann, dass man sich als Parlament für ein Projekt, für das man mit Herzblut steht, engagieren kann. Die gute Zusammenarbeit zwischen dem Haushaltsausschuss, dem Kulturausschuss und der Staatsministerin ist wichtig, damit wir das gemeinschaftlich über alle Hürden bringen. Weiterhin ist es uns gelungen, ein Denkmalschutz-Sonderprogramm hinzubekommen, mit dem man für Hunderte von Projekten in der Fläche Deutschlands etwas tun kann. Weil das in den Kommunen, in den Städten und Gemeinden, nicht immer so funktioniert, weil kein Geld da ist, beteiligt sich der Bund anteilig. (Dr. Hans-Ulrich Krüger [SPD]: Richtig so!) Auch das ist etwas, für das sich viele Kollegen in diesem Haus engagiert haben. Mein ganz herzlicher Dank dafür, dass die Kollegen sich in der Fläche für den Bereich Denkmalschutz engagieren! Das ist etwas, das uns gut ansteht. Das prägt die Geschichte, das prägt auch die Orte. Da tun wir etwas Gutes. Das Bauhaus feiert im Jahr 2019 sein 100-jähriges Jubiläum. Wir tun jetzt sehr viel für die Standorte Berlin und Dessau – für Weimar haben wir schon etwas getan –: In Berlin wird das Bauhaus-Archiv grundsaniert, und es bekommt einen Anbau; in Dessau wird gebaut. Ich glaube, dass auch das ein Zeichen ist, dass man sich als Parlament richtig engagieren kann und etwas tun muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieser Koalitionsvertrag zeigt viele Punkte auf, die wichtig sind, zu denen wir als Parlament jetzt gesagt haben: Man kann da nicht ewig auf die Regierung warten. – Man muss sich das Residenzschloss in Dresden, das Deutsche Romantik Museum in Frankfurt und das Tanzzentrum Pina Bausch in Wuppertal ansehen. Wenn man sich anguckt, was zum Beispiel die Kulturstiftung des Bundes oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz leisten, dann weiß man, dass hier viel getan wird. Noch einmal mein ganz herzlicher Dank an alle Beteiligten, aber ganz besonders an den Hauptberichterstatter Rüdiger Kruse! Rüdiger, die Zusammenarbeit mit dir ist vorzüglich. So kriegt man das hin! (Zustimmung des Abg. Alois Karl [CDU/CSU]) Anja Hajduk von den Grünen, es war eine wunderbare Zusammenarbeit. Ich glaube, das ist ein Dream-Team, und das funktioniert. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn das keine Hamburger Connection ist!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Schon wieder Hamburg!) Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt gar nicht so leicht, nach diesem Abschluss vom Kollegen Kahrs in die richtige Oppositionsgeste zu verfallen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen Sie auch nicht!) Aber reden wir darüber, was bei der Beratung des Kulturetats stattgefunden hat! Dazu möchte ich sagen – da brauche ich mein Redemanuskript auch gar nicht zu ändern –, dass der Haushaltsausschuss hier wirklich sehr gestaltend eingreift – zur Unterstützung der Zielsetzungen des Kulturausschusses und auch der Staatsministerin für Kultur. Diese Gestaltungskompetenz muss man einmal sehen. Bei einem Haushalt, den wir weiter ausgeglichen halten wollen – das ist auch die Zielsetzung von uns Grünen –, für 2015 100 Millionen Euro zusätzlich und mit Blick auf die Finanzplanperiode noch einmal 280 Millionen Euro bereitzustellen, das ist schon eine sehr beachtliche Leistung. Ja, wir Grünen finden, dass das richtige Entscheidungen sind; an einigen Beispielen will ich das deutlich machen. Dem Projekt „Museum der Moderne“ in Berlin wird jetzt eine wirkliche Zukunft gegeben. Damit wird nicht nur wertvolle Kunst der Neuen Nationalgalerie aus dem Depot befreit und damit zugänglich gemacht, sondern auch für die ausgesprochen wertvolle Schenkung des Ehepaars Pietzsch ein Ausstellungsort geschaffen. Damit wird eine Zusage gemacht und erreicht, dass die Schenkung nicht widerrufen wird. Allerdings – das will ich hier deutlich sagen – hat meine Fraktion den Anspruch, dass wir das Wie der Umsetzung – da wird auch von einem PPP-Projekt gesprochen – bis hin zur Standortfrage noch einmal sehr intensiv beraten. Wir haben jetzt erst einmal die Mittel grundsätzlich bereitgestellt. Über das Wie wird noch ordentlich zu diskutieren sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir Grüne sind froh – wir haben in den Beratungen sehr darauf gedrungen –, dass es eine definitive Antwort auf die Frage der Finanzierung des Bauhaus-Jubiläums gibt. Das Land Sachsen-Anhalt hatte für den Standort Dessau Mittel in den Haushalt eingestellt. Dort hat man darauf gewartet, zu erfahren, wie es um Mittel vom Bund steht. Entsprechende Mittel waren vorher nicht im Haushaltsplan des Bundes enthalten. Es ist richtig, dass wir das jetzt umsetzen. Insofern gibt es an dieser Stelle eine gute interfraktionelle Zusammenarbeit; das gilt für alle Fraktionen, die hier Berichterstattung für den Bereich Kultur machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich kann auch sagen: Die interfraktionelle Zusammenarbeit ging so weit, dass die Große Koalition Akzente aufgenommen hat, die wir gesetzt haben; (Christine Lambrecht [SPD]: So sind wir!) das geht von der Förderung von kreativen Szenen bis hin zur Soziokultur. Das halte ich durchaus für eine an dieser Stelle von meiner Seite zu erwähnende Praxis; denn wir haben nicht immer die Kraft dazu, gemeinsam die Regierung zu korrigieren. Ich würde mir das auch bei anderen Etats wünschen; aber beim Kulturetat klappt das bestens. Auch die Digitalisierung des Filmerbes ist ein Thema, bei dem wir gemeinsam eine Steigerung der Mittel verabredet haben; das entspricht einer Antragstellung von uns, aber auch von Ihnen. So weit, so gut. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben aber auch Differenzen. Frau Staatsministerin, ich möchte Sie ausdrücklich auffordern, beim Thema „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ klar und verantwortungsvoll zu agieren, wenn sich jetzt dort doch zeigt, dass sich mit der Personalie des Direktors Probleme verbinden. Sie wissen, wir sind Kritiker der jetzigen Konzeption dieser Stiftung. Wir fühlen uns in unserer Kritik sehr bestätigt, wenn der Direktor den Beraterkreis nicht in geeigneter Form miteinbezieht, sondern da auf eine ganz eigene Weise agiert. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie da Konsequenzen ziehen und überlegen, ob da nicht früher in Ihrem Haus falsche Personalentscheidungen getroffen wurden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir werden deswegen weiterhin die Streichung der entsprechenden Mittel fordern, solange da nicht ganz andere Perspektiven eröffnet werden. Ich möchte auf ein aktuelles Beispiel zu sprechen kommen: die Entwicklung des Humboldt-Forums. Beim Humboldt-Forum treten wir ein schwieriges Erbe an. Frau Staatsministerin, ich weiß, dass Ihre Präferenzen, wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten, da vielleicht anders wären. Aber ich mache mir ein bisschen Sorgen, wie jetzt die Zukunft aussehen wird. Die Situation stellt sich schwierig dar, was den Eingang der Spenden angeht. Ich finde, wir dürfen nicht nachlassen und einfach akzeptieren, dass da jetzt viel weniger Spenden als versprochen eingehen, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) und das mit Steuermitteln kompensieren. Das kann’s nicht sein. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD) Und es kann auch nicht sein, dass sich das Land Berlin jetzt einfach nur vom Acker macht. Bestimmt ist es nicht immer leicht, mit den Berlinern, mit der Berliner Administration, zu kooperieren. Aber wir können nicht einfach in Aussicht stellen, dies mit sage und schreibe 80 Millionen Euro Steuermitteln aus dem Etat des Bundes zu kompensieren. Bleiben Sie hart in diesen Verhandlungen! Wir werden Sie daran messen und dann auch unsere Oppositionsrolle sehr entschieden wahrnehmen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Ulrike Gottschalck das Wort. (Beifall bei der SPD) Ulrike Gottschalck (SPD): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Wir haben es gehört: Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist gut. Das Wirtschaftswachstum ist zwar etwas schwächer als angenommen, aber wir haben weiter Wachstum. Das ist gut. Diese Große Koalition arbeitet dafür, dass diese wirtschaftliche Stärke dauerhaft erhalten bleibt. In dieser Woche werden wir einen Haushalt ohne Neuverschuldung beschließen. Darauf können wir alle – ich denke, auch die Opposition ein Stück weit – stolz sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: So ist das! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 0,1 Prozent Wachstum!) Wir wollen keine Politik zulasten der künftigen Generationen, und wir wollen die staatliche Handlungsfähigkeit erhalten. Handlungsfähig müssen aber auch die Kommunen bleiben. Sie stehen vor enormen Herausforderungen wie der demografischen Entwicklung und dem Erhalt der Infrastruktur, und damit meine ich ausdrücklich auch die soziale Infrastruktur in den Kommunen. Im Vorgriff auf das Bundesteilhabegesetz werden die Kommunen um 1 Milliarde Euro pro Jahr entlastet. Die Kosten der Grundsicherung haben wir bereits komplett übernommen. Das macht sich ganz konkret in den Haushalten der Sozialhilfeträger positiv bemerkbar. Aktuell stehen die Kommunen durch die drastisch steigenden Flüchtlingszahlen erneut unter enormem Druck. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die menschenwürdige Unterbringung der oft traumatisierten Flüchtlinge für uns alle oberste Priorität haben muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) An dieser Stelle will ich ausdrücklich den Landrätinnen und den Landräten, den Bürgermeisterinnen und den Bürgermeistern, aber insbesondere auch den vielen ehrenamtlichen Helfern in den Kommunen danken, die dafür sorgen, die sich dafür abrackern, (Johannes Kahrs [SPD]: Ja, so ist das!) dass die Flüchtlinge gut untergebracht werden. Sie sorgen dafür, dass sich die Flüchtlinge in unserem Land herzlich willkommen fühlen. Das sollte einen Applaus wert sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Langsam geht den Kommunen jedoch die Puste aus. Deshalb ist es gut, dass sich die Spitzen von SPD und CDU/CSU gestern Abend auf weitere Entlastungen für die Kommunen verständigt haben. Bund und Länder müssen selbstverständlich ihrer Verantwortung im Rahmen ihrer Zuständigkeit gerecht werden. Der Bund hat schon vieles auf den Weg gebracht. Bei den Ländern sehe ich an einigen Stellen noch Luft nach oben. Ich muss der Kollegin Hasselfeldt recht geben: Bayern ist wirklich vorbildlich bei der Unterbringung von Flüchtlingen. In Hessen dagegen, wo Grüne mitregieren, gibt es keine verlässliche Finanzierung für die Flüchtlingsunterbringung. Die Kommunen müssen das irgendwie schultern. Man muss also immer vorsichtig sein mit seinen Äußerungen. Die ordentliche Finanzausstattung in den Kommunen muss sichergestellt werden. Hier sind auch die Länder gefordert. Ich weise noch einmal auf den sozialen Sprengstoff hin. Wenn wir Extremismus nicht bekämpfen, wenn wir ihm nicht die Stirn bieten, dann erhalten extreme Rattenfänger wieder die Stammtischhoheit. Wir müssen aufpassen, dass es zu keinen komischen Entwicklungen kommt. Ich bin daher sehr froh, dass wir durch die Bereitstellung weiterer 10 Millionen Euro noch mehr Programme gegen Extremismus auf den Weg bringen können. Das hilft auch den Kommunen weiter. Danke! (Beifall bei der SPD) Viel Gutes leisten auch die Jugendmigrationsdienste in den Kommunen und die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer. Für die Jugendmigrationsdienste haben wir 1 Million Euro draufgesattelt, 8 Millionen Euro mehr für die Migration von Erwachsenen. Das ist gut investiertes Geld. Die Migrationsdienste leisten wichtige Hilfestellung, um keinen Menschen zurückzulassen und um die vielen jungen Menschen, die zu uns kommen, aufzufangen. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir investieren in viele Bereiche: in Bildung, in Forschung, in Entwicklung und in Infrastruktur. Wir dürfen auch nicht nachlassen. Unsere Volkswirtschaft darf nicht ins Stottern geraten. Im Übrigen: Von der Frauenquote wird sie auch nicht ins Stottern geraten. Im Gegenteil: Es wird die Wirtschaft beflügeln, wenn wir angestaubte Rollenbilder über Bord schmeißen. Gerade die Querschüsse der letzten Tage haben noch einmal verdeutlicht, dass wir klare Regeln brauchen, um alte, männlich dominierte Strukturen aufzubrechen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vor Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht eine stolze Großmutter von sechs Enkelinnen –; alles Mädels, jede Menge Frauenpower. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deshalb habe ich große Erfahrungswerte. Ich weiß, wie schwierig es ist, den ganz normalen Alltagswahnsinn unter einen Hut zu bekommen. Aber jede Familie ist anders. Jede Familie braucht andere Rahmenbedingungen, die zu ihren Vorstellungen passen. Deshalb haben wir schon viele Initiativen auf den Weg gebracht wie das Familienpflegezeitgesetz oder das Elterngeld Plus, das uns im Übrigen lieb und teuer ist; denn es ist ein richtiges Instrument, um Familien zu unterstützen. Aber wir müssen weiter prüfen: Wie können wir Familien noch viel besser unterstützen? Ein Beispiel ist die Familienarbeitszeit, die von Manuela Schwesig vorgeschlagen wurde. Oder aber auch: Wie bekommen wir den weiteren Kitaausbau geschultert? Dort sind weitere Investitionen nötig. Wo soll zum Beispiel die Kassiererin, eine alleinerziehende Mutter, die abends an der Kasse im Lidl sitzt, ihr Kind unterbringen? Wo wird es in guter Qualität versorgt? Oder wo bringen die Polizeibeamtin und der VW-Arbeiter, beide mit unterschiedlichen Schichtzeiten, ihr Kind unter? Ich kündige jetzt schon einmal an: Wir müssen sehr genau aufpassen, dass von den guten Investitionen, die wir im Haushaltsausschuss beschlossen haben, auch ordentlich etwas in Bildung, frühkindliche Bildung und in die Jugend fließt. Das ist gut angelegtes Geld. Ansonsten blicke ich sehr zufrieden auf die Haushaltsberatungen sowie auf ein Jahr Große Koalition zurück. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht übertreiben jetzt!) Wir haben schon viel erreicht, aber wir müssen noch ein wenig Gas geben, um noch mehr zu erreichen. Also packen wir es an, es gibt noch viel zu tun! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Sigrid Hupach hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Sigrid Hupach (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gratuliere Ihnen, Frau Staatsministerin, dass Sie uns heute einen Kulturhaushalt für 2015 vorlegen, der ungekürzt blieb und sogar um 118 Millionen Euro erhöht wurde. Herzlichen Glückwunsch dazu! (Beifall bei der LINKEN – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann gratulieren Sie dem Haushaltsausschuss! Das hat Frau Grütters nicht gemacht!) Das ist angesichts des Dogmas der schwarzen Null in diesem Hause nicht hoch genug einzuschätzen. Aber gerade deshalb frage ich: Wozu, wofür werden die unter schwierigen finanziellen Bedingungen gewonnenen Mittel ausgegeben? Ich stelle fest: nicht für die Digitalisierung des kulturellen Erbes. Hier haben wir zwar seit dem Sommer eine Digitale Agenda, konkrete Handlungsabsichten aber fehlen. Besonders deutlich wird das beim Thema Filmerbe. Die Stiftung Deutsche Kinemathek veranschlagt hier den Bedarf für die nächsten zehn Jahre mit 100 Millionen Euro. Im Haushalt findet sich hierfür nur 1 Million Euro. Nur zum Vergleich: Frankreich, unser Nachbarland, hat für einen Zeitraum von sechs Jahren insgesamt 400 Millionen Euro eingestellt. Die Zeit aber drängt; denn das Filmmaterial zerfällt in rasantem Tempo. Ein runder Tisch mit den Ländern allein hilft hier nicht weiter. Die Digitalisierung des Filmerbes ist eine originäre Aufgabe des Bundes. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen fachgerecht ausgestattete Depots, einen Kriterienkatalog für die vorrangige Digitalisierung und Ideen zur Langzeitarchivierung. Deutschland liegt hier inzwischen im europäischen Vergleich weit zurück. Da hilft auch das Vorzeigeprojekt Deutsche Digitale Bibliothek wenig, für dessen dringend notwendigen Ausbau sich im Haushalt keine adäquaten Mittel finden. Wir brauchen keine weiteren Ankündigungen. Was wir brauchen, ist eine nationale Digitalisierungsstrategie, (Beifall bei der LINKEN) untersetzt mit einem Sonderprogramm von 30 Millionen Euro. Die Linke fordert dies seit Jahren. Stattdessen geben Sie Jahr um Jahr Millionen für die Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung aus, der es bis heute nicht gelang, die lang geplante Dauerausstellung umzusetzen. Mit einem Stiftungsrat ohne Vertreter des Zentralrates der Juden in Deutschland, mit einem wissenschaftlichen Beirat ohne Vertreter der Sinti und Roma widerspricht diese Institution eindeutig ihrem Stiftungszweck. (Beifall bei der LINKEN) Dazu kommt der aktuelle Ausstellungsskandal um Stiftungsdirektor Manfred Kittel, einen Mann, der die NS-Vergangenheit von Vertriebenen-Funktionären beschönigt und immer wieder von der Versöhnung der Deutschen als Aufgabe der Vertriebenenstiftung spricht. Mit diesem Direktor kann die Stiftung der wissenschaftlich fundierten Darstellung weltweiter Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht dienen. (Beifall bei der LINKEN) Wie lange wollen Sie diese Bundesstiftung gegenüber der Öffentlichkeit noch vertreten und finanzieren? 2,5 Millionen Euro kostet uns dies jährlich. Spätestens jetzt endet das Lob für den Kulturhaushalt; denn mit diesen Millionen ließe sich wahrlich Besseres für die Kultur in unserem Lande bewirken. Ein Beispiel dafür ist die Filmförderung, die Sie immer weiter heruntersparen. Die massiven Kürzungen in diesem Bereich sind eine schwerwiegende Fehlentscheidung. (Beifall bei der LINKEN) Daran ändert auch nichts, dass der Deutsche Filmförderfonds durch den Deal mit Herrn Schäuble zumindest für diese Legislaturperiode gesichert zu sein scheint. Der Deutsche Filmförderfonds hat sich in den vergangenen Jahren als eine höchst effektive Branchenförderung erwiesen. Gäbe es ihn nicht, würden viele Produk-tionen nicht in Deutschland, sondern im Ausland stattfinden. Das kann nicht der Wille der Koalition sein. Wille der Linken ist es definitiv nicht. (Beifall bei der LINKEN) Denn Abwanderung bedeutet auch Abbau von regionalen Arbeitsplätzen und weniger Arbeitsmöglichkeiten für deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler, Szenenbildnerinnen und Szenenbildner, Künstlerinnen und Künstler oder Cutterinnen und Cutter. In der Filmbranche gibt es die Faustregel, dass 1 Million Euro Filmförderung Investitionen in Höhe von 4 bis 6 Millionen Euro nach sich zieht. Und: 1 Million Euro Filmförderung bringt laut einem aktuellen Gutachten 1,8 Millionen Euro an Steuereinnahmen. Deshalb fordert die Linke nicht nur eine Verstetigung, sondern auch eine Aufstockung um 20 Millionen wieder auf 70 Millionen Euro, wie es 2013 der Fall war. (Beifall bei der LINKEN) Zum Schluss möchte ich noch kurz auf das heute schon vielfach angesprochene Freihandelsabkommen TTIP eingehen. Die Linke beobachtet die Verhandlungen nach wie vor mit großer Sorge, da sie auch den kulturellen Bereich betreffen. Wie sicher, Frau Grütters, können Sie sich denn sein, dass eine Generalklausel in der Präambel des Mandatstextes eine Schutzfunktion für die Kultur hat? Wie bindend kann eine Generalklausel für alle Kapitel des Abkommens sein? – Wir fordern nach wie vor einen Stopp dieser Verhandlungen und eine konsequente Herausnahme von Kultur und Medien aus dem Verhandlungsmandat. (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Rüdiger Kruse für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Rüdiger Kruse (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gloria sei dir gesungen. Mit Menschen- und mit Engelszungen. Das war zumindest ein Liedtext heute Morgen in der Andacht. Gemeint waren allerdings nicht die Haushaltsberatungen. Haushalt ist Menschenwerk (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schon gar nicht die Haushaltspolitiker!) – das sagt ein Haushaltspolitiker ganz sachlich und „down to earth“ –, aber zu loben ist es, und das wird ja auch mit Menschenzungen getan. Was gelobt wird und was gelobt werden sollte, ist nicht die Tatsache, dass wir die Normalität erreicht haben; also nicht die Normalität ist zu loben – das tut man ja auch nicht –, sondern die Rückkehr zu dieser, welche übrigens sehr lange gedauert hat. Es war ein langer Weg von der Normalität, wie man Haushalte machen sollte, bis wir dann über die Einsicht und in den letzten Jahren über sehr intensives Bemühen an das Ziel gelangt sind und nun einen entsprechenden Haushalt vorlegen. Der besondere Charme dieses Haushaltes ist einfach, dass er auch die Zukunft zwingt. In der Vergangenheit wäre es so gewesen: Wenn man bei einem Ziel, nur 20 Milliarden neue Schulden zu machen, bei 20,1 Milliarden gelandet wäre, hätte keiner etwas gesagt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jetzt einer von uns auch nur 100 Millionen Euro auf die schwarze Null in Rot drauflegen möchte. Das ist die große Leistung, und dafür gilt dem Bundesfinanzminister und allen Parlamentariern Dank. – Jetzt darfst du klatschen, Johannes. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Ich habe mich gewundert, dass bei der Union keiner klatscht!) – Ich bin noch nicht so ganz bei den Müntefering-Sätzen; da ist das einfacher. Das Parlament hat ja immer die Chance, den Regierungsentwurf zu verändern. Man kann ihn verbessern, man kann ihn auch verschlimmbessern. Die Leidenschaft könnte ja auch sein, einfach überall etwas draufzulegen. Die Gefahr, die bei dem Diktat der schwarzen Null gesehen worden ist, war, dass wir gar nichts mehr tun können. Die jetzigen Haushaltsberatungen haben aber gezeigt, dass man beides machen kann, dass man Dinge, die man vorher vielleicht nicht gesehen hat, nicht sehen konnte, aufgreifen kann und dass man handeln kann. Ich denke nur an das Thema Flüchtlinge. Es ist richtig umgesetzt worden. Ich denke daran, dass wir als Parlament schon bei den letzten Haushaltsberatungen, die ja auch in dieses Jahr fielen, das Thema Ukraine im Zusammenhang mit der Deutschen Welle thematisiert haben und dass wir dabei, wie man im Nachhinein schnell gesehen hat, die richtigen Akzente gesetzt haben. Auch dieses Mal gab es zwei Stufen. Natürlich gilt immer: ohne Parlament kein Haushalt. Aber zunächst einmal darf sich die Regierung für all das, was so aus dem Regierungsentwurf übernommen worden ist, wie es drinstand, nicht nur bedanken, sondern sie darf sich dafür auch selbst loben, dass sie es gut gemacht hat; denn ansonsten hätten wir es ja nicht übernommen. Dann gibt es eine zweite Stufe: die Dinge, die nicht drinstanden, die wir hinzugefügt oder geändert haben. Das betrifft zum Beispiel – das ist schon erwähnt worden – das Museum der Moderne. Ich sehe das auch so: So ganz etatreif war das noch nicht. Aber außer Verwaltung ist ja nichts ewig. Das heißt, wenn wir Spender haben, die vor vier, fünf Jahren gesagt haben: „Wir geben unsere Sammlung, wenn ihr einen Ort schafft“, dann darf die Diskussion nicht zu lange dauern. Wir haben jetzt gesagt: Wir erkennen diese Schenkung an, und wir wollen das befördern. Das ist auch ein Signal an alle zukünftigen Spender; es gibt ja noch ein paar andere Leute, die eine Sammlung haben. Wir sagen: Wir schaffen im Haushalt jetzt die Möglichkeit und können dann das Wie, das Wo und das Wer klären. Ich glaube, es ist das Vorrecht des Parlaments, das so zu tun und so dieses Kapitel abzuschließen. Erlauben Sie mir für die Überleitung ein Bild der Moderne zu nutzen: Das ist kein iPhone. Wenn Sie jetzt an Magritte denken, dann haben Sie den Test schon einmal bestanden. Das Thema ist natürlich Bauhaus. Das, was ich Ihnen eben gezeigt habe, ist Bauhaus. Diese Feststellung bietet uns die Möglichkeit, wenn wir schon in technologischer Hinsicht die Gelegenheit verpennt haben, dieses Produkt mit uns Deutschen in Verbindung zu bringen. Wir haben das iPhone nicht erfunden – wir haben vielleicht die Grundlagentechnik gebastelt und das Ergebnis dann in den Keller gelegt –, aber das Design, das, was die Welt heute schick findet, das hat seine Wurzeln hier. Dieses Design hat seine Wurzeln in einer Entwicklung, die auf den Ersten Weltkrieg reflektiert hat. Auch das ist ein interessanter Aspekt der europäischen Geschichte. Bauhaus ist eine Möglichkeit, Deutschland international ins Licht zu setzen, und zwar als einen Ort für Design und Technik. Wir haben „form follows function“ erfunden. Auf den Städtebau in Deutschland schaute und schaut diesbezüglich die Welt. Da gab es auch einen Termin, da gab es zwei Möglichkeiten: Freuen wir uns auf das Jubiläum im Jahr 2069. Da einige Abgeordnete jedoch Bedenken hatten, dass sie dann nicht mehr in Funktion dabei sein könnten, haben wir mit Zustimmung der beiden Fraktionsvorsitzenden dieses Thema vorgezogen. Nun feiern wir im Jahr 2019 100 Jahre Bauhaus. Das ist nun vernünftig durchfinanziert. Dieses Thema ist damit abgeräumt. Das zeigt, dass wir Akzente setzen können und mit wenig Aufwand zeigen können, für welche Werte wir in der Welt kämpfen. Man muss seine Werte auch polieren. Es nützt nichts, gegen andere anzukämpfen, wenn die noch nicht einmal erkennen können, wofür wir kämpfen. Es lohnt sich, für die europäischen Werte zu streiten. Wir müssen uns bewusst sein, dass Deutschland als reiches Land, als immer noch reiches Land und als Land der Dynamik diese Kultur hochhalten muss. Das Gute an diesem Haushalt und an den Beratungen, die jetzt folgen, ist: Wir haben eine schwarze Null vorgelegt und gleichzeitig dafür gesorgt, dass in den nächsten Jahren 10 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Das heißt, dass die in Europa oft gestellte Frage, ob man eine solide Haushaltsführung betreiben und gleichzeitig nötige Investitionen tätigen kann, damit beantwortet ist. Das wird in Europa gesehen. Dafür bekommen wir aus ganz Europa Applaus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nicht nur von dort!) Vorhin ist das Pina-Bausch-Tanzzentrum in Wuppertal erwähnt worden. Auch in dieser Region ist das iPhone nicht erfunden worden. Dort gibt es eine Schwebebahn; die kennt man. Kurzfristig tauchte Wuppertal wegen der sogenannten Scharia-Polizei in den Medien auf. Und dann gibt es dieses Asset, mit dem man dort etwas tun könnte. Deswegen haben wir gesagt: Gut, wir geben für die Projektidee 1 Million Euro, wenn das Land auch 1 Million Euro gibt. Damit sind wir am entscheidenden Punkt: Es kann nicht sein, dass der Bund für zusätzliche Aktivitäten Geld draufsattelt und die Länder im Gegenzug ihre Aktivitäten teilweise herunterfahren. Wir müssen dieses Anliegen schon gemeinschaftlich verfolgen. Deshalb lautet mein dringender Appell an alle Länder, mitzuwirken, weil wir dieses Engagement sonst nicht aufrechterhalten können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Am Anfang meiner Rede habe ich aus einem Lied zitiert und festgestellt, dass wir nicht mit Engelszungen gelobt werden. Es gibt ein Lied, das vielleicht besser zur Haushaltspolitik passt. Es ist von den Fantastischen Vier und Herbert Grönemeyer. Letzterer singt den Refrain: Es könnte alles so einfach sein – ist es aber nicht. Das rechtfertigt dann auch das Lob: Wenn man all diese Mühen auf sich nimmt und am Ende einen solchen Haushalt vorlegt, der Platz für Visionen bietet, dann war es nicht einfach, aber es wurde gut. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Martin Dörmann hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Martin Dörmann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine vielfältige Kultur- und Medienlandschaft ist eine wesentliche Voraussetzung für eine lebendige Demokratie und eine freie Gesellschaft. Deshalb ist es gut, dass die Koalition auch im Haushalt 2015 ein besonders starkes Zeichen für Kultur und Medien setzt. Ich möchte an etwas erinnern, das noch gar nicht lange her ist: Im Juni dieses Jahres haben wir in den Parlamentsberatungen für den Haushalt 2014 ein Plus von 90 Millionen Euro gegenüber dem Regierungsentwurf erreicht. Wenn man allein den BKM-Haushalt 2015 betrachtet, sind es sogar 102 Millionen Euro. Hinzu kommen noch die Personalkostensteigerungen, die, jedenfalls teilweise, ausgeglichen wurden. Es kommt außerdem noch der Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik hinzu, für den zusätzlich ein höherer Millionenbetrag eingestellt wurde. Ich möchte auch den Bereich wichtiger Projekte erwähnen, der im BKM-Haushalt als Verpflichtungsermächtigung bereits für die nächsten Jahre vorgezeichnet wurde. Wenn man es in der Summe betrachtet, dann sieht man, dass allein in der Bereinigungssitzung des Bundestages für den Haushalt 2015 rund 430 Millionen Euro in Richtung Kultur und Medien geflossen sind. Das ist wirklich ein starkes Zeichen und verdeutlicht den Anspruch, den wir als Koalition haben: die vielfältigen Projekte aus dem Koalitionsvertrag auch tatsächlich umzusetzen. Dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte den gesamten Haushaltsausschuss einbeziehen, weil die Erhöhungen einstimmig beschlossen wurden. Ich möchte in besonderer Weise die Berichterstatter der Koalition, Johannes Kahrs und Rüdiger Kruse, erwähnen, die dafür gesorgt haben, dass diese am Ende auch so im Haushalt stehen. Ich möchte auch die Fachpolitiker aus dem Ausschuss für Kultur und Medien erwähnen. Dazu gehört mein Sprecherkollege aufseiten der Union, Marco Wanderwitz. Ich möchte auch den Dank an Frau Staatsministerin Grütters sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haushaltsreferat der BKM weitergeben, die dazu beitragen, dass wir die notwendigen Informationen haben, um die politischen Entscheidungen treffen zu können. Ich möchte zwei Beispiele erwähnen. Das eine Beispiel, das Museum der Moderne, ist schon genannt worden. Es ist gut, dass der gordische Knoten dort jetzt durchschlagen ist und der Weg geebnet ist. Natürlich müssen wir über die genaue Konzeption noch diskutieren, Frau Kollegin Hajduk, damit die Schenkungen angenommen werden können und die Kunst des 20. Jahrhunderts in Berlin eine Heimstatt findet und eine angemessene Präsentation bekommt. Damit setzen wir ein starkes Zeichen. Da stehen wir alle in der Verantwortung. Ich möchte ein zweites Beispiel erwähnen, welches schon angeklungen ist, nämlich die Deutsche Welle. -Positiv ist nämlich, dass dort erneut höhere Mittel eingestellt worden sind. Im Haushalt 2015 stehen 7,5 Millionen Euro konkret für den Studioumbau und für die wichtige ukrainisch-russische Berichterstattung zusätzlich zur Verfügung. Es wurden übrigens auch 3 Millionen Euro für die Deutsche-Welle-Akademie über den BMZ-Haushalt eingestellt. Das ist ein starkes Zeichen und ein Bekenntnis für die Deutsche Welle. Wir haben heute am Anfang der Debatte erlebt, vor welchen außenpolitischen Krisen wir stehen. Wir leben in einer auch medial zusammenwachsenden Welt. Deshalb, glaube ich, ist uns allen klar, dass die Deutsche Welle in Zukunft weiterhin an Bedeutung gewinnen wird. Wir sollten daher dafür Sorge tragen, dass sie auch die nötigen finanziellen Mittel bekommt. Denn der Gesetzgeber steht aufgrund des Deutsche-Welle-Gesetzes in dieser Hinsicht ganz besonders in der Verantwortung. Wir alle wissen, wo der Schuh drückt. Es sind die strukturellen Entscheidungen, die wir im Haushalt 2016 abzubilden haben. Ich bin sehr dankbar, dass der Kollege Kahrs bereits darauf hingewiesen hat. Wir haben in den vergangenen Jahren die Personalkostensteigerung der Deutschen Welle nicht abgebildet. Wenn wir das weiterhin so machen würden, würde das in der Folge natürlich dazu führen, dass notwendige Kürzungsschritte vorgenommen werden müssten. Diese wollen wir gerade vermeiden, da die Bedeutung der Deutschen Welle wächst. Ich bin sehr dankbar, dass der Kollege Kahrs das heute auf den Punkt gebracht hat. Der beste Weg wäre, wenn bereits im Haushaltsentwurf 2016 abgebildet würde, dass bei den Zuwendungsempfängern bei der BKM nicht mehr danach unterschieden wird, welcher Tarifvertrag dort Anwendung findet, also ob TVöD, Haustarifvertrag oder Landestarifverträge. Es wäre am besten, wenn die Personalkostensteigerungen regelmäßig ausgeglichen würden. Das würde dann eine stabile Grundlage für die weiteren Arbeiten darstellen. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie es mich abschließend so bewerten: Ich glaube, mit diesem Haushalt können wir im Bereich Kultur und Medien eine außerordentlich positive Bilanz ziehen. Wir werden aber nicht müde. Wir haben gerade ein Jahr Große Koalition hinter uns, und es gibt im Koalitionsvertrag noch viele Projekte, die wir umsetzen wollen. Insofern ist nach dem Haushalt vor dem Haushalt. Ich freue mich – ich will das ausdrücklich sagen –, dass die Debatte über Kultur und Medien auch im Ausschuss in weiten Bereichen so geführt wird, dass wir nach Gemeinsamkeiten suchen. Ich glaube, in der heutigen Debatte ist an einigen Stellen deutlich geworden, in welche Richtung es gehen kann. Ich würde mich freuen, wenn wir auch im Haushaltsausschuss gemeinsam, Seit’ an Seit’ streiten: für vielfältige Medien und eine lebendige Kulturlandschaft in Deutschland. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Marco Wanderwitz für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Ein bisschen mehr Begeisterung bei der Union, bitte! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kommt bei der Rede, Herr Kollege!) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wann immer wir hier in den letzten Jahren den Kulturhaushalt debattierten, gingen eigentlich alle davon aus, dass es wieder einmal zu Steigerungen gekommen ist. Auch wenn der Etat schon im Regierungsentwurf eine Steigerung erfahren hatte, kam es üblicherweise auch im parlamentarischen Verfahren zu einer Steigerung. Das ist auch in diesem Jahr der Fall; die Kolleginnen und Kollegen Haushälter haben das ausgeführt. Wir alle freuen uns darüber. Ich glaube, viele betroffene Akteure im Kulturbereich in unserem Land freuen sich ebenfalls darüber. Aber das alles ist natürlich nicht selbstverständlich. Auch wenn das Ganze im Grunde jedes Jahr erwartet wird, will ich an dieser Stelle sagen: Es sind immer wieder bewusste politische Schwerpunktsetzungen, bewusste politische Entscheidungen, die wir hier in diesem Hohen Haus treffen und um die wir jedes Jahr ringen müssen. Deshalb will ich mich ausdrücklich dem Dank anschließen, der hier schon vielfach gesagt worden ist. Wir haben es mit einer Bundesregierung und mit einer Staatsministerin zu tun, die sich in diesem Bereich sehr engagieren. Wir haben es mit Kollegen Haushältern zu tun, die sehr engagiert für die Kultur streiten. Wir haben es mit Vorsitzenden der beiden regierungstragenden Fraktionen zu tun, denen dieses Thema wichtig ist. Deshalb sieht der Haushalt so aus, wie er ausschaut. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Seit 2005 steigt das Budget des Kultur- und Medienhaushalts nun jedes Jahr, so auch dieses Jahr. Wir wollen damit auch ein Stück weit Vorbild für die Länder und Kommunen sein. Denn dort erleben wir sehr häufig Debatten, die in eine andere Richtung gehen, und Entscheidungen, die in eine andere Richtung gehen. Deshalb freue ich mich natürlich nicht nur, dass die neue Staatsregierung in meinem Heimatbundesland in Kapitel eins ihres Koalitionsvertrages die Kultur erwähnt, sondern dass sie beispielsweise auch die Entscheidung getroffen hat, für das Sächsische Kulturraumgesetz, das ein bundesweites Erfolgsmodell sein könnte, wenn die anderen Länder denn bereit wären, es zu kopieren – es macht Kultur nämlich zur Pflichtaufgabe –, 5 Millionen Euro pro Jahr an frischem Landesgeld zur Verfügung zu stellen. Wenn man sich die Situation in anderen Bundesländern anschaut, sieht man, dass die dortigen Entscheidungen teilweise andere sind. Kollege Kahrs hat das Denkmalschutz-Sonderprogramm angesprochen, das nun in seine sechste Auflage geht, wieder mit einem Volumen von 29 Millionen Euro. Der Bund sagt dazu: Es gibt noch viele Hunderttausend Denkmäler in unserem Land, die der weiteren Sanierung bedürfen. Aber es gibt eben Länder wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen, die sich aus der Kofinanzierung dieses Denkmalschutz-Sonderprogramms ausgeklinkt haben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Tja, dann kriegen die nichts!) Das ist schlecht. Das können wir so nicht hinnehmen. Das ist vor allen Dingen auch nicht im Interesse der Kommunen dieses Landes. Wir haben im Jahr 2019 – auch das ist von meinen Vorrednern schon angesprochen worden – das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum vor der Brust. In den nächsten Jahren wird es viele solcher Jubiläen geben. Einige sind wir schon vor einigen Jahren angegangen, beispielsweise das Luther-Jubiläum. Mit diesem Haushalt hat sich diese Koalition intensiv dem Thema Bauhaus-Jubiläum gewidmet. Wir sind hinsichtlich der Bauten in Berlin und in Dessau auf einem guten Weg. Die Kultur- und Medienpolitiker der Koalition werden das Ganze in Bälde inhaltlich mit einem Antrag flankieren. Erwähnen will ich auch, dass wir der Bundeskulturstiftung 5 Millionen Euro für die inhaltliche Begleitung des Jubiläums zur Verfügung stellen. Wir wollen also nicht nur bauen, sondern uns auch mit dem Design des Bauhauses inhaltlich weiter auseinandersetzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Ein weiteres wichtiges Thema – der Umfang der Mittel dafür ist derzeit zwar etwas geringer, aber die Wirkung ist aus meiner Sicht mindestens genauso groß – ist der anstehende 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven im Jahr 2020. Es stünde uns als Kulturnation Deutschland gut zu Gesicht, wenn wir hier entscheidende Schritte unternehmen würden. Dafür stellen wir nun 1,3 Millionen Euro zur Verfügung, und der Verein Beethoven-Haus Bonn erhält für den notwendigen Erweiterungsbau zudem einen Bundeszuschuss von knapp 200 000 Euro. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) In diesem Jahr feiern wir in Deutschland 25 Jahre Mauerfall und 25 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs. Wir haben dieses Jubiläum hier in Berlin und überall im Land gerade gefeiert – unter anderem mit einer großartigen Ausstellung in der Gedenkstätte Berliner Mauer, die mit 950 000 Euro Bundesgeld bezuschusst wurde. Wir wollen mit diesem Haushalt auch eine halbe Million Euro in die Hand nehmen, um das einzigartige Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft zur Opposition und zum Widerstand in der DDR zu sichern. Nachdem dies über viele Jahre nur durch Projektarbeit geschehen ist, setzen wir hier jetzt ein ganz bewusstes Zeichen, und wir hoffen, dass auch das Land Berlin seinen Anteil dazu beitragen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieser Haushalt enthält die nötigen 2 Millionen Euro für die technische Weiterentwicklung des Projekts zur virtuellen Wiederzusammensetzung der Stasiunterlagen – genannt: Schnipselmaschine. Das ist ein wichtiges Thema, gerade da wir jetzt die Kommission zur Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde eingesetzt haben, die sich übrigens morgen konstituieren wird. Deshalb, glaubten wir, ist es gut, in diesem Haushalt dieses Zeichen zu setzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Deutsche Welle hat Martin Dörmann schon angesprochen. Über die neue Aufgabenplanung werden wir in der nächsten Sitzungswoche aller Voraussicht nach umfänglicher diskutieren können. Lieber Martin, du hast die neuen Herausforderungen, die die vielen Krisen dieser Welt mit sich bringen, richtigerweise angesprochen. Eines der Grundprobleme der Finanzierung der Deutschen Welle ist – das kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen –, dass es unter Rot-Grün eine Kürzung um schlappe 50 Millionen Euro gegeben hat. Dieser laufen wir seitdem hinterher. Ich glaube aber, gemeinsam haben wir gute Chancen, das wieder auf die Reihe zu bekommen. (Martin Dörmann [SPD]: Das ist nicht das Kernproblem! Das Kernproblem sind die Personalkostensteigerungen!) Ich komme zu einem letzten Punkt, der mir persönlich auch ganz wichtig ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Wanderwitz, achten Sie bitte auf die Zeit. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Daher die Formulierung: „einem letzten Punkt“. Vizepräsidentin Petra Pau: Ja, ja. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Liebe Frau Staatsministerin, liebe Monika Grütters, ich freue mich sehr, dass es dir gelungen ist, das Thema Freiheits- und Einheitsdenkmal anzustoßen, sodass es jetzt entstehen kann. Das ist endlich auch einmal ein Denkmal der Freude. Ich freue mich darauf, dass wir hier vorankommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Siegmund Ehrmann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Jetzt aber, Siegmund!) Siegmund Ehrmann (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kulturhaushalt 2015 setzt in der Tat besondere Akzente. Das ist dem besonnenen und konzentrierten Agieren der Haushälter und der Kulturpolitiker zu verdanken – vor allem der Regierungskoalition, aber auch aller Fraktionen quer durchs Parlament. Damit wird deutlich, dass diese Koalition die Verantwortung für das öffentliche Gut Kultur sehr ernst nimmt. Anders als Anja Hajduk möchte ich das Thema -Humboldtforum mit einer anderen Grundmelodie ansprechen. Der Baukörper entwickelt sich im Zeit- und Kostenplan, die musealen Konzepte reifen, und auch die Aktivitäten der Berliner Landes- und Zentralbibliothek zum Konzept „Sprachen der Welten“ nehmen Konturen an. Trotzdem bleiben Fragen, zum Beispiel: Ist die Finanzierung durch Sponsoren in wesentlichen Teilen gesichert? Dieser Frage müssen wir uns gemeinsam stellen. Es bleibt auch die Frage an das Land Berlin nach seiner weiteren Beteiligung. Ich werbe eindrücklich dafür, dass Berlin bei der Stange bleibt und sich diesem Projekt und diesem Konzept nicht entzieht. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber wie sind denn die aktuellen Töne?) Der offene Punkt, der allerdings einer dringenden Klärung bedarf – auch da setzt der Haushalt einen Akzent –, ist die Frage, was in der Agora, dem öffentlichen Veranstaltungsraum, inhaltlich passieren soll. Im Haushalt wird festgestellt: Wir brauchen eine Intendanz. Es wird eine besondere Herausforderung sein, dieses Vorhaben wirklich mit Leben zu erfüllen. Im Humboldtforum sind starke Akteure unterwegs, und es bedarf auch einer starken Persönlichkeit, das ganze Projekt moderierend und koordinierend erfahrbar zu machen. Wir werden das intensiv begleiten; aber dieser Aufgabe müssen wir uns gemeinsam stellen, damit der teuerste Kulturbau der Gegenwart an zentraler Stelle in Berlin wirklich ein rundum gelungenes Bauwerk mit vernünftigen Inhalten wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der zweite Punkt, den ich ganz kurz ansprechen möchte, ist der geplante Bau des Museums der Moderne. Mir ist wichtig, dass der Bau nicht nur als eine wertschätzende Geste gegenüber den Sammlerinnen und Sammlern, die ihre Werke für eine Ausstellung an diesem Ort bereitstellen, verstanden wird, sondern dass damit auch andere, die im Privatbesitz präsentabler Werke sind, ermuntert werden, diese der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Insofern ist das Museum der Moderne auch in dieser Hinsicht ein wichtiges Signal. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier in Berlin am 9. November dieses Jahres etwas ganz Besonderes erlebt – jedenfalls habe ich es für mich so wahrgenommen –: ein Wochenende der Vergewisserung der jüngsten Zeitgeschichte. Wer entlang der simulierten Mauer aus Lichtern wanderte, traf Familien, die sich untereinander austauschten und Erlebtes berichteten und so die Geschichte ihren Angehörigen der nächsten Generation, die diese zum Teil gar nicht mehr mitbekommen haben, erfahrbar machten. Insofern ist das ein konkretes Beispiel aus der jüngsten Zeitgeschichte, das deutlich macht, wie wichtig und notwendig die permanente Reflexion im Kontext von Gedenken und Erinnern ist. Dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Morgen werden die Mitglieder der Expertenkommission, die sich mit der Zukunft der Stasi-Unterlagen-Behörde beschäftigen, ihre Arbeit aufnehmen und sich mit wesentlichen Fragen auseinandersetzen. Uns werden sicherlich bald Ergebnisse vorliegen, die uns veranlassen, über die Zukunft der BStU und in der Folge auch über das Gedenkstättenkonzept nachzudenken. Wir müssen uns allerdings auch mit dem Zustand der NS-Gedenkstätten auseinandersetzen. Da trifft das zu, was Johannes Kahrs vorhin in seiner Rede beschrieben hat, dass im Grunde genommen die Personalkosten, die Strukturkosten und die Programmkosten es im Prinzip nicht mehr hergäben, diese Einrichtungen auf den Stand der Zeit zu bringen und sie weiterzuentwickeln. In diesen Feldern liegen viele wichtige Zukunftsaufgaben, mit denen wir uns als Kultur- und Haushaltspolitiker im Parlament auseinandersetzen müssen und auseinandersetzen werden. Insofern werden wir im Jahr 2015 weitere zusätzliche Akzente setzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Siegmund Ehrmann. – Schönen Tag, liebe Kollegen und Kolleginnen, von meiner Seite! Guten Tag, liebe Gäste auf der Tribüne! Es spricht in dieser Debatte noch eine Rednerin. Ich möchte die Kollegen und Kolleginnen bitten, dieser letzten Rednerin in dieser Debatte ihre Aufmerksamkeit zu schenken und Gespräche nach draußen zu verlagern. Das gilt – das haben wir letztes Mal geübt – für alle Seiten des Hauses. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Petra Hinz für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Unruhe) – Das gilt auch für Herrn Kauder und für Herrn Gabriel. Hören Sie ruhig zu! Das ist sicherlich spannend. Ich meine das wirklich ernst. Ich finde, es ist sehr schwierig, in so einer wichtigen Debatte als Letzte zu reden, während die Mitglieder des Hauses zeigen, dass sie sich gar nicht dafür interessieren. Also, noch einmal: Gespräche bitte draußen führen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Jetzt ist Frau Hinz dran. Petra Hinz (Essen) (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Generaldebatte: Wir beraten über den Haushalt der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Nachdem wir in dieser Debatte sehr viele Aspekte angesprochen haben, habe ich die große Freude und Ehre, jetzt die einzelnen Themen zu bündeln und die Aspekte, die noch nicht herausgearbeitet worden sind oder nach meiner Rede in der gestrigen Debatte – Thema Gesundheit – vielleicht offengeblieben sind, noch einmal darzulegen. Den Kolleginnen und Kollegen, die mir jetzt zuhören möchten, wird das einen Mehrwert bringen: Sie werden sehr viel über unseren Haushalt 2015 erfahren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte direkt auf den gestrigen Beratungspunkt Gesundheit eingehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Opposition im Rahmen der Haushaltsberatungen – und nicht nur hier – völlig andere Sichtweisen darlegt. Aber ich glaube, in einem sollten wir uns einig sein: Gewisse Faktenlagen müssen zur Kenntnis genommen werden. Ich möchte noch einmal den Gesundheitsfonds ansprechen. Es ist – ich glaube, sowohl von der Fraktion Die Linke als auch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – noch einmal gesagt worden, dass selbst laut Bundesrechnungshof die Herausnahme aus dem Gesundheitsfonds dazu führen wird, dass die Beitragssätze steigen werden. Das ist nicht korrekt zitiert. Denn der Sachverständige Dr. Lukas Elles vom Bundesrechnungshof hat wörtlich gesagt – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus dem Protokoll der Anhörung –: Dass der Bund zulasten der Versicherten konsolidiere, ist nicht unsere Auffassung. Auch unser Bericht lässt nicht einmal ansatzweise eine solche Aussage durchscheinen; denn das entspricht nicht unserer Analyse des Gesetzesvorhabens. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob Sie es zur Kenntnis nehmen oder nicht: Fakten kann man nicht wegreden. Wir haben über das Thema Ebolabekämpfung diskutiert. In den Medien rückt das Thema Ebola derzeit wieder in den Hintergrund, aber nicht in unserer parlamentarischen Arbeit. Ganz im Gegenteil: Über alle Fraktionsgrenzen hinweg ist unser Engagement im internationalen Bereich und über den Tag hinaus sehr deutlich geworden. Denn die Ernten im nächsten Jahr werden katastrophal ausfallen. Wir werden uns mit der gesamten Situation noch weiter befassen müssen. Ein sehr wichtiges gesellschaftliches Thema ist die Flüchtlingspolitik. Auch hier haben wir als Bundesgesetzgeber die richtigen Antworten auf den Weg gebracht. Bis hin zu dem kleinen Etat des Gesundheitsministe-riums im Bereich der Gesundheitsaufklärung für Flüchtlinge sind wir noch einmal auf das Thema eingegangen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterschiedlichen Redner haben darauf aufmerksam gemacht, dass wir auch Verantwortung im föderalen System haben. Das betrifft auch die Bund-Länder-Beziehungen und die Beziehungen zwischen Ländern und Kommunen. Wir haben darauf eine klare Antwort. Während zeitgleich in vielen Kommunen die Haushalte verabschiedet werden, teilweise sogar in einem Doppelhaushalt für 2015 und 2016 wie in meiner Heimatstadt Essen, sichern wir mit dem Koalitionsvertrag und dem Haushalt 2015 fortfolgende unseren Kommunen eine ganze Menge an Erleichterungen zu. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das betrifft zum Beispiel die Mittel für die Städtebauförderung, die um 700 Millionen Euro jährlich aufgestockt wurden. Addiert man die öffentlichen Investitionen im Bereich Bund, Länder und Kommunen, kommt man auf 2 Milliarden Euro jährlich. Auch dies sollte man an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen. Über die Sozialausgaben haben bereits meine Kollegin Ulrike Gottschalck und andere Redner gesprochen. Richtig ist: Die Schere geht in einigen Bereichen sehr stark auseinander. Aus diesem Grunde wird sich wohl kein Bundesland, hoffe ich, aus der Solidargemeinschaft verabschieden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Denn wenn wir uns aus der Solidargemeinschaft, die über viele Jahrzehnte gut Bestand hatte, aus persönlichen bzw. landespolitischen Egoismen verabschieden wollen, sprengen wir damit die Investitionskraft und die Stärke unseres Landes insgesamt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aus diesem Grunde setze ich sehr große Hoffnung auf die Diskussion und die Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission, die parallel zu unseren Beratungen tagt. An den Aufwendungen im Bereich der Sozialausgaben beteiligen wir uns auch über die Grundsicherung im Alter und die Eingliederungshilfe. Wir reden dabei nicht über kleinere Beträge: Es geht um Milliardenbeträge, die wir in dieser Koalition mit dem Haushalt 2015 fortfolgende bis 2017 auf den Weg bringen werden. Nichtsdestotrotz müssen wir sehr genau hinsehen – ich mahne das noch einmal an –, wohin das Geld fließt, ob in den neuen Ländern oder in den alten, ob Ost, ob West. Deswegen ist die laufende Diskussion richtig. Nicht nach Himmelsrichtungen sollten unsere Mittel und Ressourcen vergeben werden, sondern nach Programmen, Inhalten und Notwendigkeiten. So verstehe ich unseren Solidaritätsbeitrag. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir, die Haushälter, haben in den zurückliegenden Wochen, wie ich finde, intensiv beraten, haben unsere Fachkolleginnen und Fachkollegen an unserer Seite gewusst und haben die Vorgaben aus der guten Arbeit im Koalitionsvertrag umgesetzt. Ich möchte mich ganz herzlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen der Fachbereiche bedanken, bei den Ministerien, die zugearbeitet haben, und bei den Kolleginnen und Kollegen Haushältern; denn die Arbeit, die wir geleistet haben, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, ist kein Selbstzweck, sondern dient den nachfolgenden Generationen. Diese Arbeit lohnt sich. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Hinz. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 04 – Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt – in der Ausschussfassung. Zuallererst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-sache 18/3281 ab. Wer stimmt für diesen Änderungs-antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Ablehnung von CDU/CSU- und SPD-Fraktion sowie Zustimmung von der Linken und Bündnis 90/Die Grünen. Wir stimmen nun über den Einzelplan 04 namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne damit die Abstimmung über den Einzelplan 04. Gibt es noch Kolleginnen und Kollegen im Haus, die nicht abgestimmt haben? – Das sieht nicht so aus. Kein Protest. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wie immer wird Ihnen das Ergebnis später, im Laufe der nächsten Debatte, bekannt gegeben.1 Ich bitte diejenigen, die abgestimmt haben und nicht an der jetzigen Debatte teilnehmen möchten, den Saal zu verlassen, und diejenigen, die an der Debatte teilnehmen wollen, Platz zu nehmen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.9 auf: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/2805, 18/2823 Berichterstatter sind die Abgeordneten Doris Barnett, Alois Karl, Michael Leutert und Dr. Tobias Lindner. Zum Einzelplan 05 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Michael Leutert für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben in letzter Zeit die Situation oft mit den Worten beschrieben: Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. – Das ist ein Zitat Ihrer Worte. Das stimmt, aber dagegen muss man etwas tun. Ihr Haushalt wird dieser Situation allerdings nicht gerecht, ganz im Gegenteil. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Noch immer bewegt sich der Etat des Auswärtigen Amtes wie jedes Jahr bei knapp über 1 Prozent des Gesamthaushaltes, als wenn die Welt immer noch in Ordnung wäre. Wie kann das sein, wenn Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen möchte? Schauen wir uns die Fakten an. Das sind die Fakten, die die Menschen in unserem Land verunsichern. Wir haben Krieg in der Ukraine, im Irak, in Syrien, eigentlich im ganzen Nahen Osten, in Afrika herrscht Krieg im Südsudan, in Nigeria und Mali. Die Bundeswehr ist derzeit an 13 Einsätzen beteiligt, weltweit gibt es 15 Friedensmissionen. Die meisten bei uns denken immer: Das alles ist sehr weit weg, das geht uns nichts an. – Dem ist aber nicht so. Der Konflikt, der mit zehn Flugstunden am weitesten entfernt ist, ist der Afghanistan-Konflikt. Bis auf eine einzige UN-Mission, die in Haiti, gruppieren sich alle Konfliktherde um uns herum. Man findet sie, wie gesagt, in Afrika und im Nahen Osten, und immerhin fünf internationale UN-Einsätze gibt es mitten in Europa. An dreien davon ist Deutschland beteiligt. Es ist also kein Wunder, dass die Menschen in unserem Land verunsichert sind. Es sind eben keine Krisen irgendwo weit draußen, es sind Konflikte vor unserer Haustür, manchmal auch schon auf unseren Straßen, und trotzdem gibt es nicht mehr Geld, um diesen internationalen Krisen entgegenzutreten. Das halten wir für falsch. (Beifall bei der LINKEN) Die Kanzlerin, Sie, Herr Außenminister, die Verteidigungsministerin und natürlich, nicht zu vergessen, der Bundespräsident werden nicht müde, immer wieder zu betonen, dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Verantwortung übernehmen will bzw. muss oder soll. Das bestreiten nicht einmal wir Linken. Umstritten sind aber die Methoden. In zwei Monaten, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 27. Januar 2015, jährt sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum 70. Mal. Nächstes Jahr begehen wir zudem den 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Diese Ereignisse sind für uns Verpflichtung, Verpflichtung, dass ziviler Außenpolitik stets die höchste Priorität eingeräumt wird. Ich hätte mir gewünscht, dass sich dieser Gedanke im Haushalt deutlicher niederschlägt, nicht nur indem wir Feierlichkeiten begehen und mahnende Worte verlieren, sondern auch indem wir mehr Geld, insbesondere nächstes Jahr, in die Hand nehmen, um den vielen Flüchtlingen vor Ort zu helfen. (Beifall bei der LINKEN) Knapp 400 Millionen Euro gibt das Auswärtige Amt dieses Jahr für humanitäre Hilfe aus. Der Vorschlag – so war zumindest der erste Entwurf –, diese Gelder nächstes Jahr auf 187 Millionen Euro zu kürzen, war selbst der Koalition zu absurd. (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na, na! – Niels Annen [SPD]: Was heißt denn hier „selbst“?) Dies hat Ihr Haus, auch Sie selbst, Herr Minister, nicht gewollt; das weiß ich. Das war ein Ergebnis des Knebelungsversuchs durch Minister Schäuble, (Lachen des Abg. Niels Annen [SPD]) um seinen Plan von der schwarzen Null durchzusetzen. Das Auswärtige Amt hat dann auch einen alarmierenden Brief an uns Haushälter geschrieben, dessen Dramatik keine Zweifel zulässt. Ich möchte hieraus zitieren: Wir sind Zeugen der schlimmsten humanitären Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. … momentan kann auch Menschen in existenzieller Not nicht ausreichend geholfen werden! … Deutschland fällt hinter andere Geberländer zurück … Bereits 2014 befinden wir uns in einem Feld mit Geberländern, die durch erheblich kleinere Bevölkerungen und Volkswirtschaften gekennzeichnet sind (z. B. Norwegen, Schweden, Schweiz, Kanada). Die Linke, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat einen Vorschlag unterbreitet, wie wir diesen Problemen entgegentreten können. Wir brauchen einen Krisenreaktionsfonds. (Beifall bei der LINKEN) Heutzutage ist die Situation so: Krisen haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie unangekündigt kommen. Dann müssen die betroffenen Ministerien – zum Beispiel im Falle von Ebola das Auswärtige Amt, das BMZ, das Gesundheitsministerium, das Verteidigungsministerium und das Innenministerium – alle Gelder mobilisieren, was natürlich zulasten von schon geplanten Projekten geht. Ausreichend sind sie zum Schluss meistens nicht. Um diesem Zustand vorzubeugen, ist unser Vorschlag, im Einzelplan 60 unter der Bewirtschaftung des Auswärtigen Amtes einen Krisenreaktionsfonds mit anfänglich zusätzlichen 250 Millionen Euro einzurichten. (Beifall bei der LINKEN) Brauchen wir das Geld im Krisenfall, ist Vorsorge getroffen. Wenn es nicht benötigt wird, kann sich Finanzminister Schäuble freuen und es am Jahresende wieder einsammeln. Besser wäre es natürlich, wenn wir das Geld dann für die Entwicklungszusammenarbeit verwenden würden. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sonja Steffen [SPD]) Auf alle Fälle, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnte man so auch Verantwortung auf internationaler Ebene übernehmen. Die Bundesrepublik wäre damit Vorbild für andere Nationen. Sie wissen: Am Freitag haben Sie alle noch einmal die Chance, unter anderem diesem sinnvollen Antrag der Linken zuzustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Leutert. – Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Einzelplan 04 bekannt: abgegebene Stimmen 603. Mit Ja haben gestimmt 485, mit Nein haben gestimmt 118 Kolleginnen und Kollegen. Der Einzelplan 04 ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 603; davon ja: 485 nein: 118 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Hermann Färber Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Dr. Ute Finckh-Krämer Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özoğuz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Dirk Wiese Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Dr. Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Birgit Wöllert Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Dr. Valerie Wilms Nächste Rednerin in der Debatte: Doris Barnett für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Doris Barnett (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren wächst unserem Land eine Verantwortung zu, die wir annehmen und ausfüllen müssen. In Europa sind wir ein Stabilitätsfaktor, nicht zuletzt wegen unserer Wirtschaftskraft und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das strahlt auch auf unsere internationale Wertschätzung aus, die uns sicherlich wegen des umsichtigen und verantwortungsvollen Handelns unseres Außenministers Frank-Walter Steinmeier und auch der Kanzlerin entgegengebracht wird. Angesichts der bestehenden Krisen und der ständig neuen Herausforderungen, die durch nichtstaatliche Parteien der Weltgemeinschaft aufgedrückt werden, kann unser Land nicht abseitsstehen. Auch sind die Zeiten vorbei, in denen wir uns selbst eingeredet haben, wir seien ja ganz klein, hätten nichts zu sagen und könnten uns heraushalten. Das nimmt uns keiner mehr ab und würde auch nur Misstrauen auslösen. Also hat unsere Außenpolitik entsprechend aufgestellt zu sein. Dass dies möglich ist, dafür danke ich Minister Steinmeier und seinen Mitarbeitern, von den Staatssekretären bis zu den Damen und Herren im Haushaltsreferat. Der gleiche Dank geht an dieser Stelle an das Finanzministerium, das hier nicht nach der Manier der schwäbischen Hausfrau gesagt hat: „Mir gäbet nix“, sondern im Bewusstsein der Aufgabenfülle von Minister Steinmeier bei der Finanzierung des Einzelplanes wirklich gut mitgeholfen hat. Auch dem Bundesrechnungshof darf ich für seine doch hilfreichen Hinweise danken. Außerdem darf ich unseren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein ganz dickes Dankeschön für die hervorragende Unterstützung sagen. (Beifall bei der SPD) Nicht zuletzt möchte ich mich auch bei meinen Kollegen Mitberichterstattern bedanken für die gute kollegiale Zusammenarbeit. Der persönliche Umgang mit Alois Karl, Michael Leutert und Tobias Lindner ist angenehm und produktiv. Ich sage das, auch wenn ich mit Blick auf die vorhergehende Rede eher den Vorschlägen von Alois Karl folge. Wir haben es geschafft, dass der Haushalt des Außenministeriums in 2015 um 9 Prozent oder 305,7 Millionen Euro auf jetzt über 3,7 Milliarden Euro angehoben werden konnte, um die größten Herausforderungen zu meistern, und das sind nicht wenige. Die Flüchtlingskatastrophen in Syrien und Nordirak, aber auch die humanitären Katastrophen in Westafrika, die durch sogenannte Gotteskrieger bzw. Mörderbanden und auch durch das Ebolavirus ausgelöst wurden, müssen aufgehalten werden. Was das Ebolavirus angeht, stehen wir mit unseren Hilfsorganisationen in engstem Kontakt und sorgen mit der Ausstattung eines Spezialflugzeugs dafür, dass infizierte Helfer sicher nach Deutschland ausgeflogen werden können. Die dafür benötigten 6 Millionen Euro können wir jetzt zur Verfügung stellen. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie archaische Mörderbanden angeblich im Namen einer Religion ganze Landstriche entvölkern und für sich einnehmen. Natürlich ist da die Weltgemeinschaft gefordert; aber auch wir engagieren uns. Wir stocken die humanitäre Hilfe kräftig auf: von den zunächst vorgesehenen 187 Millionen Euro auf jetzt 400 Millionen Euro. Das haben mein Kollege Alois Karl und ich schon Anfang August gefordert, und wir freuen uns, dass dieser Vorstoß jetzt auch umgesetzt wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Ob die Mittel allerdings im kommenden Jahr reichen werden, das kann heute noch niemand sagen. Mit dem Geld werden wir zunächst den hunderttausendfach gestrandeten Menschen helfen, ein Dach über den Kopf, Kleidung und Essen zu bekommen, den Winter zu überleben und ärztliche Versorgung zu erhalten. Eine Dauerlösung können diese Flüchtlingscamps aber nicht sein. Eine wahre Völkerwanderung kann niemand wollen. Im Gegenteil: Wir müssen Anstrengungen unternehmen, die Menschen möglichst bald in ihre befriedete, allerdings zerstörte Heimat zurückzuführen und ihnen dort zu helfen, eine friedliche Zukunft für sich und ihre Kinder wieder aufzubauen. An dieser Stelle kann ich den aufnehmenden Ländern Jordanien, dem Libanon und der Türkei nur ausdrücklich danken für ihren Einsatz. Natürlich nehmen auch wir Flüchtlinge auf. Aber hätten wir bei uns im Verhältnis zu unserer Bevölkerungszahl so viele Flüchtlinge aufzunehmen, wie es der Libanon getan hat, dann würden wir hier nicht über ein paar Tausend, sondern über 20 Millionen Flüchtlinge reden, die wir hier hätten. Das kann sich keiner vorstellen, geschweige denn das handeln. Deswegen brauchen wir die Mittel für die humanitäre Hilfe, und deswegen müssen wir auch Ländern wie dem Libanon dringend helfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deshalb haben wir auch unsere Beiträge für die Vereinten Nationen um über 16,6 Millionen Euro freiwillig aufgestockt, und deshalb unterstützen wir auch die Hilfsorganisationen, die sich um die Krisenprävention kümmern, wieder mit 95 Millionen Euro, also mit 2 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen. Aber nicht nur in der Ferne, auch vor der Haustür haben wir Krisen zu bewältigen. Leider wirkt das Abkommen von Minsk nicht so, wie es sich die Beteiligten in die Hand versprochen haben. Deshalb gibt es in der Ukraine immer noch Inlandsflüchtlinge und wird im Osten immer noch geschossen. Das neugewählte Parlament steht vor enormen Herausforderungen und Reformen. Hier wollen wir die Ukraine ebenso wenig alleinlassen wie die anderen kleineren Länder der Östlichen Partnerschaft; daher stellen wir für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft Mittel in Höhe von 14 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei liegt uns insbesondere die Ausbildung junger Menschen am Herzen. In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass gerade mit Russland der Gesprächsfaden nicht abreißen darf und dass wir trotzdem für den Petersburger Dialog im nächsten Jahr – auch wenn die Treffen in diesem Jahr abgesagt wurden – 100 000 Euro bereitstellen. Russland ist und bleibt nun einmal unser großer Nachbar im Osten, und deshalb brauchen wir solche Dialogformate gerade jetzt. (Beifall bei der SPD) Wir müssen uns auch im Bereich Bildung anstrengen. Diese Anstrengungen bedeuten für mich, zu investieren in den wichtigsten Rohstoff, den wir überhaupt haben: Das sind die Köpfe unserer Menschen. Die Mittel, die hier klug eingesetzt werden, sind Grundlage für späteren Wohlstand von Nationen. Deshalb bin ich auch sehr zufrieden, dass es gelungen ist, unsere beiden Flaggschiffe in Sachen Bildung wieder auskömmlich auszustatten: das Goethe-Institut und den DAAD. Mit dem Goethe-Institut gelingt es, internationale Fachkräfte für unser Land zu gewinnen, sie durch Deutschkurse sowie Informationen über unser Land, Leben und Leute gut vorzubereiten. Was innerhalb von wenigen Monaten da zu schaffen ist, davon konnten sich Alois Karl und ich vor kurzem in Rom überzeugen. Wir beide gehen davon aus, dass wir im kommenden Jahr in Namibia aus dem mehr als gut angenommenen und aus allen Nähten platzenden Goethe-Zentrum ein Goethe-Institut in Windhuk machen können, das dann der Bundespräsident bei seinem Besuch im nächsten Jahr vielleicht einweihen kann; das wäre toll. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Für das Goethe-Institut stehen im kommenden Jahr über 16,6 Millionen Euro zur Verfügung – neben den notwendigen Mitteln für die Tarifanpassung für die Beschäftigten. Goethe-Institut und DAAD arbeiten oft Hand in Hand. Nach der guten Vorbereitung auf Deutschland verhilft der DAAD mit seinen Hochschulstipendien Neuankömmlingen zum letzten Schliff, fördert aber genauso unsere eigenen Studierenden mit internationalen Angeboten. Auslandserfahrungen dürfen nicht vom Geldbeutel des Einzelnen abhängen, weshalb der DAAD im kommenden Jahr auch zusätzlich 7 Millionen Euro erhält. Der Kampf um die besten Köpfe hat weltweit längst begonnen, und die gute Ausstattung von DAAD und Goethe-Institut ist kein Luxus, sondern eine simple Notwendigkeit, wollen wir nicht ins Hintertreffen geraten. Im kommenden Jahr wird es 50 Jahre her sein, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass Israel mit Deutschland diplomatische Beziehungen aufgenommen hat. Am 12. Mai 1965 vereinbarten Bundeskanzler Ludwig Erhard und Israels Ministerpräsident Levi Eschkol den Austausch von Botschaftern. Dieses Jubiläum im nächsten Jahr wollen wir gebührend begehen und werden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft für diesen Anlass, um die entsprechenden Feierlichkeiten vorbereiten und durchführen zu können, einmalig 2 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das ist für unsere beiden Länder ein wichtiges Ereignis, und wir vertrauen auf die gute Zusammenarbeit mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit habe ich die für mich wichtigsten Highlights des Haushalts des Auswärtigen Amtes für das kommende Jahr vorgestellt, auch wenn noch nicht alles erledigt ist und wir noch etliche Wünsche hätten, die wir im nächsten Haushalt aber nicht erfüllen können. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Es warten viele Baumaßnahmen auf uns; sie stehen in den kommenden Jahren an. Das Deutsche Archäologische Institut in Rom ist seit Jahren aus seinem Gebäude ausgelagert. Das kostet Miete, und Bauarbeiten werden durch Liegenlassen nicht billiger. Hier hoffe ich auf umgehende Einigung der verschiedenen beteiligten Ämter, und ich glaube nicht, dass für sämtliche denkbaren Katastrophen wie Tsunami, Meteoriteneinschlag usw., für alles Mögliche, Vorsorge getroffen werden muss, was nämlich dann auch die Abstimmung innerhalb der Behörden massiv behindert – mit der Folge: Man kommt seit zehn Jahren zu keinem Ende. Auch etliche Liegenschaften des Auswärtigen Amtes bedürfen der Verbesserung, ob das die Botschaft in Kairo oder Wien oder anderswo ist. Für die ordentliche Bezahlung der Ortskräfte muss auch eine Lösung gefunden werden. Also: Es wird noch weiter sehr viel zu tun geben. Aber für das, was wir bisher erreichen konnten, hoffe ich auf die Unterstützung des ganzen Hauses. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Doris Barnett. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die Debatten um deutsche Außenpolitik haben sich im letzten Jahr ganz zentral zwei Begriffe gezogen: der Begriff „Krisen“ und der Begriff „Verantwortung deutscher Außenpolitik“. Man muss sich die Frage stellen: Passt dieser Etatentwurf zu diesen beiden Überschriften, zu dem, was in den letzten zwölf Monaten geschah und nun hinter uns liegt, und vor allem zu dem, was vor uns liegt? Es ist schon erwähnt worden: Ja, in der Bereinigungssitzung hat sich dieser Haushaltsplan zu seinem Besseren verändert. Ich will bewusst sagen: Aus Sicht der Opposition kann man es noch deutlich besser machen. Aber man muss sich fragen: Von wo kommen wir denn? Der Etatentwurf sah eine Kürzung des Ansatzes um 218 Millionen Euro vor. Mit dem, was jetzt obendrauf kommt – Doris Barnett sprach von 305 Millionen Euro, ich kam auf 250 Millionen Euro; den Streit darüber können wir woanders austragen –, bleibt es im gesamten Einzelplan des Auswärtigen Amtes bei einem Plus von 1 bis 2 Prozent. Wenn man dann noch die überplanmäßigen Ausgaben hinzuaddiert, die im letzten Jahr notwendig waren, um bei der humanitären Hilfe aufzustocken, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ergibt sich, dass wir im kommenden Jahr sogar weniger Geld ausgeben als in diesem Jahr. Ich finde, es passt nicht zusammen, über mehr Verantwortung deutscher Außenpolitik zu reden und am Ende einen kleineren Etat für das Auswärtige Amt zu beschließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zum zentralen Punkt: der humanitären Hilfe. Da stehen jetzt 400 Millionen Euro bereit. Bereits in diesem Jahr geben wir dafür 403 Millionen Euro aus. Wir vollziehen also nur nach, was bereits Realität ist. Der Kollege Leutert hat bereits Dokumente des Auswärtigen Amtes selbst angesprochen, in denen beschrieben wird, dass Deutschland in der Rangliste der Gebernationen im Bereich der humanitären Hilfe vom Rang Nummer sieben im Jahr 2012 auf den neunten Rang im Jahr 2014 zurückgefallen ist. Würde man die Finanzierung aus dem Jahr 2012 in Höhe von 4,3 Prozent nur fortschreiben, dann würden wir nicht nur 400 Millionen Euro in humanitäre Hilfe investieren müssen – nein, dann müssten wir 650 Millionen Euro bereitstellen, um unserer Verantwortung gerecht zu werden. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird meine Fraktion beantragen, die Mittel für humanitäre Hilfe in diesem Einzelplan weiter zu erhöhen, auf die genannten 650 Millionen Euro, und zusätzlich für den Kampf gegen Ebola – eine der Krisen, über die wir viel zu wenig reden – weitere 30 Millionen Euro allein im Etat des Auswärtigen Amtes bereitzustellen. Ich denke, das ist bitter notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister Steinmeier, Sie können nicht, wie Sie es in einem, wie ich finde, bemerkenswerten Namensartikel in der Huffington Post getan haben, über eine Welt, die aus den Fugen geraten ist, sprechen, ohne sich mehr um Krisenprävention und Krisenfrüherkennung zu kümmern. Ja, es ist richtig: Die Kürzung um 2 Millionen Euro wurde zurückgenommen. Es stehen jetzt 95 Millionen Euro bereit. Meine Fraktion findet aber, dass das, was unter Schwarz-Gelb im Jahr 2013 angemessen war – 133 Millionen Euro –, das Mindeste sein muss, was Deutschland bereitstellt, um Krisen zu vermeiden und frühzeitig auf Krisen zu reagieren. Deshalb haben wir auch an diesem Punkt in den Haushaltsberatungen eine Erhöhung der Mittel beantragt. Leider sind Sie uns an dieser Stelle nicht gefolgt, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich zum Abschluss eines sagen. Es ist richtig: Wir Grüne haben Anträge gestellt, deren Umsetzung diesen Etat um insgesamt 500 Millionen Euro aufwachsen lassen würden. Ich höre schon, dass uns die Koalition vorwerfen wird: Na ja, ist das seriös? – Da will ich Ihnen zum einen entgegenhalten: Ich lade Sie gern ein, bei der folgenden Debatte über den Verteidigungsetat anwesend zu sein und zu schauen, an welchen Stellen wir Einsparungen vornehmen würden, um Schwerpunkte setzen zu können. Zum anderen müssen Sie sich fragen, ob es, wenn wir über Verlässlichkeit deutscher Außenpolitik reden, seriös ist, heute einen Haushalt zu beschließen, bei dem wir wissen, dass bereits morgen überplanmäßige Ausgaben nötig sein werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Seriosität und Verlässlichkeit in der Haushaltspolitik bedeuten auch, die Zahlen reinzuschreiben, die notwendig sind. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, sehr geschätzter Kollege Lindner; ich gebe das jetzt zurück. – Nächster Redner: Alois Karl für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]) Alois Karl (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister, lieber Herr Steinmeier! Die sehr -geehrten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere Frau Staatsministerin Professor Böhmer und Staatsminister Michael Roth seien nun schon angesprochen; ihnen sei, damit ich das nicht vergesse, von vornherein für die gute Zusammenarbeit gedankt, die wir in den letzten Wochen und Monaten gepflegt haben. Lieber Herr Dr. Lindner, das Rechnen ist nicht Ihre ganz große Stärke. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?) Sie haben bestimmt viele Stärken, aber man hat an der einen oder anderen Stelle auch Schwächen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann rechnen Sie einmal vor!) Sie basteln sich hier zusammen, dass der Haushalt abgenommen hat. Das ist schon ein Kunststück. Man kann über alles diskutieren, bloß nicht über Adam Riese. Die Zahlen stehen fest. Wir haben vor wenigen Wochen einen Haushaltsentwurf vorgelegt bekommen, den wir beraten haben. Im Haushaltsausschuss haben wir 200 Änderungsanträge durchgehechelt. Wir haben zwar den Haushalt um 400 Millionen Euro gekürzt, aber den Etat des Bundesaußenministers dennoch deutlich erhöhen können. Das war eine gute Sache, auch wenn das nicht bei allen große Freude hervorgerufen hat. Ich werde darauf noch eingehen. Tempus fugit, könnte man sagen. Die Zeit verfliegt, geht rasant dahin. Ein Blick in den Kalender zeigt: Heute in vier Wochen ist Heiliger Abend. Für Sie, Herr Außenminister, gibt es heute schon einen Teil der Bescherung; (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir haben aber schon den 26.! Der Heilige Abend ist dann schon vorbei!) denn die Wünsche, die Sie an den Haushaltsausschuss gerichtet haben, konnten zum großen Teil, nicht alle, erfüllt werden. Wir haben die letzten zehn Wochen genutzt, um den Etat des Bundesaußenministers zu beraten. Tempus fugit – das gilt auch für die zahlreichen Rückschauen, die in diesem Jahr Gegenstand unserer Betrachtungen und auch unserer Politik waren. Wir haben festgestellt: Wie schnell geht die Zeit vorbei! Manches wendet sich zum Besseren. Wir haben auf die Zeit vor 100 Jahren zurückgeblickt. Im Jahr 1914 begann in Europa der Erste Weltkrieg. Dieser Krieg hat viele Opfer gefordert; es gab 20 Millionen Tote. Die Diplomatie – so hat man gesagt – habe damals versagt, sowohl zu Beginn als auch zum Ende des Ersten Weltkrieges. Der Vertrag von Versailles hat wahrlich keinen Frieden gestiftet, sondern er hat die Auseinander-setzung erst weiter aufleben lassen. Nach dem Motto -„Vae victis“ haben dereinst die Vandalen die Römer erniedrigt. Ähnliches hat man damals in der Diplomatie erlebt. Heute wollen wir das alles besser machen. Wir haben auf die Zeit vor 75 Jahren zurückgeschaut, auf den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, der in einer verheerenden Art und Weise, von Deutschland ausgehend, die Welt in Brand gesetzt hat. Es gibt auch gute Zeiten, auf die wir zurückschauen konnten: Ich denke an die Zeit vor 25 Jahren, den Fall der Berliner Mauer 1989, der uns unglaubliche Freude bereitet hat. Ich denke daran, dass vor 25 Jahren in den Weingärten in der Nähe von Sopron in Ungarn der Eiserne Vorhang durch den Außenminister von Österreich, Alois Mock, und den Außenminister von Ungarn, Gyula Horn, zum ersten Mal durchschnitten worden ist. Tausende von DDR-Flüchtlingen konnten den Weg in die Freiheit antreten. Ich habe mich auch sehr gefreut, dass wir in diesen Tagen an den sogenannten Baltischen Weg, an die Singende Revolution gedacht haben, als sich etwa 1,5 Millionen Menschen von Tallinn in Estland über Riga in Lettland nach Vilnius in Litauen die Hände gereicht und bekundet haben, dass sie nicht mehr zum sowjetischen Reich gehören wollen, und das exakt 50 Jahre nachdem 1939 der Hitler-Stalin-Pakt geschlossen worden ist und man Osteuropa aufgeteilt und die Balten unter die Herrschaft der Russen bzw. Sowjets gestellt hat. Wir haben 25 Jahre Fall der Berliner Mauer gefeiert, und das war auch richtig so. Mehr als 1 Million Menschen haben am Brandenburger Tor gefeiert. Es haben viele Feierlichkeiten stattgefunden. Ich weiß nicht, ob es Ihnen ähnlich ergangen ist wie mir. In den vielen Ansprachen war Helmut Kohl nur eine Fußnote und mehr nicht. Es war für mich und auch andere ein wenig beschämend, dass man sein Wirken nicht besser in den Reden würdigen konnte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe auch daran gedacht, dass es einige Zeit her ist – 1973 –, seit das Bundesverfassungsgericht eine wegweisende Entscheidung getroffen hat. Die Bayerische Staatsregierung, angetrieben auch von dem damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß, hat damals das Bundesverfassungsgericht angerufen, um klären zu lassen, dass Deutschland ungeteilt ist, dass wir ein Volk sind und alle Repräsentanten und Institutionen des Landes auf die Einheit hinarbeiten müssen. Auch das war ein wichtiger Punkt, der zu diesem Ereignis des 9. November geführt hat. Ich danke allen ganz herzlich, die in diesem Jahr gute deutsche Außenpolitik mitbetrieben haben. Herr Bundesaußenminister, Sie sagten, die Welt sei aus den Fugen geraten. So hat es jedenfalls den Anschein angesichts der Flüchtlingsströme aus dem Mittelmeerraum, die nach Europa drängen, sowie der Krisenherde in der Ukraine, im Irak, in Syrien und anderen Gegenden, die ich nicht alle aufzählen möchte, oder auch auf der Krim. Auch wenn die Ereignisse auf der Krim jetzt ein gutes halbes Jahr her sind, müssen wir weiterhin sagen, dass es Unrecht war und bleibt und wir die russische Politik des Sich-Einverleibens niemals gutheißen können. Was ist denn da schon ein halbes Jahr? Welche Geschichtsvergessenheit haben manche in unserem Lande heute und publizieren das auch noch! (Beifall bei der CDU/CSU) Ich danke Ihnen, Herr Steinmeier, dass Sie in den Krisengebieten, gerade in der Ukraine, fast dauerhaft unterwegs sind. (Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Mit diesen Reisen übertreffen Sie ja fast schon Hans-Dietrich Genscher mit seiner „Pendeldiplomatie“. Wir müssen einen langen Atem haben, darin gebe ich Ihnen recht. Ich denke auch, dass die deutsche Politik gut beraten ist, gemeinschaftlich aufzutreten. Ich danke der -Bundeskanzlerin, dass sie eindeutig gesagt hat, dass zwischen dem Bundesaußenminister und ihr keine Differenzen bestehen, sondern dass wir eine Außenpolitik „aus einem Guss“ betreiben. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was macht Seehofer?) Die humanitären Hilfsmaßnahmen sind angesprochen worden. Dort haben wir gut miteinander gearbeitet – darin beziehe ich auch die Kollegen Leutert und Dr. Lindner ein, liebe Kollegin Barnett –, sodass wir diesen Ansatz auf 400 Millionen Euro erhöhen konnten. Das ist nicht unbedingt ein Ausdruck großer Freude. Humanitäre Hilfsmaßnahmen müssen nämlich nur deshalb ergriffen und der Haushaltsansatz muss so hoch gesetzt werden, weil auf der Welt viel Leid geschieht und wir unsere Arbeit leisten müssen – beispielsweise bei der humanitären Ernährungshilfe und der Trinkwassernotversorgung. Wir helfen den Ärmsten der Armen, wenn es darum geht, ihr blankes Überleben zu sichern – und dies möglichst noch in Würde und Sicherheit. Dafür haben wir die Ansätze hochgefahren. Der Bundesfinanzminister sagte sehr deutlich: Da wird es am Geld nicht fehlen. – Ich danke dem Bundesfinanzminister Schäuble, aber auch Ihnen, lieber Herr Kampeter, sowie Ihrem Kollegen Herrn Gatzer, mit dem wir manches gut durchsetzen konnten, zum Beispiel, die Hilfe für die Deutschen im Ausland drastisch zu erhöhen. Unsere Auswärtige Kulturpolitik ist bestens ausgestattet worden – auch ein Ausweis unserer Aktivitäten im Ausland. Der Kollege Gauweiler wird darauf in seiner Rede, denke ich, noch profund eingehen. Goethe-Institut und Deutscher Akademischer Austauschdienst – alle sind bessergestellt als eigentlich erwartet, und wir freuen uns, dass wir uns auch auf diese Art und Weise in der Welt gut darstellen können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Punkt, der mich sehr gefreut hat, ist, dass wir auch für den Erhalt der deutschen Sprache und der deutschen Kultur in Rumänien einen kleinen Ansatz mit 750 000 Euro in den Haushalt einbringen konnten. Seit mehr als 1 000 Jahren wird dort deutsche kulturelle Arbeit betrieben. Über Jahrhunderte wurden hervorragende deutsche Schulen aufgebaut, die von Rumänen genauso besucht werden wie von Deutschen und die eine hohe Anerkennung gefunden haben. Was die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben vor Jahrhunderten grundgelegt haben, soll heute nicht geschliffen werden. Bis auf den heutigen Tag – nicht einmal Ceausescu und andere kommunistische Führer haben gewagt, das einzuebnen – ist deren Situation hervorragend. Auch der neue Staatspräsident Iohannis war Schüler einer dieser Schulen und ergriff später den Beruf des Physikers. Das ist ja heute ein Ausweis für höchste Ämter in der Politik. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Er hat uns bei unserem Besuch gezeigt, wie toll sich die Dinge auch in einem früher sozialistischen Land wie Rumänien entwickeln können. Ich danke dir, lieber Kollege Christoph Bergner, dass du mir da auch ein bisschen den Weg gewiesen hast. Ich wäre von mir aus nicht darauf gekommen, dass wir diesen Ansatz wählen müssen, damit wir in diesem Land, das ja mittlerweile zur EU gehört, Fuß fassen und präsent sind. Ich danke auch dir, liebe Kollegin Barnett, herzlich, dass du nicht lange Widerstand geleistet hast, als es darum gegangen ist, die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien mit zu unterstützen. Diese Stiftung wird in diesem Jahr mit 1,9 Millionen Euro gefördert. Ich war am letzten Samstag in Nürnberg. Ein Ministerialdirektor Ihres Hauses hat den Bund vertreten. Der Freistaat Bayern war mit zwei Ministern, die Stadt Nürnberg mit dem Oberbürgermeister vertreten. Mir kam gerade der Gedanke: Die Präsenz der jeweiligen Träger der Stiftung verhält sich geradezu reziprok zu ihrem finanziellen -Engagement. (Doris Barnett [SPD]: Genau!) Auf gut Deutsch heißt das: Je mehr einer zahlt, desto weniger dominant ist er vertreten. Wir haben dort in der Tat eine ganz hervorragende Einrichtung, die die Fortentwicklung des Völkerrechtes und des Völkerstrafrechtes dokumentiert. Was 1945/46 in den Nürnberger Prozessen begonnen worden ist, ist heute Grundsatz jeglicher völkerrechtlichen Rechtsprechung auf der gesamten Welt: Keine Einzelperson kann sich mehr darauf berufen, dass sie eigentlich nach einem formalen Gesetz gehandelt habe. Über dem formalen Gesetz steht das Recht; nicht das Recht des Stärkeren, sondern das Recht ist ausschlaggebend. Keiner, der in der Politik, in einer Staatsführung oder als Leiter einer militärischen Einheit tätig ist, kann sich damit herausreden, dass er aufgrund eines Befehls oder eines formellen Gesetzes gehandelt habe. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege! Alois Karl (CDU/CSU): Ich danke für den Hinweis und komme zum Ende. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen ganz herzlich, dass wir in dieser kollegialen Art den Haushalt aufstellen konnten, dass wir auch für das nächste Jahr dem Außenminister das finanzielle Rüstzeug geben, eine gestaltende Außenpolitik aus Deutschland für Europa und in der Welt zu machen. Ich danke sehr herzlich und bitte Sie um Zustimmung zu unserem Haushalt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Alois Karl. – Unser nächster Redner in der Debatte ist Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alois Karl hat es eben gesagt: Viel Gutes, viel Erfreuliches ist aus den internationalen Beziehungen, aus der internationalen Politik im Augenblick nicht zu berichten. Deshalb kommt es umso mehr darauf an, dass man sich der wenigen Sternstunden, die es in diesem Jahr gegeben hat, noch einmal vergewissert. Ich finde, es war schon eine Sternstunde, als hier in Berlin vor zweieinhalb Wochen Tausende von weißen Ballons in den Abendhimmel stiegen und uns noch einmal daran erinnert haben, dass dieser Tag vor 25 Jahren ein wirklicher Glücksmoment in der deutschen Geschichte war und dass wir uns dessen wirklich sicher und gewiss sein sollen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich sage das nicht ohne Grund ganz am Anfang. Für mich und meine Generation ist es ja so, dass einem an einem solchen Tag noch einmal klar wird: Wir, die wir nach dem Krieg geboren sind und heute an unterschiedlichen Stellen Verantwortung tragen, sind diejenigen, die von der Geschichte begünstigt sind. Wir durften sieben Jahrzehnte in einem Europa ohne Krieg leben. Uns sollte bewusst sein, dass das auf ganz vieles zurückzuführen ist, vor allen Dingen auf mutige Bürgerinnen und Bürger in vielen Staaten Osteuropas, besonders in der früheren DDR, dass das aber auch auf viele Generationen Außenpolitik zurückgeht, die uns diesem Ziel, nämlich dem Fall der Mauer, über die Jahre hinweg nähergebracht hat. Was sagt uns das heute, meine Damen und Herren? Aus meiner Sicht, dass wir, die wir heute miteinander Verantwortung tragen, uns nicht nur der Erinnerung an das Glück, das wir alle miteinander gehabt haben, versichern dürfen, sondern dass wir dieses Glück als historische Verantwortung, als historische Pflicht begreifen müssen, nie wieder zuzulassen, dass dieses Europa an anderer Stelle neu gespalten wird. Das ist unsere Verantwortung. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dazu brauchen wir aktive Außenpolitik. Gleich zu Beginn meiner Rede will ich diesem Hohen Haus meinen Dank dafür aussprechen, dass es die Bemühungen unserer Außenpolitik ausdrücklich unterstützt, und zwar nicht nur rhetorisch, dass diese Unterstützung ihren Niederschlag auch im Haushalt findet. Mein Dank gilt natürlich ganz besonders den Berichterstattern, die eben geredet haben, Doris Barnett, Alois Karl, Michael Leutert, Tobias Lindner, für konstruktive Diskussionen, die wir lang und ausführlich miteinander geführt haben, und für hilfreiche Ergebnisse. Ihnen danke ich stellvertretend für das ganze Parlament. Ich sage aufrichtig: Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diesen Dank beziehe ich ganz besonders auf zwei Bereiche, die meistens im Schatten der öffentlichen Debatten stehen: Das gilt erstens für die humanitäre Hilfe, die Sie alle auf unterschiedliche Weise angesprochen haben. Wir dürfen unseren Blick nicht abwenden vom Elend in dieser Welt. Wir sind uns gewiss: Wir werden es alleine nicht abwenden, aber wir müssen unseren Teil beitragen, unerträgliches Leid wenigstens zu mindern. Seien es die Flüchtlinge aus Syrien, seien es die Opfer des IS-Terrors im Nordirak, seien es die Menschen in der Ostukraine oder seien es die Gesellschaften in Westafrika, die vom Ebolavirus immer noch heimgesucht werden – ihnen allen kommt die humanitäre Hilfe zugute, für die Sie die Mittel im Haushalt immerhin verdoppelt haben. Dafür danke ich ganz herzlich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der zweite Bereich, den ich hervorheben möchte, der ebenfalls regelmäßig unter den Tisch fällt, wenn wir im Deutschen Bundestag über Außenpolitik reden, ist die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Ich will das ausdrücklich sagen: Das ist nicht ein „nice to have“, das ist nicht einfach eine nette Draufgabe, sondern das ist ein Teil der Außenpolitik, für den es einen dringenden Bedarf gibt, der sogar von Jahr zu Jahr weiter wächst. Schaut man nur auf die gefährlichsten Konflikte um uns herum – ob Syrien, ob Irak, ob Naher Osten oder Nord-afrika –, stellt man fest, dass es in jedem dieser Konflikte eigentlich weniger um die klassischen politisch-territorialen Auseinandersetzungen geht. Alle diese Konflikte sind mindestens überlagert von religiösen, ethnischen oder kulturellen Konflikten, die wir – das ist mein Plä-doyer – wenigstens verstehen sollten, bevor wir uns entscheiden, ob und auf welcher Seite des Konfliktes wir uns engagieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) – Danke. – Die Langzeitfolge der militärischen Intervention im Irak sollte uns – das wird deutlich, wenn wir uns das noch einmal genau anschauen – eigentlich eine Lehre sein. Wiederholungen dieser Art müssen für die Zukunft jedenfalls vermieden werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Gerade weil sich die Welt nicht mehr allein um die europäische Sonne dreht, sondern weil China, Indien, Südamerika und Afrika mit großem Selbstbewusstsein mit Blick auf die eigene Geschichte, Kultur und Philosophie in der Welt auftreten, müssen auch wir – auch das ist Teil von Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik – unsere Werte und unsere Überzeugungen besser verständlich machen, als wir das in der Vergangenheit, vielleicht in großer Selbstsicherheit, getan haben. Mit diesem Haushalt stärken wir nicht nur das Flaggschiff der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, das Goethe-Institut, das jetzt endlich einigermaßen ordentlich ausgestattet ist. Dadurch, dass wir dem Deutschen Akademischen Austauschdienst neue Stipendienmöglichkeiten zur Verfügung stellen, können wir auch mehr junge Leute aus aller Welt zu uns holen. An anderer Stelle habe ich gesagt: Man darf den Erfolg nicht unter den Tisch fallen lassen, dass wir innerhalb der letzten sechs Jahre ungefähr 1 500 Partnerschulen überall auf der Welt geschaffen haben, in denen junge Leute zum ersten Mal mit deutscher Sprache, auch mit deutschen Wertvorstellungen in Berührung kommen. Das alles ist nur möglich aufgrund der Haushaltsausstattung, die Sie uns gewähren. Deshalb auch dafür meinen ganz herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich fange mit den Punkten an, die positiv sind. Aber ich kann natürlich nicht über Folgendes hinwegsehen: Die Welt ist eine andere geworden. Sie ist schwieriger denn je. „Eine Welt aus den Fugen“, habe ich an anderer Stelle gesagt. Die Bilder aus den Konfliktgebieten, die uns jeden Abend in unseren Wohnzimmern erreichen, sind unerträglich. Auch wenn ich täglich damit zu tun habe, verstehe ich natürlich den Ruf der Menschen, die uns auf unterschiedliche Art und Weise kundtun: Jetzt tut endlich etwas, damit diese Konflikte gelöst werden. Viele haben den Eindruck, bei der Außenpolitik dauert alles viel zu lange. Das stimmt auch. Es dauert häufig viel zu lange, bis sich Engagement und Aktivität wirklich positiv bemerkbar machen. Aber diejenigen, die hier sind, wissen: Man muss manchmal mit dem Ansatz herangehen, dass bei sehr festgefahrenen Konflikten die Aufgabe der Außenpolitik eben auch darin besteht, Schlimmeres zu verhüten und einen noch schlimmeren Zustand nicht eintreten zu lassen. Mit dem Vorwurf, dass es zu lange dauert, kann ich also leben. Mit dem anderen Vorwurf, dass Außenpolitik eigentlich ein vergebliches Unterfangen ist, kann ich schon weniger leben. Man betrachte nur einmal ein Wochenende wie das, das wir gerade in Wien erlebt haben. Natürlich sage auch ich mir: Mein Ehrgeiz und meine Erwartungen an die Verhandlungen mit dem Iran, die zum Ziel haben, den Atomkonflikt endlich zu Ende zu bringen, waren größer. Es hat aber nicht sollen sein. Es hat nicht gereicht. Wir sind nach drei Tagen und zwei Nächten Verhandlungen nicht an den Punkt gekommen, wo wir hätten sicher sein können, dass alle Nebenwege und Umleitungen, vielleicht doch zur Atombombe zu kommen, ausgeschlossen sind. Dennoch würde ich nicht unterschreiben, dass Außenpolitik deshalb vergeblich ist. Man muss vielmehr versuchen – das ist immerhin geschehen –, auch über drei Tage und zwei Nächte die unterschiedlichen Positionen ein ganz kleines Stück zueinanderzubringen. Rückblickend auf die letzten zehn Jahre sage ich: Wir haben im letzten Jahr mehr geschafft als in den neun Jahren zuvor. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die Lösung nicht unmöglich, sondern immer noch möglich ist. Deshalb habe ich der Verlängerung der Frist für die Verhandlungen um ein weiteres Vierteljahr und dann um zwei weitere Monate für die technischen Details ausdrücklich zugestimmt. Ich bleibe zuversichtlich, dass das am Ende kein ganz unlösbarer Konflikt ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit Blick auf einige Krisenbilder und langandauernde Auseinandersetzungen – Syrien ist vielleicht eine davon, ebenso die Ukraine – ziehen viele Leute gelegentlich den gefährlichen Schluss: Wenn man sich die Bilder ansieht, dann denkt man, dass das doch alles überflüssig ist. Die Leute hören doch in Wahrheit nicht auf Sie. – Es stimmt: Der Gipfel von Vilnius liegt nun schon ein Jahr zurück. Seither ist der Ukraine-Konflikt durch viele Aggregat-zustände gegangen: von den bürgerkriegsähnlichen -Verhältnissen in Kiew über die völkerrechtswidrige Annexion der Krim bis hin zur gewaltsamen Auseinandersetzung und Gewaltexzessen in der Ostukraine. Trotzdem, sage ich Ihnen, darf Außenpolitik sich nie in den Zustand der Aussichtslosigkeit begeben. Das war auch der Grund, weshalb ich jetzt noch einmal nach Kiew und Moskau gefahren bin und eines der 100 Gespräche, von denen die Kanzlerin heute Morgen gesprochen hat, geführt habe. Ich glaube, wir haben gar keine andere Möglichkeit, als mit den Konfliktparteien Einvernehmen darüber zu erzielen, dass das einzige Dokument, das im direkten Gespräch miteinander wirklich erreicht worden ist, nämlich die Minsker Vereinbarung, nicht der Geschichte überantwortet wird, sondern dass wir noch Anstrengungen unternehmen müssen, sie wirklich zur Grundlage der Entschärfung des Konfliktes und hoffentlich anschließend zur Grundlage für politische Lösungen zu machen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die schwierige Aufgabe, die Ukraine zu stabilisieren, liegt vor uns – ökonomisch und politisch eine große Aufgabe, die wir in Europa zu schultern haben. Das Verhältnis zu Russland wird sicherlich neu vermessen werden müssen. Wo wir in 10 oder 15 Jahren stehen, wie die europäische Sicherheitsarchitektur dann aussieht, weiß auch ich nicht. Ich bin mir nur gewiss: Es wird überhaupt nur dann eine Sicherheitsarchitektur geben, wenn wir nicht sämtliche Gesprächsformate, die jetzt noch zur Verfügung stehen – es sind wenige –, entwerten und in den Mülleimer der Geschichte werfen. Das gilt für vieles. Das gilt, wenn ich das sagen darf, Marieluise Beck, auch für den Petersburger Dialog. Mir ist völlig klar: In dem Maße, in dem der gesellschaftliche Freiraum in Russland in den letzten Jahren kleiner geworden ist, ist der Dialog schwieriger geworden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung der angesprochenen Kollegin? Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Bitte. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Beck. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Herr Außenminister, lieber Frank-Walter Steinmeier, ich möchte hier sehr deutlich machen, dass ich mich für eine Reform des Petersburger Dialogs ausgesprochen habe, immer für eine Reform und nie für seine Abschaffung; nur damit das hier in diesem Haus klar ist. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Herzlichen Dank für die Frage. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Es muss ja keine Frage sein!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Sie kann auch eine Bemerkung machen; das sieht unsere Geschäftsordnung vor. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Herzlichen Dank. – Das gibt mir die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Antwort in meiner Rede noch gekommen wäre. Ich hätte nämlich als nächsten Satz gesagt: Ich bin Gast beim Petersburger Dialog. Deshalb steht es mir überhaupt nicht zu, irgendwelche Empfehlungen zu geben. Aber ich bin daran interessiert, dass dieses Dialogformat aufrechterhalten wird. Natürlich ist es überhaupt nicht verboten, über Veränderungen und Modernisierungen nachzudenken. Was ich nur nicht möchte, ist, dass aus dem Petersburger Dialog ein Berliner Monolog wird. Dann haben wir nämlich nichts gewonnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In diesem Sinne bitte ich, bei all dem, was da auf dem Weg ist, auch die Interessen deutscher Außenpolitik mit im Auge zu behalten. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. – Nächster Redner in der Debatte: Jan van Aken für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Jan van Aken (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde ja, dass die deutsche Außenpolitik gerade ein ziemlich trauriges Bild abgibt. Es lässt auch tief blicken, Herr Steinmeier, dass Ihr Koalitionskollege Herr Karl Sie gerade loben wollte und das Einzige, was ihm einfiel, war: Sie reisen viel. – Reisen ist schön. Aber ich finde, das reicht nicht. Was mir wirklich fehlt, ist eine Veränderung der deutschen Außenpolitik. Wir brauchen endlich eine echte Friedenspolitik, (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) vor allen Dingen eine Sicherheitspolitik, die Sicherheit nicht immer nur militärisch denkt, (Beifall bei der LINKEN) und eine Außenpolitik, die nicht immer nur mit der Waffe in der Hand und dem Panzer im Kopf gedacht wird. Ich möchte drei Beispiele für Fälle, in denen Sie genau das tun, ansprechen. Das erste Beispiel: Afghanistan. 13 Jahre NATO-Krieg haben dem Land keinen Frieden, keinen sozialen Fortschritt, keine stabile Demokratie, keine Rechtsstaatlichkeit gebracht. Sie alle hier im Raum wissen genauso gut wie ich, dass Ihr Krieg in Afghanistan komplett gescheitert ist. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb haben Sie uns jahrelang den Abzug Ende 2014 versprochen. Aus meiner Sicht war schon das viel zu spät, aber nicht einmal das halten Sie ein. Es sollen noch 850 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan bleiben. Dann fügen Sie hinzu: Das ist ja nur für Ausbildungszwecke. – Wen wollen Sie damit eigentlich hinters Licht führen, Herr Steinmeier? Die Öffentlichkeit, uns hier im Parlament oder sich selbst? Denn Sie verschweigen dabei immer, dass die Bundeswehr ja nicht allein in Afghanistan ist, sondern Seite an Seite mit 10 000 amerikanischen Soldaten kämpfen wird. Die haben einen Kampfauftrag, und mit dem gehen sie dort in den Kampf. Da immer nur von Ausbildung zu reden, ist doch verlogen. (Beifall bei der LINKEN) Vor allen Dingen: Reden Sie bitte nicht mehr vom zivilen Aufbau in Afghanistan; denn der findet mit der Bundeswehr nicht statt. Wenn Sie weiterhin zivile Hilfe und Militär miteinander verkoppeln, dann wird es keine neutrale, humanitäre Wiederaufbauhilfe in Afghanistan geben. Das sagen Ihnen alle Entwicklungshelfer, das sagen auch alle Aufbauorganisationen, und Sie wissen das. Auch Sie kennen Herrn Erös – er ist ein ehemaliger Bundeswehrsoldat –, der dort seit zehn Jahren Schulen aufbaut und immer und immer wieder sagt: Bringt unsere Schulen im Taliban-Gebiet nicht mit westlichen Soldaten in Verbindung. Nur so, nur ohne Militär, können wir Mädchen- und Jungenschulen mitten im Taliban-Gebiet aufbauen. (Beifall bei der LINKEN) Das heißt, wenn Sie wirklich Wiederaufbau und humanitäre Hilfe wollen, dann geht das nicht mit der Waffe in der Hand und mit dem Panzer im Kopf. (Beifall bei der LINKEN) Herr Steinmeier, Sie haben hier gesagt, man müsse doch auch einmal die Lehren aus dem Irakkrieg 2003 ziehen. Dann tun Sie das doch endlich! Wo ist denn der Unterschied zwischen den desaströsen Ergebnissen des Irakkriegs 2003 und Ihrem Einsatz in Afghanistan? Hier gibt es doch keinen Unterschied. Die Situation der Menschen ist in beiden Ländern katastrophal. Zweites Beispiel: Syrien und Irak. Auch in Syrien und im Irak zeigt sich, dass Sie überhaupt keine Vorstellung davon haben, wie man einem gewalttätigen Konflikt zivil – nicht gewalttätig – begegnen könnte. Der Bürgerkrieg in Syrien dauert jetzt vier Jahre. Die Bundesregierung hat in dieser ganzen Zeit wenig für eine friedliche Lösung getan, aber sie hat die Bundeswehr und Patriot-Raketen in die Türkei geschickt. Sie alle hier wissen – gerade Ihre Verteidigungspolitiker –: Eine militärische Notwendigkeit dafür gab es nie. Das war immer nur ein politisches Signal und eine politische Unterstützung der Erdogan-Regierung in der Türkei, also für eine Regierung, die im Moment ganz sicher nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems in der Region ist. (Beifall bei der LINKEN) Mit der Bundeswehr und den Patriot-Raketen unterstützen Sie noch immer eine türkische Regierung, die radikale Dschihadisten in Syrien unterstützt – das wissen Sie –, die bis heute lieber gegen Kurdinnen und Kurden als gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ kämpft und die die nordsyrischen Gebiete mit einem kompletten Embargo belegt. Hier kommen keine einzige Tablette und keine einzige Hilfelieferung durch. Diese türkische Regierung unterstützen Sie! Das machen Sie mit! Sie selbst, Herr Steinmeier, verweigern sogar medizinische Hilfe für die Kurdinnen und Kurden in Nordsyrien. Ich bin fassungslos und frage mich, was das eigentlich für eine Außenpolitik ist, die an die einen Kurden im Nord-irak Waffen liefert, den anderen Kurden in Nordsyrien aber nicht einmal Medikamente liefern will. Das ist das Gegenteil von menschlicher Außenpolitik. (Beifall bei der LINKEN) Wie brutal Sie gelegentlich sein können, zeigt mein drittes Beispiel, nämlich Ihr Umgang mit den Flüchtlingen im Mittelmeer, die vor Krieg, Gewalt, auch vor deutschen Waffen und vor Armut flüchten. Sie alle wissen: Es gab ein italienisches Programm zur Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Das Programm hieß „Mare Nostrum“. Das hat in einem einzigen Jahr 130 000 Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet. Das Programm musste aus Geldmangel eingestellt werden, weil kein einziger EU-Staat bereit war, das mitzufinanzieren. Auch die Bundesregierung war nicht bereit, nur einen einzigen Cent für dieses Programm „Mare Nostrum“ zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer auszugeben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der LINKEN: Schande!) Auch Sie, Herr Steinmeier, sind mit schuld, wenn das Mittelmeer zum Friedhof für viele Menschen wird. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das ist unverschämt! – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das ist eine bodenlose Unverschämtheit! Sie überschreiten eine Grenze! Das ist eine Frechheit, was Sie hier abliefern!) Am meisten regt mich auf – gerade jetzt, da sich die Verteidigungspolitiker, die Kriegspolitiker der CDU/CSU aufregen –: Für die Flüchtlinge im Mittelmeer haben Sie kein Geld, aber hier um die Ecke, am Bahnhof Friedrichstraße, in der besten Lage im Berliner Zentrum, haben Sie gerade zu horrenden Kosten ein Rekrutierungsbüro für die Bundeswehr eröffnet. (Beifall bei der LINKEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn! Sie haben ganz andere Friedhöfe!) Der Werbeetat der Bundeswehr – ich weiß, das ist nicht Ihrer – beträgt 35,5 Millionen Euro. Das Geld würde -locker ausreichen, um davon Ihren Beitrag für „Mare Nostrum“ zu zahlen und damit 130 000 Menschen zu retten. Sie machen hier aber lieber eine Showveranstaltung, um junge Menschen zur Armee zu ziehen. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Ihre Partei hat früher in der DDR die Friedhöfe geschaffen! Das ist doch die Wahrheit! Sie sind doch der Friedhofsschaffer! Blanker Zynismus!) Das kommt dabei heraus, wenn man manchmal nur den Panzer im Kopf und das Gewehr in der Hand hat und keine menschliche Außenpolitik betreibt. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Zynisch!) Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte. Herr Steinmeier, Ihr Kollege, Ihr Wirtschaftsminister, Ihr Vizekanzler, Ihr SPD-Vorsitzender, hat vor einem Jahr noch ganz laut getönt: Wir brauchen Beschränkungen bei den Waffenexporten. – Jetzt, nach einem Jahr, ist er vor der Rüstungslobby und der Kanzlerin komplett eingeknickt. Es gibt in der Waffenexportpolitik nicht einmal mehr ein Reförmchen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels – auch von der SPD –, hat das gestern vor der gesamten versammelten deutschen Rüstungsindustrie noch einmal versichert. Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie bitte an Ihre Redezeit. Jan van Aken (DIE LINKE): Wörtlich hat er gesagt: Die Regeln für Rüstungs-exporte werden nicht verändert. – Hier haben Sie aber wirklich ein Problem mit Ihrem Panzer im Kopf. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Man kann sich in diesem Haus trefflich streiten, und diese parlamentarische Debatte lebt auch von einer Kontroverse. Den Außenminister aber mitverantwortlich für das Sterben im Mittelmeer zu machen, halte ich für unzulässig. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jan van Aken [DIE LINKE]: Ich möchte eine Erklärung! – Gegenruf des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Du hast doch selber geredet! Da kannst du keine Kurzintervention machen!) – Das können Sie nachher machen. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Nein, ich möchte von Ihnen eine Erklärung!) Nächster Redner ist Philipp Mißfelder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bin ich über die einordnenden Worte der Parlamentspräsidentin sehr froh. Ich hoffe, dass sich auch diejenigen, die am 5. Dezember im Landtag von Thüringen zusammenkommen, gut überlegen, ob man mit Vertretern einer solchen Partei wirklich eine Koalition bilden will. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN) Herr van Aken, alles, was Sie gesagt haben, war falsch. (Beifall bei der CDU/CSU) Das, was Sie über Afghanistan gesagt haben, war inhaltlich falsch. Auch das, was Sie zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zu den zivilen Maßnahmen gesagt haben, die wir flankierend durchführen, war falsch. Im Rahmen der Vorbereitung des Afghanistan-Mandats diskutieren wir ausführlich über das, was wir im zivilen Bereich mit einem langfristigen Commitment zusätzlich machen können, und da sagen Sie: Sie haben nur Panzer im Kopf. – Das finde ich nicht richtig. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass so etwas in Haushaltsdebatten noch nicht geäußert worden ist. Wir haben bisher hier immer vernünftig miteinander diskutiert. Wir kennen Ihre Position, und Sie kennen unsere Position. Wir schließen militärische Maßnahmen als äußerstes Mittel von Politik nicht aus, aber sie sind nicht zentraler Bestandteil unserer außenpolitischen Agenda. (Widerspruch der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE] und Kathrin Vogler [DIE LINKE]) Ich möchte in dieser Haushaltsdebatte an das anknüpfen, was auf der Münchener Sicherheitskonferenz von drei Rednern angesprochen worden ist. Darüber gab es eine ausführliche und kontroverse Diskussion. Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses haben vor ein paar Wochen die Gelegenheit gehabt, mit dem Bundespräsidenten zusammenzutreffen. Ich bin froh, dass es bei dieser Diskussion zu einer klaren Absage an alle unterstellten Tendenzen kam – zum Teil gab es diese Misstöne im Umfeld der Konferenz –, nämlich dass es nicht um den – ich zitiere den Bundespräsidenten – „Ansatz eines wilhelminischen Deutschlands“ geht. Wenn ich über mehr Verantwortung nachdenke, dann heißt für mich „mehr Verantwortung“ definitiv nicht „mehr Soldaten“, sondern vor allem mehr Koordinierung. Damit komme ich zu einem Thema, das die Union seit langer Zeit beschäftigt. Als Franz Josef Jung als Verteidigungsminister in der NATO das Konzept des Comprehensive Approach durchgesetzt hat, haben wir uns im Rahmen des Weißbuchprozesses sehr viele Gedanken gemacht und uns gefragt: Wie kann vernetzte Sicherheit erreicht werden? Was müssen wir dafür tun? Der Begriff von der vernetzten Sicherheit passt sehr gut in die Debatte um mehr Verantwortung. Dadurch wird deutlich, dass die verschiedenen Maßnahmen, die wir wählen, zusammenpassen. Aber sie müssen noch stärker – und da können wir sicherlich noch mehr tun – aufeinander abgestimmt werden. Es geht nicht nur um militärische Komponenten, sondern es geht auch darum: Wie kann man die Nutzung des äußersten Mittels von Politik, nämlich militärische Einsätze, mit diplomatischen Maßnahmen flankieren? Wie kann man sich langfristig zu seiner Verantwortung bekennen: für ganze Regionen, für einzelne Länder oder für Gruppierungen in Ländern? Das geht durch die Entwicklungszusammenarbeit sehr gut. Wie kann man insgesamt dafür sorgen, dass staatliche Strukturen überhaupt entstehen? Als wir hier vor kurzem über Afrika diskutiert haben, haben wir alle festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Polizeiausbildung mehr leisten kann. Daher müssen wir uns fragen: Wo können wir Optimierungen durchführen? Ich bin froh, dass diese Debatte um mehr Verantwortung begonnen hat, selbst wenn ich erst einmal sehr kritisch war; denn viele hatten den Eindruck, mehr Verantwortung würde automatisch zu mehr Mandaten führen – das ist aber nicht passiert –, worüber wir hier in den Monaten danach sehr nüchtern und abwägend diskutiert haben. Darüber bin ich froh. Ich glaube, dass es dazu sehr viele Beiträge aus diesem Hause gab. Wenn wir auf dieses Jahr zurückblicken, dann sollten wir nicht nur im Blick haben, was uns – mit einigen Abstufungen – fast jeden Tag beschäftigt, beispielsweise die Ukraine oder auch der Nahost-Konflikt – gestern standen die Verhandlungen mit dem Iran im Mittelpunkt –, sondern wir sollten uns auch daran erinnern, dass wir dieses Jahr eine sehr große und wichtige Entscheidung gefällt haben. Diese Entscheidung wurde von einer Vertreterin der Bundesregierung als „Tabubruch“ bezeichnet; sie ist keinem leicht gefallen. Wir haben damals im Sommer mehrere Sondersitzungen des Auswärtigen Ausschusses durchgeführt und auch eine Sondersitzung im Plenum abgehalten, die rechtlich zwar nicht notwendig war, aber politisch doch den entsprechenden Rahmen gesetzt hat, um diese wichtige Entscheidung abzusichern. Ich meine die Lieferung von Waffen in den Nordirak, nach Kurdistan; auch Sie haben das angesprochen, Herr van Aken. Wir haben uns gut überlegt, an wen wir Waffen liefern. Wenn wir jetzt eine Zwischenbilanz ziehen, was diese Waffenlieferungen und unsere Maßnahmen, um Kurdistan und Nordirak zu unterstützen, angeht, dann muss ich sagen: Ich bin froh, dass wir dieses Mittel so begrenzt eingesetzt haben. Ich bin froh, dass wir im Nordirak und in Kurdistan verlässliche Partner gefunden haben. Ich bin auch froh, dass wir die rote Linie gezogen haben, der PKK keine Waffen zur Verfügung zu stellen. (Jan van Aken [DIE LINKE]: Ich habe über Medikamente geredet!) Selbst wenn sie in den letzten Monaten in der einen oder anderen Schlacht auf der richtigen Seite gestanden hat, entsprechen die Ziele der PKK nach wie vor denen einer Terrororganisation. Wenn wir unser partnerschaftliches Verhältnis mit der Türkei, die wir aufgrund ihrer Schlüsselstellung in der Region brauchen, fortsetzen wollen, dann muss man die Warnungen, die aus der Türkei in Richtung PKK kommen, nach wie vor sehr ernst nehmen. Dann darf man nicht einfach sagen: Wir differenzieren gar nicht mehr zwischen den kurdischen Gruppierungen und sponsern alle. – Der Meinung bin ich nicht. Ich glaube, das, was wir getan haben, war richtig, und schließe nach wie vor aus, der PKK in irgendeiner Form Waffen zur Verfügung zu stellen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Mißfelder, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung des Kollegen Liebich? Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr Liebich? – Ja. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und SPD) – Herr van Aken hat ja schon so viel geredet. Vizepräsidentin Claudia Roth: Es ist sein Recht. Er kann entscheiden, bei wem er es zulässt und bei wem nicht. – Herr Liebich, bitte. Stefan Liebich (DIE LINKE): Es ist sehr nett, dass Sie das zulassen. Ich bin mir sicher, Sie hätten es auch bei jedem anderen Kollegen oder jeder anderen Kollegin meiner Fraktion zugelassen. Die Frage bezieht sich auf den Abschnitt Ihrer Rede, den wir gerade gehört haben. Sie haben begründet, warum es richtig ist, nur an einen Teil der kurdischen Kämpferinnen und Kämpfer Waffen zu liefern. Wie gehen Sie aber damit um, dass die Kämpferinnen und Kämpfer der Peschmerga nunmehr zu den Kämpfern der PKK gekommen sind und gesagt haben: „Wir stehen an eurer Seite und unterstützen euch; wir kämpfen mit euch zusammen und haben auch Waffen dabei“? Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Waffen, die die Bundesregierung an die Peschmerga-Kämpfer geliefert hat, nicht im Kampf an der Seite ihrer Brüder und Schwestern in Rodschawa eingesetzt werden? Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Grundsätzlich bin ich der Meinung – wir haben uns damit ausführlich beschäftigt –, dass es in den Kurdengebieten insgesamt dringend einer Militärreform bedarf. Wir wollen nicht, dass perspektivisch weiterhin jeder Stamm quasi über seine eigenen Einheiten verfügt. Vielmehr wären an dieser Stelle Zentralisierung und Demokratisierung dringend geboten. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Lieferungen sind aber vorher erfolgt!) – Ja, weil Gefahr in Verzug war, Herr Nouripour. Wir standen im August bzw. Anfang September vor einer schwierigen Entscheidung: Entweder existiert Kurdistan weiter, oder Kurdistan wird von ISIS überrollt. In dieser Situation haben wir uns für diesen schwierigen Weg entschieden, der – das beantwortet zum Teil Ihre Frage – von Anfang an das Risiko beinhaltet, dass man, wenn man Waffen aus der Hand gibt, nie wissen kann, wo diese Waffen letztendlich landen. Ich weise aber darauf hin, dass bisher das Versprechen Talabanis und Barsanis, diese Waffen nicht an weitere Kampfeinheiten zu geben, nicht gebrochen worden ist. Es gibt zwar jetzt Formationen, die kooperieren – das stimmt –, aber bisher haben keine Waffenübergaben stattgefunden. Ich weiß nicht, ob dies in der Zukunft so bleibt. Ich hoffe, dass wir auf das Versprechen, das uns gegeben wurde, setzen können. Wir sind bislang auch nicht enttäuscht worden. Zur Lage im Nahen Osten möchte ich noch anmerken – insbesondere nachdem wir von der Bundesregierung unmittelbar über die Iran-Gespräche informiert worden sind; ich bin froh über das, was der Bundesaußenminister dazu gesagt hat –, dass wir sicherlich in manchen Punkten weitergekommen sind, aber wir sind noch weit davon entfernt, mit dem Iran zu einem Ergebnis zu kommen. Der Iran ist eine der größten Gefahren für die Existenz des jüdischen Staates Israel. Israel wird nicht nur vom Iran bedroht, sondern auch von innen heraus. Wenn man bedenkt, mit welcher Brutalität Terrorakte dort stattfinden, dann muss man trotz vieler kritischer Punkte, die man hinsichtlich der israelischen Politik vorbringen darf und vorbringen muss, sehen, dass die einzige Demokratie in der gesamten Region unter enorm großem Druck steht und dass selbst Gotteshäuser keine Sicherheit bieten. Das ist aus meiner Sicht definitiv eine neue abstoßende und brutale Form von Gewalt, die wir alle verurteilen sollten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Übrigen ist die Ursache nicht im israelischen Verhalten zu suchen; sie liegt vielmehr in einer besonders brutalen Ausprägung von Gewalt, die auch nicht durch Religion entschuldbar ist oder durch religiöse Motive verdeckt werden sollte. Ich glaube, das hat mit dem Islam viel weniger zu tun, als diejenigen, die den Dschihad für sich in Anspruch nehmen, behaupten. Das sind einfach Exzesse, die mit Toleranz und Respekt gegenüber Religionen insgesamt nichts zu tun haben. Ein anderes wichtiges Thema, das meiner Fraktion sehr am Herzen liegt und das unser Fraktionsvorsitzender seit Jahren auf die Tagesordnung setzt – dieses Thema haben wir in diesem Jahr gerade vor dem Hintergrund der großen Flüchtlingswellen im Nahen und Mittleren Osten besonders berücksichtigt; Syrien und der Nordirak sind bereits als Stichworte gefallen –, ist die Lage der Christinnen und Christen. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben uns insbesondere im Haushaltsausschuss dafür eingesetzt – lieber Alois Karl, dafür danke ich dir ganz besonders –, dass die Vertreter der Religion, die vor allem unser Land geprägt hat, in ihren Heimatländern einen sicheren Hafen und viel Unterstützung von außen bekommen. Uns kann es nicht egal sein, wie Christen im Nahen Osten präsent sind und dass Städte, die über Jahrtausende durch die Gemeinsamkeit der Religionen geprägt worden sind, über Nacht für christenfrei erklärt werden und dass dort entsprechende Ultimaten ausgesprochen werden. Wir haben daher nicht zugeschaut, sondern haben unsere Partner gestärkt, dagegen vorzugehen. Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten gerade im humanitären Bereich alles getan, um die Situation der Christen in dieser Region zu verbessern. Dabei sollten wir es nicht belassen. Wir sollten uns noch viel mehr Gedanken darüber machen, was nun im Winter passiert und wie wir auf eventuelle Epidemien reagieren können. Ich finde es sehr professionell, wie unsere Regierung – ich weise hier insbesondere auf das Zusammenspiel von Entwicklungshilfeministerium und Auswärtigem Amt hin – agiert hat. Das Technische Hilfswerk leistet hervorragende Arbeit. Wenn das unter mehr Verantwortung für Christinnen und Christen im Nahen Osten, wo sie in existenzieller Gefahr sind, zu verstehen ist, dann muss ich feststellen, dass wir in diesem Jahr sehr gute Arbeit geleistet haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zur Ukraine möchte ich nur Folgendes kurz anmerken, weil wir bereits eine intensive Diskussion in der Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Zukunft des Petersburger Dialogs geführt haben. Sicherlich sind sich die Kritiker des Petersburger Dialogs nicht in allen Fragen einig. Wenn dieses Forum aber eine Zukunft haben soll, dann muss es dringend reformiert werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben völlig recht, Herr Minister: Es sollte kein Monolog sein. Wir sollten nicht nur unter uns darüber reden. Wir können uns sicherlich stundenlang über Russland und darüber streiten, wer wen wann besucht hat; das gehört dazu und hat häufig auch mit innenpolitischen Aspekten zu tun. Wenn wir aber den Petersburger Dialog als gesellschaftliches Vehikel zwischen unserer Gesellschaft und der russischen Gesellschaft aufrechterhalten wollen, dann bedarf es einer dringenden Reform. Mehr Offenheit wird dieser Organisation nicht schaden. Es darf keine Scheuklappen geben, weder in die eine noch in die andere Richtung. Natürlich müssen am Petersburger Dialog auch regierungsnahe Vertreter aus Russland teilnehmen, am besten hochrangige. Ich wünsche mir, dass dieser Dialog auf höchstem Niveau stattfindet und dass dort die Spitzenvertreter beider Länder zusammenkommen, also diejenigen, die auch etwas zu sagen haben. Es nutzt nichts, daraus einen Debattierklub von NGOs zu machen, die nicht wissen, wie sie in ihrem Land vorankommen sollen. Auch diejenigen, die etwas entscheiden können, müssen mit am Tisch sitzen. Ich bin dafür, dieses Forum zu verjüngen und es für Teilnehmer zu öffnen, die nicht schon zehnmal daran teilgenommen haben. Die entsprechenden Auswahlverfahren müssen aus meiner Sicht optimiert werden. Wir haben intensiv darüber diskutiert, dass der Lenkungsausschuss deckungsgleich mit den Mitgliedern ist. Ich selbst bin genauso wie der Außenminister nur Gast bei den Veranstaltungen. Aber eine Öffnung wird dieser Organisation überhaupt nicht schaden, sondern sozusagen zu einem Upgrade dieser Veranstaltung beitragen. Ich spreche mich für den Erhalt dieser Veranstaltung aus, aber unter der Bedingung, dass Reformen umgesetzt werden und dass diejenigen, die Verantwortung tragen, die Reformen aktiv vorantreiben und nicht darauf warten, dass Reformen vorangetrieben werden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Mißfelder. – Nächster Redner in der Debatte ist Omid Nouripour für Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mißfelder, ich bin nicht der Meinung, dass alles, was der Kollege van Aken gesagt hat, falsch ist. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Es gab einzelne Sätze, die ich richtig fand. Ich distanziere mich selbstverständlich nicht nur von der Tonlage seiner Rede, sondern auch davon, dass er den Herrn Außenminister persönlich als Schuldigen für die Toten im Mittelmeer benannt hat. Das ist nicht die Art und Weise, wie wir hier in diesem Hohen Hause diskutieren sollten. (Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) – Er hat das Wort „schuld“ verwendet. Schauen Sie nach! Es geht aber auch nicht, dass Sie, Herr Mißfelder, die persönliche Verfehlung des Kollegen van Aken zum Anlass nehmen, um den Wählerwillen in Thüringen zu diskreditieren. Das gehört sich nicht. Das gehört nicht zusammen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Außenminister, Sie haben in den Anfangsmonaten, als Sie neu im Amt waren, der Außenpolitik wieder Kontur und Gewicht gegeben. Sie haben auch die Überschrift „Mehr Verantwortung“ kreiert, die wir nicht in erster Linie als Militarisierung der deutschen Außenpolitik verstanden haben. Sie haben den Review-Prozess initiiert, den wir richtig finden, und die Frage gestellt: Was haben wir falsch gemacht? Da dieser Haushalt nun der zweite Haushalt mit der Überschrift „Mehr Verantwortung“ ist, bietet es sich an, zu fragen, ob sich das im Haushalt tatsächlich niederschlägt. Da wird es eindeutig. Ja, wir haben sehr viele Krisen in unserer Zeit; sie sind omnipräsent, aber sie sind nicht vom Himmel gefallen. Die meisten Krisen entstehen nicht einfach so, sondern haben einen Vorlauf. Deswegen ist es notwendig, dass man genau hinschaut. Dass die Eskalation in Mali vor zwei Jahren erfolgt ist, war absehbar, wenn man sich angeschaut hat, was in Libyen passiert ist. Die Situation in den Ländern, die von Ebola betroffen sind, ist seit März bekannt. Die Bundesregierung hat ein halbes Jahr gebraucht, bis sie überhaupt darauf reagiert hat. ISIS ist nicht erst seit der Einnahme von Mossul im Juni dieses Jahres, sondern seit eineinhalb Jahren auf dem Vormarsch. Zentral ist, dass man rechtzeitig hinschauen muss. Das passiert nicht. Die Bundesregierung ist beim Hinschauen, beim Antizipieren von Konflikten, bei der zivilen Krisenprävention einfach zu langsam; sie macht zu wenig und ist zu zögerlich. (Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie bedienen, wie viele andere auch, leider die Aufmerksamkeitsökonomie. Die Welt schaut auf Sindschar, dann schaut die Welt auf Kobane – dort geschehen ganz schreckliche Dinge –, und dann wendet sich die Aufmerksamkeit anderen Krisenherden zu. Dass sehr viele Leute auf Kobane schauen, ist berechtigt, aber dass im Windschatten der Ereignisse von Kobane in Aleppo Fassbomben des Assad-Regimes nur so vom Himmel regnen, wird nicht beachtet. Es ist nicht so, dass wir das Gefühl haben, dass die Bundesregierung tatsächlich antizipiert, was jenseits der großen Konflikte, die Schlagzeilen machen, passiert. Dafür braucht man Expertise. Aber diese Expertise findet sich nicht, in diesem Haushalt erst recht nicht. Das ist der zweite Haushalt hintereinander, in dem der Etat für zivile Krisenprävention gekürzt ist. Das wird der realen Situation draußen und vor allem den Notwendigkeiten überhaupt nicht gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch die Institutionen fehlen. Die Institutionen braucht man aber, wenn man ressortübergreifend arbeiten will. Wir haben eine Verteidigungsministerin, die jetzt ein Weißbuch schreiben will. Sie haben den Review-Prozess begonnen. Was hat das miteinander zu tun? Ich habe das Gefühl: gar nichts. Wenn man sich die Welt ernsthaft anschauen und Konflikte antizipieren will, dann muss man ressortübergreifend arbeiten. Ich gebe zu: Es ist nicht in erster Linie Ihre Verantwortung, dass das nicht immer geschieht; aber wir haben nicht das Gefühl, dass die Häuser Hand in Hand arbeiten. Bei der humanitären Hilfe wird das deutlich. Erst kürzen Sie den Etat, dann machen wir, die NGOs und die Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition Druck, und dann wird der Ansatz wieder erhöht. Das ist im Endergebnis nicht das, was wir uns gewünscht haben, wenn es auch besser als Ihr Entwurf ist. Aber mit Verlässlichkeit und mit Haushaltsklarheit hat das überhaupt nichts mehr zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe meine Rede mit Lob angefangen. Ich möchte noch einmal loben. Sie selbst haben in München gesagt: Verantwortungsübernahme ist immer konkret. – Ich finde zwar, dass es sich nicht gehört, den Petersburger Dialog unter der Überschrift „Dialog mit der Zivilgesellschaft“ zu führen, ohne dass die Zivilgesellschaft da ist; aber unter dem Strich kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir sehr an Ihrer Seite stehen, was Ihre Aktivitäten in der Ukraine und Ihr Engagement bei der Befriedung der Situation vor Ort angeht. Wir sind auch sehr dankbar für die Worte, die die Frau Bundeskanzlerin heute Morgen in dieser Sache gefunden hat. Aber wenn es konkret wird und Sie eine Konferenz zu der Situation der Flüchtlinge machen, – Vizepräsidentin Claudia Roth: Redezeit! Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – die in die Nachbarstaaten Syriens geflüchtet sind, und am Ende große Ankündigungen, die sich gut anhören – 500 Millionen Euro in drei Jahren –, es dann aber keinen einzigen Cent an frischem Geld gibt, dann ist das nicht konkret und erfüllt nicht Ihre eigenen Ansprüche. Ein Viertel der Legislaturperiode ist bereits vorbei. Wir warten darauf, dass es wirklich konkret wird mit der Verantwortungsübernahme. Dafür hätten Sie unsere volle Unterstützung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Nouripour. – Nächster Redner in der Debatte ist Norbert Spinrath für die SPD. (Beifall bei der SPD) Norbert Spinrath (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr van Aken, ich denke, das war eine nicht hinnehmbare Ehrabschneidung, (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Mein Gott, was hat er denn Falsches gesagt?) wie Sie mit dem Herrn Außenminister umgegangen sind. Es ist schon zum Ausdruck gekommen, dass es weder dem Stil der Debatte noch der Würde des Hauses entspricht, so miteinander umzugehen, aber eben auch nicht dem vorbildlichen Einsatz unseres Außenministers gerecht wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich fordere Sie auch aus eigener Betroffenheit heraus auf, sich beim Herrn Bundesaußenminister zu entschuldigen. Falls Sie nicht das Kreuz dazu haben, sollte Ihr Fraktionsvorstand in die Verantwortung treten. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das kommt überhaupt nicht infrage! – Jan van Aken [DIE LINKE]: Haben Sie denn das Geld für „Mare Nostrum“ bewilligt, oder nicht?) Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, während wir in dieser Woche den Bundeshaushalt debattieren, wird auf europäischer Ebene um eine Lösung im Streit um den Haushalt der EU für 2015 gerungen. Es ist enttäuschend für mich, dass das Vermittlungsverfahren zwischen Kommission, Parlament und Rat in der vorigen Woche gescheitert ist. Es mag für einzelne Bereiche noch keine tragfähigen Lösungen geben. Es mag berechtigte Kritik an einzelnen Posten geben. Aber es ist schon ein trauriges Bild, das da in der Öffentlichkeit entsteht. Nur 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens dürfen die europäischen Institutionen ausgeben; aber am Ende eines jeden Jahres entbrennt ein Streit zwischen den Finanzministern der Mitgliedstaaten einerseits und dem Europäischen Parlament und der Kommission andererseits. Es ist Zeit, dass dieses unwürdige Schauspiel beendet wird. Es darf nicht sein, dass am Ende des Jahres kein Geld mehr da ist für den Austausch von Studierenden, für humanitäre Hilfe zum Beispiel in Ebolagebieten oder für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Wir müssen in der EU entschlossener handeln. Ich begrüße das heute von Jean-Claude Juncker vorgestellte Investitionspaket zumindest im Ansatz. Es wird weiter zu prüfen sein, wie die Einzelheiten zu bewerten sind. Meine Redezeit ist schon reduziert worden. Deshalb will ich mich auf wenige Sätze hierzu beschränken. Vizepräsidentin Claudia Roth: Daran bin aber nicht ich schuld. (Heiterkeit) Norbert Spinrath (SPD): Nein, nein. – Entscheidend ist, dass wir zur Bekämpfung der Wachstumsschwäche in der EU auf der einen Seite Strukturreformen und auf der anderen Seite Investitionen haben. Beides muss gleichzeitig geschehen. Deutschland sollte sich daran mit eigenen Mitteln beteiligen. (Beifall bei der SPD) Wir müssen uns wieder verstärkt auf unsere Vision eines geeinten Europa im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes besinnen – ich zitiere –, „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. Vielleicht haben wir uns in Europa in den letzten Jahren zu sehr auf einen Pragmatismus verständigt, haben viel zu oft viel zu viele Kompromisse gemacht, um schnelle – vielleicht auch wichtige – Lösungen herbeizuführen, und dabei ein wenig die Vision aus den Augen verloren. Vielleicht brauchen wir neuen Mut für Europa, neuen Mut, auch konsequenter ein geeintes Europa anzustreben, neuen Mut, Solidarität zu üben und auf nationale Egoismen zu verzichten. Auch wir in Deutschland tragen als Partner mit konstruktiven Beiträgen zur Lösung von Problemen bei. Wir müssen aber auch immer wieder liefern. Ein kleines positives Beispiel aus den Haushaltsberatungen: Das Auswärtige Amt hat – es ist ja auch Europaministerium – im nächsten Jahr einen kleinen finanziellen Beitrag von nur 100 000 Euro zur Verfügung, kann damit aber einen wichtigen Akzent in Zypern setzen mit der Unterstützung des Committee on Missing Persons. Diese Nichtregierungsorganisation leistet einen wichtigen Beitrag zur Aussöhnung der Menschen beider Inselteile. Ich sage ganz herzlichen Dank an die für den Einzelplan 05 zuständigen Berichterstatter Doris Barnett, Alois Karl und Dr. Tobias Lindner. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon bei der letzten Haushaltsdebatte habe ich zur dramatischen Situation der Jugendarbeitslosigkeit, insbesondere in Süd- und Südosteuropa, gesprochen. Die EU hatte ein 6 Milliarden Euro umfassendes Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt. Noch im Juni sah es sehr düster damit aus. Nur ein Mitgliedstaat hatte ein nationales Programm angemeldet. Umso mehr Mut macht es aber, dass ich in diesen Tagen von unserer Arbeitsministerin Andrea Nahles gehört habe, dass bis Anfang Dezember voraussichtlich etwa 85 Prozent des Gesamtvolumens der EU-Fördermittel für konkrete Projekte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit festgelegt sein werden. Ich glaube, die EU hat verstanden, dass solche zwingend notwendigen Programme nicht an den Restriktionen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes scheitern dürfen. Wir brauchen nicht weniger europäische Integration – das zeigt gerade dieses Beispiel –, sondern mehr Flexibilität in der Nutzung der bestehenden Möglichkeiten. Für mich kann es nur eine Richtung geben, nämlich hin zu einer weiteren Stärkung der Europäischen Union. Wir dürfen und können ein Weniger an europäischer Integration nicht akzeptieren. Nur ein stabiles Europa lässt die Menschen in sozialer Sicherheit leben und sichert gesellschaftlichen Frieden. Nur dort, wo sozialer Frieden herrscht, kann auch wirtschaftlicher Wohlstand wachsen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege. Norbert Spinrath (SPD): Ich komme zum Schlusssatz. Danke. – Lassen Sie uns einfach neuen Mut zeigen, Mut, die Vision unseres Grundgesetzes neu zu beleben, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Spinrath. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Wolfgang Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Schönen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Spinrath, weil Sie meinen Kollegen van Aken angesprochen haben, will ich Ihnen entgegnen. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl gehabt: Wer hier glaubt, dass er ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. – (Peter Beyer [CDU/CSU]: Nicht ablenken!) Das stammt ja nicht aus meiner Geisteswelt. Ich halte es aber trotzdem für sehr wichtig. Der Kollege van Aken hat den Außenminister persönlich angesprochen und hat im Zusammenhang mit der Politik der Bundesregierung den Begriff „Mitschuld“ verwendet. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Nein! Nein! Nein! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Wolfgang, lass es! – Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister: Es wird nur noch schlimmer!) Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie erkennen, dass die Regierungen, die akzeptiert haben, die dulden, dass Europa zur Festung gemacht wurde, ein höheres Maß an Schuld haben, als wir hier sie haben. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Genau das ist zurückgewiesen worden! Unglaublich!) Das waren der Sinn und der Inhalt der Worte meines Kollegen van Aken. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das so gemünzt war. Auch ich finde, dass man in Debatten manchmal scharf zulangen muss. Angesichts eines Zustandes, der einen würgt – man halte sich vor Augen, was dort passiert –, (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Persönliche Verunglimpfungen haben hier nichts zu suchen!) muss man Regierungen sagen: Wenn ihr euren Kurs nicht ändert, habt ihr Schuld daran, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. – Dazu stehe ich, und es war richtig, das hier auszusprechen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Spinrath, Sie haben das Wort zur Erwiderung. Norbert Spinrath (SPD): Lieber Herr Gehrcke, Sie haben recht, dass man in Debatten durchaus auch einmal scharf akzentuieren muss, um nach einem guten, sehr vertieften Streit, indem man die Dinge miteinander besprochen hat, letztendlich zu einer politischen Entscheidung finden zu können. Aber das hat nichts mit dem zu tun, was Herr van Aken hier eben gemacht hat, als er den Bundesaußenminister sehr persönlich angegriffen hat. Deshalb habe ich gesagt: Das hat mit der Würde dieses Hauses nichts zu tun. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich bin für jeden sachlichen und inhaltlichen Streit sehr zu haben. Aber wenn es wie bei diesem Angriff auf Herrn Steinmeier ins Persönliche geht, dann fühle ich mich auch selbst betroffen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. – Der nächste Kollege in der Debatte ist Manuel Sarrazin für Bündnis 90/Die Grünen. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich dazu nichts sagen; (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Mach es einfach nicht!) denn allzu oft heißt es, man gebe der Linkspartei zu viel Raum. Aber wenn Sie von der Linkspartei mit „Jeder ist so ein bisschen schuld an allem“ kommen – diese Auffassung kann man durchaus teilen –, muss ich schon sagen: Wir haben im Jahr 2009 mit dem Vertrag von Lissabon die Grundrechtecharta der Europäischen Union endlich rechtsverbindlich gemacht. Wir haben dafür gesorgt, dass das Europäische Parlament über Justiz und Innenpolitik mitentscheiden kann, dass diese Politikbereiche endlich vor Gericht einklagbar sind, damit mehr für Menschenrechte getan werden kann. Sie haben das abgelehnt. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Was hat denn das mit „Mare Nostrum“ zu tun?) Wenn Sie wollen, dass mehr für die Menschenrechte von Flüchtlingen getan wird, müssen Sie für mehr Europa streiten und nicht dafür, dass nationale Grenzen hochgezogen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Es geht um „Mare Nostrum“! Das ist eine völlig andere Debatte!) So kann man nämlich auch über Schuld reden. Sie reden, seitdem Sie hier im Bundestag sind, das Projekt des gemeinsamen Europa immer schlecht. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das ist doch nicht wahr!) Dabei wird man das Problem, dass Flüchtlinge im Mittelmeer sterben, nur lösen können, wenn man endlich dazu kommt, mehr gemeinsam in Europa zu machen und nicht immer wieder die nationale Karte zu ziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Hören Sie auf, die Moralapostel zu spielen! Ich werde Ihnen niemals persönliche Schuld vorwerfen für irgendetwas, was auf der Welt passiert. Diesen Maßstab sollten wir gemeinsam behalten. Wir leben in einer Zeit, in der man Stabilität braucht. Stabilität ist die neue Währung für alles. Wir sehen doch, was an unseren Grenzen passiert. Es geht um Stabilität: im Osten, im Süden, am Mittelmeer, aber auch im Mittleren Osten. Für was wird Europa gebraucht, wenn nicht dafür, ein Zentrum zu sein, in dem noch Stabilität herrscht? Wenn wir wollen, dass es in Zukunft Stabilität an den Grenzen Europas gibt, was gut für die Menschen ist, die dort leben, dann müssen wir in Europa stärker zusammenhalten und unsere Probleme gemeinsam lösen. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aber bei „Mare Nostrum“ hat Europa versagt!) Das heißt, dass man am Euro festhält, und das heißt, dass man gemeinsam die wirtschaftlichen Probleme im Süden löst, ohne immer gegen den Euro oder gegen die europäische Integration zu stänkern oder immer einfach nur dagegen zu sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Kollege Sarrazin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Dr. Diether Dehm? Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gern. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Lieber Herr Sarrazin, es kann ja sein, dass wir unterschiedlicher Meinung sind, was den Euro und einige Maßnahmen im Rahmen des Lissabon-Vertrages anbetrifft. Aber kann ich Sie insofern richtig verstehen, dass diejenigen mehr Schuld an dem haben, was im Mittelmeer geschieht, die zu Frontex stehen, als diejenigen, die gegen Frontex sind? (Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE] – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Kollege Dehm, Frontex hat im Moment, wie ich glaube, 350 Mitarbeiter. Die Vorstellung, dass Frontex allein alle Menschen, die mit einem Boot nach Europa kommen, ablehnt, versinken lässt, ist meiner Ansicht nach keine, die das Problem adressiert. Wir erleben in der Europäischen Union seit Jahren eine Politik der Innenminister aus verschiedenen Ländern – dazu gehörte zumindest in der letzten Legislatur ausdrücklich auch die Bundesrepublik Deutschland –, die Elemente von Solidarität angesichts der Probleme mit Flüchtlingen in den Staaten im südlichen Europa vehement abgelehnt hat und die auch nicht positiv darauf hingewirkt hat, die Regeln zum Thema Humanität, zum Beispiel das Non--refoulement-Prinzip – wirklich jeder, der flieht, hat die Chance, einen Asylantrag zu stellen und ein rechtsförmliches Verfahren zu bekommen –, in den Verhandlungen, die es darum gab, europäisch zu stärken. Der entscheidende Punkt, den ich meine, ist: Wenn man die wirklich unmenschlichen und unhaltbaren Zustände verändern will, dann wird man das nur erreichen, indem man mehr europäisches Recht schafft, das über der Auslegung internationalen Rechts durch einzelne Nationalstaaten steht und die Nationalstaaten verpflichtet, mehr zu tun. Deswegen stimme ich Ihrer politischen Forderung, „Mare Nostrum“ fortzusetzen, total zu. (Karin Binder [DIE LINKE]: Das ist schon mal was!) Wenn Sie sich hier die Freiheit herausnehmen, zu behaupten, jemand sei persönlich schuld, was ich zutiefst ablehne, möchte ich Ihnen nur sagen: Ich werde Ihnen nie vorwerfen, Sie seien persönlich schuld am Sterben im Mittelmeer, nur weil Ihre Europapolitik unverantwortlich ist und niemals für bessere Regeln in diesem Politikbereich sorgen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung, nämlich von der Kollegin Hänsel? Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: So kann man seine Redezeit auch verlängern!) Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Als Entwicklungspolitikerin, Herr Sarrazin, möchte ich Sie doch noch einmal auf etwas aufmerksam machen. Sie sprachen davon, dass wir eine gemeinsame europäische Politik gegenüber den Ländern des Südens brauchen. Die haben wir bereits, und das ist eine der großen Fluchtursachen. Wir haben die EU-Freihandelsabkommen mit Afrika. Wir haben in der EU die Gemeinsame Fischereipolitik, die dazu beiträgt, dass viele Fischer arbeitslos werden, zum Beispiel vor Westafrika. Das sind die Flüchtlinge von heute und morgen. Auch die Kleinbauern, denen durch die neoliberale europäische Politik die Existenz zerstört wird, sind die Flüchtlinge von heute und morgen. Sie können hier doch nicht ein Loblied auf das gemeinsame europäische Agieren singen, wenn wir parallel ganz andere Entwicklungen sehen. Woher kommen denn die Flüchtlinge? Deswegen gibt es diese Mitschuld. Darum geht es. Wir sind hier verantwortlich dafür, dass es Flüchtlinge gibt und dass viele Flüchtlinge im Mittelmeer krepieren. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Sarrazin, bitte. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin Hänsel, auch wenn es keine Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und afrikanischen Staaten gibt – mir sind zumindest in diesem Moment keine bekannt –: (Heike Hänsel [DIE LINKE]: APEC! Wirtschaftspartnerschaften!) Ich finde ebenfalls, dass beispielsweise die Praxis der -Fischereiabkommen, so wie sie ausgeführt wird, nicht geht und dringend überarbeitungsbedürftig ist. Deswegen haben wir uns im Europäischen Parlament immer gegen diese Fischereiabkommen gewandt. Der Kollege Frithjof Schmidt hat das in seiner Zeit im Europäischen Parlament an vorderster Front getan, gegen viele Lobbyisten aus vielen Mitgliedstaaten. Da kann man dann die grundsätzliche Frage aufwerfen: Glaubt man eigentlich, Sachen eher verändern zu können, indem man für andere politische Mehrheiten auf europäischer Ebene sorgt, oder glaubt man, Sachen würden besser, wenn die Nationalstaaten für sich diese Politik so fortsetzen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Frage, die hier besprochen wurde, dreht sich um die konkrete Situation, dass Menschen über das Mittelmeer fliehen, aber nicht jedem Menschen das individuelle Recht gewährt wird, die Fluchtursachen in einem rechtsstaatlichen Verfahren bewerten zu lassen und dann nach Recht und Gesetz behandelt zu werden. Ich sage Ihnen aus meiner Erfahrung: Ein großes Problem bei dieser Praxis ist, dass die nationale Innenpolitik und der nationale Grenzschutz jeweils so handeln, wie es in -ihrem nationalen Interesse angeblich am besten ist, nämlich so, dass möglichst wenige in das eigene Land kommen. Was wir dagegensetzen müssen, ist eine euro-päische Vision von humanen europäischen Regeln, die im Zweifelsfall auch gegen nationale Interessen durchgesetzt werden. Dafür braucht man mehr Europa, nicht weniger Europa, wie Sie es immer fordern. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. Jetzt geht es weiter in der Rede. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin, wenn wir über Stabilität reden, dann müssen wir natürlich auch über die ökonomische Krise in Europa reden. Wenn wir die Lage im Süden Europas betrachten – ich glaube, Herr Juncker hat Vorschläge gemacht, die in die richtige Richtung gehen können, wenn sie richtig umgesetzt werden –, dann müssen wir auch darüber reden, dass die Europäische Union mehr Demokratie und mehr Legitimität braucht, um die Transformation zu schaffen und Gesamteuropa wieder zu einem attraktiven, starken, stabilen Wirtschaftsstandort zu entwickeln. Denn unsere Auseinandersetzung um die Werte der Europäischen Union – im globalen Maßstab, aber auch mit Blick auf unsere direkte Nachbarschaft – muss mit einer Diskussion darüber unterlegt sein, wie die EU wieder zu einem erfolgreichen wirtschaftlichen Modell werden kann. Insofern können wir nicht zusehen, wenn wir bemerken, dass die Gefahr besteht, dass Länder wie Portugal, Spanien, Italien oder Griechenland in eine dauerhafte Rezession verfallen, dass die kleinen Hoffnungsschimmer, die es in diesen Ländern vielleicht gab, durch eine neue Rezession zerstört werden. In unserer Auseinandersetzung um Werte müssen wir aber auch eines festhalten: Im Zusammenhang mit der Ukraine ist in besonders starkem Maße zu erkennen, wo der Unterschied zwischen den Werten liegt, die der Kreml formuliert, und den Werten, die wir haben; das erkennt man sehr gut daran, wie die Menschen in den von Separatisten kontrollierten Gebieten behandelt werden. Also müssen wir, auch um das Argument der doppelten Standards zu entwerten, mehr dafür tun, dass die Grundwerte der Europäischen Union auch im Innern der Europäischen Union umgesetzt werden. Deswegen ist es zu begrüßen, wenn es auch in der Bundesregierung Ideen gibt, einen europäischen Grundwertemechanismus zu entwickeln. Die Grünen werden in absehbarer Zeit Vorschläge dazu machen. Meine Damen und Herren, Europa wächst immer mehr in die Rolle hinein, nicht mehr nur ein Ort für ökonomischen Wohlstand und Wohlfahrt zu sein, wie es viele nach 2004 dachten, sondern auch die Grundlagen für Stabilität und Sicherheit zu legen. Wir werden den außenpolitischen Herausforderungen der Zukunft nur dann gerecht werden können, wenn wir in der Lage sind, Europa weiterzuentwickeln und bei Fragen der weiteren Integration Europas mutig und entschlossen voranzugehen, anstatt im nationalen Kämmerchen darauf zu warten, dass die Krisen auf uns zukommen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Sarrazin. – Nächster Redner in der Debatte Dr. Peter Gauweiler für die CDU/CSU-Fraktion. Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich habe einen wunderschönen Beitrag zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vorbereitet und will mich jetzt nicht in die Niederungen der europäischen Asyldebatte begeben. Ich will hier nur einen kleinen Beitrag zur politischen Bildung leisten. Ja, Frau Hänsel, es stimmt – es ist auch bitter –, dass die deutsche Asylpolitik in einer gewissen Weise immer wieder auf Restriktionen ausgerichtet ist. Dies geht auf die Änderung von Artikel 16 in Artikel 16 a des Grundgesetzes zurück. Diese Änderung wurde von unserem Parteifreund Edmund Stoiber gemeinsam mit Ihrem heutigen Parteifreund Oskar Lafontaine ausgearbeitet. Ich nehme beide davor in Schutz, deswegen als Massenmörder bezeichnet zu werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) – Magerer Beifall, aber immerhin. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Guter Versuch!) Wenn Sie mir eine persönliche Anmerkung erlauben – wir kennen uns ja aus vielen heftigen Debatten im Auswärtigen Ausschuss –: Es ist klar, dass es kaum ein Thema gibt, bei dem man heftiger unterschiedlicher Meinung ist; aber ich denke, man muss solche Debatten führen können, ohne dem anderen gleich ein volles Maß an Charakterlosigkeit vorzuwerfen. Ich bin, ehrlich gesagt, sehr von der Art und Weise überzeugt – auch bei kontroversen Themen, bei denen ich nicht seiner Meinung bin –, wie Herr Steinmeier die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland gestaltet. Ich bin oft – das ist kein Geheimnis – anderer Meinung. Aber als Parlamentarier, als CSUler, als Konservativer, aber auch als einer, der will, dass Deutschland in der Welt gut dasteht, fühle ich mich von diesem Mann eigentlich immer sehr gut vertreten. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit einmal sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zurück zu meiner schönen Rede. (Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik steht immer in dem Verdacht – der Minister hat darauf hingewiesen –, nur eine Art Sahnehäubchen oder Ähnliches zu sein. Wir unterstützen neben vielen anderen Projekten in der ganzen Welt angesichts des 500. Jahrestags der Reformation die Lutherdekade. So haben wir unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik als Motto einen Spruch des Reformators gegeben: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Lassen Sie mich das an einem schönen Beispiel verdeutlichen. Während wir hier über den Haushalt diskutieren, ist für einen Förderbetrag von wenigen Tausend Euro das Orchester des bayerischen Staatstheaters am Gärtnerplatz in dem großartigen, aber viel geplagten Land Mexiko unterwegs. Der mexikanischen Presse der letzten Tage ist zu entnehmen, dass in der Zeit vom 20. bis 26. November 2014 die „Tage des Zorns“ stattfanden wegen ganz katastrophaler Verhältnisse in der öffentlichen Ordnung, fürchterlicher Morde und Schandtaten, in die auch die regierenden Kreise verwickelt sind. In allen großen Städten Mexikos haben Protestveranstaltungen stattgefunden. Fast in jedem Bericht der mexikanischen Presse wird erwähnt, dass das bayerische Staatsorchester jene Tage des Zorns, wie es wörtlich in der mexikanischen Presse heißt, veredelt hat, indem es bei Massenveranstaltungen in Mexiko-Stadt, in Guadalajara und Morelia aufgetreten ist und Franz Schubert gespielt hat. Dieser Gegensatz zwischen „Tage des Zorns“ und seiner 5. Symphonie, die – Schubert-Fans wissen das – die „liebliche Symphonie“ genannt wird, hat, so die Stimmen in der mexikanischen Presse weiter, Erschütterung als auch Veredelung in der Debatte kombiniert. Dafür ist man sehr dankbar. Das ist ein solches Apfelbäumchen. Wir alle sind gefragt, diese zu gießen und zu pflegen, wo immer wir können. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Es ist auch ein Erfolg des Außenministeriums – ich darf bei dieser Gelegenheit die Staatsministerin Maria Böhmer dankend erwähnen –, dass jetzt ein Haushaltsplan für den Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vorliegt – wir haben in 17 Sitzungen darauf hingearbeitet –, der sich im Vergleich zu früher sehen lassen kann und der an alte Erfolge anknüpft. Das Goethe-Institut erhält rund 16 Millionen Euro mehr. Ich weiß, dass das für Euro-Retter ein Betrag ist, für den sie nicht einmal einen Aktendeckel in die Hand nehmen würden. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber für uns ist das ein gewaltiger Fortschritt. Alois Karl, ich möchte dir als CSU-Berichterstatter herzlich dafür danken. Wir könnten am Goethe-Institut eine CSU-Gedenktafel anbringen; womit früher sicherlich niemand gerechnet hätte. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir setzen ein Programm fort, mit dem wir 12 Millionen Schüler, die an 110 000 Schulen weltweit Deutsch lernen – das ist doch nicht irgendetwas! – erreichen. Das Goethe-Institut wird in die Lage versetzt, mit fast 95 Prozent der Bildungsstätten, also fast allen, Kontakt aufzunehmen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege Gauweiler, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Manuel Sarrazin? (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Er braucht sowieso noch Redezeit!) Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Bitte. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin! – Verehrter Herr Kollege Gauweiler, ich habe immer versucht, meine Bemerkungen in Fragen zu verstecken. Ich bin über das neue Verfahren etwas verwundert; aber ich werde das auch jetzt versuchen. Herr Gauweiler, niemand bestreitet die Risiken, die Deutschland im Zuge der Euro-Rettung eingegangen ist. Wir haben das offen beschlossen; das ist Recht und Gesetz. Wir haben darüber unterschiedliche Auffassungen. Das habe ich nie geleugnet. Dennoch möchte ich Sie vor dem Hintergrund des netten Verweises darauf hinweisen, dass im Gegensatz zu Ihrem sehr lobenswerten Projekt der Europäische Stabilisierungsmechanismus im letzten Jahr immerhin einen beträchtlichen Millionengewinn ausgewiesen hat. Das unterscheidet ihn insofern von Ihrem Projekt. Der ESM macht Gewinne; das kann anhand von Drucksachen belegt werden. Darum meine Frage, ob Sie diese Gewinne zur Kenntnis nehmen. Danke. Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Ich nehme in diesem Bereich sehr viel zur Kenntnis und bin gern bereit, Ihnen ein Collegium privatissime et gratis zu der ganzen Problematik zu geben. (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber das würde jetzt die ganze Redezeit sprengen. Seien wir uns einig, dass wir uns – mit allem Respekt – uneinig sind. Der Europäische Gerichtshof wird am 14. Januar 2015 eine Erklärung des Generalanwalts, eine besondere Einrichtung des EuGH, erwarten, und danach unterhalten wir uns wieder, Herr Sarrazin. (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) – Vielen Dank. Wir können mit dieser Etaterweiterung nun auch in einen besonderen Bereich gehen, der natürlich auch belächelt werden kann – ich habe mich am Anfang geniert, darüber zu sprechen –: eine kulturelle, volkspädagogische Betreuung von Flüchtlingslagern. Man wagt es ja kaum auszusprechen, aber das Goethe-Institut und viele andere Bildungsträger deutscher Sprache veranstalten jetzt in den zehn größten Flüchtlingslagern, die es hier gibt, Kurse für Kinder – Unterrichtsveranstaltungen und Malkurse –, eine Form der Freizeitgestaltung. Wir haben uns mit Leuten unterhalten. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts hat von den Erfahrungen seiner eigenen Frau erzählt, die selber in einem Flüchtlingslager lebte, wie die Eltern dort mit tage-, wochen- und monatelangem Warten zermürbt werden, bis irgendetwas Kulturelles für ihre Kinder angeboten wird. Und ich finde es sehr, sehr gut, dass sich das Goethe-Institut aufgrund der Initiativen des Bundestages – auch von Ihnen, Frau Präsidentin Roth – ein Herz gefasst hat, in dieser Sache etwas zu tun. Heute Abend wird der Beirat Tarabya eingesetzt. Erfahrene Kulturpolitiker im Bundestag werden sich erinnern. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Haushälter auch! – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: -Never-ending Story!) – A Never-ending Story, aber die Sache steht, und sie ist mittlerweile vorweisbar. Sie steht. Neben der Villa -Aurora in Los Angeles und der Villa Massimo in Rom ist eine Kulturstätte für den ganzen orientalischen Raum geschaffen worden, die großartig ist und von der Istanbuler Beobachter sagen, das seien die schönsten Parkanlagen der ganzen Türkei; und ich bin stolz darauf, dass hier der Bundesadler steht und wir dort einen Träger deutscher Kulturpolitik haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bei den Auslandsschulen sind wir im Moment dabei, den Bereich duale Bildung auf unsere Auslandsschulen, auf die deutschen Gymnasien im Ausland draufzusatteln bzw. Berufsschulzweige auch dort durchzusetzen. Ich bin verzweifelt, wenn ich die Hindernisse sehe, gegen die wir uns im Moment in Thessaloniki durchsetzen müssen, teils bei der griechischen Regierung und übrigens manchmal auch bei der Bundesregierung – nicht im Auswärtigen Amt, ist jemand vom Bildungsministerium da? –, um die einfachsten Abstimmungsvorgänge durchzuziehen, damit sie nicht monatelang dauern. Ich habe mir erlaubt, der Regierung einen Brief zu schreiben und die Vorgänge darzustellen. Wir wollen in jedem der Länder am Mittelmeer mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, in denen es deutsche Schulen gibt, die duale Ausbildung mit Berufsschulen einrichten. Ich halte es für einen großen Erfolg, dass wir das jetzt können. An der deutschen Schule in Ecuador in Lateinamerika – mit 1 600 Schülern eine der größten deutschen Schulen der Welt – funktioniert diese Systematik übrigens bereits hervorragend. Der Deutsche Akademische Austauschdienst kann jetzt die Zahl seiner Stipendiaten eindrucksvoll erhöhen. 2013 hat er über 110 000 Personen – die Mehrheit übrigens Deutsche, über 69 000, die ins Ausland gegangen sind – gefördert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich sind wir in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik im Bereich der Konfliktbeseitigung völlig waffenlos und damit in den Augen mancher eigentlich ungeeignet. Auf der anderen Seite sind wir der Auffassung, dass wir möglicherweise mehr bewirken können. Und ich bin stolz darauf, dass es im Gegensatz zum französischen Parlament im Deutschen Bundestag keine Stimmen gab, die im Zusammenhang mit der Ukraine/Russland-Krise die Forderung erhoben haben, dass wir die kulturellen Auslandsbeziehungen – zum Beispiel zu Russland – abbrechen sollten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Wir brauchen die Beziehungen zu Russland und zur Ukraine nicht weniger, sondern mehr, und wir intensivieren sie. Ich bin froh, Herr Außenminister, dass Sie mit durchgesetzt haben, dass das sogenannte Kreuzjahr, das Jahr der deutschen Sprache in Russland und das Jahr der russischen Sprache hier bei uns, das die Bundeskanzlerin mit dem russischen Präsidenten Putin vereinbart hatte, nicht abgebrochen, sondern fortgesetzt wurde. Bei der Eröffnungsveranstaltung mit dem Goethe-Institut vor wenigen Wochen, an der ich selbst teilgenommen habe, im Eremitage-Garten in Moskau waren nach Zahlen des Goethe-Instituts 17 000 Menschen versammelt. Haben Sie schon einmal Versammlungen mit 17 000 Leuten gemacht? Ich nicht. Es ist in der vergangenen Woche in Moskau die Vereinigung der Deutschlehrer in Russland gegründet worden. Der Unterausschuss ist übernächste Woche in der Ukraine, um dort ein trilaterales Projekt der Universitäten Lemberg und Moskau mit der Universität Würzburg zu gründen. Dabei sollen die Studenten, deren Austauschprojekte anderswo nicht durchgeführt werden können, von Würzburg mit übernommen werden. Ich halte das für eine ermutigende und großartige Entwicklung. Ich wollte zum Schluss noch etwas sagen – das tue ich jetzt nicht, Frau Präsidentin – zu dem bevorstehenden und notwendigen Kulturabkommen mit Kuba. Dazu beim nächsten Mal mehr. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ist aber so schön! Mach weiter!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Einen Satz dürfen Sie noch, Herr Kollege Gauweiler. Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Vielleicht haben wir es bis zum nächsten Mal abgeschlossen. Vielen herzlichen Dank! Und zu Ihnen, Herr Sarrazin, komme ich und sage Ihnen das Nötige. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Thomas Dörflinger, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Traditionell ist ja die Haushaltsdebatte über die einzelnen Politikbereiche auch ein Moment, wo man die Dinge so ein bisschen im Grundsatz beleuchtet. Wenn ich nun versuche, grundsätzlich den Blick auf Europa und die Außenpolitik zu lenken, ist es dabei vielleicht ganz hilfreich, den Blickwinkel zu wechseln und zur Kenntnis zu nehmen, was sich außerhalb von Europa tut bzw. wie andere außerhalb von Europa uns sehen. Ich blende zunächst einmal drei Jahre zurück: Im November 2011 sagte Barack Obama in Canberra – mit dieser Bemerkung wurde er jedenfalls zitiert –, dass für die Vereinigten Staaten von Amerika in den kommenden Jahren der pazifische Raum die oberste Priorität genießen würde. Er tat es im Zusammenhang mit einem Freihandelsabkommen, das die USA mit acht pazifischen Staaten vereinbarten. Drei Jahre später – das liegt jetzt gerade ein paar Tage zurück – kamen auf der APEC-Konferenz Vertreterinnen und Vertreter der Staaten zusammen, die 40 Prozent der Weltbevölkerung und 57 Prozent der Wirtschaftsleistung auf diesem Globus erbringen. Zum Vergleich: Die Europäische Union stellt, wenn man es günstig rechnet, 7 Prozent der Weltbevölkerung und rund 20 Prozent der Wirtschaftsleistung. So viel zum Verhältnis. Ich sage das deswegen, weil ich mich gelegentlich etwas wundere über die Debatte, die nicht nur hier in diesem Hohen Hause, sondern auch anderswo zum Transatlantischen Freihandelsabkommen geführt wird. Ich gestehe gerne, dass auch ich persönlich da noch einige Fragen habe, dass es da noch Herausforderungen gibt, die in den Verhandlungen zu meistern sind. Aber eines muss allen klar sein, meine Damen und Herren: Wenn Europa – bildlich gesprochen – auf dem Sofa sitzen bleibt und darauf wartet, dass der Welthandel vorbeikommt und sagt: „Bitte schön, möchtest du, Europa, an unseren Welthandelsbeziehungen teilnehmen, und wenn ja, zu welchen Konditionen hättest du es denn gerne?“, dann werden wir auf diesem Sofa einen verdammt alten Hintern bekommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das hat etwas mit der Attraktivität von Europa zu tun. Und da war es für mich schon interessant – auch hier versuche ich wieder, den Blickwinkel zu wechseln –, was Papst Franziskus gestern vor den Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments vorgetragen hat. Ich erwähne es nicht so sehr deswegen, weil der Papst das Oberhaupt der katholischen Kirche ist, sondern deswegen, weil da ein Argentinier gesprochen hat. Zusammengefasst in einem Satz lautet für mich das Fazit: Er hat eigentlich angemahnt, dass wir die Prinzipien, die wir uns selbst gegeben haben und deren Einhaltung wir auch bei anderen anmahnen, für uns selbst auch zur Geltung bringen müssen. Damit hat er nicht ganz unrecht. Wir müssen Regeln einhalten, insbesondere auch dann, wenn es um Dinge geht, die vor unserer eigenen Haustür stattfinden. Ich verstehe jetzt unter Europa nicht die Europäische Union, sondern ich meine den ganzen Kontinent. Damit bin ich bei der Ukraine, meine Damen und Herren. Ich bin, offen eingestanden, erschrocken über den Vorschlag, man möge darüber nachdenken, wie man die völkerrechtswidrige Annexion der Krim sozusagen im Nachhinein, ex post, völkerrechtlich legitimieren könne. Diesen Vorschlag fand ich, gelinde gesagt, ziemlich abenteuerlich, und ich bin dankbar, dass dieser Vorschlag in dieser Debatte nicht noch einmal kam, wenn ich richtig aufgepasst habe. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich fand diesen Vorschlag nicht nur abenteuerlich, weil er dem Vorgang nicht gerecht wird, sondern auch, weil es nicht sein kann, dass wir es zum Grundsatz unseres politischen Handelns machen, den Verstoß gegen Regeln dadurch zu beantworten, dass wir anschließend die Regeln ändern; denn dann könnten wir uns eigentlich in jeglichem Bereich aus der Rechtssetzung verabschieden. Das wäre keine zukunftsweisende Politik, weder für die Bundesrepublik Deutschland noch für Europa. Ich rate, bei der Beurteilung der Lage in der Ukraine und auf der Krim auch zur Kenntnis zu nehmen, dass Präsident Putin zum Beispiel just vor wenigen Tagen in Abchasien mit dem dortigen – ich sage das in Anführungszeichen – „Präsidenten“ eine strategische Partnerschaft vereinbart hat und wie das beispielsweise in der Republik Moldau wirkt. Wie muss das auf die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse von Lettland, Estland und Litauen gewirkt haben, die uns am 29. August dieses Jahres einen Brief geschrieben haben, aus dem man zwischen den Zeilen die blanke Angst herauslesen kann, und zwar die blanke Angst um die Fortexistenz des eigenen Staates? Und wie muss es bei denen ankommen, wenn in einem freien Land wie der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf einen Völkerrechtsverstoß solche Debatten geführt werden? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So ist die Freiheit!) – Gerade gab es einen Zwischenruf zum Thema Freiheit. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So ist eben die Freiheit; dass man seine Meinung sagen darf!) Meine Damen und Herren, gelegentlich findet man im Archiv des Deutschen Bundestages bemerkenswerte Plenarbeiträge von unseren Vorgängerinnen und Vorgängern. Ich habe einen solchen gefunden. Im Mai 1998 hat der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff in seiner Abschiedsrede Folgendes vorgetragen – ich sage das, weil wir hier über den Haushalt sprechen –: Freiheit – Herr Kollege Gehrcke – geht meist scheibchenweise und auf Grund von Sorglosigkeit im Kleinen verloren … Der Zünfte- und Ständestaat bestand aus einer Unmenge von kleinen Privilegien, die ihrem Empfänger eine Gefälligkeit bereiteten, aber in ihrem Anwachsen den Bürgern insgesamt ein immer größeres Netz von Bevormundungen erbrachten. Gefälligkeiten gegenüber Lobbies jeder Art – das gilt damals wie heute – sind schleichendes Gift der Demokratie. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Finde ich auch! Sage ich ja!) Das sagte Graf Lambsdorff damals. Ich glaube, das gilt heute auch. (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Gemeinwohl ist sehr viel mehr als die Summe aller Partikularinteressen, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, klar!) sowohl qualitativ als auch rechnerisch. – Herr Kollege Gehrcke, ich würde mich freuen, wenn der Beifall und die Zustimmung, die Sie mir an dieser Stelle signalisieren, sich auch inhaltlich in Ihren Anträgen im Deutschen Bundestag widerspiegeln würden. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht überfordern!) Die Kolleginnen und Kollegen aus den einzelnen Fachbereichen werden bestätigen können, und zwar nicht nur mit Blick auf die Haushaltsberatungen, dass es oftmals so ist, dass sich ein Partikularinteresse jedweder Art in einem Antrag der Fraktion Die Linke wiederfindet, der in den Deutschen Bundestag eingebracht wird. Zukunftsfähigkeit heißt nicht unbedingt per se, für jeden Bereich mehr Geld auszugeben, sondern Zukunftsfähigkeit heißt, dass man zunächst einmal mit dem Geld auskommt, das man hat, dass man nicht mehr Schulden macht, sondern mit dem Geld auskommt, das die Bürgerinnen und Bürger bereitstellen. Weil diese Voraussetzungen auch im Einzelplan 05 erfüllt sind, wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesem Einzelplan und dem Haushaltsgesetz zustimmen. Weil man nicht nur mit dem Geld auskommen muss, das man zur Verfügung hat, sondern auch mit der Redezeit, die einem von der eigenen Fraktion zur Verfügung gestellt wird, schenke ich Ihnen die letzten zwei Minuten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Doris Barnett [SPD]) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05, Auswärtiges Amt, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3282? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wir stimmen nun über den Einzelplan 05, Auswärtiges Amt, in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 05 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.10 auf: Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/2813, 18/2823 Berichterstattung haben die Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Karin Evers-Meyer, Michael Leutert und Dr. Tobias Lindner. Zum Einzelplan 14 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Das Wort erhält der Kollege Michael Leutert, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Das Bundesministerium der Verteidigung ist eine riesengroße Baustelle. Auf dieser Baustelle herrscht auch noch Chaos. Diese Baustelle verschlingt jedes Jahr über 30 Milliarden Euro an Steuermitteln. Damit allen klar ist, über wie viel Geld wir hier sprechen: Für Forschung und Bildung gibt der Bund nur die Hälfte aus. Ich weiß auch, dass Sie für das Chaos nicht allein die Verantwortung tragen. Dieses Ministerium hat schon viele Minister vor Ihnen verschlungen. Der Apparat, den Sie übernommen haben, ist, gelinde gesagt, heimtückisch. Aber jetzt tragen Sie die Verantwortung dafür. Ich möchte die Zustände an zwei Beispielen verdeutlichen: Die Bundeswehr schafft gerade den Transporthubschrauber NH90 an. Wie bei allen anderen Großprojekten auch, gilt hier: Er wurde zu spät geliefert. Die Kosten laufen aus dem Ruder. Es wird technisch nicht das erfüllt, was eigentlich versprochen wurde. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Wie im Sozialismus!) Nun kommt aber noch eine andere Sache dazu, nämlich dass das, was geliefert wurde, nicht funktioniert. Es ist so schlimm, dass mittlerweile das Leben der Soldatinnen und Soldaten und auch das von Zivilisten gefährdet werden kann. Im Juni ist ein solcher Hubschrauber im Afghanistan-Einsatz fast abgestürzt. Ein Triebwerk -explodierte. Dadurch wurde der Rotor beschädigt, und herabstürzende Teile setzten Felder in Brand. Erst diesen Monat wurde aus diesem Grund ein Flugverbot für alle NH90 verhängt – für ganze zwei Tage. Dann kam man zu dem Schluss, es wäre ein Einzelfall, und gab wieder die Starterlaubnis. Sie wissen aber, dass es kein Einzelfall ist. Sie wissen spätestens seit dem Bericht der Unternehmensberatung KPMG, der von Ihnen beauftragt wurde und der im September vorgelegt wurde, dass das Problem immer noch nicht gelöst ist. Noch schlimmer: Seit Januar ist bekannt, dass bei den Turbinen keine ordnungsgemäße Abnahme stattfand. Es fehlt einfach ein Prüfstempel. Auch nächstes Jahr sollen über 270 Millionen Euro für den Kauf dieses Waffensystems ausgegeben werden. Unter diesen Bedingungen muss aber eigentlich jeder vernünftige Haushälter sagen: Halt! Stopp! Für dieses Gerät kann man kein Geld ausgeben. Die Gelder müssen gesperrt werden. (Beifall bei der LINKEN) Hand aufs Herz: Ich würde gern einmal denjenigen kennenlernen, der ein Auto kauft, das ein Jahr zu spät geliefert wird, 5 000 Euro mehr kostet, nur auf 80 km/h beschleunigen kann, und wenn man zwei Koffer hinten reinlegt, springt es wegen Überladung nicht mehr an. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist alles Quatsch! – Florian Hahn [CDU/CSU]: Das sind alles Scheinargumente! Es geht doch um das Grundsätzliche!) Ein Blick auf das nächste Großprojekt zeigt, dass dies kein Einzelfall ist. Der Eurofighter braucht sich da nicht zu verstecken. Ein Eurofighter kostet ungefähr 130 Millionen Euro. Ursprünglich sollte dieses Flugzeug 6 000 Flugstunden absolvieren können. Ausgeliefert wurden die Maschinen dann mit einer Gewährleistung für 3 000 Flugstunden, also die Hälfte, aber nicht für den halben Preis. Ende September dieses Jahres teilte der Hersteller mit, dass aufgrund von Herstellungsfehlern bei einer großen Anzahl von Bohrungen die Lebensdauer nur noch 1 500 Stunden beträgt. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Vorübergehend! Das wissen Sie ganz genau!) Nun weiß auch ich, dass deshalb bis auf Weiteres keine Eurofighter mehr wie geplant abgenommen werden. Allerdings: Auch nächstes Jahr stehen im Haushalt über 500 Millionen Euro für den Kauf zur Verfügung. Noch absurder – in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses beschlossen –: Es wird für die schon gekauften Maschinen für mehrere 100 Millionen Euro ein neues Radar entwickelt, das 2021 verfügbar sein soll. Wer die Grundrechenarten beherrscht, kann zusammenzählen, dass dann die Lebensdauer von 1 500 Flugstunden aufgebraucht sein wird. Wir haben dann also ein hochmodernes Radar, aber leider keine Flugzeuge mehr dafür. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Auch hier kann jeder vernünftig denkende Haushälter nur sagen: Stopp! Kein Geld für Schrott! Wir müssen diese Gelder sperren. (Beifall bei der LINKEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Alles Scheinargumente!) Nun brauchen Sie ja auch Nachwuchs. Der kommt nicht freiwillig. Deshalb gibt es die sogenannte Attraktivitätsoffensive. Auch unabhängig davon wird kräftig geworben, unter anderem bei Minderjährigen. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Ach Gott!) Sie begründen das, Frau Ministerin, damit, dass die Bundeswehr ein ganz normaler Arbeitgeber wie jeder andere sei. Das ist sie aber eben nicht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Denn es ist ein Unterschied, ob ich bei VW Autos zusammenschraube oder ob ich bei der Bundeswehr bin und an einem Einsatz teilnehme, bei dem ich im schlimmsten Fall ums Leben komme oder andere töte; das ist der Unterschied zwischen dem Soldatenberuf und jedem anderen, normalen Beruf. Dass die Bundeswehr trotzdem bei Schülerinnen und Schülern wirbt, finde ich unverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Da bieten Kasernen ein sogenanntes Schülerpraktikum im Grünen an. Unter der Überschrift „Ab ins Grüne“ – da denkt man eher an einen Familienausflug am Wochenende – ist auf der Website ein Schützenpanzer zu sehen. Darunter steht: Begeisterung pur: Die Fahrt im Schützenpanzer Marder war für die Jugendlichen ein besonderes Erlebnis. Weiter steht dort: Hier konnten die Praktikanten hautnah erfahren, dass sich eine Fahrt im Panzer sehr deutlich von der in einem Auto unterscheidet. Na, herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Leider haben die Schülerinnen und Schüler nicht erfahren, dass sich der Dienst bei der Bundeswehr auch deutlich von dem Dienst in einem anderen Betrieb unterscheidet. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sie genießen die äußere Sicherheit ja nur! Man muss aber auch etwas dafür tun! – Florian Hahn [CDU/CSU]: Es ist eine Ehre, für die Sicherheit seines Landes zu kämpfen! – Gegenrufe von der LINKEN: Ach so? – Na, für Sie vielleicht!) Damit die Schülerinnen und Schüler aber überhaupt erst einmal Lust haben, so ein Praktikum zu machen, denkt man sich allerlei Sachen aus. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Unglaublich!) In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel werden Schulbusfahrkarten mit dem Logo der Bundeswehr bedruckt. Oder man wirbt in der Bravo mit „Bundeswehr Adventure Camp Beach – Spaß und Infos aus erster Hand“. (Henning Otte [CDU/CSU]: Lesen Sie denn noch die Bravo?) Ja, ich frage Sie: Welcher 16-jährige Jugendliche möchte nicht am Strand Spaß und Abenteuer erleben? Das ist doch wohl logisch. Frau Ministerin, so geht es meines Erachtens nicht. Den Jugendlichen werden Dinge vorgegaukelt, die nichts mit der Realität zu tun haben. (Beifall bei der LINKEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie tun das doch die ganze Zeit!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt des BMVg ist ein Fass ohne Boden. Es wird Technik gekauft, die zu spät kommt, die zu teuer ist, die nicht das kann, was vereinbart wurde, und die dann noch nicht einmal funktioniert. Es wird Geld ausgegeben, um junge Leute zu werben, indem man ihnen einen falschen Eindruck vom Arbeitgeber vermittelt. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Nein! Sie gaukeln den Menschen etwas vor!) Das ist kein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern. Von Transparenz bei Großprojekten kann ebenfalls keine Rede sein. Aus diesem Grunde ist es geboten, diesen Haushalt abzulehnen. Wir Linken werden dagegen stimmen. (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Na ja! Nichts anderes war zu erwarten!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es würde mich zwar reizen, jetzt auf den Kollegen Leutert einzugehen, (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Bitte nicht! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, machen Sie mal! Dazu sitzen wir ja hier!) aber das würde meine ganze Redezeit verbrauchen. Neueren Umfragen zufolge ist eine deutliche Mehrheit zwischenzeitlich der Auffassung, dass mehr Anstrengungen, ja sogar mehr Ausgaben für den Verteidigungsbereich notwendig seien. Nun, wir haben den Haushalt sehr intensiv beraten und keine reale Erhöhung der Verteidigungsausgaben vorgenommen. Wir sind der Überzeugung, dass die für 2015 genehmigten Mittel ausreichend sind. Trotzdem: Die Umfragen zeigen, die Menschen im Lande legen großen Wert darauf, dass wir verteidigungsfähig sind, unsere Aufgaben erfüllen und unserer Verantwortung gerecht werden können. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Menschen nehmen ganz offensichtlich wahr, dass sich die regionale und globale Sicherheitslage verändert hat. Sie erkennen die Konfliktsituationen, sehen die Krisenherde – von der Ukraine bis zum sogenannten arabischen Krisenbogen – und entwickeln daraus ein entsprechendes Sicherheitsbedürfnis. Es tritt wieder mehr ins Bewusstsein, dass zur Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand große und stetige Anstrengungen erforderlich sind und dass es einer erhöhten Wachsamkeit bedarf. Der alte NATO-Slogan „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“ hat neue Aktualität erlangt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mich hat das Interview des neugewählten EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm in der Zeit vom 13. November 2014 sehr beeindruckt. Er setzt sich darin auch mit dem Einsatz militärischer Mittel auseinander – vor allem auch vor dem Hintergrund seiner persönlichen Lebenserfahrung. Er fordert, wie ich meine, zu Recht, den Vorrang und die Ausschöpfung aller zivilen Mittel und Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung und Konfliktlösung ein. Aber er sagt auch – ich zitiere –: Aber es gibt Situationen, wo diese keinen Völkermord verhindern. Deshalb kann zum friedensethischen Handeln auch das Militär gehören. Wir haben die Pflicht, Verfolgte zu schützen. In diesem Zusammenhang berichtet er auch von seiner Reise in den Irak: Ich habe die Flüchtlingslager gesehen, die Verzweifelten gehört. Danach habe ich mich in der EKD für militärische Hilfe gegen die IS eingesetzt. Das ist eine Gedankenführung und Erarbeitung einer Gewissensentscheidung, die mich persönlich sehr beeindruckt. Ich denke, auch für uns – für die deutsche Politik und für uns hier im Bundestag – gilt: Wir sehen militärische Mittel nicht als vorrangige und schon gar nicht als einzige Mittel der Konfliktbewältigung an. Deshalb haben wir im Auswärtigen Etat – darüber haben wir vorhin ja diskutiert – und im Etat des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auch die Mittel für humanitäre Hilfe deutlich erhöht. Es darf auch an dieser Stelle gesagt werden: Die Bundesregierung – insbesondere die Frau Bundeskanzlerin und unser Bundesaußenminister – nutzt alle Möglichkeiten der Diplomatie, des Gespräches und der Verhandlungen mit außerordentlichem Geschick und großartigem Einsatz, und das möchten wir auch gerne anerkennen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wenn es um Einsätze der Bundeswehr geht, machen wir uns die Entscheidungen hier im Deutschen Bundestag nicht leicht. Die Angehörigen der Bundeswehr müssen wissen, dass sie für ihren Einsatz, wo er erforderlich ist, und für ihren Dienst die Rückendeckung des Parlamentes haben. Wir danken den Angehörigen der Bundeswehr für ihren Dienst an vielen Brennpunkten in dieser Welt. Nicht zu vergessen sind die Freiwilligen, die jetzt aktuell bei der Bewältigung der Ebolaseuche helfen. Hierfür großen Respekt und großen Dank! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir haben bei der Haushaltsgestaltung noch immer mit den Problemen zu kämpfen, die sich aus den Verzögerungen beim Zulauf großer Beschaffungsvorhaben ergeben. Das bleibt nicht ohne Folgen im Hinblick auf unsere Fähigkeiten und auch im Hinblick auf die künftigen Anforderungen an die Haushalte. Wir haben in der Bereinigungssitzung eine Vielzahl von Verpflichtungsermächtigungen ausgebracht, um in den kommenden Jahren situations- und bedarfsgerechte Beschaffungen vornehmen zu können. Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, welche Technologien und welche Fähigkeiten wir im Lande behalten müssen und wollen. Dabei geht es zweifellos um die von der Bundesverteidigungsministerin definierten sogenannten Schlüsseltechnologien, über die wir verfügen müssen, um nicht in unzumutbare Abhängigkeiten zu geraten. Darüber hinaus verfügt Deutschland aber auch über Kernfähigkeiten – so will ich sie -einmal bezeichnen – in den Bereichen Starrflügler, Drehflügler – so bezeichnet man sie heute –, Kampffahrzeuge und U-Boote, die wir uns so weit wie irgend möglich erhalten sollten. Es geht dabei um wichtige Fähigkeiten, aber auch um die Beschäftigten in der wehrtechnischen Industrie und um die Zukunftsfähigkeit der deutschen wehrtechnischen Industrie. Ich weiß, es geht hier nicht nur um die Fragen, welchen Bedarf wir haben und wie groß unsere finanziellen Möglichkeiten sind, sondern auch um die Fragen, welche Märkte und Absatzchancen bei uns in der EU und bei unseren Bündnispartnern gegeben sind und welche Märkte wir darüber hinaus noch bedienen dürfen. Es geht hier also natürlich auch um ein sorgsames Verhalten in der Exportpolitik. Ich komme zu einem anderen Thema: Die Bundesregierung hat das Attraktivitätsgesetz im Kabinett bereits beschlossen. Wir haben im Haushalt Vorsorge dafür getroffen, dass dieses Gesetz im Jahre 2015, wenn die Beratungen darüber hier im Bundestag abgeschlossen sind, dann auch zügig umgesetzt werden kann. Es muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nach Aussetzen der Wehrpflicht die Bundeswehr als Arbeitgeber immer mehr im Wettbewerb mit anderen steht. Dabei wird es immer so sein, dass der Dienst in der Bundeswehr, lieber Kollege Leutert, mit besonderen Anforderungen und Herausforderungen verbunden ist. Das wollen wir auch nicht anders darstellen. Aber wir müssen als Arbeitgeber interessant sein, und wir müssen uns um guten, qualifizierten Nachwuchs bemühen. Auch die Bundeswehr braucht gute Leute, und sie hat gute Leute. Wir wollen dafür sorgen, dass auch in der Zukunft in der Bundeswehr gute, verlässliche und tüchtige Menschen zum Wohle unseres Landes ihren Dienst tun. Wie heißt der Slogan der Bundeswehr? Wir. Dienen. Deutschland. – Wir wollen dafür sorgen, dass dies auch in Zukunft in vollem Umfang möglich ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Abschluss, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist es mir ein besonderes Anliegen, den Mitberichterstattern sehr herzlich zu danken: der lieben Kollegin Karin Evers-Meyer, aber auch dem Kollegen Michael Leutert und dem Kollegen Dr. Thomas – nein –, Tobias Lindner. Ich weiß gar nicht, warum ich immer „Thomas“ sagen will. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer noch besser als „Patrick“ oder „Christian“! – Heiterkeit) – Mein Sohn heißt eben Thomas. (Heiterkeit) Ich danke Ihnen, Frau Ministerin, ganz herzlich für die außerordentlich gute Zusammenarbeit und Ihren Staatssekretären, die uns immer zur Verfügung stehen, lieber Kollege Brauksiepe. Ich danke auch allen Mitstreitern bei Ihnen im Haus, bei uns in den Arbeitsgruppen, im Ausschuss und in den Büros. Aus gegebenem Anlass will ich heute einen besonderen Dank ausbringen an den langjährigen Abteilungsleiter Haushalt, Dr. Paul Jansen, für seine Arbeit und für seine außerordentlich gute Zuarbeit und Betreuung unserer Aufgaben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Tobias Lindner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hat vielleicht, wenn man Haushaltsdebatten über Wochen verfolgt, gelegentlich den Eindruck, es habe sich zwischen der ersten und der zweiten und dritten Lesung eines Haushalts wenig getan. Ich glaube, dieser Eindruck ist bei keinem Haushalt so unzutreffend wie beim diesjährigen Verteidigungshaushalt. Diese Debatte ist aus zwei Gründen berechtigt: zum einen, weil Sie, Frau Ministerin, über die Vorlage zur Bereinigungssitzung innerhalb Ihres Haushaltes massive Umschichtungen – der Kollege Kalb ist gerade auf die Verpflichtungsermächtigungen eingegangen – vorgenommen haben, die nicht nur dieses Jahr betreffen, zum anderen, weil es gerade in den Wochen nach der ersten Lesung hier im Plenum eine ganze Menge an Bericht-erstattungen gab. Nachdem Sie jetzt ein knappes Jahr im Amt sind, will ich kurz auflisten, was Sie bisher alles angekündigt haben: Sie wollen mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, Rüstungsprojekte, die oftmals viel zu teuer sind und bei denen die Rüstungsgüter zu spät geliefert werden, endlich unter Kontrolle bringen, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber machen, ein neues Weißbuch schreiben und schließlich auch neue Großprojekte anstoßen. Schauen wir einmal, was Sie nach einem Jahr der Ankündigungen erreicht haben. Dazu fällt mir ein: Im Dezember letzten Jahres haben Sie zuerst Staatssekretär Wolf in den Ruhestand versetzt. Die Entlassung von Herrn Beemelmans folgte im Februar, genauso wie die des Abteilungsleiters Selhausen, und Haushaltsdirektor Paul Jansen soll – das wurde vor wenigen Tagen beschlossen – in den Ruhestand versetzt werden. Bei den Rüstungsprojekten sieht es folgendermaßen aus: Sie haben viel angekündigt. Im Februar haben Sie die Entlassung angeordnet und ein Gutachten in Auftrag gegeben, das im Oktober vorgelegt wurde; darauf werde ich noch zurückkommen. Vor wenigen Tagen fand, wie ich lesen konnte, eine Kick-off-Veranstaltung eines neuen Teams statt, das sich mit Rüstungsmanagement befassen soll. Viel ist also nicht geschehen. Viel geschehen ist beim Puma, bei dem es im Rahmen des Beschaffungsprogramms zu Verzögerungen kam, beim A400M, der zwar geliefert wird, aber mit weniger Leistungen und bisher ohne Wartungsvertrag, beim Eurofighter, bei dem es Produktionsmängel gab, und schließlich beim G36, bei dem ein Beschaffungsstopp verhängt wurde. Alles in allem muss man sagen: Ihre Bilanz nach einem Jahr, Frau von der Leyen, sieht ziemlich mau aus. Es reicht eben nicht, einfach nur Berichte zu schreiben. Sie müssen auch einmal Entscheidungen treffen, auch wenn diese unbequem sein mögen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Wo waren Sie denn das ganze Jahr?) Es wird viel darüber geredet, ob die Bundeswehr zu viel oder zu wenig Geld hat. Sie haben heute bereits 5 Milliarden Euro mehr an Haushaltsmitteln zur Verfügung, als Sie es eigentlich nach der Planung Ihres Unionskollegen Karl-Theodor zu Guttenberg haben dürften. Zusätzlich haben Sie den Etat für die kommenden Jahre noch mit Verpflichtungsermächtigungen im Mil-liardenbereich vollgestopft. Sie haben uns dann einen Haushaltsplan vorgelegt, der beispielsweise null Rücksicht auf die Probleme im Materialerhalt nimmt. Er nimmt auch null Rücksicht darauf, dass Sie im letzten Jahr gut mit Ihrem Geld ausgekommen sind und 1,6 Milliarden Euro zurückgegeben haben. Nein, Frau von der Leyen, dieser Haushaltsplan 2015 ist eigentlich das Gegenteil eines Plans: Er ist in Zahlen gegossene Planlosigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist aber ein rhetorischer Trick! – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das müssen Sie zurücknehmen! Mit Bedauern!) – Ich kann den Kollegen der Union nur raten, vorsichtig zu sein, wenn wir über Rüstungsprojekte reden. Dabei wird nämlich manches besonderes deutlich. Beschaffungsprojekte haben immer eine große mediale Aufmerksamkeit. 4,3 Milliarden Euro allein im Jahr 2015: Das ist eine ganze Menge Geld. Es ist mehr, als andere Minister insgesamt zur Verfügung haben. Ich glaube, Herr Steinmeier wäre froh, wenn er 4,3 Milliarden Euro hätte. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Die Kanzlerin auch!) Wenn es immer mehr Wünsche als Geld gibt, erfordert das erst recht, dass man vernünftig mit dem Geld umgeht und Prioritäten setzt. Obwohl es in den letzten Monaten immer wieder hieß, es gebe keine Spielräume im Verteidigungsetat, haben Sie sich plötzlich in der Nacht der Bereinigungssitzung noch über 1 Milliarde Euro mehr – ich weiß nicht, wo Sie das Geld gefunden haben – für zwei Projekte, auf die ich noch zu sprechen komme, gegönnt. Abgesehen davon, dass diese Projekte höchst umstritten sind, frage ich Sie: Wie kommt es, dass Sie plötzlich 1 Milliarde Euro mehr bekommen, wenn sonst kein Geld da ist? Zum einen geht es um den GTK Boxer. Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie noch gesagt, Sie wollen damit Schluss machen, dass immer wieder aus dem politischen Raum – das war auch ein bisschen Bashing gegenüber dem Parlament – motivierte Rüstungsprojekte kommen, industriepolitisch getarnt, die dann später kommen und teurer werden als geplant und vielleicht sogar auch gar nicht benötigt werden. Ihr eigener Staatssekretär, Herr Grübel, schreibt uns noch am 14. August – ich zitiere wörtlich –: Eine zusätzliche Beschaffung [des] GTK Boxer würde grundsätzlich eine Korrektur der Leitlinien zur Neuausrichtung der Bundeswehr und den darin verankerten Obergrenzen für strukturrelevante Hauptwaffensysteme bedingen. Weiter heißt es: Weder die Beschaffung von zusätzlichen GTK Boxern noch eine Erhöhung der Aufwendungen für den Betrieb sind in der derzeitigen Finanzplanung abbildbar. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Im August! Wir haben doch jetzt November!) Seit August haben sich die Dokumente, die die Obergrenzen der strukturrelevanten Hauptwaffensysteme bedingen, nicht geändert. Denn dann hätte es einen Kabinettsbeschluss geben müssen. Es gab keine Änderungen. Die Koalition hat dennoch im Verteidigungsausschuss am 14. Oktober nicht nur gefordert, neue Kampfpanzer und einen Leopard 3 zu entwickeln – sie hatte aus meiner Sicht ziemlich absurde Vorstellungen –, nein, Sie wollten dann auch weitere GTK Boxer und haben das mit einer veränderten sicherheitspolitischen Lage auf diesem Planeten begründet. (Henning Otte [CDU/CSU]: So ist das!) Jetzt könnten Sie sich damit herausreden, Frau von der Leyen, dass die Koalition Ihnen das in der Bereinigungssitzung aufgedrückt hat, wie letztes Jahr die globale Minderausgabe. Was aber macht das Verteidigungsministerium? Sie machen sich auf einmal mit dieser Haltung gemein. Sie übernehmen diese Haltung. Sie haben zwar von einer geänderten Sicherheitslage bezogen auf den europäischen Rahmen gesprochen, wollten uns aber dann am 6. November bitten, weil jetzt vor allem Landstreitkräfte erforderlich seien, 131 GTK Boxer mehr zu beschaffen, als es die Struktur der Neuausrichtung der Bundeswehr vorsieht. Das ist das exakte Gegenteil dessen, Frau von der Leyen, mit dem Sie im Dezember 2013 Ihr Amt angetreten haben, was den Rüstungsbereich betrifft. Das ist verantwortungslos gegenüber all denen, die auf die knappen Mittel angewiesen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Ganz im Gegenteil, Herr Lindner! Schwacher Beitrag von Ihnen! – Zuruf von der Regierungsbank: Es sind ja nur vier Leute da! – Gegenruf des Abg. Henning Otte [CDU/CSU]: Wenn einer geht, wird es eng! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Die sicherheitspolitische Lage hat sich verändert!) – Ich würde jetzt nicht solche Witze reißen, wenn die Soldatinnen und Soldaten – dazu wollte ich gerade kommen – sich um Materialerhalt Sorgen machen, wie wir leider in den letzten Wochen und Monaten haben vernehmen müssen. Sie haben für den Bereich Materialerhalt in diesem Haushalt praktisch nichts gemacht. Sie geben Geld für neue Projekte aus. Aber beim Materialerhalt haben Sie sich über Jahre hinweg auf die Strategie „Breite vor Tiefe“ eingeschossen, ohne diese richtig und vollständig zu reflektieren. Das, was Sie unter „Breite vor Tiefe“ verstehen, bedeutet, dass wir von allem etwas haben, aber nicht viel. Kein Wunder, dass dann Wartungs- und Instandhaltungskosten nach oben gehen, dass darunter die Soldatinnen und Soldaten leiden und dass Auslandseinsätze wie der in der Türkei teilweise auf dem Rücken der Betroffenen durchgeführt werden. Ich gebe dem Kollegen Bartholomäus Kalb an einer Stelle voll und ganz recht: Wir verlangen Menschen, die sich entscheiden, bei der Bundeswehr Dienst zu tun, viel ab. Wir verlangen ihnen unter anderem ab, dass sie in einen Auslandseinsatz gehen müssen, wenn wir dies in diesem Hohen Hause beschließen. Wir geben diesen Menschen dafür die Zusage: Wenn ihr vier Monate im Ausland gedient habt, dann habt ihr 20 Monate Karenzzeit in Deutschland und könnt euren Dienst im Heimatland tun. Bei den Patriot-Staffeln, die in der Türkei im Einsatz sind, ist mir gesagt worden, dass bei über einem Drittel der Soldatinnen und Soldaten diese Zusage nicht eingehalten werden kann, weil die Durchhaltefähigkeit nicht gegeben ist. Das ist verantwortungslos gegenüber den Betroffenen. Das zeigt, dass das Konzept „Breite vor Tiefe“ überhaupt nicht zu Ende gedacht ist und dass Sie hier, Frau von der Leyen, im Sinne der Betroffenen endlich umsteuern müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Schon wieder eine falsche Konsequenz!) Das führt mich direkt zum Thema Attraktivität. Ich habe gedacht, dass es 25 Jahre nach dem Mauerfall im Verteidigungsministerium eine Neuerfindung des Mottos „Schwerter zu Pflugscharen“ gibt. Ich würde das „Fregatten zu Flachbildschirmen“ nennen. Es war lange Ihr persönliches Geheimnis, wie Sie die Attraktivitäts-agenda mit einem Volumen von 126 Millionen Euro im kommenden Jahr finanzieren wollen. Bis eine Woche vor der Bereinigungssitzung haben Sie gesagt, dass Sie das durch Umschichtung erreichen wollen. Dann wird klar – dem Kollegen Gädechens wird das in der Seele wehtun –, dass Geld frei wird, weil eine Fregatte später kommt. Jetzt könnten wir als Grünenfraktion große Sympathie empfinden, Frau von der Leyen, wenn das eine politische Strategie wäre und das Verteidigungsministerium weniger Geld für Rüstung ausgeben würde, um mehr Geld in Köpfe und vernünftige Arbeitsbedingungen investieren zu können. Das würden wir sicherlich unterstützen. Aber Sie spielen haushaltspolitisches Roulette auf dem Rücken der Soldatinnen und Soldaten, die darauf vertrauen, dass die Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Dienst kommen. An dieser Stelle werden Sie Ihrer Verantwortung als oberste Dienstherrin nicht gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Attraktivität ist deutlich umfassender – ich denke, dass mir da niemand widersprechen wird – als das, was in der Attraktivitätsagenda steht. Attraktivität erfordert funktionierendes Material, auf das sich die Soldatinnen und Soldaten verlassen können, aber auch Unterkunftsgebäude, die angemessen ausgestattet sind. Ich will mich nicht darüber lustig machen, aber es ist klar, dass es hier nicht um Minikühlschränke und Flachbildschirme geht, sondern um ganz einfache Dinge wie funktionierende Sanitärräume und ordentlich ausgestattete Stuben, bei denen es nicht durch das Dach regnet. Ihr Staatssekretär Gerd Hoofe sprach im Verteidigungsausschuss davon, dass 40 Prozent der Unterkunftsgebäude in einem dramatischen Zustand seien. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sieht einen Sanierungsaufwand in Höhe von mindestens 4,3 Milliarden Euro. Was machen Sie? Sie kürzen die Verpflichtungsermächtigung, also die Mittel für Infrastruktur- und Baumaßnahmen für 2016 und die Folgejahre. Das steht im Widerspruch zur Analyse Ihres eigenen Ministeriums. Auch das ist unverantwortlich gegenüber den Menschen, die in den Unterkunftsgebäuden leben sollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich muss feststellen: Nach einem Jahr, Frau Ministerin, will ich Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie an Ihren eigenen Ansprüchen gescheitert wären. Scheitern kann man nur, wenn man sich auf den Weg macht und versucht, gegen Widerstände anzukämpfen. An vielen Stellen – seien es politisch motivierte Rüstungsprojekte, sei es das Thema Unterkunft oder sei es die Lösung von Managementproblemen – haben Sie sich nun in die Phalanx von Herrn Jung, Herrn zu Guttenberg und Herrn de Maizière eingereiht. Ich kann nicht erkennen, dass hier irgendetwas anders werden soll. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Dann müssen Sie die Augen aufmachen!) Das zeigt sich auch in Ihrem Haushalt. Ihrer Verantwortung gegenüber denjenigen, die Ihnen anvertraut sind, gegenüber den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, sowie gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in diesem Land werden Sie nicht gerecht. Mit dem Haushalt 2015 begeben Sie sich leider auf ein haushaltspolitisches Himmelfahrtskommando. Da lassen wir Sie alleine reisen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Karin Evers-Meyer das Wort. (Beifall bei der SPD) Karin Evers-Meyer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon gesagt worden, aber da Haushälter nicht allzu oft Gelegenheit haben, von hier aus gute Nachrichten zu verbreiten, wiederhole ich bewusst: Es ist wirklich gut, dass wir gemeinsam die rot-schwarze Null hinbekommen haben. Ich glaube daran, dass das keine Eintagsfliege bleiben muss. Ich danke meinen Mitberichterstattern und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Ministerin und ihren Staatssekretären und ganz besonders Herrn Dr. Jansen für die gute und kollegiale Zusammenarbeit. Ich freue mich auf die Fortsetzung im nächsten Jahr. Wir werden auch 2015 hart in der Sache, aber diszi-pliniert zusammenarbeiten. Sollte uns die Konjunktur keinen allzu fetten Strich durch die Rechnung machen, dann können wir auch im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. Künftige Generationen werden uns das sicher danken. So viel zur Metaebene. Jetzt gehe ich in die Niederungen des Einzelplans. Natürlich ist jeder Einzelplan etwas Besonderes. Erlauben Sie mir die Bemerkung: Der Einzelplan 14 ist sogar etwas ganz Besonderes. Kein Etat wurde in den zurückliegenden Wochen so öffentlich diskutiert wie der Verteidigungsetat. Zu Recht. In der Vergangenheit haben wir viel zu wenig darüber diskutiert. Ich fange hier aber nicht noch einmal damit an, die Horrorgeschichten aus dem Beschaffungsbereich des BMVg zu wiederholen. Darüber wurde zur Genüge berichtet. Heute ist der Zeitpunkt, nach vorne zu schauen. In dieser Krise liegt eine Chance, nämlich die Chance, es in der Zukunft besser zu machen. Natürlich darf es künftig nicht mehr so sein, dass altersschwache Hubschrauber am Boden bleiben müssen, während Hunderte Millionen Euro an den Finanzminister zurücküberwiesen werden. Da ist es völlig egal, ob es in diesem Jahr schon wieder 300 Millionen oder 700 Millionen Euro sind, die ungenutzt liegen bleiben. Schon wenn 1 Euro nicht investiert wird, ist das den Soldaten in ihren zum Teil maroden Kasernenunterkünften nicht zu vermitteln. (Beifall bei der SPD) Was muss also in Zukunft besser werden? Zunächst einmal, Frau Ministerin: Sie haben für einen wesentlichen Bereich Ihres Etats den richtigen Weg eingeschlagen. Das Thema Beschaffung lag in den letzten drei -Jahren völlig am Boden. Nichts wurde entschieden, jedenfalls nichts, was in die Zukunft gerichtet war. Bis vor gut einem Jahr saß ich selbst noch im Verteidigungsausschuss, und uns war völlig klar, dass das so nicht weitergehen kann. Jeder Autofahrer weiß: Wenn ich drei Jahre lang nicht in Öl investiere, dann ende ich spätestens im vierten Jahr auf dem Standstreifen und muss abgeschleppt werden. Mit dem Gutachten von KPMG und anderen zu den Beschaffungsprojekten des BMVg liegt jetzt wenigstens einmal eine präzise Handlungsgrundlage mit deutlicher Aussprache und ebenso deutlichen Arbeitsaufträgen vor. Mit Ihrer neuen Staatssekretärin, Frau Ministerin, haben Sie jemanden gefunden – das ist jedenfalls mein Eindruck –, die, um im Jargon zu bleiben, weiß, wie man mit so einer Präzisionswaffe umgeht. Es ist also Bewegung hereingekommen. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeit gerade erst begonnen hat. Abgerechnet wird auch hier erst zum Schluss. Trotzdem gibt es von mir bewusst Vorschusslorbeeren als Zeichen des Vertrauens und als Signal, dass die Haushälter der Koalition sich hier nicht auf eine Zuschauerrolle zurückziehen. Frau Ministerin, bitte verstehen Sie in diesem Sinne auch die mehr als 4 Milliarden Euro, die wir Ihrem Etat als Verpflichtungsermächtigungen zugestanden haben. Das ist eine bemerkenswerte Summe und haushalterisch ziemlich einmalig, auch wenn natürlich klar ist, dass das alles im Einzelnen noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Haushaltsausschusses steht. Wir wollen Sie darin unterstützen, an dem gesteckten Ziel der Konsolidierung des Beschaffungsbereichs festzuhalten. Mich beschleicht allerdings schon wieder das Gefühl, dass manche die kritischen Passagen aus dem Gutachten herauspicken, die ihnen gerade in den Kram passen; aber da, wo es gerade nicht passt, wird versucht, die Empfehlungen aus dem Gutachten politisch wegzudiskutieren. Jedem sollte jetzt klar sein: Das geht nicht. Deswegen bitte ich das BMVg eindringlich darum, hier Kurs zu halten, und zwar auch dann, wenn der politische Druck in die eine oder andere Richtung noch weiter wächst. Die Frage der politischen Einflussnahme bei Beschaffungsvorhaben ist neben dem partiellen Versagen von Industrie und Verwaltung auch ein wesentlicher Kritikpunkt, der an vielen Stellen im Gutachten zutage tritt. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das einmal Ihren eigenen Leuten!) Ich zitiere einmal sinngemäß: Durch die Einflussnahme der Politik auf die Analyse von Rüstungsprojekten kommt es oftmals zu unrealistischen Zeit- und Kostenplanungen. Dabei kann die oftmals impulsartige Einflussnahme wegen mangelnder planerischer oder prozessualer Grundlagen oftmals nicht strukturiert abgefangen werden. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das sollten wir uns so auch ins Tagebuch schreiben. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wohl wahr!) Auch die Politik muss ihren Beitrag leisten. Wir müssen sachgerechten Entscheidungen zum Durchbruch verhelfen, frei von Partikularinteressen. Das Stichwort „Partikularinteressen“ bringt mich schließlich zu meinem nächsten Punkt, der Frage der -Europäisierung bzw. Internationalisierung. Die Bundesregierung hat einen Weißbuchprozess angekündigt, den ich sehr begrüße und von dem ich mir ganz besonders erhoffe, dass er belastbare Pflöcke einschlägt, sowohl bei den Themen „Joint Forces“ und „Pooling and Sharing“, vor allem aber auch beim Thema „Standardisierung und gemeinsame Beschaffung“. Es muss mehr auf den Tisch als ein bloßes Bekenntnis zur internationalen bzw. europäischen Perspektive. Selbst wenn es in den kommenden Jahren zu einem Anstieg des Verteidigungsetats kommen sollte, wird das die Notwendigkeit einer effizienten Internationalisierung nicht abschwächen. Wenn überhaupt, dann würde eine Etaterhöhung das Leiden verlängern. Die Stückzahlen werden nämlich weiter sinken. Die technischen Anforderungen werden weiter steigen. Damit steigt auch der Preis. Die Kosten müssen wir uns im Bündnis teilen, anders wird es aus haushaltspolitischer Sicht nicht gehen. Alles andere macht auch sicherheitspolitisch keinen Sinn. Allerdings – auch das gehört zur Wahrheit dazu – waren die bisherigen europäischen Rüstungsprojekte alles andere als ein Schnäppchen. Es kann daher zukünftig nicht mehr so sein, dass man sich mit seinen Partnerstaaten auf die Beschaffung eines Flugzeugtyps einigt und im Nachhinein dann jedes Land über seine eigene Projektagentur noch so lange individuelle Goldrandwünsche hinzufügt, bis am Ende quasi doch ganz verschiedene Flugzeuge dabei herauskommen. Wenn man das so macht, kann man sich das Ganze auch sparen. Künftig muss gelten: Wenn man sich auf VW Golf verständigt, dann wird auch ein VW Golf beschafft und nichts anderes. Nur so kann man wirklich sparen, ganz abgesehen davon, dass Lieferzeiten sich verkürzen und die Truppe noch schneller an neues Gerät kommt. Sehr geehrte Damen und Herren, da steckt noch viel Arbeit im Detail, wie man sieht, auf die ich nun nicht mehr eingehen kann. Bei aller Manöverkritik will ich aber noch zwei gute Nachrichten verbreiten. Die eine Nachricht lautet: Es ist vieles gut. Ich weiß zwar nicht, ob der A400M noch vor Silvester dieses Jahres abgenommen werden kann. Aber ich weiß, dass wir ein Spitzenflugzeug bekommen werden. Will sagen: Wenn Rüstungsprojekte zulaufen, dann steht auch Topqualität auf dem Hof. Die zweite gute Nachricht für die Soldatinnen und Soldaten ist: Der Haushalt 2015 wird zumindest ein wenig Bewegung in den Personalkörper bringen. Im zivilen Bereich sind 200 Planstellenanhebungen von Besoldungsgruppe A 7 auf A 8 vorgesehen. Das hilft, den Beförderungsstau bei der Beförderung zum Hauptsekretär aufzulösen. Bei den Streitkräften werden zusätzliche 50 Planstellen der Besoldungsgruppe A 12 ausgebracht, was auch hier helfen wird, etwas Bewegung in den Stau zu bringen. Das waren die positiven Nachrichten zum Schluss. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort für die Bundesregierung hat jetzt die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, wenn man Ihnen zugehört hat, konnte man das Gefühl haben, dass wir – bis auf Active Fence – hier auf einer Insel sind. Dem ist nicht so. Viele der Dinge, die sich heute im Haushalt widerspiegeln, sind der aktuellen Entwicklung geschuldet. Ich bin in der vergangenen Woche beim Europäischen Rat der Verteidigungsminister in Brüssel bei einer Aussprache zur Sicherheitslage Europas gewesen. Da konnte man mit Händen greifen, wie sehr Europa inzwischen beeinflusst ist von den Instabilitäten, die uns umgeben, etwa der Politik des Kremls mit all den Konsequenzen, die das für die Ukraine und für unsere Friedensarchitektur in Europa hat, dem Kampf gegen IS im Irak und in Syrien und der Ebolaepidemie, die uns in einem nie gekannten Maße fordert, um nur drei Themen zu nennen. Das sind Herausforderungen, von denen wir alle wissen, dass sie zu bewältigen kurzfristig nicht möglich ist, sondern dass uns das eine geraume Zeit beschäftigen wird und dass uns das enorm fordern wird. Hinzu kommt, dass wir neue Aufgaben bekommen haben. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben im Dezember 2013 beschlossen, die europäischen Verteidigungsfähigkeiten zu kräftigen. Wir sind dabei, das bis zum nächsten Sommer umzusetzen. Auch die NATO hat, der aktuellen Entwicklung geschuldet, auf dem Gipfel in Wales Beschlüsse gefasst, wie die Allianz ihr Fähigkeitenprofil anpassen kann, wie sie schneller werden kann, wie sie flexibler werden kann. Auch hier sind wir dabei, besonnen, aber entschlossen diese Dinge anzugehen. Ich will damit sagen: Diese Herausforderungen werden uns etwas kosten; das alles ist nicht zum Nulltarif zu haben. Ich glaube, diese Botschaft ist inzwischen im politischen Raum angekommen, und das spiegelt dieser Haushalt auch wider. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Bundeswehr ist über Jahre durch den Einsatz in Afghanistan geprägt gewesen; das war gut, und das war richtig. Wir werden auch in der nächsten Woche über die Folgemission des ISAF-Einsatzes hier diskutieren. Der Einsatz in Afghanistan hat das Land Afghanistan sicherlich verändert: von einer Terrorherrschaft der Taliban hin zu einem Land, das heute neue und andere Perspektiven hat, auch wenn nicht alles gut ist. Afghanistan hat aber auch die Bundeswehr sehr stark geprägt. Die Bundeswehr ist inzwischen eine Armee im Einsatz, eine Parlamentsarmee, die gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten einen hervorragenden und vor allem einen international anerkannten Dienst leistet. Das spiegelt sich auch in dem Spektrum der Einsätze wider, die wir inzwischen haben, Stichwort „Verantwortung, die wir übernehmen“. Allein in den vergangenen elf Monaten gehörten dazu: Mali, Somalia, Zentralafrikanische Republik, die Unterstützung der Flüchtlinge im Nordirak und die Unterstützung der kurdischen Armee im Nordirak, der Peschmerga, der Einsatz gegen die Ebolaepidemie. Zu diesem Einsatz kann ich nur sagen: Es ist bewegend gewesen, mit wie viel Herz und Mut sich nicht nur Soldatinnen und Soldaten, sondern auch unendlich viele Reservistinnen und Reservisten gemeldet haben, um diesen Einsatz zu leisten. Es spricht für den Geist unseres Landes, dass sich die Menschen, wenn Not am Mann und an der Frau ist, beherzt zur Hilfeleistung melden. Was viel zu wenig beachtet worden ist: Die Bundeswehr hat in kürzester Zeit eine Luftbrücke aufgebaut, dank derer täglich Hilfsgüter aus dem Senegal direkt in das Ebolagebiet geflogen werden. Dafür haben wir in breitem Maße zu danken. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Eine Fülle von notwendigen Aufgaben musste in diesem Jahr erfüllt werden. Es sind Aufgaben, die auf absehbare Zeit nicht weniger, sondern wahrscheinlich eher mehr werden. Meine Damen und Herren, als ich vor einem halben Jahr an diesem Pult stand und wir den Haushalt 2014 beschlossen haben, ist über die globale Minderausgabe der Verteidigungsetat um 400 Millionen Euro gekürzt worden, weil diese absehbar nicht verausgabt werden würden – völlig in Ordnung. Heute, sechs Monate später, sagen wir deutlich, dass wir eine weitere Kürzung nicht verkraften können und dass wir um die Annahme des Regierungsentwurfes ohne Kürzungen bitten. Dieses Ziel haben wir erreicht. Mehr noch: Der Verteidigungshaushalt ist für 2015 höher, als im Regierungsentwurf zunächst ausgewiesen. Das ist der Lage angemessen. Dafür danke ich von Herzen. Das ist ein Erfolg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Denn es geht in diesem Etat um nichts weniger als um eine nachhaltige Modernisierung der Bundeswehr, und zwar sowohl beim Personal als auch beim Material. Das ist etwas, wofür wir einen langen Atem brauchen. Da werden wir noch so manche Hürde überwinden müssen. Da wird es noch so manches Problem geben, was Sie von der Opposition dann zu Recht anprangern werden. Aber wir müssen dort stetig vorangehen. Zur Bewältigung der Herausforderungen, vor denen wir stehen, bereiten wir mit dem Haushalt 2015 den Boden. Ab 2016 können wir neue und sichtbare Akzente setzen. Beim Personal geht es um nicht weniger als um die Aufstellung einer demografiefesten Armee. Wie wir mit Soldatinnen und Soldaten aufgestellt sind, das entscheidet über die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist auch das Material, aber es sind die Soldatinnen und Soldaten, die den Unterschied machen, wenn es darum geht, ob die Bundeswehr ihr Gesicht behält, so modern und international wie jetzt, oder ob sie es verliert. Dafür lohnt es, sich einzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben deswegen das Artikelgesetz eingebracht. Herr Lindner, als Sie angefangen haben, über Kühlschränke und Flachbildschirme zu spotten, haben Sie selbst gemerkt, dass der Spott vielleicht nicht angemessen ist. Deshalb lasse ich das hier beiseite. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Finanzierung! Die ist unseriös!) – Es geht darum, dass wir die Maßnahmen nach diesem Artikelgesetz in der Breite finanzieren, und da ist es legitim, dann, wenn Dinge ausfallen wie die Fregatte, in diesem Haushaltsjahr die Mittel zu allozieren für die Soldatinnen und Soldaten. Ich finde, das ist ein sehr wichtiges Signal an die Truppe, das auch richtig verstanden wird. Es ist übrigens auch ein wichtiges Signal an unsere Partner und Verbündeten, die die nachhaltige demografiefeste Aufstellung unserer Armee wahrnehmen. Herr Leutert, niemals habe ich gesagt, dass wir ein Arbeitgeber sind wie jeder andere. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Ganz genau! So ist es!) Es ist so, dass wir gerade kein Arbeitgeber sind wie jeder andere, weil unsere Soldatinnen und Soldaten mehr leisten müssen als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sonst. Im Extremfall müssen sie bereit sein, ihr Leben zu lassen. Aber ich sage immer: Ist das, nämlich dass sie im Einsatz mehr leisten müssen als jeder andere, ein Grund, sie hier zu Hause schlechter zu behandeln als viele andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Nein, im Gegenteil! Wir müssen sie hier zu Hause besser behandeln als viele andere. Deshalb der Ansatz. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) Thema Material. Auch da haben wir erhebliche Herausforderungen. Das Rüstungsgutachten hat die Dimension der Probleme bei den Rüstungsprojekten klargemacht. Ja, es ist keine schöne Bilanz: zu teuer, zu spät und mit Mängeln. Auch hier geht es um die Modernisierung der Streitkräfte. Wir alle kennen den Teufelskreis, unter dem wir gelitten haben, bis in dieses Jahr hinein, und das ist auch noch lange nicht abgearbeitet. „Zu teure Rüstungsprojekte“, das heißt: Sie verdrängen andere Fähigkeiten, die man sonst hätte realisieren können. „Zu spät“ heißt: Sie fehlen der Truppe. Das haben wir in diesem Sommer sehr schmerzhaft spüren müssen. „Zu spät“ heißt auch, altes, wenn auch bewährtes, aber eben betagtes Material länger nutzen zu müssen. „Länger nutzen“ heißt: mehr Wartung, mehr Instandsetzung. Dafür ist die Ersatzteilbeschaffung nicht ausgelegt. – So kann man den Teufelskreis beschreiben, den wir durchbrechen müssen. Wir haben die Agenda Rüstung aufgestellt. Klarer rüstungspolitischer Kurs! Vielen Dank, Barthl Kalb, für die Analyse der Schlüsseltechnologien! Das auszuführen, kann ich mir dann hier sparen; aber das ist einer der wichtigen Punkte. Ein anderer Punkt: multinationale Rüstungskoopera-tionen. Es geht voran mit Frankreich. Es geht voran mit Spanien, mit England. Es gibt aber auch gemeinsame Arbeit der Armeen: mit den Niederlanden, mit Polen. Es geht um ein verbessertes Rüstungsmanagement. Das ist eine Kärrneraufgabe, und die ist nicht in einem Rutsch zu schaffen. Dabei geht es darum, die Prozesse zu verbessern. Dabei geht es darum, das Risikomanagement zu verbessern sowie das Vertragsmanagement, das Lieferantenmanagement, die Organisationsentwicklung beim BAAINBw. Was man da auch gesehen hat, ist, dass wir mitten in der Neuausrichtung sind. Das heißt, dass in ganz vielen Behörden die Fachkräfte noch nicht an den Stellen sind, an denen sie gebraucht werden. Das heißt, dass Dinge, die dringend gemacht werden müssen, liegen bleiben. Es ist also eine Bundeswehr, die im Augenblick wirklich im Umbruch ist, eine Bundeswehr in der Neuausrichtung, die notwendig war und richtig ist. Das zeigt, dass wir in diesem Modernisierungsprozess noch erhebliche Arbeit vor uns haben. Wir müssen Fähigkeitslücken schließen. Wir müssen die Einsatzbereitschaft stärken; deshalb die Task Force „Drehflügler“ und die Task Force „Starrflügler“. Wir müssen Kennzahlen darlegen. Wir haben einen gemeinsamen Ausschuss gehabt, der das gezeigt hat, sodass wir wissen, wie die materielle Einsatzlage ist. Erhebliche Aufgaben liegen vor uns, aber dieser Haushalt gibt uns eine gute Basis dafür. Ich danke für die Verpflichtungsermächtigung von 1,8 Milliarden Euro. Das gibt uns einen Handlungsauftrag, nämlich Entscheidungen reifen zu lassen. Aber dann, wenn sie getroffen werden können, können wir auch die Verträge schließen, die notwendig sind. Das Wichtigste aber ist, meine Damen und Herren: Wir haben die Möglichkeit, 1,8 Milliarden Euro mehr in die Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten zu investieren. Das ist ein Riesenschritt voran, und wir werden jetzt auch mutig die richtigen Entscheidungen treffen. Zur Agenda gehört auch, dass wir mindestens 20 Prozent des Verteidigungsetats für die Modernisierung und die Ausrüstung der Bundeswehr einsetzen. Es gibt genügend Projekte im Zulauf: Fregatten, A400M, die neue Hubschraubergeneration, geschützte Fahrzeuge wie der GTK Boxer, der Puma – die Liste ist lang. Das bedeutet für uns gemeinsam auch ein ordentliches Stück Arbeit: Wir müssen den Stau der vergangenen Jahre auflösen. Wir müssen neue Vorhaben auf den Weg bringen. Wir müssen den Zulauf und den Mittelabfluss koordinieren; das ist eigentlich die Kunst. Jeder Erfahrene hier weiß, dass der Zulauf nicht immer zeitgerecht geschieht und deshalb auch der Mittelabfluss nicht immer passend möglich ist. Das heißt, das Bugwellenphänomen, das wir im Augenblick beobachten, müssen wir in den nächsten Jahren gemeinsam in den Griff bekommen. Das bedeutet – ich habe es eben schon gesagt –, dass die Modernisierung der Streitkräfte keine Einmalaktion ist, sondern eine Daueraufgabe. Ich möchte ein paar Worte zur materiellen Einsatzbereitschaft verlieren. Im September haben die Inspekteure unter großer medialer Beachtung im Verteidigungsausschuss zur materiellen Einsatzbereitschaft vorgetragen. Das Bild war nicht zufriedenstellend, insbesondere bei den fliegenden Waffensystemen. Aber die Verengung auf die Problembereiche, die wir zweifelsohne haben – das will ich gar nicht abstreiten –, hat dazu geführt, dass die generelle Einsatzbereitschaft infrage gestellt wurde. Das weise ich zurück. Im Gegenteil: Die Bundeswehr erfüllt all ihre Einsatzverpflichtungen. Die Soldatinnen und Soldaten sind im Einsatz mit Gerät ausgestattet, das auch im Vergleich mit unseren internationalen Partnern erstklassig ist, gerade im Hinblick auf geschützte Fahrzeuge: Wir haben die größte Flotte an geschützten Fahrzeugen in Europa. Noch einmal: Es gibt Probleme mit den neuen Waffensystemen, die zulaufen – gar keine Frage –, aber das heißt nicht, dass wir blank dastehen. Zu Ihrer Frage nach dem GTK Boxer, Herr Lindner. Der GTK Boxer ist für den Infanteristen der Zukunft wichtig – gar keine Frage. Deshalb sind wir der Meinung, dass wir mehr davon brauchen. Aber dahinter stehen über 500 Transportpanzer Fuchs zur Verfügung, die dann – um Ihre Frage zu beantworten – nicht mehr aufgerüstet werden, sondern ausgephast werden können. Das Gleiche gilt für den Puma, der auch noch nicht da ist. Aber dahinter stehen über 400 Marder. Mit anderen Worten: Probleme gibt es – daran müssen wir hart arbeiten –, aber wir sollten unser Licht auch nicht unter den Scheffel stellen, meine Damen und Herren. Das ist mir wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Soldatinnen und Soldaten haben einen besonderen Auftrag. Wir rufen ihn uns immer wieder in Erinnerung. Wir haben am vergangenen Wochenende in Potsdam gemeinsam mit dem Bundespräsidenten den Wald der Erinnerung eingeweiht. Das ist neben der zentralen Gedenkstätte hier in Berlin-Mitte ein ganz besonderer Ort der Erinnerung – ein Ort der Trauer, ein Ort des Gedenkens an unsere Soldaten, die im Einsatz gefallen sind. Es ist auch ein Ort geworden, an dem die Familien, die Freundinnen und Freunde, die Kameradinnen und Kameraden Geborgenheit und Stille finden. Es ist eine ergreifende und würdige Gedenkstätte geworden. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich all jenen danken, die weit vor meiner Zeit an der zugrunde liegenden Konzeption und Entscheidung beteiligt gewesen sind. Das, was dort gewachsen ist, war für mich beeindruckend. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist eine Gedenkstätte, die uns mahnt, dass unsere Soldatinnen und Soldaten einen einzigartigen Dienst tun – im Einsatz, aber auch in der Heimat – und wir bestmöglich für sie sorgen müssen. Ich glaube, das ist ein Gedanke, der die Gruppe, die hier im Hohen Haus versammelt ist, immer wieder eint. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Katrin Kunert, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Katrin Kunert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau von der Leyen, mein Kollege Michael Leutert hat deshalb auf die Rekrutierung Minderjähriger hingewiesen, weil Deutschland eben nun einmal gegen die UNKinderrechtskonvention verstößt. Das darf man an dieser Stelle auch erwähnen. (Beifall bei der LINKEN) Außenminister Steinmeier hat vor kurzem gesagt, dass wir im Ukraine-Konflikt sorgfältig auf unsere öffentliche Sprache achten sollten, wenn wir zu einer Lösung beitragen wollen. Wir stimmen dem ausdrücklich zu; denn auch der Westen trägt Verantwortung für diesen Konflikt. Die Kanzlerin hingegen hat auf dem G-20-Gipfel ausschließlich Russland scharf kritisiert. Der aktuelle Scherbenhaufen in der internationalen Politik ist riesig. Wir müssen verdammt aufpassen, dass wir nicht in einen neuen Kalten Krieg schlittern. Es ging und geht um militärische Eindämmung und um die Isolierung Russlands. Deutschland hat bereits den viertgrößten Militärhaushalt der NATO und den siebtgrößten Militärhaushalt der Welt. Alle NATO-Mitglieder zusammen geben zwölfmal mehr für Militär aus als Russland. Darüber sollten wir in diesem Hohen Haus einmal reden. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Können wir gerne machen! – Rainer Arnold [SPD]: Aber wir wollen Russland nichts Böses, egal wie viel wir ausgeben!) Der Bundespräsident und die Verteidigungsministerin predigen, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Das will die Linke auch. Wir verstehen unter Verantwortung, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf und dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr beendet werden sollen. (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wer gewährleistet dann die Sicherheit?) Diese schaffen keine nachhaltige Sicherheit und sollen allein im nächsten Jahr 460 Millionen Euro kosten. Das lehnt die Linke ab. (Beifall bei der LINKEN) Stattdessen müssen Strukturen kollektiver Sicherheit geschaffen und gestärkt werden. Für uns ist das vor allem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Sie ist die einzige regionale Sicherheitsorganisation, in der Russland und die USA gleichberechtigte Mitglieder sind. Frieden und Sicherheit in Europa sind nur mit und nicht gegen Russland möglich. (Beifall bei der LINKEN) Die Linke fordert die Beschaffung eines Flugzeugs im Rahmen des Vertrages über den Offenen Himmel; denn durch gemeinsame Beobachtungsflüge kann mehr Transparenz geschaffen werden. Verantwortung bedeutet für uns auch Mut zur Eigeninitiative. Beenden Sie das Duckmäusertum gegenüber den USA, und setzen Sie sich für die Aufhebung der Sanktionen im Interesse der Menschen in Russland und in Deutschland ein. Wir brauchen den Dialog mit Russland, und wir brauchen eine neue Ostpolitik im Geiste von Willy Brandt. (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Der arme Willy Brandt!) Wir wollen eine nachhaltige Friedenspolitik, und dafür muss die deutsche Wirtschaft entmilitarisiert werden. Wir fordern einen Konversionsfonds in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, der aus dem Reingewinn der Bundesbank gespeist wird. Mit diesem Geld kann der notwendige Strukturwandel sozial und ökologisch gestaltet werden. Konkrete Investitionen in den Umbau der Produktion und in die berufliche Qualifizierung der Beschäftigten werden so möglich. Weiterhin wollen wir nicht mehr genutzte Bundeswehrliegenschaften den Kommunen kostengünstig überlassen. Konversion geht – wenn man sie denn will. (Beifall bei der LINKEN) Noch einige Bemerkungen zur Attraktivitätsoffensive der Bundeswehr. Frau Ministerin, haben Sie sich eigentlich gefragt, warum so viele Soldatinnen und Soldaten bereits ihre Grundausbildung abbrechen? Haben Sie sich gefragt, warum es ausgerechnet unter den Offizieren so viele Kriegsdienstverweigerungen gibt? Die Ursachen sind doch nicht der fehlende Flachbildschirm oder schlecht renovierte Stuben; vielmehr ist es die Ausrichtung der Bundeswehr auf mehr Auslandseinsätze und falsche Versprechungen bei der Rekrutierung. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Ach Gott! Das kriegt auch keiner mit, dass es Auslandseinsätze gibt!) Die üppigen Zuzahlungen für Spezialkräfte in Auslandseinsätzen sind in diesem Zusammenhang der falsche Anreiz. (Beifall bei der LINKEN) Richtig dagegen sind die geplanten Solderhöhungen für die freiwillig Wehrdienstleistenden, deren Bezahlung bislang unter dem Mindestlohnniveau liegt. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Bitte?) Es muss auch bei der Bundeswehr einen Mindestlohn geben. In Ihrem Haushaltsentwurf gibt es nur eine Linie: die Orientierung auf mehr Auslandseinsätze. In meinem Wahlkreis befindet sich das größte Gefechtsübungszen-trum. Dort soll eine Kriegsübungsstadt entstehen, in der die Bundeswehr und andere NATO-Truppen künftige Einsatzszenarien trainieren sollen. (Rainer Arnold [SPD]: Russland hätte so eine gerne gekauft!) Es soll Hochhäuser, Supermärkte, ein Armenviertel und sogar eine U-Bahn geben; wohl gemerkt, die einzige U-Bahn in ganz Sachsen-Anhalt. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Verteidigungsauftrag, wie er im Grundgesetz geschrieben steht, zu tun. Die Linke fordert: Stoppen Sie den Bau des Gefechtsübungszentrums! (Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU] – Henning Otte [CDU/CSU]: Meine Güte! Das ist eine Wahlkreisrede!) Für die Bundesregierung steht das Militärische immer an oberster Stelle. Für die Folgen ihrer Politik interessiert sie sich leider nur wenig. Das wird im Umgang mit den Radargeschädigten der Bundeswehr und der NVA deutlich. Es ist schäbig, wie die Regierung mit den Radaropfern umgeht. Von den oft unheilbar Krebskranken wird verlangt, dass sie in jahrzehntelangen Gerichtsverfahren selbst beweisen, dass sie radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren. Viele von ihnen sterben, bevor sie eine Entschädigung erhalten. Das ist wirklich ein Skandal! (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sie kennen die Härtefall-Stiftung, die wir geschaffen haben, gar nicht!) – Das ist anscheinend nicht ausreichend. Waren Sie bei den Gesprächen mit dem Staatssekretär dabei? (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ja!) Es war beschämend, wie er sich verhalten hat. Ich würde an Ihrer Stelle ganz ruhig sein. (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein, das bin ich nicht!) Die Linke fordert eine erleichterte Anerkennungs-praxis durch die Umkehr der Beweislast. Frau Ministerin, auch der Wehrbeauftragte schlägt diese Verbesserung vor. Laden Sie die Folgen Ihrer Militärpolitik nicht auf dem Rücken der Soldatinnen und Soldaten ab. Bei der Regierung stehen alle Zeichen auf Militär, Auslandseinsätze und Rüstung. Wir als Linke setzen auf Abrüstung, Landesverteidigung und eine friedliche Konfliktlösung. Aber dazu fällt Ihnen leider nichts ein. Wir werden diesen Haushalt ablehnen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält nun Rainer Arnold das Wort. (Beifall bei der SPD) Rainer Arnold (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur ein Satz an die Linke, damit jeder sieht, welcher Unfug dort geredet wird: Bei dieser Regierung stehen alle Zeichen auf Militär. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Frau Kollegin, es sind 3 300 Soldaten in internationalen Friedensmissionen, (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Herr Oberlehrer!) meist im Auftrag der Vereinten Nationen. In der Spitze waren es knapp 11 000. Es sind also deutlich weniger geworden – und nicht mehr, so wie Sie tun. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber mehr Mandate!) Richtlinie und Richtschnur für das Handeln dieser Regierung ist auch im Verteidigungsbereich der Koalitionsvertrag. Herr Kollege Lindner, Sie mögen ja kritisieren, dass die Regierung und die Ministerin das Falsche tun; das ist Ihre Aufgabe. Aber so zu tun, als ob nichts getan werde, das geht wirklich an der Sache vorbei. Schauen Sie in den Koalitionsvertrag, und Sie werden feststellen: Alles, und zwar wirklich alles, was wir damals aufgeschrieben haben, ist entweder abgearbeitet oder bereits aufs Gleis gesetzt. Das gilt für die Evaluierung, die wir in den nächsten Wochen diskutieren werden und bei der wir feststellen werden, dass sich die Welt verändert hat und man heute andere Antworten geben muss. Das gilt natürlich auch für die Attraktivität des Soldatenberufes. Alle konkreten Forderungen, die wir aufgeschrieben haben, hat die Ministerin in einem sehr großen Paket aufs Gleis gesetzt. Dabei ist uns ein Punkt besonders wichtig: Wir wollen, dass die Zeitsoldaten bei ihrer sozialen Altersabsicherung den Angestellten im öffentlichen Bereich gleichgestellt werden. Ich denke, darüber werden wir in den nächsten Wochen noch ein wenig diskutieren und noch einiges verbessern können. (Beifall bei der SPD) Dies gilt auch für die Neustrukturierung der Beschaffungsprozesse. Natürlich war die Kumulierung der Probleme in den letzten Wochen ein Weckruf. Die einzelnen Fakten sind uns nicht wirklich neu, aber ihre Kumulierung hat zu Recht eine hohe Aufmerksamkeit geweckt. Dabei zeigt sich natürlich schon – Sie sprachen das Thema Boxer an –, dass alte Anordnungen, wie zum Beispiel die Befüllung eines Gerätes statt zu 100 Prozent nur zu 70 Prozent, letztlich ein Irrweg sind. Dort haben Betriebswirte und Sparkommissare formuliert und nicht Sicherheitspolitiker. Wir Sicherheitspolitiker wissen, dass die Geräte und die personelle Vorhaltung bei Streitkräften eben nicht betriebswirtschaftlich, sondern Vorsorge sind. Das heißt, Redundanzen und Reserven sind in diesem System immer erforderlich, und wir werden in dieser Koalition versuchen, in den nächsten Jahren auch dort Veränderungen herbeizuführen. Dazu gehört auch der Auftrag im Koalitionsvertrag, Verantwortung für die Rüstungswirtschaft zu übernehmen. Auch dies werden wir tun. Die Ministerin hat diesen schwierigen Prozess der Neu- und besseren Strukturierung der Beschaffungsprozesse benannt. Ich nenne ein weiteres Thema: Wir wollen auch die Debatte über Kernfähigkeiten zügig abschließen. In den verteidigungspolitischen Richtlinien für das Jahr 2011 – diese haben wir nicht verfasst, trotzdem steht dort an einer Stelle etwas wirklich Richtiges drin – heißt es: Kernfähigkeiten sind auch dort, wo die Bundeswehr signifikante und international anerkannte Fähigkeiten einbringt. Damit ist klar: Die Verteidigungsministerin muss an dieser Stelle sagen, wo wir diese anerkannten Fähigkeiten haben. Die anderen Ressorts müssen ihren sicherheitspolitischen Beitrag leisten, und das Wirtschaftsressort muss die Frage klären: Wie hilft man den Unternehmen bei den schwierigen Anpassungsprozessen in den nächsten Jahren? Deshalb begrüßen wir es, dass es eine Staatssekretärsrunde gibt, die diese Themen zukünftig kooperativ bearbeiten will. Die Kernfähigkeiten sind kein Pingpongspiel, das zwischen den Ressorts hin- und hergeht. Es ist eine gemeinsame Verantwortung dieser Koalition. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nach dieser Anforderung aus den alten Verteidigungspolitischen Richtlinien ist natürlich auch klar, dass Gefechtsfahrzeuge, Raketenabwehr und U-Boote in Deutschland eine besondere Ausprägung haben und deshalb auch zu diesen Schlüsselfähigkeiten gehören müssen. Wenn wir dies ernst nehmen, werden wir in den nächsten Jahren auch über Forschung sprechen müssen. Ich bin nicht der Auffassung – wir diskutieren das als Parlamentarier schon lange –, dass die etwa 300 Millionen Euro tatsächlich dem Technologieland Deutschland entsprechend dem Haushalt zur Verfügung stehen. Wir werden die Forschungsmittel genau dort, wo wir Kernfähigkeiten definiert haben, in den nächsten Jahren verstärken müssen, damit wir auch im Jahr 2030 moderne Streitkräfte haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) Wenn der Koalitionsvertrag abgearbeitet wird, ist trotzdem nicht alles gut; das wissen wir, denn die Welt hat sich verändert. Niemand hätte sich vorgestellt, dass in Europa mit Waffengewalt Grenzen verändert werden. Das hat Auswirkungen auf die Debatten in der NATO. Die NATO muss sich deshalb mit Sicherheit nicht neu erfinden. Aber die Reaktionsfähigkeiten und die -geschwindigkeiten in der NATO werden sich verändern, und das wird auch Auswirkungen auf die Organisation der Bundeswehr haben. Entscheidend bleibt aber: Es darf nicht der geringste Zweifel entstehen, dass Artikel 5 für alle gilt. Die NATO ist politisch entschlossen, das durchzusetzen und damit zu zeigen: Wir sind verlässlich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Entscheidend ist und bleibt auch in Zukunft, dass die NATO ihre Fähigkeiten so sichtbar zur Schau stellt, dass jeder weiß, er hat dagegen keine Chance, dass jeder weiß, die NATO ist ein überlegenes Bündnis. Das wollen wir deshalb, weil wir wissen, dass dann, wenn unsere Fähigkeiten sichtbar sind, wir sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht brauchen werden. Das ist das eigentliche Ziel. Die zweite Veränderung in der Welt – darüber wurde schon viel gesprochen – ist das Auftreten der brutalen Terroristen des sogenannten IS. Es handelt sich nicht mehr – das ist schon neu – um diese alte asymmetrische Bedrohung, über die wir jahrelang gesprochen haben. Das ist jetzt nicht mehr asymmetrisch. Es haben sich möglicherweise sogar die Vorzeichen bei der Symmetrie verschoben. Es wird nämlich Staatlichkeit durch Terroristen organisiert. Ich fand es schon beeindruckend, was die Königin Rania von Jordanien zu diesem Thema gesagt hat. Sie vertrat zum einen deutlich ihre Meinung, auch gegenüber der arabischen Welt, dass jeder Verantwortung trägt und dass hinter den Angriffen dieser Ideologen eine übelste Ideologie und ein globaler Machtanspruch steckt. Zugleich sagte sie: Ideologien sind nicht mit Kugeln zu beseitigen. Das Thema wird uns also noch lange beschäftigen, und auch die Menschen in Deutschland – wir sehen das derzeit bei vielen Diskussionen – merken, wie ernsthaft das ist. Sie verstehen auch, dass in bestimmten Situationen Diplomatie aktiv bleiben muss – die Bundesregierung leistet hier Vorbildliches; das wurde schon häufig gesagt –, man sich gleichzeitig aber solch brutalem fundamentalen Terrorismus notfalls auch mit Waffengewalt entgegenstellen muss. Wenn man das nicht selber kann, wenn man das nicht selber will, weil das vielleicht auch nicht besonders effektiv ist – das hat man im Irak bei den Amerikanern gesehen –, bleibt eben nur der Weg, denjenigen zu helfen, die das auch in unserem Interesse tun. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass ein neues Weißbuch aufgelegt wird. Im Ergebnis wird darin die Veränderung in dieser Welt sichtbar, und am Ende werden wir aus meiner Sicht eine neue Debatte bekommen, und zwar nicht über eine neue Bundeswehr oder eine ganz neue Reform, sondern darüber, was die Streitkräfte in Zukunft können müssen. Dies darf in Zukunft nicht, wie in der Vergangenheit allzu häufig geschehen, vom Diktat der leeren Kassen abgeleitet werden, (Zurufe von der LINKEN) sondern es muss davon abgeleitet werden, was wir als Deutsche in die internationale Politik einbringen können und einbringen wollen. Manche Soldaten haben in den letzten Jahren ja immer wieder gesagt: Was wollt ihr mit eurer Debatte erreichen? Wir bieten euch doch ein möglichst breites Spektrum an Fähigkeiten an, damit ihr Politikerinnen und Politiker auswählen könnt. – Das ist der falsche Ansatz, um es ganz klar zu sagen. Wir Politiker definieren, welche Fähigkeiten unsere Streitkräfte brauchen. Die Soldaten setzen das dann operativ um. Das ist die richtige Reihenfolge. Damit kommt allerdings auch Verantwortung auf uns zu: Wenn wir diese Aufgaben definiert haben, müssen wir schon dafür sorgen, dass die Streitkräfte die dafür notwendigen Mittel bekommen. Deshalb bin ich dankbar, dass unsere Haushälterin – ihr möchte ich an dieser Stelle wirklich danken – nicht nur die schwarze Null im Auge hatte, sondern immer auch im Blick hatte, dass es bei der Bundeswehr nicht nur um Waffen geht, sondern in erster Linie auch um Menschen. Sie hat vor diesem Hintergrund wichtige Beiträge geleistet, dass der Haushalt im nächsten Jahr auskömmlich ist. Herzlichen Dank! In Zukunft werden wir Debatten führen, bei denen das ebenfalls sichtbar wird. So wird das Attraktivitätsprogramm seriös und nachhaltig in zukünftigen Haushalten abgebildet werden. Das ist ganz wichtig für die Glaubwürdigkeit. In diesem Sinne: Recht herzlichen Dank. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. In drei Jahren wird man sagen können: Diese Große Koalition hat die Herausforderung angenommen, die Chancen, die sich für die Bundeswehr boten, ergriffen und ihre Aufgaben erledigt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Henning Otte, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Henning Otte (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir vor einem Jahr den Koalitionsvertrag beraten haben, konnten wir nicht vorhersehen, vor welchen sicherheitspolitischen Herausforderungen wir stehen würden. Lieber Kollege Rainer Arnold, wir kämpfen dafür, wir arbeiten dafür, wir werben dafür, dass wir die notwendigen Mittel bekommen; aber wenn die Politik festlegen soll, welche Herausforderungen in Zukunft auf uns zukommen, dann verkennen wir die Gefahr, dass sich politische Lagen schnell verändern können. In der Ukraine hat sich beispielsweise eine Lage entwickelt, in der ein militärisches Vorgehen durch uns quasi ausgeschlossen war, weil wir nicht annehmen wollten und auch nicht annehmen konnten, dass man militärisch agiert, um eine Destabilisierung zu erzeugen, um eine Landnahme voranzutreiben. Das gab es in keiner Planungsmappe mehr bei uns. Deswegen müssen wir darauf vorbereitet sein, dass auch unvorhergesehene sicherheitspolitische Herausforderungen auf uns zukommen. Frau Kunert, dabei geht es nicht darum, dass Russland eingedämmt wird, wie Sie es bezeichnet haben – wenn ich das richtig verstanden habe –, sondern es geht darum, dass die Ukraine davon ausgehen durfte, dass ihre Souveränität nicht angezweifelt und schon gar nicht angegriffen wird. Ich glaube, Sie sollten sich diesbezüglich die völkerrechtliche Lage noch einmal anschauen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das völlig entfesselte Vorgehen der IS-Terroristen ist dargestellt worden. Das sind unfassbare Gräueltaten, die aus einer regionalen Destabilisierung resultieren und mittlerweile eine Weltbedrohung darstellen. Wegschauen ist dabei für uns keine Option. Verantwortung ist für uns der Maßstab. Das Einstehen für Menschenrechte, für Religionsfreiheit, für Rechtsstaatlichkeit, das ist auch Ausdruck von Menschlichkeit. Umso wichtiger war es, dass wir die Rolle Deutschlands im Koalitionsvertrag und noch einmal explizit auf der Münchener Sicherheitskonferenz so definiert haben, dass wir bereit sind, mehr Verantwortung für Frieden und Freiheit in unserer Welt zu übernehmen. Ich bin unserer Ministerin wie dem Außenminister und dem Bundespräsidenten sehr dankbar, dass sie das so klar angesprochen haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die Peschmerga war keine leichte Entscheidung, aber sie war richtig und notwendig und daher konsequent. Menschen, die auf der Flucht sind, die Nahrung und Medizin dringend brauchen, ist es doch nicht zuzumuten, dass man ihnen das elementare Grundrecht auf Sicherheit verwehrt, dass man dieses Grundrecht ignoriert. Auch hier muss Deutschland Verantwortung übernehmen. Deutschland hat diese Verantwortung übernommen, auch weil wir gesagt haben: Ein zweites Ruanda darf es nicht geben. Wer das nicht so schlussfolgern will, der ist entweder zynisch oder ignoriert die Lage vor Ort. (Beifall bei der CDU/CSU – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Zynisch sind Sie mit Ihrer Flüchtlingspolitik!) Es gibt Konflikte mit altbekannten Gesichtern: Landnahme durch Militär, Destabilisierung, Einschüchterung ganz Osteuropas durch Russland. Hier werden Elemente des Kalten Krieges übernommen, und es wird mit modernen Mitteln gearbeitet. Hybride Kriegsführung nennt man dies. Die gesamte Breite der Möglichkeiten wird heute genutzt: Propaganda, Medienarbeit, irreguläre Kräfte. Konventionelle Streitkräfte mit Panzern und Jagdflugzeugen unterstützen diese Drohkulisse in Osteuropa, greifen direkt ein, nehmen Einfluss. Langstreckenflugzeuge und Marineschiffe provozieren an der Grenze der NATO. Auf diese Weise soll in osteuropäischen Ländern Einfluss genommen werden. Ich glaube, dass wir uns diese sicherheitspolitische Lage ganz konkret vor Augen führen müssen. Wir wollen nicht, dass militärische Mittel eingesetzt werden müssen. Wir wollen dafür sorgen, dass wir eine diplomatische Lösung finden; aber wir müssen deutlich machen: Wenn du friedlich mit mir umgehst, gehe auch ich friedlich mit dir um; aber wenn du angreifst, dann musst du auch wissen, dass wir uns wehren können. Diese Devise hat den Frieden auf dem europäischen Kontinent bisher realisiert und ist Ausdruck der NATO-Politik. Deswegen ist es gut, dass wir in der Konsequenz gemeinsam Rückschlüsse aus dem NATO-Gipfel in Wales ziehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Ausrichtung der Bundeswehr muss flexibel bleiben, damit wir lageabhängig reagieren können. Wir müssen Fähigkeitsschwerpunkte bilden. Geben wir eine Möglichkeit einer Fähigkeit erst einmal auf oder geben wir sie ab, ist es umso schwieriger, sie wieder zurückzuholen und neu aufzustellen. Zumindest wird es wesentlich teurer, diese Fähigkeiten wiederzugewinnen. Daher brauchen wir atmende Strukturen. Genau dafür gehen wir bilaterale Kooperationen ein. Mit den Niederlanden funktioniert das wunderbar. Mit Polen wird es in guten Gesprächen angestrebt. Diese Vernetzung innerhalb Europas, die Stärkung bilateraler Achsen mit dem Ziel, europäisch gemeinsam aufzutreten, halte ich für richtig. Daher müssen wir die Ausrichtung der Bundeswehr mit einem universellen Fähigkeitsanspruch so aufbauen, dass wir zu jeder Zeit auch Kooperationen eingehen können. Das ist ebenfalls Ausdruck von Verantwortung für unsere Sicherheitspolitik. Wir müssen die richtigen Rückschlüsse ziehen. Die Zeit der Friedensdividende ist vorbei. Die logischen Schlussfolgerungen sind daraus gezogen worden. Wie richtig festgestellt wurde, wird dies mittlerweile auch akzeptiert. Wir sollten unsere gesamten Sicherheitssysteme nicht weiter durch den Entzug von Mitteln schwächen, sondern die Verantwortung annehmen und den Einzelplan 14 entsprechend anpassen. Daher bin ich sowohl dem Haushaltsausschuss als auch dem Bundesfinanzminister sehr dankbar dafür, dass die notwendigen Konsequenzen schon im Haushalt 2015 gezogen worden sind. Anträge in Höhe von über 700 Millionen Euro sind angenommen worden, zum Beispiel für den Kauf von 131 neuen Transportpanzern des Typs Boxer. Das ist in Anpassung an die Sicherheitslage geschehen. Wir steigern dadurch die Sicherheit unseres Landes, die Stabilität und die Modernisierung. Deswegen bedanke ich mich bei den Haushältern herzlich dafür, dass sie dies umgesetzt haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Modernität erfordert nicht nur, dass wir schneller modernes Gerät in der Truppe haben, sondern auch, dass dieses Gerät einsatzbereit und verfügbar ist. Die Streitkräfte benötigen nicht nur wegen der aktuellen Herausforderungen ein Mehr an Ersatzteilen und Betriebsstoffen, sondern das Niveau muss auch grundsätzlich angehoben werden. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Otte, der Kollege Lindner würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu? Henning Otte (CDU/CSU): Gerne. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, geschätzter Kollege Otte. – Wenn ich Sie eben akustisch richtig verstanden habe, haben Sie ausgeführt, es seien Anträge in Höhe von über 700 Millionen Euro für die 131 Boxer, über die wir uns in dieser Debatte schon trefflich gestritten haben, angenommen worden. Da verstehe ich etwas nicht ganz. Ihre Schilderung klingt so, als sei das alles unter Dach und Fach und beschlossene Sache. Sowohl die Ministerin als auch mein geschätzter Kollege Bartholomäus Kalb haben zu diesem Punkt aber noch in der Bereinigungssitzung erklärt, zum einen handele es sich dabei um Geld, das im kommenden Jahr noch gar nicht zur Verfügung stehe, und zum anderen sei dies durch den Haushaltsausschuss qualifiziert gesperrt; das Ministerium müsse erst einmal eine Begründung vorlegen, und man könne sich das alles noch überlegen. Als ich der Frau Ministerin die vielen Verpflichtungsermächtigungen vorgehalten habe, meinte sie auch, das sei erst einmal Handlungsspielraum für sie und bedeute nicht, dass man alles gleichzeitig ausnutzen werde. Weil Sie vermutlich tieferen Einblick in das Innenleben der Koalitionsfraktionen haben, als ich es habe (Florian Hahn [CDU/CSU]: Gott sei Dank!) und auch haben möchte, würde ich gerne von Ihnen wissen: Was von beidem stimmt denn nun? Henning Otte (CDU/CSU): Herr Kollege Dr. Lindner, erst einmal herzlichen Dank für die Frage und vor allem auch für Ihr persönliches Bewusstsein für die Sicherheitspolitik. Sie sitzen für die Fraktion der Grünen sowohl im Haushaltsausschuss als auch im Verteidigungsausschuss. Deswegen kennen Sie auch die Notwendigkeiten. Daher befassen Sie sich auch sehr realistisch mit diesen Themen. Wir haben mit Anträgen im Verteidigungsausschuss und im Haushaltsausschuss deutlich gemacht, dass die Lage es erfordert, immer wieder in die Modernisierung unserer Armee zu investieren. Der geschützte Transportpanzer Boxer ist nur ein Beispiel für eine Reihe von -Anträgen, mit denen wir deutlich machen: Wenn wir Sicherheitspolitik ernst nehmen und aus der Fürsorgepflicht für unsere Soldatinnen und Soldaten die richtigen Rückschlüsse ziehen, dann müssen wir auch bereit sein, Geld in moderne Geräte zu investieren, die dem Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten dienen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir brauchen Flexibilität und einen hohen Bereitschaftsgrad. Wir müssen schneller und auch europäisch abgestimmt agieren. Die Streitkräfte müssen aus dem Stand heraus in der Grundgliederung und mit dem eigenen Gerät die Sicherheit unseres Landes gewährleisten können; auch das hat die NATO in Wales deutlich gemacht. Deswegen müssen wir auf dem Weg des flexiblen Verfügbarkeitsmanagements wohl eher in die Richtung gehen, eine durchgängige Einsatzbereitschaft sicherzustellen. Die Bundeswehr erfüllt ihre Aufgaben, und das sehr gut. Aber die Mittel sind nun einmal knapp bemessen. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit Haushaltsmitteln, mit dem Geld der Steuerzahler, sehr sensibel umgegangen wird. Trotzdem: Einen Auftrag zu erfüllen, erfordert organisatorischen Aufwand und führt zu hoher Belastung. Die Basis für eine gut ausgerüstete Bundeswehr ist eine leistungsfähige und gut aufgestellte wehrtechnische Industrie. Es ist auch Ausdruck von Souveränität, dass wir die Fähigkeiten, um unsere eigenen Streitkräfte auszustatten, in Deutschland haben. Wir wollen nicht abhängig werden. Wir wollen nicht diktiert bekommen, in welcher Qualität und zu welchem Zeitpunkt wir die Materialien bekommen. Wir müssen nicht immer alles selber bauen; aber wir müssen das Know-how und die entsprechende Beurteilungsfähigkeit haben. Deswegen brauchen wir auch eine Industrie, die als Ausdruck nationaler Sicherheitsvorsorge das erforderliche Material produzieren kann. Wir müssen Sicherheitspolitik ganzheitlich betrachten. Wir müssen feststellen, dass die wehrtechnische Industrie ein Pfeiler dieser Souveränität ist. Deswegen müssen wir weg von dem Gedanken einzelner Ressort- und Fachzuständigkeiten, wohl wissend allerdings, dass es nach dem Geschäftsverteilungsplan der Bundesregierung klare Zuständigkeiten gibt. Wir haben als Parlamentarier die Verantwortung für Deutschland als Ganzes. Wir Sicherheitspolitiker haben auch die Verantwortung, die Sicherheitspolitik als Ganzes zu betrachten. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag formuliert: Wir setzen uns für den Erhalt ausgewählter Schlüsseltechnologien und industrieller Fähigkeiten, insbesondere auch bei mittelständischen Unternehmen, ein. Darauf haben wir uns geeinigt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei der Benennung dieser Schlüsseltechnologien müssen wir uns wohl breiter aufstellen, um das Fähigkeitsspektrum der Bundeswehr abbilden zu können. Eine breite Aufstellung mag auf den ersten Blick vielleicht nicht effizient oder betriebswirtschaftlich logisch sein. Aber Sicherheitspolitik ist mehr als reine Betriebswirtschaftslehre. Sie ist eben auch Ausdruck dessen, was wir brauchen, um die Souveränität unseres Landes gewährleisten zu können. Folgender Satz ist vollkommen richtig: Die Bundeswehr kann nur das abnehmen, was sie zur Erfüllung ihres Auftrages benötigt. – Aber wenn wir Fähigkeiten erhalten wollen – so habe ich auch den Auftrag der Koalition verstanden –, dann müssen wir bereit sein, sicherheitspolitisch verantwortbare Exporte zuzulassen, insbesondere dann, wenn man durch eine solche Exportpolitik auch noch gestaltend gute Außenpolitik betreiben kann. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen uns die Frage stellen, was wir für unsere Sicherheit vernünftigerweise brauchen. Das muss dann auch finanziert werden: durch Beschaffungsprogramme, durch Forschungs- und Entwicklungstitel, auch durch Rüstungsmittel. Liebe Frau Kunert – sie ist nicht mehr da –, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Tja! Peinlich, peinlich!) zu sagen: „Von Deutschland soll kein Krieg mehr ausgehen; deswegen müssen die Auslandsmandate beendet werden“, ist so, als würde jemand, der kein Feuer will, die Feuerwehr abschaffen. Ich glaube, das wäre genau der falsche Beschluss. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir brauchen eine vorausschauende Sicherheitspolitik. Wir wollen unabhängig bzw. souverän sein und unsere Bündnisfähigkeit erhalten. Deswegen investieren wir in unsere Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz oder im Heimatbetrieb Enormes für die Sicherheit unseres Landes leisten und bereit sind, dafür auch ihre Gesundheit einzusetzen. Ich bin unserer Ministerin, Frau Dr. Ursula von der Leyen, sehr dankbar dafür, dass sie das Attraktivitätspaket, so wie es im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, mit Vehemenz eingebracht hat. Wir wollen es gemeinsam umsetzen. Sehr geehrte Frau Ministerin, es ist wichtig, dass wir aus Gründen der Fürsorge deutlich machen, dass wir für unsere Soldatinnen und Soldaten als Teil einer leistungsfähigen Armee einstehen und notwendigerweise auch bereit sind, Geld zu investieren. Wir wollen ein sicherheitspolitisches Gesamtpaket im Interesse der Sicherheit unseres Landes anbieten. Ich sage auch ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir im Verteidigungsausschuss und auch im Haushaltsausschuss die notwendige Unterstützung bekommen, und ich danke allen Soldatinnen und Soldaten, die bereit sind, für die Sicherheit unseres Landes einzustehen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Ein Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen, die noch folgen: Es wäre schön, wenn die Dankesbekundungen noch in der normalen Redezeit erfolgen würden. Ansonsten zieht sich die Sitzung zu sehr in die Länge. Der nächste Redner ist Wolfgang Hellmich, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wolfgang Hellmich (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Haushaltsberatung findet immer in einer sehr konkreten Situation statt. Man muss dabei das berücksichtigen, was wir sicherheits- und verteidigungspolitisch breit diskutieren. Es wurde gesagt, dass vieles aus den Fugen geraten ist. Hier hat die Ministerin die Kelle in die Hand genommen, um vieles, was nicht verfugt war, wieder zu verfugen. Sie haben vorhin an einigen Stellen deutlich gemacht, wie groß die Baustellen sind und was man aufräumen und verändern muss. Hätten wir das getan, was der Kollege Lindner – er ist nun leider auch nicht mehr da – noch vor einem halben Jahr hier gesagt hat (Henning Otte [CDU/CSU]: Er kommt gleich wieder!) – er kommt auch gleich wieder –, dass man nämlich doch bitte schön alle Rüstungsprojekte, über die wir diskutieren, mit einem Moratorium zum Stoppen bringen sollte, dann hätte das folgende Konsequenz gehabt: Die Bugwelle wäre noch größer geworden. Ich bin froh, dass wir das nicht gemacht haben, sondern an dieser Stelle gefordert haben, konsequent an den vielen Aufgaben zu arbeiten und Gas zu geben, damit die Baustellen aufgeräumt werden. Am letzten Wochenende, von Freitag bis Montag, haben wir in der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Den Haag – der Kollege Lamers als Delegationsleiter und Frau Schmidt als stellvertretende Delegationsleiterin – in der Diskussion über die Haushaltsentwicklungen noch einmal deutlich machen müssen und können, dass weiterhin das Ziel gilt, dass innerhalb von zehn Jahren mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Militär ausgegeben werden, wovon 20 Prozent für Investitionen und die technische Ausstattung zur Verfügung gestellt werden sollen. Wir haben aber auch deutlich machen müssen und können, dass wir nicht nur über diese Dinge, nicht nur über Hausnummern und Zahlen, sondern auch über Fähigkeiten und eine gemeinsame Mitwirkung zu diskutieren haben. Das ist der ganz entscheidende Punkt. Ich muss dazu aber auch sagen, dass unsere Position dort durchaus nicht unumstritten war, weil einige Länder gerade an dieser Stelle doch eine andere Position haben. Ich glaube aber, es wird wichtig sein, dass zu der Friedensdividende, die dringend nötig und richtig ist, eine Dividende der Zusammenarbeit hinzukommt, damit wir auch in Zukunft die richtigen Projekte finanzieren und gemeinsame Fähigkeiten entwickeln können. Wir haben auch deutlich machen können, was wir an dieser Stelle tun. Es gibt die Kooperation des deutschen und des niederländischen Heeres, die Kooperation mit den Polen und vieles andere. Ich glaube, dadurch sind wir bei der europäischen Integration und Zusammenarbeit ein ganzes Stück weiter, als dies an vielen Stellen berichtet wird. Die anderen Länder der NATO und auch die asso-ziierten und befreundeten Staaten haben hier sehr interessiert zugehört und die Bereitschaft erklärt, an dieser Stelle intensiv mitzumachen. Dies wird auch bis hin zur taktischen Ebene nötig sein. Ich habe bei der Diskussion dort immer den multi-nationalen Zug in Afghanistan im Blick gehabt, der ganz konkrete Probleme hatte. Ein Zugführer berichtete von sprachlichen Problemen, verschiedenen Kommunika-tionssystemen, verschiedensten Waffengattungen, die nicht aufeinander abgestimmt sind, und vielen anderen konkreten Punkten mehr. Wir müssen die Kooperation suchen – bis hin zur taktischen Ebene –, damit wir im konkreten praktischen, multinationalen Einsatz auch die beste Ausrüstung zur Verfügung haben und die beste Operationalität erreichen. Frau Kunert – Sie sind jetzt wieder da –, ich würde all unseren Partnern auch anbieten, das in einem Geschäftsübungszentrum einzuüben, was wir in solchen multinationalen Einsätzen brauchen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sind weit davon entfernt, die angesprochenen 20 Prozent und 2 Prozent zu erreichen, aber das Ziel, die Orientierung, ist klar. Deshalb bietet dieser Haushalt auch in Zukunft eine Orientierung im Rüstungsbereich und bezüglich der Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten. Mir wäre es sehr lieb, wenn die Ausrüstung des Infanteristen der Zukunft in diesem Haushalt noch deutlicher zum Ausdruck käme. Der IdZ macht nämlich nur zusammen mit dem Boxer einen Sinn. Diese werden dann in den konkreten Operationen gemeinsam zum Einsatz kommen. In diese Richtung werden wir weiterarbeiten und werden wir uns weiterentwickeln. Ich denke, diese konkreten Punkte werden wir gerade auch in die internationale Diskussion einbringen können. Wir werden eine entscheidende Rolle dort spielen, wo es um das NATO-Kommando für das Korps Nordost und um das Deutsch-Niederländische Korps geht. All dies sind zentrale Elemente dessen, was die NATO auf dem Gipfel in Wales beschlossen hat. Dabei wurde auch deutlich, welche wichtigen Aufgaben mit hoher Qualität, die wir einbringen, übernommen werden können. Letztendlich geht es nicht darum, dass von deutschem Boden Krieg ausgeht, sondern es geht darum, dass man mit mehr nationaler und internationaler Verantwortung für mehr Frieden auf der Welt sorgt. Das ist unser Ansatzpunkt. Das ist unser Ziel. Dem werden wir auch politisch gerecht werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich besonders, dass jetzt auf den Zuschauerrängen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dieser aus meiner Sicht wichtigen Debatte beiwohnen können. Es tut mir leid, dass Sie einige Rednerinnen und Redner, insbesondere die Ministerin, verpasst haben. Aber es kommen noch zwei Redner. (Heiterkeit) Es ist auch sehr selten, Frau Präsidentin, dass zur eigenen Rede eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis auf der Tribüne sitzt. Ich freue mich, die Bürgerinnen und Bürger aus Ostholstein und Stormarn begrüßen zu dürfen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Unglaublich!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Einzelplan 14 – Verteidigung – ist ein wichtiger Einzelplan. Insbesondere die Rednerinnen und Redner der Koalition haben deutlich gemacht, dass wir einen seriösen und fundierten Haushalt für den Bereich der deutschen Verteidigung aufgestellt haben. Auch ich möchte mich – denn das kann nur gelingen in einem guten Zusammenspiel – natürlich bei der Ministerin, den Mitarbeitern im Ministerium, aber ganz besonders auch bei unseren Haushältern – da schließe ich auch Dr. Lindner mit ein; ein Haushälter, der für den Einzelplan 14 kämpft, auch wenn er auf -Oppositionsseite steht – sehr herzlich bedanken. Der diesjährige Verteidigungshaushalt – Karin Evers-Meyer deutete es schon an – steht einmal mehr unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit. Die Bundeswehr ist leider erneut in den Fokus der medialen Berichterstattung geraten. Die kritischen Pressemeldungen über mangelhafte Einsatzbereitschaft, Fähigkeitslücken und Probleme bei der Materialbeschaffung haben einer breiten Öffentlichkeit die bei der Bundeswehr vorhandenen Defizite aufgezeigt. Im Kreise der Verteidigungspolitiker waren diese Defizite weitestgehend bekannt. Die schonungslose Bestandsaufnahme der vorhandenen Defizite verdanken wir aber in erster Linie und in ganz besonderer Weise der Frau Ministerin. Dafür zolle ich Ihnen Respekt. Probleme und strukturelle Mängel müssen offen angesprochen werden. Dabei begleitet nicht jeder – auch das durften wir registrieren – den Weg der Transparenz und Offenheit wohlwollend. Aber ich sage Ihnen, Frau von der Leyen: Ihr Vorgehen war richtig und wichtig, um bekannte Mängel zügig beseitigen zu können. Wir müssen die Probleme, die innerhalb der Bundeswehr bestehen, sachlich, ehrlich und offen ansprechen. Aber ich sage auch: Überzogene Kritik oder die gezielte Verunglimpfung unserer Soldatinnen und Soldaten als – so konnte man das in einer großen Schlagzeile lesen – „Trümmertruppe“ halte ich für skandalorientierte Meinungsmache. Das schadet dem Ansehen unserer Bundeswehr und unserer Soldatinnen und Soldaten insgesamt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist doch falsch!) Diese Berichterstattung verkennt außerdem wesentliche Fakten. Die Bundeswehr lebt vom besonderen Engagement und Einsatz ihrer Soldatinnen und Soldaten, aber auch ihrer zivilen Mitarbeiter. Die Truppe handelt professionell, sowohl in den Einsatzgebieten als auch im Rahmen des Katastrophenschutzes. Lobend erwähnt wurde auch die Bereitschaft nicht nur der Aktiven, sondern auch der Reservisten, wenn es um die Bekämpfung der Ebolaepidemie in Westafrika geht. Ohne den unbedingten Willen, ohne Leistungsbereitschaft und auch Improvisationstalent vom einfachen Gefreiten bis hinauf in die Führungsebene hätte unsere Bundeswehr nicht die hohe Wertschätzung in weiten Teilen unserer Bevölkerung und schon gar nicht die große Anerkennung all unserer Bündnispartner. Bei allen Problemen und Anpassungsprozessen ist die Bundeswehr bereits heute ein überaus attraktiver Arbeitgeber, bei dem Kameradschaft und Gemeinschaftssinn gelebt werden und Pflichtgefühl den täglichen Dienst begleitet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieses Engagement verdient ganz besonders unsere Anerkennung und höchsten Respekt immer wieder auch aus diesem Haus. Auch wenn das schon gesagt wurde, wiederhole ich es, gerade weil jetzt Kameradinnen und Kameraden auf der Besuchertribüne Platz genommen haben. In der Schnelllebigkeit unserer Zeit wird immer wieder ausgeblendet, dass die Bundeswehr immer noch die größte und umfassendste Reform seit ihrem Bestehen durchlebt. Es ist die oft beschriebene Operation am offenen Herzen, in der es – das weiß man aus der Erfahrung mit Operationen – auch immer wieder kritische Phasen gibt und geben wird. Dieser Tatsache, dass wir in einem Reformprozess sind, sollten gerade die Medien, die sich allzu sehr bemühen, nur die negativen Seiten zu beleuchten, einmal mehr Beachtung schenken. Meine Damen und Herren, zur Wertschätzung dieser Arbeit gehört auch, dass wir den Soldatinnen und Soldaten wie auch den zivilen Mitarbeitern ein Arbeitsumfeld schaffen, welches den Leistungswillen und die Kreativität fördert und den besonderen Umständen des Soldatenberufs Rechnung trägt. Lange Zeiten der Abwesenheit von der Familie, eine hohe Versetzungshäufigkeit wie auch der schlimmste Fall, nämlich die Gefährdung von Leib und Leben, sind Bestandteil des Soldatenberufs. Er ist ein besonderer Beruf und für viele Aktive eine echte Berufung. Mit dem auf den Weg gebrachten Artikelgesetz zur Steigerung der Attraktivität tragen wir diesen soldatischen Tätigkeiten Rechnung. Frau Ministerin, es ist enorm wichtig, die 22 aktuell geplanten Maßnahmen anzustoßen und zu verwirklichen. Sie hatten im Planungsprozess und haben auch jetzt die uneingeschränkte -Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion, um diese Verbesserungen zu erreichen. Auch wir müssen ständig evaluieren, weil der Soldatenberuf in knallharter Konkurrenz zur Wirtschaft und zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes steht. Deshalb werden wir auch zukünftig die Situation insgesamt im Blick behalten, um gegebenenfalls weitere Verbesserungen zu diskutieren und zu realisieren. Das Artikelgesetz ist bereits heute ein wichtiger Schritt hin zu mehr Attraktivität innerhalb der Bundeswehr und zu mehr Anerkennung. Wir hörten es andeutungsweise: Es wurde auch von der Opposition aufgegriffen, aber auch innerhalb der Bundeswehr wurden einige angekündigte Verbesserungen skeptisch bis kritisch bewertet. Dabei, werte Kolleginnen und Kollegen, geht es nicht um Flatscreens oder Kühlschränke auf den Stuben, wie die Debatte von den Medien leider völlig unzutreffend verkürzt wurde. Vielmehr geht es um Nachwuchsgewinnung. Es geht um Lebenswirklichkeit und ein Umfeld, welches in vielen Bereichen heute Standard ist. Wenn wir junge Menschen dafür gewinnen wollen, ihre Heimat Deutschland zu verteidigen, dann ist eine Sechsmannstube ohne WLAN-Anschluss, aber vielleicht mit dem Charme der 70er-Jahre nicht das, was der allgemeine Lebensstandard heute erwarten lässt. Ohne Wehrpflicht stehen wir vor der besonderen Herausforderung, junge Menschen anzusprechen, die sich bis dato noch gar nicht mit dem Gedanken beschäftigt haben, in der Bundeswehr eine berufliche Perspektive zu suchen. All diese Dinge packen wir an. Wir haben mit dem Einzelplan 14 wie mit dem gesamten Haushaltsplan 2015 eine gesunde Grundlage geschaffen, um diese Aufgaben erfüllen zu können. Wir befürworten nicht nur den Einzelplan 14, sondern den gesamten Haushalt 2015 und werden den gesamten Prozess innerhalb der Bundeswehr weiterhin positiv begleiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege Dirk Vöpel, SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dirk Vöpel (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In jeder Krise steckt auch eine Chance. Das gilt nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Es ist noch gar nicht lange her, da hätte wohl niemand diese Häufung von Kriegen, Krisen und Konflikten für möglich gehalten, mit denen wir es heute zu tun haben, und das alles in unmittelbarer Nachbarschaft der Europäischen Union. Der weiter schwelende Ukraine-Konflikt und die neue russische Machtpolitik, die apokalyptischen Bürgerkriege in -Syrien und im Irak, der Staatszerfall in Libyen und anderen Teilen Nordafrikas, die wachsenden Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern – die Welt an der Ost- und Südflanke Europas ist kein friedlicherer Ort geworden. Auch deshalb steht die europäische Sicherheitspolitik in den kommenden Jahren vor gewaltigen Herausforderungen, auf die wir neue Antworten finden müssen. Quer durch Europa stehen die öffentlichen Haushalte seit langem unter starkem Konsolidierungsdruck. Was lag also näher, als sich die nach dem Ende des Kalten Krieges allseits erwartete Friedensdividende vor allem aus den nationalen Verteidigungsetats auszahlen zu lassen? Zahlreiche Krisen und Konflikte in der Nachbarschaft, der strategische Rückzug Amerikas, geringe -finanzielle Spielräume, das sind die schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen wir eine neue europäische Sicherheitsstrategie formulieren müssen. Eines ist klar: Allein mit dem nationalen Instrumentenkasten wird keines dieser Probleme zu lösen sein. (Beifall bei der SPD) Ich bin der Auffassung, dass in den aktuellen Krisen und Problemen auch eine Chance steckt. Europa muss in Zeiten wie diesen auch militärisch enger zusammen-rücken. Ich darf daran erinnern: Bereits an der Wiege des europäischen Einigungswerks unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stand mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, EVG, der nur knapp gescheiterte Versuch, eine europäische Armee zu schaffen. Warum sollten wir uns angesichts der Herausforderungen unserer eigenen Gegenwart langfristig weniger ehrgeizige Ziele setzen? (Beifall bei der SPD) Das wird natürlich ein langer, steiler und steiniger Weg. Wir sollten ihn trotzdem gehen. Die immer stärkere Kooperation, Vernetzung und Integration auch der militärischen Ressourcen in Europa wären aus meiner Sicht nicht nur ein entscheidender Beitrag zur Stärkung von GSVP und GASP, sondern könnten dem europäischen Projekt insgesamt neuen Schwung verleihen. Warum eigentlich sollte bei den Streitkräften nicht möglich sein, was uns beim Geld und bei den Grenzen gelungen ist? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die europäischen Mitgliedstaaten leisten sich zurzeit 28 nationale Armeen mit insgesamt 1,5 Millionen Soldatinnen und Soldaten. Die Gesamtausgaben für Verteidigung liegen bei knapp 200 Milliarden Euro, deutlich mehr als Russland und China zusammen ausgeben, jedenfalls offiziell. Auf dem Papier sieht das ziemlich beeindruckend aus. Schaut man näher hin, erweist sich -Europa jedoch als militärischer Scheinriese. Nur in wenigen Bereichen entsprechen die real verfügbaren Fähigkeiten der Papierform. Die strategischen Fähigkeitslücken sind unübersehbar. Nirgendwo leisten wir uns so viele Redundanzen, teure Mehrfacharbeiten und verschwenderische Parallelentwicklungen wie in diesem System fast ausschließlich national gesteuerter Rüstungsbeschaffung. Wozu brauchen wir in Europa 20 Programme für gepanzerte Fahrzeuge, fünf oder sechs parallele UBoot-Projekte, jeweils fünf Programme für Kampfflugzeuge oder die Entwicklung von Boden-Luft-Raketen? Unter dem anhaltenden Druck zur Kostenreduzierung und bei dem fortlaufenden Rückgang nationaler Beschaffungsmengen kann eine vorwiegend am Bedarf des eigenen Landes orientierte Rüstungsindustrie nicht überleben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wenn wir eine wettbewerbsfähige rüstungsindustrielle Basis auf unserem Kontinent erhalten wollen, dann kann die richtige Antwort auch im wehrwirtschaftlichen Bereich nur lauten: Wir müssen mehr Europa wagen. 100 Jahre nach dem Beginn der europäischen Selbstzerfleischung im Ersten Weltkrieg müssen wir leider feststellen: Die Überhöhung vermeintlich nationaler -Interessen, das Denken in Machtkategorien und Einflusssphären und das Verständnis von Außen- und Sicherheitspolitik als einem Nullsummenspiel, bei dem ein Land nur auf Kosten eines anderen etwas gewinnen kann, sind auch 2014 nicht völlig überwunden. Vor diesem Hintergrund brauchen wir umso mehr ein geeintes und vor allem ein einiges Europa. (Beifall bei der SPD) Lassen wir diese Krise nicht ungenutzt! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Geduld. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14 – Bundesministerium der Verteidigung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Niemand. Dann ist der Einzelplan 14 mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.11 auf: Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 18/2823, 18/2824 Berichterstatter sind die Abgeordneten Volkmar Klein, Sonja Steffen, Michael Leutert und Anja Hajduk. Zu dem Einzelplan 23 liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Des Weiteren liegen ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Abgeordneten Michael Leutert, Fraktion Die Linke, das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Ist er noch nicht da? (Manfred Grund [CDU/CSU]: Er steht vor der Tür!) – Dann müssen wir kurz warten. Er ist im Zulauf? Ehrenwort, Herr Staatssekretär? Dann begrüßen wir erst einmal den Herrn Staatssekretär. (Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Er sieht Sie doch draußen auf dem Bildschirm!) – Nein, das hat schon etwas mit der Form zu tun, dass wir auf den Minister warten. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Warten Sie mit Ihrer Rede, bis er kommt!) – Ja, wir warten ganz kurz. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Können wir ihn nicht ausrufen lassen?) Vielleicht können wir ein paar Abstimmungen vorher durchführen. (Bundesminister Dr. Gerd Müller betritt den Plenarsaal) – Hervorragend. (Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Müller, es geht los!) Vizepräsident Peter Hintze: Bitte. Michael Leutert (DIE LINKE): Herr Minister, schön, dass auch Sie anwesend sind. Dann kann ich jetzt mit meiner Rede beginnen. Dies ist nach dem Einzelplan des Auswärtigen Amts und dem Einzelplan des Verteidigungsministeriums der dritte Einzelplan mit internationalem Bezug, den wir heute hier besprechen. Ich weiß jetzt nicht genau, wer sich die Reihenfolge ausgedacht hat; ich weiß auch nicht genau, ob das etwas mit der Wertigkeit, mit der Wichtigkeit der Ministerien zu tun hat. Ich weiß allerdings, dass wir bei der Verteilung der Gelder genau umgekehrt verfahren sollten: Wir sollten zuerst so viel Geld zur Verfügung stellen, bis wir 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit erreicht haben, und dann das, was übrig bleibt, an die anderen Ministerien verteilen. (Beifall bei der LINKEN) Nur dieses Verfahren garantiert, dass endlich unser Versprechen auf internationaler Ebene, mehr für die Ärmsten auf der Welt zu tun, eingelöst werden kann. -Immerhin schaffen es fünf europäische Länder, ihre Verpflichtung einzuhalten: Schweden, Norwegen und Luxemburg – diese drei liegen im Übrigen mit 1 Prozent weit über der festgelegten Zahl von 0,71 Prozent – sowie Dänemark und Großbritannien. Da ist die Frage im Raum, warum wir das nicht schaffen. Unabhängig von diesen zentralen Problemen muss ich Ihnen zugestehen, Herr Minister: Sie machen es einem als Oppositionspolitiker nicht ganz einfach. Sie sprechen die richtigen Probleme an: Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren, eine Welt ohne Hunger. Sie haben dazu Sonderinitiativen initiiert. Sie setzen auch die richtigen Akzente, nämlich dass wir uns ändern müssen, hier in Europa, in Deutschland, um so auch helfen zu können. Ich erinnere da an den Vorschlag zum Textilsiegel. Das ist ganz im Sinne von „global denken, lokal handeln“. Sie verbinden das auch mit Methoden, die bei der Linken Zuspruch finden, indem zum Beispiel bei der Erarbeitung der Zukunftscharta, die diese Woche vorgestellt wurde, die Zivilgesellschaft mit eingebunden wurde. In der Zukunftscharta wird der zentrale Kritikpunkt ebenfalls angesprochen. Ich zitiere: Diese nur langfristig zu verwirklichenden Ziele erfordern Geduld und den Einsatz von deutlich mehr Ressourcen. Wir haben hier also einen Minister, der die richtigen Dinge anspricht, die richtigen Akzente setzt, die richtigen Methoden wählt und auch noch Dokumente produziert, in denen mehr Geld verlangt wird. Entsprechend unseren internationalen Verpflichtungen müssten wir circa 10 Milliarden Euro mehr für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Aber all dies nutzt nichts. Hier soll ein Haushalt verabschiedet werden, der mit der Realität nichts zu tun hat, ein Haushalt eben, der nicht mehr Ressourcen zur Verfügung stellt, obwohl allen klar ist, dass dies falsch ist. Lassen Sie mich das bitte an einem ganz konkreten Beispiel verdeutlichen. Das Auswärtige Amt hat in einem Brief an uns Haushälter mit alarmierenden Worten auf die Flüchtlingsproblematik hingewiesen. Ich habe ihn heute schon bei der Beratung des Einzelplans des Auswärtigen Amtes zitiert. Aber er ist so gut, dass man ihn noch einmal zitieren kann. Es haben das ja noch nicht alle gehört. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Wir haben alle zugehört!) – Er ist so gut, dass man ihn zweimal zitieren kann. Ich zitiere: Wir sind Zeugen der schlimmsten humanitären Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. … momentan kann auch Menschen in existenzieller Not nicht ausreichend geholfen werden! … Deutschland fällt hinter andere Geberländer zurück. … Bereits 2014 befinden wir uns in einem Feld mit Geberländern, die erheblich kleinere Bevölkerungen und Volkswirtschaften haben als wir (z. B. Norwegen, Schweden, Schweiz, Kanada). Mit diesem Brief konnte der Außenminister Steinmeier in letzter Sekunde die Kürzung der Mittel für humanitäre Hilfe verhindern. Er hat nun – wie im Jahr 2014 auch – wiederum 400 Millionen Euro zur Verfügung. Nun ist das Auswärtige Amt aber nur für die sogenannte erste Hilfe zuständig, also – um es etwas salopp auszudrücken – für Decken, Zelte und die warme Mahlzeit. Danach sind Sie als Minister des BMZ dran. Es geht also um die mittelfristige Unterstützung und Hilfe. Es geht um medizinische Versorgung. Es geht um Bildung. Ja, es geht auch um die Müllentsorgung. Die Flüchtlingslager sind ja mittlerweile zu Städten angewachsen. Dafür stehen beim BMZ allerdings nur 139 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist unlogisch. Wenn man mit 400 Millionen Euro für Zehntausende Flüchtlinge humanitäre Hilfe leistet, dann muss sich das doch auch in Ihrem Haushalt an entsprechender Stelle widerspiegeln; (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denn die Flüchtlinge sind ja nach der Erstversorgung immer noch da. Diese Diskrepanz, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir ausgleichen. Wir haben keine andere Wahl. Die Realität wird uns dazu zwingen. Wenn wir es heute nicht machen, werden wir in den nächsten Monaten zusammensitzen und überplanmäßige Ausgaben beschließen. Wir bzw. Sie alle haben allerdings am Freitag dieser Woche noch einmal die Chance, den Änderungsanträgen der Linken zuzustimmen. Gemessen an den Aufgaben und Forderungen, die im Raum stehen, sind es moderate Änderungsvorschläge. Wir wollen die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit von 6,5 auf 8 Milliarden Euro anheben. Wir wollen explizit mehr Mittel für die Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Wir wollen mit diesen Anträgen aber auch dem Ziel, 0,7 Prozent unseres -Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, endlich einen Schritt näherkommen. Wir laden Sie gern ein, dabei mitzumachen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Volkmar Klein, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Volkmar Klein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann es tatsächlich so machen: Man kann den erheblichen Aufwuchs im Einzelplan 23 lapidar mit „hätte auch mehr sein können“ kommentieren. Wahrscheinlich muss man das als Opposition auch. Man muss mit dem berechtigten Lob der Regierung immer besonders sparsam sein, weil ja sonst die eigenen Leute ziemlich irritiert sind. Also, das ist schon ganz in Ordnung so. Aber richtig ist es natürlich, auf den erheblichen Aufwuchs im Einzelplan 23, im Haushaltsplan des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hinzuweisen. Angesichts der sich entwickelnden Krisen hatte auch der Minister darauf hingewiesen, dass es gut wäre, diese Mittel zu erhöhen. Im Rahmen des Haushaltsverfahrens haben wir insgesamt 64 Millionen Euro mehr für das Ministerium zur Verfügung gestellt, und das angesichts einer Absenkung des Gesamthaushalts um 400 Millionen Euro auf 299,1 Milliarden Euro. Insofern wäre eigentlich ein bisschen Lob von allen Seiten des Hauses angebracht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Leutert [DIE LINKE]: Habe ich doch gesagt! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird nichts draus!) Doch der Reihe nach. Insgesamt ist der Haushalt die in Zahlen gegossene gute und richtige Antwort auf die aktuellen Fragen, eine Reaktion auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, aber auch auf die ethischen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Einher geht das Ganze mit der entscheidenden Botschaft – ich denke, das kann man auch an dieser Stelle wiederholen –: Bei einem Gesamthaushalt von 299,1 Milliarden Euro kommen wir komplett ohne neue Schulden aus, das erste Mal seit 1969. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist in dreifacher Hinsicht sinnvoll und wichtig: Erstens. Es ist im Sinne von Generationengerechtigkeit ethisch richtig, den künftigen Generationen keine Schulden zuzuschieben. Zweitens. Wie wir aus den letzten Jahren wissen, ist es aber auch für die aktuelle Finanzpolitik wichtig, Stabilität in Europa auszustrahlen. Drittens. Für unseren Bereich hier ist es ganz entscheidend, sicherzustellen, dass wir unsere finanziellen Fähigkeiten auch in Zukunft haben werden. Auch in Zukunft werden wir unseren internationalen Verpflichtungen nachkommen können; das wollen wir. Insofern ist der ausgeglichene Haushalt auch eine gute Botschaft für die Entwicklungszusammenarbeit. Der Einzelplan des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als solcher ist schon als Entwurf gut gewesen. Im Rahmen der Beratungen haben wir ihn noch ein Stück verbessern können. Dieser Einzelplan umfasst mehr Geld – darauf habe ich eben schon hingewiesen –; für viele ist schon das ein ausreichendes Qualitätsmerkmal. Im Übrigen steht dieser Einzelplan damit in einer langen Tradition: 2005 umfasste der Haushalt dieses Ministeriums 2,8 Milliarden Euro. Jetzt, zehn Jahre später, stehen im Haushaltsplan 6,5 Milliarden Euro; das sind mehr als 70 Prozent mehr, und das bei einem Gesamthaushalt, der, von 260 Milliarden Euro auf 299 Milliarden Euro, nur relativ moderat gewachsen ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) – Der Beifall dafür, dass das Gewicht der Entwicklungszusammenarbeit gestiegen ist, ist sehr berechtigt. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht dürftig der Beifall!) Auf jeden Fall ist auch richtig, dass im Haushaltsverfahren beschlossen wurde, zusätzlich 90 Millionen Euro für Nothilfe einzustellen. Wie wir eben gehört haben, werden im Auswärtigen Amt zusätzlich 280 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Darüber haben wir bereits im Zusammenhang mit dem Einzelplan des Auswärtigen Amtes diskutiert. Das sind natürlich die Folgen des Beschlusses der vergangenen Regierung, einen großen Teil der entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe vom BMZ ins Auswärtige Amt zu verlagern. Ob das nun gut war oder nicht, diese Frage stellt sich bei der heutigen Haushaltsberatung eher weniger. Es geht hier aber nicht nur darum, viel Geld zur Verfügung zu stellen, sondern auch darum, die richtige Antwort auf Zukunftsfragen zu geben, nicht nur die aktuellen Notlagen zu bewältigen, sondern auch über den Tag hinaus zu denken. Ein entscheidendes Hemmnis für wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsplätze in den Ländern des Südens sind Gesundheitsprobleme. Da, wo Menschen krank sind, können sie nichts erarbeiten und ihre Zukunft nicht gestalten. Deshalb ist es so wichtig, dass es uns gelungen ist, den deutschen Beitrag für die Globale Impfallianz jeweils für die nächsten Jahre auf 40 Millionen Euro deutlich zu erhöhen. Das wird die Grundlage sein: Wenn bilaterale Mittel hinzukommen, werden wir auf dieser Grundlage bei der -Replenishment-Konferenz, die im nächsten Januar bei uns in Deutschland stattfindet, Zusagen in Höhe von rund 500 Millionen Euro geben können. Der entscheidende Punkt ist: Damit werden Bremsklötze für die Entwicklung vor Ort beiseitegeräumt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir müssen auch an anderer Stelle Bremsklötze beiseiteräumen. Wir haben den Ansatz beim Titel „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“ um 7 Millionen Euro erhöht. Das gibt die Grundlage dafür, noch mehr tun zu können, damit sich in den jeweiligen Ländern Jobs, Chancen entwickeln und am Ende auch Steuerzahler da sind. Ein bisschen ist dies auch die Antwort auf den Report der Vereinten Nationen „A New Global Partnership“ des High-Level Panel von 2013. Ich will einmal eine Passage daraus zitieren, jedenfalls die Übersetzung – auf Seite 11 kann man das auf Englisch nachlesen –: Wirtschaft ist ein essenzieller Akteur, der wirtschaftliches Wachstum generieren kann. Kleine und mittlere Unternehmen schaffen die meisten Arbeitsplätze, die gebraucht werden, dass sich die Ärmsten aus der Armut befreien können. Große Firmen haben Geld und das Know-how, um Infrastruktur aufzubauen, sodass es allen Menschen ermöglicht wird, sich in der modernen Wirtschaft zu vernetzen. Große Unternehmen können darüber hinaus kleine und kleinste Unternehmen auf einem größeren Markt vernetzen. – Das sagt das High-Level Panel. Ich glaube, dass wir hier die richtige Antwort darauf geben. Genau darum muss es gehen: Unser Anspruch muss sein, wirklich zu helfen, damit die entsprechenden Länder auf eigenen Füßen stehen können, damit Arbeitsplätze geschaffen werden, damit auch dort Steuerzahler vorhanden sind, die Infrastruktur, Gesundheitssysteme usw. finanzieren können. Das ist das, was wir unter nachhaltiger Hilfe verstehen. Ich glaube, dass wir auch überlegen müssen, ob unsere Konzepte bereits voll ausgereift sind; denn wir haben an vielen Stellen, zumindest in Afrika, aus meiner Sicht mit relativ viel Geld weniger erreicht, als wir mit dem Geld der deutschen Steuerzahler eigentlich erreichen sollten. Das ist aber wichtig, nicht nur für die einzelnen Länder, sondern auch für die einzelnen Menschen. Wir müssen den Menschen in diesen Ländern mehr Chancen vor Ort geben. Wir sind – wir haben das mehrfach heute diskutiert – sicherer Zufluchtsort für ganz viele Flüchtlinge, deren Menschenrechte zu Hause mit Füßen getreten werden. Diese Menschen wollen wir gern aufnehmen; das ist richtig so. Aber wir sind verständlicherweise auch Ziel von vielen, die zu uns kommen, weil sie bei sich zu Hause zu wenig Chancen sehen. Da ist es doch ein Gebot der Menschlichkeit, dass wir helfen, in diesen Ländern Chancen zu eröffnen, Chancen auf Jobs und darauf, in der Heimat das eigene Leben zu gestalten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD]) Genau das ist auch der Inhalt der Sonderinitiativen, die sich das Ministerium auf die Fahne geschrieben hat: „Eine Welt ohne Hunger“, „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ und „Nordafrika und Naher Osten“; diese Region ist leider weiterhin im Mittelpunkt. Das sind die Punkte, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen werden, die im nächsten Jahr von einer größeren Öffentlichkeit sicherlich intensiv beachtet wird. Das nächste Jahr ist ein wichtiges Jahr für die internationale Zusammenarbeit. Ich habe die Replenishment-Konferenz von GAVI im Januar in Deutschland bereits -erwähnt. Das G-7-Treffen in Elmau wird sich ganz -intensiv mit all diesen Fragen beschäftigen. Die Beschlussfassung über die Post-2015-Agenda steht ebenfalls an. Es geht darum, Chancen zu bieten. Es geht darum, über Konzepte zu streiten, die dann auch wirklich geeignet sind, Chancen zu schaffen. Solche Konzepte – lassen Sie mich damit auch zum Ende kommen – sind total gut, das dafür zur Verfügung stehende Geld ist total wichtig – also der Haushalt, den wir jetzt beschließen –, aber am Ende kommt es auf die Menschen an, auf diejenigen, die dann vor Ort bereit sind, das auch umzusetzen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich denen danken, die für Deutschland in den entsprechenden Ländern in aller Welt Hilfe leisten, im Moment vor allen Dingen denen, die ganz persönlich an den direkten Brennpunkten von Ebola sind. Das sind, ich glaube, inzwischen bereits über 50 Deutsche. Da braucht man nicht nur Kompetenz; da braucht man auch Mut. Ganz herzlichen Dank an all die Menschen, die bereit sind, das zu tun! (Beifall im ganzen Hause) Ich möchte mich aber auch ganz herzlich bei den Mitberichterstattern und Mitberichterstatterinnen im Haushaltsausschuss für die gute Zusammenarbeit bedanken. Da muss man auch schon mal unterschiedliche Meinungen aushalten und das ausfechten. Aber ich kann sagen: Es macht einfach Spaß, gemeinsam an diesen Dingen zu arbeiten, auch gemeinsam mit den zuständigen Leuten aus dem Finanzministerium, aus dem BMZ, das von einem guten Minister geführt wird, der das Ganze gut im Griff hat. Auch dafür ganz herzlichen Dank! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Johannes Selle [CDU/CSU]: Die Staatssekretäre haben das auch gut im Griff!) – Der Minister ist unter anderem deswegen so gut, weil er von drei kompetenten Staatssekretären unterstützt wird; das ist in der Tat richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, mein Fazit. Erstens: Guter Etat! Zweitens: Bitte zustimmen! Drittens: Am besten alle! (Michael Leutert [DIE LINKE]: Mit minimalen Änderungen?) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zustimmen geht beim besten Willen nicht, werter Kollege Klein. Ich möchte das auch begründen. Dieser Etat ist einer der wichtigsten, wenn es darum geht, die aktuellen großen Krisen der Welt zu bewältigen und auf lange Frist das Zusammenleben auf dieser Welt mit unserer Unterstützung auf einen positiven Weg zu bringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gerade Minister Müller hat sich seit Amtsantritt nicht gescheut, diesbezüglich sehr herausfordernde Worte zu finden. Er hat die Probleme sehr klar beschrieben. In der ersten Lesung hat er mit Blick auf die aktuellen Krisen, die Arbeit mit den Flüchtlingen und die sogenannte entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe die Lage folgendermaßen beschrieben – ich zitiere –: Dieses Problem kann unser Haushalt mit dieser Ausstattung nicht zufriedenstellend lösen. Diesen Satz hat er gesagt, verbunden mit der Aufforderung an uns, dass wir uns darum kümmern. Ich habe heute, als ich auf die Rednerliste geschaut habe, schon gestaunt, dass Minister Müller in dieser Debatte nicht das Wort ergreifen wird. Ich habe mich gefragt, ob vielleicht die Sorge besteht, dass er mit dem Etat nicht so zufrieden sein könnte und dies vielleicht zum Ausdruck bringen könnte. Das ist Spekulation; aber ich bedauere sehr, dass er nicht spricht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, selbstverständlich. Vizepräsident Peter Hintze: Bitte schön. Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin Hajduk, nur zu Ihrer Kenntnis: Es ist, wie ich glaube, große Anerkennung wert, dass ein Minister so handelt, wie unser Minister handelt. Er hat bei der Einbringung des Haushaltes gesprochen, hat uns seine Vorstellungen dargelegt und hat es dann in unsere Hand gelegt, zu handeln. Dass er jetzt die zweite und dritte Lesung nicht als Regierungshandeln, sondern als Parlamentshandeln versteht, finde ich ausgezeichnet. Ich würde mir wünschen, manch anderer Minister würde das auch so machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Niema Movassat [DIE LINKE]: Ist das jetzt Kritik an Steinmeier und von der Leyen?) Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte Ihnen gerne antworten, Frau Kollegin. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das war nur eine Feststellung!) – Ich möchte aber in der gebotenen Kürze darauf eingehen. – Ich bin sehr dafür, dass parlamentarische Gepflogenheiten eingehalten werden und dass wir unsere Rolle mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein wahrnehmen. Ich habe es aber immer auch als wichtig und richtig empfunden, dass zum Beispiel im Haushaltsausschuss die Minister anwesend sind, wenn ihr Etat beraten wird. Ich finde es entsprechend unseren parlamentarischen Gepflogenheiten der Rede und Gegenrede wertvoll, auch den Minister selber sprechen zu hören, in Reaktion auf die Änderungen, die sein Etat erfahren hat. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist doch im Haushaltsausschuss passiert!) Ich kann das, was Sie sagen, nicht teilen. Aber letztlich ist es natürlich die Entscheidung der CDU/CSU-Fraktion, wie sie die Redeminuten verteilt; ich möchte Ihnen nicht absprechen, dass es in Ihrer Verantwortung liegt. Aber es fällt schon auf; es ist eher eine seltene Ausnahme, dass es so gehandhabt wird, wie Sie es hier handhaben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Leutert [DIE LINKE]: Vielleicht darf er jetzt reden!) Ich möchte im Thema fortfahren. Ich möchte nicht leugnen, dass die Koalitionsfraktionen bei der entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe 90 Millionen Euro draufgelegt haben. Das ist angesichts der vorhandenen 49 Millionen Euro nicht nichts. Das will ich, wie gesagt, gar nicht leugnen; schon gar nicht, weil ich den Minister zitiert habe. Aber ich kann einfach nicht verstehen, dass Sie dann den Großteil, 75 Millionen Euro, bei der bilateralen Finanziellen Zusammenarbeit abziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei den Verpflichtungsermächtigungen für die bilaterale Technische Zusammenarbeit ziehen sie 46 Millionen Euro ab. Der Gesamtaufwuchs in diesem Etat ist, gemessen daran, was eigentlich nötig ist, viel zu gering. Deswegen können wir nicht erkennen, Volkmar Klein, dass das die ausreichende Antwort auf die globalen Krisen, auf die langfristigen Probleme, die wir haben, sein soll. Vor dem Hintergrund der Entscheidungen, die wir hier heute schon getroffen haben, möchte ich auf Folgendes hinweisen – ich bin auch zuständig für den Etat Kultur –: Zugunsten des Kulturetats, der um einiges kleiner ist als dieser Etat – was ich gut finde –, finden Umschichtungen in der Größenordnung von 100 Millionen Euro in diesem Jahr und 280 Millionen Euro in den Folgejahren statt. Ich bedauere es, dass Sie angesichts dessen in diesem Etat nur eine 1-prozentige Steigerung geschafft haben – und das vor dem Hintergrund unserer internationalen Zusagen und der Vereinbarungen, die wir unterzeichnet haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn ich mich nicht irre, Frau Pfeiffer, waren Sie dabei, als wir uns darauf geeinigt haben, einen Aufwuchspfad zum 0,7Prozent-Ziel erreichen zu wollen. Gemessen an diesen Zusagen kann ich nur sagen: Das ist viel zu wenig, was Sie machen. Ich bitte Sie: Lehnen Sie sich nicht zurück – ich hatte es so verstanden, dass der Minister sich auch nicht zurücklehnen will –; denn diese Rechnung geht nicht auf. Vizepräsident Peter Hintze: Es gibt den Wunsch von Kollegin Pfeiffer nach einer weiteren Frage oder einer Bemerkung. Möchten Sie die zulassen? Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich jemanden anspreche, dann lasse ich das gerne zu. Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin Hajduk, es gibt eine Erklärung für das Ganze. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass das Thema „humanitäre Hilfe und Not- und Übergangshilfe“ primär beim Außenministerium angesiedelt ist. Insofern haben wir vielleicht nur eine Brotkrume abbekommen; das ist das eine. Aber das andere ist: Wir haben die Kompetenzen und Zuständigkeiten für diese Frage geordnet. Insofern ist diese Verteilung so, wie sie ist. Wir können es vielleicht grundsätzlich bedauern, dass wir nicht mehr Geld zur Verfügung haben; aber wenn Sie allein auf die humanitäre Hilfe und die Not- und Übergangshilfe abstellen, liegen Sie leider falsch. (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bleibt immer alles so, wie es ist, was? Beim Verteidigungshaushalt haben Sie gerade umgekehrt argumentiert, Ihre Fraktion, Ihre Kollegen!) Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin, auch da muss ich Ihnen widersprechen; Herr Schmidt, darauf gehe ich jetzt ein. In Bezug auf das, was im Zuge der humanitären Hilfe notwendig ist, haben Sie tatsächlich reagiert; das ist vorhin schon gesagt worden. Sie haben zum Glück einen Fehler korrigiert, auf den wir Sie schon im Juni/Juli hingewiesen haben. Wir haben nämlich gesagt: Sie müssen bei der humanitären Hilfe draufsatteln, damit das Niveau von 400 Millionen Euro gehalten werden kann. Das stimmt; das ist sozusagen eine Fehlerkorrektur, die Sie vorgenommen haben. Wir reden hier aber nicht über Mittel für humanitäre Hilfe – für die erste Versorgung mit Decken usw., wie Herr Leutert eben ausgeführt hat –, sondern wir reden über mittel- und längerfristige Strukturen wie Wasserversorgung und Schulen, die ab einem Zeitraum von drei Monaten nötig sind. Sie wissen doch, wie groß die Zahl der Flüchtlinge ist! Es sind mehrere Millionen, und der Minister hat gesagt – bestimmt auch Ihrer Fraktion; das kann ich mir gar nicht anders vorstellen –: Da komme ich mit den Mitteln für die Hilfe, für die ich zuständig bin, trotz der Aufteilung mit dem Auswärtigen Amt, nicht aus. – Sie müssen also in der Summe mehr tun und nicht nur an der einen Stelle. Das wäre doch die richtige Antwort auf diese Frage. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber er macht es trotzdem!) Ich möchte mit einem zweiten Themenschwerpunkt fortfahren, den wir Grüne und auch ich wichtig finden. Wir zeigen Ihnen einen Pfad auf, wie wir unsere inter-nationalen Zusagen mit einem Plus von insgesamt 800 Millionen Euro einhalten können, um der ODA-Quote näherzukommen. Das ist ein mehrjähriger Prozess. Das Jahr 2015 wird in Bezug auf Entwicklungs- und Klimapolitik ein wichtiges Jahr. Es werden viele wichtige Konferenzen stattfinden. Es ist richtig, was der Minister gesagt hat: Unter dem Klimawandel leiden am meisten die Bewohner von Inselstaaten sowie die Bewohner Afrikas aufgrund der Wüstenausbreitung und des Wassermangels. Wir, der entwickelte Norden – ich nenne das einmal so –, sind der Hauptverursacher. Insofern haben wir die Verpflichtung, hier mehr zu helfen. Es ist gut, dass die deutsche Regierung zugesagt hat, mit 750 Millionen Euro beim Green Climate Fund einzusteigen. Wir Grüne sagen aber: Hier müssen wir noch mehr tun. Wir brauchen eine Aufstockung auf 1 Milliarde Euro. Ich sage Ihnen mit Blick auf den Haushalt 2015: Es kann nicht angehen, dass Sie von diesen 750 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigung gerade einmal 18 Millionen Euro im Jahr 2015 einsetzen wollen. Wir glauben, dass es für den Klimaschutz insgesamt nötig ist, ein Paket von 500 Millionen Euro zusätzlich zu schnüren, das sowohl dem Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsschutz Rechnung trägt als auch multilaterale Hilfen und den Green Climate Fund mit mehr Mitteln ausstattet. Ich möchte Ihnen zum Abschluss meiner Rede eine Brücke bauen. Wenn die 500 Millionen Euro für den internationalen Klimaschutz eingesetzt werden, dann handelt es sich ja um investive Maßnahmen. Wenn Sie sich in dieser Woche nicht dazu durchringen können, eine entsprechende Entscheidung zu treffen, dann tun Sie es innerhalb des nächsten halben Jahres. Dann werden Sie nämlich vor der Aufgabe stehen, das 10-Milliarden-Euro-Paket von Herrn Schäuble zu füllen. Das sind zugesagte Investitionen für die Jahre 2016 bis 2018. Packen Sie davon einen Riesenbatzen in den internationalen Klimaschutz! Folgen Sie unseren Vorschlägen! Sie wären zwar spät bekehrt, aber es wäre was. Heute sind wir nicht zufrieden. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gute Rede!) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Sonja Steffen, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sonja Steffen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ein nachdenklicher Satz unseres Außenministers ist heute schon mehrmals zitiert worden: Die Welt ist aus den Fugen geraten. – Es gibt Probleme, die scheinbar endlos wachsen, in immer neuen Dimensionen: Kriege, brutale Verfolgung, Millionen Flüchtlinge – ein einziges Elend. Es ist richtig und wichtig, dass uns diese Bilder erreichen. Ich möchte jedoch an dieser Stelle erst einmal kurz einen Blick auf die Erfolgsseite werfen. Das sind die Erfolge, die wir in der Welt gemeinsam, gemessen an den Millenniumszielen, in den letzten 15 Jahren erreicht haben, und es sind große Erfolge. Der Anteil der Weltbevölkerung in absoluter Armut – das sind die Menschen, die mit 1,25 Dollar für ihren täglichen Bedarf auskommen müssen – hat sich seit 2000 halbiert. Die Kindersterblichkeit hat sich seit 2000 ebenfalls halbiert, und die Müttersterblichkeit hat sich fast halbiert. Der Anteil der Kinder mit Grundschulbildung ist auf 90 Prozent gestiegen. Das sind beeindruckende Erfolge, Erfolge einer Politik der Weltgemeinschaft, die sich zur Jahrtausendwende ein ambitioniertes Programm zum Ziel gesetzt hat: die Entwicklungsziele des Millenniums. Man kann aus diesen Erfolgen zwei Resümees ziehen. Das erste ist: Ambitionierte tief und breit angelegte Programme wie die MDGs und die SDGs sind der richtige Weg. Das zweite ist: Entwicklungszusammenarbeit lohnt sich, zahlt sich aus. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) In diesem Geist der Weltgemeinschaft haben Sie, Herr Minister Müller, jetzt ein ebenfalls sehr ambitioniertes Programm aufgelegt: die Zukunftscharta „EINEWELT – Unsere Verantwortung“. Leider sprechen Sie heute nicht – ich bedaure das –, sonst könnten Sie vielleicht auch einige Sätze zu dem wirklich sehr erfolgreichen Auftakt dieser Veranstaltung sagen. Viele von uns waren am Montag dabei. Es waren Tausende von Menschen in der Station Berlin, und es war ein sehr buntes Bild. Das hat uns allen, denke ich, sehr viel Hoffnung für die nächsten Jahre gegeben. Die Botschaft dieses Programmes ist: Es gibt nicht mehr die Welt des Gebens und Nehmens. Alle Länder und Akteure sind verantwortlich. Das ist ein Programm, das alle Politikbereiche umfasst. Was für die SPD-Fraktion besonders wichtig ist: Das Menschenrecht auf soziale Sicherheit weltweit wird zum Ziel erklärt, ebenso wie eine Flüchtlingspolitik, die die unerträgliche Lage der Flüchtlinge beenden will. Herr Klein, da bin ich ganz bei Ihnen: Das muss so nachhaltig sein, dass die Menschen erst gar nicht mehr aus ihrer Heimat flüchten müssen. Ganz wichtig ist übrigens: kein einziges Wort in der Zukunftscharta über militärische Hilfe. Hier gehört sie nämlich nicht hin, schon deshalb nicht, weil sie oft Teil des Problems ist und nicht Teil der Lösung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dafür hat die Charta aber ein weiteres Ziel formuliert – das haben auch Sie am Montag betont –, man höre: vom Freihandel zum Fairhandel. Das hat mir sehr gut gefallen. Seien Sie versichert, Herr Minister, die Zukunftscharta findet die volle Unterstützung meiner Fraktion, der SPD-Fraktion, und hoffentlich auch der gesamten Koalition. (Beifall der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]) Nun hat die Zukunftscharta also sehr erfolgreich begonnen, es bedarf aber einer konsequenten Neuausrichtung Ihres Ministeriums, damit es tatsächlich ein Ministerium für globale Zukunftsfragen werden kann. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen – da gebe ich der Opposition wirklich recht –, bedarf es auch mit Blick auf die Zukunft aus unserer Sicht eines wesentlich höheren Etats. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Vor diesem Hintergrund ist es mir als Haushälterin natürlich leicht gefallen, mich für mehr Mittel in unserem Etat einzusetzen. Ich weiß auch, dass vor allem die Oppositionsfraktionen – das haben wir vorhin schon gehört – bemängeln, dass der Entwicklungsetat nach wie vor nur 0,38 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt statt der einmal vereinbarten 0,7 Prozent, was der berühmten, fast schon berüchtigten ODA-Quote entsprechen würde, die wir eigentlich 2015 erreichen wollten. Diese zu erreichen, ist uns bislang nicht gelungen. Die Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen der SPD-Fraktion sind wie auch ich an einigen Stellen nicht glücklich über den diesjährigen Etat. Ich will aber auch loben; das habe ich eingangs schon gesagt. Immerhin haben wir insgesamt 100 Millionen Euro mehr, als im ursprünglichen Haushaltsentwurf vorgesehen, für die Flüchtlingshilfe. 60 Millionen sind noch einmal obendrauf über den Titel „Entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe“ in den Haushalt hereingelangt. Ich finde schon, dass das ein großer Erfolg und vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdramen auch völlig angemessen ist. Der Etat des Außenministeriums – auch das war ja heute hier in der Debatte zu hören – ist gleich um 300 Millionen Euro aufgestockt worden. Das ist auch besonders wichtig, weil gerade die Winterhilfe jetzt unbedingt funktionieren muss. 2015 ist für die Entwicklungszusammenarbeit ein entscheidendes Jahr – das haben wir schon gehört –: Wir haben die Zukunftscharta; 2015 übernimmt Deutschland die Präsidentschaft der G 7, und eine der ersten Konferenzen, die Deutschland leitet, ist die GAVI-Geberkonferenz. Schon Ende Januar soll sie in Berlin unter der Schirmherrschaft unserer Bundeskanzlerin stattfinden. Ich will vielleicht kurz erklären, auch wenn wir zu dieser späten Stunde bedauerlicherweise fast unter uns sind: Dank GAVI konnte in den letzten Jahren erreicht werden, dass mindestens 440 Millionen Menschen gegen lebensbedrohliche Krankheiten geimpft werden konnten. Auf diese Weise wurden schätzungsweise bisher schon 6 Millionen Todesfälle verhindert. Polio beispielsweise konnte weltweit fast komplett ausgerottet werden. Das ist also ein sehr ambitionierter, aber auch sehr erfolgreicher Fonds, den wir da haben. Ich finde es absolut angemessen, dass wir in diesen Haushalt 15 Millionen pro Jahr zusätzlich einstellen; denn es handelt sich wirklich um einen unglaublich erfolgreichen Fonds. Es ist übrigens auch gut, dass die Kanzlerin, die am Montag ebenfalls bei der Übergabe der Zukunftscharta anwesend war, ausdrücklich 500 Millionen Euro für GAVI in den kommenden Jahren in Aussicht gestellt hat. Herr Klein hat darauf auch schon hingewiesen. Es gibt noch einen anderen globalen Fonds: Das ist der GFATM, der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, den wir in diesem Jahr mit 10 Millionen Euro mehr unterstützen. Ich weiß, dass die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker sich mehr versprochen haben. Ich hoffe aber, dass wir in den nächsten Jahren bei diesem Fonds einen weiteren Aufwuchs erreichen können. Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Kekeritz? Sonja Steffen (SPD): Ja. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin, Sie sagten gerade, dass GFATM mit 10 Millionen Euro mehr unterstützt wird. Meiner Kenntnis nach wird der Etat um 35 Millionen gekürzt. Wie ist das zu erklären? Sie gehen von der theoretischen Annahme aus, dass der Ansatz eigentlich viel niedriger war. Die Leute hier wollen aber wissen, wie hoch er 2014 war und wie hoch er 2015 sein wird. Vor diesem Hintergrund ist ganz klar: Es handelt sich nicht um eine Erhöhung um 10 Millionen Euro, sondern um eine Reduzierung um 35 Millionen Euro. Ich bitte Sie im Namen der Öffentlichkeit und der Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, die Zahlen nicht derart durcheinanderzubringen. Danke. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sonja Steffen (SPD): Herr Kekeritz, dazu will ich gerne etwas sagen. Wir hatten in dem Etat „Global Fonds“ ursprünglich 200 Millionen Euro pro Jahr eingestellt; das werden Sie wissen. Im letzten Jahr haben wir es erreicht, den Etat 2014 auf 240 Millionen Euro zu erhöhen. In diesem Jahr – deshalb finde ich, dass ich nichts Falsches gesagt habe – ist es uns gelungen, den Etat um 10 Millionen Euro zu erhöhen, also von den 200 Millionen Euro, die eingestellt waren, auf 210 Millionen Euro. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Logik konsequent angewendet, müssten Sie mir auch sagen, ab welchem Jahr Sie anfangen!) – Wir sprechen über 2015. Ursprünglich angesetzt waren es 200 Millionen Euro, und jetzt sind es 210 Millionen Euro. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Die Zusagen sind doch nur über 200 Millionen!) Ich habe ja auch gesagt, dass ich mir in Zukunft eine deutlichere Erhöhung wünsche. Übrigens hat auch die Kanzlerin am Montag gesagt, dass GAVI und der Global Fonds sehr gelungene Beispiele für multilaterale Entwicklungszusammenarbeit sind. Ich finde es sehr wichtig, dass auch die Kollegen von der Union dies noch einmal deutlich gehört haben. Es ist wichtig, dass das Interesse in unserem Land an internationalem Engagement durch unsere Politik gestärkt wird. In diesem Zusammenhang leistet der Zivile Friedensdienst, den viele junge und engagierte Menschen dort, wo es wirklich brennt, absolvieren, eine sehr wichtige Arbeit. Deshalb war es uns von der SPD-Fraktion besonders wichtig, dass wir diesen Zivilen Friedensdienst mit 5 Millionen Euro mehr, also mit insgesamt 39 Millionen Euro, unterstützen. Des Weiteren freue ich mich sehr, dass der Etat für die Forschung in der Entwicklungszusammenarbeit gestärkt wird. Wir stellen hierfür 5 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Es ist gut, dass davon auch das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik profitieren wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Haushaltsentwurf 2015 war ein hartes Stück Arbeit. Das Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – dass uns dies gelungen ist, begrüße ich sehr –, hat uns vieles abverlangt. Es ist uns gelungen, im Einzelplan 23 die richtigen Schwerpunkte zu setzen, insbesondere im Bereich Flüchtlingshilfe und Gesundheit. Über den Erfolg eines schuldenfreien Haushalts wollen wir aber nicht vergessen, dass unsere Verantwortung in der Welt und für die Welt wirklich ernst genommen werden muss. Deshalb habe auch ich, Frau Hajduk, darüber nachgedacht, warum wir nicht einen Teil der 7 Milliarden Euro, die noch nicht verplant sind, für Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit nutzen sollten. (Beifall der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD] – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da werde ich Sie unterstützen! Da können wir uns einmal austauschen!) Sie haben das vorhin vorgeschlagen. Das finde ich nicht schlecht. Abschließend will ich mich bei allen bedanken, beim Hauptberichterstatter, Herrn Klein, der das mit uns zusammen, auch zusammen mit Herrn Leutert und Frau Hajduk, sehr gut gemacht hat. Des Weiteren will ich mich beim Ministerium bedanken, beim Minister selbst, bei den Staatssekretären, beim gesamten Stab und natürlich auch bei unseren eigenen Mitarbeitern. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sabine Weiss, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren auf den Rängen! Ja, wir müssen noch viel tun. Aber schauen wir doch erst einmal, was wir haben. Dank Bundesminister Dr. Gerd Müller weht ein frischer Wind durch die deutsche Entwicklungspolitik. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das stimmt!) Es zeichnet den Minister aus – die Staatssekretäre will ich hierbei natürlich nicht vergessen –, dass er bei seinen Bemühungen um neue Ansätze bei Beibehaltung der erfolgreichen Strategien die Bevölkerung und die Zivilgesellschaft mit ins Boot holt. Ich wage auch die Behauptung: Damit hebt er sich positiv von dem einen oder anderen seiner Vorgänger ab. (Beifall bei der CDU/CSU) Erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit lebt von der guten Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und von der Akzeptanz in der Bevölkerung. Daher ist die Herangehensweise von Gerd Müller, die enge Einbindung, genau die richtige. Liebe Sonja Steffen, beim Blick in die Zeitungen der letzten Woche beschleicht viele Menschen angesichts der zahlreichen Krisen in der Welt verständlicherweise ein beängstigendes Gefühl. Bei der Bekämpfung dieser Krisen ist die Entwicklungszusammenarbeit aus meiner Sicht das einzig wirklich richtige Mittel – beim Kampf gegen Ebola, bei den Hilfen für die Flüchtlinge im Irak und in Syrien, aber auch bei den leider schon wieder aus dem Rampenlicht entschwundenen Krisen im Sudan und Mali. Es geht eben nicht ohne Entwicklungszusammenarbeit. Das müssen wir immer wieder betonen. Damit müssen wir noch viele Herzen erreichen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass der aktuelle Haushalt des BMZ in hohem Maße auf die akute Krisenbewältigung ausgerichtet ist. 90 Millionen Euro wurden im parlamentarischen Verfahren beim Titel „Entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe“ draufgelegt. 200 Millionen Euro stehen für die von Minister Müller vorgeschlagenen drei Sonderinitiativen zur Hungerbekämpfung, zur Flüchtlingsfrage und zu Nordafrika/Nahost zur Verfügung. Zusätzliche Mittel wurden kurzfristig für die Bewältigung der Ebolakrise sowie der Flüchtlingskatastrophe in Nahost bereitgestellt. Zwar verschwindet Ebola zurzeit wieder aus den Schlagzeilen. Wie wir alle wissen, bedeutet das aber leider nicht, dass diese Krise mit ihren dramatischen Auswirkungen auf die Länder ausgestanden ist. Einzig in Liberia gibt es derzeit Zeichen für einen Rückgang der Ansteckungen. Allerdings wird die Seuche zusehends zu einer Gefahr für die internationale Sicherheit. Daher haben die G-20-Staaten, wie die Frau Bundeskanzlerin heute Morgen berichtet hat, Ebola gemeinsam den Kampf angesagt. Wir wissen, dass die Bundesregierung sich mit 100 Millionen Euro an der Seuchenbekämpfung beteiligt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle allen Helfern zu danken, die in den Ebolagebieten unter schwersten und nicht ungefährlichen Bedingungen arbeiten, um den Kranken zu helfen. Ich kann das gar nicht angemessen ausdrücken. Ihnen gebühren wirklich unsere Hochachtung und unser höchster Respekt für ihren humanitären Einsatz. (Beifall im ganzen Hause) Die aktuellen Krisen erfordern kurzfristige Hilfen und internationale Unterstützung. Sie dürfen aber nicht den Blick darauf verstellen, dass erfolgreiche und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit auf die Lösung struktureller und tiefsitzender Entwicklungshemmnisse ausgelegt ist. Daher sind neben der akuten Krisenhilfe weitere Schwerpunkte des Haushaltes für das nächste Jahr: Bildung, Gesundheit und Ernährungssicherheit. Krisen in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas mit dem massiven Vormarsch eines radikalen und gewalttätigen Islam halten die Welt derzeit in Atem. Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht vor den barbarischen Mördertruppen. Dass es so weit kommen konnte, dass die Truppen des IS ganze Landstriche mit ihren Gräueltaten überrollen, ist allerdings auch eine Folge jahrzehntelanger Nichtbeachtung der Interessen und Bedürfnisse der breiten armen Bevölkerung, eine Folge fehlender Bildung und Gesundheitsversorgung und eine Folge der Missachtung von Rechten von Frauen; denn ohne Zugang zu Bildung, Gesundheit und Ernährung für alle Bevölkerungsgruppen und -schichten in Entwicklungsländern wird nirgends ein sich selbst tragender Entwicklungsprozess in Gang kommen. Ich möchte mich heute noch kurz auf zwei Aspekte, nämlich Bildung und Gesundheit, konzentrieren. Bildung ist das schärfste Schwert, das wir gegen rückwärtsgewandte und menschenverachtende Ideologien haben; denn nichts entzaubert mittelalterliche Weltanschauungen schneller und besser. Bildung macht Gesellschaften offen, vielfältig und tolerant. Bildung ist der sicherste Weg aus der Armut. Daher bin ich sehr froh darüber, dass der Bildung eine so hohe Bedeutung zugemessen wird. 400 Millionen Euro sollen in dieser Legislaturperiode jährlich aus dem Haushalt des BMZ für Bildung eingesetzt werden. Neben dem BMZ kann und muss hier aber auch die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Amtes wichtige Beiträge leisten; denn nichts fürchten Diktatoren und Fundamentalisten so sehr wie freie Medien und Meinungsfreiheit. Folgerichtig muss die Förderung freier Medien und der Meinungsfreiheit einer unserer Schwerpunkte sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Stachel im Fleisch der Diktatoren, Fundamentalisten und aller, die es mit der Demokratie nicht ernst meinen, können unter anderem die Deutsche Welle und andere Träger sein. 3 Millionen Euro wurden für diesen Zweck im parlamentarischen Verfahren zusätzlich für nächstes Jahr veranschlagt. Alle diese Maßnahmen – das hören wir aber auch jedes Jahr wieder – erfordern eine stärkere Vernetzung der einzelnen Ressorts, als es bisher geschieht. Ich glaube, lieber Gerd Müller, das ist eine Baustelle, an der wir alle – die Bundesregierung, aber auch wir Parlamentarier – noch arbeiten müssen. Zum Thema Gesundheit. Es gibt keinen Bereich, bei dem eingesetzte Mittel so direkt zu einem messbaren Erfolg führen wie im Gesundheitsbereich. Die Erfolge der letzten zwei Jahrzehnte sind beachtlich – Frau Steffen ist schon darauf eingegangen –: Die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren hat sich fast halbiert, die Müttersterblichkeit sank um 45 Prozent. Trotz aller Erfolge müssen wir unsere Anstrengungen natürlich verstärken. Denn jedes Kind und jede Mutter, die einen vermeidbaren Tod sterben, sind ein Kind und eine Mutter zu viel. Nach wie vor sterben jeden Tag mehr als 18 000 Kinder unter fünf Jahren, und 900 Frauen lassen jeden Tag ihr Leben aufgrund von Schwangerschaft oder Geburt infolge von durchaus behandelbaren oder vermeidbaren Komplikationen. Da ist es richtig, dass sich der G-7-Gipfel in Deutschland nächstes Jahr dem Thema der globalen Gesundheit widmen wird. Die im Gesundheitsbereich erzielten Erfolge sind in hohem Maße der Arbeit des Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria und der Impfallianz GAVI zu verdanken. Ich begrüße es daher außerordentlich, dass Bundesregierung und Parlament hier an einem Strang ziehen und die Mittel für diese beiden Organisationen erhöhen. Beim GFATM wurden 10 Millionen Euro – der Haushaltsansatz betrug 200 Millionen Euro – draufgelegt, lieber Uwe Kekeritz. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja!) Mit diesen insgesamt 210 Millionen Euro haben wir für 2015 eine Summe, mit der Deutschland weiterhin der weltweit drittgrößte Geber des Globalen Fonds ist. Aber auch ich bin ein Freund der Position: Daran müssen wir weiter arbeiten. Bei GAVI wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Deutschland bei der nächsten Geberkonferenz bis zu 500 Millionen Euro für die kommenden Jahre zusagen kann. Ich denke, auch das ist eine signifikante Erhöhung. Ich kann mich noch daran erinnern, mit welchen Summen GAVI unterstützt wurde, als ich vor fünf Jahren mit der Entwicklungspolitik anfing. Das BMZ plant auch eine Erhöhung der Mittel für die wichtige Entwicklung von Gesundheitssystemen in den entsprechenden Ländern. Denn gerade das Fehlen von funktionierenden und belastbaren Gesundheitssystemen ist maßgeblich schuld am rasanten Ausbruch der Ebolaseuche. 60 Millionen Euro mehr hat der Haushaltsausschuss trotz der Vorgaben der Schuldenbremse und der schwarzen Null bewilligt. Ich denke, das ist ein Erfolg. Den lassen wir uns heute auch nicht kleinreden. Wir arbeiten weiter daran, dass wir nächstes Jahr größere Erfolge erzielen. Mit Blick auf die Zukunft möchte ich als Entwicklungspolitiker noch Folgendes anmerken: Wenn wir vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen und Bedrohungen richtigerweise über eine Erhöhung des Volumens des Verteidigungshaushaltes sprechen, dann müssen wir das erst recht im Hinblick auf den Entwicklungsetat tun; denn Entwicklungspolitik ist die beste Krisenpräven-tionspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren einen signifikanten Anstieg des Barhaushaltes erreichen. Die Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen der Finanziellen und Technischen Zusammenarbeit und bei den Sonderinitiativen um circa 450 Millionen Euro in 2015 ist ein gutes Signal und ein Weg in die richtige Richtung. In Zeiten der Schuldenbremse und knapper Haushalte werden alternative Finanzierungsmittel für die Entwicklungspolitik immer wichtiger. Lassen wir einmal die 7 Milliarden Euro, die vorhin Thema waren, beiseite; dazu ist schon einiges gesagt worden. Ich denke – dafür möchte ich werben –, dass ein bedeutender Teil der hoffentlich bald erzielten Einnahmen aus der hoffentlich bald beschlossenen Finanztransaktionsteuer in die Entwicklungszusammenarbeit und den internationalen Klimaschutz fließt. Wir müssen diesen Anspruch immer wieder anmelden; sonst ist das Fell des Bären verteilt, bevor er erlegt worden ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir Entwicklungspolitiker werden uns gemeinsam dafür einsetzen, dass in den nächsten Jahren noch eine ordentliche Schippe auf den Haushalt obendrauf kommt. Auch werden wir dafür kämpfen, dass ein bedeutender Teil der Finanztransaktionsteuer für die Entwicklungszusammenarbeit abfällt. Denn erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit ist das wichtigste und erfolgreichste Präventionsmittel, das wir haben. Das können wir nicht oft genug betonen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Niema Movassat, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Niema Movassat (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Minister Müller, bald können wir eine Kerze anzünden – nicht nur wegen des ersten Adventssonntags, sondern auch, weil Sie bald Ihr einjähriges Ministerjubiläum feiern. Ihr Hauptanliegen, alle mit ins Boot zu nehmen, überstrahlt dieses erste Jahr. Das ist ohne Frage ein sehr frommer Wunsch. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Dann macht doch mit!) Sie müssen aber dafür sorgen, dass dieser fromme Wunsch auch Wirklichkeit wird; denn Ihr Wunsch und die Realität klaffen bei Ihrer konkreten Politik leider oft auseinander. (Johannes Selle [CDU/CSU]: Ihr müsst ja bloß zustimmen!) Ich nenne ein Beispiel: Vor kurzem übergaben Vertreter der Nichtregierungsorganisationen FIAN, INKOTA und Oxfam Ihrem Ministerium 65 000 Unterschriften, die sie im Rahmen der Kampagne „Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne“ gesammelt hatten. Diese Kampagne richtet sich ausdrücklich gegen die enge Zusammenarbeit Ihres Hauses mit der Agrar- und Lebensmittelindustrie. Was macht Ihr Entwicklungsministerium daraus? Anlässlich der Unterschriftenübergabe veröffentlichten Sie eine Pressemitteilung mit dem Titel „INKOTA, FIAN und Oxfam gemeinsam mit dem BMZ für ‚EineWelt ohne Hunger‘“. Das ist echt dreist. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Eine ausdrückliche Kritik an Ihrer Politik biegen Sie mal eben in einen Beleg für gute Zusammenarbeit um. Damit täuschen Sie die Öffentlichkeit. Hauptsache, es sieht so aus, als wären alle im Boot! Oxfam, FIAN und INKOTA fordern seit zwei Wochen eine Richtigstellung. Diese sollte unverzüglich erfolgen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Noch viel wichtiger ist aber: Ändern Sie endlich Ihre Politik. Sie sagen zwar ständig, Sie wollen die kleinbäuerliche Landwirtschaft in den Entwicklungsländern stärken, aber das bleibt leider nur ein leeres Versprechen. Der Haushaltsentwurf für 2015 weist nämlich leider in eine ganz andere Richtung. Schauen wir uns das Flaggschiff Ihrer Sonderinitiative „EineWelt ohne Hunger“ an, nämlich die zehn sogenannten Grünen Zentren, die Sie in afrikanischen Ländern und in Indien aufbauen wollen. Als Partner dieser Zentren nennen Sie explizit die deutsche Agrarwirtschaft. Unternehmen wie Bayer und BASF haben Sie massiv in die Planungen eingebunden. Kleinbauern wurden jedoch weitgehend ausgeschlossen. Schlimmer noch: Die Grünen Zentren bieten den meisten Kleinbauern keine Perspektive, sondern forcieren eine Zukunft ohne sie. Das ist der falsche Weg. (Beifall bei der LINKEN) Herr Müller, Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie die Expansionsbestrebungen des deutschen Agrobusiness in Afrika fördern oder eine kleinbäuerliche Landwirtschaft vor Ort, die im Kampf gegen den Hunger nachweislich die größten Erfolge bringt? Das eine schließt das andere aus. Öffentlich-private Partnerschaften dürfen deshalb eben nicht zum zentralen Mittel der Hungerbekämpfung werden. Das machen wir auch mit dem vorgelegten Antrag deutlich. Die Linke ist gegen Entwicklungsgelder für Agrarkonzerne. (Beifall bei der LINKEN) Der Entwicklungshaushalt hat aber auch noch andere Defizite. Drei davon möchte ich nennen: Erstens. Die wichtigste Lehre aus der aktuellen Ebolakrise ist: Wir brauchen endlich mehr Geld in den Entwicklungsländern für den Aufbau von Gesundheitssystemen, (Beifall bei der LINKEN) also für Krankenstationen und für die Ausbildung von Ärzten und Krankenschwestern. Deutschland muss außerdem seine Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation sofort deutlich anheben, damit diese wieder handlungsfähig wird und nicht weiter vom Gutdünken von Privatpersonen wie Bill Gates abhängig ist. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Johannes Selle [CDU/CSU]: Keine Spenden? Blödsinn!) Zweitens. Sie müssen das Budget für Flüchtlinge deutlich anheben. Wie sollen wir sonst die Millionen syrischer Flüchtlinge menschenwürdig versorgen? Das ist unsere humanitäre Pflicht. Sonntagsreden reichen hier nicht aus. (Beifall bei der LINKEN) Zudem ist es eine Schande, dass sich Deutschland geweigert hat, das italienische Programm „Mare Nostrum“ zu unterstützen. Durch „Mare Nostrum“ konnten binnen eines Jahres über 130 000 in Seenot geratene Flüchtlinge – Frauen, Kinder, Männer –, die in höchster Not waren, aus dem Mittelmeer gerettet werden. Da Europas Staaten dieses Programm aber nicht mitfinanzieren wollen, läuft es jetzt aus. „Das Mittelmeer darf kein Friedhof werden“, sagte der Papst gestern vor dem EU-Parlament. Recht hat er! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Da muss die Linke schon den Papst zitieren!) Herr Müller, hier muss ich fragen: Warum haben Sie im Kabinett und bei den Haushaltsverhandlungen nicht vehement für eine Unterstützung von „Mare Nostrum“ gekämpft? Das hätte ich von Ihnen erwartet. (Beifall bei der LINKEN) Drittens. Gemeinsam mit den Grünen haben wir einen Antrag vorgelegt, die Budgethilfe an die Entwicklungsländer zu erhöhen. Auch Sie von der SPD haben das in der Opposition immer laut gefordert. Kaum waren Sie in der Regierung, war die Forderung, wie so oft, nicht mehr so lautstark zu hören – und das, obwohl es viele gute Gründe dafür gibt, die Budgethilfe auszuweiten; denn sie ermöglicht es den betreffenden Ländern, abgestimmte Programme zur Armutsbekämpfung oder im Bereich der ländlichen Entwicklung zu entwerfen, anstatt von unzähligen unkoordinierten Einzelprojekten der Geberländer abhängig zu sein. Die herkömmliche Entwicklungszusammenarbeit wird zwischen den Regierungen der Geberländer und der Entwicklungsländer vereinbart. Die Budgethilfe hingegen ist im Haushalt der Entwicklungsländer nach-vollziehbar. Damit schafft die Budgethilfe mehr Transparenz; denn Parlament und Zivilgesellschaft in den Partnerländern wissen, wohin das Geld fließt, und können nachhaken. Lediglich drei Länder erhalten heute Budgethilfe aus Deutschland im Umfang von 52 Millionen Euro. Wir sagen: Stocken Sie die Budgethilfe auf 200 Millionen Euro auf, und machen Sie sie zu einem zentralen Element der Entwicklungszusammenarbeit. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Da ich gerade beim Thema Mittelaufstockung bin – ein Punkt darf auch in meiner heutigen Haushaltsrede nicht fehlen –: Die Höhe des Entwicklungsbudgets insgesamt ist zu niedrig. Das ist eine Schande. 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungs-politik hat Deutschland 1970 versprochen, vor 44 Jahren. Selbst heute kratzen wir gerade einmal an der 0,4-Prozent-Grenze. Das ist peinlich und zudem ein Verrat an den Ärmsten der Armen. Herr Müller, anlässlich Ihres einjährigen Jubiläums als Minister sage ich Ihnen: Genug der frommen Wünsche, und ran an die 0,7-Prozent-Marke! Die Unterstützung der großen Mehrheit des Hauses und der Bevölkerung ist Ihnen dabei sicher. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Bärbel Kofler (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bei der ersten Lesung, eingehend auf die Worte des Herrn Ministers, über die Entwicklung dieses Haushaltes gesagt: Die Niebel-Delle, die wir damals hatten, ist noch nicht zu einer Müller-Welle geworden. – Jetzt habe ich eine etwas andere Einschätzung als der Kollege Klein. Momentan fühle ich maximal ein leichtes Kräuseln des Wassers. Natürlich begrüße ich den Aufwuchs von 60 Millionen Euro. Das ist, wie immer man es sieht, keine Kleinigkeit. Ich finde auch richtig, dass dieses Geld insbesondere für die entwicklungsorientierte strukturbildende Übergangshilfe und für die Flüchtlingshilfe genutzt wird. Ebenfalls richtig finde ich, dass es gelungen ist, einige Verschiebungen in diesem Haushalt vorzunehmen, insbesondere im Bereich des Zivilen Friedensdiensts und in kleinen Teilen des Gesundheitssektors. Auch der Bereich der Klimafinanzierung ist gut und richtig ausgestattet. Ebenso freue ich mich, dass die Forschungsmittel erhöht worden sind und insbesondere das deutsche Institut für Entwicklungsforschung entsprechend ausgestattet werden konnte. All das ist gut. Aber – viele Vorredner haben es gesagt – die eingestellten Mittel reichen nicht aus. Sie reichen nicht aus, um die aktuellen Krisen und Aufgaben zu bewältigen. Sie reichen auch nicht aus, wenn wir dem Anspruch genügen wollen – den wir hier gemeinsam formuliert haben –, Zukunftsinvestitionen tätigen zu wollen, um zukünftige Krisen zu verhindern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte das an einigen Beispielen versuchen zu verdeutlichen. Aktuelle Krisen, die in aller Munde sind, sind die Situation der Flüchtlinge und die Ebolaepidemie. Die VN sagen uns ganz deutlich, dass bis März 2015 1,5 Milliarden US-Dollar gebraucht werden. Ob es dabei bleiben wird, wissen wir nicht; aber das ist die aktuelle Annahme. Von dieser Summe müssen noch 600 Millionen US-Dollar aufgebracht werden. Deutschland leistet mit über 100 Millionen Euro seinen Beitrag. Sie haben es gesagt, Frau Kollegin Weiss; ich finde das beachtlich. Ich finde es im Übrigen auch beachtlich, dass sich die Europäische Union mit 370 Millionen Euro beteiligt. Auch das muss man an dieser Stelle deutlich erwähnen. Aber wir wissen: Trotzdem klafft hier eine Lücke, und wir werden diese Lücke schließen müssen, auch mit deutscher Beteiligung. Ähnlich ist die Situation der Flüchtlinge in Syrien. Es gab Ende Oktober eine Syrien-Konferenz. Ich finde sie richtig, gut und wichtig. Ich finde es auch wichtig, dass sowohl das Auswärtige Amt als auch das BMZ insgesamt 500 Millionen Euro zugesagt haben. Das ist gut investiertes Geld. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese Maßnahme dient insbesondere der Stabilisierung der Nachbarländer, die wirklich Unglaubliches leisten, wenn es um die Aufnahme der Flüchtlinge aufgrund des Syrien-Konfliktes geht. Das gilt aber nicht nur für Flüchtlinge aus Syrien, sondern auch für Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Diese Mittel werden nicht reichen. Allein im Libanon befinden sich über 1 Million Flüchtlinge, Menschen aus Nachbarländern, etwa aus Syrien. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fast 2 Millionen!) Diese Zahl macht ein Viertel der Bevölkerung Libanons aus. Jordanien hat knapp 700 000 Flüchtlinge aufgenommen, die Türkei über 1 Million usw. usf. Wir wissen: Zur Stabilisierung der Situation in den Flüchtlingslagern werden die Mittel, die wir alle miteinander bisher aufgebracht und eingesetzt haben, nicht reichen. Wir haben als Entwicklungspolitiker noch einen anderen Anspruch, der auch von Ihnen, Herr Minister, immer betont worden ist, wenn es um die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Reintegration der Flüchtlinge ging. Wir haben den Anspruch und eigentlich auch die Aufgabe, den Menschen, die zum Teil über Jahre hinweg – man könnte fast sagen: Jahrzehnte – in Flüchtlingscamps leben, mit all ihren Schwierigkeiten, was Sicherheit, Gesundheitsvorsorge und die Bildung der Kinder anbelangt, eine Perspektive aufzuzeigen, damit das Flüchtlingslager nicht die Endstation für ihre persönliche Entwicklung und ihre Lebensperspektiven ist. Auch in diesem Bereich müssen wir in Richtung Zukunftsinvestitionen und im Übrigen auch im Interesse von Frieden und Stabilität bei uns und in anderen Regionen dieser Erde mehr tun. Das sehe ich leider in diesem Haushalt nicht abgebildet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn es um Entwicklungspolitik geht, diskutieren wir immer die Frage der Prävention. Das haben auch einige Vorrednerinnen und Vorredner angesprochen. Ich greife noch einmal das Beispiel Ziviler Friedensdienst auf. Ich halte ihn für ein wunderbares Instrument, das dazu beiträgt, Versöhnungsprozesse zu initiieren. Darum geht es uns schließlich. Wir debattieren im Zusammenhang mit Mali, dem Südsudan und vielen anderen Regionen darüber, wie die Menschen wieder zueinanderkommen und Konflikte und Gewalt überwinden können. Gott sei Dank ist jetzt – wir haben das als Fachpolitiker in unserem Antrag gefordert – der Barmittelansatz für den Zivilen Friedensdienst um 5 Millionen Euro erhöht worden. Ich begrüße das sehr. (Beifall bei der SPD) Eines macht mir aber Sorge. Wir haben als Fachpolitiker darauf hingewiesen, dass wir mit Blick auf die Zukunft Verpflichtungsermächtigungen einsetzen müssen, damit sich der Aufwuchs verstetigen kann. Das ist doch logisch. Wenn man mithilfe der zusätzlichen 5 Millionen Euro Menschen ausbildet und sie zum Beispiel im Jahr 2015 in den Südsudan ausreisen lässt, damit sie dort wertvolle Arbeit leisten können, wie geht es dann 2016 weiter? Es ist doch logisch, dass man das fortführen muss, weil Versöhnungsprozesse länger dauern und Zeit und Engagement brauchen. Ich bedauere sehr, dass bei den Verpflichtungsermächtigungen dem Votum der Fachpolitiker nicht Folge geleistet wurde. Ich würde mir sehr wünschen, dass das im Haushalt 2016 korrigiert wird. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU]) Ähnliches gilt für den Bildungsbereich. Viele Vorredner haben es angesprochen: Bildung ist der Schlüssel für alles. Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Weiss: Das ist die Schiene, auf der wir zukünftig eine nachhaltige Entwicklung voranbringen können. Ich begrüße auch, dass wir einen großen Teil der bilateralen Mittel für Bildung einsetzen. Die Zahlen sind genannt worden. Der Zugang zu Grundbildung hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert. Das ist wichtig, und es ist richtig. Wir alle wissen aber auch, dass wir jetzt massiv in die Qualität der Bildung, in die Lehrerausbildung, in die Ausstattung der Schulen und natürlich irgendwann in den sekundären Bildungsmarkt und in den Bereich der Berufsbildung investieren müssen. Es gibt gute internationale Fonds. Das wurde im Zusammenhang mit GAVI und dem Globalen Fonds angesprochen. Aber es gibt – das sage ich zum vierten Mal in der vierten Haushaltsrede in dieser Legislaturperiode – auch die Global Partnership for Education. Ich finde, dass wir Deutschen uns mit mehr als 7 Millionen Euro daran beteiligten sollten. (Beifall bei der SPD) Wir haben als Fachpolitiker sehr bewusst einen sehr bescheidenen Antrag gestellt, weil wir einen Aufwuchspfad hinbekommen wollten. Ich finde es, ehrlich gesagt, traurig, dass die beantragten 5 Millionen Euro herausgestrichen worden sind. An der Stelle hätte ich mir mehr gewünscht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zu den Gesundheitsfragen ist vieles gesagt worden. Ich begrüße sehr, dass GAVI mehr Mittel erhält. Ich hoffe und erwarte, dass die Mittelausstattung über die 40 Millionen Euro hinaus, die jetzt im Haushalt vorgesehen sind, so ausfallen wird, dass man dann auch Impfkampagnen im internationalen Bereich weiter voranbringen kann. Bei der Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds haben wir die Chance, zu beweisen, dass wir es ernst meinen mit einer höheren Mittelausstattung als bisher. Das muss sich im Haushalt 2016 deutlich abbilden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da schaut ihr von der CDU/CSU! – Johannes Selle [CDU/CSU]: Wenn wir das nicht machen würden, dann würden Sie doch sagen, wir schlafen!) – Ich möchte kurz anmerken, dass ihr mir gerade die Redezeit klaut. Ich möchte betonen, dass der Global Fund und die Impfkampagne sehr wichtig sind. Wenn es aber um Zukunftsinvestitionen im Gesundheitsbereich geht, dann müssen uns die soziale Sicherung und der Aufbau von Gesundheitssystemen ganz besonders am Herzen liegen. Wir werden sicherlich nicht jedes Gesundheitswesen aufbauen können. Aber wir werden mit Know-how und Personal in den betreffenden Ländern unterstützend tätig sein müssen. Auch dafür brauchen wir Mittel. Es wurde bereits angesprochen: 2015 ist ein spannendes Jahr, wenn es um Entwicklungsfragen geht. Ich nenne als Beispiele den Prozess um die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele, und die Klimakonferenz in Paris. Die Weltgemeinschaft setzt sich ehrgeizige Ziele, wenn es um die SDGs geht. Dabei geht es um den Abbau der Ungleichheiten in der Welt, und zwar sowohl innerhalb der Staaten als auch zwischen den Staaten, aber auch um die Frage, wie wir das nachhaltig finanzieren. Hier spielt der Aufbau von Möglichkeiten eine wichtige Rolle. Ich bin sehr bei dem, was die Expertengruppe zur Finanzierung der Maßnahmen, die dazu dienen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, gesagt hat. Wir müssen in die Strukturen der Staaten investieren, sodass Steuern eingenommen werden können und die Möglichkeit besteht, dass die Mittel zur Armutsbekämpfung verwendet werden. Wir sind hier mit einem Know-how-Transfer und anderen unterstützenden Maßnahmen gefordert, wenn es um den Aufbau von Rechnungshöfen und Steuerbehörden sowie der Ausstattung von Parlamenten und Ausschüssen geht. Wir sind ebenfalls gefordert, ob als G 20 oder als Weltgemeinschaft, wenn es um Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Steuerflucht geht. Viele Gelder stehen den Entwicklungsländern zur Armutsbekämpfung nicht zur Verfügung, weil sie irgendwo versickern. Sie kommen so nicht den Ärmsten der Armen zugute. Wir sind aber auch gefordert – das ist der dritte Punkt, den die Expertengruppe angesprochen hat –, wenn es um die LDCs, die ärmsten Länder, geht. Diese Länder sind sehr darauf angewiesen, dass Mittel aus den reichen Ländern des Nordens bzw. der Weltgemeinschaft kommen. Wir müssen unsere finanziellen Zusagen verlässlich einhalten. Es tut mir leid, dass das 0,7Prozent-Ziel auch 2015 nicht erreicht wurde. Das ist wirklich blamabel für uns und trägt nicht zu unserer Glaubwürdigkeit in der Welt bei. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin! Dr. Bärbel Kofler (SPD): Letzter Satz, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss. Die Kollegin Weiss hat ein spannendes Finanzierungsinstrument angesprochen, da jedes Mal nach der Gegenfinanzierung gefragt wird. Ich möchte mich ihren Ausführungen zur Finanztransaktionsteuer anschließen und den Appell an alle, das Finanzministerium, den Haushaltsausschuss, das ganze Parlament, richten: Wir brauchen eine vernünftig ausgestaltete Finanztrans-aktionsteuer, die der Bekämpfung der Armut weltweit dient. Danke. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Gerd Müller! Lieber Thilo Hoppe auf der Tribüne! Welchen Anspruch hat die Entwicklungspolitik, und welchen Anspruch haben wir als Deutscher Bundestag an die Entwicklungspolitik? Die Welt hat sich gedreht, viel schneller, viel weiter und viel radikaler, als wir gedacht, gehofft oder erwartet haben. Wo die Herausforderungen wachsen, braucht es eine nachhaltige Entwicklungspolitik, die aber auch bei uns selber ansetzt, bei unserer Landwirtschaft, bei unserer Infrastruktur und bei unserem Konsum; denn gerade unsere Lebens- und Wirtschaftsweise hat enorme Auswirkungen auf die globale Entwicklung. Deshalb müssen auch wir uns ändern, wenn wir über Entwicklungspolitik sprechen. Genau das ist das Herausfordernde und Spannende bei den SDGs, den Nachhaltigkeitszielen. Wir erkennen an, dass in diesem Sinne auch Deutschland ein Entwicklungsland ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir stehen vor dem Ende bislang wie in Stein gemeißelter weltpolitischer Gewissheiten; denn die Welt, wie wir sie heute erleben, hat sich dramatisch verändert. Es ist eine Welt – darauf haben alle hingewiesen –, in der neue Krisen und Konfliktformen ausbrechen. Es ist eine Welt, in der wir ein gigantisches Marktversagen haben, das zur Klimakrise, zur Finanzkrise und zum Verlust von Biodiversität geführt hat. Es ist eine Welt, in der soziale Ungleichheit quer durch alle Staaten geht und eine neue globale Mittelschicht nach denselben Konsummustern strebt, die wir auch hier bei uns in Europa haben. Aber mit einer solchen Art des weltweiten Konsums würden wir die Erde zugrunde richten. Es ist also höchste Zeit, dass wir eingestehen, dass die gängigen Beschreibungen von reich und arm, von West und Ost, von entwickelt und unterentwickelt so nicht mehr tragen. Das wird doch augenscheinlich bei über 55 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, augenscheinlich angesichts entgrenzter Gewalt, wie wir sie in Syrien, im Irak, in Afghanistan, im Kongo bis nach -Mexiko erleben, angesichts der verdrängten, der vergessenen Konflikte im Südsudan oder in der Zentralafrikanischen Republik. Aber diese notwendige Neubewertung der globalen Lage, mit Verlaub, lieber Gerd Müller, die fehlt mir in der Politik der Bundesregierung. Sie ist wirklich eine große Leerstelle im Koalitionsvertrag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zwei Prioritäten stehen für uns im Mittelpunkt: erstens, dass Strukturen für einen Durchbruch für globale Gerechtigkeit und Klimaschutz geschaffen werden, und zweitens, Antworten zu finden, ja, nachhaltige Antworten zu finden auf die humanitären Katastrophen und Tragödien unserer Zeit. Menschen überall auf der Welt legen große Hoffnungen in das Jahr 2015, in den Erfolg der Klima- und Nachhaltigkeitsverhandlungen. Sie hoffen darauf, dass endlich eine wirkliche globale Vernetzung entsteht, dass eine Zusammenarbeit entsteht, bei der es nicht um Geld für die Banken und die Großkonzerne geht, sondern um eine Zusammenarbeit, in der wir als Weltgemeinschaft unsere Zukunft gemeinsam gestalten. Genau dies spiegelt sich eben nicht in der Strategie der Bundesregierung, spiegelt sich nicht in diesem Haushalt wider. Natürlich ist es richtig, dass Entwicklungszusammenarbeit Hunger bekämpfen muss. Ich bin übrigens sehr gespannt, was aus diesen „Grünen Zentren“ wird. Aber Entwicklungszusammenarbeit heißt nicht länger – das hätte es eigentlich nie heißen sollen –, dass den armen Ländern im Süden paternalistisch hier und dort etwas gegeben wird, Geschenke, die uns nicht wehtun, den Empfängern wenig helfen, aber bei unseren Wählern gut ankommen. Ich erwarte wirklich viel, ich erwarte mehr von Ihnen, Gerd Müller. Ich erwarte, dass Sie einen effektiven Beitrag zur globalen Gerechtigkeit leisten, zum dringend notwendigen Umbau der Weltwirtschaft, zur sozialökologischen Transformation. Bauen Sie Ihr Haus um zu einem Ministerium für globale Strukturpolitik! (Beifall der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD]) Nur so kommen Sie wirklich aus Ihrer Rolle als Feigenblatt dieser Bundesregierung heraus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, es ist wirklich gut, dass die Zukunftscharta mit der Einbeziehung der Zivilgesellschaft auf den Weg gebracht wird. Aber wenn die Großkonzerne nicht mitmachen und wenn die Ministerien kommen – einige waren da –, aber dann doch weitermachen wie bisher – ich zumindest habe Sigmar Gabriel nicht von Fairhandel reden hören; auch bei der Kanzlerin, die heute Morgen sehr intensiv das Thema Handelspolitik und Freihandelspolitik in ihrer Rede behandelt hat, ist Fairhandel noch nicht angekommen –, dann droht diese Initiative wie andere zu reiner Symbolpolitik zu werden, und das können wir uns alle nicht leisten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD]) Es ist eine zentrale Aufgabe der Bundesregierung und auch Ihre Aufgabe, Gerd Müller, dass das nächste Jahr, das Jahr der großen Gipfeltreffen – beinahe ein Schicksalsjahr in vielen Bereichen –, ein Signaljahr für eine andere, für eine hoffnungsvolle Zukunft wird. Deutschland als Wirtschaftsmacht, als einflussreiches Land in der EU ist dafür entscheidend. Es müssen klare Zeichen vom G-7-Gipfel in Elmau ausgehen, dass Deutschland eine Vorreiterrolle einnimmt und nicht blockiert. Nur so kann Addis Abeba, kann Paris, kann New York wirklich zum Erfolg werden. Ein Scheitern können wir uns wirklich nicht leisten. Es braucht also den politischen Willen für eine völkerrechtlich verbindliche Klima- und Gerechtigkeits-politik. Es braucht das Bekenntnis zu einer nachhaltigen Gesellschaft, die sich vom Verbrauch fossiler Rohstoffe entkoppelt, die schädliche Subventionen abbaut und die ihre Politikfelder aufeinander abstimmt, und es braucht zusätzliche Mittel zur Entwicklungs- und Klimafinanzierung, die dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten entsprechen; denn sonst scheitert schon Addis Abeba, und dann wird das ganze Jahr zum Riesenproblem. Davon haben Sie sich, liebe Bundesregierung, lieber Gerd Müller, mit diesem Haushalt aber eigentlich fast verabschiedet; denn 1 Prozent Aufwuchs reicht vorne und hinten nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weil das nicht reicht, mache ich mir um die zweite Priorität wirklich große Sorgen. Ich nehme Ihnen absolut ab – ich kenne Sie gut –, dass Ihnen das Schicksal der Flüchtlinge echt ans Eingemachte geht. Sie fahren ja auch dahin, wo es wehtut. Aber wie verhindern Sie bei dieser Haushaltslage, dass bei der nächsten Katastrophe die notwendige Aufmerksamkeit für die Flüchtlinge nicht mehr da ist, weil sie in Vergessenheit geraten sind? Da hat mein Kollege von der Linkspartei recht. Wie sieht es im nächsten Jahr, wie in zehn Jahren aus? Sie wissen, Zaatari ist eine Flüchtlingsstadt, die auf mindestens zehn Jahre angelegt ist. Wie sieht nicht zuletzt eine humanitäre Flüchtlingspolitik aus, die auf Politikkohärenz basiert, wo also BMZ, Auswärtiges Amt und das Innenministerium an einem Strang ziehen? Wie sieht die Vernetzung der Ministerien aus? Es braucht eine signifikante Erhöhung der Mittel für humanitäre Hilfe. Es braucht aber vor allem eine Verzahnung von Entwicklungszusammenarbeit mit unmittelbarer Nothilfe. Das sind hohe Ansprüche, lieber Gerd Müller, aber daran werden wir Sie messen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD]) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge muss ich erst einmal richtigstellen. Das eine betrifft den Betrag für GFATM. Zugesagt waren 200 Millionen Euro pro Jahr. Dass es letztes Jahr 250 Millionen waren, war einer Sonderinitiative zu verdanken, die hieß: 50 Millionen Euro mehr heißt auch, zusätzlich 50 Millionen Euro von dem ach so gescholtenen Bill Gates dazu. Somit haben wir diesen Deal gemacht. Zweitens. Bärbel Kofler hat es angesprochen; ich möchte es trotzdem noch einmal deutlich sagen: Der Aufwuchs ist so, wie wir ihn haben, vielleicht nicht befriedigend. Aber Freunde, wenn wir einmal in die mittelfristige Finanzplanung schauen, dann wissen wir, von welchem Geld wir reden. Wir wissen, dass wir es der Bundeskanzlerin zu verdanken haben, dass wir 2 Milliarden Euro in vier Jahren für die Entwicklungspolitik hinzubekommen. Auf diese Art und Weise ist es wenigstens gelungen, die Delle, die wir in der mittelfristigen Finanzplanung hatten, aufzufüllen. Das war schwer genug. Ich hätte mir auch gewünscht, wir hätten diese Delle nicht gehabt. Vielleicht haben wir diese 2 Milliarden irgendwann einmal netto. Aber die Dinge sind, wie sie sind. Das kann man durchaus auch einmal sagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Machen wir uns nichts vor, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sollten uns davor hüten, den Menschen zu suggerieren – wem auch immer; letztendlich vielleicht sogar den Kollegen und Freunden, die noch auf der Tribüne sitzen; Thilo, schön, dass du da bist –, kaum hätten wir die 0,7-Prozent-Grenze erreicht, wären alle Probleme dieser Welt erledigt. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht aber auch keiner!) Das genau machen wir. Es kommt immer auf die Diktion an. Ich bin sehr dafür, dass wir viel Geld in die Entwicklungspolitik stecken. Aber hüten wir uns doch davor, den Menschen zu suggerieren, kaum hätten wir genug Geld, schon wären die Probleme der Welt erledigt. (Beifall des Abg. Charles M. Huber [CDU/CSU]) So ist es leider definitiv nicht. Ich möchte eigentlich genau bei diesem Thema bleiben, nämlich bei der Frage: Was passiert eigentlich, wenn es darum geht, wie wir uns finanzieren und was wir finanzieren? Ich glaube, dass wir sehr wohl ganz gezielt einmal darüber nachdenken müssen, was der Post-2015-Prozess eigentlich für uns bedeutet. In dieser ganz eng miteinander verflochtenen Welt müssen alle Akteure an einem Strang ziehen. Das heißt, wir brauchen eine Roadmap, einen Leitfaden. So wird die Entwicklungsagenda auch genannt, und so wird sie auch kommen. Allerdings muss ich sagen, dass ich auch ein kleines bisschen skeptisch bin angesichts dessen, was da im Moment an Diskussionen läuft. Wir haben nämlich in der Open Working Group 17 Ziele – wohlgemerkt: 17! – mit 160 Unterzielen. Liebe Freunde, ich befürchte, das wird nichts anderes als ein Verzetteln. Damit wird dieser Prozess letztendlich auch die Ergebnisse völlig konterkarieren oder aber entwerten. Mögen unsere wunderbaren acht Ziele in ihren Aussagen auch noch so schwach oder so wenig durchdacht gewesen sein, sie waren aber zielführend. Insofern bin ich ein bisschen vorsichtig mit Prognosen über die Verhandlungen in den nächsten Monaten. Wir werden das Ganze beobachten. Mal sehen, was dabei herauskommt. Sehr zufrieden bin ich allerdings damit, dass wir in diesem Zusammenhang über Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sehr deutlich reden. Noch viel fröhlicher bin ich, wenn ich mir anschaue, was die Arbeit der Kommission für die Finanzierung der Post-2015-Entwicklungsagenda bedeutet. In der Zukunft geht es um das Verständnis von EZ und ODA und darum, welche Auswirkungen das auf deren Finanzierung hat. Was dazu festgeschrieben ist, gefällt mir sehr gut. Vor allen Dingen gefällt mir gut, dass ausnahmslos alle Länder zugestimmt haben, und zwar in der Kernaussage so eindeutig und mit einer solchen Klarheit und Selbstverständlichkeit, dass es schon beeindruckend war. Lassen Sie mich dazu zwei Punkte herausgreifen. Erstens: Transparenz von politischen Entscheidungen und Haushalten. Damit sind wir sofort beim Thema Korruption. Korruption empfinde ich als eines der größten Entwicklungshindernisse auf der Welt überhaupt. Mit mehr Transparenz können wir sie eindämmen. Zweitens: Verantwortung für die eigene Entwicklung. Die Länder müssen sich primär selber entwickeln. Die maßgeblichen Entwicklungsimpulse gehen nicht von der ODA aus, sondern kommen aus den Ländern selbst. Daraus lassen sich für meine Begriffe wegweisende Grundsätze ableiten. Ich glaube, wir können nur ahnen, was das eigentlich in der Umsetzung heißt, wenn wir diese Grundsätze beherzigen. Wir könnten uns durchaus einmal damit beschäftigen und uns überlegen, was wir auf diesem Gebiet tun können. Zunächst müssen wir einmal feststellen, dass es Middle-Income-Länder gibt, die eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung vollzogen haben. Sie haben wirtschaftliche Entwicklungsimpulse bekommen, allerdings nicht durch die klassischen ODA-basierten Programme. Das wurde festgestellt; das ist so. Diese Länder haben es geschafft: durch eigene Steuereinnahmen, durch Zölle auf Rohstoffe, durch Rücküberweisungen und sowohl durch eigene als auch durch ausländische Investitionen. Ich finde, wir müssen diese Realität zur Kenntnis nehmen. Es nutzt nämlich überhaupt nichts, wenn wir Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen, Entwicklungen nicht zur Kenntnis nehmen, Debatten nicht zur Kenntnis nehmen und Ergebnisse nicht zur Kenntnis nehmen. Wir erreichen ein Vielfaches dadurch, dass wir die klassische ODA nicht als allein seligmachend ansehen und die Länder in dem unterstützen, was sie dringend brauchen: in ihrer eigenen Entwicklung. Dadurch steigt nämlich ihre Fähigkeit, eine eigene Sozialpolitik zu machen, eine eigene Bildungspolitik zu machen, eine eigene Gesundheitspolitik zu konzipieren und sie vor allen Dingen auch zu finanzieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde, das ist eine wunderbare Sache. Wir wollen den Ländern nämlich keine Konzepte vorschreiben und sie vor allen Dingen nicht auch noch alimentieren müssen. Das kann nicht das Ergebnis dessen sein, was wir wollen. Ich möchte noch auf eines hinweisen: Wir müssen unsere ODA sehr wohl dafür verwenden, die Least Deve-loped Countries zu unterstützen; das ist die künftige Aufgabe von ODA. Ich glaube, da ist dieses Geld richtig angelegt und nicht in der ODA-basierten EZ. Manchmal tun wir so, als ob wir diejenigen wären, die die Krisen ganz alleine bewältigen könnten, alle Krisen dieser Welt von A bis Z. Liebe Freunde, wir übernehmen uns völlig. Ich finde es auch anmaßend, dass wir so tun, als ob wir das könnten. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch einfach nicht!) Wir können es nicht. Die Post-2015-Agenda ist auch deshalb so wichtig, weil wir die Probleme nur gemeinsam lösen können. Es gibt noch etwas, was wir in diesem Zusammenhang sehen müssen, lieber Gerd Müller. Es gibt Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, die zunächst einmal keine öffentlichen Gelder kosten. Ich meine das wunderbare Textilbündnis. Ich finde das hervorragend, weil es vor allen Dingen bewirkt, auch einmal unsere eigene Verantwortung einzufordern. Es kann uns nicht egal sein, wie, unter welchen Bedingungen die Kleidung, die wir tragen, produziert wird. Es kann uns nicht egal sein, dass beim Einfärben von Jeans zum Beispiel nachhaltige gesundheitliche Schäden, auch bei Kindern, entstehen. Das alles kann uns nicht egal sein. Aber, Freunde, es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht notwendig ist. Ich nenne die Jeans für 7,90 Euro, das T-Shirt für 2,99 Euro. Das kann nicht funktionieren. Das ist auch nicht nachhaltig. Das ist etwas, an dem wir, glaube ich, noch arbeiten müssen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass das eine oder andere Unternehmen ein bisschen stärker einsteigt. Zumindest ist es eine Diskussion wert. Es geht darum, die -Verantwortung sozusagen zu übertragen und zu sagen: Freunde, jeder hat da Verantwortung; jeder kann Verantwortung übernehmen. – Ich finde, das ist eine wunderbare Sache. Das ist prima. Das ist gut so. Wir werden -daran arbeiten müssen, lieber Gerd Müller. Unsere Unterstützung hast du. Als Allerletztes möchte ich noch sagen: In den vielen Jahren, die ich jetzt Entwicklungspolitik mache, ist das der erste Haushalt, lieber Gerd Müller, der eindeutig die Handschrift des Ministers trägt. Das ist ein eindeutiger Gerd-Müller-Haushalt, nicht nur aufgrund der Sonder-initiativen, sondern auch wegen der Sonderinitiativen. Gerd Müller, du hast es geschafft, trotz allem, was wir gerade bemängelt haben, liebe Kollegin Hajduk, trotz des etwas knappen Haushalts, in den Flüchtlingslagern eine nachhaltige Entwicklung in Gang zu setzen – mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, auch in den Sonderinitiativen. Das ist zu unterscheiden von dem, was das Auswärtige Amt in diesem Zusammenhang macht. Ich finde, es ist eine tolle Leistung, dass du das geschafft hast. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie es ihm nicht weggenommen! Das wäre besser gewesen!) – Dass wir da natürlich immer noch mehr Geld hineinstecken könnten, ist klar; da bin ich bei Ihnen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht „mehr“! Nicht wegnehmen!) Wir brauchen natürlich einen nachhaltigen Ansatz. Wenn ich daran denke, wie es in den Flüchtlingslagern bei der Wettersituation gerade aussieht, muss ich sagen: Da ist natürlich viel zu tun. Aber auch das können wir nicht alles in eigener Verantwortung, nicht ganz allein schaffen; da brauchen wir die internationale Gemeinschaft. Wir brauchen auch die Unterstützung unseres Auswärtigen Amtes. Mit ihm könnte man zusammen-arbeiten, vor allen Dingen auf diesem Gebiet. Ich denke, du machst das gut, Gerd. Ich finde, du hast uns hier einen ganz tollen Haushalt vorgelegt. Du hast unsere Unterstützung. Selbst wenn du dich jetzt nicht persönlich bei uns bedankst, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann ja einladen!) selbst wenn du jetzt hier nicht am Pult stehst und sagst, wie toll wir für dich gearbeitet haben – ich weiß, dass du das eigentlich machen könntest. Ich mache das jetzt von hier aus: Wir sind stolz auf dich. Du machst deine Aufgabe wunderbar. Wir unterstützen dich. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Axel Schäfer, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Charme der entwicklungspolitischen Diskussion besteht darin, dass wir hier sehr oft nicht das klassische Opposition/Regierung-Muster anwenden: Die Regierungsparteien loben aus Überzeugung oder pflichtschuldig das Handeln der Regierung, und die Oppositionsparteien kritisieren das genauso pflichtschuldig. – Das ist in dieser Debatte nicht so. Es gibt ganz vieles, was differenziert dargestellt worden ist. Es ist auch gegenseitig Wertschätzung zum Ausdruck gebracht worden. Das ist bedeutend für dieses Thema, das uns allen, die wir hier sitzen, am Herzen liegt und für das wir in unseren eigenen Parteien noch nicht die Zustimmung haben, die wir eigentlich gern hätten und die wir auch bräuchten. Insofern ist das, glaube ich, für jede Fraktion hilfreich. (Beifall bei der SPD) Diese Debatte muss immer selbstbewusst und selbstkritisch geführt werden. Es gilt, selbstbewusst zu sagen: Jawohl, wir haben es in Richtung Millenniumsziele, gerade bei der Armutsbekämpfung, bei dem allerschlimmsten Problem, einige Schritte voran geschafft. Auf der anderen Seite muss man aber auch ehrlich sagen: 0,7 Prozent ist die angestrebte ODA-Quote. Wir sind bei 0,38 Prozent. Das heißt, eigentlich ist eine Verdopplung der Anstrengungen notwendig. Wenn es um eine Verdopplung von Anstrengungen geht, gilt es – auf Neudeutsch –, Synergien zu heben. Praktisch gesagt: Es gilt, den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zu stärken. – Das ist Europa. Wir haben 2015 das Europäische Jahr der Entwicklung. Das ist für das, was wir wollen, genau passend. Natürlich passt es, dass der Entwicklungsminister auch Mitglied des Europäischen Parlaments war. Er hat da schon den entsprechenden Rückenwind. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hilft natürlich!) Das trifft natürlich auch auf Claudia Roth, Frithjof Schmidt, Anja Weisgerber und manch andere zu. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das sind die Sondertische, die wir haben!) Wir, die Abgeordneten aller Fraktionen in diesem Haus, stehen zu unserer Verantwortung; denn die Vertreter der vier entsprechenden Fraktionen – Christdemokraten, Grüne, auch Linke, Sozialdemokraten sowieso – sowie der Liberalen im Europäischen Parlament haben dafür gesorgt, dass der Regierungschef, also der Kommissionspräsident, erstmals vom Europäischen Parlament gewählt worden ist. Ohne die Haltung dieser fünf Fraktionen, die gesagt haben: „Wir nehmen nur einen, der auch bei der Wahl angetreten ist“, hätten wir diese Kommission nicht bekommen – egal wie man hinterher manche Entwicklung in der Kommission sieht. Die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das -Europäische Parlament ist ein ganz wichtiger Fortschritt im Hinblick auf das, was wir 2015 machen wollen. Wir brauchen nämlich auch 2015 einen Entwicklungskommissar – wir kennen Neven Mimica aus Kroatien gut; er war auch schon öfter bei uns –, der etwas von der Sache versteht, der überzeugter Europäer ist und den wir gewinnen können, auch für das wichtigste Anliegen, die europäische Entwicklungszusammenarbeit effektiver zu gestalten. Wir müssen sagen: Jawohl, wenn wir, die EUStaaten, schon insgesamt 60 Prozent der Gebermittel weltweit aufbringen, dann müssen wir auch schauen, wie wir die Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam besser voranbringen, wie wir sie politisch wichtiger machen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Entwicklungszusammenarbeit in der Außenpolitik berücksichtigt wird – auch die neue Hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspolitik, Frau Mogherini, ist sehr engagiert und von europäischen Erfahrungen geprägt –, damit es da wirklich in dieselbe Richtung geht. Ich glaube, das sollten wir als Bundestag mit Diskussionen hier vor Ort, aber auch in Zusammenarbeit mit unseren Vertretern in der Kommission voranbringen; die Kommission ist ja keine Vertretung der nationalen Interessen von Deutschen, Italienern oder auch Kroaten, sondern die gemeinsame europäische Regierung. Dies wird, glaube ich, ganz wichtig sein. Die Inhalte, um die es für uns Deutsche als Teil dieser Europäischen Union gehen wird, bedeuten ganz praktisch: Wir müssen beim Thema Klimawandel mehr machen; die Frage der Armutsbekämpfung muss bei uns tatsächlich im Zentrum stehen; die Mittel der Europäischen Union für Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen müssen aufwachsen. All das sind wichtige Dinge. Das alles Zusammenspannende ist aber letztendlich, dass wir dies als Gemeinschaft des Friedens tun. Man muss immer wieder darauf hinweisen: Wir in der Europäischen Union sind eine Friedensgemeinschaft. Man muss auch immer wiederholen: Es ist gut, dass alle 631 Abgeordneten des Deutschen Bundestages – mit ganz unterschiedlichen Überzeugungen und auch Parteizugehörigkeiten – keine militärische Lösung von Konflikten wollen; wir haben es gerade im Zusammenhang mit der Ukraine-Problematik erlebt. Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, dass wir Entwicklungszusammenarbeit mit einer bestimmten Haltung betreiben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht auch um ganz praktische Fragen. Zwei herausragende Punkte: Der erste Punkt: die Finanztransaktionsteuer. Warum ist sie so herausragend für uns? Die Steuer wurde einmal als Tobin Tax erfunden und auf den Weg gebracht, wurde von vielen verlacht und war in der Politik – Stichwort Mehrheitsfähigkeit – nur ganz schwer zu vermitteln. Wir haben aus dem Deutschen Bundestag heraus mit der deutsch-französischen Initiative von Sozialdemokraten und Sozialisten einen wichtigen Schritt getan. Es gehört auch zur schwierigen Wahrheit, dass es, als die Sozialisten an der Regierung waren, nicht mehr so einfach war, das Vorhaben so voranzubringen, wie wir es erwartet haben – mit der gleichen Begeisterung, mit der wir es einmal beschlossen haben. Auch das gehört zu einer selbstkritischen Einschätzung. Vielleicht ist das auch für manche Vertreter anderer Fraktionen hier im Haus eine Anregung, auch mal etwas Selbstkritisches zu sagen; zum Beispiel machen die Christdemokraten in Ungarn etwas, was wir hier in diesem Hause bekanntlich mehrheitlich nicht teilen. Der zweite Punkt – da sind wir wieder beim Kollegen Müller –: Textilsiegel. Das ist eine ganz wichtige, zentrale Initiative. Wir werden es – das wissen Sie, Kollege Minister, lieber Gerd – letztendlich nur mit europäischen Gesetzen durchsetzen können. Darauf wird es ankommen; es wird darauf ankommen, dass es in einem Dialog unseres Parlaments mit dem EP gelingt. Das heißt im Dialog der einzelnen Fraktionen, die hier sind, und der Fraktionen, die im Europäischen Parlament sind; er muss wirklich vorangebracht und intensiviert werden. Eine Intensivierung im Jahr 2015 heißt auch, die entwicklungspolitischen Diskussionen zu verstärken. Man könnte es auch ganz salopp so formulieren – leider ist der Kollege Klimke, den ich gerade ansprechen wollte, schon gegangen –: Leute wie der Kollege Klimke oder ich haben diese Themen schon als Mitglieder der Jungen Union bzw. der Jusos in den 70er-Jahren debattiert. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So alt bist du doch gar nicht!) Heute können wir die Diskussion, zum Beispiel mit den Kollegen Sarrazin oder Leutert, die Anfang der 70er-Jahre noch gar nicht auf der Welt waren, hier im Parlament zusammenführen. Damals gab es die sehr große Eine-Welt-Bewegung. Die Entwicklungspolitik hatte damals einen enormen Stellenwert. Obwohl die Probleme zum Teil größer geworden sind, stehen für die Entwicklungshilfe 0,38 Prozent statt 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zur Verfügung, weshalb wir nicht immer das umsetzen konnten, was wir umsetzen wollten. Das betrifft allerdings alle Parteien. Es ist nicht so, dass die Regierung zu wenig macht und die Opposition alles besser weiß; dem ist nicht so. Deshalb möchte ich Sie, euch alle bitten: Lasst uns in unseren Fraktionen und auch in unseren Parteien und aus unseren Parteien heraus darauf hinwirken, das Thema Entwicklungshilfe im Jahr 2015 zu einem zentralen Thema zu machen. Bei manchen gibt es heute eine größere Bereitschaft, zu diskutieren, als früher. Es ist nicht so, dass sich die Menschen dagegen wehren, dass Flüchtlinge aufgenommen werden, wie es die Bilder in den Medien manchmal suggerieren. Es gibt viel mehr gute Beispiele für Solidarität, Unterstützung und Mitmenschlichkeit, aber – ich kenne das von der Situation bei mir vor Ort – darüber redet man nicht. Es sollte in der Berichterstattung aber eine zentrale Rolle spielen; denn die Fernsehbilder zeigen etwas ganz anderes. Wir müssen die vorhandene Fremdenfeindlichkeit gemeinsam bekämpfen und die guten Beispiele ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Lasst uns das bei aller Unterschiedlichkeit und trotz aller kritischen Anmerkungen, die durchaus ihre Berechtigung haben mögen, für 2015 vornehmen. Wir haben nur diese eine Welt. Es darf unterschiedliche Konzepte geben, aber sie sollten in eine gemeinsame solidarische Richtung gehen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Als letzter Rednerin in dieser Aussprache erteile ich das Wort der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere es immer sehr, wenn eine Debatte über dieses Thema erst am Ende eines Sitzungstages stattfindet und deswegen mehrere Kolleginnen und Kollegen nicht teilnehmen. Die Debattenbeiträge haben parteiübergreifend gezeigt: Die Beiträge für die Entwicklungszusammenarbeit sind maßgeblich für den Frieden verantwortlich. Man könnte auch sagen, dass Entwicklung der neue Begriff für Frieden ist. Vielleicht kann der Ältestenrat das nächste Mal bei der Festlegung der Tagesordnungspunkte anders entscheiden, damit diese für mich und für uns alle wichtige Debatte zukünftig zu anderer Zeit stattfindet. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir hatten in diesem Jahr zwei Haushaltsberatungen. Ich erinnere mich noch: Im Zuge der Beratung des Haushalts 2014 habe ich von der inakzeptablen Situation der syrischen Flüchtlinge gesprochen und auch davon, wie schnell und wie emotional wir von Bildern bewegt werden und wie das die öffentliche Bereitschaft fördert, zu helfen. Mediale Aufmerksamkeit ist dann etwas Gutes, wenn sie Gutes bewirkt. Leider ist es oft so, dass manche sagen: Es muss auch mal wieder gut sein. Aber warum sprechen wir im Zuge der Beratungen über den Haushalt 2015 wieder über das Thema Flüchtlinge? Wir sprechen darüber, weil es eben nicht gut ist. Wenn wir über das Thema Flüchtlinge diskutieren, dann müssen wir auch darüber nachdenken: Wenn die Kameras, mit denen die Krise in einem Flüchtlingsort dokumentiert wird, abgezogen werden, was bleibt dann zurück? Zurück bleiben die Flüchtlinge, zurück bleibt aber auch unsere politische Verantwortung, die wir für sie haben. Daniel Barenboim hat einen bemerkenswerten Leitartikel – ich weiß nicht, wer ihn gelesen hat – für die Süddeutsche Zeitung anlässlich des 9. November geschrieben. Er hat uns ins Stammbuch geschrieben: Die deutsche Geschichte ist eine demokratische Erfolgsgeschichte. Aus ihr erwächst die Pflicht, anderen Ländern und anderen Menschen zu helfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, alle, die jetzt noch hier im Plenum sind, sind in Flüchtlingscamps gewesen, ob im Nordirak, in Dadaab, in Jordanien oder vielen anderen Ländern mehr. Wir alle haben mit eigenen Augen gesehen, wie menschenunwürdig die Situation ist, wie schlimm mit diesen armen Menschen, die Schweres hinter sich haben, umgegangen wird. Ich erinnere mich sehr gut: Wenn man zum Abschied in die Augen dieser Menschen geschaut hat, dann hat man immer auch noch etwas anderes gesehen – und das ist noch viel schlimmer –: Ich persönlich habe sehr oft das Gefühl, dass es die Angst ist, vergessen zu werden. Darüber zu reden, ist der erste Akt gegen das Vergessen. Aber reden allein nützt natürlich nichts. Wir müssen auch handeln, und ich glaube, wir haben als Regierung gehandelt, schon in diesem Jahr. Der Minister hat schnell gehandelt, als er sehr schnell und effizient noch im August 40 Millionen Euro für die Flüchtlinge aus dem Nord-irak und Gaza und damals 163 Millionen Euro für Jordanien bereitgestellt hat, als man gesehen hat, dass sich die Flüchtlingszahl auf 700 000 zubewegt. Ich bin auch sehr dankbar für die Internationale Flüchtlingskonferenz, die er mitorganisiert hat, woraus noch weitere 500 Millionen Euro möglich waren. Klar sein muss aber auch: Es ist wichtig, akute Nothilfe zu leisten. Darüber hinaus haben wir aber politische und humanitäre Herausforderungen zu erfüllen. Die Menschen brauchen sofort Nahrungsmittel – das ist klar –, vor allem die Säuglinge, sonst bekommen sie irreparable Schäden, gerade hinsichtlich der Entwicklung. Es werden Decken gebraucht, es wird psychosomatische Betreuung gebraucht und vieles andere mehr. All dies soll eine Brücke zu einem menschenwürdigen Leben sein, und für uns stellt sich die Frage: Wo, wie und wann soll das bewerkstelligt werden, dass sie auch zu einem menschenwürdigen Leben kommen? Wir wissen: Konfliktlösungen wie momentan brauchen in der Regel sehr, sehr viel Zeit, und wir wissen auch, dass wir keine schnellen Lösungen finden werden, ob es bei ISIS oder in Somalia oder im Südsudan ist. Wir haben immer mehr Konflikte. Diese dauern immer länger und fallen immer heftiger aus. Die Menschen brauchen aber jetzt Lösungen. Sie brauchen Perspektiven und pragmatische Lösungen. Über 50 Millionen Menschen sind auf der Flucht, in einem Jahr gab es einen Zuwachs von über 10 Millionen. Die Vereinten Nationen haben in ihrem neuen Bericht dargestellt, dass bis 2050 zusätzlich 18,4 Millionen Menschen gezwungen sein werden, ihr Herkunftsland zu verlassen. Nicht eingerechnet sind dabei die armutsbedingten Migrationen, die nach Paul Collier zu einem -Exitus führen könnten – ich empfehle jedem, das zu lesen –, nicht nur bei uns oder in den Ländern, in die sie flüchten, sondern in ihren eigenen Heimatländern, wo das auch zukünftig sehr starke Auswirkungen haben wird. Politik richtig machen bedeutet vor allem, die richtigen Fragen zu stellen. Wir müssen uns also auch fragen: Wie sollen die Flüchtlingslager der Zukunft ausschauen? Heute geht man von durchschnittlich 17 Jahren aus, in denen Flüchtlinge teilweise in Camps leben. Sollen wir für sie urbane Städte bauen, das heißt, ihnen kann eventuell sogar die Zukunft verbaut werden, weil sie dann in diesen Städten bleiben – ich erinnere an Dadaab –, oder soll man Provisorien schaffen, die aber auf der anderen Seite nur ein bedingt menschenwürdiges Leben ermöglichen? Ich denke, das ist keine akademische Frage, sondern – ich habe vorhin Dadaab angesprochen – es geht um eine halbe Million Menschen, die seit 20 Jahren dort leben. Kinder sind dort aufgewachsen, die nie etwas anderes gekannt haben. Sie kennen nichts anderes als dieses Lagerleben. Welche Antwort geben wir ihnen, wenn sie heute fragen: Wo sind unsere Lebensperspektiven in der Zukunft? Wir müssen uns auch fragen: Was wollen wir uns selbst und den Nachbarländern künftig zumuten? Wir wissen, wie oft es Konflikte für die Bevölkerung gibt, die nah an den Flüchtlingslagern lebt. Das sind viele grundsätzliche Fragen. Ich meine, es ist richtig, dass wir die Entscheidung getroffen haben, nicht erst zu fragen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, wie es oft in der Vergangenheit geschehen ist. Vielmehr müssen wir wie ein guter Arzt nicht nur die Krankheitssymptome behandeln, sondern auch die Ursachen bekämpfen. Das hat auch der Papst in seiner Rede gesagt, in der er meinte, es sei notwendig, auf die Ursachen einzuwirken und nicht nur auf die Folgen. Wenn wir mehr Verantwortung in der Welt wollen – und ich denke, das wollen wir alle –, dann müssen wir die zivile Krisenprävention noch viel, viel mehr als in der Vergangenheit zum Primat unserer Politik machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, der vierte Bericht zur Krisenprävention wird uns die Möglichkeit geben – wenn er in der Beratung ist; und er kommt sehr bald –, dass wir dies hier noch einmal ausführlich debattieren. Die Finanzfragen werden uns nicht loslassen; das ist ganz klar. Das ist immer ein wichtiges Thema, vor allem, wenn man sieht, dass die Finanzkosten – das Advisory Board zu den SDGs wird sie natürlich offenlegen – nicht geringer als in der Vergangenheit sein werden. Wir werden weiterhin ab 2017 nicht mehr so einfach die Möglichkeit haben, Nachschläge zu leisten, wie es jetzt Gott sei Dank möglich gewesen ist. Wir müssen uns also schon fragen, wo wir zukünftig unsere Schwerpunkte in der Entwicklungszusammenarbeit sehen: Wollen wir thematische Schwerpunkte setzen? Das würde sich natürlich aus dem Weltbevölkerungsbericht ergeben, der davon spricht, dass 1,8 Milliar-den Menschen unter 24 Jahre alt sind, von denen allein 90 Prozent in Entwicklungsländern leben. Das heißt, hier geht es um Bildung, Bildung, Bildung. Das ist ein ganz wichtiges Thema. Auf diesem Gebiet können mit die nachhaltigsten Wirkungen erreicht werden. Oder wollen wir uns auf regionale Schwerpunkte konzentrieren? Ich glaube, es kommen noch viele Fragen auf uns zu. Wir haben ein Jahr vor uns, das man, wie ich glaube, schon als Jahr der Lösungen beschreiben kann. Wir richten die GAVI-Geberkonferenz aus, bei der wir natürlich möglichst viele Einnahmen generieren wollen. Wir haben dann den G-7-Gipfel. Es wird um die Vereinbarung neuer SDGs gehen; hier muss es klare Zielsetzungen hin zu neuen und nachhaltigeren Lebensweisen auf der ganzen Welt geben. Schließlich hoffen wir, dass auch der Klimagipfel in Paris positiv endet. Um zukünftig zu Lösungen zu kommen, brauchen wir die Mitarbeit von jungen Menschen, die offen sind für neue Dialoge und für neue Lösungswege. Ich glaube, solche jungen Menschen müssen wir in unsere Entwicklungszusammenarbeit einbinden. Deshalb bin ich dem Minister sehr dankbar für die Zukunftscharta. Es bestand hier für viele junge Menschen die Möglichkeit, ihre Vorstellungen darzulegen, auf was für einem Globus sie zukünftig leben möchten, wie es in ihrem Land aussehen soll und welchen Beitrag sie für eine gute, heile Welt in der Zukunft bringen möchten. Vielleicht darf ich mir, auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen hier, wünschen, dass wir Parlamentarier auch 2015 in die Vorbereitung und Umsetzung aller zur Debatte stehenden Punkte konstruktiv eingebunden werden. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Erstens. Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/3283. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung eines Kollegen aus der SPD-Fraktion abgelehnt. Wir kommen – zweitens – zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3284. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3284? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung eines Kollegen aus der SPD-Fraktion abgelehnt. Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 23 ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und bei drei Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion angenommen worden. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. November 2014, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.54 Uhr) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 26.11.2014 Bellmann, Veronika CDU/CSU 26.11.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 26.11.2014 Dr. Braun, Helge CDU/CSU 26.11.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 26.11.2014 Feiler, Uwe CDU/CSU 26.11.2014 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 26.11.2014 Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 26.11.2014 Heller, Uda CDU/CSU 26.11.2014 Kermer, Marina SPD 26.11.2014 Nietan, Dietmar SPD 26.11.2014 Poß, Joachim SPD 26.11.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 26.11.2014 Tempel, Frank DIE LINKE 26.11.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 26.11.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 26.11.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 26.11.2014 1Ergebnis Seite 6539 C ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 69. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. November 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 69. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. November 2014 III Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 6496 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 69. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. November 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 69. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 26. November 2014 6611