Plenarprotokoll 18/108 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 108. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 10. Juni 2015 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Bericht zum Anerkennungsgesetz 2015; weitere Fragen 10331 A Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10331 B Cemile Giousouf (CDU/CSU) 10332 A Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10332 B Dr. Karamba Diaby (SPD) 10332 B Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10332 C Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) 10333 A Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10333 A Stephan Albani (CDU/CSU) 10333 C Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10333 C Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10333 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10334 A Katrin Albsteiger (CDU/CSU) 10334 B Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10334 C Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10334 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10335 A Albert Rupprecht (CDU/CSU) 10335 B Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10335 C Martin Rabanus (SPD) 10336 A Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10336 A Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) 10336 B Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10336 C Uwe Schummer (CDU/CSU) 10336 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10337 A Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) 10337 B Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10337 B Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10338 A Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10338 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 10338 C Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10338 D Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg 10339 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10339 A Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 10339 C Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10339 D Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 10340 A Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/5061 10340 B Mündliche Frage 2 Dr. André Hahn (DIE LINKE) Etwaiger Handlungsbedarf für eine stärkere Unterstützung der Doping-Opfer-Hilfe e. V. sowie Notwendigkeit einer angemessenen Entschädigung von Doping-opfern Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 10340 B Zusatzfragen Dr. André Hahn (DIE LINKE) 10340 C Mündliche Frage 3 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erkenntnisse über Vorwürfe der Gewährung geldwerter Leistungen im Zusammenhang mit der Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 10341 B Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10341 D Mündliche Frage 4 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hilfeleistungen Deutschlands beim Aufbau, bei der Ausstattung und Ausbildung ägyptischer Sicherheitsbehörden seit 2012 Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 10342 C Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10342 D Mündliche Frage 6 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 10343 D Zusatzfragen Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10343 D Mündliche Frage 7 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mehraufkommen von jährlich 200 Millionen Euro durch Änderungen im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 10344 C Zusatzfragen Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10344 D Mündliche Frage 15 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Anzahl der Kündigungen bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation in den letzten fünf Jahren Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 10346 A Zusatzfrage Kathrin Vogler (DIE LINKE) 10346 B Mündliche Frage 16 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Aufgewendete Finanzmittel der Deutschen Stiftung Organtransplantation im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern in den letzten fünf Jahren Antwort Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG 10346 C Zusatzfragen Kathrin Vogler (DIE LINKE) 10346 D Mündliche Fragen 17 und 18 Herbert Behrens (DIE LINKE) Stufenweise Einführung der Pkw-Maut und Auswirkungen auf die Nettoeinnahmen Antwort Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin BMVI 10347 C Zusatzfragen Herbert Behrens (DIE LINKE) 10347 C Mündliche Frage 21 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erfüllung der Zusagen auf dem Klimagipfel 2010 in Kopenhagen Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 10348 C Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10349 A Mündliche Frage 23 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufsichtliches Fachgespräch zwischen Bund und bayerischer Atomaufsichtsbehörde Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 10349 C Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10349 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 10350 C Mündliche Frage 24 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Projekte zur Fortführung von Arbeiten an sogenannten Hochtemperaturreaktor-Code-Packages Antwort Stefan Müller, Parl. Staatssekretär BMBF 10351 A Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10351 B Mündliche Frage 25 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der Notenvergabe durch den Privatdozenten und Landesvorsitzenden der NRW-CDU Armin Laschet auf die Bundesförderung für die RWTH Aachen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF 10352 A Zusatzfragen Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10352 B Mündliche Frage 26 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels zur Entwicklungsfinanzierung bis 2030 Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMZ 10353 A Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10353 A Mündliche Frage 32 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ankündigung des norwegischen Staatsfonds zum Abzug investierter Gelder aus Unternehmen im Kohlesektor Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 10354 A Zusatzfragen Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10354 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Aktueller VN-Bericht – Menschenrechtsverletzungen in Eritrea stoppen 10355 A Gabriela Heinrich (SPD) 10355 A Annette Groth (DIE LINKE) 10356 A Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) 10357 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10358 A Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU) 10359 B Niema Movassat (DIE LINKE) 10360 A Frank Schwabe (SPD) 10361 A Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10362 B Martin Patzelt (CDU/CSU) 10363 B Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) 10364 A Thorsten Frei (CDU/CSU) 10364 D Johannes Selle (CDU/CSU) 10365 D Nächste Sitzung 10366 D Berichtigung 10366 B Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10367 A Anlage 2 Mündliche Frage 1 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Verbesserung der humanitären Lage für neu ankommende Flüchtlinge auf den griechischen Inseln in der Nähe der Türkei Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 10367 B Anlage 3 Mündliche Frage 8 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beauftragung verschiedener Institutionen mit der Zusammenstellung von Emissionsminderungsmaßnahmen Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL 10368 A Anlage 4 Mündliche Frage 9 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Bewertung der Anbindehaltung von Rindern hinsichtlich des Tierwohls Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL 10368 B Anlage 5 Mündliche Frage 10 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Verbot der Anbindehaltung für über sechs Monate alte Rinder Antwort Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL 10368 C Anlage 6 Mündliche Frage 11 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Ermessensspielraum militärischer Befehlshaber der Bundeswehr hinsichtlich der Nutzung von Schulen für militärische Zwecke Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg 10368 D Anlage 7 Mündliche Frage 12 Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sicherstellung der Kinderrechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention im Übergangskonzept zur Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zwischen den Bundesländern Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 10369 A Anlage 8 Mündliche Frage 13 Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vermeidung einer mehrmaligen Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen über das Bundesgebiet Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 10369 B Anlage 9 Mündliche Frage 14 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bundeskabinetts über das geplante Gesetz zur Verbesserung der Versorgung und Betreuung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 10369 C Anlage 10 Mündliche Frage 19 Katrin Kunert (DIE LINKE) Diskussionsprozess über das weitere Verfahren zur Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 10369 D Anlage 11 Mündliche Frage 20 Katrin Kunert (DIE LINKE) Ausbleibende Resonanz des BMUB auf Schreiben von Verbänden zur Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 10370 A Anlage 12 Mündliche Frage 22 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zwischenlösung für den Regierungsflughafen bei Baubeginn nach Inbetriebnahme des Flughafens BER Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 10370 B Anlage 13 Mündliche Frage 27 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anträge auf Förderung deutscher Filmproduktionen bei der Filmförderungsanstalt und dem Deutschen Filmförderfonds in den Jahren 2013 und 2014 Antwort Monika Grütters, Staatsministerin BK 10370 D Anlage 14 Mündliche Frage 28 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anträge auf Förderung internationaler Koproduktionen bei der Filmförderungsanstalt und dem Deutschen Filmförderfonds in den Jahren 2013 und 2014 Antwort Monika Grütters, Staatsministerin BK 10371 A Anlage 15 Mündliche Frage 29 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufklärungsarbeit des 1. Untersuchungsausschusses als Grund für die verzögerte Kooperation US-amerikanischer Stellen beim Schutz von Bundeswehrsoldaten im Nordirak Antwort Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär BK 10371 C Anlage 16 Mündliche Frage 30 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufklärungsarbeit des 1. Untersuchungsausschusses als Grund für die unterbliebene Kooperation US-amerikanischer Stellen bei der Rettung des in Afghanistan entführten Stefan E. Antwort Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär BK 10371 C Anlage 17 Mündliche Frage 31 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Endverbleibskontrolle bei der Lizenzproduktion der Gewehre G3 und G36 in Saudi-Arabien Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 10371 D Anlage 18 Mündliche Frage 33 Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzierbarkeit von Kohleprojekten nach den neuen KfW-Leitlinien Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 10372 A Anlage 19 Mündliche Frage 34 Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Förderentscheidungen im Bereich Kohle-infrastruktur auf der KfW-Verwaltungsratssitzung am 14. April 2015 Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 10372 C Anlage 20 Mündliche Frage 35 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage des Weißbuches Strommarkt-design Antwort Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMWi 10372 C Anlage 21 Mündliche Frage 36 Andrej Hunko (DIE LINKE) Zivile bzw. militärische Datenverbindungen zur Steuerung der Flüge der Drohne Global Hawk von Sigonella nach Norwegen im Rahmen des NATO-Manövers „Unified Vision“ Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 10372 D Anlage 22 Mündliche Frage 37 Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thematisierung von Menschenrechtsverletzungen in Ägypten anlässlich des Staatsbesuchs von Präsident el-Sisi in Berlin Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 10373 A Anlage 23 Mündliche Frage 38 Dr. André Hahn (DIE LINKE) Situation auf Baustellen für die Fußballweltmeisterschaft 2022 im Emirat Katar Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 10373 B Anlage 24 Mündliche Frage 39 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Hausverbot für russische Diplomaten im Europäischen Parlament als neue Eskala-tionsstufe im Verhältnis zu Russland Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 10373 D Anlage 25 Mündliche Frage 40 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Verlegung von Luftabwehrsystemen des Typs S-300 und von Bodentruppen an die Grenze zur Region Transnistrien durch die ukrainische Armee Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 10374 A Anlage 26 Mündliche Frage 41 Heike Hänsel (DIE LINKE) Entwicklung in Mexiko in den letzten 15 Jahren mit mehr als 26 000 Verschwundenen Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 10374 A Anlage 27 Mündliche Frage 42 Heike Hänsel (DIE LINKE) Erkenntnisse über den Missbrauch von Kindern durch französische Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 10374 C 108. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 10. Juni 2015 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Peter Hintze: Ich begrüße Sie herzlich. Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht zum Anerkennungsgesetz 2015. Das Wort für den einleitenden Bericht hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Johanna Wanka. Frau Ministerin, bitte. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Am 1. April 2012 trat das Anerkennungsgesetz in Kraft. Das war ein Paradigmenwechsel. Das gab es so vorher noch nicht in der Bundesrepublik Deutschland: Vorher ging man immer eher von den Defiziten aus, und jetzt sah man die Chancen für diejenigen, die zu uns kommen. Dieses Gesetz ist auch, wenn man es im europäischen Vergleich sieht, etwas sehr Besonderes; denn es regelt, dass jeder, der zu uns in dieses Land kommt – egal, woher er kommt –, einen Rechtsanspruch darauf hat, dass eingeschätzt wird, ob seine berufliche Qualifikation, die er in Kanada, im Kongo oder wo auch immer erworben hat, im Vergleich zum entsprechenden deutschen Beruf gleichwertig ist oder nicht. Da das etwas Neues war und wir in der Praxis Erfahrungen sammeln wollten, wie man damit umgeht, wo wir Handlungsempfehlungen geben können und was noch gemacht und gestärkt werden muss, hat sich die Bundesregierung verpflichtet – das ist keine gesetzliche Verpflichtung –, begleitend ein Monitoring zu realisieren, um Aussagen treffen zu können, die weit über die statistischen Angaben hinausgehen. In der Zeit vom 1. April 2012 bis Ende 2013 wurden über 26 500 Anträge auf Anerkennung gestellt. 96 Prozent der Anträge wurden positiv bewertet. Es gab also entweder eine Anerkennung oder eine Teilanerkennung. Es wurden mehr Anträge von Frauen als von Männern gestellt; das ist klar. Die größte Gruppe der Antragsteller machen Menschen mit Migrationshintergrund, also die in Deutschland leben und die deutsche Staatsangehörigkeit haben, aus. Dann folgen Menschen aus Polen, aus Spanien, aus Russland und aus Rumänien. Aus diesen Ländern kommen die größten Gruppen der Menschen, die einen solchen Antrag stellen. Man hat sich innerhalb der IHKs und der Handwerkskammern verständigt, wie man den Prozess organisiert. Die Erfahrungen sind sehr positiv. Es ist allerdings so, dass diejenigen, die einen Antrag stellen, oftmals einen Hochschulabschluss oder sogar einen Hochschulabschluss plus berufliche Bildung haben. Aber gerade im Bereich der handwerklichen und IHK-Berufe möchten wir mehr Anträge sehen. Bei den Hotlines und den Anlaufstellen, die wir eingerichtet haben, sehen wir eine stark steigende Tendenz. Deswegen ist die Bewerbung dieses Instruments sehr wichtig. Wichtig ist aber auch das Thema Nachqualifizierung. Da, wo es möglich und sinnvoll ist, haben wir zum 1. Januar 2015 neue Dinge in Kraft gesetzt und begonnen. Bei besagtem Monitoring geht es nicht nur um statistische Erfassung. Zum Beispiel umfasst dies auch eine Befragung von 5 300 Betrieben. Gefragt wurde, wie sie mit diesem Instrument umgehen und wie sie es sehen. 80 Prozent sind der Meinung, sie hätten überhaupt kein Problem damit, ausländische Fachkräfte in ihrem Betrieb zu beschäftigen, und würden dies gern tun. Und mehr als zwei Drittel sagen, sie würden Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, die sich dafür interessieren, Anträge gemäß dem Anerkennungsgesetz zu stellen, unterstützen. Sie müssen dabei bedenken, dass viele Menschen angesichts der gegenwärtigen Situation der niedrigen Arbeitslosigkeit sehr wohl Beschäftigung finden und es nicht unbedingt nötig haben, die Gleichwertigkeit ihrer Qualifizierung nach dem Anerkennungsgesetz bestätigt zu bekommen. Wenn es aber auf dem Arbeitsmarkt wieder schwieriger wird oder es darum geht, Meisterqualifikationen zu erwerben oder Leitungspositionen zu besetzen, dann ist es sehr gut und richtig, wenn sie eine entsprechende Anerkennung vorweisen können. Deswegen ist das Anerkennungsgesetz sowohl aus unserer Perspektive im Hinblick auf die Fachkräftesituation als auch für das Glück der Einzelnen, die in unser Land gekommen sind, wichtig. International werden wir sehr gelobt, auch von der OECD. Es wird sehr wohl registriert, dass wir mit dem Anerkennungsgesetz für eine veränderte Situation gesorgt haben und ein starkes Signal in das Ausland in Richtung Willkommenskultur geben. Insgesamt ist es sehr erfreulich, dass ein so umfangreicher Monitoring-Bericht vorliegt, der auch viele Angaben zu Einzelfragen liefert. Danke. Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Erste Fragestellerin ist die Kollegin Cemile Giousouf, CDU/CSU-Fraktion. Cemile Giousouf (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Ministerin für die Ausführungen und die positiven Nachrichten zu dem Monitoring-Bericht. – Wir erleben ja derzeit, dass sehr viele Menschen als Flüchtlinge und als Asylbewerber zu uns kommen. Deswegen die Frage: Ist das Anerkennungsgesetz in der Form, wie wir es jetzt haben, ein ausreichendes, ein gutes Instrument, um auch die Menschen, die gut qualifiziert sind – es sind ja nicht nur unqualifizierte Menschen, die zu uns kommen; wir erleben zum Beispiel, dass aus Syrien viele Ärzte, Akademiker etc. nach Deutschland kommen –, in den Arbeitsmarkt zu integrieren? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das Anerkennungsgesetz ist völlig unabhängig vom Status der Betreffenden. Es steht jedem offen, auch Asylbewerbern, und nicht nur denjenigen, die in unser Land kommen, sondern man kann die Anerkennung auch schon aus dem Ausland beantragen. Aufgrund der geänderten Regelung, dass man bereits nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen kann, haben wir noch vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Asylantrag vorgesehen, indem sie etwa über SGB II oder III entsprechend finanzielle Unterstützung bekommen oder beim Stellen des Antrages unterstützt werden. Im Rahmen des Netzwerks „Integration durch Qualifizierung“ gibt es kostenlose Beratung für Anerkennungsverfahren, für Qualifizierung. Vom Instrumentarium ist das alles sehr gut geeignet für die Flüchtlinge, die zu uns kommen. Vizepräsident Peter Hintze: Nächster Fragesteller ist Herr Dr. Karamba Diaby, SPD-Fraktion. Dr. Karamba Diaby (SPD): Frau Ministerin, wir sind uns darüber einig, dass das Anerkennungsgesetz ein hervorragendes Mittel ist, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die positiven Ergebnisse, die Sie erwähnt haben, zeigen das. Allerdings gibt es einige Herausforderungen, die auch im Bericht erwähnt wurden. Wir wissen, dass von den erwarteten 500 000 Fachkräften, die wir brauchen, bis 2012 lediglich 25 000 über Bluecard kamen. Von den 26 000 Anträgen, die wir bis 2013 hatten, sind lediglich 9,4 Prozent aus dem Ausland und davon 2,3 Prozent aus Drittstaaten gestellt worden. Wir wissen auch, dass es einige Benachteiligungen und Ungleichbehandlungen gegenüber Menschen aus Drittstaaten gibt; das wird auf Seite 26 des Berichts erwähnt. Deshalb meine Frage an Sie: Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um diese Lücke zu schließen, damit wir das erwartete Ergebnis demnächst erreichen können? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Sie haben vollkommen recht, dass im Bereich der Drittstaaten die Anzahl der Anträge geringer ist und auch die Bearbeitungszeiten länger sind. Eine wichtige Maßnahme ist Information. Das heißt, wir haben durch das entsprechende Internetportal „Anerkennung in Deutschland“ die Möglichkeit, in unterschiedlichen Sprachen in aller Welt zu informieren, dass es dieses Instrument gibt. Wir haben die Antragstellung sehr stark vereinfacht. Wir haben aber auch aufgrund des Befundes jetzt damit begonnen, dafür zu sorgen, dass es auch in den Drittstaaten einen konkreten Ansprechpartner gibt, also nicht nur einen Internetauftritt. Das ist ganz wichtig, weil man, wenn man sich dort bewirbt, sich mit den deutschen Verhältnissen natürlich nicht so auskennt. Eine Strategie in der nächsten Zeit ist es deswegen, dass es bei einigen Deutschen Auslandshandelskammern, die überall in der Welt zu finden sind, konkrete Ansprechpartner gibt, die von Angesicht zu Angesicht über diese Möglichkeiten informieren können. Ich denke, das ist außerordentlich wichtig. Das Anerkennungsgesetz des Bundes gilt ja für alle Berufe, für die der Bund zuständig ist. Es gibt aber eine ganze Reihe von Berufen, für die die Bundesländer zuständig sind. Sie haben die Anerkennung zwar in entsprechenden Gesetzen verankert, haben aber leider teilweise ganze Berufsgruppen, die wir gerade auch aus Drittstaaten anwerben wollen, zum Beispiel Lehrer und Ingenieure, ausgeschlossen. Da wäre es sehr wichtig – ich wäre sehr froh, wenn das geschähe –, dass insbesondere die großen Bundesländer den Angehörigen dieser Berufsgruppen überhaupt die Möglichkeit eröffnen, einen Antrag darauf zu stellen, in Deutschland leben und arbeiten zu können. Wenn Menschen aber zu uns kommen, dann gibt es vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten. Ich nannte die Möglichkeit der Nachqualifizierung und das breit aufgestellte Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“. Hier gibt es Möglichkeiten, die nicht nur EU-Bürgern oder Menschen aus Europa, sondern allen zur Verfügung stehen. Werbung dafür ist eine zentrale Aufgabe, und darum bemühen wir uns. Vizepräsident Peter Hintze: Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Dr. Rosemarie Hein, Fraktion Die Linke. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Ministerin, Sie hatten selbst darauf hingewiesen, dass die nichtreglementierten Berufe, vor allem die Berufe aus dem Bereich der dualen Ausbildung, bei den Anerkennungsverfahren stark unterrepräsentiert sind. Zu den von Ihnen genannten Gründen, warum man eine entsprechende Anerkennung anstreben sollte, möchte ich unbedingt den Aspekt der tarifgerechten Bezahlung hinzufügen, die mit einem nachgewiesenen Abschluss leichter zu erreichen ist als ohne einen solchen. Insofern bitte ich Sie, uns darüber Auskunft zu geben, was Sie tun wollen, um diesen Berufen im Anerkennungsverfahren einen höheren Stellenwert einzuräumen. Wie kann man also mit einem schnelleren und wirkungsvolleren Verfahren dazu beitragen, dass gerade diejenigen mit einem Beruf aus dem dualen Bereich eine solche Anerkennung anstreben? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Der größte Teil der Anträge bezieht sich bisher auf die reglementierten Berufe; aber das ist ganz logisch. Die Berufe, in denen eine Anerkennung in Deutschland zwingend ist, weil man sonst nicht in dem Beruf arbeiten kann – das betrifft Ärzte, Krankenschwestern, Apotheker und viele andere –, machen die Hauptmasse aus. Tatsache ist – ich habe mit Handwerkskammerpräsidenten und an vielen Stellen mit Vertretern vor Ort geredet –, dass bei den Kammern – zum Beispiel ist die Handwerkskammer Frankfurt (Oder) Leitkammer für den Bereich Polen, die Handwerkskammer München für den Bereich Türkei – sehr viele Beratungsgespräche durchgeführt werden, diese aber nicht in allen Fällen dazu führen, dass ein Antrag auf Anerkennung gestellt wird. Im Bericht wird dargestellt, woran das liegt. Dafür gibt es nicht nur einen Grund, sondern vielfältige Gründe. In vielen Ländern ist es eben so, dass es für handwerkliche Berufe überhaupt keine duale Ausbildung gibt, die mit unserer vergleichbar ist. Deswegen fehlt den Betreffenden auch der Optimismus, hier eine Anerkennung erreichen zu können. Folgendes finde ich ganz wichtig – das wird auch international registriert –: Unser Anerkennungsgesetz schafft nicht nur die Möglichkeit, anhand eines Schreibens nachzuweisen, dass man diesen oder jenen Beruf mit einem bestimmten Curriculum in einem anderen Land erlernt hat, sondern für den Fall, dass so etwas nicht vorliegt oder die erbrachten Leistungen nicht mit Dokumenten nachweisbar sind, gibt es auch die Möglichkeit einer Qualifikationsfeststellung. Im Rahmen eines Fachgesprächs und in Form von praktischen Tätigkeiten kann der Betreffende nachweisen, ob er zum Beispiel schweißen kann oder Ähnliches. Wenn er dabei entsprechende Kenntnisse nachweist, kann das zur Anerkennung führen. Über solche Möglichkeiten müssen wir noch mehr informieren. Deswegen gibt eine Initiative unseres Hauses, um sowohl die Betriebsräte als auch die Leitungen der Betriebe – ich sagte, dass der Großteil der Betriebe die Möglichkeiten gerne nutzen würde und kein Problem damit hat – stärker dafür zu sensibilisieren, welche Möglichkeiten und welche Unterstützung es gibt. Das ist eine der Maßnahmen. Eine andere sind Finanzhilfen. Hier gibt es zwar keinen einfachen Zusammenhang von Ursache und Wirkung, ich denke aber, dass hier die Tatsache, dass die Arbeitsverwaltung denjenigen, die Arbeit suchen – ich sagte es vorhin im Zusammenhang mit den Asylbewerbern –, eine Finanzierung gewährleistet, eine Rolle spielt. Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank. – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Stephan Albani, CDU/CSU-Fraktion. Stephan Albani (CDU/CSU): Frau Ministerin, ich kann von meiner Seite bestätigen: Wir erleben das Anerkennungsgesetz als etwas sehr Hilfreiches und sehr Nützliches. Ich stelle eine konkrete Frage aus der Praxis. Wenn wir über Flüchtlinge reden, dann reden wir ja über Menschen, die überwiegend nicht im Rahmen eines geordneten Prozesses zu uns gekommen sind. Insofern frage ich: Wie sollten wir aus Ihrer Sicht mit Flüchtlingen umgehen, denen die notwendigen Unterlagen entweder gar nicht oder unvollständig oder bestenfalls als schlechte Kopie vorliegen? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: In der Form, wie ich eben schon sagte, dass wir ihnen, wenn keine Unterlagen vorliegen, die Chance einräumen, die in einem handwerklichen Beruf oder in einem anderen Beruf erworbenen Qualifikationen im Rahmen eines Fachgesprächs und in einem praktischen Test nachzuweisen. Wir nutzen aber auch andere vielfältige Möglichkeiten, gerade im Bereich der Industrie- und Handelskammern. Falls die Kopien eventuell, wie Sie sagen, schlecht sind, kann man aufgrund der Landeskenntnisse und der Curricula vor Ort praktisch vergleichbare Unterlagen besorgen. Am Anfang, bevor das Gesetz in Kraft trat, gab es große Skepsis, ob man da immer – wie sage ich es im Bundestag? – korrekt behandelt wird, ob man echte Unterlagen bekommt. Das ist aber überhaupt nicht das Problem; das steht auch im Bericht. Es gibt sicher den einen oder anderen Einzelfall, aber die Befürchtung, dass mit den vorgelegten Unterlagen oder Kopien etwas nicht stimmt, hat sich nicht bewahrheitet. Das ist nicht das Problem. Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank. – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Özcan Mutlu vom Bündnis 90/Die Grünen. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich möchte an der Stelle anknüpfen, an der Kollege Karamba Diaby aufgehört hat. In dem letzten Evaluierungsbericht 2014 steht auf Seite 157 ganz explizit, dass es eine zentrale Förderungslücke gibt, dass bei vielen das Anerkennungsgesetz nicht greift und ihnen bestimmte Förderungen vorenthalten werden. Zudem gebe es keine spezielle Anpassungsqualifizierung, kein zugeschnittenes Förderprogramm für die Antragsteller, und die bestehenden Förderinstrumente wie BAföG usw. griffen praktisch nirgends. Infolgedessen stehen den Antragstellern Anpassungsqualifizierungen in Vollzeit gar nicht zur Verfügung; denn sie haben eben kein Erwerbseinkommen und dementsprechend keine Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, weil sie oft eben keinen Anspruch auf ALG-Leistungen usw. haben. Ich würde von Ihnen gerne konkret wissen – Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Diaby war ein bisschen unkonkret –: Welche konkreten Schritte und welche Maßnahmen haben Sie aufgrund des Evaluationsberichtes unternommen bzw. ergriffen, um die genannte Förderungslücke zu schließen? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Wir haben seit dem 1. Januar dieses Jahres gemeinsam mit der BA und dem Arbeitsministerium ein sehr umfangreiches Programm – es kostet 188 Millionen Euro – aufgelegt. Mit diesem Programm – das ist eine Linie innerhalb des IQ-Programmes – erhalten diejenigen finanzielle Unterstützung, die nicht unter die Regelungen gemäß SGB II oder III fallen. Sie können finanzielle Unterstützung erhalten, und zwar nicht nur für Anpassungsqualifizierungen, sondern sogar bei den Lebenshaltungskosten. Außerdem ist die gesamte Beratung hinsichtlich der Anerkennungsmodalitäten und der Qualifizierungsmöglichkeiten für diese Menschen kostenfrei. Wir stellen also 188 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist ein konkreter Schritt in diese Richtung, wobei wir natürlich dabei sind, auszutarieren: Welche Instrumente greifen besonders gut? Wie erreicht man sehr viele Firmen? Wie erreicht man sehr viele Menschen? – Da sind wir im ständigen Dialog mit den Kammern. Außerdem hat sich ein Bundesland entschieden, Stipendien für Menschen auszugeben, die eventuell noch eine Nachqualifizierung gemäß Anerkennungsgesetz brauchen. Auch über diesen Weg sollten wir nachdenken. Aber dafür müssen wir erst wissen: An welcher Stelle würde es Sinn machen? An welcher Stelle gibt es Bedarf? – Das steht aber natürlich anderen Landesregierungen in den Bundesländern auch frei. (Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer weiteren Nachfrage) Vizepräsident Peter Hintze: Zunächst kommen alle einmal dran, die sich gemeldet haben. Dann kommen die Zweitfragen dran. Herzlichen Dank. – Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Katrin Albsteiger, CDU/CSU-Fraktion. Katrin Albsteiger (CDU/CSU): Frau Ministerin, ich würde gerne an das Thema Nachqualifizierungsangebote anknüpfen. Die Nachfrage, so steht es im Bericht, nach diesen Nachqualifizierungs-angeboten steigt nach wie vor. Welche spezifischen Maßnahmen bzw. Angebote haben Sie vor in Zukunft anzubieten, um dieser Nachfrage Herr zu werden? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Eigentlich kann ich auf das verweisen, was ich eben gesagt habe. Über dieses IQ-Programm fördern wir in vielfältiger Art und Weise und in großem Umfang die Bereiche, wo es Bedarfe gibt, wo besonders nachqualifiziert werden muss. Ein weiterer Schritt ist, dass wir in IQ an die Hochschulen gehen und für den akademischen Bereich Gelder zur Verfügung stellen, damit bundesweit an unterschiedlichen Hochschulen Teilstudiengänge oder Zertifizierungen angeboten werden können, die zielgerichtet auf die deutsche Situation, auf die Tätigkeit in bestimmten Berufen vorbereiten. So können wir den Betreffenden klarmachen, was neben der Grundkompetenz, die sie aus -ihrem Land mitbringen, notwendig ist, um hier in Deutschland in dem entsprechenden Beruf praktizieren zu können – das klingt so nach Arzt, aber das gilt auch für andere Berufe. Das ist zum Beispiel ein weiterer Teil unseres umfangreichen Angebots. Zum Spracherwerb: Das Arbeitsministerium legt mit der BA sehr viel Wert auf den Spracherwerb, weil dieser ganz wichtig ist. Im Bereich der Gesundheitsberufe gibt es aber große Probleme hinsichtlich des Spracherwerbs, weil sich die Bundesländer nicht auf ein einheitliches Niveau verständigen können. Daher sind die Anforderungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Es gibt inzwischen sogar Internetplattformen, auf denen man sich darüber austauscht, in welchem Bundesland die Anforderungen am geringsten sind. Es gibt also eine Art Anerkennungstourismus, weil es nicht gelungen ist, sich zu verständigen. Vizepräsident Peter Hintze: Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Kai Gehring, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Ministerin, wenn Menschen, die zuwandern, ihren Berufsabschluss hierzulande anerkennen lassen wollen, fallen – das wissen Sie – zum Teil erhebliche Kosten für dieses Anerkennungsverfahren an, die von diesen internationalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – bei einigen handelt es sich um vor kurzem aus Kriegsgebieten Geflüchtete – zu tragen sind. In Ihrem Bericht schreiben Sie selbst – Zitat –: Die Spannweite reicht von zweistelligen Eurobeträgen (zum Beispiel bei Bürokaufleuten) bis hin zu vierstelligen Eurobeträgen (zum Beispiel im Bereich Metall …). Ich finde, dass diese Kosten erheblich variieren. Ich wäre interessiert zu erfahren, welche Position die Bundesregierung da vertritt: Finden Sie es richtig, dass die Kosten für die Anerkennungsverfahren dermaßen stark variieren und auch derart hoch ausfallen können? Welche Maßnahmen wollen Sie zur Kostenreduktion und Kostenvereinheitlichung ergreifen? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zuerst möchte ich feststellen: Diesen Fachbericht habe nicht ich geschrieben. Das ist nicht mein Bericht, sondern wir haben diesen Bericht in Auftrag gegeben, und dieser Monitoring-Bericht wurde dann erstellt. Weder ich noch das BMBF haben also diesen Bericht ganz geschrieben, sondern wir haben ihn in Auftrag gegeben. Das ist sozusagen ein von uns unabhängiger Bericht. Zu den Finanzen. Bei den Kosten für die Anerkennung gibt es eine Spannbreite. Ich stelle einen Antrag auf Anerkennung. Dann wird dieser Antrag bearbeitet. Es wird geschaut, wie die Ausbildung in meinem Heimatland ist etc. Dafür fallen Kosten zwischen 100 und 600 Euro an. Bei der IHK Hannover zum Beispiel liegen sie im Schnitt bei 300 Euro, und die Obergrenze liegt bei 600 Euro. Wenn es aber darum geht, Qualifikationen zu erwerben, wenn man zum Beispiel ein Sprachvermögen entsprechend einer höheren Sprachstufe nachweisen möchte, fallen zusätzliche Kosten an. Wenn ein Flüchtling zu uns kommt, der keine Arbeit hat, zum Beispiel ein Arzt aus Syrien, gilt, wie ich vorhin schon sagte: Solange er keine Arbeit hat und eine Arbeit sucht, bezahlt die BA die Kosten, sogar die Lebenshaltungskosten. Das heißt, diese Kosten treffen dann nicht den Einzelnen. Wenn aber zum Beispiel ein Augenoptiker aus Finnland kommt, dann bezahlt er – es gibt natürlich auch andere Fälle – die Kosten für das Anerkennungsverfahren. Auch wenn er die Benutzung eines bestimmten Gerätes lernen muss, bezahlt er die Kosten dafür selbst. Seitens des Bundes fänden wir es sehr gut, wenn sich alle Akteure, die im Bereich der Anerkennung aktiv sind, auf verbindliche, einheitliche Sätze verständigen könnten. Das wäre sehr schön und in unserem Interesse. Das können wir aber nicht einfach dirigistisch vorgeben. Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank. – Der nächste Fragesteller hat heute Geburtstag. Ich gebe das Wort Albert Rupprecht und gratuliere ihm herzlich im Namen des Hauses. Es ist schön, dass Sie Ihren Geburtstag im Rahmen der Regierungsbefragung feiern. (Beifall) Albert Rupprecht (CDU/CSU): Vielen herzlichen Dank. Es ist die einzig richtige Form, Geburtstag hier im Plenum zu feiern. Frau Ministerin, Zuwanderung ist ein wesentlicher Baustein der Demografiestrategie der Bundesregierung. Die Fachleute sagen uns unisono, dass der Rechtsrahmen in Deutschland sehr offen ist, dass wir ein sehr offenes Land sind. Kritisch ist nur, dass die Wenigsten das wissen und man mit Deutschland nicht zwingend eine Willkommenskultur verbindet. Das Anerkennungsgesetz hat unter anderem die Intention, diese Willkommenskultur zu verdeutlichen, sie zu leben. Sie hatten das eingangs auch angesprochen. Die Frage ist: Kann man das greifen? Woran kann man das dingfest machen? Erleben wir, dass das Anerkennungsgesetz mit Blick auf die Willkommenskultur Fortschritte mit sich bringt? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich ja, weil ich oft versuche, den direkten Kontakt zum Beispiel mit denen, die durch das Anerkennungsgesetz Anerkennung erfahren haben, herzustellen. Erst letztens, als wir mit der Bundeskanzlerin in Nürnberg waren, wo sich für sämtliche Industrie- und Handelskammern die Zentralstelle befindet, traf ich eine Modeschneiderin aus Polen, die sich jetzt sogar scheiden lassen konnte, weil ihr durch das Anerkennungsgesetz die Selbstständigkeit ermöglicht wurde. Das war ganz lustig. (Heiterkeit im ganzen Hause) – Das ist jetzt nicht die Zielsetzung, nein. Das hat sie öffentlich gesagt, so kann auch ich das hier sagen. – Sie hatte nämlich immer mit den Vorurteilen ihres Mannes zu kämpfen, der meinte, das, was sie in ihrem Heimatland gelernt habe, sei mit der Situation in Deutschland nicht vergleichbar. Sie hat dann jedoch die Anerkennung erhalten und eine Arbeit gefunden. So ist es in vielen Fällen: Auf der individuellen Ebene macht das für die Lebensperspektiven dieser Personen, die diese Anerkennung erhalten, unwahrscheinlich viel aus. Aber Sie haben recht, Herr Rupprecht: Es ist so, dass unser Ruf nicht schlecht ist, dass er aber schlechter als die Wirklichkeit ist. Daran sind wir aber selbst schuld, weil wir andere Haltungen dazu hatten und dieses Thema viele Jahre lang nicht offensiv bearbeitet haben. Aber jetzt ist es so, dass wir vom rechtlichen Rahmen her im Vergleich zu allen anderen Ländern in der EU – auch nach OECD-Einschätzung – sehr gut dastehen. Wir haben uns zum Beispiel schon seit Jahren bemüht und können jetzt sagen, dass die Willkommenskultur an den Hochschulen – das ist eine spezielle Gruppe – funktioniert. Wir haben derzeit den Höchststand ausländischer Studierender in Deutschland. Da ist es kein Problem mehr. Aber wir müssen jetzt auch in anderen Bereichen gemeinsam dafür arbeiten. Und dazu gehört beispielsweise, dass man die Tatsachen und das, was jetzt geht, publik macht. Ich erlebe es immer wieder bei Kammern, bei Handwerksmeisterfeiern und bei anderem: Viele wissen noch nicht, dass wir diese Instrumente haben. Es ist nicht nur altruistisch von uns, sondern es ist auch wirklich eine Chance. Wenn man sich anschaut, in welchem Alter die, die kommen und einen solchen Antrag stellen, sind, bemerkt man: Deren Altersstruktur entspricht nicht der in Deutschland mit vielen über 60-Jährigen, sondern 80 Prozent aller Zuwanderer sind zwischen 18 und 50 Jahre. Bei den Antragstellern handelt es sich zum größten Teil um Menschen im Alter zwischen 25 und 44 Jahren. Wenn jemand im Alter von 44 Jahren die Anerkennung erhält, hat er noch etwa 20 Jahre oder länger im Berufsleben vor sich. Das heißt, wir sind besser als unser Ruf, aber wir müssen etwas dafür tun, dass die Willkommenskultur verbessert wird. Ich denke, dabei haben wir noch Luft nach oben. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Martin Rabanus, SPD-Fraktion. Martin Rabanus (SPD): Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht. – Ich will gern an das Thema „Flüchtlinge“ anknüpfen. Sie haben das Instrument der Qualifikationsanalyse benannt. Sie haben das Modellprojekt mit der BA benannt. Auch ich glaube, das sind richtige Instrumente. Haben Sie tiefergehende Erkenntnisse über Qualität und Quantität dessen, was da passiert? Wie entwickeln sich Fallzahlen? Welche Trends gibt es da? Insbesondere interessiert mich, ob für das Modellprojekt schon erste Hinweise vorliegen, wie gut das angenommen wird und in welchen Berufsgruppen sich das Ganze abspielt. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Welches Modellprojekt meinen Sie jetzt? Martin Rabanus (SPD): „Early Intervention“ mit der BA, das inzwischen an neun Standorten aufgesetzt ist. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich wusste nicht, welches Sie meinten. – Natürlich können wir zum Modellprojekt noch keine vertiefenden Ergebnisse haben, weil es noch läuft. Solche Sachen kann man nicht nach einer so kurzen Zeit wie zwei oder drei Monate absehen, sondern man muss schon vernünftige Fallzahlen haben, um wirklich eine valide Erkenntnis daraus zu ziehen. Aber die Tatsache, dass wir dieses Monitoring machen und Ihnen diese dicken Berichte nicht nur vorlegen, sondern damit auch arbeiten, zeigt unser ernsthaftes Bemühen. So versuchen wir durch Befragungen, durch statistische Untersuchungen und durch viele weitere Dinge möglichst viele Informationen zu bekommen, um dann passgenau Maßnahmen schneidern zu können. Was man sagen kann, ist, dass die Tendenz in all diesen Fällen positiv ist. Aber das ist eine sehr pauschale Aussage. Gerade was Flüchtlinge betrifft, deren Zahlen nach allen Prognosen enorm steigen werden, haben wir jetzt noch nicht diese Größenordnung an Fällen, die man benötigt, um daraus eine belastbare Grundaussage abzuleiten. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Thomas Feist, CDU/CSU-Fraktion. Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Ministerin, Sie haben gesagt, es gebe eine steigende Tendenz bei den Hotlines. Das heißt: Interesse ist vorhanden. Sie haben auch auf die Zusammenarbeit mit den Auslandshandelskammern sowie deren Zuarbeit hingewiesen. Sie haben auch erwähnt, wie schwierig es ist, im Bereich der Berufe mit dualer Ausbildung verstärkt dafür zu werben. Nun ist es so, dass ich in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit meinem Kollegen Uwe Schummer einen Antrag eingebracht habe, in dem es darum ging, auf die verstärkte Nachfrage nach Modellen der dualen Ausbildung im Ausland einzugehen. Wäre dieses Berufsanerkennungsgesetz nicht auch für Sie eine Hilfe, wenn es beispielsweise darum geht, dass Deutschland mit anderen Ländern Verträge zum Aufbau oder zur Weiterentwicklung einer dualen beruflichen Bildung abschließt? Man könnte frühzeitig sehen, welche Kompetenzen, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten vorhanden sein müssen, um innerhalb Europas die Freizügigkeit des Arbeitsmarktes ausnutzen zu können und unter anderem in Deutschland arbeiten zu können. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ja, das ist sehr sinnvoll. Jetzt funktioniert es so: Jemand kommt aus einem anderen Land zu uns. Wenn er einen handwerklichen Beruf oder einen, der unter die IHK-Berufe fällt, hat, dann wird zum Beispiel von der IHK FOSA, von dieser Zentralstelle, genau geschaut, was für Zeugnisse er hat. Dann wird geprüft, welches Curriculum es in dem Land gibt, was dort welcher Abschluss wert ist und welche Dinge er können muss. Daraufhin wird entschieden, ob es genauso ist wie bei uns oder ob etwas fehlt, was er vielleicht durch praktische Tätigkeit oder anderes ausgleichen kann. Wenn man – das tun wir verstärkt – beim Aufbau dualer Ausbildung in anderen Ländern berät und unterstützt, dann kann es nicht die Messlatte sein, dass es von vornherein genauso sein muss wie bei uns; denn die Bedingungen dort sind anders. Man sollte sich aber an unseren Qualitätsstandards orientieren, um es dann für die Betreffenden einfacher zu machen und ihnen von Anfang an sagen zu können: Wenn du das jetzt bei uns hier in der Firma lernst, dann ist gesichert, dass das kompatibel mit Anforderungen in anderen Ländern ist. – Das ist sehr gut und würde gerade auch Jugendlichen helfen und sie vielleicht auch motivieren, eine solche Ausbildung zu beginnen. Wir sagen: Duale Ausbildung hat Deutschland stark gemacht. Deswegen haben wir eine geringe Jugendarbeitslosigkeit. Wir wissen aber, dass es kein Schnell-mittel ist. Wenn man jetzt Jugendlichen in Spanien, Griechenland und anderswo sagt, dass sie in dem zu erlernenden Beruf später in Deutschland und woanders arbeiten können, dann, glaube ich, ist es für sie eine Motivation, eine solche Ausbildung, die für die jungen Leute ja auch immer Stress bedeutet, zu machen. Ich finde es also sehr klug. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Uwe Schummer, CDU/CSU-Fraktion. Uwe Schummer (CDU/CSU): Ergänzend zu dem, was Dr. Thomas Feist eben gefragt hat, frage ich in Richtung Pflege. Wir haben in dem Bereich einen besonderen Bedarf und müssen verstärkt dafür sorgen, dass Pflegekräfte nach Deutschland kommen. Laut dem Bericht profitiert der Pflegeberuf aber -relativ wenig von dem Berufsanerkennungsgesetz. Wir planen im Rahmen einer Neuordnung ja auch eine generalisierende Pflege, das heißt eine Zusammenführung von Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege. Inwieweit wird durch diese Neuordnung auch die Anerkennung des Pflegeberufes in Deutschland insgesamt verbessert? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Jetzt haben wir die Situation, dass es in sehr vielen Ländern zum Beispiel den Beruf Altenpfleger nicht gibt. Wenn die Menschen, die einen Abschluss haben, zu uns kommen, wird, wenn es um die Anerkennung geht, gesagt: Wenn sie sich an dieser und jener Stelle noch nachqualifizieren, dann können sie zum Beispiel in der Krankenpflege arbeiten. Wir müssen in den entsprechenden Bereichen dafür sorgen, dass man nicht nur auf das schaut, was diese Menschen in ihrem Heimatland gelernt haben, sondern auch darauf, was man ihnen als Unterstützung geben kann, damit sie zum Beispiel einen Pflegeberuf erlernen. Die Veränderungen bei der Ausbildung in Pflegeberufen, die hier im Bundestag beschlossen werden sollen, erleichtern es, diese Menschen in Richtung der Pflegeberufe zu motivieren. Das, was da passiert ist, ist also nützlich für die Anerkennung. Vizepräsident Peter Hintze: Jetzt haben wir noch zwei Fragen von Fragestellern, die schon gefragt haben, und dann noch Fragen zu anderen Bereichen. – Zunächst gebe ich der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein noch einmal das Wort zu einer Frage. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Ministerin, Sie hatten auf die bundesgesetzlich geregelten Berufe verwiesen und darauf, dass diese die Mehrzahl der Antragstellerinnen und Antragsteller betreffen. Das ist logisch und klar. Nun habe ich in meinen Gesprächen in den Ausbildungseinrichtungen vor allem zu den Gesundheits- und Pflegeberufen sehr oft erfahren, dass die Auszubildenden trotz dieser bundesgesetzlichen Regelungen sehr unterschiedliche Ausbildungen in den Schulen haben und dass es bei der gegenseitigen Anerkennung der Ausbildungsbestandteile durch die Länder durchaus Probleme gibt. Meine Frage ist, ob es passieren kann, dass eine Ausbildung in einem Bundesland nicht anerkannt wird, während dies in einem anderen Bundesland der Fall ist. Das wird ja durch die zuständigen Stellen entschieden. Sind Ihnen da Beispiele bekannt, oder können Sie das ausschließen? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das kann ich nicht ausschließen, und das ist ein Punkt, der ärgerlich ist. In unserem föderalen System ist es so – das muss man wirklich sagen –: Weil das Bundesgesetz zuerst da war – mit einer Beschreibung der Verfahren etc. –, haben sich viele Ländergesetze daran orientiert, und zwar – ich will es einmal so sagen – mehr als in anderen Fällen, in denen entsprechende Regelungen von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Was die Gesundheitsberufe, die einen großen Teil ausmachen, angeht, ist unsere Kenntnis, dass das, was die Bundesländer verlangen – ich sprach vorhin schon von Kriterien für Ärzte, vom Spracherwerb und von anderen Punkten –, sehr unterschiedlich ist, auch wenn sich die Gesundheitsministerkonferenz damit bereits beschäftigt hat. Wir und die Länderkollegen vonseiten der Wissenschaft möchten, dass es ein zentrales, gemeinsames Vorgehen gibt, sodass es eben nicht sein kann, dass man sich fragt: Wo bekomme ich am ehesten einen Platz? Wo sind die Anforderungen am niedrigsten? Alle hier im Raum wissen, dass es bei der Kultusministerkonferenz eine Zentralstelle für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse gibt. Wenn also jemand, der aus Namibia, Ägypten oder einem anderen Land nach Deutschland kommt, seine Zeugnisse vorlegt, dann wird von dieser Zentralstelle beurteilt: Reicht das aus, um hier in Deutschland zu studieren? Ist das adäquat? Entspricht es unserem Abitur oder einem anderen Abschluss? – Diese Stelle verfügt über 60, 70 Mitarbeiter mit hoher Sprachkompetenz und genauen Kenntnissen der unterschiedlichsten Länder. Dort funktioniert das. Wir wollten, dass bei der KMK eine solche Zentralstelle analog für die Gesundheitsberufe eingerichtet wird, allerdings nicht für die Anerkennung von Bildungsqualifikationen, sondern von Berufsqualifikationen. Mittlerweile gibt es auch ein Konzept. Die Länder haben sich verständigt: Wie viel Geld bräuchte man dafür? Wie müsste das aussehen? – Zusätzlich zu der schon vorhandenen Kompetenz müsste man 16 zusätzliche Stellen schaffen, um die wichtigen Anliegen der Einheitlichkeit, der Verbindlichkeit und der gemeinsamen Entscheidungen, die Sie angesprochen haben, zu realisieren. Dazu gab es bereits – ich glaube, drei – Beschlüsse der GMK und der KMK, und es fanden entsprechende Finanzministerrunden statt. In diesen Runden stimmten die Wissenschaftsminister im Rahmen der GMK mit 16: 0 dafür, die Finanzminister mit 16: 0 dagegen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde, diese 16 Stellen sind für 16 Bundesländer überhaupt keine Dimension; aber daran hakt es. Ein Konzept ist allerdings da. Darf ich noch etwas sagen, Herr Präsident? Vizepräsident Peter Hintze: Wenn es der Wahrheitsfindung dient, können Sie gerne noch ein bisschen sprechen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Immer. – Ich hatte am Anfang gesagt: Es gibt über 26 000 Anträge. Das sind die Anträge, die wir definitiv kennen und die im Hinblick auf bundesgesetzlich geregelte Berufe gestellt wurden. Was in den Ländern geschieht und sich nach den Ländergesetzen richtet, ist uns nicht bekannt. Insgesamt ist die Zahl also höher. Aber 26 000 Anträge sind eine belastbare Zahl. Für diese Anträge sind wir verantwortlich. Vizepräsident Peter Hintze: Okay. – Jetzt gibt es zu dieser Thematik noch eine letzte Frage vom Abgeordneten Mutlu, Bündnis 90/Die Grünen. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Frau Ministerin, im Evaluationsbericht wurde deutlich kritisiert, dass der Vollzug der Anerkennung in den Ländern sehr uneinheitlich ist. Außerdem wurde eine unzureichende Ausstattung, personell wie materiell, festgestellt. Was haben Sie in diesem Zusammenhang getan, seitdem Ihnen dieser Evaluationsbericht bekannt ist? Noch eine Frage zu der Zahl von 188 Millionen Euro, die Sie vorhin genannt haben. Wie viele Personen nehmen diese Mittel schon in Anspruch, und für welche Zeiträume darf ein Antragsteller Mittel aus diesem Topf in Anspruch nehmen: für drei, sechs oder zwölf Monate? Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das ist sicher unterschiedlich; das kann ich aber nicht definitiv sagen. Konkrete Zahlen liegen noch nicht vor. Wir könnten Ihnen eine entsprechende Tabelle zuleiten, wenn es dann eine Staffelung gibt. 188 Millionen Euro – Sie haben diesen Betrag ja noch einmal erwähnt – sind richtig viel Geld; das ist eine große Summe. Wir haben uns darauf verständigt, dass dieser Betrag bis 2018 zur Verfügung gestellt wird. Wir wären aber in der Lage, die Mittel, die im Rahmen dieses Programmes bereitgestellt werden, zu erhöhen, wenn sich das als sinnvoll herausstellen sollte. Im Moment ist das erst einmal eine große Summe, mit der man sehr viele der angesprochenen Dinge realisieren kann. Was die Ausstattung in den Ländern angeht, muss ich sagen: Das ist eine Sache, die wir nicht entscheiden können. Da kann der Bund nur an die Länder appellieren. Er darf den Ländern aber nicht vorschreiben, wie sie vorzugehen haben. In den Handwerkskammern und in den Industrie- und Handelskammern ist das aus meiner Sicht sehr gut geregelt. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit dem uneinheitlichen Vollzug?) – Das sprach ich eben an. Wir streben auf einer ganzen Reihe von Feldern an, einheitlich zu agieren. Ich denke zum Beispiel an alle Berufe im Bereich der Industrie- und Handelskammern – auch dann, wenn der Bund dafür unter Umständen nicht zuständig ist. Hier soll es einen gemeinsamen Standard geben. Das schwierigste Problem stellen die Gesundheitsberufe dar, weil es in diesem Bereich aufgrund der Tatsache, dass es reglementierte Berufe sind, sehr viele Anträge gibt. An anderen Stellen macht sich das noch gar nicht so bemerkbar und ist vielleicht auch nicht das Problem. Der Bund unterstützt die Bundesländer, die sich dafür engagieren, dass die Kultusministerkonferenz für die Gesundheitsberufe und vielleicht auch für andere Bereiche Strukturen entwickelt, die in Bezug auf diese Berufe zu einer größeren Einheitlichkeit führen. Bei den Kammern ist das nicht das Problem. Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank, Frau Professor Wanka. Wir haben damit den Themenbereich „Anerkennungsgesetz“ abgeschlossen. Es sind jetzt noch drei Wortmeldungen zu anderen Themen erfasst, und zwar von dem Abgeordneten Harald Petzold, Fraktion Die Linke, dem Abgeordneten Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen, und dem Abgeordneten Mutlu, Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Kollege Petzold, bitte. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Weil es leider immer wieder vorkommt, dass bei Manövern Straßen in erheblichem Umfang durch Panzer zerstört werden, möchte ich die Bundesregierung fragen, was getan wird, damit die geschädigten Baulastträger der Straßen die Schäden ersetzt bekommen. Vizepräsident Peter Hintze: Wer möchte für die Bundesregierung antworten? – Ich nehme nicht an, dass die Bundesbildungsministerin antwortet. (Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin: Ich kann aber auch etwas sagen!) – Dann bitte. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Es sind zum Teil auch Straßen, die uns betreffen. Wenn etwas in Mitleidenschaft gezogen worden ist, dann sind die Verhandlungen über die Regulierung von Schäden immer sehr schwierig. In Niedersachsen ging es um 20 Millionen Euro, über die es lange Diskussionen gab, und ich denke, die Einzelfälle muss man auf der Basis gesetzlicher Grundlagen verhandeln. Das weiß der Staatssekretär aber viel besser. Vizepräsident Peter Hintze: Das vermuten wir auch. Deswegen gebe ich jetzt Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Brauksiepe das Wort zur konkreten Beantwortung. Bitte schön, Herr Dr. Brauksiepe. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung: Herr Kollege, ich bin nicht grundsätzlich über jedes Manöver der Bundeswehr informiert, aber da Sie Ihre Frage ja als dringliche Frage gestellt hatten, die nicht zugelassen worden ist, und jetzt von der offensichtlich bestehenden Möglichkeit der Geschäftsordnung Gebrauch machen, (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur „offensichtlich“!) die nicht als dringliche Frage zugelassene Frage in diesem Rahmen zu stellen, war ich natürlich vorgewarnt und kann Ihnen sagen, dass die Regulierung entsprechender Schäden – Übungsschäden durch die Bundeswehr kennen wir seit Jahrzehnten – nach den Regelungen des Bundesleistungsgesetzes auf Antrag des Geschädigten erfolgt. Die aufgetretenen Schäden wurden in Wort und Bild dokumentiert. Diese Dokumentation wurde den zuständigen Gemeinden zur Verfügung gestellt, und auf dieser Grundlage können die Schäden gegenüber der Bundeswehr geltend gemacht werden. Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank. – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Meine Frage kann sicherlich Frau Ministerin Wanka am besten beantworten. Es geht um die unhaltbar prekäre Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses und um das Thema „Verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft an den Hochschulen“. Seit Monaten ist es so, dass die Bundesregierung einerseits nicht handelt und andererseits Zeitpläne immer wieder schiebt. Deshalb wüsste ich von Ihnen gerne den aktuellen Zeitplan für die überfällige Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Diese Legislaturperiode!) mit den Stationen Kabinett, Bundesrat, Bundestag und Inkrafttreten, und ich bitte auch um die Angabe des Jahres, damit wir wissen, ob wir über dieses Jahr oder vielleicht über 2017 sprechen. Wie sieht denn die Ministerin die Vorbehalte des Kollegen Rupprecht von der CSU – er ist immerhin Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung seiner Fraktion – gegen die Eckpunkte, die im Haus offensichtlich schon abgestimmt worden sind und zwischen den Koalitionsfraktionen in der Diskussion sind? Ich entnehme die Vorbehalte einem Bericht aus der Süddeutschen Zeitung vom Vortag. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sie sind schlecht informiert!) Deshalb frage ich Sie: Ändern die in der Unionsfraktion bestehenden inhaltlichen Vorbehalte etwas an Ihrer Zustimmung zu den Eckpunkten, und wann werden sie das Licht der Welt erblicken? Vizepräsident Peter Hintze: Frau Ministerin, bitte. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Gerne. – In dem Fall ist es so wie immer: Sie haben mit Ihrem Redebeitrag – dankenswerterweise haben Sie auf die Süddeutsche Zeitung verwiesen – deutlich gemacht, dass Sie – das nehme ich Ihnen gar nicht übel – die internen Zusammenhänge, was wie besprochen worden ist, nicht kennen und nicht kennen können. Demzufolge kann ich Ihre Behauptung einfach zurückweisen. Meine Grundhaltung zu dem, was wir mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz erreichen möchten, ist ganz klar: Wir wollen verhindern, dass – es sei denn, es besteht eine Notwendigkeit dafür – keine befristeten Verträge mit kurzer Laufzeit abgeschlossen werden, weil dadurch bei jungen Menschen große Unsicherheit auslöst wird. Wir möchten, dass Daueraufgaben dauerhaft finanziert werden. In diesem Punkt bin ich mit dem Geburtstagskind völlig einig. Wir reden darüber: Wie kann man das umsetzen? Das Gespräch zwischen den beiden Fraktionen ist aber nichts, was ich zu kommentieren hätte. Meine Grundhaltung dazu ist klar. Sie haben den Zeitplan angesprochen. Sobald es ein klares Signal gibt, dass es die Chance gibt, dass die Novelle im Bundestag verabschiedet werden kann, lege ich sie dem Kabinett vor. Damit sind dann auch die anderen Termine völlig klar; es sei denn, der Bundesrat sorgt für eine Verschiebung. (Albert Rupprecht [CDU/CSU], an den Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Du kannst mich gern direkt fragen! Frag mich! Ich weiß es!) Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Özcan Mutlu. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Nach der Inthronisation von Joseph Blatter in der Schweiz auf dem FIFA-Kongress wird gerade kunterbunt über die Vergaben der Fußballweltmeisterschaften der letzten 20 Jahre diskutiert. Unter anderem ist auch unser Sommermärchen im Gespräch. Außer meinem Erstaunen darüber, dass der DFB-Vertreter auf diesem FIFA-Kongress sehr schweigsam war, Ausdruck zu verleihen, möchte ich gerne Vertreter der Bundesregierung fragen, ob sie in der Zwischenzeit irgendwelche Erkenntnisse darüber haben, ob unser Sommermärchen sauber und nicht gekauft war und ob seitens der Bundesregierung zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass dabei Korruption oder Schieberei im Spiel waren. Vizepräsident Peter Hintze: Wer möchte für die Bundesregierung antworten? – Herr Parlamentarischer Staatssekretär Professor Krings. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Bei Ihrer Fragestellung, Herr Kollege, hat der Kollege Ströbele hinter Ihnen ganz traurig geguckt, weil er fast die gleiche Frage schriftlich eingereicht hat. Insofern werde ich Ihre Frage kurz beantworten und nachher etwas ausführlicher darauf eingehen, weil diejenigen, die ihre Frage schriftlich eingereicht haben, nicht benachteiligt werden sollen. Ich will aber schon an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es aktuell keine Hinweise auf Korruption gibt, wir aber natürlich sehr daran interessiert sind, über den Fortgang der Ermittlungen unterrichtet zu werden. Dazu gab es schon einen Kontakt zwischen unserem Herrn Bundesminister de Maizière und der amerikanischen Justizministerin, die, wie ich finde, das Verfahren – ich will nicht unbedingt sagen: mustergültig – sehr gut vorantreibt. An dieser Stelle können wir den amerikanischen Behörden dankbar sein, dass sie diese Ermittlungen führen. Dabei sind wir natürlich an Erkenntnisfortschritten interessiert. Mehr dazu gibt es gleich in der Antwort auf die schriftlich eingereichte mündliche Frage von Herrn Kollegen Ströbele. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. Ich denke, so können wir das machen. Ich beende die Befragung und rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/5061 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr. Günter Krings bereit. Die Frage 1 der Kollegin Jelpke wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. André Hahn von der Fraktion Die Linke auf: Zu welchen Ergebnissen kam die Bundesregierung seit ihrer Antwort auf meine mündliche Frage 30, Plenarprotokoll 18/96 vom 25. März 2015, bei ihrer Prüfung, ob und welcher Handlungsbedarf für eine stärkere Unterstützung der Doping-Opfer-Hilfe e. V., DOH, sowie die Notwendigkeit, Doping-opfer angemessen zu entschädigen, besteht, und inwieweit wurde dabei das Anfang April 2015 von der DOH vorgelegte „Konzept für einen einzurichtenden ‚Akutfonds des Sports‘ zur nachhaltigen Unterstützung der Doping-Opfer in Deutschland“ berücksichtigt? Herr Staatssekretär, bitte. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Doping-opfer-Hilfegesetz wurde aus humanitären und sozialen Gründen ein Fonds für Dopingopfer aus der ehemaligen DDR eingerichtet. Ebenso hat die Bundesregierung den überwiegenden Teil der finanziellen Hilfen des DOSB an Dopingopfer finanziert. Auch das ist also aus Steuermitteln erfolgt. Die Bundesregierung unterstützt gleichermaßen die Doping-Opfer-Hilfe e. V. finanziell. Die Prüfung der Bundesregierung, ob darüber hinaus Handlungsbedarf besteht – danach hatten Sie gefragt – ist noch nicht abgeschlossen. Vizepräsident Peter Hintze: Ich vermute, dass Sie eine Zusatzfrage haben, Herr Kollege. – Bitte schön. Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ganz genau, Herr Präsident. Denn die schriftlich eingereichte Frage wurde nicht vollständig beantwortet, was das Konzept für einen einzurichtenden Akutfonds des Sports zur nachhaltigen Unterstützung der Doping-opfer betrifft. Ich habe danach gefragt, inwieweit dieser Fonds bei der Bundesregierung Berücksichtigung findet. Sie haben selber auf die Diskussionen verwiesen, die es in der Vergangenheit schon gegeben hat. Die Entschädigungen reichen nicht aus. Meine Frage zielt auf Folgendes: Wir beraten gegenwärtig den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes im Parlament. Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass jetzt, 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, endlich eine angemessene und wirksame Entschädigung für die Dopingopfer herbeizuführen ist? Wann ist mit einer entsprechenden Entscheidung zu rechnen? Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe schon gesagt, dass es noch keine Entscheidung über weitere Maßnahmen gibt. Insofern kann ich auch nicht zu Details eines Akutfonds und Ähnlichem berichten. Ich glaube, dass es eine ernstzunehmende und wichtige Frage ist, die auch unabhängig von anderen Gesetzgebungsverfahren beantwortet werden muss. Es mag sein, dass die Beratung eines Anti-Doping-Gesetzentwurfs ein möglicher Zeitpunkt ist. Aber ich glaube, das muss man trennen. Das Doping, das wir jetzt bekämpfen, hat, wie ich finde, eine andere Qualität als das, was in der DDR im Zusammenhang mit Doping passiert ist – das muss ich Ihnen nicht erklären –, wo die Betroffenen gar nichts davon erfahren und erhebliche Gesundheitsschäden davongetragen haben. Aus diesem Grunde gab es bereits einen Fonds. Es wurden etwa 300 Anträge gestellt; 200 davon wurden positiv beschieden. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob Weiteres zu tun ist. Es dauert in der Tat – damit haben Sie recht – relativ lange, aber es geht in diesem Zusammenhang schließlich um Steuermittel, und es gibt, glaube ich, auch eine wichtige Mitverantwortung der Sportverbände. Ich will damit nicht sagen, dass der Staat nichts damit zu tun hat; denn auch in der DDR gab es sicherlich eine Gemengelage aus staatlichen und verbandlichen Aktivitäten in dieser Hinsicht. Aber dass sich, wie es bisher der Fall ist, die Sportverbände gar nicht in der Verantwortung sehen, gefällt sicherlich uns allen nicht. Vizepräsident Peter Hintze: Noch eine Frage, Herr Hahn? Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich würde gerne insofern hartnäckig bleiben, als ich nachfragen möchte, bis wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Die Betroffenen haben einen Anspruch darauf, zumindest das zu erfahren. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das dem Hohen Hause mitteilen könnten. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das Schicksal der Betroffenen ist schwerwiegend. Das wird in unserem Haus auch sehr wohl zur Kenntnis genommen, und es gibt Gespräche darüber. Ich kann Ihnen aber leider keinen Zeitplan nennen. Vizepräsident Peter Hintze: Danke schön. – Dann kommen wir zur Frage 3 des Kollegen Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Vorwürfe, die Bewerbung des Deutschen Fußball-Bundes e. V. um die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland sei direkt oder über Dritte mit der Gewährung geldwerter Leistungen (unter anderem Spiegel Online vom 4. Juni 2015; rbb-Inforadio vom 4. Juni 2015, 7.05 Uhr) im Zusammenhang mit dieser Vergabeentscheidung gefördert worden, und hat die Bundesregierung Erkenntnisse oder Hinweise, dass zwecks solcher Förderung geldwerte Vorteile un- oder mittelbar aus Bundessteuermitteln an Mitglieder des FIFA-Exekutivkomittees (FIFA: Fédération Internationale de Football Association), deren Herkunftsstaaten oder dortige natürliche bzw. juristische Personen gelangten? Ich bitte den Staatssekretär um Beantwortung der Frage. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Ströbele, jetzt komme ich zu Ihrer schriftlich eingereichten Frage und kann etwas ausführlicher dazu vortragen, als es mir auf die mündliche Frage von Herr Mutlu möglich war. Vielleicht liegt es auch daran, Herr Ströbele, dass ich Ihrer Fraktion gar keine Sportfrage zugetraut hätte. Bei unserer Fraktion wäre es jedenfalls so; uns würde man das Thema Sport auch nicht zutrauen. Vielleicht stehen wir im gleichen Ruf. Aber Ihre Sportfrage beantworte ich sehr gerne. Mit Blick auf die Autonomie des organisierten Spitzensports erfolgen Ausrichtungs- und Vergabeentscheidungen bezüglich Fußballweltmeisterschaften nach den Maßgaben und Anforderungen der FIFA, der Fédération Internationale de Football Association. Der Deutsche Fußball-Bund, DFB, hat, unterstützt durch die Bundesregierung, Länder und Kommunen, damals eine gute Bewerbung für die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland abgegeben und das FIFA-Exekutivkomitee überzeugt. Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlass, an einem ordentlichen Bewerbungsverfahren bezüglich der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2006 zu zweifeln. Bezüglich der vereinzelten Spekulationen – unter anderem weisen Sie auf Spiegel Online hin –, die Bewerbung des DFB um die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 sei direkt oder über Dritte mit der Gewährung geldwerter Leistungen im Zusammenhang mit der Vergabeentscheidung gefördert worden, liegen der Bundesregierung gegenwärtig keine Erkenntnisse vor, wie ich es eben auch schon gesagt habe. Gleiches gilt für die behaupteten un- oder mittelbar gewährten geldwerten Vorteile aus Bundessteuermitteln an Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, deren Herkunftsstaaten oder dortige natürliche bzw. juristische Personen. Der damals zuständige Bundesinnenminister Otto Schily – Ihr ehemaliger Parteifreund – hat sich am 5. Juni 2015 bereits klar zur Vergabe der FIFA-Weltmeisterschaft 2006 geäußert. Er hält es für ausgeschlossen, dass von den für die Bewerbung verantwortlichen DFB-Vertretern versucht worden sein soll, die Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees durch unlautere Mittel zu beeinflussen. Also: Schily hält das für ausgeschlossen. Mit Blick – und das habe ich gerade angedeutet – auf die laufenden US-Ermittlungen gegen die FIFA hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière zwischenzeitlich Kontakt zur US-Justizministerin aufgenommen. Diese hat mitgeteilt, dass es bislang keine Bezüge zu Deutschland geben würde. Vizepräsident Peter Hintze: Haben Sie trotz der beruhigenden Auskunft noch eine Nachfrage, Herr Abgeordneter Ströbele? (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schily hat uns nicht beruhigt!) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, damit wir noch mehr für die Wahrheitsfindung tun können, im Sinne des Ausspruchs des Präsidenten, den er ja von meinem Mandanten Fritz Teufel übernommen hat, – Vizepräsident Peter Hintze: Darf ich Sie kurz korrigieren: nicht direkt, Herr Ströbele. (Heiterkeit) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – habe ich eine erste Nachfrage: Hat die Bundesregierung eine Erklärung dafür, dass bei der Entscheidung des FIFA-Exekutivkomitees zwölf Stimmberechtigte für Deutschland gestimmt haben und dass von den zwölf, die nicht für Deutschland gestimmt haben, sondern – wenn ich das richtig in Erinnerung habe – für Südafrika, eine Person kurz vor der Abstimmung den Raum verlassen hat? Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, was der Grund dafür war, dass diese eine Person kurz vorher den Raum verlassen hat, sodass eine Mehrheit von zwölf zu elf Stimmen zustande gekommen ist? Vizepräsident Peter Hintze: Das ist ohne Frage eine spannende Frage. – Herr Staatssekretär. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe eben darauf hingewiesen, dass diese Entscheidungen nicht durch Regierungen, sondern durch den Verband getroffen werden. Wir haben keine Erkenntnisse, was diese Abstimmung anbelangt. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass es allein durch die Tatsache, dass eine Abstimmung knapp ist, nicht heißen muss, sie sei manipuliert. Vizepräsident Peter Hintze: Herr Abgeordneter Ströbele, noch eine Zusatzfrage? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, da habe ich noch eine ganz konkrete Frage, deren Antwort den Präsidenten sicher mindestens so interessiert wie mich: Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte oder Erkenntnisse dafür, oder kann sie es gar ausschließen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen den Millionen, die auf den Konten des ehemaligen Fußballnationalspielers Uli Hoeneß gefunden worden sind, und der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006? Vizepräsident Peter Hintze: Herr Staatssekretär. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das kann ich ganz kurz machen: Dazu haben wir keine Kenntnisse, und ich finde, diese Zusatzfrage zeigt ein bisschen, dass sich hier einige sehr in Spekulationen ergehen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsicht!) Ich finde, bevor wir nicht einige halbwegs belastbare Erkenntnisse haben, sollten wir nicht voreilig die schöne Erinnerung an diese Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 in Deutschland beschädigen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darauf werden wir noch einmal zurückkommen!) Vizepräsident Peter Hintze: Wir kommen damit zur Frage 4 des Abgeordneten Ströbele: Welche Hilfen leistet Deutschland beim Aufbau, bei der Ausstattung und Ausbildung ägyptischer Sicherheitsbehörden – etwa durch Hospitationen von NSS-Kräften bei der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt wie beim DFB-Pokalfinale am 30. Mai 2015 oder bei der Pressekonferenz vom 2. Juni 2015 mit Präsident el-Sisi in Berlin – seit 2012 und künftig, insbesondere zugunsten von Kräften des Geheimdienstes GID sowie der politischen Polizei NSS, bei deren Einsätzen im Februar 2012 bzw. 2015 in Port Said und Kairo zahlreiche Fußballfans getötet wurden (vergleiche junge Welt vom 27. Mai 2015, www.jungewelt.de/2015/05-27/010.php), und welche Angaben macht die Bundesregierung über ihre zwischenzeitlichen Erkenntnisse, wie Ägypten G36-Gewehre aus Deutschland abredewidrig nach Libyen weiterleitete (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 59 auf Bundestagsdrucksache 17/7312)? Herr Staatssekretär, bitte. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren, Ägypten ist für Deutschland aufgrund seiner geostrategischen Lage und seiner Größe nach wie vor ein wichtiger Partner in der Region und nimmt auch nach wie vor eine maßgebliche Rolle im Nahostfriedensprozess ein. Aus fachlicher Sicht ist die Zusammenarbeit im Polizeibereich – insbesondere bei der Terrorismusbekämpfung – daher von großer Bedeutung. Die seit 2012 wegen der innenpolitischen Entwicklungen ausgesetzte Zusammenarbeit im Bereich der polizeilichen und der grenzpolizeilichen Aufbauhilfe wurde im Jahr 2015 wieder aufgenommen. Zu konkreten Maßnahmen von Bundeskriminalamt und Bundespolizei wird auf die Beantwortung der regelmäßig quartalsweise gestellten Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke zu Polizei- und Zolleinsätzen im Ausland verwiesen. Darüber hinaus liegen Informationen aus dem nachrichtendienstlichen Bereich vor, welche VS-Vertraulich eingestuft sind. Herr Ströbele, Sie kennen das Verfahren. Diese können nicht offen im Plenum des Bundestages vorgetragen werden. Sie sind jedoch in der Geheimschutzstelle des Bundestages unter Bezugnahme auf diese mündliche Frage hinterlegt worden und können dort natürlich von Ihnen eingesehen werden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. – Darüber, dass wir keine Sportkompetenz haben, müssen wir noch einmal bei einem Bierchen reden. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe nur Herrn Ströbele und mich gemeint. Vizepräsidentin Claudia Roth: Also: Herr Ströbele, haben Sie eine Rückfrage? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage sehr unvollständig beantwortet. Ich habe auch danach gefragt, ob Hospitanten der Sicherheitskräfte von el-Sisi aus Ägypten in Deutschland anwesend gewesen sind, unter anderem am 30. Mai 2015 bei dem Pokalendspiel, und ob solche Hospitanten möglicherweise bei der Pressekonferenz mit Herrn el-Sisi und der Bundeskanzlerin am 2. Juni 2015 als Jubeljournalisten im Saal anwesend gewesen sind. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann Ihnen das ad hoc nicht beantworten. Das mag daran liegen, dass auch dieser Teil in der Geheimschutzstelle liegt. Wenn dem nicht so sein sollte und wir das offen beantworten können, können wir das auf informellem Weg nachreichen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist sehr traurig, dass wir das hier noch nicht erfahren können. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe das zurzeit noch nicht präsent. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir lesen nach. Vizepräsidentin Claudia Roth: Eine zweite Zusatzfrage. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine zweite Zusatzfrage lautet: Hat die Bundesregierung im Namen Deutschlands ein Sicherheitsabkommen mit Ägypten, dem ägyptischen Präsidenten bzw. der ägyptischen Regierung abgeschlossen, und, wenn ja, hat die Bundesregierung keine Bedenken angesichts der Menschenrechtslage in Ägypten und insbesondere angesichts der Haltung von el-Sisi zu dieser Menschenrechtslage, ein solches Abkommen abzuschließen, mit dem die Streitkräfte und die Sicherheitskräfte in Ägypten ertüchtigt werden? Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zu dem Abkommen selbst kann ich ad hoc nichts sagen. Aber Ihre Frage ist durchaus berechtigt: Wie sieht die Menschenrechtssituation aus, und welche Auswirkungen hat diese Situation auf die Zusammenarbeit? Wir sind der Auffassung, dass wir natürlich darauf achten müssen, in welcher Form und an welcher Stelle wir zusammenarbeiten. Es mag jedenfalls einige Bereiche geben, in denen eine Zusammenarbeit gerade dann sinnvoll ist, wenn es darum geht – Sie haben das Thema Fußball auch in diesem Fragenkomplex angesprochen –, Einsätze verhältnismäßig und menschenrechtskonform durchzuführen und über Mittel zu verfügen, die es ermöglichen, Unruhen oder schwierige Situationen in oder in der Nähe von Stadien anders als durch bloße Gewalt in den Griff zu bekommen. Da können wir Hilfestellung leisten. Unsere Auffassung ist, dass es – auch im Interesse der Menschen – besser ist, die Behörden nicht alleinezulassen und dafür zu sorgen, dass sie entsprechende Hinweise aufnehmen, wenn es um die Verhältnismäßigkeit des Handelns geht. Ich glaube, wir können durch eine punktuelle Zusammenarbeit eher etwas Positives für die Menschenrechtssituation leisten, als wenn wir uns dem ganz verweigern würden. Das ist sicherlich eine Bewertungsfrage, wie ich zugebe. Aber wir sehen das so, wie ich es Ihnen gerade dargelegt habe. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. – Ich sehe, dass es zu diesem Punkt keine weiteren Zusatzfragen gibt. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Frage 5 des Kollegen Volker Beck wurde zurückgezogen, weil wir uns an anderer Stelle mit diesem Thema ausführlich befassen werden. Es geht um die Ehe für alle. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Meister. Wir kommen zur Frage 6 der Kollegin Lisa Paus: Aus welchen Gründen ist es in dem Referentenentwurf vorgesehen, das neue Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, ErbStG-E, an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst mit Verkündung in Kraft treten zu lassen und nicht rückwirkend zum Tag des Urteils des Bundesverfassungsgerichts? Bitte, Herr Staatssrekretär. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Paus, das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Dezember vergangenen Jahres ausdrücklich entschieden, dass das geltende Recht bis zu seiner Neuregelung weiter anwendbar ist. Dies betrifft die vom Gericht als unvereinbar mit der Verfassung erkannten Vorschriften § 13 a und § 13 b in Verbindung mit § 19 Absatz 1 Erbschaftsteuergesetz. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltung der §§ 13 a und 13 b Erbschaftsteuergesetz die Anerkennung versagt. Fälle einer exzessiven Ausnutzung sind uns als Bundesregierung bisher nicht bekannt geworden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Paus. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben bereits darauf hingewiesen, Herr Meister, dass im Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich die Rückwirkung bis auf den Urteilstag zulässig ist. Deswegen frage ich Sie, warum Sie eine solche Rückwirkung in Ihrem Referentenentwurf bisher nicht vorsehen. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz auslöst. Es hat allerdings auch nicht aufgefordert, auf einen speziellen Zeitpunkt für eine Neuregelung zu setzen. Es hat lediglich eine maximale Frist angegeben, nämlich den 30. Juni 2016; bis zu dem Tag muss eine die verfassungswidrigen Normen ersetzende Regelung spätestens geschaffen sein. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Paus, eine zweite Rückfrage? Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann frage ich noch einmal: Warum macht die Bundesregierung nicht von der explizit im Urteil formulierten Möglichkeit einer Rückwirkung des Gesetzes Gebrauch? Denn die Formulierung zeigt, dass diese eigentlich gewünscht wird. Das Zweite ist: Sie haben jetzt gesagt, Ihnen seien keine exzessiven Nutzungen der weiter andauernden, sehr großzügigen Regelungen bekannt. Könnten Sie vielleicht genauer sagen, was „exzessiv“ in Ihren Augen bedeutet? Wie schätzen Sie ein, welche Vorzugseffekte es bisher gegeben hat und wahrscheinlich bis zum 30. Juni geben wird, im Verhältnis zu dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf? Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zunächst einmal ist der Steuervollzug jeweils auf Landesebene angesiedelt. Das heißt, das Erklären der Erbschaftsteuer erfolgt direkt bei der jeweils zuständigen Länderfinanzverwaltung. Aus den Rückmeldungen, die uns die Länderfinanzverwaltungen bisher gegeben haben, können wir nicht erkennen, dass besondere Aktivitäten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer stattfinden. Das kann eigentlich nur bezogen auf die Schenkungsfälle der Fall sein. Wir haben eher festgestellt, dass nach dem Urteilsspruch vom Dezember vergangenen Jahres eine Beruhigung eingetreten ist. Wir hatten mehr Aktivitäten an dieser Stelle vor der Verkündung des Urteils durch das Bundesverfassungsgericht. Für die Bundesregierung hat die Frage der Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen eine sehr hohe Bedeutung. Deshalb ist diese gegenüber der Frage abzuwägen, ob eine außergewöhnliche Gestaltung gerade bezogen auf die Paragrafen, die für verfassungswidrig erkannt wurden, stattfindet. Wir können, wie gesagt, bisher diese exzessiven Gestaltungen nicht erkennen und haben deshalb der Frage der Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen eine entsprechende Priorität eingeräumt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. Wir kommen zur Frage 7 der Kollegin Lisa Paus: Wie wird das Mehraufkommen von jährlich 200 Millionen Euro begründet, und welcher Anteil des jährlichen Mehraufkommens entfällt jeweils auf die einzelnen Änderungen (Änderungen bei der Freigrenze und beim Verwaltungsvermögen, Einführung eines Wahlrechts nach § 13 c ErbStG-E)? Herr Dr. Meister, bitte. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Kollegin Paus, das im Referentenentwurf für die Erbschaftsteuerreform ausgewiesene Mehraufkommen wurde unter Verwendung eines Mikrosimulationsmodells der Erbschaftsteuer auf der Grundlage der amtlichen Erbschaftsteuerstatistik geschätzt. Das Mehraufkommen teilt sich wie folgt auf die einzelnen Maßnahmen auf: Zum Ersten haben wir die Abschmelzregelung im Bereich von 20 Millionen Euro steuerbegünstigter Unternehmenswert bis zu 110 Millionen Euro steuerbegünstigter Unternehmenswert einschließlich des Wahlrechts für eine individuelle Bedürfnisprüfung. Da haben wir in der vollen Jahreswirkung 105 Millionen Euro Mehraufkommen. Zum Zweiten haben wir den Verschonungsabschlag für Vermögen größer als 110 Millionen Euro, wo lediglich Abschläge von 25 Prozent des begünstigten Vermögens bzw. 40 Prozent des begünstigten Vermögens vorgesehen sind, je nachdem, ob man die Regelverschonung oder die Optionsverschonung wählt. Dort gehen wir von einem Mehraufkommen von 75 Millionen Euro in der vollen Jahreswirkung aus. Zum Dritten haben wir die Änderung der Lohnsummenregelung für Kleinstunternehmen, also die Unternehmen, die zwischen 4 und 20 Mitarbeiter haben. Dort gehen wir von einem Mehraufkommen von 5 Millionen Euro in der vollen Jahreswirkung aus. Zum Vierten müssen wir mit Bezug auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Gestaltungsmöglichkeiten und der Tatsache, dass keine 50 Prozent Verwaltungsvermögen mehr bei der Regelverschonung anerkannt werden können, das Thema der begünstigten Vermögen neu fassen. An dieser Stelle erwarten wir Mehreinnahmen in der vollen Jahreswirkung in Höhe von 15 Millionen Euro. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Paus, wollen Sie eine Rückfrage stellen? – Es sieht so aus. Gut. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie hatten jüngst auf meine Kleine Anfrage zur Erbschaftsteuer geantwortet – diese Antwort bezog sich noch auf die Eckpunkte, nicht auf den Referentenentwurf –, dass, wenn die Eckpunkte gelten – damals war noch nicht von einer zusätzlichen Verschonungsregel die Rede, sondern nur von der Freigrenze von 20 Millionen Euro für Betriebsvermögen, unterhalb der man steuerfrei bleibt und oberhalb der eine Bedürfnisprüfung stattfindet –, nicht „nur“ 98 Prozent, sondern nach einigen Jahren über 99 Prozent der Erbfälle nach wie vor steuerfrei bleiben. Mittlerweile haben Sie weitere Begünstigungen eingeführt. Können Sie mir heute erklären, warum eine Verschonung von 99,3 Prozent – durch die von Ihnen jetzt eingeführte zusätzliche Vergünstigung liegt die Verschonung wahrscheinlich bei 99,9 Prozent – nicht verfassungswidrig sein soll, wenn eine Verschonung von 100 Prozent aus Sicht des Verfassungsgerichts verfassungswidrig ist? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Dr. Meister. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich glaube, das Bundesverfassungsgericht hat nicht den Verschonungsgrad von 100 Prozent, den der Gesetzgeber für die Optionsregelung vorgesehen hat, kritisiert – dazu ist im Urteil ausdrücklich nichts gesagt worden –; vielmehr hat es deutlich gemacht, dass bezogen auf Artikel 3 Grundgesetz Folgendes gilt: Wenn ein Unternehmen in dem Teil, der verschonungswürdig ist, wächst, dann wird auch die Summe an reduzierter Steuer mit zunehmendem Unternehmenswert größer. Daraus hat das Bundesverfassungsgericht geschlussfolgert, dass mit zunehmender Größe eines Unternehmens eine besondere Rechtfertigung gegeben sein muss. Es reichen also nicht allein die Rechtfertigungsgründe, die der Gesetzgeber vorher geschaffen hat – Erhalt von Familienunternehmen, Unternehmensweiterführung, Erhalt der Arbeitsplätze –; vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht auch deutlich gemacht, dass ab einer gewissen Größe das Volumen der steuerlichen Verschonung so stark wird, dass eine zusätzliche Begründung des Gesetzgebers notwendig wird. Wir haben in unseren Eckpunkten eine individuelle Bedürfnisprüfung ab einer Grenze von 20 Millionen Euro begünstigtem unternehmerischen Vermögen vorgesehen. Wir haben das Ganze jetzt modifiziert; wir haben es mit einem Wahlrecht versehen. Jetzt kann entweder eine individuelle Bedürfnisprüfung stattfinden, oder der Verschonungsgrad kann abgeschmolzen werden. Wir gehen davon aus, dass wir mit dieser Neufassung eine verfassungsfeste Lösung vorschlagen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön. – Frau Paus, Sie haben das Wort zu einer zweiten Zusatzfrage. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der bisher geltenden, aber inzwischen für verfassungswidrig erklärten Regelung ist es nach Ihren eigenen Statistiken ja so, dass die Erbschaftsteuer bisher von der Mittelschicht gezahlt wird. Der entsprechende Steuersatz liegt zwischen 10 und 15 Prozent. Wegen der großzügigen Verschonungsregelung für das Betriebsvermögen der besonders Wohlhabenden in diesem Lande gilt für sie ein Erbschaftsteuersatz von effektiv zwischen 1,8 und 2,3 Prozent. Im Urteil des Verfassungsgerichts wurde explizit darauf abgestellt, dass es darum geht, zwischen dem -Gemeinwohlanteil des Unternehmens und der Bedürfnisprüfung des Unternehmers zu trennen. Das Bundesverfassungsgericht hat also eindeutig klargestellt, dass man nicht den Unternehmer schützen will, sondern das Unternehmen. Vor diesem Hintergrund haben Sie selber in Ihren Eckpunkten explizit und sehr klar formuliert, dass es eine individuelle Bedürfnisprüfung geben muss, die an adäquater Stelle ansetzt. Können Sie mir begründen, wie der Referentenentwurf dieser Anforderung des Verfassungsgerichtes in Bezug auf die Bedürfnisprüfung und die Leistungsfähigkeit des einzelnen Erben jetzt noch Rechnung trägt? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Dr. Meister, bitte. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Zunächst einmal: In unserem jetzigen Erbschaftsrecht gibt es keine Begünstigung von Wohlhabenden gegenüber weniger Wohlhabenden. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Jahre 2008 mit Gültigkeit ab 2009 entschieden, dass er unternehmerisches Vermögen in besonderer Weise im Hinblick auf Bestand und Erhalt der Arbeitsplätze begünstigen will. Das hat nichts mit der Frage zu tun, wie wohlhabend der jeweilige Erbe oder Erblasser ist. Wir haben in unseren Eckpunkten eine mögliche Lösung für die Probleme rund um das Thema „größere Unternehmensvermögen“ vorgeschlagen; das ist die von Ihnen angesprochene individuelle Bedürfnisprüfung. Die individuelle Bedürfnisprüfung in unveränderter Form ist nach wie vor Gegenstand des Referentenentwurfs. Wir haben allerdings eine Wahloption, also ein Wahlrecht, eingebaut. Dieses Wahlrecht ist im Gegensatz zur -Bedürfnisprüfung mit einer Reduzierung des Verschonungsgrads verbunden. Das heißt, wenn man diese -Option wählt, wird man von der Zahlung der Erbschaftsteuerschuld weniger verschont, als wenn man sich auf die Bedürfnisprüfung einlässt. Ich glaube, das ist dem Erben gegenüber ein faires Angebot. Er kann entscheiden, ob er eine umfangreiche Darlegung seiner privaten Vermögensverhältnisse leisten will oder ob er lieber auf einen Teil der Verschonung verzichtet und einen geringeren Erlass der Erbschaftsteuerschuld in Kauf nimmt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön, Dr. Meister. – Ich sehe dazu keine weiteren Fragen. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Frage 8 der Kollegin Bärbel Höhn und die Fragen 9 und 10 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann sind zur schriftlichen Beantwortung angemeldet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums. Die Frage 11 der Kollegin Ulla Jelpke wird auch schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Fragen 12 und 13 der Kollegin Beate Walter-Rosenheimer und die Frage 14 der Kollegin Dr. Franziska Brantner werden schriftlich beantwortet. Jetzt geht es wieder live. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Für die Beantwortung der Fragen steht Frau Fischbach zur Verfügung. Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Kathrin Vogler auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, die über das Bundesministerium für Gesundheit, BMG, im Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Organtransplantation, DSO, vertreten und somit für die Überwachung der Arbeit des DSO-Vorstands zuständig ist, über die Zahl der Mitarbeiter, die die DSO in den vergangenen fünf Jahren verlassen haben, und könnte ein häufiges Ausscheiden von Mitarbeitern der DSO nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Arbeitsklima in der DSO in Verbindung stehen? Frau Fischbach, bitte. Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Präsidentin, herzlichen Dank. – Liebe Frau Kollegin Vogler, ich beantworte Ihre Frage gern, und zwar wie folgt: In den vergangenen fünf Jahren, also von 2010 bis einschließlich 2014, haben nach Auskunft der Deutschen Stiftung Organtransplantation insgesamt 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die DSO verlassen. Über das Arbeitsklima in der DSO liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Vogler, haben Sie eine Rückfrage? – Ja. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Der Hintergrund ist Ihnen wahrscheinlich bekannt. Vor nahezu vier Jahren, also Ende 2011, berichtete die Süddeutsche Zeitung von anonymen Briefen aus der Mitarbeiterschaft der Deutschen Stiftung Organtransplantation und titelte: „Man kam sich vor wie bei Scientology“. – Es wurde über ein mieses Arbeitsklima, über Mobbing und über schlechte Behandlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geklagt. In den letzten Jahren ist einiges passiert. Wir haben natürlich ein Interesse daran, zu erfahren, wie sich das entwickelt hat. Könnten Sie uns bitte die Zahl 88 nach Jahren aufgliedern, das vielleicht auch schriftlich nachliefern? Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Das kann ich gern machen. Ich bin im Moment überfragt, weil das nicht angefragt war. Das kann ich nachliefern. Wir werden die DSO bitten, uns die Zahlen zu liefern. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Fischbach. – Haben Sie dazu noch eine Rückfrage? – Nein. Dann kommen wir zur nächsten Frage von Frau Vogler. Das ist die Frage 16: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, die über das BMG im Stiftungsrat der DSO vertreten und somit für die Überwachung der Arbeit des DSO-Vorstands zuständig ist, über den Geldbetrag, den die Stiftung in den vergangenen fünf Jahren für die rechtliche Beratung – Anwaltskosten – im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit DSO-Mitarbeitern aufgewandt hat, und wie hoch war nach Erkenntnissen der Bundesregierung die Höhe der Abfindungen? Frau Fischbach, bitte. Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Vogler, auch hierauf antworte ich Ihnen gern. In den vergangenen fünf Jahren – das sind wieder die Jahre 2010 bis einschließlich 2014 – beliefen sich die Kosten für die rechtliche Beratung im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen auf eine Summe von 35 425,82 Euro. Davon wurden 19 792,56 Euro von der Rechtsschutzversicherung der DSO übernommen, sodass von der DSO letztlich 15 633,26 Euro zu verausgaben waren. Im Zeitraum von 2010 bis einschließlich 2014 wurden Abfindungen an sieben Mitarbeiter gezahlt: 2011/12 sechs Fälle, 2014 ein Fall. Die Gesamtsumme der Abfindungen betrug 58 870 Euro. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – An dieser Stelle würde ich gern nachfragen, welche Maßnahmen der Vertreter und die Vertreterin der Bundesregierung im Stiftungsrat eigentlich angeregt oder veranlasst haben, um die Abwanderung von qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung zu verhindern. Die Stiftung ist privatrechtlich organisiert. Trotzdem ist die Bundesregierung im Stiftungsrat vertreten. Die Stiftung nimmt wichtige öffentliche Aufgaben wahr und verwendet dafür Gelder aus der gesetzlichen Krankenversicherung, in die alle Menschen einzahlen. Deswegen denke ich, dass es im Interesse der Öffentlichkeit liegt, zu erfahren, was die Bundesregierung an dieser Stelle unternommen hat, um das Arbeitsklima in der DSO zu verbessern, die Abwanderung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verhindern und damit auch einen Beitrag gegen die niedrigen Organspendezahlen zu leisten. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Fischbach. Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Es liegt nicht im Ermessen und in der Verantwortung der Bundesregierung, in einzelnen Organisationen das Arbeitsklima zu beobachten und aufzulisten, an welchen Stellen es hapert, um dann Verbesserungen anzustreben. Es geht darum, dass man mit den Verantwortlichen spricht, wenn entsprechende Fälle vorliegen. Ich hatte Ihnen vorhin schon mitgeteilt, dass uns Informationen zum Betriebs- und Arbeitsklima nicht vorliegen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Haben Sie eine Rückfrage? Kathrin Vogler (DIE LINKE): An dieser Stelle würde mich interessieren, ob sich in den vergangenen fünf Jahren jemals Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DSO unmittelbar an die Bundesregierung gewandt haben, um sie auf Missstände in der Organisation aufmerksam zu machen? Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich frage gerne nach und liefere die Antwort nach. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Vielen Dank!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Fischbach und Frau Vogler. – Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Beantwortung wird Dorothee Bär vornehmen. Ich rufe zunächst die Frage 17 des Kollegen Herbert Behrens auf: Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Pkw-Maut stufenweise, das heißt zunächst nur auf Autobahnen mit hohem Transitverkehrsaufkommen, einzuführen, umzusetzen, und würde bei der Umsetzung dieses Vorschlags die Bestimmung des § 6 Absatz 1 des Infrastrukturabgabengesetzes, welche besagt, dass für in der „Bundesrepublik Deutschland zugelassene Kraftfahrzeuge … die Infrastrukturabgabe jeweils für ein Jahr zu entrichten“ ist, gestrichen werden müssen und hiesigen Kfz-Halterinnen und -Haltern die gleichen Möglichkeiten der Entrichtung der Pkw-Maut wie Halterinnen und Haltern von nicht in Deutschland zugelassenen Kfz eingeräumt werden – das heißt auch der Erwerb von Kurzzeitvignetten –, weil sich der mautpflichtige Teil des Streckennetzes zunächst stark verkleinerte (bitte begründen)? Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Behrens, ich darf die Fragen 17 und 18 wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten? Vizepräsidentin Claudia Roth: Dann rufe ich auch die Frage 18 des Kollegen Behrens auf: Welchen Einfluss hätte die Umsetzung des Vorschlags der Europäischen Kommission nach Auffassung der Bundesregierung auf die Höhe der Nettoeinnahmen aus der Pkw-Maut – Summe der Einnahmen aus dem Verkauf von Vignetten an Halterinnen und Halter nicht in Deutschland zugelassener Kfz abzüglich der Betriebskosten des Pkw-Mautsystems –, und welche Anpassungen müssten in diesem Falle bei der Kompensation der Mautkosten für hiesige Kfz-Halterinnen und Halter über die Kfz-Steuer vorgenommen werden, um zu verhindern, dass mehr Geld für diese Kompensationsmaßnahme aufgewendet werden muss, als durch Mauteinnahmen von Halterinnen und Haltern von in Deutschland zugelassenen Kfz generiert wird? Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Die Antwort lautet, dass der Bundesregierung kein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission vorliegt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Behrens, haben Sie eine oder zwei Rückfragen? Herbert Behrens (DIE LINKE): Daraus entnehme ich, Frau Staatssekretärin, dass Sie die Pressemitteilungen zu den Äußerungen aus der EU-Kommission – namentlich die des Kommissionspräsidenten Juncker – gelesen haben. Dieser äußert nach wie vor Zweifel hinsichtlich der Europarechtskonformität des vorliegenden Gesetzentwurfes. Sind das also für Sie nur Informationen, die irgendwie an die Presse gelangt sind, aber keinen weiteren Hintergrund haben? Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Die Bundesregierung kann sich nur mit Fragen und Vorschlägen beschäftigen, die auch tatsächlich bei ihr ankommen. – Um vielleicht einmal den ehemaligen Kanzlerkandidaten der SPD zu zitieren: „Hätte, hätte, Fahrradkette.“ – Das ist eben auch schwierig in dem Zusammenhang. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Behrens, da Frau Bär Ihre beiden Fragen zusammen beantwortet hat, haben Sie nicht nur zwei, sondern vier Rückfragen. Das heißt, es wäre jetzt die Nummer zwei an der Reihe. Herbert Behrens (DIE LINKE): Ob das hilft, weiß ich nicht. Ich will es aber einmal versuchen. – Es geht auch darum, dass die EU-Kommission angekündigt hat, sich am kommenden Mittwoch mit der Frage „Europarechtskonformität der Pkw-Maut“ auseinanderzusetzen. Verfügen Sie über weitere Kenntnisse des bisherigen Prozesses sowie bezüglich der in der nächsten Woche ablaufenden Dinge, die Sie möglicherweise schon jetzt in den Stand setzen, das, was die EU-Kommission als Gründe für ein Vertragsverletzungsverfahren vorträgt, in Ihre weiteren Planungen bzw. Ihre Entgegnung aufzunehmen? Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Bär. Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Ich kann es noch einmal wiederholen: Wir werden uns zu gegebener Zeit mit Fakten auseinandersetzen, aber nicht mit Spekulationen und Mutmaßungen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Behrens. Herbert Behrens (DIE LINKE): Konkret zu dem aus der Kommission geäußerten alternativen Vorschlag – er hat Sie offenkundig, da er nur in der Zeitung stand, auch nicht erreicht –, möglicherweise zunächst auf die Einführung der Ausländermaut auf allen Straßen zu verzichten und Transitstrecken he-rauszunehmen: Ist das eine Information, die an Sie he-rangetragen worden ist? Wenn ja, haben Sie sich mit möglichen Folgen dieser Alternative beschäftigt? Hat man das durchgerechnet? Oder hat man Schwierigkeiten bezüglich des bisherigen Gesetzes in Bezug darauf festgestellt, dass das möglicherweise nicht kompatibel ist? Gibt es so etwas wie einen Plan B? Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Bär. Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Ich kann es noch einmal wiederholen: Der Bundesregierung liegt kein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission vor. Gerne kann ich Ihnen noch einmal den Stand der Dinge zitieren: Bundespräsident Gauck hat das Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe unterzeichnet. Das hat das Bundespräsidialamt am 8. Juni 2015 mitgeteilt, damit das Gesetz in Kraft treten kann. Die Verkündung des Gesetzes im Bundesanzeiger ist für den 11. Juni vorgesehen. Ich kann auch gerne noch einmal die Punkte des Gesetzgebungsverfahrens auflisten: Der Bundestag hat darüber abgestimmt, der Bundesrat hat darüber abgestimmt, der Bundespräsident hat es unterschrieben. – Das sind die Fakten, die auf dem Tisch liegen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Behrens, wenn Sie wollen, können Sie noch eine Zusatzfrage stellen. Herbert Behrens (DIE LINKE): Ich habe eine letzte Frage, ein bisschen auf die Wochen vor der Beschlussfassung durch den Bundestag ausgeweitet. Es gibt widersprüchliche Aussagen. Das betrifft zumindest die, die aus der Presse zu erfahren waren. Danach hat auf der einen Seite EU-Kommissarin Bulc erklärt, sie würde sich während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens nicht dazu äußern. Auf der anderen Seite gibt es auf die Frage, ob jemand die Europarechtskonformität mit der EU-Kommission beraten hat, die Aussage von Herrn Dobrindt, man sei im ständigen Austausch. Welche Aussage ist denn nun richtig? Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Ich kann selbstverständlich bestätigen, dass unser Haus in ständigem Austausch steht. Zu anderen Äußerungen kann ich hier keine Aussage machen. (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aber es kommt nichts an!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. – Da es keine weiteren Rückfragen gibt, kommen wir jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Antworten wird Frau Rita Schwarzelühr-Sutter. Herzlich willkommen! Die Fragen 19 und 20 der Kollegin Kunert werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zur Frage 21 des Kollegen Uwe Kekeritz: Mit welcher Strategie bemüht sich die Bundesregierung die nach Angaben des Weltbankpräsidenten Jim Yong Kim nach wie vor bestehende Lücke von 70 Milliarden US-Dollar zu den auf dem Klimagipfel 2010 in Kopenhagen zugesagten 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu schließen (vergleiche Frankfurter Rundschau vom 3. Juni 2015, Seite 8), und wie wird sich die Bundesregierung zur Nichtanrechenbarkeit dieser Klimagelder auf die ODA-Mittel – ODA: öffentliche Entwicklungshilfe – auf der dritten Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung der Vereinten Nationen in Addis Abeba zur Entwicklungsfinanzierung positionieren? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Kekeritz, im Jahr 2009 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf dem Klimagipfel in Kopenhagen darauf geeinigt, dass die Industrieländer insgesamt ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern mobilisieren. Die Bundesregierung steht zu dieser Zusage und hat als einer der größten Geber für internationalen Klimaschutz ihr finanzielles Engagement in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Die Bundeskanzlerin hat auf dem Petersberger Klimadialog im Mai 2015 erklärt, dass Deutschland eine Verdoppelung seiner Finanzmittel für den internationalen Klimaschutz bis 2020 bezogen auf das Jahr 2014 anstrebt. Wirksamer Klimaschutz ist Schlüsselelement nachhaltiger Entwicklung. Die Finanzierung von Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung und Armutsbekämpfung sowie von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern wird von der Bundesregierung daher in einem integrierten Ansatz verfolgt. Die Finanzierung entspricht den Development-Assistance-Committee-Kriterien für öffentliche Entwicklungsleistungen und wird daher als Official Development Assistance, ODA, gemeldet. Die Bundesregierung setzt sich in Addis Abeba dafür ein, dass alle ODA-fähigen Leistungen auch in Zukunft auf das 0,7-Prozent-Ziel angerechnet werden. Natürlich wirbt auch die Bundesregierung bei anderen Industrieländern für einen klaren Fahrplan zur Schließung der bestehenden Lücke zur Mobilisierung der in Kopenhagen zugesagten 100 Milliarden US-Dollar. Auf dem G-7-Gipfel in Schloss Elmau konnte auch ein klares Bekenntnis der G-7-Staaten zur Erfüllung der Kopenhagen-Zusage und zu konkreten Umsetzungsmaßnahmen erreicht werden. Auch die multilateralen Banken sollen dafür in die Pflicht genommen werden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kekeritz, haben Sie eine Rückfrage? Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön für die Antwort. – Sie verstehen, dass ich die Antwort aber nicht als ausreichend ansehe. Die Frage war schließlich, wie versucht wird, die 70 Milliarden US-Dollar an Differenz hereinzuholen. Sie sagen, dass sich die Klimabeiträge der Bundesregierung verdoppeln. Ich hätte gern konkrete Zahlen dazu gehört. Wenn ich die 100 Milliarden US-Dollar auf den Anteil Deutschlands umrechne, dann kommen da ungefähr 8 Milliarden US-Dollar heraus. Diese 8 Milliarden US-Dollar sehe ich im Budget überhaupt nicht. Ich sehe vor allen Dingen auch überhaupt keinen Fahrplan, der zu diesen 8 Milliarden US-Dollar führen wird. Wie werden Sie es anstellen, auf diese 8 Milliarden US-Dollar zu kommen? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Die Verdoppelung der Klimafinanzierung soll auf Basis des Eckwertebeschlusses für den Haushalt 2016 und der Finanzplanung 2016 bis 2019 erfolgen. Im Eckwertebeschluss ist vorgesehen, dass der Bund im Zeitraum 2016 bis 2019 seine Ausgaben für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit, die sogenannten ODA-Mittel, auf rund 8,34 Milliarden Euro mit den Schwerpunkten Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und internationale Klimaschutzfinanzierung erhöht. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kekeritz, haben Sie eine zweite Rückfrage? Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. – Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie die Beiträge zum Klimaschutz letztendlich mit den bisher getätigten ODA-Mitteln verrechnen werden, also dass man hier nicht mehr zwischen Entwicklungsfinanzierung und Klimafinanzierung unterscheiden kann, sondern dass das im Prinzip ein Bereich wird? Sie sprechen von 8 Milliarden Euro. Wir haben im ODA-Bereich jetzt jährliche Ausgaben von ungefähr 10 bis 11 Milliarden Euro. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wir haben die ODA-Mittel um 8,34 Milliarden Euro erhöht. – Nun zu Ihrer Frage zu den Klima- und Entwicklungsmaßnahmen: Wir sehen das, wie gesagt, als integrierten Ansatz. Denn wenn Sie Projekte im Bereich des internationalen Klimaschutzes wie zum Beispiel erneuerbare Energien haben, so hat das sowohl eine Auswirkung auf den Klimaschutz als auch auf die nachhaltige Entwicklung. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich sehe keine weitere Nachfrage zu Frage 21. Dann kommen wir zu Frage 22. Da Kollege Krischer im Ausschuss ist, wird die Frage schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Konkret welcher „weitere Informationsbedarf“ und welche ungeklärten Aspekte machen das aufsichtliche Fachgespräch zwischen Bund und bayerischer Atomaufsichtsbehörde nötig (bitte konkrete und vollständige Angabe aller Punkte; vergleiche hierzu die Antwort der Parlamentarischen Staats-sekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Rita Schwarzelühr-Sutter, auf meine schriftliche Frage 66 auf Bundestagsdrucksache 18/4908 und ihre schriftliche Antwort vom 27. Mai 2015 auf meine zweite Zusatzfrage in der Fragestunde vom 20. Mai 2015, Plenarprotokoll 18/105, Seite 9993)? Frau Staatssekretärin, bitte. Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, Und täglich grüßt das Murmeltier, und zwar in dem Fall unser AKW Gundremmingen. Wie Ihnen bereits auf Ihre schriftliche Frage 66 auf Bundestagsdrucksache 18/4908 mitgeteilt, ist die Prüfung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit bezüglich der Regelwerkskonformität des Kernkraftwerkes Gundremmingen hinsichtlich der Beherrschung des Bemessungserdbebens noch nicht abgeschlossen. Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf Ihre schriftliche Frage mit der Arbeitsnummer 9/208 vom 25. September letzten Jahres ausgeführt, wurde am 16. Juni 2014 die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit beauftragt, gemeinsam mit dem Physikerbüro Bremen eine Stellungnahme zu obiger Thematik zu verfassen. Für die Sachverständigen des BMUB hat sich bei der Bearbeitung der Stellungnahme weiterer Informationsbedarf ergeben. Sie hatten noch einmal nachgefragt, worin der Informationsbedarf liegt. Es handelt sich um die Klärung von technischen Detailfragen der Sachverständigen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung der Stellungnahme. Dabei handelt es sich um den Nachfragebedarf zu den geführten Nachweisen zur Beherrschung des Bemessungserdbebens, zum Prüfkonzept des Zusätzlichen Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystems und zu Vorgaben im Betriebshandbuch in diesem Zusammenhang. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter, es war ja wunderbar, dass das BMUB sich diesmal nicht als Murmeltier verhalten hat, sondern die Frage, die ich schon dreimal gestellt habe, endlich beantwortet hat. Vielen Dank dafür. Dann zur nächsten Murmeltierfrage, zum Termin für das Gundremmingen-Fachgespräch. Danach habe ich auch schon gefragt. Das mache ich jetzt noch einmal. Steht der Termin mittlerweile fest? Ich füge gleich hinzu: Mich sorgt die lange Zeit; das Gutachten ist vor einem Jahr vergeben worden. Deswegen frage ich: Wie lange will das BMUB den Weiterbetrieb trotz der ungeklärten Sicherheitslage, also trotz nicht nachgewiesener Störfallbeherrschung, dulden, bevor es eine klare Frist zur Klärung der Regelwerkskonformität und Erdbebenfestigkeit setzt? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Bezüglich des Termins: Das BMUB signalisiert dem Staatsministerium, dass es alsbald einen konkreten Termin erwartet. Bezüglich des Betriebs: Hinsichtlich des Informa-tionsbedarfs geht es um Detailfragen. Erst dann, wenn die Stellungnahme der Sachverständigen abgeschlossen ist, kann das BMUB seine Prüfung abschließen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. – Das dauert alles eigentlich ein bisschen zu lange. Ein Atomkraftwerk, das die Störfallbeherrschung nicht nachgewiesen hat, beständig am Netz zu haben, ist eine Verstärkung des Risikos, das ein AKW sowieso bedeutet. In diesem Zusammenhang stelle ich noch eine weitere Frage. Bei Gundremmingen geht es auch immer noch um die Beherrschung bzw. Nichtbeherrschung des Sumpfsiebproblems. Hat das BMUB hierzu eine Verhältnismäßigkeitsabwägung getroffen zwischen der laufenden Prüfung der GRS und der Duldung des Weiterbetriebs mit diesem potenziellen Mangel? Wenn ja, was folgt daraus? Gibt es eine Überlegung, eine Deadline zu setzen, wann die Störfallbeherrschung nachgewiesen sein muss? Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Zur Sumpfsiebproblematik ist meines Wissens nach eine Weiterleitungsnachricht erfolgt. Ich würde Ihnen gern zu diesen konkreten Fragen, die Sie jetzt gestellt haben, eine Antwort schriftlich nachreichen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nett!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Es gibt noch eine Frage zu diesem Themenbereich, der mich auch interessiert, weil Gundremmingen in meiner Nachbarschaft ist. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Es liegt zwar nicht in meiner Nachbarschaft, aber aufgrund der Erfahrungen aus den Ausschüssen kann mich die Antwort, dass Sie „alsbald“ einen Termin erwarten, nicht richtig zufriedenstellen. Wann wird mit einem Termin gerechnet? In welchem Quartal? Noch in diesem Jahr oder noch in dieser Dekade? Vielleicht könnten Sie einmal konkreter werden. Wird mit diesem erforderlichen Fachgespräch noch in diesem Jahr gerechnet, möglicherweise im dritten oder vierten Quartal? Können Sie dazu eine konkrete Auskunft oder eine konkrete Antwort geben? Vizepräsidentin Claudia Roth: Gut. – Was ist „alsbald“, Frau Staatssekretärin? (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nein, wann ist „alsbald“? Nicht „was“, sondern „wann“!) – Ich sage „was“, und ich bin die Präsidentin. So. (Heiterkeit bei der SPD – Beifall des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Um es ins richtige Licht zu rücken: Es geht hier um Detailfragen, aber wir wollen es nicht abschließen, bevor die Stellungnahme auf dem Tisch liegt. „Alsbald“ heißt aber, dass wir signalisiert haben, dass wir jetzt vom Staatsministerium zügig einen Termin erwarten. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist „zügig“?) Ich kann Ihnen jetzt kein Datum nennen. Ich kann Ihnen jetzt auch nicht sagen, dass wir die Kavallerie satteln. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Die Kavallerie? Wollen Sie in die Schweiz?) Aber wir haben doch deutlich gemacht, dass wir jetzt wirklich einen Termin in absehbarer, nächster Zeit erwarten. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Zwischen Quartal und Dekade ist also keine Eingrenzung möglich!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Dann sind wir jetzt von „alsbald“ in Richtung „zügig“ marschiert. – Danke schön, Frau Staatssekretärin. Dann kommen wir zum nächsten Fragenkomplex. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Da stehen uns heute zwei Staatssekretäre für die Beantwortung zur Verfügung: Stefan Müller und Thomas Rachel. Wir fangen mit der Frage 24 der Kollegin Kotting-Uhl an: Welche neuen Projekte, für die in dieser Wahlperiode die Bundesförderung beantragt oder bewilligt worden ist, er-möglichen die Fortführung von Arbeiten an sogenannten Hochtemperaturreaktor-Code-Packages – HCP: elektronische Simulationssysteme für das Verhalten von Hochtemperaturreaktoren – im oder über das Jahr 2015 hinaus (bitte jeweils mit Angabe aller wesentlichen Eckdaten; vergleiche hierzu den auf der Internetseite der Internationalen Atomenergie-Organisation zugänglichen Vortragsfoliensatz „First Results of the HTR Code Package [HCP] Prototype“ von Professor Dr. Hans-Josef Allelein vom 27. Februar 2015), und jeweils wann war bzw. ist der Termin, an dem die betreffende Förderentscheidung des Bundes gefällt wurde bzw. werden soll (bitte Kalenderdatum angeben)? Herr Müller antwortet. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich darf Ihnen berichten, dass in der aktuellen Legislaturperiode keine neuen Vorhaben aus För-dermitteln des Bundes bewilligt wurden, mit denen die Weiterentwicklung der Hochtemperaturreaktor-Code-Packages des Forschungszentrums Jülich unterstützt wird. Ich darf allerdings hinzufügen, dass die Eingliederung eines Staubmodells in HCP im Rahmen eines Arbeitspunktes des derzeit noch laufenden Vorhabens TARGET der RWTH Aachen durchgeführt wird. Dieses Projekt ist am 26. März 2012 mit einem ursprünglichen Laufzeitende zum 30. Juni 2015 bewilligt worden. Aufgrund aufgetretener Verzögerungen wurde die Laufzeit am 23. September 2014 zunächst bis zum 31. März 2016 ausgabenneutral verlängert. Zwischenzeitlich hat der Zuwendungsempfänger eine weitere Laufzeitverlängerung bis zum 31. Juli 2016 in Verbindung mit einer Mittelaufstockung um insgesamt circa 126 000 Euro beantragt, wobei hinzuzufügen ist, dass nur ein Teil der 126 000  Euro für die Eingliederung des Staubmodells in HCP verwendet werden soll. Ich darf Ihnen auch mit-teilen, dass dieser Antrag derzeit geprüft wird. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Müller. – Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, der erste Teil Ihrer Antwort entspricht der Antwort, die ich bereits im März von Ihnen bekommen habe. In dem Fall ist es wirklich gut, dass die Antwort immer noch die gleiche ist. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das ist jedenfalls sehr hilfreich. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – Denn alles andere wäre eine Art Wortbruch gewesen. Ich habe in der Frage auf den Foliensatz von Herrn Professor Allelein hingewiesen, der auf der Seite der Internationalen Atomenergie-Organisation zu finden ist. Er hat in seinem Vortrag umfangreich dargelegt, warum er es beklagenswert findet, dass die Forschung an der Hochtemperaturtechnologie unter Rot-Grün beendet wurde. Auf seiner letzten Folie schreibt er: There seems to be the possibility to continue the HCP activity in the frame of a project funded by the Federal Government Das sagt ja aus, dass bei der Bundesregierung – vorher wird gesagt, dass diese bedaure, dass die Forschung beendet wurde – die Möglichkeit gesehen werde, die Forschung fortzuführen. Ist das völlig aus der Luft gegriffen? Wie kommt Professor Allelein dazu, es in einem internationalen Vortrag so darzustellen? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Müller. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Kollegin, auch ich habe mir diese Präsentation angesehen. In der Tat: Auf Seite 35 findet sich der von Ihnen zitierte Satz. Ich könnte hier nur Vermutungen äußern, will aber Ihre Frage, ehrlich gesagt, nicht mit Spekulationen beantworten. Ich möchte nur so viel sagen: Es ist für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar, wie Herr Professor Allelein zu dieser Aussage kommt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Zweite Nachfrage? Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich würde gerne – Sie haben sich die Folien selbst angeschaut – noch den mittleren Bullet Point auf Folie 34 zitieren. Da steht: This decision – also das Ende dieser Forschung – is in disagreement with the present policy of the “black-red” federal government of Germany. Wenn Sie auch hier sagen, dass Sie nicht wissen, wie Professor Allelein zu dieser Aussage kommt, dann würde ich Sie hiermit bitten, dies zu klären und Professor Allelein darauf hinzuweisen, dass es solche Absichten in Deutschland nicht gibt. Können Sie mir das zusagen? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Müller, bitte. Stefan Müller, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich möchte in gleicher Art und Weise darauf antworten, wie ich es eben getan habe. Auch diese Aussage ist für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar. Ich kann allenthalben vermuten – ich sagte, ich will keine Vermutungen anstellen; jetzt tue ich es doch –, dass sie sich auf den Verlängerungsantrag, von dem ich in der Beantwortung der Ausgangsfrage gesprochen habe, bezieht. Ich kann Ihnen das nicht mit Gewissheit bestätigen, sage Ihnen aber gerne zu, dass wir dieser Frage nachgehen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Staatssekretär Müller. – Ich sehe, es gibt keine weiteren Fragen. Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Gehring auf: Inwiefern sieht die Bundesregierung die Bundesförderung für die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen im Rahmen der Exzellenzinitiative – „Zukunftskonzept RWTH 2020: Meeting Global Challenges“, mit dem unter anderem ein universitätsumfassendes Personal- und Organisationsentwicklungskonzept eingeführt werden soll – und des Qualitätspakts Lehre – Vorhaben „RWTH 2020 Exzellente Lehre – wir verbessern gemeinsam die Studienbedingungen und die Lehrqualität“, wo es um „innovative Lehr- und Lernkonzepte und ein umfassendes studierendenzentriertes und kompetenzorientiertes Qualifizierungsprogramm“ geht – vor dem Hintergrund berührt, dass der Landesvorsitzende der NRW-CDU und Privatdozent an der RWTH -Aachen, Armin Laschet, Noten erfunden hat, weil Unterlagen der Klausur, die nach dem einwöchigen Blockseminar „Europa in der Berliner Politik“ geschrieben wurde, abhanden gekommen sind (siehe unter anderem „Laschet gibt Lehrauftrag nach Noten-Skandal auf“ in der Welt vom 2. Juni 2015)? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfügung. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Gehring, ich antworte Ihnen wie folgt: Die Bundesförderung der RWTH Aachen im Rahmen der Exzellenzinitiative und des Qualitätspaktes Lehre ist durch den in Ihrer Fragestellung angesprochenen Vorgang nicht berührt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Gehring. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Ich sehe das BMBF immer auch als Hüterin wissenschaftlicher Redlichkeit in Deutschland. Im Kern zielt meine Frage auf ein Blockseminar ab, das der CDU-Fraktionsvorsitzende des Landtags Nordrhein-Westfalen gehalten hat. Er hat offenkundig im Rahmen seiner Nebentätigkeit als Gastdozent an der RWTH Aachen Prüfungsnoten schlichtweg erfunden. Ich finde es schon relevant, zu wissen: Welche Auswirkungen hat das Ihrer Meinung nach auf die Glaubwürdigkeit des CDU-Frak-tionsvorsitzenden im Landtag Nordrhein-Westfalen, der in seiner Rolle als Gastdozent außerordentlich unverantwortlich und auch unredlich agiert hat? Wie hätten Sie sich, Herr Staatssekretär Rachel, damals als Student behandelt gefühlt, wenn Sie erfahren hätten, dass Ihre Leistung nicht gewürdigt wird, sondern Ihre Note zunächst quasi gewürfelt und ausgedacht und später annulliert wurde? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Rachel, bitte. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Zu der ehrenamtlichen Dozententätigkeit im Einzelnen kann ich nichts sagen. Die RWTH Aachen hat eine differenzierte Stellungnahme dazu abgegeben. Grundsätzlich ist es so, dass die Einhaltung des Landeshochschulgesetzes sowie der Studien- und Prüfungsordnung natürlich der jeweiligen Hochschule bzw. dem jeweiligen zuständigen Bundesland obliegt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Gehring. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte noch einmal nachfragen, weil die RWTH Aachen eine wirklich sehr herausragende Universität ist, die in erheblichem Umfang Mittel über die Exzellenzinitiative und auch über den Qualitätspakt Lehre erhält. Ich möchte Sie fragen, ob aus Sicht der Bundesregierung das schlichte Erfinden von Klausurnoten, wie es der Exprivatdozent und CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet in diesem Blockseminar gemacht hat, unter die Förderlinie „innovative Lehr- und Lernkonzepte“ im Rahmen des Qualitätspakts Lehre fällt. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Wie schätzen Sie das ein? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Rachel, bitte. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Auch ein dritter Versuch über einen anderen Zugang wird nichts daran ändern, dass die Einhaltung des Landeshochschulgesetzes und der Studien- und Prüfungsordnung der zuständigen Hochschule obliegt – die RWTH Aachen hat dazu eine ausführliche Stellungnahme abgegeben – bzw. in der Zuständigkeit des Bundeslandes liegt. (Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Haßelmann, haben Sie noch eine Rückfrage? – Nein. Danke, Herr Rachel. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Antworten wird der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel. Ich rufe die Frage 26 des Kollegen Kekeritz auf: Wie will die Bundesregierung das auf dem EU-Ministerrat am 26. Mai 2015 beschlossene Ziel – das 0,7-Prozent-Ziel zur Entwicklungsfinanzierung innerhalb der Zeitachse der Post-2015-Agenda, also bis 2030, zu erreichen – erreichen, wenn sie sich bislang lediglich dazu hat durchringen können, für die nächsten Jahre das Niveau bei 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, BIP, zu stabilisieren, und wie erklärt die Bundesregierung, dass nach den mir vorliegenden Informationen ausgerechnet Deutschland als eines der derzeit wirtschaftlich stärksten Mitgliedsländer der EU sich als einer von nur vier Mitgliedstaaten diesem verbindlichen Zeitrahmen verweigern wollte? Herr Fuchtel, bitte. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Kekeritz, wie man dem Koalitionsvertrag entnehmen kann, strebt die Bundesregierung das 0,7-Prozent-Ziel an. Wenn man sich die Bilanz der Bundeskanzlerin anschaut, stellt man fest, dass sich das Budget des BMZ allein in der Regierungszeit von Angela Merkel verdoppelt hat. Wenn man fragt, wie die Chancen stehen, dass dieses Ziel erreicht wird, kann ich nur sagen, dass diese Regierung möglichst lange im Amt bleiben sollte. Das ist die beste Voraussetzung dafür, dass wir diesbezüglich vorankommen. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Böse Prognose!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich gehe davon aus, dass Herr Kekeritz (Manfred Grund [CDU/CSU]: Damit nicht einverstanden ist!) dazu eine Rückfrage hat. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe eine Rückfrage und schätze den Sachverhalt grundsätzlich anders ein. Ich habe vorhin eine Frage gestellt, auf die die Kollegin Schwarzelühr-Sutter geantwortet hat. Durch ihre Antwort ist mir bewusst geworden, wie Sie das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen: Sie werden die bisher geplanten ODA-Mittel mit der zukünftigen Klimafinanzierung vermischen. So werden Sie das 0,7-Prozent-Ziel erreichen. Ich weiß, dass Minister Müller sehr viel Wert auf die Zivilgesellschaft legt und mit Vertretern der Zivilgesellschaft sehr gut zusammenarbeitet. Glauben Sie, dass die Zivilgesellschaft es tolerieren wird, dass sich diese Regierung von dem 0,7-Prozent-Ziel verabschiedet und auch ihre Verpflichtungen im Bereich Klimaschutz nicht erfüllen wird? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Fuchtel. Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich kann Ihnen nur sagen, wie die Realität aussieht, aber ich kann nichts zu Ihren Vermutungen sagen. Die Realität sieht so aus: Im Jahr 2012 lagen wir bei 0,38 Prozent, dann bei 0,39 Prozent und jetzt bei 0,41 Prozent. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich spreche von der Zukunft!) Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir das Budget um rund 2 Milliarden Euro aufgestockt. Zwischenzeitlich haben wir uns vorgenommen, nochmals etwa rund 8 Milliarden Euro für den Zeitraum 2016 bis 2019 hinzuzufügen. Insofern haben wir das Budget in einem überschaubaren Zeitraum um rund 10 Milliarden Euro aufgestockt. Auf diese Weise baut man etwas auf. So kommt man am besten voran. Wenn sich andere Finanzierungsmöglichkeiten ergeben, müssen diese natürlich berücksichtigt werden; denn das Ziel, das Geld, das dafür gebraucht wird, zusammenzubringen, ist sehr ambitioniert. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kekeritz, Ihre zweite Frage. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist interessant, zu erfahren, wie viele Milliarden Sie in diesen Topf legen. Angesichts dessen frage ich mich allerdings, warum Sie als Zieljahr, als Jahr, in dem Sie das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen, das Jahr 2030 angeben. Bei dem Tempo erreichen Sie das Ziel in drei, vier Jahren. Ich stelle meine Frage noch einmal ganz konkret: Plant diese Regierung, die Zusammenlegung der bisher für die Entwicklungszusammenarbeit gebundenen Beträge, die natürlich in vielen Bereichen auch klimarelevant sind, zu mischen mit den Ausgaben für die Klimafinanzierung ab 2020? Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich könnte nur das, was ich gerade gesagt habe, wiederholen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich sehe keine weiteren Meldungen zu diesem Geschäftsbereich. – Danke, Herr Fuchtel. Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Tabea Rößner werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz – Auswirkungen der Arbeit des 1. Untersuchungsausschusses auf die Kooperation mit US-amerikanischen Stellen – werden auch schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung. Die Frage 31 des Abgeordneten Omid Nouripour wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 32 der Abgeordneten Bärbel Höhn auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Ankündigung des norwegischen Staatsfonds, seine Gelder aus Unternehmen, die 30 Prozent ihrer Geschäfte oder Einnahmen mit Kohle machen, abzuziehen („Divestment“), und welche Rückschlüsse zieht sie daraus für die in Deutschland betroffenen Konzerne? Frau Gleicke, bitte. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Liebe Kollegin Höhn, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, an welchen deutschen Konzernen der norwegische Staatsfonds Beteiligungen hält. Sofern deutsche Unternehmen vom angekündigten Rückzug des Fonds betroffen sein sollten, stellen sich unternehmensinterne Finanzierungsfragen, die nicht von der Bundesregierung kommentiert werden können. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht in meiner Frage darum, dass der norwegische Staatsfonds sich entschieden hat, seine Investitionen in solche Unternehmen zurückzuziehen, die sich zu mindestens 30 Prozent bei Kohle oder anderen fossilen Energieträgern engagieren, weil er das für zu risikoreich hält. Das gilt nicht nur für den norwegischen Staatsfonds, sondern auch für mehrere Städte, zum Beispiel für Paris und San Francisco, aber auch für die Universität Harvard und den Weltkirchenrat. Das gilt also für sehr viele. Ist denn der Bundesregierung bekannt, dass sich jetzt auch eine Stadt in Deutschland, nämlich die Stadt Münster, entschieden hat, das sogenannte Divestment, also keine Investitionen in Unternehmen fließen zu lassen, die stark in fossilen Energien engagiert sind, zu machen? Wie bewertet das die Bundesregierung? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich will noch einmal auf den norwegischen Staatsfonds zurückkommen, weil Sie die 30 Prozent ansprachen. Für die Bundesregierung ist eine Bewertung natürlich schwierig, weil wir nicht wissen, welche Anteile dieser norwegische Staatsfonds an Unternehmen in Deutschland hält, da sich das unserer Kenntnis natürlich entzieht. Das 30-Prozent-Kriterium ist von Unternehmen bewertet worden. Dazu hat zum Beispiel ein Eon-Sprecher gesagt, er wisse noch nicht, ob man von der Entscheidung des norwegischen Staatsfonds betroffen sei; denn es sei nicht ganz klar, worauf sich die 30-Prozent-Marke beziehe. Bei Umsatz, Betriebsergebnis oder Stromproduktion liege der Konzern unter dieser Schwelle. Auch RWE hat sich ähnlich geäußert, sodass diese 30 Prozent offenkundig ganz unterschiedlich bewertet werden. Was die Stadt Münster angeht, kann ich Ihnen nur meine persönliche Auffassung sagen. Das ist noch nicht an mich herangetragen worden. Aber vielleicht können Sie mir nachher diese Information geben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Höhn, wenn Sie wollen, haben Sie Gelegenheit zu einer zweiten Frage. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann bekomme ich auch eine bilaterale Bewertung von Ihnen. Das freut mich sehr. Ich will aber noch auf einen anderen Aspekt eingehen. Zu diesem Thema habe ich eine Kleine Anfrage gestellt. Darauf haben Sie geantwortet, dass es sinnvoll wäre, wenn sich Kreditinstitute stärker mit Megatrends zum Klimawandel auseinandersetzten. Gleichzeitig haben Sie in einer anderen Antwort gesagt, dass die Bundesbank keine Klimastrategie hat, weil sie – Zitat – „primär geld- und währungspolitische Ziele“ verfolgt. Nun weiß ich von den Abgeordneten der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, die eine Anfrage beim Berliner Senat gestellt haben, dass das Land Berlin bei seinen Versorgungsrücklagen – das sind Langfristanlagen – in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank diese Anlagenstrategie entwickelt. Ist es unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Renten für die Arbeiter und Angestellten des Landes Berlin sowie wahrscheinlich auch von anderen Bundesländern nicht doch sinnvoll, dass sich zum Beispiel die Deutsche Bundesbank eine Klimastrategie überlegt und damit solche Aspekte von Langfristrisiken einbezieht? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Liebe Frau Kollegin Höhn, in der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage, die Ihnen erst in den letzten Stunden zugegangen ist, steht natürlich, dass wir das selbstverständlich begrüßen. Wir diskutieren die Fragen, die dahinterstehen: Haben wir eine Blase bei den Investitionen, die sich wiederum aufbaut? Haben wir damit zu rechnen, dass wir Ähnliches wie bei anderen Blasen erleben, die sich an der Börse dargestellt haben? Diese Diskussion ist gerade erst in Gang gekommen. Wir begrüßen es sehr, dass sich beispielsweise auch der internationale Finanzstabilitätsrat mit diesem Thema beschäftigt. Wir müssen uns allerorten damit beschäftigen. Im Moment ist diese Diskussion, wie gesagt, in einem ganz frühen Stadium, deshalb können wir keine Ergebnisse vorlegen. Aber ich gehe davon aus, dass sich selbstverständlich auch Banken und Anlageunternehmen damit beschäftigen werden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Gleicke. – Ich sehe keine weiteren Meldungen zu dieser Frage. Dann kommen wir zu den Fragen 33 und 34 der Abgeordneten Annalena Baerbock. Sie werden schriftlich beantwortet. Die Frage 35 des Kollegen Oliver Krischer wird, weil der Kollege immer noch im Ausschuss ist, schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Michael Roth ist vorausschauend verschwunden, weil die Frage 36 des Abgeordneten Andrej Hunko, die Frage 37 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, die Frage 38 des Abgeordneten Dr. André Hahn, die Fragen 39 und 40 der Abgeordneten Sevim Dağdelen sowie die Fragen 41 und 42 der Abgeordneten Heike Hänsel schriftlich beantwortet werden. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung bis 15.35 Uhr. Dann geht es weiter mit der Aktuellen Stunde. Genießen Sie die halbe Stunde Pause. (Unterbrechung von 14.54 bis 15.36 Uhr) Vizepräsidentin Petra Pau: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Aktueller VN-Bericht – Menschenrechtsverletzungen in Eritrea stoppen Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Gabriela Heinrich für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gabriela Heinrich (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! 200 000 Menschen waren bis Ende 2014 aus Eritrea in die Nachbarländer Sudan und Äthiopien geflüchtet. In Europa beantragten im letzten Jahr 37 000 Eritreerinnen und Eritreer Asyl, in Deutschland waren es über 13 000. Damit stand das ostafrikanische Land letztes Jahr an dritter Stelle der Herkunftsländer. Jetzt hat der Bericht der Vereinten Nationen eine vergessene Krise ans Tageslicht und in das öffentliche Bewusstsein gezerrt. Eritrea ist ein totalitär regierter Staat. Eritrea belegt den letzten Platz der Pressefreiheitliste von Reporter ohne Grenzen. Verschwindenlassen, Willkür, Folter, jahrelange Zwangsarbeit, die als Sklaverei bezeichnet werden muss, gehören zur permanenten Realität der Menschen. Hinrichtungen und unsägliche Haftbedingungen in unterirdischen Verliesen kommen hinzu. Die Täter gehören oft staatlichen Stellen an: der Polizei, den Geheimdiensten, sonstigen Behörden bis hin zu den höchsten Kreisen der Politik. Der Bericht spricht davon, dass Folter nicht etwa vereinzelt oder durch besondere Gruppen verübt wird, nein, es handele sich vielmehr um systematische Folterpolitik der Regierung. Die Menschen, die versuchen, diesem Elend zu entfliehen, nehmen ungeheure Risiken auf sich. Sie müssen sich Schleppern anvertrauen, und auf dem Weg lauern Gewalt, Ausbeutung, Vergewaltigung, Folter, um Geld zu erpressen, und im schlimmsten Fall der Tod. Niemand von uns kann sich vorstellen, wie furchtbar ein Leben sein muss, damit jemand diesen Weg geht. Die Unter-drückung hat einen langen Arm. Denn selbst diejenigen, denen die Flucht gelungen ist, werden gezwungen, viel Geld aus dem Ausland zu überweisen. Tun sie das nicht, müssen ihre Angehörigen büßen, die in Eritrea geblieben sind. Die Kommission hat eine lange Liste von Forderungen erstellt, um die Menschenrechtslage in Eritrea zu verbessern. Es fehlt an allen Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Ich habe keine Ahnung, ob sich Politik, Behörden und Armee dort darum scheren, was sich aus Sicht der Vereinten Nationen ändern muss. Fakt ist: 3 000 bis 5 000 Menschen verlassen das Land – pro Monat! –, und das trotz der Gefahr; denn auf Menschen, die aus dem Land fliehen, wird scharf geschossen. Ich muss sagen: Ich fühle mich sehr hilflos in Bezug darauf, was wir ändern können. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Eritrea musste 2008 beendet werden. Deutsche Nichtregierungsorganisationen sind nur noch punktuell im Land tätig. Von außen ist es schier unmöglich, die Menschen in Eritrea vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Wir können den Staat Eritrea, so wie ihn der UN-Bericht beschreibt, mit keinem Euro unterstützen, ohne dass das Geld in falsche Hände gerät. Aber wir müssen es dann auf einem indirekten Weg versuchen. Zunächst müssen wir in dieser Region Ostafrikas alles daransetzen, die schlimmste Not zu lindern. Wenn 200 000 Menschen in ja ebenfalls instabile Länder fliehen, können sie vielleicht der persönlichen Verfolgung und dem Terror entgehen, nicht aber dem Hunger und den fast notwendig neu entstehenden Konflikten in den Aufnahmeländern. Wir müssen noch stärker den Sudan und Äthiopien dabei unterstützen, die Flüchtlinge aus Eritrea zu versorgen und menschlich mit ihnen umzugehen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Bericht der Vereinten Nationen nennt in zehn Punkten Forderungen an die internationale Gemeinschaft, die dringend umgesetzt werden müssen. Ich möchte drei Aspekte herausgreifen, die mir für die deutsche Politik besonders wichtig und gleichzeitig praktikabel erscheinen: Erstens. Wir dürfen Eritreerinnen und Eritreer, die als Flüchtlinge zu uns kommen, nicht zurückweisen. Zweitens. Wir müssen legale Migrationswege ermöglichen, damit sich die Menschen nicht Schlepperbanden anvertrauen und den Gefahren im Mittelmeer aussetzen müssen. Und drittens. Wir müssen Menschenhändler, Menschenschmuggler und Schlepper bekämpfen und auch die Erpresser in Deutschland ins Visier nehmen, die die Flüchtlinge unter Druck setzen. Die beiden letzten Forderungen gelten natürlich nicht nur für Flüchtlinge aus Eritrea. In Europa ist zumindest einiges in Bewegung gekommen. Wir müssen eine gemeinsame Flüchtlingspolitik schaffen, die sich an der Würde der Menschen und auch an den Realitäten orientiert. Hier sind wir vor allem gefordert – nicht nur für die Menschen, die aus Eritrea fliehen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Annette Groth für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD]) Annette Groth (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Heinrich hat schon die dramatische Menschenrechtslage in Eritrea geschildert. Der Bericht, der einen Umfang von 464 Seiten hat, zeigt detailliert auf, dass in dem Land willkürliche Hinrichtungen, Zwangsrekrutierungen für die Armee, systematische Folter und politische Verfolgung von Menschen an der Tagesordnung sind. Gabriele Heinrich hat auch gesagt: Es ist eine unvorstellbare Zahl, dass monatlich fast 5 000 Menschen Eritrea verlassen. – Die meisten von ihnen gehen in die Nachbarländer; im Oktober 2014 waren etwa 110 000 Flüchtlinge im Sudan und mehr als 100 000 in Äthiopien gemeldet. In der EU sind derzeit fast 360 000 eritreische Staatsangehörige als Flüchtlinge registriert. Auch unter den Toten des Mittelmeers sind viele Flüchtlinge aus Eritrea. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf – wie so häufig schon –: Öffnen Sie endlich die Grenzen für Menschen in Not! (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Starten Sie eine über das gesamte Mittelmeer angelegte Rettungsmission für die Flüchtlinge, damit die Menschen, die vor Gewalt und Folter fliehen, nicht länger im Mittelmeer ertrinken! (Beifall bei der LINKEN) Ein besonders dramatisches Beispiel sind die Flüchtlinge, die in den Sinai verschleppt und dort festgehalten werden. Von 2009 bis 2013 sind im Sinai zwischen 25 000 und 30 000 Personen Opfer des Menschenhandels geworden, darunter etwa 90 Prozent Eritreer. Bis zu 50 000 Dollar müssen Angehörige für ihre verschleppten Verwandten bezahlen. Die Erpressungen werden mit brutaler Folter und äußerster Grausamkeit durchgeführt. Die Angehörigen mussten bei Liveschaltungen der Misshandlung ihrer Familienangehörigen zuhören. Zwischen 5 000 und 10 000 Menschen haben diese grausamen Menschenhändler ermordet. Es gab und gibt immer wieder Hinweise auf den profitablen Handel mit Organen, die den Opfern entnommen worden sind. Wie die Lage im Sinai heute ist, weiß man nicht, da dieses Gebiet von der ägyptischen Armee total abgeriegelt ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die eritreische Regierung den UN-Ermittlern jegliche Zusammenarbeit verweigert und sie nicht ins Land gelassen hat, ist wirklich skandalös. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD]) Grundlage des Berichts sind deshalb 550 vertrauliche -Interviews mit Zeugen außerhalb Eritreas sowie 160 schriftliche Aussagen von Betroffenen. Viele potenzielle Zeugen haben selbst in den Asylländern noch Angst vor Übergriffen sowie vor Repressalien gegen zurückgebliebene Verwandte und lehnen darum Aussagen vor den Ermittlern ab. Die alltägliche sexuelle Gewalt gegen Frauen konnte in den Interviews nur ansatzweise erfasst werden, da aufgrund der Scham der Opfer und der Angst vor Stigmatisierung viele eritreische Frauen nicht über die ihnen angetanen Verbrechen sprechen wollen. Noch immer werden Jungfräulichkeit, Keuschheit und Monogamie hochgehalten. Selbst Opfern von Vergewaltigungen wird unterstellt, Schande über ihre Familien gebracht zu haben. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1993 – die Eritreer votierten in einer Volksabstimmung fast einstimmig für eine Loslösung von Äthiopien – herrscht in Eritrea ein permanenter Kriegszustand. Die gesamte Wirtschaft funktioniert als Kriegsökonomie. Der Grenzkonflikt hat zwischen 70 000 und 100 000 Tote gefordert und über 1 Million Menschen zu Umsiedlungen gezwungen. Gleichzeitig teilen sich wenige Clans die Kriegsprofite – unterstützt von Interessengruppen außerhalb des Landes, die daran ganz gut verdienen. Eritrea gehört mit einem Bruttoinlandsprodukt von 550 US-Dollar pro Kopf zu den ärmsten Ländern der Welt. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung steht seit vielen Jahren unter Waffen oder muss im Anschluss an den Wehrdienst eine nationale Dienstpflicht ableisten. Um dem zu entgehen, fliehen so viele aus Eritrea. Auf dem Evangelischen Kirchentag in Stuttgart hat Entwicklungsminister Gerd Müller angekündigt, in den nächsten Wochen nach Eritrea zu reisen. Ich hoffe, dass er dort die massive Repression und die täglichen Menschenrechtsverletzungen thematisiert und auf eine deutliche Verbesserung der Menschenrechtslage drängt. In den letzten Wochen hat Gerd Müller immer wieder Folgendes betont – ich zitiere –: Wir müssen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge aktiv sein, damit sich nicht noch mehr Menschen auf den Weg nach Europa machen. Eritrea ist nach Syrien, Serbien und Afghanistan auf Platz vier der Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge nach Europa kommen. Darum hoffe ich nicht, dass er unter den gegebenen Bedingungen ein mögliches Rückkehrabkommen mit der eritreischen Regierung diskutiert, wie das mit so vielen anderen repressiven Ländern geschehen ist. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Frank Heinrich für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte, die ausgelöst wurde durch den Bericht von Montag, wollen wir heute führen, um klarzumachen, was in Eritrea tatsächlich passiert. Meine beiden Vorrednerinnen haben vieles schon vor Augen geführt. Vor eineinhalb Jahren saß eine Dame von der Organisation „Human Rights Concern – Eritrea“ in meinem Büro und hat mich gebeten, ihren Namen nicht zu nennen, weil sie sonst selber gefährdet wäre. Daraufhin habe ich mit der Sonderberichterstatterin, Sheila Keetharuth, telefoniert. Mir wurde vor Augen geführt, wie brutal die Verhältnisse dort sind, und ich wünsche mir, dass dies durch diese Debatte für alle klar und deutlich wird. Der Bericht, der seit Montag vorliegt, bestätigt genau das, was Frau Keetharuth damals, vor etwa zwei Jahren, schon geahnt hat. Ich zitiere die Experten: „In Eritrea herrscht nicht das Recht, sondern die Angst.“ In ihrem Bericht weisen die drei Ermittler auf massive Verletzungen der Menschenrechte durch den Staat hin, die den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen. Ist das Diktatur? Darüber streitet man sich. Ich würde das Fragezeichen weglassen. In der Liste der Menschenrechtsverbrechen – teilweise sind sie schon aufgeführt worden –, die aufgrund von über 550 Interviews erstellt wurde – alle Interviewten wollten anonym bleiben, weil sie sonst gefährdet wären –, stehen: willkürliche Festnahmen, Inhaftierung, Folter, Verschwindenlassen, grausamste Haftbedingungen, Zwangsarbeit, systematisches Verbrechen des Staates gegen das Privatleben, schwerwiegende Einschränkungen – es gibt eine Klassifizierung – der Bewegungsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Glaubensfreiheit und der Versammlungsfreiheit, keine Pressefreiheit, keine Rechtsstaatlichkeit, „shoot-to-kill policy“, willkürliche Tötungen, Isolationshaft für Kinder, Vergewaltigung durch staatliche Behörden. Meine Liste hat noch einige Punkte mehr. Reporter ohne Grenzen beschreibt den Staatspräsidenten Isayas Afewerki als einen „mitleidlosen Diktator“. Human Rights Watch spricht von einer „totalitären Kontrolle“ durch das Regime. Alle Ingredienzien einer Diktatur sind vorhanden. Viele auch meiner Kollegen reden vom „Nordkorea Afrikas“. Georgette Gagnon, die Direktorin der Afrika-Abteilung von Human Rights Watch, sagt: „Eritreas Regierung verwandelt das Land in ein riesiges Gefängnis.“ Der Schwerpunkt dabei liegt – das ist auch schon genannt worden – auf Sklaverei und Zwangsarbeit, unter anderem im unbefristeten militärischen Zwangsdienst. Manche Menschen haben sich nach 17 Jahren Militärdienst endlich entschieden, zu fliehen, und können nun Aussagen darüber machen. Kinder werden zum Wehrdienst gezwungen. Folter und eine grausame und unmenschliche Behandlung sind beim Militärdienst an der Tagesordnung. Frauen und Mädchen werden innerhalb dieses Dienstes als Sexsklaven gehalten. Sogar Behinderte werden zum Wehrdienst gezwungen. Die Konsequenz davon ist Menschenhandel. Von den Folgen haben wir gerade gehört; denken Sie an die Menschen im Sinai. Die Flüchtlinge sind hilflos und sind den Menschenhändlern und Schmugglern durch ihre Schwäche ausgeliefert. Ich zitiere noch einmal aus dem UN-Bericht: In ihrer Verzweiflung riskieren sie tödliche Fluchtrouten durch Wüsten und Bürgerkriegsländer und den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer. UNHCR schätzt – wir haben die Zahlen gerade gehört –, dass 5 Prozent der Bevölkerung geflohen sind, jeden Monat sind es mehrere Tausend Menschen. Allein im Juli letzten Jahres waren 357 406 Menschen auf der Flucht. Auf dieser Flucht erleben die Menschen Menschenhandel und Menschenschmuggel, Organentnahme, Bedrohung mit einer Organentnahme und Totschlag. Noch ein Zitat aus dem Bericht von Human Rights Watch, den wir wenige Wochen vorher bekommen haben: Alle Zeugen, mit denen Human Rights Watch gesprochen hat, berichteten, dass sie Folter beobachtet haben oder selbst misshandelt wurden. Nach diesen Angaben wurden etwa sowohl Frauen als auch Männer vergewaltigt und mit Elektroschocks gequält. Den Opfern wurden die Genitalien und andere Körperteile mit glühenden Eisen, kochendem Wasser, geschmolzenem Plastik und Gummi sowie mit Zigaretten verbrannt. Was kann man tun? Ja, Aufsehen erregen, es deutlich machen, schockieren, weil die Sache selber schockierend ist. Das bisherige Engagement der Bundesregierung ist zu begrüßen. Ich nenne nur die Schaffung des Mandats der Sonderberichterstatterin wie auch die Verlängerung dieses Mandats im letzten Jahr. Im UPR-Prozess haben wir deutliche Worte gegen dieses Regime gefunden und die Einrichtung einer Untersuchungskommission unterstützt. Und: Ja, der Minister wird dorthin fahren. Wir werden ihn ermutigen, dort genauso wenig zu schweigen, wie er es hier auf dem Kirchentag getan hat. Das Auswärtige Amt hat die eritreische Aufbausteuer von 2 Prozent, die im Ausland lebende Bürger Eritreas an ihren Staat abführen sollen, immer wieder verurteilt und deutlich gemacht: So etwas darf es nicht geben. – Mein Appell an unsere Regierung ist, beim Vorgehen gegen Eritrea gerne noch einen Gang höher zu schalten. Ich bin dankbar, dass unser Minister dort hinfährt. Ich nenne in diesem Zusammenhang auch Empfehlungen an die internationale Gemeinschaft, nämlich den Grundsatz der Nichtzurückweisung mit Blick auf Flüchtlinge aus Eritrea zu beachten. Die Menschenrechte sollten bei jedwedem Engagement mit Eritrea im Vordergrund stehen. Ich vermute, dass dies auch beim Ministerbesuch der Fall sein wird. Als letzten Punkt richte ich natürlich auch einen Appell an Eritrea, die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen nicht nur wiederaufzunehmen, sondern eigentlich erst richtig zu beginnen. Die Mitglieder der Untersuchungskommission haben ihre Erkenntnisse aufgrund von Interviews, vertraulichen Gesprächen gewonnen; sie selbst durften nicht in das Land. Wenn also von Eritrea behauptet wird, diese Berichte seien alle nicht wahr, dann soll es bitte die Experten in ihr Land kommen und die Vorfälle untersuchen lassen. Eine weitere Forderung ist die Anerkennung von Menschenrechtsverletzungen in Eritrea und die Umsetzung der Verfassung von 1997. Das Regime in Eritrea soll endlich das selbst gegebene Wort halten. Eine letzte Forderung ist die Achtung der Verpflichtungen gemäß den internationalen Menschenrechtsübereinkommen, die Eritrea selbst unterschrieben hat. Wir bitten das Regime, an dieser Stelle endlich Wort zu halten. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Omid Nouripour das Wort. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eritrea hat deutlich mehr Aufmerksamkeit als bisher verdient. Deshalb möchte ich der Koalition dafür danken, dass sie heute diese Aktuelle Stunde dazu beantragt hat. Wir haben vor einigen Monaten eine Kleine Anfrage über die Situation in Eritrea gestellt. Wenn man die Antworten liest, könnte man denken, dass der Grad der Aufmerksamkeit, den die Bundesregierung dem Thema widmet, nicht ausreichend ist. Kaum eine Antwort beinhaltet Erkenntnisse aus eigenen Quellen. Bei vielen Aussagen ist man sich nicht sicher, ob die Quellen wirklich hinterfragt worden sind. Ein Beispiel, das vorhin bereits genannt worden ist: Es nennt sich Militär- und Zivildienst, ist aber faktisch ein Frondienst, der vom 18. bis zum 40. Lebensjahr dauern kann. Wir haben die Frage gestellt, was passieren würde, wenn statt der mehr als 18 Jahre die ursprüngliche Dauer von 18 Monaten eingeführt würde. Die Antwort der Bundesregierung ist: Wahrscheinlich würden 15 000 Menschen freigesetzt. – Wahrscheinlich wären es mehr als eine halbe Million Menschen. Die Zahl der Bundesregierung basiert auf Aussagen eines Präsidentenberaters. Ich glaube nicht, dass Eritrea in diesen Zeiten ein Land ist, in dem man auf Worte eines Präsidentenberaters zählen kann. Europa hat eine große Verantwortung für Eritrea. Die mit barbarischen Mitteln durchgeführte Kolonialisierung hat das Land jahrhundertelang unterworfen und ausgeraubt. Dieses koloniale Erbe entschuldigt nichts von dem, was heute in diesem Land passiert. Das darf man nicht verkennen und auch nicht durcheinanderwerfen. Aber dieses Erbe und die Verantwortung sollten uns daran erinnern, dass wir das Land und die Situation der Menschen dort nicht aus den Augen verlieren dürfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese Situation wird von dem UN-Bericht auf dramatischste Art und Weise beschrieben. Es ist mehr als erschütternd, und es ist kaum möglich, darüber mit ruhigem Blut zu sprechen, wenn man sich allein das Kapitel über die Foltermethoden anschaut. Ich will nur zwei Beispiele nennen, die aber Alltag sind. Eine Foltermethode trägt den unglaublich zynischen Namen „Hubschrauber“. Dabei werden Menschen an Händen und Beinen gefesselt und rücklinks an einen Baum gebunden, bis ihre Extremitäten so entzündet sind, dass man sie amputieren muss. Ein anderes Beispiel sind die Container. Die Haftbedingungen sind dramatisch. In Containern von 1,50 mal 5 Metern Größe werden 18 oder mehr Menschen tagelang in der größten Sonnenhitze eingepfercht, ohne dass sie Wasser zu trinken bekommen. Teilweise werden die Container in Erdlöcher eingegraben. Das Besondere in diesem Land ist: All das kann jedem passieren. Die Höllenmaschinerie kann jeden und jede treffen, ohne Anklage und ohne Prozess. Die Situation, die in dem Bericht beschrieben wird, illustriert das, was der französische Autor Léonard Vincent einen „Gulag unter freiem Himmel“ genannt hat. Eritrea ist in Deutschland in erster Linie wegen der hohen Zahl von Flüchtlingen aus dem Land in den Schlagzeilen. Wer den UN-Bericht liest, fragt sich: Was bleibt den Menschen übrig, außer zu fliehen? Auf die Situation der Flüchtlinge und die damit verbundene Dramatik wird mein Kollege Tom Koenigs noch eingehen. Das Problem ist jetzt, dass wir nicht in eine Logik verfallen dürfen, die der Flüchtlingsabwehr die höchste Priorität einräumt. Wenn die EU nun ein Hilfspaket von 200 Millionen Euro oder mehr ankündigt, stellt sich die Frage, was mit diesem Geld geschieht. Wo landet dieses Geld? Landet es in den Kassen von Präsident Afewerki? Ist das das perverse Spiel, das man sich vorstellt? Er behandelt die Menschen in seinem Land so schlecht, dass sie fliehen, im vollen Wissen, dass Flüchtlinge in Europa nicht immer willkommen sind, und wir helfen ihm, damit er wieder Geld hat und die Leute noch mehr unterdrücken kann. Das ist ein perverses Spiel. Auf so eine zynische Erpressung dürfen wir uns auf keinen Fall einlassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Wir müssen den Menschen helfen. Es gibt viele Wege, das zu tun. Aber wir müssen auch die afrikanischen Staaten daran erinnern, dass sie eine Verantwortung haben, allen voran Äthiopien. Es ist höchste Zeit, dass Äthiopien die Grenzziehung, die von der Haager Kommission im Jahr 2002 festgelegt wurde, endgültig anerkennt. Das würde nämlich dem Regime Afewerki und seiner Behauptung, in einem ständigen Krieg zu sein, den letzten Anschein von Legitimation nehmen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben für die deutsche und die europäische Diplomatie. Das Wichtigste ist – das dürfen wir nicht vergessen –: Wir müssen mit allen Signalen deutlich machen, dass wir das Regime, aber nicht die Menschen isolieren wollen. Wir haben eine große Gemeinde von Menschen aus Eritrea in unserem Land, die eine große Hilfe sein können, um Brücken zu bauen, damit wir im Land selbst Verbündete suchen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die leider viel zu früh von uns gegangene schwedische Außenministerin Anna Lindh hat einmal gesagt: Es kann niemals funktionieren, Macht nur auf Gewalt und Unterdrückung zu gründen. – Sie hat völlig recht. Wir sollten diesen Worten folgen. Wir sollten aber auch Taten folgen lassen. Die Frage, wie man mit Flüchtlingen umgeht, ist kein Grund, dem Regime in Eritrea weitere Hilfen zukommen zu lassen, damit dieses die Situation weiter verschlechtert. Das wäre Verrat nicht nur an unseren Werten, sondern auch an unseren Interessen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Dr. Bernd Fabritius hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute einen Bericht über die Menschenrechtslage in Eritrea, der es in sich hat. Minutiös werden darin haarsträubende Details zur Lage in dem Land aufgelistet, in dem seit seiner Unabhängigkeit von Äthiopien im Jahre 1993 vor allem Hunger, Angst und Repressionen herrschen. Der seit kurzem vorliegende Bericht einer eigens dafür vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Untersuchungskommission kommt zu dem Schluss, dass die Regierung in Eritrea systematisch, weitreichend und massiv Menschenrechtsverletzungen begeht. Die schwerwiegenden Vorwürfe reichen vom Aufbau eines repressiven Systems, in dem Bürger willkürlich inhaftiert, gefoltert und getötet werden, über den Zwang zu einem meist langjährigen übermäßigen Militärdienst, dessen Umstände oft zu Krankheit oder Tod führen und der heute schon angesprochen wurde, bis hin zum Aufbau eines regelrechten Überwachungsstaates, in dem Bürger dazu angehalten werden, sich gegenseitig zu bespitzeln. Die gesellschaftliche Destruktion, die von so etwas ausgeht, kann sich jeder vorstellen. Bei der Presse- und Meinungsfreiheit sieht es nicht besser aus. In der Rangliste zur Pressefreiheit belegt -Eritrea seit 2007 bis heute jedes Jahr den letzten Platz, 180 von 180. Man muss sich vor Augen halten, dass das Land damit sogar noch hinter Syrien, Turkmenistan und Nordkorea liegt. Private Medien sind verboten, ausländische Korrespondenten befinden sich schon seit Jahren nicht mehr in Eritrea. Die staatlichen Medien unterliegen laut Reporter ohne Grenzen einer Vorabzensur und werden scharf überwacht. Darüber hinaus sitzen Dutzende Journalisten teils ohne Urteil in Haft. Auch sie werden selbstverständlich gefoltert. Ich könnte noch endlos weitere erschreckende Befunde vortragen, aus dem UN-Bericht, aber auch aus anderen Quellen. Die Organisation Amnesty International listet beispielsweise in ihrem aktuellen Länderreport zu Eritrea ähnliche Verbrechen auf. Bezeichnend ist auch der Umstand, dass die Mitglieder der UN-Untersuchungskommission für ihre Recherchen nicht einmal in das Land hineingelassen wurden. Das allein zeigt bereits, was die dortige Regierung von Menschenrechten hält, nämlich gar nichts. Auch das hat die Kollegin Groth zu Recht bereits angesprochen. Die Untersuchungskommission der UN fasst ihren Bericht letztlich treffend mit dem ebenfalls bereits zitierten Satz zusammen: „In Eritrea herrscht nicht das Recht, sondern die Angst.“ Diese Angst und diese Zustände führen letztlich zu steigenden Flüchtlingszahlen. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung ist bereits aus dem Land geflohen. Bei uns in Deutschland machen Menschen aus Eritrea den weitaus größten Anteil an den Asylbewerbern aus Afrika aus. Die Anerkennungsraten sind aufgrund der Menschenrechtslage im Herkunftsland zu Recht hoch, auch weil im Ausland Asyl suchende Eritreer bei der Rückkehr in ihr Land selbstverständlich inhaftiert werden. Natürlich ist auch im Falle Eritreas der Grundsatz richtig, die Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen. Allerdings ist das unter den dortigen Bedingungen schwierig. Die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands mit Eritrea musste beispielsweise im Jahr 2008 eingestellt werden, weil aufgrund der totalen Kontrolle der Regierung jegliche effektive Entwicklungshilfe unterbunden ist. Diese würde letztlich nur den Herrschenden, nicht aber der Bevölkerung zugutekommen. Das darf nicht so bleiben. Gerade deshalb hat es mich gefreut, zu hören, dass unser Bundesminister Gerd Müller in zwei Wochen nach Eritrea reisen wird; denn es gilt, jede noch verbleibende Möglichkeit auszuloten, wie die Not der Menschen in dem Land gelindert werden kann, auch wenn man hierfür mit den Machthabern vor Ort zusammenarbeiten muss. Ich freue mich, liebe Frau Kollegin Groth, dass Sie dazu Zustimmung avisiert haben. Die Regierung Eritreas begründet ihr Verhalten mit der angeblichen Notwendigkeit, das noch junge Land zu stabilisieren. Außerdem sei das Verhältnis zum Nachbarn Äthiopien weiterhin angespannt. Die Argumentation ist natürlich lächerlich. Auch wenn Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien bis heute nicht vollständig ausgeräumt sind, rechtfertigt dies die massiven Menschenrechtsverletzungen in keiner Weise. Wir fordern die Regierung Eritreas daher mit Nachdruck auf, das Ruder endlich herumzureißen. Dazu gehört unter anderem, die Praxis der willkürlichen Inhaftierungen und Tötungen einzustellen. Dazu gehört die Umsetzung internationaler Vereinbarungen, die Eritrea anerkannt hat, wie die Anti-Folter-Konvention, der das Land 2014 offenkundig nur zum Schein beigetreten ist. Schließlich sind auch Anerkennung und Aufarbeitung des Unrechts wichtig; denn nur so erhält die Bevölkerung eine realistische Chance, mit dem Geschehenen abzuschließen und einer einigermaßen vertrauensvollen Zukunft entgegenzublicken. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Niema Movassat hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Niema Movassat (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschenrechtssituation in Eritrea ist katastrophal. Der Bericht der UN-Untersuchungskommission liest sich wie ein Horrorbuch, nur dass alles, was dort steht, bittere Realität ist. Zwangsarbeit, ungesetzliche Inhaftierungen, willkürliche Hinrichtungen und Folter sind an der Tagesordnung. Ein mächtiger Sicherheitsapparat unterdrückt die Bevölkerung und hält sie „in ständiger Angst“, wie es im UN-Bericht steht. Human Rights Watch nennt Eritrea ein einziges „gigantisches Gefängnis“. Leider wahr und beschämend! Viele junge Eritreer flüchten wegen des Militärdienstes aus ihrer Heimat; denn direkt nach dem Schulabschluss muss jeder Jugendliche einen unbefristeten Wehrdienst unter erbärmlichsten Bedingungen antreten. Wer sich weigert, dem drohen Folter und Gefängnis. In Eritrea selbst kann niemand über die grausamen Zustände berichten. Reporter ohne Grenzen listet das Land auf dem letzten Platz des weltweiten Pressefreiheits-index. Präsident Afewerki und seine Lakaien setzen ihre Macht mit allen Mitteln durch. Außer der Regierungspartei gibt es keine zugelassenen Parteien. Jede Opposition wird im Keim erstickt. Man kann den Eritreern nur wünschen, dass sie sich möglichst bald dieses Regimes entledigen. (Beifall bei der LINKEN) Auch in sozialer Hinsicht ist eine andere Regierung bitter nötig; denn Eritrea ist nicht nur eines der unfreiesten Länder, sondern auch eines der ärmsten Länder der Welt. Es belegt beim HDI über den Entwicklungsstand Platz 182 von 187 Ländern. Menschen hungern. Viele Kinder können keine Schule besuchen. Für die Bauern reicht das Angebaute kaum zum Überleben. In Eritrea ereignet sich eine humanitäre Dauerkatastrophe. Wir müssen dringend Wege finden, den Menschen vor Ort zu helfen, ohne dabei das Regime zu stützen. Hilfe an der Basis, konkret für die Menschen vor Ort, muss – soweit möglich – geleistet werden. (Beifall bei der LINKEN) Angesichts der schrecklichen Situation im Land ist es sehr verständlich, dass in Europa heute 360 000 Eritreer als Flüchtlinge leben. Weltweit sind es 1 Million Geflüchtete. Ein Sechstel aller Eritreer lebt mittlerweile im Ausland. Das ist trauriger Weltrekord. Viele müssen lebensgefährliche Wege auf sich nehmen, um hier zu uns nach Europa zu kommen und so Unterdrückung und Verfolgung zu entfliehen. Viele sterben in der Wüste. Nicht wenige ertrinken im Friedhof Mittelmeer. Das ist auch eine europäische Schande. Wir müssen endlich die Festung Europa überwinden und legale Zugangswege schaffen, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD]) Die Eritreer, die bei uns leben, müssen wir vor den Fängen des Regimes schützen. Es gibt Berichte, dass Eritreer, die im Ausland leben, selbst die, die mittlerweile eine andere Staatsangehörigkeit haben, von den eritreischen Botschaften erpresst werden, eine Exilsteuer zu zahlen. Sonst erhalten sie keine Papiere, oder ihre Angehörigen vor Ort werden bedroht. Ich bin fassungslos, dass im Raum steht, dass eine ausländische Botschaft in Deutschland so agieren kann. Das muss durch die Bundesregierung aufgeklärt und scharf verurteilt werden. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD]) Eritrea ist eine der schlimmsten Diktaturen der Welt. Es ist gut, dass die Bundesregierung das ähnlich sieht. Ich wünschte mir aber, dass wir die gleichen Standards, die wir an Eritrea anlegen, auch an einige Partnerländer Deutschlands anlegten. Vor wenigen Tagen war Ägyptens Putschpräsident elSisi in Deutschland. Die Bundeskanzlerin hat ihn offiziell empfangen. Unter ihm gibt es 1 500 Todesurteile, 40 000 politische Gegner sitzen in Gefängnissen, Oppositionsgruppen sind verboten, ein Parlament gibt es nicht. Trotz alledem wertet die Bundesregierung dieses Verbrecherregime auf und bietet ihm eine internationale Bühne. Erst Jahrzehnte mit Mubarak zusammenarbeiten, jetzt el-Sisi empfangen – Geschäfte haben offensichtlich für die Bundesregierung Vorrang vor Menschenrechten. Das ist beschämend. (Beifall bei der LINKEN) Genauso läuft es mit Saudi-Arabien, einer Diktatur, die foltert und öffentlich köpfen lässt. Das Strafsystem ist dem der Terrororganisation „Islamischer Staat“ ähnlich: Steinigungen von Frauen, Amputationen von Armen und Füßen. Auf den Abfall vom Glauben und auf Homosexualität steht die Todesstrafe. – Dennoch war Wirtschaftsminister Gabriel vor kurzem da. Deutschland liefert modernste Waffen. Das ist an Verlogenheit nicht zu übertreffen. (Beifall bei der LINKEN) Solche Doppelstandards entwerten berechtigte Kritik an Diktaturen. Solange Sie von der Bundesregierung mit der einen Diktatur aus geostrategischen Überlegungen Geschäfte machen, während Sie strategisch unwichtige Diktaturen verurteilen, so lange ist Ihr Hochhalten von Menschenrechten unglaubwürdig. (Beifall bei der LINKEN) Stellen wir uns einmal vor, Eritrea hätte viel Öl und würde es an Deutschland verkaufen. Ich befürchte, die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen wäre dann nicht mehr so laut. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist unredlich!) Deutschland stünde es gut zu Gesicht, weltweit die gleichen Maßstäbe für die Bewertung von Menschenrechten anzulegen; sonst hat man die moralische Integrität einer Schwingtür. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Rolf Mützenich [SPD]: „Moralische Integrität“, gutes Stichwort!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Frank Schwabe das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frank Schwabe (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich nichts dazu sagen; aber da wir uns bei Eritrea offenbar einig sind – ich wüsste auch nicht, wie man sich an der Stelle nicht einig sein könnte –, möchte ich Ihnen, Herr Movassat, schon etwas sagen: Ich würde mir auch von der Linkspartei wünschen, dass sie nicht unterschiedliche Kriterien anlegt und bei Ländern wie Venezuela oder Nordkorea nicht bereit ist, gelegentlich nachsichtiger zu sein als bei anderen Ländern. Das ist nämlich das, was ich wahrnehme. Insofern fällt der Vorwurf, den Sie an uns richten, auf Sie selbst zurück. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das zum Thema Schwingtür!) Ich möchte einen Satz zu der Lage in Aserbaidschan sagen. Ich glaube, das kann man bei einer Menschenrechtsdebatte machen, auch wenn wir am Freitag noch zu diesem Thema hier im Parlament kommen; denn ich bin wirklich empört darüber, dass Aserbaidschan die OSZE-Mission aus dem Land verweist. Wie wichtig Transparenz ist, diskutieren wir gerade am Beispiel von Eritrea. Wir können die Länder nicht miteinander vergleichen; aber es zeigt sich, was passiert, wenn ein Land nicht will, dass es internationale Transparenz gibt. Ich will die Gelegenheit nutzen, von hier aus zu sagen: Das Verhalten Aserbaidschans ist skandalös; das kann nicht ohne eine internationale Reaktion bleiben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Lage in Eritrea ist von den Kolleginnen und Kollegen schon umfassend beschrieben worden. Sie wird deutlich in den Überschriften, die man in dieser Woche in den Zeitungen lesen konnte. „Von dort, wo die Angst herrscht“, hat die Süddeutsche Zeitung getitelt. „Horrorbericht über die Republik der Angst“, so stand es in der taz. Das hat etwas mit dem in seiner Wirkung und seiner Bedeutung nicht zu unterschätzenden Bericht der Vereinten Nationen zu tun, der unter der deutschen Präsidentschaft jetzt in der Sommersession des UN-Menschenrechtsrats diskutiert wird. Auch da ist es benannt worden: Eritrea erfüllt leider alle negativen Kriterien – wirklich alle –, die man sich auf der Welt so vorstellen kann. Amnesty International berichtet von 10 000 politischen Gefangenen; jede freie Meinungsäußerung wird drakonisch bestraft. Es fliehen so viele Menschen aus diesem Land, obwohl die zurückbleibenden Familien mit Strafe bedroht sind. Das ist so. Diese Familien werden herausgefiltert. Es gibt offenbar sehr differenzierte Mechanismen, um herauszubekommen, wer das ist. Diese Familien müssen am Ende mit Repressionen schlimmster Art rechnen. Es gibt keine Parteien, keine freien Medien, erst recht keine internationalen, keine Gewerkschaften, es gibt Folter und drastischste Haftbedingungen, die auch hier genannt worden sind. Verantwortlich dafür ist eine Clique in dem Land unter Präsident Isayas Afewerki. Auch das muss klar sein: Wir haben im internationalen Strafrecht leider noch nicht genügend Möglichkeiten, aber wir müssen die bestehenden Regeln des internationalen Strafrechts anwenden, um diesen Präsidenten und seine Clique zur Verantwortung zu ziehen; denn die Vereinten Nationen haben, wie ich glaube, recht mit ihrer Einschätzung, dass es sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, die in Eritrea verübt werden. Ich finde die Reiseplanung des Ministers interessant und bin einmal gespannt, was an Reiseaktivitäten zustande kommt. Ich bin mir ganz sicher, dass der Minister, wenn diese Reise zustande kommt, eine klare Ansage zu all den Punkten macht, die wir hier miteinander diskutiert haben. Es ist leider richtig, wie gerade gesagt wurde: Das Land erfüllt leider überhaupt keine Voraussetzung, um mit ihm in irgendeiner Art und Weise Entwicklungszusammenarbeit zu betreiben, weil vollkommen sicher ist, dass jeder Cent, der dorthin fließt, in die falschen Hände gerät. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Warum kommen eigentlich so viele Eritreer nach Deutschland? Das fragen sich ganz viele in meinem Wahlkreis. Sie fragen: Warum aus Eritrea? Viele Leute wissen gar nicht, was da los ist. Ich glaube, etwas dagegen getan zu haben, ist das Verdienst des UN-Berichts, aber auch der Anfrage der Grünen. Mittlerweile haben das Evangelische Missionswerk und andere entsprechende Berichte vorgelegt. Auch die heutige Debatte ist wichtig; denn wir brauchen Informationen. Wir müssen versuchen, die Lage so transparent wie möglich zu machen; denn genau das will dieses Land auf keinen Fall. Dass unser Ansatz zum Teil funktioniert, habe ich festgestellt – ich nenne jetzt keine Namen –, als ich an einer deutschen Botschaft war und dort über Eritrea diskutiert habe. Botschaftsmitarbeiter, die für Menschenrechtsfragen zuständig waren, haben mir gesagt: Na ja, das sind doch eher soziale Gründe, die die Menschen aus Eritrea nach Europa treiben. – Deswegen ist es wichtig, darüber zu informieren. Die Zahl ist bereits genannt worden: 360 000 Eritreer halten sich in der Europäischen Union auf. Man muss sich vor dem Hintergrund von gerade einmal 6 Millionen Einwohnern in diesem Land vorstellen, was das für ein Verhältnis ist und wie weit damit Eritrea vor allen anderen Ländern Afrikas ist, was die Flucht nach Deutschland und nach Europa angeht. In der Tat, Tausende dieser Flüchtlinge sterben im Mittelmeer. Unsere Verantwortung besteht neben der Benennung der Situation in Eritrea darin, dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa nicht sterben müssen. Wenn sie dann in Deutschland sind, brauchen sie eine Chance, eine Perspektive. Die bekommen sie zum Teil leider auch nicht. Ich habe in der letzten Woche dem Standesamt von Castrop-Rauxel die Geburt meiner Tochter gemeldet. Herr Grabosch hat mir gesagt – ich habe ihm versprochen, das zu benennen –, er habe es jetzt sehr häufig mit eritreischen Familien zu tun, unter anderem mit einem Paar, das gerade ein Baby bekommen hat. Ein Problem ist, das viele Eritreer oft leider kein Englisch sprechen. Wie denn auch? Es gibt in Eritrea gar keine Universität mehr; sie sind alle geschlossen worden. Flüchtlinge aus Eritrea sind häufig nicht einmal in der Lage, in Deutschland eine Eheschließung vorzunehmen oder ihre Kinder nach der Geburt standesamtlich anzumelden. Ich glaube, auch da haben wir die Verantwortung, mit diesen Menschen vernünftig umzugehen und der Öffentlichkeit zu erklären, warum Menschen aus Eritrea nach Deutschland kommen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Tom Koenigs das Wort. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme allem zu, was bisher gesagt worden ist. Die Schilderung der Situation in Eritrea könnte nicht drastischer sein. Wie man sie letzten Endes auch beschreibt – Gulag unter freiem Himmel, Nordkorea Afrikas –, sie ist entsetzlich. Ich finde es gut, dass die Fraktionen der CDU/CSU und SPD diese Aktuelle Stunde aufgesetzt haben; denn so kommt es einmal zu einer Analyse der Fluchtursachen. Die Eritreer, die nach Deutschland kommen, verdienen Asyl und bekommen es auch. Das ist gut. Sie haben oft eine Art Weg zum Kalvarienberg durch äthiopische Flüchtlingslager zurückgelegt, bis sie überhaupt hierhergekommen sind. Manchmal sind sie nach Sinai verkauft worden, wo sie grausigen Torturen unterworfen wurden. Viele sind durch den Sudan geflohen, sehr viele durch die Wüste in Libyen. Letzten Endes waren sie immer wieder irgendwelchen Schleppern ausgesetzt, die bei ihren Verwandten anriefen und weiteres Geld verlangten. Die Mehrzahl derer, die letzthin im Mittelmeer ertrunken sind, auch bei den großen Unfällen, waren Eri-treer. Wer es dann bis Italien geschafft hat, ist immer noch nicht sicher. Viele von denen, die von Italien nach Deutschland, übrigens in erstaunlich hoher Anzahl nach Gießen, gekommen sind – es sind vor allem Jugendliche –, beschreiben, dass sie auch auf dem Weg durch Europa von Verbrechen, Erpressung und auch sexueller Gewalt begleitet worden sind. Die Durchgangsländer haben oft keinerlei Schutzsysteme – die europäischen Durchgangsländer bieten oft noch ein bisschen mehr Schutz als die afrikanischen –; deshalb ist in den Durchgangsländern sehr viel zu tun. Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren. Diese Flüchtlinge verdienen und bekommen Asyl, und wir wissen, dass sich die Situation in Eritrea nicht in den nächsten ein, zwei, drei Jahren ändern wird; hoffentlich danach. Es dauert im Durchschnitt 11,2 Monate, bis die Flüchtlinge eine Duldung oder Asyl haben. In diesen elf Monaten hängen sie – meist junge Männer, aber auch Frauen – in der Ungewissheit. Warum fangen wir denn nicht sofort mit Integrations- und Deutschkursen an? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Das sind doch genau die Leute, die wir hier brauchen. Und sagen Sie nicht: Die gehen ja irgendwann wieder, hoffentlich bald. – Das wären genau die Leute, die wir sonst für viel mehr Geld in der Entwicklungshilfe in den afrikanischen Ländern ausbilden, und sie könnten dort auch ihre Erfahrungen mit Demokratie einbringen. (Zustimmung des Abg. Martin Patzelt [CDU/CSU]) Das wäre also entweder eine Entwicklungshilfe oder eine Hilfe für uns, weil wir dann Experten hätten, die ausgebildet sind. Da müssen wir am ersten Tag anfangen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zum Beispiel mit dem Zugang zum Gesundheitssystem, worüber immer noch verhandelt wird. Die Regelung zu sicheren Drittstaaten haben Sie von der Koalition schnell geschaffen, aber über die Gesundheitskarte wird immer noch verhandelt. Was ist denn? Nun lösen Sie das doch ein! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Annette Groth [DIE LINKE]) Oder: Deutschunterricht vom ersten Tag an! Die müssen Deutsch können, und sie lernen es auch. Es sind viele unter denen, die schon eine Bildung haben. Arbeitsvermittlung, soziale Betreuung, all das wird dringend gebraucht. Noch eine andere Sache: Wenn diese Menschen hier im Rahmen der eritreischen Bürokratie Kontakt mit dem Konsulat haben, müssen sie die Aufbausteuer, 2 Prozent vom Netto, zahlen, übrigens auch von dem, was sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Auf unsere Anfrage wurde geantwortet, das könne man nicht ändern. Es kann doch nicht wahr sein, dass die eritreischen Behörden diese Leute in Deutschland abzocken und wir sagen: „Das können wir nicht kontrollieren“! Jede Frittenbude, die keinen Fettabscheider hat, machen wir zu. Und das können wir nicht kontrollieren? Das kann doch nicht wahr sein! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich glaube, da müssten wir uns ein bisschen mehr Flüchtlingsschutz überlegen. Ein Allerletztes. Ja, der Herr Bundesminister Müller reist. Ich finde, man sollte auch mit dem Teufel reden. Hoffentlich redet er da deutliche Worte. Aber es gibt auch Peinlichkeiten. Die sollte er vermeiden. Thema „Auswärtige Kulturpolitik“: Der Botschafter hat ein Konzert der Philharmonie Leipzig in Eritrea vermittelt. Sehr schön haben sie gespielt – am Nationalfeiertag. Die Generäle und der Präsident saßen dabei: Hurra, die Deutschen spielen! – Ich würde mir wünschen, dass Herr Müller eine solche Peinlichkeit vermeidet. Jeder Cent für dieses Land stützt die Diktatur, stützt die Menschenrechtsverletzungen und dient nicht den Ärmsten der Armen, die dort im Land höchst zahlreich sind. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Martin Patzelt hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Martin Patzelt (CDU/CSU): Meine sehr verehrten Besucher! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich am Abend mit den beiden jungen Eritreern, mit denen ich unterdessen befreundet bin, am Küchentisch sitze, dann beschreiben sie all das, was meine Vorredner hier beschrieben haben. Das hat auch den Hintergrund, dass sie verzweifelt fragen, wie es ihren Schwestern geht, die irgendwo durch Nordafrika irren, und wie es ihren alten Eltern geht, die sozusagen in Geiselhaft genommen wurden, weil ihre Kinder verschwunden sind. Wenn wir durch Deutschland fahren – ich nehme sie auf meinen Fahrten nach Köln, nach Potsdam, nach Erfurt mit –, entdecken sie überall Gesichter aus Eritrea, ganz schnell. Wenn sie dann miteinander sprechen, dann sprechen sie über ihr Elend, über ihre Heimat und über ihren dringenden Wunsch, in diese Heimat einmal wieder zurückzukönnen. – Das will ich Ihnen so mitteilen, weil das ein Indiz dafür ist, dass es junge Menschen sind, die immer noch Hoffnung auf eine Zukunft ihres Landes haben. Was machen wir? Ich bin so froh und dankbar, dass es diese Aktuelle Stunde gibt, dass wir immer wieder thematisieren, dass wir Bewusstsein dafür schaffen, auch in der Öffentlichkeit, wie es den Menschen in der Welt geht, wie es den Menschen in Eritrea geht. Wir haben gerade die Sitzung des Menschenrechtsausschusses unterbrochen, um in dieser Aktuellen Stunde mit über dieses Thema nachzudenken. Oft überfällt uns eine Ohnmacht. Im Menschenrechtsausschuss erleben wir die ganze Not der Welt. Sie wird uns dort – das wurde sehr gut recherchiert, zum Teil geht es dabei um selbst Erlebtes – sehr intensiv beschrieben bzw. vor Augen geführt. Man wird sprachlos. Auch empfindet man Hilflosigkeit und fragt sich: Was sollen wir denn tun? Vor acht Jahren haben wir die wirtschaftliche Entwicklungshilfe für Eritrea eingestellt. Es war richtig, dass wir sie eingestellt haben. Auch ich bin der Meinung, dass bei einem solch verbrecherischen Regime kein Geld in dieses Land fließen darf. Die sich daran anschließende Frage lautet: Welche Möglichkeiten haben wir denn eigentlich in der Hand, etwas zu tun? Resolutionen und Erklärungen reichen nicht. Wir dürfen aber – da gebe ich meinem Vorredner, Herrn Koenigs, sehr recht – den Dialog nicht abbrechen lassen. Auch wenn nur der kleinste gemeinsame Nenner vorhanden ist, müssen wir ihn führen. Dabei dürfen wir nicht unser Gesicht verlieren und kein falsches Zeugnis ablegen. Auch dürfen wir nicht missdeutet werden können. Diesen Balanceakt können wir durchführen. Ich bin unserer Regierung sehr dankbar, dass sie diese Politik bzw. diesen Balanceakt – ob bezogen auf Griechenland, Russland oder unsere Einsätze in Afrika bzw. Eritrea – immer wieder praktiziert und diesen schweren Weg geht. Wir müssen klar und deutlich machen, dass wir als Deutsche das, was dort geschieht, nicht fassen können und mit allen Möglichkeiten auf allen Ebenen energisch gegen dieses tiefe menschliche Unrecht protestieren. Andererseits müssen wir die Betreffenden immer wieder mit den Möglichkeiten, die wir zur Verfügung haben, neu locken, drücken und zwingen, damit sie in ihrem Land eine andere Entwicklung indizieren. Was haben wir für Möglichkeiten in der Hand? Wir haben Geld. Wenn es nach mir ginge, würden wir den gesamten Solidarbeitrag dafür investieren. Das ist ein illusorischer Vorschlag, weil wir dafür niemals eine politische Mehrheit finden würden. Ich will mit einer solch utopischen Forderung aber deutlich machen, dass wir in der Nähe dieser Länder in konzertierter Aktion eine nachhaltige systematische Entwicklungshilfe schaffen müssen, damit sie erkennen, dass Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung und vor allen Dingen Bildung die Voraussetzungen dafür sind, dass sich die Verhältnisse in ihren Ländern einmal ändern. Dafür gibt es viel zu wenig Zeugnisse und Beweise. Wir müssen uns, meine ich, auf die Strümpfe machen, um dort, wie gesagt, in konzertierter Aktion – vielleicht mit allen europäischen Staaten zusammen – eine solche projektorientierte nachhaltige Entwicklungshilfe zu leisten. Wir wissen, wie schwer das ist. Schon beim Flüchtlingsgipfel haben wir bemerkt, wie schwer Positionen zusammenzubringen sind. Das ist aber das größte Pfand, das wir in der Hand haben. Wir können deutlich, offen und unverkrampft zeigen, dass die Menschen freiwillig in unserem Land bleiben wollen, dass sie hier glücklicher sind, ein gesichertes Einkommen haben und sich sozial engagieren. Welch besseren Beweis könnte man in diesen Ländern bzw. Kontinenten dafür erbringen, dass das der richtige Weg ist? Wir sollten das – sozusagen wie einen Infekt – dort hintragen. Das kostet Mühe, Anstrengung und auch Geld. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Ute Finckh-Krämer für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Auch ich möchte mit einer persönlichen Erfahrung beginnen. Ich war vor Jahren auf einem Evangelischen Kirchentag bei einem Workshop, wo es um Kriegsdienstverweigerung zur Zeit des Zweiten Weltkrieges ging. Der Workshop wurde englischsprachig durchgeführt. Am Schluss der Diskussion meldeten sich zwei junge Männer und sagten: Wir kommen aus Eritrea. In unserem Land besteht dieses Problem heute. – Sie fragten, wie man unserer Meinung nach am besten mit der Situation in einem Land umgeht, wo das Militär unter dem Vorwand, dass man sich gegen einen großen, militärisch übermächtigen Nachbarn wehren müsse, die ganze Bevölkerung unterwirft. Sie zogen den Schluss, dass man in einer solchen Situation den Kriegsdienst verweigern darf und muss. Das geht in einem Land wie Eritrea aber nur, indem man flieht. Sie haben sich in Frankfurt – ich glaube, Gießen ist auch eingeschlossen – einer Exilorganisation eritreischer Kriegsdienstverweigerer angeschlossen. Diese Exilorganisation arbeitet seit vielen Jahren hier in Deutschland, und sie hat sich international vernetzt. Sie hat letztes Jahr eine Tagung in Pretoria unter dem Titel „Strategische Überlegungen über die politische und -sozio-ökonomische Krise in Eritrea“ durchgeführt. Es ging um die Frage, was die vielen in verschiedenen Exilländern lebenden Eritreer zur Verbesserung der Situation beitragen können, in dem Sinne, dass sie ein Konzept entwickeln, wie ein demokratisches, ein wirtschaftlich nicht mehr völlig dem Militär unterworfenes und damit für seine Bewohner lebenswertes Eritrea aussehen könnte. Das finde ich sehr interessant; denn das ist ein weiterer Ansatz, den wir haben, um eine Veränderung in Eritrea zu bewirken. Dass wir nämlich nicht nur die, die als Flüchtlinge zu uns kommen, individuell unterstützen in der Hoffnung, dass sie irgendwann in das Land zurückkehren können, sondern dass wir unter ihnen eine Diskussion darüber befördern, sie darin unterstützen und bestärken, wie ein zukünftiges Eritrea aussehen könnte, ein Eritrea, das wieder lebenswert ist und sich nicht nur über eine militärische Bedrohung durch das Nachbarland Äthiopien definiert. In diesem Papier gibt es einige Hinweise, die ich einmal zitieren möchte, weil sie exemplarisch dafür sind, wie weitsichtig und klug diese Menschen sind, die sich vor einem Jahr in Pretoria getroffen haben. Sie sprechen darüber, dass es in ihrem Land vor und nach der Unabhängigkeit eine Kultur der Intoleranz und Straflosigkeit gab und gibt. Sie sprechen darüber, dass man Mechanismen zur Konfliktlösung entwickeln muss, um in einem solchen Land, in dem im Augenblick die einen die anderen unterdrücken, anschließend wieder zusammenleben zu können. Sie sprechen davon, dass in einem so autoritär strukturierten Land eine Beteiligung der Bevölkerung auf Graswurzelebene gesichert werden muss. Sie sprechen von der Notwendigkeit eines ernsthaften Aussöhnungsprozesses unter Eritreerinnen und Eritreern. Sie wollen Mechanismen finden, mit denen man den sozialen Zusammenhang im Land wiederherstellt und stärkt, weil in diesem autoritären Regime alles kaputtgeht – auch dies zeigt der Menschenrechtsbericht –, was es an sozialem, an menschlichem Zusammenhang gibt. Und – auch das finde ich interessant – sie sprechen davon, dass die Rolle von einheimischen Strukturen und Bräuchen für einen Versöhnungsprozess unter Eritreerinnen und Eritreern auf der Ebene der Sippen und Gemeinschaften gefunden werden muss, also genau das, was wir in Bezug auf andere Konfliktregionen in der Welt auch sagen. Die Lösungen müssen aus der eigenen Tradition, aus der eigenen Kultur heraus kommen. Die Lösungen können nicht von außen aufgestülpt werden. Ich wünsche mir, dass wir einen Weg finden, diesen Diskussionsprozess, der nicht nur in Deutschland stattfindet, sondern nach der Erklärung, die von Eritreerinnen und Eritreern aus Afrika, Australien, Europa und Nordamerika verfasst ist, offensichtlich auf mindestens vier Kontinenten stattfinden kann, zu unterstützen und zu stärken. Danke schön. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Thorsten Frei hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Thorsten Frei (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen vom vergangenen Montag hat deutlich vor Augen geführt, welche Zustände in Eritrea herrschen, hat deutlich vor Augen geführt, wie hier ein Volk geknechtet wird und von einem Despoten terrorisiert wird. Vieles von dem, was wir in dem 500-seitigen Bericht lesen können und was viele Kollegen im Rahmen dieser Debatte durchdekliniert haben, ist erschreckend, aber leider nicht wirklich überraschend. Auch wenn es viele westliche Politiker noch in den 1990er-Jahren gegeben hat, die geglaubt haben, dass Afewerki sozusagen ein fortschrittlicher Hoffnungsträger für Afrika sein könnte, wissen wir heute, dass er nichts anderes als ein lupenreiner Diktator ist, der mit einem perfiden Überwachungs- und Sicherheitssystem und eiserner Hand mehr als jeder andere Despot in Afrika sein Volk terrorisiert und in Angst und Schrecken versetzt, und das alles unter dem Deckmantel der Sicherung der Unabhängigkeit von Äthiopien, der Grenzstreitigkeiten mit Dschibuti, den schwierigen Verhältnissen mit eigentlich der kompletten Nachbarschaft von Eritrea. All das ist letztendlich ein Deckmantel dafür, dass sich das Land seit 1997 de facto in einem Dauerausnahmezustand befindet, die Menschen nicht an den politischen Prozessen beteiligt sind, es keine unabhängige Justiz gibt, es seit 1996 mit Militärrichtern besetzte Sondergerichte gibt, die jeden Fall an sich ziehen können, wo dann keine Anwälte und auch keine Rechtsmittel zugelassen sind. Wenn man solche Zustände hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist das ein Failed State und nichts anderes. Eritrea ist insofern vielleicht ein Sonderfall, als es ein Failed State nicht aufgrund von Kriegen oder Bürgerkriegen und nicht aufgrund von Naturkatastrophen oder, wie wir es in der Region sehr häufig erleben, aufgrund fehlender Staatlichkeit ist. Nein, es gibt dort Staatlichkeit, aber eben fehlgeleitete Staatlichkeit. Das macht es wahrscheinlich für uns so schwierig – das hat die Debatte gezeigt –, Lösungsansätze zu finden. Es ist geschildert worden, unter welchen erbärmlichen Umständen die Menschen dort leben und wie sehr das System die Menschen terrorisiert: dass es keine freie Presse gibt, dass es Opposition nur im Untergrund gibt, dass es keine Zivilgesellschaft gibt, dass es Verhaftungen und Hinrichtungen gibt, dass es dort 10 000 politische Gefangene gibt, wie Amnesty International sagt, dass es – wenn man sich die Lebenserwartung in diesem Land anschaut – im Prinzip einen unbegrenzten Militärdienst gibt, dass es Zwangsarbeit und Sklaverei gibt. Somit ist klar, warum wir in Europa mit den Folgen konfrontiert sind und die Menschen hierherkommen: aus lauter Verzweiflung und weil sie keinen Ausweg aus ihrer Situation sehen. Auch hier sind die Zahlen – sie sind genannt worden – wirklich alarmierend. Ein Viertel der Bevölkerung hat das Land, das weniger als 6 Millionen Einwohner hat, bereits verlassen. In Europa gibt es 360 000, in Deutschland etwa 70 000 registrierte Flüchtlinge aus Eritrea. Jeden Monat verlassen 3 000 bis 5 000 Menschen das Land. Dies macht deutlich, unter welchen Voraussetzungen die Menschen dort leben. Uns ist natürlich auch bewusst, dass das, was wir sehen – die registrierten Zahlen, die ich gerade referiert habe –, letztlich nur die Spitze des Eisbergs ist. Die Menschen, die die wirtschaftliche Kraft aufbringen, Schlepperbanden zu bezahlen und Visa zu besorgen, und körperlich in der Lage sind, den Treck durch Kriegs- und Bürgerkriegsgebiete in Afrika, durch die Wüste bis an die libysche Küste zu nehmen oder etwa über die Sinai-Halbinsel zu fliehen, werden häufig von Banden gefangen genommen – es ist beschrieben worden – und in Containern gehalten. Ihnen werden Organe herausgerissen, die anschließend verkauft werden. Die Familienangehörigen, die zurückgeblieben sind, werden erpresst. Das sind die Zustände, mit denen wir dort konfrontiert sind. Deshalb ist klar, dass wir versuchen müssen, mit den wenigen Möglichkeiten, die wir haben, dazu beizutragen, die Situation zu verbessern. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, die UN-Sanktionen und auch das Waffenembargo aufrechtzuerhalten, dass es darüber hinaus richtig ist, nach Möglichkeit zu verhindern, dass sich dieses Land Devisen beschafft. Wir haben darüber gesprochen, dass es eine zweiprozentige Aufbausteuer für Exilanten gibt. Sie ist immerhin die zweitwichtigste Einnahmequelle der Regierung. Die wichtigste Einnahmequelle sind die Rohstoffe. Wir sollten auch die außenpolitischen Möglichkeiten nutzen, etwa über den Sudan, in dem wir engagiert sind und der das einzige Land ist, das halbwegs vernünftige Beziehungen zu Eritrea hat. Wir sollten auch die Äthiopier darin bestärken, den Entspannungskurs fortzusetzen, (Beifall des Abg. Martin Patzelt [CDU/CSU]) damit es möglich wird, den Verfassungsprozess von 1997 wieder aufzunehmen und letztlich – es ist gesagt worden – der Regierung von Eritrea das letzte Deckmäntelchen an Legitimität zu entreißen. Das, glaube ich, sind die wenigen Möglichkeiten, die wir aber entschlossen nutzen sollten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Johannes Selle hat abschließend für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Johannes Selle (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie meine Vorredner schon detailliert ausgeführt haben, sind die Schilderungen des Berichtes der Vereinten Nationen zur Menschenrechtssituation in Eritrea erschreckend. Sie zeugen von einem Machtwillen, der ohne Rücksicht auf das Schicksal der Menschen im Lande durchgesetzt wird. Die drastischen Sanktionen der Vereinten Nationen mit einer De-facto-Ächtung des Regimes bleiben wirkungslos. Irgendwann wird die internationale Gemeinschaft ernsthaft über wirksamere Instrumente diskutieren müssen. Der Präsident Eritreas hat in über 20 Jahren nichts zustande gebracht, um die materielle Lage seines Volkes zu verbessern. Offensichtlich ist er nicht willens dazu. Entsprechende Angebote auch aus Deutschland hat es immer wieder gegeben, aber eben nur unter der Bedingung, dass sich die Menschenrechtslage verbessert. Wen wundert es, dass die auf Autarkie getrimmte Wirtschaftspolitik das Land ruiniert hat? Der Präsident hat ein Regime aufgebaut, das auf die absolute Kontrolle bis in die kleinsten Winkel des Landes und bis in die banalste Alltagssituation in der Gesellschaft ausgelegt ist. Weder gibt es eine Opposition, nicht einmal im Untergrund, noch andere Ansätze einer zivilgesellschaftlichen Bewegung. Kooperationen mit ausländischen Organisationen finden so gut wie nicht statt. Mit anderen Worten: Es handelt sich um eine Gesellschaft, die in eine Isolation gezwungen ist, wie wir sie vielleicht nur noch aus Nordkorea kennen. Immer wieder müssen wir uns die Frage stellen: Was können wir unternehmen, um das Regime zum Ein-lenken zu bewegen und den Menschen zu helfen? Für Entwicklungspolitiker ist die Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit, zumal bei einem so niedrigen Entwicklungsstand, immer schmerzhaft. Dann rücken Verbesserungen erst recht in weite Ferne. Wegen der unhaltbar gewordenen Zustände musste die bilaterale -Zusammenarbeit mit Eritrea bereits 2007 eingestellt werden. Selbst die sonst in vielen Fällen mögliche Förderung nichtstaatlicher Akteure von außen ist im Falle Eritreas nicht möglich; denn erstens gibt es aufgrund der Unterdrückung keine zivilgesellschaftliche Bewegung, die gefördert werden könnte, und zweitens sind Organisationen, die eine solche Unterstützung leisten können, in Eritrea nicht zugelassen. Wir dürfen nicht aufgeben, Eritrea im multilateralen Kontext der EU zum Einlenken zu bewegen. Bis 2020 sind im Europäischen Entwicklungsfonds 200 Millionen Euro für Eritrea vorgesehen. Im Gegensatz zu meinem linken Kollegen habe ich nicht so ein furchtbares Bild von der Europäischen Union. Aber das Geld darf natürlich nicht unkonditioniert vergeben werden, das ist klar, und das werden wir auch nicht tun. Wenn wir uns fragen, was wir tun können, dann müssen wir thematisieren, dass Eritrea Ausgangsland einer massiven Flüchtlingsbewegung ist. Die beschriebenen massiven Menschenrechtsverletzungen zwingen jeden Monat Tausende Eritreer zur Flucht. Gegenüber 2013 wurde in 2014 eine Steigerung der Anzahl von Flüchtlingen von 153 Prozent festgestellt. Ein Teil davon tritt die gefährliche Weiterreise gen Norden an. In unserer Kreisstadt gab es eine öffentliche Veranstaltung mit jungen Eritreern zu ihrer dramatischen Flucht, bei der sie mehrfach vom Tode bedroht waren: beim Übertritt der Grenze, bei der Flucht durch die Wüste und dann bei der gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer. Ein Großteil verbleibt jedoch in den Staaten, in denen die Menschenrechtssituation zwar auch nicht unbedingt zufriedenstellend ist, aber immerhin haben sie dort das Recht, zu leben und zu arbeiten. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann meines Erachtens ein Ansatzpunkt sein. Die Hilfe zur Integration der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeländern wird auch im Empfehlungskapitel des VN-Berichtes hervorgehoben. Das ist eine Aufgabe, der sich die Entwicklungspolitik annehmen kann. Lassen Sie uns den Menschen, die in der Region bleiben, eine Perspektive geben. Diese Menschen mit einer Perspektive können dann auch ein Gegengewicht zum Regime in Asmara bilden und zurückkehren, wenn die Lage in der Heimat dies zulässt. Das BMZ unterstützt das punktuell schon in Äthiopien. Wir müssen diesen Ansatz offensiv und im europäischen Kontext auf die Zehntausende von Flüchtlingen im Sudan ausdehnen, die bislang ohne Hilfe bleiben und daher gezwungenermaßen andere Wege aus ihrer Situation suchen. Der Sudan hat mir gegenüber auf Ministerebene einem dauerhaften Bleiberecht zugestimmt. Lassen Sie uns tun, was wir tun können. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 11. Juni 2015, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 16.45 Uhr) Berichtigung 107. Sitzung, Seite 10249 A, letzte Zeile, „der Gesetzentwurf angenommen.“ ist zu streichen und an den letzten Absatz auf Seite 10249 C anzufügen, sodass der letzte Satz lautet: „Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.“ Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10.06.2015 Baerbock, Annalena BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10.06.2015 Behrens (Börde), Manfred CDU/CSU 10.06.2015 Buchholz, Christine DIE LINKE 10.06.2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10.06.2015 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 10.06.2015 Heil (Peine), Hubertus SPD 10.06.2015 Ilgen, Matthias SPD 10.06.2015 Juratovic, Josip SPD 10.06.2015 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 10.06.2015 Müller (Chemnitz), Detlef SPD 10.06.2015 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10.06.2015 Veit, Rüdiger SPD 10.06.2015 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 1): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung – bitte differenziert nach EU- und nationaler Ebene darstellen –, um die „dramatische“ (dpa vom 3. Juni 2015) humanitäre Lage für neu ankommende Flüchtlinge auf den griechischen Inseln in der Nähe zur Türkei (vergleiche unter anderem: www.welt.de vom 28. Mai 2015: „Urlaub auf Kos – mitten im Flüchtlingselend“) angesichts einer Steigerung der Zugangszahlen um 500 Prozent gegenüber dem Vorjahr (AFP vom 4. Juni 2015) schnellstmöglich zu verbessern, und welche konkreten Initiativen plant sie diesbezüglich, etwa im Rahmen der humanitären Not- und Soforthilfe, da sie die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Entlastung Ita-liens und Griechenlands im Grundsatz begrüßt hat? Die Europäische Kommission hat mit der Migrationsagenda vom 13. Mai 2015 und dem danach vorgelegten ersten Maßnahmenpaket zu deren Umsetzung konkrete Vorschläge gemacht, um besonders belastete Mitgliedstaaten an den Außengrenzen wie Griechenland und Italien bei der Bewältigung der Migrationsherausforderungen zu entlasten. Ein Bestandteil dieses Maßnahmenpakets der Kommission ist die Entwicklung eines neuen „Brennpunkt“-Konzepts, bei dem das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen – EASO –, Frontex und Europol vor Ort mit den Mitgliedstaaten an den Außengrenzen zusammenarbeiten werden, um ankommende Migranten mit allem Notwendigen zu versorgen, rasch erkennungsdienstlich zu behandeln und in ein Asylverfahren zu überführen. Die Kommission wird außerdem 60 Millionen Euro Soforthilfe bereitstellen, unter anderem um die einem besonderen Druck ausgesetzten Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Aufnahmekapazitäten und ihrer Möglichkeiten, die Migranten medizinisch zu versorgen, zu unterstützen. Unabhängig davon können die Länder, die von einem Zustrom von Migranten und Asylsuchenden besonders betroffen sind, gegebenenfalls auch um Unterstützung im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der EU ersuchen. Als weitere Sofortmaßnahme sieht die Migrations-agenda ein Umsiedlungsprogramm auf der Grundlage -eines Verteilungsmechanismus als Reaktion auf die große Zahl der in der EU ankommenden Flüchtlinge vor. Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich die von der Kommission vorgeschlagene Entlastung Italiens und Griechenlands durch Umsiedlungsmaßnahmen. Hierzu sind allerdings noch eine Reihe von Fragen zum Verfahren zu klären. Unabhängig davon haben EASO und Griechenland im Mai 2015 einen neuen Aktionsplan mit maßgeschneiderten Unterstützungsmaßnahmen für Griechenland unterzeichnet, mit einer Laufzeit von zwölf Monaten, bis Mai 2016. Diese Unterstützungsmaßnahmen knüpfen an die Projekte des Ende 2014 abgelaufenen Aktionsplans Griechenland an. Konkret bedeutet das, dass EASO Griechenland in den nächsten zwölf Monaten dabei unterstützen wird, – finanzielle EU-Fördermittel zu beantragen, – in Bereichen des Projektmanagements, – bei Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter der griechischen Asylbehörden, – bei der Durchführung von Dublin-Verfahren, – bei der weiteren Verbesserung des Aufnahmeverfahrens. Durch den neuen Aktionsplan und die ständigen Kontakte mit den griechischen Asylbehörden verfügt EASO über das beste Lagebild, wo und wie den Schutzsuchenden in Griechenland geholfen werden kann. Für konkrete und rasche Hilfen stehen einige ausdrücklich für diesen Zweck geschaffene sachgerechte EU-Instrumente zur Verfügung, die Griechenland jederzeit abrufen kann, nämlich über 400 Millionen Euro bis 2020. Allein aus dem neu geschaffenen EU-Asyl-, Mi-grations- und Integrationsfonds, AMIF, stehen Griechenland insgesamt 259,3 Millionen Euro zur Verfügung. Zu nennen sind außerdem besondere Unterstützungsmaßnahmen durch EASO wie die Koordinierung von Maßnahmen zur Bereitstellung geeigneter Aufnahmeeinrichtungen wie Notunterkünfte, Beförderungsmittel und medizinische Versorgung. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass diese Maßnahmen der Kommission schnell umgesetzt werden. Was die oben genannten zusätzlichen 60 Millionen Euro Soforthilfe betrifft, so ist die Bedarfsermittlung bereits im Gange. Was die anderen Maßnahmen angeht, so finden gegenwärtig die notwendigen Befassungen der Ratsgremien statt. Die Bundesregierung setzt sich für deren zügigen Abschluss ein. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 8): Wann hat die Bundesregierung das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut, das Umweltbundesamt und das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft beauftragt, eine Zusammenstellung von Emissionsminderungsmaßnahmen, deren Minderungspotenzial, Kosten und Instrumenten zu erstellen (vergleiche Antwort der Bundesregierung zu Frage 18 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 18/4981), und bis wann erwartet sie die Vorlage von (Zwischen-)Ergebnissen? Die Bundesregierung hat den zitierten Auftrag bezüglich der Ammoniakemissionen Mitte März 2015 erteilt. Erste Ergebnisse werden vor der diesjährigen Sommerpause des Deutschen Bundestages erwartet. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 9): Wie bewertet die Bundesregierung die Anbindehaltung von Rindern hinsichtlich des Tierwohls (vergleiche Stellungnahme der Bundestierärztekammer zur Anbindehaltung bei Rindern vom 23. April 2015)? Gemäß § 2 des Tierschutzgesetzes sind Tiere verhaltensgerecht unterzubringen, und ihre Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung darf nicht so eingeschränkt werden, dass ihnen Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Gemäß den Europaratsempfehlungen sollen Kühe und Färsen im Sommer Gelegenheit -haben, sich so oft wie möglich – vorzugsweise täglich – im Freien aufzuhalten. Der Vollzug des Tierschutzrechtes und damit auch die Kontrolle von Tierhaltungen im Hinblick auf die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Anforderungen obliegen den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Aus der Sicht des Tierschutzes sind andere Formen der Rinderhaltung wie die Laufstallhaltung, die Haltung mit Auslauf und insbesondere die Weidehaltung der Anbindehaltung vorzuziehen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Bleser auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 10): Wann plant die Bundesregierung die Anbindehaltung auch für Rinder, die über sechs Monate alt sind, durch eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit einer angemessenen Übergangsfrist zu verbieten, und wie will sie die tierhaltenden Betriebe dabei unterstützen? Änderungen des bestehenden Rechtsrahmens mit dem Ziel eines Verbots der Anbindehaltung sind derzeit nicht geplant, weil die der Bundesregierung vorliegenden Informationen bislang nicht erwarten lassen, dass der – von der Bundesregierung begrüßte – ohnehin festzustellende Trend zur Aufgabe der Anbindehaltung sich verlangsamen oder gänzlich abebben könnte. Ein solches Verbot der Anbindehaltung wäre zudem zur Wahrung der Rechte betroffener Tierhalter mit der Festlegung von Übergangsfristen zu verbinden. Ob gegenüber dem ohnehin festzustellenden Trend zur Aufgabe der Anbindehaltung hiermit ein rascherer Ausstieg zu erreichen wäre, wird nach den derzeit vorliegenden Informationen bezweifelt. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 11): Welchen Ermessensspielraum haben militärische Befehlshaber im Rahmen der derzeit geltenden Regeln für die Bundeswehr, um in bewaffneten Konflikten eine genutzte oder – gegebenenfalls nur vorübergehend – verlassene Schule für militärische Zwecke zu nutzen? Die Bundeswehr unterliegt in bewaffneten Konflikten den Regeln des humanitären Völkerrechts. Hiernach sind zivile Objekte zu schonen bzw. zu schützen. Schulen, Universitäten und andere Lehreinrichtungen gehören zu den ausdrücklich vor gezielten militärischen Angriffen geschützten zivilen Objekten, solange diese nicht militärisch genutzt werden. Im Zweifelsfall wird vermutet, dass ein in der Regel für zivile Zwecke bestimmtes Objekt wie eine Schule nicht dazu verwendet wird, wirksam zu militärischen Handlungen beizutragen. Das humanitäre Völkerrecht stellt einen Ausgleich zwischen militärischen und humanitären Erfordernissen dar. Der zuständige Befehlshaber hat danach ein Auswahlermessen bezüglich der militärischen Nutzung eines Gebäudes, das jedenfalls aktuell nicht für den Schulbetrieb genutzt wird. Dieses Auswahlermessen ist von den militärischen Notwendigkeiten im Einzelfall unter Berücksichtigung der Grundregel der Schonung und des Schutzes ziviler Objekte abhängig. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Caren Marks auf die Frage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 12): Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um bei dem durch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, angekündigten Übergangskonzept zur Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zwischen den Bundesländern die Beachtung der Kinderrechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention sicherzustellen, und wie sollen diese ausgestaltet werden? Angesichts der massiven Überbelastung einzelner Kommunen – mancherorts sind die Kapazitätsgrenzen bereits so weit überschritten, dass eine Unterbringung, die den Belangen des Kindeswohls Rechnung trägt, nicht mehr möglich ist – hat Frau Ministerin zugesichert, die Länder in ihrem Vorhaben zu unterstützen, bereits jetzt eine bundesweite Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen durch die Abstimmung eines Übergangsverfahrens zu ermöglichen. Hier kann ein Übergangsverfahren – auf Grundlage des geltenden Rechts – helfen, bis zum Inkrafttreten des Gesetzes. Ziel eines Übergangsverfahrens ist es, kurzfristig einen Weg zu finden, der es ermöglicht, Kinder und Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, auch tatsächlich in bedarfsgerechten Einrichtungen unterzubringen. Auch Zwischenlösungen können nur auf Grundlage des geltenden Rechts erfolgen. Das heißt, auch ein Zwischenverfahren wird eine dem Kindeswohl entsprechende, bedarfsgerechte Versorgung, Betreuung und -Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen sicherstellen, dies entsprechend den gesetzlich verbürgten Standards des SGB VIII. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Caren Marks auf die Frage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 13): Wie will die Bundesregierung im durch Bundesministerin Manuela Schwesig angekündigten Übergangskonzept zur Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zwischen den Bundesländern sicherstellen, dass die von einer oftmals langen und traumatisierenden Fluchtgeschichte betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht mehrmals über das Bundesgebiet verteilt und damit auch mehrfachen Vormundwechseln ausgesetzt werden? Ziel eines Übergangskonzepts ist es, dass auch massiv überlastete Kommunen unbegleitete Minderjährige kindeswohlgerecht unterbringen, versorgen und betreuen können. Mancherorts ist dies derzeit oftmals kaum mehr möglich. Wie bereits dargetan: Auch ein Übergangskonzept kann nur im Einklang mit geltendem Recht gefasst werden. Das Primat der Kinder- und Jugendhilfe bleibt gewahrt. Auch ein Übergangsverfahren wird an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen ausgerichtet. So wird beispielsweise gelten: Die Verteilung eines unbegleiteten ausländischen Minderjährigen erfolgt nicht, wenn dadurch das Kindeswohl gefährdet würde. Unbegleitete Minderjährige sollen persönlich begleitet werden, wenn die Kommunen sie in einer anderen unterbringen und versorgen. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Caren Marks auf die Frage der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 14): Wann ist eine Beschlussfassung im Bundeskabinett in Bezug auf das Gesetz zur Verbesserung der Versorgung und Betreuung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger vorgesehen, und wie verhält es sich in diesem Kontext mit dem Zeitplan und der Ausgestaltung des von der Bundesministerin Manuela Schwesig angekündigten Übergangskonzepts zur Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen? Der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ist seit dem 1. Juni in der Ressortabstimmung. Eine Kabinettbefassung soll nach derzeitigem Stand noch vor der Sommerpause erfolgen. Einzelne Kommunen sind gegenwärtig massiv überlastet und mancherorts sind die Kapazitätsgrenzen bereits so weit überschritten, dass eine Unterbringung, die den Belangen des Kindeswohls Rechnung trägt, nicht mehr möglich ist. Daher hat Frau Ministerin zugesichert, die Länder in ihrem Vorhaben zu unterstützen, bereits jetzt eine bundesweite Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen durch die Abstimmung eines Übergangsverfahrens zu ermöglichen. Mit einem solchen Übergangsverfahren – auf Grundlage des geltenden Rechts – soll bis zum Inkrafttreten des Gesetzes das Kindeswohl der unbegleiteten Minderjährigen sichergestellt werden. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 19): Wann und in welcher Form werden der Deutsche Olympische Sportbund, DOSB, der Deutsche Fußball-Bund e. V., DFB, und die kommunalen Spitzenverbände am Diskussionsprozess über das weitere Verfahren und die Zeitabläufe zur Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung, SALVO, und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, BImSchG, einschließlich ihrer Beteiligungsmöglichkeiten, informiert? Zurzeit wird im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit abteilungsübergreifend geprüft, welche Änderungen bei einer Novellierung der Vorschriften zum Sportlärm sachgerecht sind. Hierbei werden auch die Vorschläge der Verbände berücksichtigt. Das weitere Verfahren wird nach Abschluss der inhaltlichen Beratungen geklärt. Anlage 11 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Katrin Kunert (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 20): Warum blieben die bisherigen an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BMUB, gerichteten Schreiben und Initiativen der Verbände zur Änderung der SALVO und des BImSchG bisher ohne Resonanz (siehe Schreiben des DFB an die Parlamentarische Staats-sekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Rita Schwarzelühr-Sutter, vom 18. Mai 2015), und wann gedenkt das BMUB darauf zu reagieren? Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Deutschen Olympischen Sportbund und den Deutschen Fußballbund mit Schreiben vom 20. Februar 2015 darüber informiert, dass die Beratungen innerhalb des Bundesumweltministeriums noch nicht abgeschlossen sind. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass Länder und Verbände bei der Einleitung eines Verordnungsgebungsverfahrens zur Novelle der Sportanlagenlärmschutzverordnung nach § 51 Bundesimmissionsschutzgesetz erneut förmlich beteiligt werden. Länder und Verbände haben hierbei ergänzend zu ihren bisherigen Stellungnahmen erneut die Gelegenheit, ihre Auffassungen darzulegen. Auf das Schreiben des Deutschen Olympischen Sportbundes und den Deutschen Fußballbundes vom 18. Mai 2015 wird in Kürze geantwortet. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 22): Welche Zwischenlösung sieht die Bundesregierung für den Regierungsflughafen vor, wenn mit dem Bau desselben am Standort Flughafen Schönefeld erst nach Inbetriebnahme des neuen Flughafens BER begonnen werden kann, die Bauzeit voraussichtlich vier Jahre dauern wird (Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksachen 18/1431 und 18/4919) und die Schließung des Flughafens Tegel nach Fertigstellung des Flughafens BER angestrebt ist, und welche Kosten entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich (bitte für die vergangenen fünf Jahre aufschlüsseln) für den Regierungsteil am Flughafen Tegel? Die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2011 mit der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH einen Vertrag geschlossenen, wonach das bestehende Abfertigungsgebäude Terminal A am Flughafen Schönefeld alt, SXF, als Interim bis zur Fertigstellung der Hauptbaumaßnahme für den Protokollbereich der Bundesregierung und Verfassungsorgane, Regierungsflughafen, vorgesehen ist. Mit der Interimsunterbringung können nach Schließung des Flughafens Berlin-Tegel der politisch-parlamentarische Flugbetrieb der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und der protokollarische -Regierungsflugbetrieb des Auswärtigen Amtes am Flughafen BER unterbrechungsfrei sichergestellt werden. Aufgrund der prognostizierten Entwicklung der Passagierzahlen am künftigen Flughafen BER plant die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH eine zeitlich befristete Weiternutzung des Flughafens Schönefeld alt, SXF. Daher hat sie dem Bund abweichende Interimsstandorte auf dem Flughafengelände vorgeschlagen. Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH prüft derzeit die vor einer Zustimmung des Bundes nachzuweisende funktions- und termingerechte Realisierbarkeit von Hauptmaßnahme und Interim. Mit Schließung des Flughafens Berlin-Tegel ist die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH vertraglich zur unterbrechungsfreien Sicherstellung des politisch-parlamentarischen Flugbetriebes der Flugbereitschaft und des protokollarischen Regierungsflugbetriebes am Standort BER in Schönefeld verpflichtet. Diese Funktionen sind in Berlin-Tegel untrennbar mit dem Betrieb des Verkehrsflughafens Tegel verbunden, dessen Infrastruktur wie Start- und Landebahnen und Dienstleistungen, zum Beispiel Bodendienste, Flugsicherung, mitgenutzt werden. Eine Ermittlung dieser komplexen Kosten sowie der Betriebskosten ist in der Kürze der Zeit nicht möglich. Auch am zukünftigen Standort BER würden die Infrastruktur und die Dienstleistungen des Großflughafens mitgenutzt. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Monika Grütters auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 27): Wie viele Anträge auf Förderung deutscher Filmproduk-tionen sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Filmförderungsanstalt, FFA, und dem Deutschen Filmförderfonds, (DFFF) in den Jahren 2013 und 2014 eingegangen (nach der Beteiligung von weiblichen und männlichen Regisseuren aufschlüsseln), und wie viele dieser Anträge wurden jeweils bewilligt (nach der Beteiligung von weiblichen und männlichen Regisseuren aufschlüsseln)? Bei der FFA wurden im Jahr 2013 insgesamt 138 Anträge auf Projektfilmförderung gestellt, davon 105 mit der Beteiligung von männlichen und 33 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren. Bewilligt wurden insgesamt 57 Projektförderungsanträge, davon 48 mit der Beteiligung von männlichen und 9 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren. Im Jahr 2014 gab es bei der FFA insgesamt 118 Anträge auf Projektfilmförderung, davon 91 mit der Beteiligung von männlichen und 28 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren (in einem Projekt arbeiteten zwei Personen an der Regie). Gebilligt wurden 47 Anträge, davon 36 mit der Beteiligung von männlichen und 12 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren (in einem Projekt arbeiteten zwei Personen an der Regie). Beim DFFF handelt es sich um ein automatisches Fördersystem. Im Jahr 2013 wurden 73 Anträge auf Förderung gestellt. Bewilligt wurden alle 73 Anträge, davon 63 mit der Beteiligung von männlichen und 12 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren (in zwei Projekten arbeiteten zwei Personen an der Regie). Im Jahr 2014 wurden 72 Anträge auf Förderung durch den DFFF gestellt. Bewilligt wurden alle 72 Anträge, davon 51 mit der Beteiligung von männlichen und 23 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren (in zwei Projekten arbeiteten zwei Personen an der Regie). Anlage 14 Antwort der Staatsministerin Monika Grütters auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 28): Wie viele Anträge auf Förderung internationaler Koproduktionen sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei der FFA und dem DFFF in den Jahren 2013 und 2014 eingegangen (nach der Beteiligung von weiblichen und männlichen Regisseuren aufschlüsseln), und wie viele dieser Anträge wurden jeweils bewilligt (nach der Beteiligung von weiblichen und männlichen Regisseuren aufschlüsseln)? Bei der FFA wurden im Jahr 2013 insgesamt 39 Anträge auf Projektfilmförderung für internationale Koproduktionen gestellt, davon 33 mit der Beteiligung von männlichen und 6 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren. Bewilligt wurden insgesamt 17 Anträge, davon 16 mit der Beteiligung von männlichen Regisseuren und ein Antrag einer weiblichen Regisseurin. Im Jahr 2014 gab es bei der FFA insgesamt 33 Anträge für internationale Koproduktionen, davon 23 mit der Beteiligung von männlichen Regisseuren und 10 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren. Bewilligt wurden 15 Anträge, davon 10 mit der Beteiligung von männlichen und 5 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren. Beim DFFF wurden im Jahr 2013 insgesamt 42 Anträge auf Förderung internationaler Filmproduktionen gestellt. Bewilligt wurden alle 42 Anträge, davon 38 mit der Beteiligung von männlichen und 5 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren (in einem Projekt arbeiteten zwei Personen an der Regie). Im Jahr 2014 wurden insgesamt 39 Anträge auf Förderung internationaler Filmproduktionen durch den DFFF gestellt. Bewilligt wurden alle 39, davon 37 mit der Beteiligung von männlichen und 4 mit der Beteiligung von weiblichen Regisseuren (in einem Projekt arbeiteten drei Personen an der Regie). Anlage 15 Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 29): Kann die Bundesregierung zu den Berichten (vergleiche www.spiegel.de/politik/ausland/nsa-affaere-usa-frieren-koope ration-mit-bnd-im-irak-ein-a-1036880.html), wonach eine mit den USA geplante IT-Kooperation zum Schutz von Bundeswehrsoldaten im nordirakischen Erbil derzeit deshalb eine unübliche Verzögerung erfahre, weil man auf US-Seite befürchte, dass ansonsten solche „Hardware Teil des deutschen Untersuchungsausschusses werden könnte“, bestätigen, dass diese Begründung auch seitens der offiziell beteiligten US-Stellen konkret gegenüber deutschen Stellen, Behörden oder Beschäftigten vorgetragen wird? Nein. Es gibt aber deutliche Anzeichen, dass wichtige Partner in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit Art und Umfang dieser Zusammenarbeit auf den Prüfstand stellen. Dies ist auch auf wiederholte Presse-veröffentlichungen zu Details nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit zurückzuführen. Tatsächliche Einschränkungen in der Kooperation werden wir in ihren Auswirkungen möglicherweise erst später feststellen. Verloren gegangenes Vertrauen ist schon jetzt spürbar. Anlage 16 Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 30): Liegen der Bundesregierung konkrete Aussagen von US-Stellen bzw. US-Verantwortlichen vor, welche die Einschätzung der von der Tageszeitung Die Welt am 3. Juni 2015 -zitierten sogenannten Sicherheitskreise (www.welt.de/politik/deutschland/article141889262/US-Dienste-verweigerten-BND- Hilfe-bei-Geiselrettung.html) belegen könnten, wonach gerade im Falle des bis vor kurzem in Afghanistan entführten Stefan E. die angeblich fehlende Rückmeldung über den Verbleib des Entführten einen Fall absichtlicher Nichtkooperation darstellte, und, wenn ja, liegen auch konkrete Aussagen dazu vor, dass der Grund dieser Nichtkooperation mit Bewertungen der US-Seite der Aufklärungsarbeit des 1. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zusammenhängt? Nein. Es gibt aber deutliche Anzeichen, dass wichtige Partner in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit Art und Umfang dieser Zusammenarbeit auf den Prüfstand stellen. Dies ist auch auf wiederholte Presse-veröffentlichungen zu Details nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit zurückzuführen. Tatsächliche Einschränkungen in der Kooperation werden wir in ihren Auswirkungen möglicherweise erst später feststellen. Verloren gegangenes Vertrauen ist schon jetzt spürbar. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 31): Inwiefern sehen die Genehmigungen für die Lizenzproduktion der Gewehre G3 und G36 an Saudi-Arabien eine Endverbleibskontrolle vor? Eine gesonderte Genehmigung für eine Lizenzproduktion ist im Ausfuhrgenehmigungsverfahren nicht vorgesehen. Ausfuhrgenehmigungen, die im Zusammenhang mit der Lizenzproduktion des G3 und des G36 in Saudi-Arabien erteilt wurden, ergingen jeweils auf Grundlage der eingereichten und Bestandteil des Genehmigungsverfahrens bildenden Endverbleibserklärungen des Empfängers. Einer Ausfuhrgenehmigung bedürfen in diesem Zusammenhang die Technologieunterlagen zur Fertigung der Waffen, entsprechende spezielle Herstellungsausrüstung – Maschinen etc. – sowie einzelne Waffenteile, die in Deutschland und nicht in Saudi-Arabien gefertigt werden. Eine physische Endverbleibskontrolle der in Saudi-Arabien gefertigten G3 und G36 ist auf Basis der zugrundeliegenden Genehmigungen nicht möglich. Eine solche Vor-Ort-Kontrolle würde die vorherige Zustimmung des Empfängerlandes voraussetzen. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob sie künftig die Zustimmung des Empfängerlandes zu derartigen nachträglichen Vor-Ort-Kontrollen in das deutsche Rüstungsexportkontrollverfahren einführen soll. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage der Abgeordneten Annalena Baebock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 33): Welche Kohlefinanzierungsprojekte, die unter den neuen KfW-Leitlinien – KfW: Kreditanstalt für Wiederaufbau – nicht mehr finanzierbar wären, zu denen aber bis zum Bericht der Bundesregierung vom 22. Dezember 2014 bereits Gespräche, Angebote oder Verpflichtungen stattgefunden haben, befinden sich derzeit im Prozess (bitte nach Land und Art des Projekts aufschlüsseln)? Die Bundesregierung hat am 22. Dezember 2014 dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages einen Bericht zur internationalen Kohlefinanzierung vorgelegt. Wie in der Antwort auf Frage 16 der Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (Bundestagsdrucksache 18/4526) vom März 2015 dargelegt, soll die Neupositionierung der Bundesregierung die Rolle der KfW Bankengruppe als verlässlicher Partner nicht infrage stellen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes für die KfW und ihre Geschäftspartner ist die Bundesregierung übereingekommen, dass die bis zum 22. Dezember 2014 vereinbarten oder mit einem verbindlichen Finanzierungsangebot der KfW unterlegten Transaktionen noch nach der bis dahin geltenden Förderrichtlinie der KfW abgeschlossen werden. Eine Benennung von konkreten Ländern und Projekten im laufenden Antragsverfahren der KfW Bankengruppe ist nicht möglich, da sich daraus Rückschlüsse über betroffene Unternehmen ziehen ließen und somit das auf Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Recht des Antragstellers auf die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verletzt werden könnte. Sofern die Projekte von der KfW Bankengruppe als entscheidungsreif eingeschätzt werden, müssen sie sich den üblichen Kreditprozessen gemäß den Regelwerken der KfW Bankengruppe unterziehen, an denen die Bundesregierung maßgeblich beteiligt ist. Anlage 19 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage der Abgeordneten Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 34): Mit welchem Ergebnis wurden auf der KfW-Verwaltungsratssitzung vom 14. April 2015 Förderentscheidungen im Bereich Kohleinfrastruktur getroffen, und wenn keine Förderentscheidungen getroffen wurden, warum nicht? Die Sitzung des Verwaltungsrates der KfW vom 14. April 2015 sah keine Entscheidungen im Bereich Kohleinfrastruktur vor. Der am gleichen Datum vorher tagende Risiko- und Kreditausschuss der KfW traf hierzu ebenfalls keine Entscheidung. Anlage 20 Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 35): Wann wird die Bundesregierung das für Anfang Juni 2015 (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 18/4661 zu Frage 20) angekündigte Weißbuch Strommarktdesign konkret vorlegen, und von welchen Kosten für die privaten Stromkunden geht die Bundesregierung bei den derzeit in der Diskussion befindlichen Vorschlägen (ursprünglicher Vorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, BMWi, 16-Millionen-Tonnen-CO2-Reduktionsvorschlag des BMWi und IG-BCE-Vorschlag, siehe www.sued deutsche.de/wirtschaft/klimaschutz-dicke-luft-in-der-strombranche-1.2502249) aus? Die Bundesregierung wird das Weißbuch Strommarktdesign im Juni oder Juli 2015 vorlegen. Der vom BMWi vorgeschlagene „Klimabeitrag“ zur Einsparung von 22 Millionen Tonnen CO2 im Stromsektor würde nach den Berechnungen der von der Bundesregierung beauftragten Gutachter zu einem Strompreisanstieg von circa 0,2 Cent pro Kilowattstunde führen. Der IG-BCE-Vorschlag einer technologieoffenen Kapazitätsreserve ist damit nicht vergleichbar. Der Vorschlag der IG BCE würde zu einer anderen CO2-Einsparung und zu anderen Kosten führen. Die genauen Auswirkungen dieses Vorschlags werden derzeit geprüft. Anlage 21 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des -Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Druck-sache 18/5061, Frage 36): Was ist der Bundesregierung hinsichtlich des NATO-Manövers „Unified Vision“ durch die Entsendung eines als Pilot und Fluglehrer der Drohnen Euro Hawk und Global Hawk sowie die Bedienung und Überwachung von deren Sensorik qualifizierten Offiziers als nationaler Beobachter in die Mis-sionskontrollstation in der US Air Force Base in Beale (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 18/1794) darüber bekannt, über welche zivilen oder militärischen Datenverbindungen – etwa fiberoptische Kabel, Satelliten, Relaisstationen – die Flüge der Drohne Global Hawk von -Sigonella nach Norwegen von den USA aus gesteuert bzw. auch die Daten der Überwachungssensorik übermittelt wurden – bitte die Standorte etwaiger Relaisstationen angeben –, und welche weiteren Relaisstationen existieren nach Kenntnis der Bundesregierung in Europa, über die jene im Rahmen des NATO-Manövers durchgeführten Flüge der Global Hawk – etwa bei einem Ausfall der für „Unified Vision“ genutzten Verbindung – hätten gesteuert und ausgewertet werden können? Der als nationale Beobachter entsandte Offizier hat während seines Aufenthalts in der Missionskontrollstation in der US-Air Force Base in Beale keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung gewonnen. Anlage 22 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/5061, Frage 37): Welche der von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen dokumentierten Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Ägypten haben Mitglieder der Bundesregierung in ihren jüngsten Gesprächen anlässlich des Staatsbesuchs von Präsident el-Sisi in Berlin angesprochen, und welche Zusagen wurden von Präsident el-Sisi hinsichtlich einer Aufklärung von Fällen sowie einer Verbesserung der Menschenrechtslage in Ägypten im Allgemeinen abgegeben (www.amnesty.de/2015/6/1/bundesregierung-muss-sich-fuer-menschenrechte-aegypten- einsetzen?destination=startseite, www.reporter-ohne-grenzen. de/pressemitteilungen/meldung/alle-inhaftierten-journalisten-sofort-freilassen/)? Das Thema der Menschenrechtslage in Ägypten wurde von allen Mitgliedern der Bundesregierung in den Ge-sprächen mit dem ägyptischen Staatspräsidenten el-Sisi -ausführlich angesprochen. Dabei wurden bestimmte Menschenrechtsfälle vertraulich aufgenommen. Die Bundesregierung hat zudem dargelegt, dass sie die Todesstrafe als eine unmenschliche Form der Bestrafung prinzipiell ablehnt. Staatspräsident el-Sisi hatte schon vor seinem Besuch in Berlin mehrfach öffentlich mitgeteilt, dass ihm die Menschenrechtsproblematik in Ägypten bewusst ist. Bei den jüngsten Gesprächen sprach er von „Defiziten in einer schwierigen Zeit“. Konkrete Zusagen zur Verbesserung hat er nicht gemacht. Aus seiner Sicht ist der derzeitige innenpolitische Kurs Ägyptens notwendig, um interne Stabilität zu schaffen. Die Bundesregierung wird die Menschenrechtslage in Ägypten weiter kritisch beobachten und sich für den Schutz der Menschenrechte entschieden einsetzen. Anlage 23 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 38): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Situation auf Baustellen im Emirat Katar mit Blick auf die Behauptung der Regierung des Emirats Katar, dass es auf den Baustellen für die Fußballweltmeisterschaft in Katar im Jahr 2022 keinen einzigen Todesfall gegeben haben soll (siehe www.sueddeutsche.de vom 2. Juni 2015), und in welcher Weise hat die Bundesregierung, auch im Zusammenwirken mit Wirtschaftsverbänden, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften, seit ihrer Antwort auf meine schriftlichen Fragen 20, 21 und 22 auf Bundestagsdrucksache 18/1041 Einfluss auf die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von ausländischen Arbeitern, insbesondere bei deutschen Unternehmen in Katar, genommen? Auf national und international geführten Großbaustellen in Katar mit mehreren 10 000 Arbeitern gab es laut Angaben von Mitarbeitern und Unternehmen vereinzelt Unfälle mit Todesfolge, zum Beispiel durch Verkehrsunfälle. Andere berichten von keinerlei Unfällen bei mehreren Millionen Arbeitsstunden, zum Beispiel Baustellen von Qatar Foundation, Qatar Solar Technology. Diese Angaben können durch die Bundesregierung nicht verifiziert werden. Katar hat auf die Kritik mit ersten Maßnahmen reagiert und neben Reformen des Bürgschaftssystems auch Kontakt zu den Herkunftsländern aufgenommen. Wir erwarten eine zügige Umsetzung der Reformen, weitere Schritte sind notwendig. Die Lage der ausländischen Arbeitskräfte wird regelmäßig bei allen Delegationsbesuchen auch auf höchster Ebene angesprochen. So hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, auf seiner Reise nach Doha das Thema unter anderem mit dem Emir erörtert. Anlage 24 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 39): Sieht die Bundesregierung im Hausverbot für russische Diplomaten im Europäischen Parlament eine neue Eskala-tionsstufe im Verhältnis zu Russland, nachdem Russland für 89 EU-Politiker und Behördenvertreter Einreiseverbote als Reaktion auf Strafmaßnahmen einschließlich Einreiseverbote gegen russische Politiker verhängt hat (www.spiegel.de/poli tik/ausland/eu-parlament-hausverbot-fuer-russische-diploma ten-a-1036957.html), und inwieweit wird sich die Bundesregierung in der EU dafür einsetzen, dass die Einreiseverbote für russische Politiker und Politikerinnen aufgehoben werden, um derartige weitere Gegenaktionen der russischen Seite zu verhindern? Die Bundesregierung respektiert die Entscheidung des Europaparlaments, auf Einreisesperren, von denen auch Mitglieder des Europäischen Parlaments betroffen sind, zu reagieren. Ein generelles Hausverbot für russische Diplomaten wurde nicht verhängt. Der unverändert freie Zugang für Botschafter Tschischow und seinen Stellvertreter unterstreicht die fortbestehende Gesprächsbereitschaft des Parlaments. Auch können MdEPs russische Dumaabgeordnete weiterhin zu Gesprächen einladen. Zu Ihrer zweiten Frage: Die Einreiseverbote der EU sind wohl begründet und unverändert angemessen. Sie können zurückgenommen werden, wenn die Gründe, die zu ihrer Verhängung geführt haben, entfallen sind. Anlage 25 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 40): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass die ukrainische Armee Luftabwehrsysteme des Typs S-300 an die Grenze zur Region Transnistrien verlegt haben soll, und kann die Bundesregierung die Aussage der „Außenministerin“ Transnistriens, Nina Schtanski, bestätigen, dass die Ukraine jüngst Bodentruppen an die ukrainisch-transnistrische Grenze verlegt hat (http://blogs.ft.com/the-world/2015/06/transnistria-shapes-up-as-next-ukraine-russia-flashpoint/)? Nach Kenntnis der Bundesregierung verfügt die ukrainische Armee über Luftabwehrsysteme des Typs S-300. Die Dislozierung dieser Systeme ist der Bundesregierung nicht bekannt. Berichte über jüngste Verlegungen ukrainischer Bodentruppen in die Nähe der ukrainisch-moldauischen Grenze kann die Bundesregierung aus eigenen Erkenntnissen nicht bestätigen. Anlage 26 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 41): Ist für die Bundesregierung die Entwicklung der letzten 15 Jahre in Mexiko mit mehr als 26 000 Verschwundenen, darunter die 43 Studenten der Landhochschule von Ayotzinapa und die Ermordung von mehreren Kandidaten für die am 7. Juni 2015 abgehaltenen Kommunal- und Parlamentswahlen, genauso besorgniserregend zu bewerten (www.spiegel.de/politik/ausland/mexiko-vor-der-wahl-drei-politiker-erschossen- a-1034028.html), wie Martin Schäfer, Sprecher des Auswär-tigen Amts, am 3. Juni 2015 bei einer Pressekonferenz die derzeitige Lage in Venezuela vor dem EU-CELAC-Gipfel in Brüssel einschätzt (www.auswaertiges-amt.de/sid_6D870F 633F67F4C6656CB87302D0FE3D/DE/_ElementeStart/Sprecher_ node.html#doc438320bodyText3)? Bei der Pressekonferenz am 3. Juni 2015 hat der Sprecher des Auswärtigen Amts zu einer Frage zur Menschenrechtslage und zur Freilassung eines Oppositionspolitikers in Venezuela Stellung genommen. Eine Stellungnahme zu Mexiko war mit der Frage nicht intendiert und hat auch nicht stattgefunden. Die Bundesregierung ist besorgt über das hohe Maß an Gewalt in der gesamten Region Lateinamerika, was sie regelmäßig zum Ausdruck bringt. Selbstverständlich verfolgt die Bundesregierung auch die Lage in Mexiko weiter mit großer Aufmerksamkeit und ist über die Ermordung der Kandidaten im Vorfeld der Parlaments- und Kommunalwahlen besorgt. Das Thema wurde im Rahmen der Fachkommission „Politische Fragen der Binationalen Kommission“ am 8. Juni offen angesprochen. Anlage 27 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 18/5061, Frage 42): Welche eigenen Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung im Umgang mit Informationen innerhalb der UN-Institutionen über Kindesmissbrauchsfälle von französischen Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik (www.dw.de/kindesmiss brauch-in-zentralafrika-un-ermitteln/a-18495471)? Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse zu dem genannten Sachverhalt. Es handelt sich um sehr schwerwiegende Vorwürfe, die unverzüglich aufgeklärt werden müssen. Die Vorwürfe wiegen besonders schwer, wenn die Taten von denen begangen worden sein sollen, deren Aufgabe gerade der Schutz von Kindern und Zivilisten ist. Die Bundes-regierung begrüßt daher die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft in Frankreich. Ebenso begrüßt sie, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen am 3. Juni 2015 die baldige Ernennung eines unabhängigen Überprüfungsteams – External -Independent Review Panel – angekündigt hat. Ziel der Überprüfung sei es, den Umgang mit einem vertraulichen Bericht des OHCHR zu mutmaßlichem -sexuellem Missbrauch von Kindern durch Soldaten der französischen Mission Sangaris und der Mission der Afrikanischen Union MISCA zwischen Dezember 2013 und Juni 2014 durch VN-Organe zu untersuchen. Eine Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe ist zwingend, um verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Anlagen II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 108. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 10. Juni 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 108. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 10. Juni 2015 10343 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 10378 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 108. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 10. Juni 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 108. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 10. Juni 2015 10379