Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: 13. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Heiko Maas. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wenn wir heute über den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung diskutieren, dann geht es eben nicht um abstrakte Szenarien; vielmehr geht es um menschliche Schicksale. Ich will Ihnen eine Begegnung schildern, die ich vor etwa zwei Monaten hatte. Auf meiner Reise in den Irak habe ich drei Frauen getroffen. Sie alle hatten Kinder von IS-Kämpfern, zwei von ihnen aufgrund von Vergewaltigungen. Zum Glück konnten sie sich in einem Flüchtlingscamp in Sicherheit bringen. Als sie nach der Befreiung von Mosul in ihre Heimatstadt zurückkehren wollten, wurden sie verstoßen, ihre Kinder galten als IS-Bastarde. Ihnen blieb damals nichts anderes übrig, als in die Trostlosigkeit des Flüchtlingscamps zurückzugehen. In dem Gespräch, das ich mit ihnen geführt hatte, sagten sie mir: Aber wir hören nicht auf zu kämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Frauen stehen für unzählige Frauen, die in Krisen, Konflikten und Kriegen Ähnliches durchleben, Tag für Tag. Und sie hören nicht auf zu kämpfen. Ganz bewusst haben wir schon zu Beginn unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen versucht, diesen Frauen eine Stimme zu geben, und die Lage von Frauen vor allem im Nahen und Mittleren Osten auf die Tagesordnung gesetzt. Die Resolution 1325 der Vereinten Nationen bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit im Sicherheitsrat.
Wir haben uns zum Beispiel vorgenommen, der VN-Sonderbeauftragten durch eine Resolution des Sicherheitsrates, die es so bisher noch nicht gegeben hat, den Rücken zu stärken. Wir wollen Initiativen unterstützen, die Verbrechen gegen Frauen dokumentieren, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen; denn das ist in viel zu häufigen Fällen nicht der Fall.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Genf und in New York erleben wir es täglich: Bereits den Status quo beim Menschenrechtsschutz zu halten, wird immer schwerer. Die Krise der internationalen Organisationen, die Krise des Multilateralismus ist letztlich auch eine Krise der Menschenrechte. Die Verteidigung des Status quo alleine reicht nicht aus. Menschenrechtspolitik darf nicht nur ein bloßer Abwehrkampf sein. Deshalb braucht man eine progressive Menschenrechtspolitik, eine, die nach vorne schaut und Initiativen ergreift. Dazu zählt die Stärkung von Frauenrechten, auch international. Dazu zählt unser Einsatz für Menschenrechte, auch im digitalen Raum. Und dazu zählt, dass wir im Sicherheitsrat auch die Rechte von Opfern des Klimawandels zur Sprache bringen; denn Klimawandel und Sicherheit stehen mittlerweile in einem untrennbaren Zusammenhang.
Das A und O für eine solch progressive Menschenrechtspolitik sind nach unserer Auffassung starke Institutionen. Deshalb haben wir als Bundesregierung entschieden, bereits ein Jahr früher als geplant, das heißt für den Zeitraum 2020 bis 2022, wieder für den Menschenrechtsrat in Genf zu kandidieren; denn gerade dann, wenn andere sich zurückziehen – das ist bedauerlicherweise in viel zu vielen Fällen nun einmal Realität geworden –, muss Deutschland eine starke Stimme für Menschenrechte sein. Wir wären dann 2020 parallel Mitglied im Sicherheitsrat und im Menschenrechtsrat, und das wollen wir nutzen, um Menschenrechte und Sicherheitsthemen noch stärker miteinander zu verzahnen; denn noch kommt der Blick auf die Notleidenden im Sicherheitsrat in New York oft zu kurz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das wird nur gelingen, wenn wir auch unsere Allianzen mit Gleichgesinnten stärken. Mit Schweden und Kanada zum Beispiel ziehen wir bereits an einem Strang, wenn es um das Engagement für Frauenrechte geht. Aber wir müssen auch weitere, neue Allianzen eingehen und innerhalb der Europäischen Union, bei den Vereinten Nationen, im Europarat und in der OSZE stärker, als das bisher der Fall ist, und auch im Verbund mit anderen für unsere Positionen werben. Dabei setze ich auch ganz besonders auf die Unterstützung des Deutschen Bundestages.
Herzlichen Dank.
Danke sehr. – Wir kommen jetzt zu Fragen zu dem Bericht des Bundesaußenministers über die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung. Die erste Frage stellt der Kollege Martin Sichert, AfD.
Herr Minister, Sie haben jetzt viel über Frauenrechte gesprochen. Da knüpft meine Frage an; denn zur Frage der Frauenrechte im Nahen Osten gehört auch die Frage der Frauenrechte im Iran. Der Iran ist ein zutiefst antisemitischer, frauenfeindlicher Staat. Amnesty International berichtet von willkürlichen Verhaftungen, davon, dass Folter und Misshandlungen dort an der Tagesordnung sind, davon, dass es jedes Jahr Hunderte Hinrichtungen gibt und dass Behörden billigen, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder einer Behinderung Opfer von Gewalt werden. Der Iran exportiert sogar Terror. Die Hisbollah droht Israel mit über 130 000 iranischen Raketen.
Die Machtergreifung der Mullahs, die für all diese Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, ging mit massiver Unterdrückung der Frauen, die vorher deutlich mehr Freiheit genossen hatten, einher. Diesen Montag feierten die Mullahs den 40. Jahrestag der Machtergreifung, und die Bundesregierung, in Person Ihres Staatsministers Niels Annen, hat mitgefeiert. Wie wollen Sie glaubwürdig für Menschenrechte kämpfen, wenn Sie an Feiern der Machtergreifung eines Regimes teilnehmen, das in nahezu jeder erdenklichen Art und Weise die Menschenrechte mit Füßen tritt?
Herr Abgeordneter, ich möchte klarstellen, dass die Bundesregierung nicht erst jetzt oder erst seit kurzem beim Thema „Menschenrechte im Iran“ immer eine sehr klare Haltung an den Tag gelegt hat.
Wir haben die Situation sowohl in Bezug auf die Arbeitsbedingungen für Menschenrechtsverteidiger, zahlreiche Hinrichtungen, die Behandlung von Frauen, die Sie angesprochen haben, als auch in Bezug auf Repressalien gegen Minderheiten öffentlich und in direkten Gesprächen immer wieder thematisiert.
Bärbel Kofler hat sich als Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung
in ihren Erklärungen, aber auch konsularisch – dort, wo es möglich gewesen ist – für Einzelfälle eingesetzt. Wir haben auch bei den Vereinten Nationen und auch beim Menschenrechtsrat immer eine konsequente Haltung an den Tag gelegt, die im Übrigen zum Beispiel auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass ein kürzlich erfolgter Abgleich der Sanktionslisten ergeben hat, dass die EU mehr Organisationen und Einzelpersonen aus dem Iran unter Sanktionen gestellt hat als die USA, und zwar aus den gleichen Gründen, die Sie genannt haben. Wir haben zusammen mit unseren Partnern gerade kürzlich innerhalb der Europäischen Union thematisiert, dass auch aufgrund der Lage der Menschenrechte im Iran weitere Sanktionen innerhalb der Europäischen Union auf die Tagesordnung gehören.
Danke sehr. – Michael Brand, CDU/CSU, stellt die nächste Frage.
Herzlichen Dank. – Herr Minister, ich will das Thema „Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ ansprechen. Im 13. Bericht der Bunderegierung über ihre Menschenrechtspolitik gibt es explizit dazu ein Kapitel.
Während im NAP auf Regierungsebene beim Nichterreichen des Ziels – ich zitiere – „weitere Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen“ vorgesehen sind, hat ja der aktuelle Koalitionsvertrag konkret gesetzliche Konsequenzen für diesen Fall angekündigt und formuliert, dass man sich hier für EU-weite Regelungen einsetzen will.
Heute gibt es Berichte darüber, dass Minister Müller ein Gesetz vorbereitet – es nennt sich „Nachhaltiges Wertschöpfungskettengesetz“ –, in dem Bußgelder bis zu 5 Millionen Euro bzw. Freiheitsstrafen und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in Deutschland vorgesehen sind. Mich würde interessieren, wie Sie dazu Stellung nehmen.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das, was der Kollege Müller gesagt hat, ist Teil einer Diskussion, die innerhalb der Bundesregierung stattfindet. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass wir als Bundesregierung, sofern keine ausreichende Umsetzung bis 2020 erfolgt, weiter gehende Schritte prüfen, bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen. Das ist das, was der Kollege Müller angesprochen hat. Ich will auch darauf verweisen, dass im Koalitionsvertrag der Koalitionsparteien deutlich gemacht wird, dass in diesem Fall gesetzliche Rahmenbedingungen für notwendig erachtet werden und dass man sich für eine EU-weite Regelung einsetzen wird. Insofern ist das, was der Kollege Müller gesagt hat, ein Teil der Diskussion, die innerhalb der Bundesregierung geführt wird, und das entspricht auch dem, was die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben.
Gyde Jensen, FDP, hat die nächste Frage.
Vielen Dank. – Herr Minister, es soll ja heute um den 13. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik gehen. Es ist schön, dass Sie sich der heutigen Befragung hier stellen. Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn den Fraktionen dieser Bericht zeitig vorgelegt worden wäre; denn dann hätte man noch viel genauer auf einzelne Fragen eingehen können.
Ich würde es deswegen jetzt erst mal allgemein halten und Sie fragen, ob es Kritik der Zivilgesellschaft an dem 12. Bericht gegeben hat, inwieweit diese Kritik der Zivilgesellschaft in dem 13. Bericht Niederschlag gefunden hat, wie Sie gesamtstrategisch mit der Menschenrechtspolitik umgehen und welche weiteren Schritte Sie und die Bundesregierung im Hinblick auf eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Zivilgesellschaft in Bezug auf den 13. Bericht planen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Ich will zunächst etwas zur Zuleitung des Berichts sagen, die Sie angesprochen haben. Das Kabinett hat heute Morgen diesen Bericht, der fachlich in der letzten Woche fertiggestellt wurde, beschlossen. Da es sich um einen Beschluss der Bundesregierung handelt, ist es uns gar nicht möglich, diesen Bericht dem Bundestag früher zur Verfügung zu stellen. Nachdem er beschlossen worden ist, ist er allerdings dem Bundestag direkt zugeleitet worden.
Wir befinden uns mit den zivilen Organisationen im Dialog. Vor kurzem gab es innerhalb des Auswärtigen Amtes dazu eine breit angelegte Besprechung. Wir werden uns mit dem, was an Kritik geäußert wird, was an Ergänzungen und Vorschlägen gemacht wird, auch in Zukunft intensiv auseinandersetzen und versuchen, dies auch in diesen Bericht aufzunehmen.
Dr. Rolf Mützenich, SPD.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Deutschland jetzt die zweijährige Mitgliedschaft als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nutzen wird, um nicht nur dem Multilateralismus, sondern insbesondere auch dem Themenbereich der Menschenrechte das entsprechende Gewicht zu geben. Sie werden von meiner Fraktion darin inhaltlich voll unterstützt, aber auch parlamentarisch in der nächsten Zeit begleitet. Vor diesem Hintergrund würde ich Sie gerne zu einem Aspekt fragen: Gerade die Menschenrechtsverteidiger sind in ihren jeweiligen Ländern – Volksrepublik China, Ägypten und viele andere Länder – massivem Druck ausgesetzt. Wie kann Deutschland zu deren Schutz beitragen und sie in ihrer Arbeit unterstützen?
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Der Schutz von Menschenrechtsverteidigern ist tatsächlich nicht nur in China, sondern auch in vielen anderen Ländern, etwa in der Türkei, ein Problem, das nicht geringer, sondern größer geworden ist. Wir setzen uns bei den Besuchen, die stattfinden, und bei Regierungskonsultationen mit unseren Gesprächspartnern mit diesem Thema außerordentlich intensiv auseinander. Ich selber versuche sowohl bei Reisen nach China als auch in die Türkei, jeweils auch ein Gespräch mit Menschenrechtsverteidigern zu führen. Es gibt unterschiedliche Projekte von Menschenrechtsverteidigern und für Menschenrechtsverteidiger, die von der Bundesregierung unterstützt werden. Die Bundesregierung setzt zudem die Leitlinien der Europäischen Union zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern um. Diese Leitlinien haben insbesondere zum Inhalt, die Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern. Das ist der Rahmen, in dem wir mit unseren Gesprächspartnern diskutieren.
Die Bundesregierung veranstaltet zum Beispiel seit 2011 jährlich Seminare für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger in unterschiedlichen Regionen in der Welt. Das letzte Regionalseminar in diesem Sinne fand Anfang September in Jordanien für die Region Naher und Mittlerer Osten sowie für die Golfstaaten statt. Dieses Jahr findet im Mai ein Regionalseminar in Georgien statt. Im November ist ein Seminar für die Region Ostafrika geplant.
Herr Bundesminister, darf ich Sie auf die Ampel aufmerksam machen?
Ja. – Daran wollte ich deutlich machen, dass wir versuchen, vor Ort auch operationell zu helfen.
Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Christine Buchholz, Die Linke.
Herr Maas, der Einsatz für Menschenrechte im Allgemeinen, Frauenrechte, aber auch Religionsfreiheit im Speziellen ist sehr wichtig, erfordert aber auch, dass man sich konsequent für die Einhaltung dieser Menschenrechte im eigenen Land einsetzt. Nun ist die Bundesregierung sowohl von den Vereinten Nationen während des UPR-Verfahrens, aber auch vom Deutschen Institut für Menschenrechte dafür kritisiert worden, dass es in Deutschland eine deutliche Zunahme von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gibt.
Wir haben letzten Freitag erleben müssen, dass in Berlin drei junge muslimische Mädchen angegriffen worden sind; offensichtlich islamfeindliche Angriffe. Das ist meines Erachtens nur die Spitze des Eisberges, wenn man sich die Statistiken ansieht. Die Dunkelziffern in diesem Bereich sind sehr hoch.
Wie erklären Sie sich diese Zunahme von islamfeindlichen Übergriffen und antimuslimischem Rassismus in Deutschland? Welche Schritte leitet die Bundesregierung ein, um diesem Rassismus und der Islamfeindlichkeit entgegenzutreten?
Die Bundesregierung hat ganz bewusst in dem Menschenrechtsbericht, den wir heute im Kabinett beschlossen haben, auch die Lage in Deutschland analysiert und bewertet. Bedauerlicherweise sind diese Informationen nicht neu. Es ist eine Entwicklung der letzten Jahre, dass die Diskriminierung im Bereich Rassismus, aber auch die Diskriminierung von Religionsgemeinschaften zugenommen hat. Auch antisemitische Straftaten und Diskriminierungen haben zugenommen. Wir haben im letzten Jahr entschieden, einen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung zu benennen. Die Bundesregierung drängt darauf, dass, wenn es sich um Straftaten handelt, diese konsequent verfolgt werden. Im Übrigen geht es nicht nur um die, die auf der Straße, sondern auch um die – das ist etwas sehr Besorgniserregendes –, die in der digitalen Welt, also den sozialen Netzwerken, verübt werden. Wir stellen insgesamt fest, dass oftmals Minderheiten die Leidtragenden der zunehmend stattfindenden Polarisierung in der politischen Debatte sind. Dagegen wenden wir uns in aller Form und auf allen Ebenen, wenn wir die Möglichkeiten dazu haben.
Margarete Bause, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister, im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsfraktionen darauf verständigt, zwei wichtige Menschenrechtskonventionen zu ratifizieren. Das sind einmal das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt und zum anderen die ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker. Schon im letzten Bericht über die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung wurde zugesichert, dass die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Sozialpakt intensiv geprüft werde. Im Dezember hatten wir dazu die Staatssekretärin aus dem Arbeits- und Sozialministerium im Menschenrechtsausschuss. Sie hat gesagt, es sei Bewegung in die Sache gekommen. Bisher haben wir allerdings von dieser Bewegung noch nicht so viel gemerkt. Ich habe zwei schriftliche Fragen zum Stand der Ratifizierungsverfahren gestellt und habe eigentlich keine Antwort bekommen. Jetzt frage ich Sie: Wie ist der Zeitplan für beide Ratifizierungsprozesse, also Zusatzprotokoll und ILO-Konvention? Wann können wir mit einem Abschluss rechnen?
Wie Ihnen in der Antwort auf Ihre Fragen bereits mitgeteilt wurde, ist das gegenwärtig Teil der regierungsinternen Abstimmung. Ich gehe davon aus, dass, wie im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, die Ratifizierung so vorgenommen wird. Ich würde mich darüber freuen, wenn uns dies in diesem Jahr gelingt. Ich kann Ihnen keinen exakten Zeitplan nennen. Aber die Absicht der Bundesregierung ist, wie im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir beide Dokumente ratifizieren.
Danke sehr. – Jürgen Braun, AfD.
Herr Bundesminister, schade ist, dass der Bericht nicht vorliegt; aber das ist ja schon moniert worden. Noch arger sind Einzelfälle, um die sich die Bundesregierung nur begrenzt oder gar nicht kümmert. In Venezuela sitzt seit dem 17. November 2018 der deutsche Reporter Billy Six in Einzelhaft, vom Geheimdienst eingekerkert. Die Bundesregierung hat in dieser Sache bisher nachweislich nichts oder sehr wenig unternommen. Die Bundesregierung will nun auf ein rechtsstaatliches Verfahren drängen, obwohl Billy Six ein unschuldiger Reporter ist, der von einem sozialistischen Diktator inhaftiert wurde. Mindestens fünf Journalisten aus anderen Ländern sind inzwischen freigekommen, weil die Länder sich darum gekümmert haben, dass ihre Journalisten – ihre Staatsbürger – freikommen. Warum unternimmt die Bundesregierung dort erkennbar so wenig, und was gedenkt sie in Zukunft zu tun? Hängt es etwa von der Gesinnung von Billy Six ab, ob man sich für einen unschuldig Verfolgten einsetzt, oder warum ist die Bundesregierung in diesem Fall in Venezuela so untätig geblieben?
Herr Abgeordneter, die in Ihrer Frage enthaltene Unterstellung will ich zurückweisen und das auch anhand von konkreten Ereignissen dokumentieren. Das Auswärtige Amt und die Botschaft in Caracas betreuen Billy Six konsularisch. Am 9. Januar fand bereits ein erster Haftbesuch durch unseren Botschafter statt. Sie haben darauf hingewiesen, dass wir uns gegenüber den verantwortlichen Stellen für ein rechtsstaatliches Verfahren eingesetzt haben.
Die Botschaft bemüht sich zurzeit auch darum, dass der von Herrn Six gewählte Rechtsanwalt eben auch beauftragt werden kann. Darüber hinaus nutzen wir die übliche konsularische Betreuung auch im Fall Billy Six, und zwar auf allen Gesprächskanälen. Der Botschafter hat mehrfach im Außenministerium in Caracas vorgesprochen, und das Auswärtige Amt hat mit dem venezolanischen Botschafter auch zu diesem Fall bereits hier in Berlin ein Gespräch geführt.
Danke sehr. – Martin Patzelt, CDU/CSU.
Herr Minister Maas, uns beschäftigt im Moment die Frage der Organtransplantationen, da wir diesbezüglich auch ein Gesetz in Vorbereitung haben. Die Menschenrechtsverletzungen durch illegale Organentnahme oder Organraub sind ein großes Problem. In dem Bericht steht diesbezüglich allerhand zu internationalen Vereinbarungen und Konventionen; aber dazu, was die Bundesregierung gegebenenfalls gegen die tatsächlichen Menschenrechtsverletzungen durch illegale Organentnahmen tut, taucht überhaupt nichts auf.
Mich bewegt die Frage, ob Sie einen Überblick darüber haben, was in den betroffenen Ländern zum Beispiel entlang der Fluchtrouten passiert und was insbesondere in China passiert. Nach unseren Erkenntnissen gibt es dort massive Verletzungen von Menschenrechten durch illegale systematische Organentnahme, durch das Anbieten von Organen auf dem internationalen Markt und durch illegale Transplantationen im Lande. Mich interessiert, was die Bundesregierung darüber weiß und was sie dagegen unternimmt.
Ihr Bericht sagt, es gebe kaum offizielle Quellen und wir hätten keine gesicherten Erkenntnisse. Andererseits gibt es dazu eine Resolution des amerikanischen Abgeordnetenhauses und des Europäischen Parlaments. Die werden sich sicherlich nicht auf so unsicherem Boden bewegen, wenn sie dazu eine Resolution machen.
Uns bewegt das Problem schon sehr lange. Die systematische Organentnahme bei den Anhängern von Falun Gong in China zum Beispiel findet in Deutschland bisher überhaupt keine Resonanz.
Herr Abgeordneter, uns sind die Berichte, die Sie geschildert haben, durchaus bekannt. Es ist tatsächlich so, dass es für uns außerordentlich schwierig ist, etwa in Ländern wie China an gesicherte Informationen zu kommen. Noch viel schwieriger ist es, dagegen eine Handhabe zu haben. Dennoch können Sie sich sicher sein: Wir haben uns sowohl gemeinsam mit unseren Partnern als auch mit internationalen Organisationen mit diesem Thema beschäftigt. Allerdings liegen uns im Moment tatsächlich keine ausreichenden Informationen vor, um konkret gegen die illegale Organentnahme, die ganz sicherlich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist – vor allen Dingen dann, wenn sie organisiert geschieht –, von uns aus vorzugehen. Aber Sie können sich sicher sein, dass wir, sobald wir auch dank unserer Partner über entsprechende Informationen verfügen, alles in unserer Macht Stehende tun werden. Allerdings sind unsere Einflussmöglichkeiten insbesondere in den Regionen, in denen davon auszugehen ist, dass es dort stattfindet, sehr begrenzt – das muss man zugestehen.
Gyde Jensen, FDP.
Vielen Dank, Herr Minister. – Sie sprachen vorhin in Ihrem fünfminütigen Beitrag auch progressive Menschenrechtspolitik an. Im Zuge der Mitgliedschaft der Bundesrepublik im UN-Sicherheitsrat in den nächsten zwei Jahren ist ja eines der erklärten Ziele der Bundesregierung das Vorantreiben der Gleichstellung und Gleichberechtigung vor allen Dingen von Frauen und ihrer Beteiligung an nachhaltiger Friedenssicherung. Studien zeigen, dass mehr Frieden möglich ist und der Frieden nachhaltiger ist, wenn mehr Frauen an den Verhandlungstischen sitzen.
Stichwort: Umsetzung und Weiterentwicklung der Resolution 1325. Auch im zweiten Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung dieser Resolution finden sich keine klaren Indikatoren zur Erfolgsmessung, also dazu, wie erfolgreich die Resolution angewandt und umgesetzt wird. Wie möchten Sie, wie möchte die Bundesregierung sicherstellen, dass aus diesem Plan mehr wird als nur eine Absichtserklärung?
Frau Abgeordnete, indem wir dafür sorgen, dass dieses Thema auch auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates kommt, und wir uns darum bemühen, mit Partnern dazu eine entsprechende Resolution zu verfassen, die nach unserer Auffassung im Sicherheitsrat noch fehlt.
Wir haben bereits im Januar zusammen mit Großbritannien und Peru eine Veranstaltung innerhalb der Vereinten Nationen durchgeführt, bei der es genau um dieses Thema „Frauen, Frieden und Sicherheit“ ging, unter einer großen Beteiligung der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Wir werden Partner suchen, mit denen wir dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates setzen können, um Frauen, die von Krisen und Konflikten betroffen sind – denn sie sind hier spezifischen Gefahren ausgesetzt –, zu stärken, aber auch ihre Rolle bei der Bewältigung von Konflikten und Krisen. Ich gehe davon aus bzw. würde mir wünschen, dass es uns gelingt, eine ausreichende Zahl von Partnerstaaten zu finden, um die Bedeutung dieses Themas mit einer Resolution im Sicherheitsrat noch einmal deutlich zu machen.
Frank Schwabe, SPD.
Herr Bundesminister Maas, Deutschland ist ja im Bereich des Multilateralismus sehr aktiv, um Menschenrechtsinstitutionen zu stärken. Wir begrüßen sehr, dass Sie gesagt haben, dass wir uns erneut für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bewerben.
Eine andere Institution ist der Europarat, der in diesem Jahr 70 Jahre alt wird. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist 70 Jahre alt, und der Europarat ist in der Krise. Wie sollte es anders sein, wenn die Staaten, die den Europarat bilden, menschenrechtspolitisch in der Krise sind? Wir haben die Situation rund um Aserbaidschan – es gab einen Korruptionsskandal –, wir haben die Lage in der Türkei, wir haben EU-Staaten wie Ungarn und Polen, die bestimmte Rechte nicht achten. Wir haben aber auch die Situation, dass Russland jetzt seit fast zwei Jahren die Mitgliedsbeiträge nicht zahlt und der Europarat als Organisation Gefahr läuft, Russland als Mitglied komplett zu verlieren. Deutschland wird eine der nächsten Präsidentschaften im Europarat innehaben. Meine Frage ist, was Deutschland tut, was Sie tun, um den Europarat zu konsolidieren und am Ende auch Russland als Teil dieser Institution zu erhalten.
Herr Abgeordneter, zunächst will ich Ihnen zustimmen und sagen, dass die Entwicklung im Europarat auch uns Sorge bereitet, insbesondere die Tatsache, dass die Fragen der weiteren Mitgliedschaft Russlands im Europarat nicht geklärt sind.
Es ist so, wie Sie es beschrieben haben: Nach der Annexion der Krim sind gewisse Rechte der russischen Delegation im Europarat suspendiert worden. Daraufhin hat die russische Seite – seit anderthalb Jahren – keine Beiträge mehr gezahlt. Es gibt eine Regelung im Europarat, dass man, wenn zwei Jahre keine Beiträge gezahlt werden, den Europarat verlassen muss. Das würde Mitte dieses Jahres der Fall sein. Deshalb gibt es eine deutsch-französisch-finnische Initiative, die darauf aus ist, in den kommenden Wochen nach Lösungen für dieses Problem zu suchen. Dazu werden Gespräche mit allen Vertretern in der Parlamentarischen Versammlung geführt, insbesondere auch mit denen – etwa mit der Ukraine, den baltischen Staaten und Großbritannien –, die bisher nicht dazu zu bewegen waren, einen Kompromiss zu erzielen. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Russland seine Beiträge wieder zahlt, die Stimmrechte wiederbekommt, um zu gewährleisten, dass Russland Mitglied im Europarat bleibt; denn es gibt viele Fälle, in denen der Europarat und der Gerichtshof, wie ich finde, sehr positiv gegenüber Russland tätig werden können.
Danke sehr. – Zaklin Nastic, Die Linke.
Sehr geehrter Herr Außenminister Maas, Sie haben vorhin eine Begegnung mit drei Frauen angesprochen. Ich würde gerne auf die Menschenrechtssituation hier in Deutschland zurückkommen. Ich durfte vor zwei Wochen eine Familie in Hamburg besuchen, die mittlerweile seit März vergangenen Jahres von einer Stromsperre betroffen ist. Das bedeutet, dass eine Mutter mit drei kleinen Kindern weder einen funktionierenden Herd – sie kann also nicht kochen – noch einen funktionierenden Kühlschrank hat. Es gibt auch kein warmes Wasser für die gesamte Familie. Der Sozialausschuss der Vereinten Nationen hat Deutschland schon aufgefordert, Energiearmut wirksam zu bekämpfen. Wie gedenkt die Bundesregierung Menschenrechte und damit auch Kinderrechte zu schützen und Energiearmut wirksam zu bekämpfen?
Frau Abgeordnete, ich kann zu dem konkreten Fall, den Sie angesprochen haben, nichts sagen, da ich ihn nicht kenne. Ich bin aber gerne bereit, mich zu informieren.
Das Thema Stromsperren ist auch auf der Ebene der Bundesländer seit langem ein Thema, weil es Fälle gegeben hat, die zu Unglücken geführt haben. Es wurde mit Kerzen agiert, weil kein Strom vorhanden war, und das hat einen Brand ausgelöst, bei dem auch Menschen zu Schaden gekommen sind. Es gibt Bundesländer, die gemeinsam mit den Energieversorgern vernünftige Regelungen gefunden haben; aber das ist in erster Linie ein Thema, bei dem die Bundesländer mit den Energieversorgern in der Verantwortung sind. Ich kann nicht für alle Bundesländer bestätigen, dass Lösungen gefunden worden sind, die nach unserer Auffassung geeignet sind, solche Situationen auszuschließen. Wenn das aber der Fall ist, wird das von der Bundesregierung auch unterstützt.
Danke sehr. – Luise Amtsberg, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Minister, im letzten Aktionsplan für den Bereich Menschenrechtspolitik hat die Bundesregierung ihre Beteiligung an der Mittelmeermission EUNAVFOR MED Operation Sophia vor allen Dingen damit begründet, dass diese Mission die Menschen auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken rettet. Im Januar 2019 wurde die deutsche Beteiligung an dieser Operation ausgesetzt. Die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer befindet sich in einer sehr schwierigen Situation. Daher drängt sich förmlich die Frage auf: Wie rechtfertigt die Bundesregierung diesen Schritt? Vor allen Dingen: Was tut sie konkret, um die zivile Seenotrettung im Mittelmeer zu unterstützen, vielleicht auch staatlich zu finanzieren? Was wird alternativ getan, um die auf dem Mittelmeer in Seenot geratenen Menschen vor dem Ertrinken zu retten? Was tut die Bundesregierung konkret für diese Personengruppe, vor allen Dingen mit Blick auf die Verteilung innerhalb der Europäischen Union?
Eins ist ganz klar: Der Zustand, wie er jetzt ist – von rechter Seite wird massiv behauptet, dass es sich um Schlepper und Schleuser handelt, obwohl es Menschen sind, die andere Menschen vor dem Ertrinken retten –, ist ein „Unzustand“. Wir wollen wissen, was die Bundesregierung konkret zu tun gedenkt.
Die Entscheidung, sich zurzeit nicht mit einem deutschen Schiff zu beteiligen, ist keine Absage an die Mission in Gänze. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass es sich um eine sinnvolle Mission handelt. Allerdings muss die Mission in die Lage versetzt werden, Menschenleben zu retten. Sie wissen, das ist in den letzten Monaten nicht mehr möglich gewesen, insbesondere aufgrund der Entscheidung der italienischen Regierung, dass keine italienischen Häfen mehr angelaufen werden dürfen.
Wir sind im Kreise der Mitgliedstaaten der Europäischen Union seit vielen Monaten dabei, eine Regelung zu erarbeiten, die zum Gegenstand hat, dass die italienische Regierung wieder bereit ist, italienische Häfen zu öffnen. Das setzt bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Bereitschaft voraus, Schiffbrüchige, die in den jeweiligen Staaten anlanden, zu übernehmen, dass es einen Verteilschlüssel gibt. In der Vergangenheit ist viel darüber diskutiert worden, dass sich alle beteiligen müssen.
Wir sind mittlerweile der Auffassung, dass es sinnvoll wäre, dass diejenigen, die nicht bereit sind, sich zu beteiligen, andere Verantwortung übernehmen müssen. Sie müssen etwa mehr tun bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. Zugegebenermaßen, das ist die Voraussetzung dafür, die italienische Regierung dazu zu bewegen, die italienischen Häfen für diese Mission wieder zu öffnen. Das ist unser Ziel, das wir nach wie vor verfolgen.
Danke sehr. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da es von zwei Oppositionsfraktionen zu dem Bericht des Bundesministers keine weiteren Fragen mehr gibt, von anderen Fraktionen aber wohl – davon eine ganze Reihe von Fragen zu sonstigen Themen –, bitte ich Sie, damit einverstanden zu sein, dass ich jetzt den zweiten Teil der Befragung eröffne. Das schließt aber nicht aus, Herr Bundesminister, dass auch in diesem Teil noch Fragen zu Ihrem Bericht zur Menschenrechtspolitik gestellt werden können.
Wenn Sie damit einverstanden sind, erhält Gelegenheit zur nächsten Frage der Kollege Stephan Brandner, AfD.
Am 8. Februar 2019 erschien auf dem offiziellen Twitterprofil des Auswärtigen Amtes die Nachricht „Film ab für Vielfalt und Gleichberechtigung – warum das Auswärtige Amt die #Berlinale2019 fördert“. Ergänzend war dem Netzauftritt des Auswärtigen Amtes das Motto der Berlinale zu entnehmen – Zitat –: Das Private ist persönlich. Am selben Tage berichteten verschiedene Medien über die Anwesenheit des Bundesaußenministers Heiko Maas mit seiner – nun ja – Freundin Natalia Wörner bei der Berlinale unter anderem wie folgt – ich zitiere –: „Kuschelnd, busselnd und tuschelnd“, berichtete die „Bild“-Zeitung. Und – Zitat –: „Knutschend vor den Kameras“, berichtete der „Stern“. Die Texte waren jeweils entsprechend bebildert.
Ich frage die Bundesregierung – –
Herr Kollege, einen Moment! Erlauben Sie mir, eine Bemerkung zu machen: Wir sollten zwischen dem, was wir die Regierung fragen, und Bemerkungen, die ausschließlich die persönlichen Lebensumstände von Mitgliedern der Bundesregierung betreffen, einen deutlichen Unterschied machen.
Ich bitte Sie, Ihre Frage auf den Teil zu konzentrieren, der nicht die persönliche Lebensführung von Mitgliedern des Bundestages oder der Bundesregierung betrifft.
Es ist ja gerade die Frage, ob es die persönliche Lebensführung ist, Herr Präsident.
Das mag ja sein. Aber ich bitte Sie – –
Ja, ich frage die Bundesregierung oder den Bundesaußenminister, der jetzt hier sitzt: Sind Sie in Ihrer Funktion als Bundesaußenminister, aus dessen Haushalt eine Förderung der Berlinale stattfindet, oder als Privatperson bei der Eröffnung der Berlinale gewesen? War Anlass der Förderung das Motto „Das Private ist persönlich“? In welcher Höhe ist die Berlinale aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes gefördert worden? Und schließlich: Sind Sie der Ansicht, dass der knutschende, busselnde, tuschelnde Außenminister
bei einer aus seinem Haushalt finanzierten Veranstaltung so handelt, wie man es von einem Bundesaußenminister erwarten kann? – Vielen Dank.
Herr Bundesminister, Sie müssen nicht antworten. Wenn Sie mögen, können Sie es aber. – Sie wollen nicht antworten? Dann rufe ich die nächste Frage auf.
Die nächste Frage stellt der Kollege Michael Brand, CDU/CSU.
Herr Minister, ich möchte zum Menschenrechtsbericht zurückkommen. Der Kollege Patzelt hat ja eben auch das Brennpunktthema – auch eine Neuerung in diesem Menschenrechtsbericht – angesprochen. Es fällt auf, dass das Thema „illegaler Organhandel“ leider in keinem der Länderberichte auftaucht, noch nicht mal im Zusammenhang mit China. Ich möchte China deswegen thematisieren, weil ja auch mehrfach versucht wurde, übergriffig gegenüber dem Deutschen Bundestag zu werden. Ich verweise auf die letzte Debatte über die Lage der Uiguren. Der Präsident hat dem chinesischen Botschafter in Deutschland sehr klar geantwortet – lieber Herr Kollege Schäuble, herzlichen Dank dafür –, dass wir es nicht akzeptieren, wenn von den „sogenannten Menschenrechten“ die Rede ist, wie es die chinesische Botschaft in ihrer Depesche selbst formuliert hat. Sie hat den Deutschen Bundestag sogar dafür kritisiert, dass dieses Thema hier überhaupt diskutiert wird.
Es gibt einen zweiten Fall, der uns seit drei Jahren beschäftigt. Da geht es darum, dass jeder Ausschuss nach China reisen darf, nur der Menschenrechtsausschuss hat dieses Privileg nicht. Das geht im Übrigen mit Versuchen einher, auf Abgeordnete des Deutschen Bundestages Einfluss zu nehmen, auf deren Terminkalender einzuwirken. Wenn sie bei bestimmten Organisationen wie der „Tibet Initiative Deutschland“ auftreten, dann gibt es keine Einreise nach China mehr. Oder es wird der Versuch unternommen – wie ich es persönlich erlebt habe –, Abgeordnete zu veranlassen, dass sie Texte und Bilder von ihrer Homepage löschen. So wird also versucht, auch hier in Deutschland Zensur zu praktizieren, was überhaupt nicht infrage kommt.
Herr Kollege Brand.
Die Frage kommt jetzt.
Die Ampel hat im Moment einen Defekt; deswegen ist sie immer noch grün.
Eigentlich ist sie schon längst auf Rot.
Also bin ich im legalen Bereich, Herr Präsident.
Der Außenminister und die Menschenrechtsbeauftragte kennen das Thema ja, da wir es immer wieder behandeln. Man muss einfach sagen: Die Bundesregierung spricht im Gegensatz zu anderen europäischen Regierungen das Thema im Hinblick auf Einzelfälle oder auf strukturelle Defizite – ob im Menschenrechtsrat oder im direkten Dialog – an. Das ist die positive Nachricht. Viele andere – auch in der Europäischen Union – tun das inzwischen gar nicht mehr.
Aber ich will Sie konkret fragen. Wir verzeichnen seit drei Jahren keinen Fortschritt. Der Menschenrechtsdialog darf nicht zu einem Feigenblatt beim Thema Einreiseverbot verkommen. Es ist zwar gut, miteinander zu sprechen, aber man muss irgendwann auch Konsequenzen ziehen.
Danke sehr.
Deswegen die Frage: Gibt es positive Signale, dass der Menschenrechtsausschuss reisen kann, und welche Konsequenzen würde die Bundesregierung ansonsten ziehen?
Herr Bundesminister.
Herr Abgeordneter, es gibt immer wieder positive Signale – auch in den Gesprächen, die wir mit chinesischen Verantwortlichen führen –, wenn wir darauf zu sprechen kommen, dass der Menschenrechtsdialog fortgeführt werden soll. Bedauerlicherweise sind das meistens verbal-positive Informationen, die wir bekommen. Wir sind damit nicht zufrieden. Wir wissen: Es gibt eine Vielzahl von Dialogen, etwa den Rechtsstaatsdialog, die stattfinden und vernünftig und gut funktionieren. Wir werden diesen Dialog auch in Zukunft in unseren Gesprächen mit den chinesischen Verantwortlichen einfordern.
Ich stimme Ihnen zu, dass es mittlerweile sehr lange der Fall ist, dass wir dort hingehalten werden. Aber wir haben den chinesischen Verantwortlichen immer auch deutlich gemacht, dass für uns irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem wir entscheiden müssen, ob das auch Auswirkungen auf andere Dialogformate hat; denn letztlich ist das eine bilaterale Entscheidung. Man kann sich nicht aussuchen, was man gerne hätte. Wir führen eine Vielzahl von Dialogformaten mit den Chinesen, die bei den Chinesen auf eine besondere Akzeptanz stoßen. Wir gehen davon aus, dass unserem Wunsch, auch den Menschenrechtsdialog jetzt endlich stattfinden zu lassen, gefolgt wird. Ansonsten müssen wir uns überlegen, wie wir mit anderen Formaten umgehen.
Danke sehr. – Nicole Bauer, FDP.
Meine Frage geht an Frau Weiss aus dem Gesundheitsministerium. – Mich würde interessieren, welche neuen Erkenntnisse Bundesminister Spahn aus der geplanten Studie zu den seelischen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs zu gewinnen denkt, die es nicht schon längst gibt. Denken Sie nicht, dass man die 5 Millionen Euro Steuergelder an einer anderen Stelle wesentlich wirkungsvoller einsetzen könnte? – Danke schön.
Ich muss erst den Bundesaußenminister fragen, ob er die Frage selbst beantworten möchte oder ob er seine Kollegin bitten möchte, zu antworten.
Ich gebe das sehr gerne weiter.
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Schönen Dank, Herr Außenminister, dass ich die Frage beantworten darf. – Verehrte Kollegin, es handelt sich um einen einvernehmlichen Kabinettsbeschluss. Die Studie ist ergebnisoffen. Man will in einer wissenschaftlichen Studie Informationen zu Häufigkeit und Ausprägung seelischer Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen gewinnen. Es gibt noch keine deutsche Studie. Die Frage darf erlaubt sein – wenn ich das sagen darf –, warum es in Deutschland bei mehr als 100 000 Abtreibungen im Jahr offenbar keine entsprechende Studie gibt. Es ist also vernünftig, Geld in die Antwort auf die Frage nach dem Leid der Frauen zu investieren.
Wie gesagt, die Studie ist ergebnisoffen, und das ist ein einstimmiger Kabinettsbeschluss, der – auch wenn jetzt seitens einiger Kolleginnen und Kollegen der SPD Kritik geäußert wird – unter anderem von der Justizministerin unterschrieben worden ist.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt Kathrin Vogler, Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte mich wieder an Herrn Minister Maas wenden. Sie haben ja zu Anfang Ihres Vortrags auch über die Lage von Frauen im Irak gesprochen. Ich finde, wir tun gut daran, Opfer von Menschenrechtsverbrechen, von Völkermord und von anderen schlimmen Vergehen gegen die Menschlichkeit auch Jahre nach den Ereignissen wieder in den Blick zu nehmen.
Ich möchte mich jetzt beschäftigen mit der Lage der Jesidinnen und Jesiden im Iran. 2014 wurden sie Opfer eines versuchten Völkermords durch Daesh, den selbsternannten „Islamischen Staat“. Wie ich jetzt erfahren habe, ist die Situation der Überlebenden, also derjenigen, die die Verbrechen des IS überlebt haben, im Augenblick mehr als besorgniserregend und kritisch. Unter unglaublichen Bedingungen leben sie im Sindschar-Gebirge oder im Lager von Dohuk. Sie sind abgeschnitten von humanitärer Hilfe, von Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Betätigung, und Sie werden mit den Traumata, die sie erlitten haben, vor allem die Frauen – durch Verschleppung, durch Entführung, durch Vergewaltigung und durch Wegnahme ihrer Kinder –, alleingelassen.
Da möchte ich gerne wissen: Was tut eigentlich die Bundesregierung konkret – konkret –, um auf den Irak und die kurdische Selbstverwaltung im Nordirak einzuwirken, damit die jesidische Bevölkerung in der Region Shengal wieder frei, sicher und menschenwürdig leben kann?
Frau Kollegin, Sie sind schon eine halbe Minute darüber.
Das ist meine Frage gewesen. – Danke, Herr Präsident.
Herr Bundesaußenminister.
Frau Abgeordnete, ich bin im Dezember des letzten Jahres im Irak gewesen, auch im Nordirak, in der kurdischen Region. Dieses Thema stand dort bei allen Gesprächspartnern auf der Tagesordnung. Sie wissen, dass es eine deutsche Initiative gibt, die Frauen Zuflucht gewährt hat. Ich bin dort gebeten worden, zu überprüfen, ob wir diese Initiative ausbauen können und ob es zusätzliche Angebote gibt. Ich habe das mitgenommen; es wird zurzeit innerhalb der Bundesregierung diskutiert. Wir sind uns der Probleme bewusst.
Es ist teilweise sehr schwierig – auch logistisch –, an diese Frauen heranzukommen. Dennoch haben wir uns vorbehalten – auch im Kontakt mit den regional Verantwortlichen –, nach Lösungen zu suchen, entweder die Situation dieser Frauen vor Ort zu unterstützen oder möglicherweise auch noch einmal Kontingente zu übernehmen und Frauen die Möglichkeit zu geben, nach Deutschland zu kommen. Das ist nicht abgeschlossen; aber das ist Teil der Überprüfung, die wir vorgenommen haben, und wir sind mit den Verantwortlichen im Irak und vor allen Dingen im Nordirak in dieser Frage weiter in Verbindung.
Danke sehr. – Kai Gehring, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Bundesaußenminister, wie erklären Sie oder die Bundesregierung die Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Altmaier am 3. Februar 2019 in Kairo, es gelte, die deutsch-ägyptische Zusammenarbeit auf eine neue Grundlage zu stellen und weiterzuentwickeln, vor dem Hintergrund der katastrophalen Menschenrechtslage in Ägypten mit derzeit über 60 000 politischen Häftlingen, wo Verschwindenlassen, Folter, monatelange Haft ohne Anklage an der Tagesordnung sind und die Medien und die Meinungsfreiheit massivst eingeschränkt werden, wie nicht einmal zu Zeiten von Ex-Staatschef Mubarak?
Zugespitzte Frage: Wird die deutsche Ägypten-Politik künftig menschenrechtsbasiert sein, oder werden wirtschaftliche Zusammenarbeit und Rüstungsexporte und Stabilität im Vordergrund stehen?
Herr Abgeordneter, ich glaube, dass das Thema Menschenrechte bei allen Besuchen von deutschen Regierungsmitgliedern in Ägypten oder bei Gesprächen, wenn ägyptische Verantwortliche nach Deutschland kommen, immer ein Thema ist. Ich bin im letzten Jahr nicht nur mit dem Kollegen Außenminister, sondern auch mit Staatspräsident Sisi zusammengekommen, und das Thema ist auch dort noch einmal angesprochen worden.
Darüber hinaus gibt es tatsächlich auch wirtschaftliche Verbindungen in den Irak. Wenn etwa ein deutsches Unternehmen sich dort beteiligt am Aufbau von Elektrizitätsversorgung, durch die eine Großzahl von Menschen in den Genuss von Stromversorgung kommt, dann halte ich das mit Blick auf die Situation der Menschen vor Ort durchaus für vernünftig und richtig.
Es wird nie dazu führen, dass das, was wir in der Türkei erleben – dass es Repressalien gibt gegenüber Minderheiten, aber auch gegenüber Vertretern der Opposition –, nicht zur Sprache käme bei den Terminen, die dort stattfinden, oder wenn Verantwortliche der ägyptischen Regierung hier sind. Das werden wir auch weiter thematisieren, und wir werden darauf hinweisen, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Ägypten nur dann normalisieren wird, wenn die Voraussetzungen geschaffen werden, dass grundlegende Menschenrechte eingehalten werden.
Danke. – Dr. Christian Wirth, AfD.
Herr Minister, ich komme auf das Ergebnis der Kohlekommission zu sprechen. Gestern haben betroffene saarländische Gemeinden in einem offenen Brief – auch an Sie adressiert – das Ergebnis der Kohlekommission kritisiert. Ich teile die deutliche Enttäuschung. Für die Braunkohleregionen werden – wahrscheinlich zu Recht – massive Pläne beschlossen, Pakete geschnürt: fast 600 Maßnahmen. Für das Saarland sind nur 11 Maßnahmen geplant, davon 6 im Bereich der KI‑Forschung und der Digitalisierung.
Die saarländischen Kommunen können nur etwa 50 Prozent von dem investieren, was eine durchschnittliche ostdeutsche Kommune investieren kann – auch in Braunkohlerevieren. Die saarländischen Schulen haben zum Beispiel einen Investitionsstau von 580 Millionen Euro.
Glauben Sie als Mitsaarländer, dass die Bundesregierung in Bezug auf das Saarland die verfassungsmäßigen Prinzipien „Gleichbehandlung“ und „Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ beachtet hat?
Herr Abgeordneter, das glaube ich sehr wohl, obwohl es im Saarland keine Braunkohle, sondern nur Steinkohle gibt, die schon lange nicht mehr gefördert wird.
Im Übrigen ist nach dem Beschluss, aus der Steinkohleförderung auszusteigen – sowohl gegenüber Nordrhein-Westfalen als auch schon vor vielen Jahren gegenüber dem Saarland –, eine Vielzahl von Paketen verabredet worden, durch die Infrastrukturmaßnahmen gefördert wurden. Das halte ich für außerordentlich vernünftig, und es gibt im Saarland bereits infrastrukturelle Entwicklungen, die durchaus zu betrachten sind.
Aber das alles hat etwas mit dem Ausstieg aus der Steinkohle und weniger mit dem Ausstieg aus der Braunkohle zu tun, von der es im Saarland keine gibt.
Danke sehr. – Bijan Djir-Sarai, FDP.
Vielen Dank. – Herr Minister, derzeit findet in Warschau ja eine sogenannte Nahostkonferenz statt. Viele Außenministerkollegen von Ihnen nehmen daran teil.
Das iranische Außenministerium meldet dazu, man habe Sie aufgefordert, an dieser Konferenz nicht teilzunehmen. Ich habe jetzt erfahren, dass von Ihrer Seite zunächst einmal geplant war, nur einen Abteilungsleiter dahin zu schicken. Sie haben sich jetzt, glaube ich, kurzfristig entschieden, Staatssekretär Annen dahin zu schicken. Mich würde in dem Zusammenhang interessieren, ob diese Konferenz für Sie keine Relevanz hat, warum andere Außenminister dahin reisen, Sie aber nicht, und welche Botschaft dahinter steckt.
In diesem Zusammenhang würde ich gerne auch noch bezüglich Staatssekretär Annen fragen, den ich sehr schätze – sowohl dessen Arbeit als auch ihn persönlich –: Finden Sie es richtig, dass ein deutscher Staatssekretär aus dem Außenministerium an einer Party der iranischen Botschaft zum Jahrestag der Islamischen Revolution teilnimmt?
Herr Annen ist kein Staatssekretär, sondern Staatsminister; das ist schon ein feiner Unterschied – auch wenn es darum geht, zu klären, auf welcher Ebene unsere Teilnahme an dieser Nahostkonferenz in Warschau reglementiert wird.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass von den über 70 Ländern, die eingeladen worden sind, meines Wissens die wenigsten auf der Ebene der Minister teilnehmen. Der französische Kollege kommt zum Beispiel auch nicht. Er schickt seinen politischen Direktor. Wir sind dort also höherrangiger vertreten.
Der Grund, weshalb ich nicht dorthin reise, ist, dass uns ganz einfach nicht abschließend klar ist, was das Ziel und das Ergebnis dieser Konferenz sein werden. Ich finde, wenn man über den Nahen Osten redet, dann muss man auch über den Iran reden. Der war aber überhaupt nicht eingeladen.
Es ist auch nicht so, dass die Staaten, die dort teilnehmen, in irgendeiner Weise an einem Abschlusskommuniqué beteiligt werden, sondern es wird eine Abschlusskonferenz des Gastgeberstaates und der Vereinigten Staaten geben. Auf das, was da gesagt wird, können wir keinen Einfluss nehmen. Das ist nicht unbedingt das, was wir als eine – ich würde es mal so sagen – Konferenz verstehen, auf der versucht wird, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.
Wir haben uns entschieden, dort sehr hochrangig mit einem Staatsminister vertreten zu sein – also höherrangiger als wahrscheinlich die meisten anderen Staaten –, weil wir an der Diskussion natürlich auch teilnehmen wollen.
– Das war keine Party.
Dr. Rolf Mützenich, SPD.
Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie noch Fragen zu diesem Themenfeld erlauben. – Ich würde den Bundesminister auch im Hinblick auf die Arbeit vergangener Bundesregierungen gerne noch fragen, was die jetzige Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland im Sicherheitsrat für die Arbeit in Bezug auf die Kinderrechte bedeutet.
Wenn ich mich recht entsinne, waren bei der vormaligen Mitarbeit der Bundesrepublik Deutschland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Kinderrechte in bewaffneten Konflikten ein Schwerpunktthema, um mit Partnerländern etwas zu entwickeln. Mich würde interessieren, welche weiteren Arbeiten in diesem Themenfeld für die nächste Zeit geplant sind.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir wollen an das, was dort bereits in den vergangenen Jahren geleistet wurde, anknüpfen. Wir wollen als Mitglied des Sicherheitsrates insbesondere das Thema „Kinder und bewaffnete Konflikte“ fortführen. Wir wollen außerdem, dass dieses Querschnittsthema – letztlich ist es ein solches – bei Krisen- und Länderbefassungen im Sicherheitsrat eine stärkere Rolle spielt. Wir haben dazu bereits eine Vielzahl von Staaten gewonnen, die sich diesem Vorhaben anschließen werden. Wir wollen, dass der Kinderschutz in den Mandaten von Friedensmissionen der Vereinten Nationen überall da verankert wird, wo das erforderlich ist. Das ist in der Vergangenheit nicht in ausreichendem Maße geschehen.
Wir werden uns auch für die Aufdeckung und Dokumentierung der schwerwiegenden Kinderrechtsverletzungen einsetzen, die es an vielen Stellen dieser Welt gibt. Die Bundesregierung hat sich außerdem bereits 2017 für die Einsetzung der Group of Eminent Experts als Unterorgan des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen eingesetzt. Wir wollen insbesondere Verstöße, von denen wir im Rahmen des Jemen-Konfliktes wissen, einer Untersuchung zuführen und damit auch dem Thema Accountability Rechnung tragen. Das heißt, wir wollen darauf hinwirken, dass insbesondere bei der Verletzung von Kinderrechten Mechanismen entwickelt werden, die dort, wo diese Verletzungen strukturell geschehen, etwa in Konflikten wie im Jemen, zu einer strafrechtlichen Aufarbeitung führen.
Vielen Dank. – Andrej Hunko, Die Linke.
Vielen Dank, Herr Außenminister. – Sie haben vorhin in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Frank Schwabe auf die Bedeutung des Europarates, der Menschenrechtskonvention und des Gerichtshofes in Straßburg hingewiesen. Sie haben auch in dem Menschenrechtsbericht oft deren Bedeutung hervorgehoben; diese Einschätzung teilen wir völlig.
Wir gehen aber nun in das zehnte Jahr, in dem die Europäische Union dieser Menschenrechtskonvention nicht beitritt. Das hätte laut Lissabon-Vertrag seit 2009 passieren sollen. Sie schreiben im Menschenrechtsbericht: Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass dieser Beitritt stattfindet. – Er findet aber nicht statt. Das bedeutet natürlich auch eine Schwächung des Straßburger Gerichtshofes, weil eine wichtige Institution diesen Gerichtshof letztlich nicht anerkennt.
Meine Frage ist: Wie sieht Ihr Einsatz dafür aus, dass die EU endlich der Menschenrechtskonvention beitritt, und welche weitere Entwicklung erwarten Sie hier? – Vielen Dank.
Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass die deutsche Bundesregierung dafür ist, dass es zu einem Beitritt der Europäischen Union zur Menschrechtskonvention kommt. Sie kennen auch die Diskussion, die darüber stattfindet und mit juristischen Gutachten untermauert wird. Ich glaube nicht, dass die Bedeutung dieses Dokumentes in der politischen Diskussion nicht ausreichend gewürdigt wird; vielmehr verschanzt man sich bedauerlicherweise hinter juristischen Argumentationen.
Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass diese Diskussionen in dem Sinne aufgelöst werden, dass die Europäische Union ihren Beitritt erklärt. Wir befinden uns dabei mit einer Vielzahl von Staaten im Gespräch. Ich werde die Hoffnung nicht aufgeben, dass es irgendwann dazu kommt.
Danke sehr. – Ottmar von Holtz, Bündnis 90/Die Grünen.
Schönen Dank, Herr Präsident. – Ich habe eine Frage an den Bundesaußenminister zum Menschenrechtsbericht. Die Kollegin Jensen hatte eben schon die Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Organisationen angesprochen. Sie hatten daraufhin gesagt, dass Sie im Dialog mit der Zivilgesellschaft seien. Das ist natürlich gut und richtig.
Ich frage jetzt allerdings, ob Sie sich vorstellen können, dass künftig die Nichtregierungsorganisationen schon im Vorfeld einbezogen werden, also bei der Erstellung des Berichts. Können Sie sich vorstellen, dass es dafür einen geplanten Prozess gibt, den man institutionalisiert?
Ja, das kann ich mir vorstellen. Das ist auch ein Thema der Gespräche gewesen, die wir mit der Zivilgesellschaft geführt haben. Wir suchen nach Lösungen, wie man das operationalisieren kann. Wir haben das nicht abschließend entschieden. Aber ich könnte mir das durchaus vorstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde noch – die Befragung der Bundesregierung hat jetzt die Dauer von einer Stunde erreicht – von jeder Oppositionsfraktion jeweils eine Frage zulassen.
Die AfD ist als Nächste gemeldet: Markus Frohnmaier.
Herr Minister, ich hatte bereits letztes Jahr die Regierung dazu befragt, ob sie bereit sei, den Angriff auf Afrin durch die Türkei zu verurteilen. Heute kann man bei der Nachrichtenagentur AFP lesen, dass Sie sich auch weiterhin zur Intervention bzw. zur aggressiven Besatzungspolitik in Nordsyrien bedeckt halten wollen. Sind Sie heute in der Lage, dazu eine Aussage zu treffen, und verurteilen Sie diese Besatzungspolitik?
Herr Abgeordneter, nicht nur ich, sondern die Bundeskanzlerin höchstpersönlich hat hier am Rednerpult des Deutschen Bundestages diese Verurteilung bereits ausgesprochen. Darüber hinaus kann ich Ihnen versichern, dass wir in den Gesprächen mit den türkischen Verantwortlichen auch mit Blick auf die jetzige Situation in Syrien immer wieder darauf hinweisen, dass wir von ihnen erwarten, dass es zu keinen großflächigen militärischen Operationen kommen wird, die nach unserer Einschätzung sicherlich auch unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten nicht mehr zu rechtfertigen wären.
Das, was in Afrin geschieht, ist von der Bundesregierung verurteilt worden. Das, was zurzeit im Norden des Iraks geschieht, ist Thema von Gesprächen mit den türkischen Verantwortlichen, auch mit der klaren Botschaft, dass wir eine weitere Intervention dort für nicht akzeptabel halten.
Danke sehr. – Die nächste Frage stellt Renata Alt, FDP.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Maas, gestern jährte sich zum vierten Mal das Minsker Abkommen. Die Ergebnisse der Verhandlungen im Normandie-Format im fünften Jahr sind überschaubar. EU-Ratspräsident Tusk hat die Ergebnisse bei der letzten Verlängerung der Sanktionen gegen Russland als „null Fortschritt“ bezeichnet. Meine Frage an Sie ist: Welche Rolle spielt für die Bundesregierung der von der OSZE in der Trilateralen Kontaktgruppe erarbeitete und vorgelegte Friedensplan, und warum hat die Bundesregierung diesen in keiner Antwort – ich habe Ihnen mehrere schriftliche Fragen gestellt – mit einem einzigen Wort erwähnt?
Er spielt für uns natürlich eine große Rolle. Die Vereinbarungen von Minsk sind nach wie vor die Grundlage unseres Engagements auch in dem sogenannten N4-Format, in dem wir zusammen mit den Franzosen den Russen und den Ukrainern gegenübersitzen. Es gab auch in den letzten Monaten, nachdem es in der ersten Hälfte des letzten Jahres ein N4-Treffen auf Ministerebene gegeben hat, bereits Konsultationen im N4-Format auf Expertenebene. Es ist allerdings so, dass im Moment die Beweglichkeit der Konfliktparteien außerordentlich eingeschränkt ist. Das hat zum einen mit den Ereignissen im Asowschen Meer zu tun. Das hat zum anderen aber auch damit zu tun, dass in der Ukraine Ende März Präsidentschaftswahlen stattfinden, was ein wichtiges innenpolitisches Thema ist, und es in dieser Phase des Wahlkampfes außerordentlich schwierig ist, Kompromisse zu erzielen.
Wir befinden uns aber mit beiden Seiten im Gespräch. Ich werde auf der Münchner Sicherheitskonferenz auch noch einmal mit dem Kollegen Lawrow zusammentreffen, um über diese Situation zu sprechen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir es zukünftig schaffen können, eine VN-Mission für die Ostukraine zu vereinbaren, die im Grundsatz sowohl von Poroschenko als auch von Putin zugesagt worden ist. Es wird wahrscheinlich vom Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine abhängen, wie es weitergehen wird.
Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben angekündigt, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für zivile Konfliktlösungen einzustehen und diese zu stärken. Nun haben Sie sich in Bezug auf Venezuela aber sehr vorschnell an die Seite der USA gestellt und leider keine vermittelnde Position eingenommen. Das verstehe ich nicht unter einer aktiven Friedenspolitik, weil die Gefahr einer Militärintervention durch die Zuspitzung massiv angestiegen ist. Mit der vorschnellen Anerkennung Guaidós haben Sie eigentlich nur Öl ins Feuer geschüttet. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat die Anerkennung als völkerrechtlich fraglich bezeichnet.
Meine Frage: Spitzt sich das Ganze wegen der US-Hilfslieferungen nach Venezuela weiter zu? Die Vereinten Nationen und das Rote Kreuz haben diese Hilfslieferungen verurteilt, weil sie politisch missbraucht werden. Die Bundesregierung hat ja 5 Millionen Euro für Venezuela beschlossen, die für die Bevölkerung dringend benötigt werden. Werden Sie bereit sein, diese Hilfe zusammen mit den Vereinten Nationen zur Verfügung zu stellen, oder machen Sie das jetzt genauso wie die USA, dass Sie Hilfe nur anbieten, wenn sie an Guaidó geht? Die UN sind ja schon seit Jahren in Venezuela aktiv und versorgen die Bevölkerung.
Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass ich die Anerkennung von Juan Guaidó als Übergangspräsidenten, verbunden mit der Aufgabe, Neuwahlen in Venezuela zu organisieren, nicht als voreilig empfinde. Ich bin fest davon überzeugt, dass die breite internationale Unterstützung dazu geführt hat – dies hat nicht in erster Linie etwas mit den USA zu tun, sondern auch mit vielen europäischen Staaten –, dass es dort noch zu keinen militärischen Auseinandersetzungen gekommen ist. Ich will mir nicht ausmalen, wie die Situation wäre, wenn die Unterstützung für Guaidó international nicht so groß wäre, wie sie es ist. Ich kann mir vorstellen, dass das Herrn Maduro durchaus ermuntert hätte, das Militär schon längst eingesetzt zu haben. Ich glaube, dass das eine präventive Maßnahme gewesen ist, die dazu geführt hat, dass das Militär bisher in den Kasernen geblieben ist. Ich hoffe, dass es dort auch bleibt.
Wir haben 5 Millionen Euro für humanitäre Hilfe angekündigt. Es ist nicht so, dass uns von der venezolanischen Regierung in irgendeiner Weise angedeutet worden ist – weder jetzt noch in der Vergangenheit –, dass diese humanitäre Hilfe ins Land kommt. Bisher ging sie im Wesentlichen zu den Flüchtlingen in den Nachbarländern, die längst aus Venezuela geflohen sind.
Insofern: Unser Ziel ist in erster Linie, dafür zu sorgen, dass die humanitäre Hilfe dort ankommt, wohin sie soll, nämlich zu den Menschen in Venezuela. Das wird von der dortigen Regierung bisher konsequent verhindert.
Danke sehr. – Die letzte Frage stellt Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank. – In dem Bericht, den Sie uns vorgelegt haben, finde ich unter „Rüstungsexportkontrolle“ nur den Hinweis darauf, dass die Menschenrechte eine herausragende Rolle spielen sollen. Deswegen frage ich Sie, wie die Tatsache, dass wir noch dieses Jahr beispielsweise an Ägypten – die Menschenrechtslage dort war gerade schon Thema – Kriegswaffen geliefert haben, mit Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und auch Saudi-Arabien zusammenpasst, wo es seit dem Kashoggi-Mord eine inoffizielle Situation gibt. Ich frage: Wann werden Sie dazu eine rechtsverbindliche Entscheidung treffen? Wann wird der Widerruf der Genehmigungen für Saudi-Arabien erfolgen? Und wie werden Sie sich bei diesem Thema mit unserem französischen Nachbarn auseinandersetzen, mit dem wir in Zukunft Rüstungsgüter produzieren wollen und der eine völlig andere Einstellung hat, gerade auch im Hinblick auf Saudi-Arabien? Wie werden Sie sich gegenüber dem französischen Kollegen dafür einsetzen, dass wir hier in Zukunft nicht alles freigeben?
Frau Abgeordnete, ich setze mich mit dem französischen Kollegen ständig damit auseinander. Es ist vollkommen richtig, dass es in Frankreich eine andere Haltung dazu gibt. Wenn man unterschiedliche Haltungen hat, muss man irgendwann einen Kompromiss schließen. Wir haben in der Frage von Saudi-Arabien sehr klar entschieden, dass wir nicht nur keine neuen Genehmigungen mehr erteilen, sondern selbst die bereits erteilten Genehmigungen nicht mehr zur Ausfuhr bringen.
Wir werden die Situation in Saudi-Arabien weiter sehr intensiv verfolgen. Unser besonderes Augenmerk gilt insbesondere dem Jemen-Konflikt. Sie wissen, dass es schon im Dezember Friedensgespräche in Stockholm und einen politischen Prozess gegeben hat, bei dem wir hoffen, dass unter der Ägide der Vereinten Nationen eine Friedenslösung erreichbar ist, und zwar über den Waffenstillstand in Hudaida hinaus. Dann wird man die Lage neu bewerten müssen.
Zu Ihrem allgemeinen Hinweis, was die Rüstungsexporte in Verbindung mit Menschenrechtsfragen angeht, möchte ich zumindest darauf hinweisen: Wenn Sie sich den Rüstungsexportbericht für das letzte Jahr anschauen, werden Sie feststellen, dass die Rüstungsexporte massiv zurückgegangen sind. Ich finde, das ist Ausdruck einer außerordentlich zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik, die auch mit Fragen zu tun hat, die Sie hier erwähnt haben.
Vielen Dank, Herr Minister. – Das war die letzte Frage. Ich schließe die Befragung der Bundesregierung.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
Drucksache 19/7584
Der erste Geschäftsbereich ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Dazu liegt die Frage 1 des Abgeordneten Kai Gehring vor, die aber schriftlich beantwortet werden soll.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth bereit.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Christoph Hoffmann, FDP, auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag des US-Präsidenten Donald Trump, David Malpass für den Posten des Präsidenten der Weltbank zu nominieren ( www.sueddeutsche.de/wirtschaft/weltbank-malpass- trump-1.4317256 ; www.welt.de/print/welt_kompakt/debatte/ article188329049/Trumps-neuer-Angriff-auf-die-globale-Ordnung.html ), und wie gedenkt die Bundesregierung (gegebenenfalls gemeinsam mit den europäischen Partnern) sicherzustellen, dass die Weltbank selbst wie auch der Multilateralismus insgesamt durch diese Personalentscheidung so wenig Schaden wie möglich nehmen?
Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, die frühe Nominierung durch die USA gibt jetzt Zeit für einen offenen und transparenten, leistungsbezogenen und glaubwürdigen Auswahlprozess, so wie ihn die Exekutivdirektoren bei der Weltbank festgelegt haben. Im Laufe des Auswahlprozesses können sich der Kandidat bzw. etwaige weitere Kandidatinnen und Kandidaten unter anderem in den europäischen Ländern vorstellen.
Die Weltbank ist eine zentrale multilaterale Organisation zur Lösung globaler Herausforderungen wie beispielsweise des internationalen Klimaschutzes und der Überwindung von Hunger und Armut. Für die Bundesregierung ist es zentral, dass die Ausrichtung der Weltbank auf Erreichung der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern konsequent fortgeführt wird.
Möchten Sie eine Nachfrage stellen?
Ja, gerne, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, Herr Malpass hat sich öffentlich sehr kritisch zu multilateralen Organisationen geäußert, die für uns von großer Bedeutung sind, zum Beispiel zur WTO, zum IWF, aber auch zur Weltbank selbst, von der er sagt, sie sei zu groß, zu ineffizient und zu bürokratisch. Er hält auch nichts von Klimaschutzprogrammen und Krediten an China. Das sind diametral entgegengesetzte Positionen, die die Weltbank bisher so nicht vertreten hat und, glaube ich, die Bundesregierung auch so nicht vertreten wird. Deshalb noch einmal ganz konkret die Frage: Wie werden Sie sich in dem Findungsprozess verhalten? Werden Sie den Kandidaten der USA unterstützen, oder werden Sie nach einer Alternative suchen, die vielleicht auch aus den USA kommt, die sich mit der Verwaltung einer großen Organisation und mit Finanzen gut auskennt?
Herr Kollege Abgeordneter, die Bundesregierung legt ausgesprochen großen Wert auf ein geordnetes und transparentes Verfahren. Haben Sie bitte Verständnis, dass wir uns zu einzelnen Kandidatinnen oder Kandidaten jetzt nicht äußern. Der Zeitplan sieht vor, dass die Kandidatinnen und Kandidaten sich im März dem Exekutivdirektorium präsentieren. Wir werden das selbstverständlich abwarten. Die Wahl eines neuen Präsidenten bzw. einer neuen Präsidentin soll vor der Frühjahrstagung im April erfolgen.
Grundsätzlich erwarten wir von dem neuen Präsidenten bzw. der neuen Präsidentin den Einsatz für multilaterale Zusammenarbeit und deren Wertschätzung. Wir werden uns jetzt im Kreis der europäischen Partner diesbezüglich abstimmen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja. – Es sind ja, wenn die Information richtig ist, insgesamt 189 Staaten und deren Delegierte an der Abstimmung darüber, wer letztendlich neuer Chef werden soll, beteiligt. Das Vorrecht der USA, den Kandidaten vorzuschlagen, stammt ja aus einer Zeit, als die wirtschaftliche Vormacht der USA ungebrochen war; heute haben wir andere Verhältnisse. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass die BRICS-Staaten vielleicht ein größeres Mitspracherecht bekommen und einen Kandidaten vorschlagen könnten?
Herr Kollege, ich kann nur wiederholen, was ich bereits gesagt habe. Wir werden alle Kandidatinnen und Kandidaten entsprechend anhören und werden im Kreise der europäischen Partnerländer über unsere Entscheidung sprechen. Über das Präsidentenamt wird allein nach Qualifikation entschieden. 2011 wurden, wie Sie möglicherweise wissen, einige Kriterien dafür definiert. Das sind insbesondere eine einschlägige Erfahrung der Leitung großer internationaler Organisationen sowie das Bekenntnis zum Multilateralismus und zu den Zielen der Weltbank. Wir werden bei unserer Entscheidung selbstverständlich darauf achten, dass diesen Zielen Genüge getan wird.
Vielen Dank. – Eine weitere Nachfrage von den Grünen. Herr Kollege.
Herzlichen Dank für die Antwort. – Ich habe den Kollegen Hoffmann so verstanden, dass er wissen wollte, ob Sie in Zukunft die Stimmverteilung in der Weltbank beibehalten wollen oder nicht. Die Aussage war ja, dass die Stimmverteilung noch die Verhältnisse von 1949 widerspiegelt. Sie wissen – wir hatten das ja neulich auch im AwZ –, dass die Steifheit der Europäer und der Amerikaner dafür gesorgt hat, dass die Chinesen eine eigene Investitionsbank, die AIIB, als Konkurrenz zur Weltbank gegründet haben. Daraus resultieren natürlich viele Probleme.
Die Frage war – ich stelle sie ganz bewusst noch einmal –: Wie wollen Sie als Bundesregierung, als EU erreichen, dass die Länder, die heute in der ökonomischen Gewichtung einfach anders zu bewerten sind, auch ein anderes Mitspracherecht in der Weltbank erhalten?
Herr Kollege, mir persönlich sind im Moment keine Initiativen bekannt, die auf eine Änderung hinauslaufen. Sollte das dennoch der Fall sein, werde ich Ihnen das sehr gerne schriftlich mitteilen.
Vielen Dank, Herr Kekeritz. – Weitere Fragen zu diesem Komplex liegen nicht vor.
Wir kommen jetzt zu Frage 3 von Dr. Christoph Hoffmann, FDP:
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Ankündigung des neuen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, den Regenwald seines Landes verstärkt abzuholzen ( www.zeit.de/2019/01/brasilien-jair-bolsonaro-amazonas-regenwald-abholzung-klimaschutz/komplettansicht ), und wie wird die Bundesregierung, die seit vielen Jahren Entwicklungszusammenarbeitsprojekte im Waldbereich in Brasilien finanziert, konkret darauf reagieren?
Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege, Brasilien kommt eine besonders hohe Bedeutung beim Schutz des Klimas und insbesondere beim Erhalt des tropischen Regenwaldes zu. Die Bundesregierung wird sich daher im Dialog mit der brasilianischen Regierung auch weiterhin für den Schutz des Klimas und der Biodiversität einsetzen. Sie begrüßt, dass sich Präsident Bolsonaro entgegen vorheriger Ankündigungen im Wahlkampf gegen einen Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen entschieden und dies auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos bekräftigt hat. Ebenso ist die frühere Ankündigung einer Zusammenlegung von Umwelt- und Landwirtschaftsressort nicht umgesetzt worden.
Eine mögliche Änderung der Politik Brasiliens im Umgang mit den Tropenwäldern wird von der Bunderepublik weiterhin aufmerksam beobachtet. Wir werden die neue Regierung weiterhin daran messen, was sie konkret tut. Der Waldschutz bleibt eine Priorität unserer bilateralen Beziehungen mit Brasilien.
Eine Nachfrage hätte ich schon, Frau Staatssekretärin. Der Auftragsbestand beim BMZ beläuft sich, wenn ich recht informiert bin, auf knapp 200 Millionen Euro zur Unterstützung Brasiliens bei Biodiversität und Waldschutz plus 15 Millionen Euro aus dem Umweltbereich. Brasilien hat aber in den letzten 30 Jahren 43 Millionen Hektar Wald verloren, trotz Engagements von Deutschland. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem immer noch anhaltenden Waldverlust in Brasilien? Wollen Sie die Mittel weiter fließen lassen?
Herr Kollege Hoffmann, es ist eine entscheidende Aufgabe des politischen Dialogs, dies immer wieder und wieder mit den jeweils verantwortlichen Regierungen zu erörtern. Es ist sicherlich die Frage, ob die Mittelzuweisung diesbezüglich justiert werden kann und sollte. Das wird im und nach einem politischen Dialog jeweils anhand der aktuellen Sachlage entschieden werden müssen.
Wollen Sie noch mal nachhaken?
Sehr gerne. – Bei den Verhandlungen, die Sie angesprochen haben, hat sich Brasilien in der „Bonn Challenge“ – das ist eine deutsche Initiative – dazu verpflichtet, 12 Millionen Hektar Wald, der schon zerstört war, wieder aufzuforsten. Wie sehen Sie da die Fortschritte?
Herr Kollege Hoffmann, die neue Regierung in Brasilien ist seit fünf Wochen im Amt. Von daher erscheint es mir zum jetzigen Zeitpunkt einfach zu früh, ein endgültiges Resümee zu ziehen. Noch einmal: Wir werden die neue Regierung an ihren Taten messen.
Vielen Dank. – Eine weitere Frage stellt der Abgeordnete Kekeritz von den Grünen.
Danke schön. – Die Thematik Abholzung ist ja sehr zentral und auch global. Es ist für mich sehr relevant, dass in den letzten eineinhalb Jahren, nachdem die Präsidentin abgesetzt worden ist, die Waldzerstörung in Brasilien wieder zugenommen hat, und zwar relativ stark. Das ist für uns natürlich ein großes Warnsignal. Dahinter stehen oft kriminelle Organisationen, die aufgrund der laxen Vorschriften in diesen Ländern ungehindert abholzen können.
Für mich stellt sich da eine sehr zentrale Frage. Wir haben ja das sogenannte FSC-Siegel, das den Leuten den Glauben vermittelt, dass das Holz fair und korrekt geschlagen worden ist. Nun wissen wir aber seit bestimmt schon 15 Jahren, dass dieses Siegel bei weitem nicht das hält, was es verspricht. Inwieweit hat sich die Bundesregierung – vielleicht im Rahmen der Entwicklungspolitik oder Umweltpolitik – schon mit diesem Thema beschäftigt und ist auf europäischer Ebene aktiv geworden? Denn wegen dieses falschen Deklarierens von Holz wird sehr viel Wald abgeholzt, was eigentlich nicht verantwortbar ist.
Herr Kollege, es tut mir leid, dass ich Ihnen auch hier antworten muss, dass mir persönlich im Moment nicht bekannt ist, ob wir bezüglich des FSC-Siegels eine Initiative gestartet haben. Ich weiß nicht, ob Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ressorts antworten können. Darf ich Ihnen, wenn dem so sein sollte, die Antwort schriftlich zukommen lassen?
– Herzlichen Dank.
Die Zusatzfrage wird schriftlich beantwortet. – Weitere Nachfragen liegen nicht vor.
Ich rufe Frage 4 der Abgeordneten Eva-Maria Schreiber, Fraktion Die Linke, auf:
Welche Rolle spielen für die Bundesregierung Landarbeiterinnen und Landarbeiter, das heißt abhängig Beschäftigte in der Landwirtschaft, als Zielgruppe zur Erreichung der SDGs 1, 2, 3, 6 und 8, und inwiefern werden diese über Programme der Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“ erreicht?
Frau Staatssekretärin.
Frau Kollegin Schreiber, die Umsetzung der Agenda 2030 und die Bekämpfung von Armut, Hunger und Mangelernährung sind ein Schwerpunkt der Entwicklungspolitik der Bundesregierung. Ziel ist es, das Recht auf Nahrung zu verwirklichen und inklusives, nachhaltiges Wachstum und Wertschöpfung in und außerhalb der Landwirtschaft im ländlichen Raum zu fördern. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und Beschäftigte in der Landwirtschaft sind dabei eine wichtige Zielgruppe.
Nach Auffassung der Bundesregierung sind jedoch keine für sich abgrenzbaren, homogenen Gruppen zwischen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und Beschäftigten in der Landwirtschaft möglich, zum Beispiel wegen Alters, Dauer der Beschäftigung etc. Sie sehen sich vielmehr vielfältigen Herausforderungen gegenüber, denen mit unterschiedlichen und vor allem angepassten Überlebensstrategien zu begegnen ist. Daher fördert die Entwicklungszusammenarbeit eine inklusive, nachhaltige Produktion und Wertschöpfung vor Ort. Beschäftigte in der Landwirtschaft, aber auch Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind damit Zielgruppe entsprechender existenzsichernder Vorhaben, zum Beispiel der Sonderinitiative „EINEWELT ohne Hunger“.
Vielen Dank. – Sie möchten nachfragen?
Herzlichen Dank für die Antwort. – Ich denke, wir sind uns einig – das ist ja auch sehr gut belegt –, dass viele Landarbeiter ausgebeutet werden. Nationale Arbeitsschutzgesetze, die dies verhindern sollen, sind nur so effektiv wie ihre Durchsetzungsmechanismen. Vielen lokalen und nationalen Arbeitsaufsichtsbehörden fehlt es an Ressourcen. Sie können kaum effektive Kontrolle über den ländlichen Raum ausüben. So haben weltweit nur rund 5 Prozent der Landarbeiter Zugang zu solchen Arbeitsinspektionen. Daher meine Frage: Ist es für die Bundesregierung ein relevantes entwicklungspolitisches Ziel, Arbeitsinspektionen in Ländern des globalen Südens gerade auch für den landwirtschaftlichen Bereich zu stärken? Wenn ja, was tut sie konkret dafür, und wenn nein, warum nicht?
Frau Kollegin, lassen Sie mich noch einmal auf das eingehen, was ich eben schon versucht habe, zu sagen: Abhängig Beschäftigte sind in der Landwirtschaft keine klar abgrenzbare Kategorie. Die meisten Arbeitsverhältnisse sind informell. Subsistenzbauern sind oft auf eine zusätzliche temporäre Beschäftigung angewiesen; Kleinbauern wiederum beschäftigten temporär Landarbeiter. Ihre Frage „Was tun wir eigentlich, um Strukturen aufzubauen?“ ist sehr gut nachvollziehbar. Letztendlich helfen uns diese Strukturen unserer Meinung nach nicht unbedingt weiter, wenn es um die Frage von Arbeitsverhältnissen und Arbeitsbedingungen in dem Kontext geht, den ich eben genannt habe. Die Bundesregierung fördert allerdings im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in der Landwirtschaft verschiedene Formen von Zusammenschlüssen – Verbände, Genossenschaften, Erzeugergemeinschaften –, um die Interessen Beschäftigter gegenüber staatlichen Stellen und wirtschaftlichen Akteuren zu stärken.
Sie wollen noch einmal nachfassen?
Danke. – Wie Sie gerade sagten: Der ländliche Raum ist sehr komplex, und die Lohnarbeit ist saisonal. Ein Kleinbauer hat oft mehrere Einkommensquellen, unter anderem auch als Lohnarbeiter. Deshalb frage ich Sie: Wie wird diese Tatsache – neben dem, was Sie gerade schon gesagt haben – im Rahmen Ihrer entwicklungspolitischen Programme, zum Beispiel bei der Initiative „EINEWELT ohne Hunger“, berücksichtigt? Müsste es dort nicht ganz zentral um die Sicherung von Arbeitsrecht und die Durchsetzung existenzsichernder Löhne gehen, und ist nicht auch die Stärkung von Landarbeitergewerkschaften eine sinnvolle Aufgabe für das BMZ?
Frau Kollegin, ich hatte Ihnen eben bereits gesagt, dass wir auch Verbände, Genossenschaften, Erzeugergemeinschaften etc. stärken. Angesichts der geringen Zahl formal Beschäftigter in der Landwirtschaft sind das eben in der Mehrzahl Bauern- und Produzentenorganisationen, die die Interessen ihrer Mitglieder und Anhänger vertreten. Sie werden zum Beispiel durch Weiterbildung, also durch die Vermittlung von technischen, betriebswirtschaftlichen, organisatorisch-administrativen Inhalten, die Errichtung von Dialogforen mit anderen Akteuren oder finanzielle Unterstützung gefördert. Wir versuchen in dem Rahmen, auch die arbeitsrechtlichen Maßgaben, die Sie zu Recht anmahnen, zu erfassen.
Vielen Dank. – Für eine weitere Frage hat sich die Kollegin Hänsel von der Fraktion Die Linke gemeldet.
Danke schön, Herr Präsident. – Meine Frage bezieht sich auf Menschenrechtsverletzungen bei Landarbeiterinnen und Landarbeitern. Diese finden häufig gerade bei der Lebensmittelproduktion – auch für deutsche Supermarktketten wie Aldi, Lidl, Rewe, Edeka – statt. Darüber gibt es ja genügend Berichte von Oxfam und anderen Organisationen.
Nun haben wir gelesen, dass Minister Müller den Unternehmen mit einem Gesetz – in Anführungszeichen – „droht“, das die Unternehmen verpflichtet, die Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette zu garantieren. Meine Frage ist: Wie ernst ist es dem Ministerium mit diesem Gesetz? Ich habe nämlich gelesen, dass es eventuell 2020 kommen soll. Gibt es einen solchen Entwurf? Und wird dort auch die Preispolitik der Supermarktketten einbezogen, die dazu führt, dass die Rechte von Landarbeiterinnen und Landarbeitern massiv verletzt werden, indem sie mit Pestiziden besprüht werden und sklavenartige Arbeiten machen müssen und vieles mehr?
Frau Kollegin, wie Sie wissen, setzt sich das BMZ für eine ambitionierte Umsetzung des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrechte“ ein. Derzeit findet eine umfassende Überprüfung, das sogenannte NAP-Monitoring, dieser freiwilligen Maßgabe statt, mit der die Unternehmen ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen sollen. Sollte sich 2020 herausstellen, dass die Freiwilligkeit nicht ausreicht, wird die Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag gesetzlich tätig werden.
Keine weiteren Fragen hierzu? – Dann rufe ich die Frage 5 der Abgeordneten Eva-Maria Schreiber auf:
Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, bei denen grundlegende Arbeitsrechte von Arbeiterinnen und Arbeitern (zum Beispiel das Recht auf Versammlungsfreiheit) beim Unternehmen Chobe Agrivision Sambia, in das der AATIF-Fonds investiert, welcher wiederum von der Bundesregierung mitfinanziert wird, eingeschränkt wurden bzw. werden, und inwiefern kann die Bundesregierung garantieren, dass dort grundsätzlich alle grundlegenden Menschen- und Arbeitsrechte eingehalten werden?
Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, bei denen Arbeitsrechte von Arbeiterinnen und Arbeitern beim Unternehmen Chobe Agrivision Sambia eingeschränkt wurden. Zur Überprüfung der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards bei Investitionen des Africa Agriculture and Trade Investment Fund, AATIF, hat die Bundesregierung bei der Beauftragung des Fonds die Funktion eines Compliance Advisors eingerichtet. Der Compliance Advisor prüft vor Zusage einer Investition durch AATIF die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards durch den Investitionsempfänger, berät diesen mit Verbesserungsvorschlägen für die Umsetzung der Standards und überprüft deren Einhaltung während der Projektdurchführung. Diese Aufgabe umfasst auch die Überprüfung der Einhaltung von Arbeitsrechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Investitionsempfänger. Derzeit wird die Aufgabe des Compliance Advisors von der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO, durchgeführt.
Frau Schreiber, wollen Sie eine Nachfrage stellen?
Ja. – Es gibt zwei Tatsachen, die ich gerne einbringen möchte, auf denen meine Frage aufbaut. Erstens. Seit der AATIF Chobe Agrivision mitfinanziert, werden interne Beschwerdeverfahren vorangetrieben, und das, obwohl es sogar ein Labour Office des sambischen Staates in nur 2 Kilometern Entfernung von den Chobe-Agrivision-Farmen gibt. Früher gingen dort die Beschwerden ein. Heute soll alles intern geregelt werden. Die eigentlich zuständigen staatlichen Behörden bekommen nun nichts mehr davon mit, und die Arbeiter sagen, interne Beschwerden verlaufen im Sand. Zweitens. Festangestellte Personen bekommen bei Agrivision nur noch Einjahresverträge. AATIF sagt, dies sei nun mal weltweit normale Praxis.
Jetzt frage ich: Ist der Fokus auf interne Beschwerdeverfahren und Einjahresverträge für Sie ein guter Standard, und sehen Sie hierin mögliche negative Auswirkungen für die gewerkschaftliche Organisierung und die Möglichkeit für Arbeiter, sich zu beschweren?
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich darf Sie zum einen auf eine Antwort der Bundesregierung vom 28. August 2017 unter der Drucksache 18/13451 verweisen, wo es um den Africa Agriculture and Trade Investment Fund und die Lending for African Farming Company geht. Dort werden Sie viele Fragen schon beantwortet sehen. Das ist eine Antwort auf eine Kleine Anfrage Ihrer Fraktion. Zum anderen wird Sie morgen die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage auf Drucksache 19/7196 – ebenfalls aus Ihrer Fraktion – zum Thema „KfW-Auslandsgeschäfte im Agrarbereich“ erreichen. Sollten Antworten auf die Fragen, die Sie gerade an mich gestellt haben, nicht in ausreichender Art und Weise in diesen beiden Drucksachen wiederzufinden sein, bekommen Sie das selbstverständlich auch sehr gerne schriftlich geliefert.
Noch eine Nachfrage?
Eine noch. – Es gibt ziemlich unterschiedliche und teilweise diffuse Praktiken, was den gesetzlichen Mindestlohn in Sambia angeht. Das betrifft auch die Agrivision-Farmen. Uns liegen Informationen über Beschwerden von Farmarbeiterinnen und Farmarbeitern vor, dass der Mindestlohn dort gerade nicht eingehalten wird. Daher meine Frage an Sie: Wie hoch sollte nach Meinung der Bundesregierung der gesetzliche Mindestlohn sein, der dort garantiert werden müsste? Und vor allem: Können Sie garantieren, dass dieser Lohn, insbesondere für nicht festangestellte Gelegenheitsarbeiter, auf den Farmen auch eingehalten wird?
Frau Kollegin, ich sehe mich einfach außerstande, Ihnen hier die berechtigte Höhe von Mindestlöhnen in Sambia kundzutun. Wir können Entwicklungsziele, die wir ja sehr häufig auch mit dem Parlament in großer Einmütigkeit vertreten, ehrlich gesagt, nur dann erreichen, wenn wir diese Ziele mit den Partnerregierungen vereinbaren. Wir bemühen uns darum in politischen Dialogen. Aber selbstverständlich können wir das nicht garantieren.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, dass Sie durchgehalten haben. Wir wünschen Ihnen gute Besserung! Bevor Sie jetzt ins Ministerium zurückgehen, schauen Sie doch einmal bei unserer Parlamentsärztin im Erdgeschoss vorbei.
Ich rufe den Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin Annette Widmann-Mauz bereit.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Welche Mitglieder und externen Beraterinnen und Berater soll die Arbeitsgruppe der Leopoldina, welche die Stellungnahme zu Stickoxidgrenzwerten erarbeiten soll ( www.welt.de/ wissenschaft/article188255631/Wie-die-Stickoxid-Grenzwerte- jetzt-auf-den-Pruefstand-kommen.html ), haben, und welche Kosten sind im Einzelnen mit dieser Beauftragung (auch der externen Beraterinnen und Berater) verbunden?
Frau Staatssekretärin.
Herr Präsident! Herr Kollege, die aktuelle Diskussion um die Belastung der Atemluft mit Stickstoffdioxid und die Festsetzung der EU-Grenzwerte stößt in der Öffentlichkeit auf breites Interesse. Es werden zahlreiche verschiedene, teilweise kontroverse Positionen zu diesem Thema vertreten. Die Bundesregierung hat dies zum Anlass genommen und die Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften gebeten, eine Darstellung des Stands der Wissenschaft zu den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen der gesundheitlichen Folgen der Stickstoffdioxidbelastung in der Atemluft einschließlich einer Bewertung zu übermitteln. Es handelt sich dabei um eine Bitte der Bundesregierung an die Leopoldina, nicht um einen Auftrag. Kosten für den Bund sind mit dieser Bitte nicht verbunden. Die Leopoldina erarbeitet ihre Stellungnahme unabhängig und ergebnisoffen. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob eine Arbeitsgemeinschaft eingerichtet wird und ob bzw. welche weiteren externen Berater neben den Mitgliedern der Leopoldina in eine solche Arbeitsgruppe berufen werden.
Herr Krischer stellt keine Frage ohne Nachfrage. Sie haben das Wort.
Herr Präsident, woher wissen Sie das? – Danke schön.
Frau Staatsministerin, herzlichen Dank für die Auskunft. – Es ist nach Aussage der Leopoldina relativ ungewöhnlich, dass sie von einer Regierung oder aus der Politik um eine solche Bewertung gebeten wird. Die Leopoldina handelt eigentlich aus eigenem Antrieb. Deshalb würde mich interessieren: Welcher Teil der Bundesregierung, also welches Ministerium, hat diese Bitte der Leopoldina übermittelt? Wie ist die Übermittlung erfolgt? Wie ist die konkrete Formulierung des Auftrages? Stickoxidbelastung ist ein weites Feld, auch im Rahmen der aktuellen Debatte. Wie ist die genaue Formulierung an dieser Stelle?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat die Leopoldina gebeten, den aktuellen Stand der Wissenschaft in dieser Frage darzustellen und eine Bewertung abzugeben. Nähere Details sind mir nicht bekannt. Deshalb müsste ich Ihnen die ansonsten schriftlich nachreichen.
Herr Krischer noch einmal.
In der Bundesregierung gibt es mehrere Teile: verschiedene Ministerien, das Bundeskanzleramt. Mich würde interessieren: Welcher Teil der Bundesregierung hat das gemacht? Aus welchem Haus ist das erfolgt?
Die zweite Frage, die ich noch anschließen möchte: Bis wann rechnen Sie mit Ergebnissen? Hat das irgendwelche Konsequenzen für aktuelle Verfahren, für aktuelle Initiativen von Teilen der Bundesregierung? Ich schaue dabei in Richtung Herrn Ferlemann, der in Brüssel unterwegs ist, um Grenzwerte abschaffen zu wollen. Können Sie mir dazu noch eine Auskunft geben?
Die Bitte ist ergebnisoffen. Das beinhaltet nicht nur die Frage, wen die Leopoldina an dieser Bewertung beteiligt, sondern es betrifft genauso den zeitlichen Rahmen.
Vielen Dank. – Für eine weitere Frage hat sich der Kollege Oliver Luksic von der FDP gemeldet.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat mit 2 000 führenden Experten zu diesem Fragekomplex einen einhelligen Beschluss gefasst, indem zum einen der Grenzwert hinterfragt wird, zum anderen aber auch die Messverfahren. Dazu gibt es in der Bundesregierung offensichtlich sehr unterschiedliche Ansätze. Das Land Niedersachsen mit Umweltminister Lies beispielsweise überprüft und korrigiert die Modellrechnungen. Deswegen ist meine Frage bezüglich des Schreibens vom Verkehrsministerium an die EU-Kommission, ob es dazu eine abgestimmte Haltung der Bundesregierung in Sachen Überprüfung der Grenzwerte gibt; denn federführend ist das Bundesumweltministerium. Es ist die Frage: Gibt es dazu eine Ressortabstimmung, ja oder nein?
Ich bin gerne bereit, diese Frage an das zuständige Ministerium weiterzugeben, das die Federführung in diesem Teilbereich hat.
Herr Ferlemann? – Nein, Umweltministerium.
Sehr geehrter Herr Kollege Luksic, Sie haben nachher noch Fragen diesbezüglich, auch zu Modellrechnungen, Grenzwerten und NO x . Sie wissen, dass wir dafür zuständig sind und den Auftrag vergeben, die Messstationen zu überprüfen. Die Frage innerhalb der Bundesregierung war eine sachliche Betrachtung der Grenzwerte. Die Bundesregierung ist sich einig, dass wir die Studien gemeinsam überprüfen lassen, aber nicht die Grenzwerte als solche von vornherein infrage stellen.
Noch eine weitere Frage vom Kollegen Sarrazin, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Staatsministerin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist Ihnen nicht bekannt, welcher Teil der Bundesregierung diese Bitte an die Leopoldina formuliert hat. Wenn dem so ist: Wieso beantworten dann Sie die Frage zu dieser Bitte an die Leopoldina im Auftrag der Bundesregierung? Wenn es Ihnen nicht bekannt ist, kann man dann davon ausgehen, dass das Kanzleramt keine Ahnung hat, wer die Leopoldina um diese Studie gebeten hat?
Herr Kollege, das Bundeskanzleramt hat für die Bundesregierung diese Bitte an die Leopoldina geäußert.
Vielen Dank. – Wir kommen zur Frage 7 der Abgeordneten Filiz Polat, Bündnis 90/Die Grünen:
Wie ist der aktuelle Stand bei der Erstellung des Nationalen Aktionsplans Integration (NAP-I), welchen die Bundesregierung beim Integrationsgipfel 2018 im Bundeskanzleramt angekündigt hat, und welche konkreten Maßnahmen wurden im Rahmen dessen seitdem in den dort aufgeführten fünf Phasen angegangen (bitte nach Phasen getrennt auflisten)?
Herr Präsident! Frau Kollegin Polat, die Fort- und Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans Integration, deren Auftakt beim 10. Integrationsgipfel am 13. Juni 2018 stattgefunden hat, ist ein auf die gesamte Legislaturperiode ausgerichteter, gesamtgesellschaftlicher Prozess. Mit dem Nationalen Aktionsplan Integration setzen wir den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag um, die vielfältigen Integrationsmaßnahmen in einer bundesweiten Strategie nach dem Grundsatz „Fordern und Fördern“ zu bündeln. Der Nationale Aktionsplan Integration wird gemeinsam von Bund, Ländern, Kommunen und nichtstaatlichen Akteuren, insbesondere zahlreichen Migrantenorganisationen, erarbeitet. Dabei orientiert sich der Nationale Aktionsplan Integration an fünf Phasen der Zuwanderung und des Zusammenlebens. Die Ergebnisse werden sukzessive auf den kommenden Integrationsgipfeln präsentiert werden, wobei die Ergebnisse der Phase 1 im ersten Quartal 2020 vorgestellt werden, die Ergebnisse der Phasen 2 und 3 zusammen im vierten Quartal 2020 und die Ergebnisse der Phasen 4 und 5 zusammen im ersten Quartal 2021. Der Ergebnispräsentation kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgegriffen werden.
Möchten Sie nachfragen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsministerin, Sie haben angedeutet, dass die fünf Phasen unter Teilnahme verschiedener Gruppen und Akteure erarbeitet werden. Wie setzen sich die Arbeitsgruppen in der jeweiligen Phase zusammen – Sie sprachen von fünf Phasen –, und nach welchen Kriterien ist die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgt?
Die fünf Phasen, denen wiederum 24 Themenforen zugeordnet sind, werden in der jeweiligen Zuständigkeit der Bundesressorts durchgeführt. Mir obliegt in diesem Kontext die Gesamtsteuerung. Es gab zunächst bilaterale Gespräche mit den Ressorts, dann wiederum Koordinierungsrunden der beteiligten Ressorts in den jeweiligen Phasen, um den Arbeitsprozess zu planen. Es ging dabei auch um die Frage, wer beteiligt ist. Wir haben dazu Gespräche mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden, den Wohlfahrtsverbänden, den Spitzenverbänden auch von Migrantenorganisationen und weiteren Akteuren geführt. Es gab auch eine Form von Interessenbekundung von den beteiligten Ebenen, um sicherzustellen, dass sich die Länder jeweils mit ihren Konferenzen – die Integrationsministerkonferenz wurde dazu beauftragt – entsprechend einbringen können. Das ist, wie gesagt, von Forum zu Forum unterschiedlich und richtet sich nach den Themen, die in den einzelnen Foren diskutiert werden.
Noch Nachfragen?
Im Rahmen der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans Integration hat sich die Bundesregierung damals verpflichtet – ich meine, das war 2007 –, auch einen Integrationsindikatorenbericht zu erarbeiten. Der letzte liegt meines Wissens etwa sechs Jahre zurück. Ist auch Teil dieses Prozesses die Erarbeitung eines Integrationsindikatorenberichtes, bzw. wann wird der nächste von Ihnen vorgelegt?
Die Erstellung eines Integrationsindikatorenberichtes ist nicht Teil des Nationalen Aktionsplans Integration, und die Erarbeitung bzw. die Vorbereitungen dazu sind derzeit im Gange. Ich kann dazu im Moment noch keine weiteren Aussagen machen.
Weitere Fragen dazu liegen nicht vor.
Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht bereit die Parlamentarische Staatssekretärin Christine Lambrecht.
Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Stefan Schmidt von Bündnis 90/Die Grünen:
Inwiefern wird ein konkretes Modell zur Reform einer Grundsteuer auf Grundlage der am 1. Februar 2019 von den Finanzministerinnen und -ministern von Bund und Ländern geeinten Eckpunkte erarbeitet werden, und wie wird die nachträgliche Ablehnung der Eckpunkte durch die CSU und die Fraktion der CDU/CSU aus Sicht des Bundesfinanzministers den weiteren Reformprozess beeinflussen (vergleiche „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ vom 3. Februar 2019)?
Frau Staatssekretärin.
Herr Präsident! Herr Kollege Schmidt, wie bereits im Finanzausschuss heute Vormittag ausführlich dargestellt, arbeitet das BMF mit Hochdruck an einer Reform der Grundsteuer. Die Frist ist uns vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben: Wir müssen bis Ende dieses Jahres ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen haben. In diesem Zusammenhang gab es Gespräche mit den Länderfinanzministern, die ja in diesem Zusammenhang mit ins Boot zu nehmen sind. Bei einer Sitzung Anfang Februar konnten dazu Eckpunkte vereinbart werden. Aber es ist, wie es bei solchen Verfahren eben ist: Es ist im Fluss, einige Fragen sind auch noch offen. Also wird es weitere Beratungen geben. Auf Grundlage der Eckpunkte läuft aber schon jetzt in unserem Hause ein Gesetzgebungsverfahren, das heißt, wir werden einen entsprechenden Entwurf formulieren.
Sie möchten eine Nachfrage stellen?
Ja. Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wenn man sich die öffentlichen Verlautbarungen nach der Einigung auf das Eckpunktepapier anhört, entsteht der Eindruck, dass sich 15 Länder auf dieses Eckpunktepapier verständigt haben, während der bayerische Finanzminister Herr Füracker, der bayerische Ministerpräsident Herr Söder und – in anderen Zusammenhängen – auch der Bundesinnenminister Herr Seehofer eher den Eindruck erwecken, als sei das allenfalls ein erster Schritt eines Aufeinanderzugehens.
Deshalb ist meine Frage – Sie waren ja offensichtlich bei diesem Treffen dabei –, wie Sie es erlebt haben: Ist die Bayerische Staatsregierung – erstens – mit im Boot, hat sie sich auch auf diese Eckpunkte eingelassen? In der Öffentlichkeit wurde es so dargestellt, als arbeite die CSU an einem eigenen Vorschlag. Wurde in der Besprechung – zweitens – klar, ob die CSU noch an einem solchen Vorschlag arbeitet, oder hat sie diese Pläne aufgegeben?
Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kollege, es war ein Treffen des BMF, also des Bundesministers der Finanzen, mit den jeweiligen Landesfinanzministern – also nicht mit Parteien –, die in diesem Gesetzgebungsverfahren eine sehr bedeutende Rolle spielen. Die Eckpunkte wurden nach einem anderen Treffen als Fragestellung oder auch als Anregung an uns herangetragen. Sie wurden dann präzisiert, konkretisiert und bei dem Treffen dann auch so beschlossen. Es ist aber, wie gesagt, ein Prozess, das heißt, es wird weitere Änderungen geben.
Wir als Bundesregierung gehen aber davon aus, dass wir als Bund die Gesetzgebungskompetenz bei der Grundsteuer haben. Deswegen sehen wir uns auch als Bund in der Verpflichtung, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten, auf der Grundlage dessen, was gemeinsam mit allen Ländern – alle Länder waren am Tisch – vereinbart worden ist.
Weitere Frage?
Ja. Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Sie haben heute Vormittag schon zu Recht darauf verwiesen, dass die Frage der Umlagefähigkeit der Grundsteuer von der Reform der Grundsteuer losgelöst betrachtet werden sollte. Nichtsdestoweniger ist es ja so, dass die Frage der Umlagefähigkeit in der Öffentlichkeit momentan sehr intensiv diskutiert wird, auch vor dem Hintergrund steigender Mieten. Für mich ist es relativ nachvollziehbar, diese Debatte zu führen; denn von den Wertsteigerungen, die es bei Grund und Boden gibt, profitieren in erster Linie die Eigentümer der entsprechenden Immobilien.
Meine Frage: Wie werten Sie das? War dies Thema bei der entsprechenden Besprechung der Finanzminister? Wird die Frage der Umlagefähigkeit bei diesem – in Anführungszeichen – „Gesamtpaket“ mitberaten, auch wenn es gesetzgeberisch letztlich davon losgelöst sein sollte und sein wird?
Herr Präsident, Herr Kollege, wir erarbeiten einen Entwurf für eine Reform der Grundsteuer. In diesem Reformentwurf spielt die Frage der Umlagefähigkeit der Grundsteuer derzeit keine Rolle. Ich möchte auch darum bitten – dazu fordere ich immer wieder auf –, das voneinander zu trennen.
Die Eckpunkte, die wir uns, nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergangen ist, gesteckt haben, sahen vor, dass wir die Neuregelung aufkommensneutral gestalten wollen, das heißt, wir wollen diese Gelegenheit nicht nutzen oder auch keinen Spielraum dafür bieten, dass es zu Steuererhöhungen kommt. Die Neuregelung soll aufkommensneutral sein. Auch soll das Hebesatzrecht der Kommunen nicht in irgendeiner Weise tangiert werden. Deswegen ist die Aussage, dass es automatisch hier oder da oder für einzelne Haushalte zu Erhöhungen kommt, nicht zu bestätigen. Vielmehr versuchen wir auch im Rahmen der Möglichkeiten, die wir haben – wir können über eine Anpassung der Steuermesszahl reagieren –, die Aufkommensneutralität zu gewährleisten.
Die grundsätzliche Frage, ob die Grundsteuer umlagefähig bleiben sollte, ist davon gesondert zu betrachten. Die Koalition hat sich im Koalitionsvertrag auch darauf verständigt, dass man darüber berät, ob es in Zukunft so bleiben soll; aber es spielt bei diesem Reformvorhaben keine Rolle.
Eine weitere Frage möchte die Abgeordnete Britta Haßelmann von den Grünen stellen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin Lambrecht, wie lange soll eigentlich verhandelt werden? Langsam werden alle nervös. Egal ob Landkreis, Städtetag oder Städte- und Gemeindebund: Alle vor Ort wissen, welche Bedeutung die Grundsteuer als stabile Einnahmequelle – es geht um 14 Milliarden Euro – für die Erfüllung der Aufgaben von Städten und Gemeinden vor Ort hat. Jetzt erleben wir – mein Kollege Schmidt hat es eben in seiner Frage schon formuliert –, dass eine Lösung gefunden werden könnte, dass es aber 15 : 1 gegen Bayern steht und man deswegen zu keiner Einigung kommt. Die ganze Debatte wird schon seit fünf Jahren geführt. Jetzt hat uns das Bundesverfassungsgericht einen klaren Rahmen vorgegeben, bis wann das Gesetz stehen soll. Wie sieht also der Zeitplan aus? Wie können die 14 Milliarden Euro für die Kommunen gesichert werden?
Herr Präsident! Werte Frau Kollegin Haßelmann, selbstverständlich ist uns bewusst, dass der Zeitplan für die Reform der Grundsteuer einzuhalten ist. Ansonsten hat die Grundsteuer keine Grundlage. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Wir haben keineswegs die Hände in den Schoß gelegt, nachdem es im letzten April das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gab.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns zwei Fristen gesetzt: zum einen für das Abschließen des Gesetzgebungsverfahrens bis Ende dieses Jahres. Zum anderen muss gewährleistet sein, dass das Gesetz in den Ländern entsprechend umgesetzt werden kann. Deswegen haben wir im letzten Jahr zahlreiche Rücksprachen mit den Ländern geführt. Dabei ging es darum, ob die administrativen Voraussetzungen und die erforderliche Datenbasis tatsächlich vorhanden und welche weiteren Schritte notwendig sind. Das ist ein Prozess, der etwas dauerte; denn es geht um umfangreiches Datenmaterial. Es musste auch neues Datenmaterial erhoben werden, weil die vorhandenen Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht werden mussten; das ist in solchen Verfahren so. Aber jetzt sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir haben mit den Ländern ein Aufeinanderzugehen erreicht. Es steht auch keineswegs 15 : 1. Vielmehr haben wir in der letzten Sitzung Eckpunkte verabschiedet, die jetzt weiter konkretisiert werden. Wir haben die Gesetzgebungskompetenz, und wir werden den Gesetzentwurf fristgerecht vorlegen, damit den Kommunen die dringend benötigte finanzielle Grundlage von 14 Milliarden Euro erhalten bleibt.
Eine weitere Frage zur Grundsteuer stellt Dr. Christoph Hoffmann von der FDP.
Sie haben schon auf die Dringlichkeit hingewiesen. Im Eckpunktepapier sind zum Beispiel die Bodenrichtwerte als verlässliche Basis aufgeführt. Ich kann Ihnen aber versichern, dass in Baden-Württemberg mindestens 50 Prozent der Bodenrichtwerte nicht gerichtsfest sind, weil die Gutachterausschüsse zu klein sind, um die große Zahl an Grundstücken bewerten zu können. Das kann nicht funktionieren. Das heißt, wenn Sie den Bodenrichtwert mit einbeziehen, dann beziehen Sie eine nicht gerichtsfeste Grundlage mit ein. Denken Sie daran, zum Beispiel diesen Wert bei der Berechnung doch noch außen vor zu lassen? Auch bei den fiktiven Mieten, die im Eckpunktepapier enthalten sind, weiß keiner, ob sie gerichtsfest sind. Könnten Sie sich vorstellen, diese Werte zur Vereinfachung bei der Berechnung außen vor zu lassen?
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege, wir sind sehr kreativ. Wir wollen auf der einen Seite gewährleisten, dass die Einkünfte für die Kommunen erhalten bleiben, auf der anderen Seite wollen wir natürlich nicht, dass es das oft beschriene Bürokratiemonster gibt. Wir arbeiten daran, Lösungen zu finden, die auch umsetzbar sind. Die Frist bis Ende 2019 gilt nur für das Gesetzgebungsverfahren. Danach läuft eine weitere Frist, was die Umsetzbarkeit in den Bundesländern betrifft, die Ende 2024 ausläuft.
Alle Länder sitzen mit am Tisch. Der Bodenrichtwert wird sicherlich eine der Grundlagen sein, aufgrund derer man die entsprechenden Werte berechnen kann. Da die Länder mit am Tisch sitzen und die Eckpunkte mit beschließen, gehen wir davon aus, dass die Länder hinterher auch die Voraussetzungen schaffen, um sie zu erfüllen.
Für eine weitere Frage hat sich der Abgeordnete Hollnagel von der AfD gemeldet.
Was spricht eigentlich dagegen, dass die Grundsteuer ganz abgeschafft wird – vorausgesetzt natürlich, dass ein vollständiger Ausgleich aus anderen Mitteln erfolgt? Der Vorteil wäre, wie wir alle wissen, die Mieten würden entsprechend sinken, da ja die Grundsteuer umgelegt wird. Aus welchen Gründen möchte die Bundesregierung diese Idee also nicht aufgreifen? – Danke schön.
Die Bundesregierung hat sich mit allen Ländern darauf verständigt, dass wir an der Grundsteuer festhalten, weil sie eine Einnahmequelle von 14 Milliarden Euro für die Kommunen darstellt. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich sehe auch keinen Handlungsspielraum, dann 14 Milliarden Euro jährlich – jährlich! – aus anderen Quellen zur Verfügung zu stellen. Deswegen haben wir uns darauf verständigt und sind uns darin einig, dass wir das als politische Entscheidung auch gemeinsam so tragen.
Weitere Fragen zur Grundsteuer liegen nicht vor.
Deshalb rufe ich Frage 9 auf, ebenfalls vom Abgeordneten Stefan Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen:
Welches Beratungsergebnis konnte die Facharbeitsgruppe „Altschulden“ innerhalb der Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ bei ihren Sitzungen jeweils erzielen (bitte je Sitzung einzeln aufführen), und inwiefern hält die Bundesregierung an ihrem Zeitplan für die Regierungskommission, der bereits für Juli 2019 die Vorstellung eines Gesamtergebnisberichts der Kommissionsergebnisse vorsieht, fest (vergleiche www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2018/133-gleichwertige-Lebensverhaeltnisse.html )?
Herr Präsident! Werter Herr Kollege, die Arbeitsgruppe „Kommunale Altschulden“ hat ihre Arbeit Ende September letzten Jahres – genau: am 26. – aufgenommen. In einem ersten Schritt ist eine Problemanalyse erfolgt. Nach dieser Problemanalyse wird sich die Arbeitsgruppe, die Anfang Februar wieder tagt, mit all den Ursachen – sie sind eben sehr unterschiedlich, weil die Kommunen in diesem Land auch sehr unterschiedlich sind – beschäftigen. Aus diesen Beratungen werden bis Mai 2019 Lösungsvorschläge, wie mit dieser Thematik umgegangen werden kann, vorliegen. Der Bericht der Kommission insgesamt wird im Juli 2019 vorgelegt werden. Sie haben sicherlich Verständnis, dass ich Ihnen an dieser Stelle, da man eben noch in der Beratungsphase ist, noch keine Ergebnisse vorlegen kann.
Vielen Dank. – Möchten Sie nachfragen?
Vielen Dank. – Selbstverständlich können Sie noch keine Ergebnisse vorlegen, Frau Staatssekretärin. Mich würde trotzdem interessieren: Wie ist die Position der Bundesregierung? Es wurde ja eine Regierungskommission dazu eingerichtet, in der zu Recht auch Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenverbände mitwirken, leider jedoch nicht Gremien wie das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, leider auch nicht die Opposition. Nichtsdestoweniger gehe ich davon aus, dass die Bundesregierung mit einer gewissen Position in diese Gespräche geht, insbesondere auch, wenn es um die Frage geht, inwiefern man sich an der Senkung der kommunalen Altschulden auch finanziell beteiligen würde.
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege, wir wählen den Ansatz, dass wir in der Kommission eine Analyse betreiben – die steht jetzt an – und daraus entsprechende Handlungsoptionen entwickeln und diese dann vorlegen. Wir gehen also nicht den Weg, schon mit fertigen Ergebnissen oder Vorschlägen in die Kommission zu gehen. Ich glaube, das wäre auch nicht angemessen.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie auch – es ist eine Bundeskommission, ja – darauf hingewiesen haben, dass die Länder dabei sind; denn es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die kommunale Finanzausstattung auch eine Aufgabe der Länder ist und in diesem Zusammenhang nicht ganz unberücksichtigt bleiben darf. Aber wie gesagt, wir gehen diesen Weg, und ich glaube, das ist sachgerecht; denn es gibt ganz verschiedene Ursachen. Deswegen gibt es nicht den einen Hebel, sondern wir wollen verschiedene Lösungsoptionen erarbeiten und dann vorlegen.
Weitere Zusatzfrage?
Ja, insofern, als Ihr Kollege, Frau Staatssekretärin, heute im entsprechenden Ausschuss schon berichtet hat, dass die Probleme und Ursachen analysiert worden sind und dazu bereits zwei Sitzungen stattgefunden haben, sodass aus meiner Sicht – so wurde es auch erläutert – nur noch eine weitere Sitzung stattfinden wird, auf der man letztendlich zu Ergebnissen gelangen möchte. An dieser Stelle wäre es aus meiner Sicht schon erforderlich, dass die Bundesregierung langsam Stellung bezieht und sagt: Ja, es sind sehr viele verschiedene Gründe, die zu dieser Verschuldung geführt haben. Nichtsdestoweniger ist an manchen Stellen nicht von der Hand zu weisen, dass Strukturumbrüche nicht allein von den Kommunen und wahrscheinlich auch nicht von den entsprechenden Ländern getragen werden müssen, sondern sich der Bund hier konkret finanziell beteiligen sollte. – Vor diesem Hintergrund noch einmal die Frage: Wird das zumindest erwogen?
Ihren Kollegen Wanderwitz habe ich bei einer früheren Anhörung bzw. Befragung im Bauausschuss so verstanden, dass das eher eine Hilfe zur Selbsthilfe sein soll und weniger eine finanzielle Unterstützung. Deshalb frage ich an der Stelle noch einmal ganz konkret: Kommt eine finanzielle Unterstützung, eine entsprechende Altschuldenhilfe für die Bundesregierung infrage?
Herr Präsident! Herr Kollege, der Kollege Wanderwitz hat mir gerade zugeraunt, er hätte sich sehr bedeckt gehalten. Von daher ist das vielleicht eine andere Wahrnehmung.
Ich sage es noch einmal: Anfang Februar hat die zweite Sitzung stattgefunden. Die Probleme wurden analysiert, die Ursachen wurden identifiziert. Infolge dieser Sitzung Anfang Februar – wir haben heute den 13. Februar; dazwischen liegt keine allzu große Zeitspanne – werden jetzt Lösungsmöglichkeiten entwickelt und vorgeschlagen. Deswegen bitte ich noch um etwas Geduld. Ich habe den Weg ja beschrieben. Im Mai wird diese Arbeitsgruppe entsprechende Lösungsmöglichkeiten vorlegen.
Sie haben ja gesagt, dass es die unterschiedlichsten Ursachen gibt. Ich möchte ungern vorgreifen, indem ich den Eindruck erwecke, dass es angesichts dieser breiten Palette von Ursachen für die Altschulden die eine richtige Lösung gibt.
Vielen Dank. – Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Dr. Götz Frömming, AfD, auf:
Trifft die Aussage in der „Frankfurter Allgemeinen“ und der „Bild“ jeweils vom 4. Februar 2019 zu, wonach im Bundeshaushalt eine Lücke von 24,7 Milliarden Euro droht und es „kein weiteres Geld mehr für den Digitalpakt Schule“ gibt, und was würde das für Konsequenzen mit sich bringen?
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege, die Frage bezieht sich ja auf zwei Bereiche. Einmal geht es darum, dass im Bundeshaushalt eine Lücke von 24,7 Milliarden Euro sei. Ich muss vielleicht vorausschicken: Für die Regierung ist weiterhin oberstes haushaltspolitisches Ziel – und daran arbeiten wir auch –, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden erneut vorzulegen. Aus dem Jahreswirtschaftsbericht 2019 ergibt sich ein Handlungsbedarf. Der kumulierte Handlungsbedarf für die Jahre 2020 bis 2023 ist beschrieben. Die Aufgabe ist, im anstehenden Haushaltsaufstellungsverfahren, aber auch in Bezug auf den Finanzplan bis 2023 darauf Antworten zu geben. Wir stehen aber erst am Anfang der Beratungen. Wir werden natürlich so bald als möglich die entsprechenden Informationen geben.
Die Finanzierung des DigitalPakts Schule ist davon unabhängig zu sehen. Sie wird nämlich gespeist aus dem Sondervermögen DigitalPakt Schule. Dafür stehen 720 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Mittel sind zwar derzeit gesperrt; das hat aber nichts mit dem Jahreswirtschaftsbericht zu tun, sondern damit – das ist Ihnen auch bekannt –, dass es momentan ein Vermittlungsverfahren zu diesem Bereich gibt, weil die hierfür erforderliche Grundgesetzänderung noch nicht erreicht werden konnte. Erst wenn sie erreicht ist, können diese Mittel freigegeben und verwendet werden.
Herr Frömming möchte nachfragen.
Vielen Dank für die Ausführungen. – Ich möchte gerne bei dem letzten Punkt, den Sie erwähnten, dem Vermittlungsausschuss, noch mal nachhaken. Ich bin Mitglied im Vermittlungsausschuss. Wie man inzwischen auch den Zeitungen entnehmen konnte, steht hier möglicherweise eine Einigung bevor. Diese Einigung wird sich aber weitgehend auf Kosten des Bundes darstellen, und zwar insofern, als dass die Eingriffs- und Kontrollrechte des Bundes hier viel weniger weitgehend sein werden, als wir das ursprünglich erhofft haben. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund den DigitalPakt? Können wir dann überhaupt noch sichergehen, dass das Geld wirklich zweckgemäß eingesetzt wird? Können Sie dazu schon eine Aussage treffen?
Ihnen ist sicherlich bekannt, dass die sogenannte 50 : 50-Regel, nach der, wenn der Bund 50 Prozent gibt, auch das Land 50 Prozent geben muss, gerade für den DigitalPakt nicht gilt, sondern erst für Programme der Zukunft. Deswegen ist der DigitalPakt Schule davon völlig unabhängig, egal welches Ergebnis der Vermittlungsausschuss erzielt. Diese Regelung trifft auf den DigitalPakt nicht zu. Ich bin ganz optimistisch, dass der Vermittlungsausschuss im Interesse von Schülerinnen und Schülern, von Lehrern, von Eltern, die alle dringend darauf warten, dass dieses Geld investiert wird, eine sachgerechte Lösung finden wird, die eben auch die Belange des haushaltsaufstellenden Parlaments berücksichtigen wird.
Noch eine Nachfrage? – Bitte sehr.
Ich meinte jetzt weniger die Zuzahlung – mir ist schon klar, dass es hier eine 90 : 10-Regelung hätte geben sollen –, sondern es ging mir vielmehr um die Kontrollmöglichkeiten des Bundes. Nun ist ja offenbar vorgesehen, dass die Länder weitgehend selbst über die Mittel verfügen können. Wie wollen Sie als Bund sicherstellen, dass vor Ort tatsächlich die Maßnahmen ergriffen werden, die man ergreifen muss, um dem DigitalPakt flächendeckend zum Erfolg zu verhelfen?
Es wird zwischen Bund und Ländern Verwaltungsvereinbarungen geben. Nichtsdestotrotz ist klar formuliert, wofür dieses Geld zu verwenden ist. Ich gehe davon aus – weil in allen Ländern Handlungsbedarf besteht, in diesen Bereich zu investieren –, dass die Länder das entsprechend den Vorgaben – der DigitalPakt ist ja nicht etwas, was einfach nur aus Geld besteht, sondern da ist ja auch klar formuliert, in welche Bereiche investiert werden soll – umsetzen werden.
Vielen Dank. – Weitere Fragen zum DigitalPakt liegen nicht vor.
Dann rufe ich die Frage 11 der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen, auf:
Hatte sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, die Digitalsteuer auf dem Treffen der EU-Finanzministerinnen und EU-Finanzminister im Februar 2019 zu beraten, und, wenn ja, wie hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt?
Frau Staatssekretärin.
Herr Präsident! Werte Frau Kollegin, beim Treffen der EU-Finanzminister jetzt im Februar stand dieses Thema nicht auf der Tagesordnung. Allerdings haben wir bereits im Dezember des letzten Jahres aktiv daran gearbeitet. Wir konnten damals noch keine Einigung erzielen. Aber die Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit Frankreich – wir haben ja da auch eine abgestimmte Position – für eine rasche Verabschiedung eines entsprechend geänderten Richtlinienentwurfs ein. Geplant ist, das noch vor März 2019, also alsbald, umzusetzen. Allerdings gibt es bei diesem Thema durchaus abweichende Positionen. Aber wir arbeiten weiter daran, dass bis März 2019 eine entsprechende Einigung erzielt wird.
Eine Zusatzfrage von Frau Brantner.
Herzlichen Dank für Ihre Antwort. – Dass das nicht auf der Tagesordnung stand, habe ich schon gesehen. Aber die Frage war ja nicht, ob das auf der Tagesordnung stand, sondern, ob Sie sich dafür eingesetzt hatten, dass das auf die Tagesordnung kommt. Sie haben gerade selber gesagt, dass man sich bis März einigen will. Dann sollte man das vielleicht im Februar besprechen und sich dafür einsetzen, dass man vorankommt.
Wir setzen uns kontinuierlich dafür ein – das erfolgt nicht nur auf solchen Finanzministertreffen, sondern in Gesprächen auf anderer Ebene; jedes Gespräch wird dazu genutzt –, weil das ein Thema ist, das uns und Frankreich sehr auf den Nägeln brennt und wo wir zu einem Ergebnis kommen wollen. Deswegen werden alle Gespräche genutzt.
Bei diesem Treffen – das hat manchmal etwas mit Zeitgründen und den Themen, die besprochen werden müssen, zu tun – hat das keine Rolle gespielt. Aber wir werden weiterhin – wie gesagt, seit Dezember abgestimmt – jede Möglichkeit nutzen, damit es im März zu einer Einigung kommt.
Noch eine Nachfrage?
Könnten Sie bitte präzisieren, was Sie mit „jede Möglichkeit nutzen“ denn wirklich meinen? Was tut die Bundesregierung aktuell, Mitte Februar, damit es bis März eine Einigung gibt? Wenn Sie das etwas präziser darstellen könnten!
Der Bundesfinanzminister nutzt jede Möglichkeit, die er hat – nicht nur er, sondern alle, auch die Staatssekretäre, die in diesem Zusammenhang tätig sind –, mit den Ländern, die momentan vielleicht noch eine etwas kritische Position haben, zu sprechen und für diese Einigung zu werben; da wird jede Möglichkeit genutzt. Ich kann Ihnen hier jetzt keine Aufstellung von einzelnen Gesprächsdaten, Telefonaten oder Treffen am Rande von anderen Gelegenheiten aufzählen; aber, wie gesagt, diese Möglichkeiten, die sich ja in vielfältiger Form ergeben, werden bei jeder Gelegenheit genutzt.
Okay, dann sind wir mit dem Bereich fertig.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Marco Wanderwitz bereit.
Die Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Dr. André Hahn und die Frage 14 der Abgeordneten Linda Teuteberg werden schriftlich beantwortet.
Die Frage 15 stellt die Abgeordnete Canan Bayram von Bündnis 90/Die Grünen:
Wie versucht die Bundesregierung, zu verhindern, dass der sogenannte Staatstrojaner nicht durch etwaige rechte Netzwerke in Bundespolizeibehörden oder Bundesgeheimdiensten eine missbräuchliche Anwendung, etwa zur Ausspähung politisch Unliebsamer, findet, und kann die Bundesregierung bei der bisherigen Nutzung des sogenannten Staatstrojaners durch Bundesbehörden solche Fälle ausschließen ( www. fr.de/frankfurt/bundespolizei-org26532/rechtsextremismus- polizei-10943953.html ; www.neues-deutschland.de/artikel/1111816.rechte-netz werke-elitesoldat-der-bundeswehr-suspendiert.html ; www. maz-online.de/Nachrichten/Politik/Polizeiwissenschaftler-Frankfurter-Fall-ist-kein-Einzelfall )?
Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Bayram, zunächst weise ich – wie seitens der Bundesregierung schon im Rahmen der Beantwortung anderer entsprechender Fragen zuvor – darauf hin, dass der Begriff „Trojaner“ im Kontext von Ermittlungsinstrumenten der Sicherheitsbehörden des Bundes missverständlich bzw. unzutreffend ist. Als Trojaner werden in der Regel widerrechtlich auf einem Informationssystem ausgeführte Schadprogramme bezeichnet, die eine nützliche Funktion vortäuschen, im Hintergrund jedoch ohne Wissen des Anwenders zumeist schädliche Funktionen erfüllen.
Die Sicherheitsbehörden des Bundes hingegen setzen keine Trojaner ein, sondern sie können im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse bei Vorliegen der rechtlichen Rahmenbedingungen Software zur informationstechnischen Überwachung bzw. Informationsgewinnung wie zum Beispiel Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder Onlinedurchsuchung einsetzen.
Sofern Polizeibehörden oder Nachrichtendienste des Bundes im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse Instrumente zur informationstechnischen Überwachung bzw. Informationsgewinnung einsetzen können, werden die einschlägigen gesetzlichen und behördeninternen Protokollierungs- und Dokumentationspflichten erfüllt sowie technische und organisatorische Maßnahmen umgesetzt, um eine unbefugte bzw. missbräuchliche Nutzung der Instrumente zu verhindern. Durch technische Maßnahmen wird sichergestellt, dass während des Einsatzes des technischen Mittels nur den mit der Überwachung bzw. Informationsgewinnung betrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausschließlich eine von der jeweiligen Anordnung umfasste Kenntnisnahme ermöglicht wird. Die erzeugten Protokolle sind gesondert geschützt und unterliegen der gesetzlichen Zweckbindung.
Darüber hinaus bestehen umfangreiche Prüf- und Kontrollbefugnisse hinsichtlich der durch die Behörden gespeicherten und verarbeiteten personenbezogenen Daten, zum Beispiel im nachrichtendienstlichen Bereich seitens der G 10-Kommission des Deutschen Bundestages sowie seitens des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.
Vielen Dank. – Wollen Sie nachfragen, Frau Kollegin?
Gerne, vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich habe ja gefragt, welche Vorkehrungen Sie treffen wollen, damit insbesondere rechtsextremistische Mitarbeiter bei der Polizei oder anderen Sicherheitsbehörden so etwas nicht auf eine Art und Weise verwenden, die uns an das erinnern würde, was aktuell mit Blick auf die Anwaltskollegin in Frankfurt diskutiert wird.
Es wäre ganz schön, wenn Sie die Frage beantworten würden.
Frau Kollegin, zum einen sind uns keinerlei solche Fälle, wie Sie sie hier beschreiben, bekannt, und zum anderen halten wir die von mir beschriebenen Protokollierungs- und Dokumentationspflichten, technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen und externen Prüf- und Kontrollkompetenzen für geeignet, eine missbräuchliche Nutzung bestmöglich zu verhindern.
Weitere Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie auf meine Frage geantwortet haben, dass Sie ausschließen können, dass rechtsextremistische Mitarbeiter bei den Sicherheitsbehörden durch die von mir als „Staatstrojaner“ und von Ihnen anders bezeichneten Instrumente Zugriff auf sensible Daten erlangen können?
Ich kann gerne noch mal meine Antwort wiederholen: Wir sind der Meinung, dass eine missbräuchliche Nutzung durch die von mir beschriebenen Instrumente bestmöglich verhindert wird.
Weitere Nachfragen liegen nicht vor.
Wir kommen zu Frage 16 der Abgeordneten Filiz Polat, Bündnis 90/Die Grünen:
Wie viele Personaldokumente sind in Deutschland in den einzelnen Jahren seit 2014 im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in seinen Außenstellen sowie nach Kenntnis der Bundesregierung bei Ausländerbehörden zeitweilig oder bis heute außer Kontrolle geraten bzw. nicht mehr auffindbar gewesen, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen oder unternimmt sie, um vorstehende Frage zu klären?
Herr Staatssekretär.
Liebe Frau Kollegin Polat, der Bundesregierung liegen zu der genannten Frage keine statistischen Erkenntnisse vor. Eine statistische Erfassung seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erfolgte für den abgefragten Zeitraum bis zum 2. April 2017 nicht. Seit dem 3. April 2017 unterhält das BAMF an allen Standorten ein Onlinesystem zur Erfassung, Überprüfung und Sendungsverfolgung aller im Original vorgelegten bzw. eingegangenen Identitätspapiere und Urkunden im Asylverfahren; PassTA wird dieses System genannt. Eine rückwirkende Auswertung des Bestandes in PassTA ist aufgrund kontinuierlicher Zu- und Abgänge jedoch nicht möglich.
Jeder Bearbeitungsstand eines Originaldokumentes innerhalb des BAMF – bis hin zur Abgabe des Dokuments – ist in PassTA zu dokumentieren. Ziel der Anwendung ist es, Transparenz über Prüfstatus und Aufbewahrungsort von Dokumenten, die zur Identitätsfeststellung einbehalten wurden, sicherzustellen.
Möchten Sie eine Nachfrage stellen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, unabhängig von einer Statistik: Haben die Bundesregierung und das Innenministerium Kenntnis davon, dass Pässe nach wie vor verloren gegangen bzw. nicht auffindbar sind?
Die Einführung von PassTA hatte den Hintergrund, mehr Transparenz über Prüfstatus und Aufbewahrungsort zu generieren. Gleichwohl sind uns keine konkreten Fälle bekannt, die auf irgendeine Art und Weise weiter zu verfolgen oder problematisch sind.
Eine weitere Nachfrage von Frau Polat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, konnte anhand der verschwundenen Pässe, die wiederaufgefunden worden sind, ermittelt werden, welche Gründe vorlagen, warum diese Pässe beim BAMF und in den Außenstellen des BAMF verloren gegangen sind?
Ich kann nur berichten, wie das Verfahren abläuft, wenn es dazu kommt, dass Pässe oder sonstige Dokumente verloren gehen. Meinem Kenntnisstand nach ist es zu solchen Fällen insbesondere auf dem Postweg bzw. beim Versand gekommen. Darüber hinaus kann ich jetzt an dieser Stelle keine Auskünfte geben, weil ich schlicht keine weiteren Kenntnisse habe.
Vielen Dank. – Die Frage 17 des Abgeordneten Stephan Brandner wird schriftlich beantwortet. Dann haben wir den Bereich des Innern abgeschlossen.
Wir gehen weiter zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister Michael Roth bereit.
Die Frage 18 des Abgeordneten Stephan Brandner wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Alexander Neu auf:
Welche belastbaren Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl derjenigen Menschen in Venezuela, die unter Hunger leiden, und welche Auswirkungen wird das von den USA verhängte Ölembargo nach Einschätzung der Bundesregierung auf diese Zahlen haben?
Herr Staatsminister.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ihr Einverständnis vorausgesetzt, möchte ich nur einen Hinweis geben. Es gibt eine Reihe von Fragen, die die aktuelle Lage in Venezuela betreffen. Deswegen kann ich nicht ganz ausschließen, dass es zu Wiederholungen und Doppelungen kommt. Offenkundig gibt es dazu eine Reihe von Nachfragen. – Jetzt bin ich bei der Frage des Kollegen Neu.
Lassen Sie mich vorab etwas zur Einordnung der Gesamtsituation in Venezuela sagen. Die Lage in dem Land ist weiterhin äußerst angespannt. Deutschland engagiert sich gemeinsam mit Partnern aus der EU und Lateinamerika für schnelle humanitäre Hilfe und freie und faire Präsidentschaftswahlen im Einklang mit der venezolanischen Verfassung als Grundlage zur Wiederherstellung des Friedens und der Rechtsstaatlichkeit. Um auf diesem Weg voranzukommen, traf sich die internationale Kontaktgruppe am 7. Februar dieses Jahres zum ersten Mal in Montevideo. Sie besteht aus acht Staaten der Europäischen Union sowie fünf Ländern aus Lateinamerika. Die Kontaktgruppe bekräftigt in ihrem Statement die Forderung nach einer friedlichen und demokratischen Lösung der Krise. Die Gruppe ruft alle Seiten zum Gewaltverzicht auf. Wir fordern die Rückkehr zu Rechtsstaatlichkeit und zur Gewaltenteilung.
Die venezolanische Regierung veröffentlicht seit 2015 keine wirtschaftlichen oder sozioökonomischen Zahlen mehr. Die Caritas geht davon aus, dass die Venezolanerinnen und Venezolaner im Jahr 2018 im Durchschnitt 10 Kilogramm Gewicht verloren haben. 80 Prozent der Menschen geben laut Caritas an, sich nicht mehr verlässlich mit Lebensmitteln versorgen zu können. 12 Prozent der Bevölkerung sind unterernährt – das sind die Angaben der Welternährungsorganisation –, darunter befinden sich sehr viele Kinder. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind deswegen bereits mehr als 3 Millionen Menschen auf der Flucht; sie haben ihr Heimatland verlassen.
Die Bundesregierung kann derzeit nicht einschätzen, wie und ob das von den USA verhängte Ölembargo sich auf diese Zahlen auswirken wird. Das Embargo tritt erst mit Übergangsfristen in Kraft.
Vielen Dank. – Haben Sie eine Zusatzfrage?
Herr Staatsminister Roth, der Leiter der Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz hat sich dagegen ausgesprochen, an der Verteilung der Lieferungen der Amerikaner teilzunehmen, mit dem Hinweis, dass die Unabhängigkeit, die Unparteilichkeit und die Neutralität nicht gewährleistet seien. Auch die UNO und der Präsident der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, Francesco Rocca, haben davor gewarnt, die humanitäre Hilfe zu politisieren. Teilt die Bundesregierung die Position der genannten Organisationen, dass die Hilfslieferungen der Amerikaner letztendlich zu nichts anderem als zu politischer Propaganda dienen?
Es ist eine große Tragödie, lieber Kollege Neu, für die betroffenen Menschen in Venezuela, dass sie keinen Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung haben. Dem versucht die Bundesregierung dadurch Abhilfe zu leisten, dass sie noch einmal 5 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt hat. Wir haben bislang schon knapp 15 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für die geflüchteten Menschen in der Nachbarschaft bereitgestellt. Dabei leisten wir keine Direkthilfen, sondern wir bedienen uns dort entsprechender Nichtregierungsorganisationen, die das im Auftrag Deutschlands oder der Europäischen Union erfüllen. Aber es ist skandalös, dass die venezolanische Regierung sich derzeit weigert, ihren Menschen diese notwendige Hilfe zukommen zu lassen.
Noch ein Punkt, der mich besonders fassungslos macht: Die Menschen in Venezuela erhalten von der Regierung eine Identifikationskarte, sie werden dort registriert, und damit kann unerwünschtes Verhalten unmittelbar sanktioniert werden. Das heißt, die Menschen in Venezuela erhalten nur dann Grundnahrungsmittel, wenn sie an Pro-Regierung-Versammlungen oder an Wahlen mit dieser Karte teilnehmen. Das muss bestätigt werden, und diese Daten sind dann bei der Abholung der Lebensmittel abrufbar. Das ist die Realität in diesem Land.
Danke, Herr Staatsminister. – Herr Neu, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, das war keine Antwort auf die Frage, die ich gestellt habe; das, was Sie gerade zum Besten gegeben haben, war Propaganda. – Versuchen wir es mit einer weiteren Frage. Sie haben gerade gesagt, dass 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Wenn es Hunderttausende oder Millionen von Flüchtlingen gibt, dann ist das natürlich gar nichts. Wenn Ihnen also die Venezolaner so leidtun, wie Sie hier vorgeben, dann müssten doch sicherlich mehr als 5 Millionen Euro drin sein. Die UNO hat insgesamt 109 Millionen Euro errechnet. Wie viele Millionen Euro sind Sie bereit draufzulegen?
Herr Präsident! Lieber Kollege Neu, das ist ein erster Schritt, und wir theoretisieren hier, solange sich die venezolanische Regierung weigert, den betroffenen Menschen humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn es einen ungehinderten Zugang gibt und die Menschen von der humanitären Hilfe, die angeboten wird, profitieren, wird es sicherlich nicht an Geldmitteln mangeln. Die Bundesregierung ist jedenfalls bereit, notwendige Mittel gemeinsam mit anderen internationalen Partnern zur Verfügung zu stellen.
Ich mache jetzt trotz Ihrer Wortmeldung, Frau Hänsel, mit der nächsten Frage weiter, weil Sie drei eigene Fragen zu dem Thema vorgelegt haben.
Ich rufe jetzt die Frage 20 der Abgeordneten Simone Barrientos auf:
Fordert die Bundesregierung von dem selbsternannten Interimspräsidenten Venezuelas, Juan Guaidó, gemäß Artikel 233 der geltenden venezolanischen Verfassung die Einberufung von Wahlen binnen 30 aufeinanderfolgenden Tagen?
Herr Staatsminister.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Barrientos, für die Bundesregierung ist Juan Guaidó im Einklang mit der venezolanischen Verfassung der Übergangspräsident des Landes, und er hat – das ist sein Auftrag – möglichst rasch freie und faire Präsidentschaftswahlen zu organisieren, sobald die politischen Rahmenbedingungen in Venezuela dies zulassen.
Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Ja, vielen Dank. – Die Logik der Opposition der Nationalversammlung ist: Wir erkennen nicht an. – Deshalb entsteht eine Vakanz. Diese wiederum berechtigt nach Artikel 233 der geltenden venezolanischen Verfassung, einen Interimspräsidenten zu benennen. Er ist nicht der anerkannte Interimspräsident, sondern der selbsternannte. Das möchten wir festhalten. Die Verfassung sieht aber die Nichtanerkennung einer Wahl – erst recht durch das Ausland – als zwingenden Hinderungsgrund für die Anerkennung nicht vor. Außerdem sieht Artikel 231 vor, dass der Präsident vor dem Obersten Gerichtshof dann verteidigt wird, wenn er – ich übersetze aus der Verfassung – „gleich aus welchem Grund nicht vor der Nationalversammlung das Amt antreten kann“.
Auf welche rechtliche Grundlage stützt die Bundesregierung ihre Ansicht, dass eine Präsidentschaftswahl in Venezuela, die durch das Ausland – ich betone: durch das Ausland – nicht als frei und fair anerkannt wird, einen in Artikel 233 der venezolanischen Verfassung definierten „zwingenden Hinderungsgrund“, die sogenannte falta absoluta, erfüllt?
Seit der illegitimen und undemokratischen Wahl des Präsidenten Maduro im vergangenen Jahr – im Mai 2018 – ist die Haltung der Europäischen Union und der Bundesregierung sehr klar, und wir haben das auch immer wieder durch öffentliche Statements entsprechend bekundet. Für uns ist die Nationalversammlung Venezuelas das einzig demokratisch legitimierte Organ. Es steht für uns völlig außer Frage, dass es schnellstmöglich zu demokratischen, freien und fairen Präsidentschaftswahlen in Venezuela zu kommen hat. Genau das ist die Aufgabe des Übergangspräsidenten. Es gibt eine entsprechende Auslegung des Artikels 233 der venezolanischen Verfassung. Nach unserer Kenntnis betrachtet die Opposition die Amtseinführung eines Präsidenten, der nicht in freien und fairen Wahlen gewählt wurde, als einen Gewaltakt gegen die Verfassung und den Präsidenten, und insofern gilt er aus Sicht der Opposition als amtsunfähig.
Aus Sicht der Opposition und aus Sicht von Herrn Guaidó, der zu den Wahlen gar nicht angetreten ist – – Entschuldigung, ich habe noch eine Nachfrage. Sie haben mir das Wort gar nicht erteilt. Ich habe es mir einfach genommen. Das ist mein lateinamerikanisches Blut; so könnte man vermuten.
Also: Der Kollege Guaidó hat an der Wahl gar nicht teilgenommen, obwohl er es hätte tun können. Die Opposition hat die Wahl in weiten Teilen boykottiert. Ich war in Venezuela und berufe mich in diesem Fall gar nicht auf mich, sondern auf den Kollegen Zapatero aus Spanien, der die Wahlen von Anfang bis Ende verfolgt und gesagt hat: Es gibt eigentlich gar keinen demokratischeren Wahlprozess als den in Venezuela. – Wir werden uns da nicht einigen. Es muss aber schon noch einmal gesagt werden: Das ist Ihre Auffassung, die nicht überall geteilt wird. Maduro ist ja von sehr vielen Ländern anerkannt worden. Auch das fällt immer gern unter den Tisch.
Ich kenne keine anderen Beispiele aus der Geschichte der bundesrepublikanischen Diplomatie, die zeigen, dass Gegenpräsidenten anerkannt wurden, die keine reale Macht in einem Land hatten. – Danke.
Herr Präsident! Frau Kollegin, ich habe bereits auf die besonders dramatische und außergewöhnliche Lage in Venezuela hingewiesen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Ihnen entgangen sein sollte, dass die aussichtsreichsten Oppositionsparteien und deren Kandidaten bei den Wahlen ausgeschlossen worden sind. Insofern kann man dem derzeitigen Interimspräsidenten Guaidó nicht vorwerfen, er habe gar nicht an den Wahlen teilgenommen. Dort sind die aussichtsreichsten Kandidaten von der Wahl bewusst ausgeschlossen worden. Es hat einen verbreiteten Missbrauch, Wählernötigung und einen ungleichen Zugang zu Medien gegeben. Insofern sind diese Wahlen weder fair noch glaubwürdig.
Vielen Dank. – Ich erteile der Kollegin Vogler das Wort für eine Zusatzfrage, weil sie keine drei weiteren Fragen eingereicht hat. – Bitte sehr, Frau Kollegin.
Vielen Dank. – Sie haben gerade dargestellt, dass das Vorgehen der Bundesregierung in Venezuela etwas mit der dramatischen Lage dort zu tun hat. Dann frage ich mich erst recht, warum die Bundesregierung den neugewählten, nein, nicht gewählten, sondern selbst inthronisierten Präsidenten Kameruns, Paul Biya, anerkannt hat, nachdem die Wahlen dort ganz offensichtlich gefälscht worden sind, und warum sie nicht Maurice Kamto, der vermutlich der Wahlsieger war, aber am letzten Wochenende in das Gefängnis geworfen worden ist, als legitimen Präsidenten anerkennt. Das ist wirklich eine derart absurde Argumentation. Kann es sein, dass es der Bundesregierung hierbei in erster Linie darum geht, dem Bündnispartner USA Zugriff auf das venezolanische Öl zu ermöglichen?
Ich habe die Umstände der Präsidentschaftswahlen im Mai vergangenen Jahres geschildert. Daraus sollte deutlich geworden sein, was sich in diesem Land abgespielt hat.
Die Diskussionen in der Europäischen Union zu dieser Frage sind sehr intensiv geführt worden. Die Bundesregierung hat sich immer um ein Höchstmaß an Geschlossenheit und Entschlossenheit der Europäischen Union bemüht. Wir stehen hier im Einklang mit 22 weiteren EU-Mitgliedstaaten und einer Reihe von lateinamerikanischen Nachbarstaaten, die diesen Übergangspräsidenten anerkannt haben.
Ich möchte noch einmal hervorheben: Es ist die zentrale Aufgabe dieses Übergangspräsidenten, freie und faire Präsidentschaftswahlen herbeizuführen, weil aus unserer Sicht nur die Nationalversammlung demokratisch legitimiert ist.
Vielen Dank. – Wir kommen jetzt zu Frage 21 des Abgeordneten Andrej Hunko, Fraktion Die Linke:
Inwieweit übte nach Erkenntnissen der Bundesregierung der von ihr als Interimspräsident anerkannte Präsident der Nationalversammlung Venezuelas, Juan Guaidó, zum Zeitpunkt der Anerkennung die effektive Kontrolle über die Staatsgewalt einschließlich der Streitkräfte und des Sicherheitsapparates aus, und was hat die Bundesregierung dazu bewogen, durch die Anerkennung Juan Guaidós die gängige Praxis zu beenden, Staaten anzuerkennen, aber nicht Regierungen oder einzelne Personen?
Herr Staatsminister.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir sind jetzt in der Situation, dass ich eine Frage beantworte, die ich offenkundig schon einmal zu beantworten versucht habe.
Dann können Sie das kürzer machen.
Für uns ist Juan Guaidó im Einklang mit der venezolanischen Verfassung der legitime Übergangspräsident auf dem Weg zu Präsidentschaftsneuwahlen in Venezuela. Es handelt sich hier um einen Sonderfall, der zudem auf ein klares Mandat beschränkt ist, das die venezolanische Verfassung Guaidó zuweist, nämlich die Organisation von freien und fairen Präsidentschaftswahlen. Die Bundesregierung hat mit ihrer politischen Erklärung ihre Unterstützung für Guaidó auf diesem Weg zum Ausdruck gebracht.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Hunko?
Vielen Dank. – Herr Staatsminister, die Frage bezieht sich darauf, ob Sie die Einschätzung haben, dass Guaidó in dem Lande über eine reale Macht verfügt. Der Grund für diese Frage ist, dass der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages sagt: Eine Anerkennung als Präsident – die Sie ja vorgenommen haben – ist dann völkerrechtswidrig, wenn er gar keine reale Macht hat, was ja ganz offensichtlich der Fall ist. Hier steht sozusagen der Vorwurf der Missachtung des Völkerrechts im Raume. Deswegen noch mal meine Nachfrage: Sind Sie der Meinung, dass Guaidó die Kontrolle über die Sicherheitskräfte – die Polizei, das Militär – hat oder nicht?
Vielen Dank. – Herr Präsident! Lieber Kollege, Sie wissen, dass die Bundesregierung grundsätzlich Gutachten des Wissenschaftliches Dienstes des Deutschen Bundestages nicht weiter bewertet; wir nehmen sie zur Kenntnis.
Ich habe darauf hingewiesen, dass 23 Staaten der Europäischen Union, unter anderem auch Deutschland, Guaidó als Interimspräsidenten mit dem klaren Auftrag, Neuwahlen alsbald herbeizuführen, anerkannt haben.
Das bedeutet aber nicht, dass sich an den politischen Verhältnissen in Venezuela selbst etwas Grundlegendes geändert hat. Die Gesellschaft ist nach wie vor gespalten. Herr Maduro hat bislang keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, auf einen Dialogprozess einzugehen und den Forderungen nachzukommen. Wir selbst arbeiten engagiert in der Kontaktgruppe, auch mit lateinamerikanischen Nachbarstaaten, um eine friedliche Lösung dieses Konflikts herbeizuführen.
Vielen Dank. – Wollen Sie eine weitere Zusatzfrage stellen?
Ja. – Sie weichen im Grunde genommen der Antwort auf die Frage aus, ob Guaidó über eine reale Kontrolle in Venezuela verfügt. Es macht es ja nicht besser, wenn insgesamt 23 Staaten der Europäischen Union das Völkerrecht brechen, als wenn es nur die Bundesregierung macht. Es ist nicht die Weltgemeinschaft; es ist die Mehrheit der EU-Staaten. Es ist nicht die Mehrheit der Organisation Amerikanischer Staaten. Es gab dort keine Mehrheit für die Anerkennung; das muss man auch deutlich sagen. Andere Teile der Welt – Afrika, China, Russland – kommen zu einer ganz anderen Auffassung. Sie sagten, Sie möchten eine friedliche Lösung: Halten Sie es nicht für besser, anstatt einer solch einseitigen Anerkennung, dass sich die Bundesrepublik neutral verhält und zum Beispiel die Initiative von Mexiko und Uruguay unterstützt, die einen Dialogprozess in Venezuela auslösen wollen?
Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Hunko, diese Bundesregierung ist nicht neutral. Seit Mai vergangenen Jahres, seit diesen illegitimen und undemokratischen Wahlen haben wir klar ausgesprochen, dass Maduro nicht die demokratische Legitimation besitzt, um seinen Amtsgeschäften nachzukommen.
Das ist die klare Haltung der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft.
Am 26. Januar hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Venezuela befasst. Sie wissen doch genau, warum wir dort zu keinem Fortschritt gekommen sind: weil sowohl Russland als auch China sich entsprechend zugunsten von Herrn Maduro verhalten haben. Das ist die bittere Realität in den Vereinten Nationen.
Vielen Dank. – Wir kommen gleich zur nächsten Frage, zur Frage 22 von Herrn Hunko:
In welcher Form hat die Bundesregierung auf die nach Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (WD 2 – 3000 – 014/19) völkerrechtswidrige Drohung der Regierung der USA reagiert, mit militärischen Mitteln gegen Venezuela vorzugehen (unter anderem www.welt.de , 4. Februar 2019) und dessen Präsidenten Nicolás Maduro in das US-Gefangenenlager der Guantánamo Bay Naval Base auf Kuba zu sperren ( https://amerika21.de , 2. Februar 2019), das in der Vergangenheit durch dort verübte Folter Bekanntheit erlangte, und verurteilt sie diese Drohungen?
Herr Staatsminister.
Herr Präsident! Lieber Kollege Hunko, die Bundesregierung steht mit der US-amerikanischen Regierung in einem kontinuierlichen Austausch, insbesondere zu Venezuela. Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnern, auch mit den USA, für eine friedliche Lösung des Konflikts in Venezuela ein, und wir rufen ausdrücklich alle Seiten zum Gewaltverzicht auf.
Haben Sie eine Nachfrage?
Ja. – Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung die eindeutige Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dass die Androhung von militärischer Gewalt, wie sie ja seitens der USA vorgenommen wurde, und die Androhung, Maduro in das Foltergefängnis Guantánamo zu schicken, eindeutige Brüche des Völkerrechts sind? Ist die Bundesregierung bereit, sich von solchen Drohungen zu distanzieren?
Herr Präsident! Lieber Kollege Hunko, ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Kenntnis nimmt. Wir machen uns die Inhalte grundsätzlich nicht zu eigen; wir nehmen sie zur Kenntnis. Ich habe schon hervorgehoben, worum es uns geht: Es geht uns um eine friedliche Lösung dieses Konfliktes. Wir treten für den Gewaltverzicht aller Beteiligten ein, und wir drängen auf eine politische Lösung, bei der am Ende alsbald Neuwahlen stehen. Die haben demokratisch, frei und fair zu sein.
Vielen Dank. – Herr Hunko, die zweite Nachfrage. Bitte sehr.
Eine militärische Intervention in Venezuela seitens der USA steht im Raum. Schließt die Bundesregierung eine direkte oder indirekte Beteiligung an einer solchen militärischen Intervention in Venezuela aus?
Herr Präsident! Lieber Kollege Hunko, ich weiß nicht, wie ich es noch deutlicher sagen soll: Wir treten für eine friedliche Lösung ein, und eine friedliche Lösung verzichtet auf militärische Mittel. Das ist die Haltung der Bundesregierung.
Danke. – Zusatzfrage, Frau Vogler.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, das sehen ja offensichtlich nicht alle Verbündeten so, wenn man die Äußerungen, die der amerikanische Außenminister Mike Pompeo auf Fox News gemacht hat, in Betracht zieht. Er schafft schon jetzt sozusagen eine militärische Drohkulisse oder eine interventionsvorbereitende Erzählung, indem er zum Beispiel erklärt, dass in Venezuela aktive Zellen der Hisbollah seien, die die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten unmittelbar bedrohten, wogegen man die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten notfalls auch militärisch verteidigen müsse. Das scheint für mich eher eine Geschichte zu sein, die mich an so manche Brutkastenlüge oder Hufeisen-Pläne erinnert. Nichtsdestotrotz ist es offensichtlich so, dass in den USA schon argumentativ vorbereitet wird, militärisch zu intervenieren.
Deswegen frage ich Sie: Verfügt die Bundesregierung über eigene Erkenntnisse, was aktive Zellen der Hisbollah angeht? Würde sie dies als berechtigten Verteidigungsfall für die USA gelten lassen oder ihrem Verbündeten dabei in die Parade fahren?
Herr Präsident! Frau Kollegin, ich kann zu diesen sogenannten Erkenntnissen nichts sagen. Mir liegen jedenfalls keine eigenen Erkenntnisse dazu vor. Mir scheint, dass die größte Bedrohung für die Sicherheit der Menschen in Venezuela Herr Maduro ist.
Vielen Dank.
– Nein, ich lasse Ihre Frage nicht zu; die Zeit für die Fragestunde ist nämlich gleich um. – Ich rufe als letzte Frage die Frage 23 des Abgeordneten Dr. Diether Dehm auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage ( https:// twitter.com/jguaido/status/1089613547905208322?s=19 ) des von ihr anerkannten, selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, wonach sein „Kampf um Freiheit“ mit der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 74 Jahren vergleichbar sei ( https://amerika21.de/2019/01/221106/venezuela-auschwitz-guaido ), und teilt sie diese Meinung?
Herr Staatsminister.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieber Kollege Dieter Dehm, ich weiß nicht, ob Ihnen allen der Tweet bekannt ist. Deswegen trage ich ihn in der deutschen Übersetzung kurz vor:
Vor 74 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Heute, da unser Land auch für seine Freiheit kämpft, danken wir für die Anerkennung und Unterstützung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu.
Aus Sicht der Bundesregierung drückt der von Ihnen, Herr Kollege Dehm, zitierte Tweet in erster Linie den Dank des venezolanischen Parlamentspräsidenten an Ministerpräsident Netanjahu für dessen Anerkennung des Interimspräsidenten aus.
Herr Dehm.
Ich möchte dazu ergänzend fragen, welche Erkenntnisse die Bundesregierung über Guaidós Rolle bei bewaffneten Straßenblockaden von Teilen der Opposition hat – den sogenannten Guarimbas; das sind Todesschwadronen –, bei denen schon mehrere Menschen ermordet worden sind, und ob sich Ihnen hier nicht auch Parallelen zu Allende aufdrängen?
Herr Präsident! Lieber Kollege Diether Dehm, das bezieht sich schon ein wenig auf Ihre zweite Frage, wo Sie nachhaken und fragen, wie Herr Guaidó zur Gewaltanwendung steht. Ich will hervorheben, dass der Interimspräsident Guaidó eine gewaltsame Lösung bislang kategorisch abgelehnt hat. Das ist auch die Auffassung, die er gegenüber der Bundesregierung und anderen Vertreterinnen und Vertretern der internationalen Staatengemeinschaft wiederholt bekundet hat.
Sie haben jetzt noch eine Möglichkeit, nachzufragen.
Dann möchte ich nachfragen, wie die bedeutende Sympathie von Guaidó für Bolsonaro zu erklären ist?
Herr Präsident! Herr Kollege Dehm, ich weiß nichts von einer besonderen Sympathie oder Solidarität. Ich weiß nur, dass Interimspräsident Guaidó
wiederholt bekundet hat, dass er diesen Konflikt nur friedlich zu lösen versucht und dass er die Anwendung von Gewalt strikt ablehnt.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Die Zeit für die Fragestunde ist um. Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt.
Wir kommen jetzt zum Zusatzpunkt 1:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vereinbarkeit von Nord Stream 2 mit den Klima- und Energiezielen der EU
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Jürgen Trittin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa ist abhängig. Wir hängen nicht an der Nadel, wir hängen nicht an der Flasche, wir hängen immer noch an fossilen Energien. Und wie andere Süchtige versprechen wir, damit aufzuhören; aber vorher muss man noch mal einen ordentlichen Schluck aus der Pulle nehmen. Nichts anderes ist die Diskussion über Nord Stream 2, über den südlichen Gaskorridor, über neue LNG-Terminals. All dies sind Projekte, die die fossile Abhängigkeit Europas über Jahre hinaus zementieren und fortschreiben. Die Wahrheit ist aber: Nur wenn wir bis 2030 den Verbrauch von Öl, Gas und Kohle, von fossiler Energie, um 30 Prozent reduzieren, werden wir die Pariser Klimaschutzziele erreichen.
Wir müssen bis 2050 sicherstellen, dass vier Fünftel, 80 Prozent, der bekannten Reserven an Kohle, Öl und Gas unter der Erde bleiben. Und da helfen keine Ausreden nach dem Motto: Ich höre auf zu rauchen, ich rauche nur noch E‑Zigaretten.
Die Sucht bleibt. In diesem Fall kommt zum Beispiel noch hinzu: Die CO 2 -Bilanz von gefracktem Flüssiggas ist nicht besser als die von Steinkohle. Sucht geht mit Lebenslügen einher. Eine dieser Lebenslügen hat die Bundesregierung, hat der Bundeswirtschaftsminister lange hochgehalten, und das ist die Behauptung, Nord Stream 2 sei ein rein wirtschaftliches Projekt. Das ist schon beim Investor falsch.
Er gehört zu 100 Prozent dem russischen Staat; er trägt zu mehr als einem Zehntel zum Haushalt der Russischen Föderation bei. Und das soll unpolitisch sein?
Ich hätte mir eigentlich gewünscht, lieber Herr Altmaier, dass Sie die Ehrlichkeit von Helmut Schmidt und Helmut Kohl gehabt hätten, die mal gegen den wütenden Widerstand von Ronald Reagan und seinem damaligen Botschafter eine Pipeline durch die Ukraine gebaut haben, weil sie unabhängiger von den USA werden wollten. Und: Sie wollten damals die Sowjetunion einbinden. Insofern habe ich mit einer gewissen Gelassenheit die Drohbriefe von Herrn Grenell gelesen; sie stehen in einer alten Tradition. Aber auch das zeigt: Nicht nur der Bau von, sondern auch der Widerstand gegen Nord Stream 2 ist hochpolitisch. Da wird auch manche Argumentation nicht überzeugender. Mir leuchtet nicht ein, warum Gas, das direkt aus Russland kommt, abhängiger macht als Gas, das über die Ukraine nach Deutschland kommt.
Aber natürlich geht es hier auch um handfeste ökonomische Interessen, und das ist anders als in den 80er-Jahren. Die USA wollen in den nächsten sechs Jahren zum größten Flüssiggaslieferanten für Europa werden. Schauen Sie sich die Kapazitäten an, die da geschaffen worden sind! Und was macht unser Bundeswirtschaftsminister? Er will neue Flüssiggasterminals bauen. Er will sie nicht nur bauen, er will sie auch noch subventionieren. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Wir steigen aus der Kohle aus und subventionieren den Import einer fossilen Energie, deren CO 2 -Bilanz nicht besser ist als die von Kohle.
Das, was hier passiert, ist eine Wette gegen den Klimaschutz. Es soll immer mehr Gas importiert werden. Aber wenn man wirklich etwas für den Klimaschutz tun will,
dann muss man doch den Verbrauch von Gas senken, und zwar am besten schneller, als die Quellen in den Niederlanden, in Norwegen und in Niedersachsen versiegen. Gas wird bei uns nicht in der Verstromung eingesetzt, sondern vor allen Dingen in der Wärmebereitstellung. Fraunhofer-Studien belegen es: Würden wir jedes Jahr 3 Prozent unseres Gebäudebestandes energetisch sanieren, würden wir für mehr erneuerbare Energien in diesem Bereich sorgen, würden wir den Deckel beim Ausbau der Erneuerbaren runternehmen, dann könnten wir bis 2030 so viel Gas sparen, wie wir heute jährlich aus Russland importieren. Warum tun wir es nicht?
Klimaschutz schafft doch die wirkliche Energieunabhängigkeit.
Das haben andere auch schon ausgesprochen. Dieser Tage hat das zum Beispiel die 16‑jährige Greta Thunberg immer wieder getan.
Wir sollten sie dafür loben.
Der Kollege Paul Ziemiak von der CDU hat sie ja offensichtlich zum Gefallen der AfD dafür per Twitter gedisst.
Ich will Ihnen von der Union eins sagen: Greta Thunberg geht für Ziele auf die Straße, die Sie in Paris unterschrieben haben.
Sie muss auf die Straße gehen, weil Sie Ihre eigenen Ziele ignorieren. Paul Ziemiak spricht einer 16‑Jährigen eine politische Meinung ab, wird aber morgen mit Freude dafürstimmen, dass weiterhin 17‑Jährige bei der Bundeswehr dienen sollen. Wo liegt da die Logik, meine Damen und Herren?
Wenn Sie Ihren Job beim Klimaschutz machen würden, Herr Kollege Altmaier, dann müsste Greta Thunberg nicht jeden Freitag streiken,
und wir müssten uns nicht über Pipelines und Flüssiggasterminals streiten.
Deswegen sage ich Ihnen, um ein Plakat von „Fridays for Future“ zu zitieren: „Make the world Greta again!“
Als Nächster hat das Wort Bundesminister Peter Altmaier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werter Herr Kollege Trittin, wir gehören dem Deutschen Bundestag ja eine vergleichbare Zeit an. Ich muss sagen: Ihre Reden waren auch schon mal realitätsbezogener.
Wir haben seit vielen Jahren ein gemeinsames Bemühen, nämlich die Energiewende zum Erfolg zu führen und das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Das wird aber nicht mit Voodoo-Politik gehen;
das wird nur gehen, wenn wir die Versorgungssicherheit in diesem Land und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit mit den Anforderungen einer vernünftigen und nachhaltigen Klimapolitik in Übereinstimmung bringen.
Ich habe Ihnen eben zugehört. In den fünf Minuten haben Sie gesagt: Prima, dass wir die Kernkraftwerke abschalten. – Ja, das ist der gemeinsame Konsens.
Das werden wir tun.
Dann natürlich: Der Kohleausstieg kann gar nicht schnell genug kommen. Ich habe die Äußerungen vonseiten der grünen Bundestagsfraktion noch im Ohr, als die Kohlekommission mit Zustimmung der Umweltverbände eine Empfehlung für den Ausstieg bis zum Jahre 2038 abgegeben hat: Alles viel zu spät; geht alles viel schneller.
Es soll natürlich auch kein russisches Gas über Nord Stream 2 und es soll auf gar keinen Fall Fracking-Gas aus den USA importiert werden.
Aber anschließend machen Sie dann die Bundesregierung verantwortlich, wenn der Strom nicht, wie man das gewohnt ist, jederzeit aus der Steckdose kommt, um die grünen Parteiratssitzungen zu versorgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht hier um eine Kernverantwortlichkeit, nämlich um die wirtschaftliche und soziale Stabilität in diesem Land. Wir werden in Europa und in Deutschland in den nächsten Jahren einen steigenden Gasbedarf haben,
der gleichzeitig mit einem Rückgang der Gasproduktion in Europa einhergeht. Wir beziehen derzeit rund 30 Prozent des Erdgases, das in Deutschland verbraucht wird, aus den Niederlanden, und Sie wissen sehr wohl, dass die Produktion in den Niederlanden aus ökologischen Gründen in den nächsten Jahren drastisch zurückgehen wird. Das Gleiche gilt für Gasbezugsquellen aus anderen Ländern der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes.
Und weil wir uns im Regierungsprogramm dieser Koalition gemeinsam darauf verständigt haben, auch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung in verantwortlicher Weise zu organisieren, werden wir mittelfristig nicht weniger, sondern mehr Gas benötigen. Wenn man die zurückgehende Produktion in den Niederlanden und anderswo und den steigenden Bedarf, um jederzeitige Versorgungssicherheit zu gewährleisten, zusammen betrachtet, dann kommt man zum Ergebnis, dass wir in Europa insgesamt jährlich bis zu 100 Milliarden Kubikmeter Gas mehr benötigen werden als bisher. Deshalb, meine Damen und Herren, stellt sich die Frage der Versorgungssicherheit und der Unabhängigkeit auch in einer ganz anderen Weise als bisher.
Wir haben in den letzten 40 Jahren jederzeit die Versorgungssicherheit bei Gas gewährleistet. Wir waren zu keinem Zeitpunkt erpressbar. Aber wenn der Gasbedarf für eine Anzahl von Jahren steigt, dann müssen wir die Frage stellen, was es bedeuten würde, wenn ein Lieferant, aus welchem Grund auch immer, ausfällt. Das ist keine Frage von Freund oder Feind – wir haben auch auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges aus Russland immer die Menge an Gas bekommen, die vereinbart und zugesichert war –; vielmehr ist das eine Frage verantwortlicher Politik. Deshalb sage ich Ihnen: Wenn wir über Nord Stream 2, über LNG-Terminals und über Fragen reden, die mit der Ukraine zu tun haben, dann sind das keine Gegensätze, sondern es sind die verschiedenen Seiten ein und derselben Medaille.
Erster Punkt. Sie haben mich ja kritisiert, weil ich wie die Bundesregierung insgesamt – übrigens auch frühere Bundesregierungen – sage: Nord Stream 2 ist natürlich zunächst einmal ein privates Projekt, weil wir uns vor vielen Jahren entschieden haben, dass die Unternehmen und nicht der Staat die Hauptverantwortung für die Gasversorgung tragen und dass auch die nötige Infrastruktur privatwirtschaftlich erstellt wird.
Es sind Genehmigungen erteilt worden für Nord Stream 2 in Finnland und in Schweden und in Russland und in Deutschland. Eine Genehmigung aus Dänemark steht noch aus.
Zweiter Punkt. Wir haben aber gleichzeitig ein politisches Interesse an geostrategischer Stabilität und an Diversifizierung. Deshalb sage ich Ihnen: Wir haben ein Interesse daran, dass die berechtigten Interessen der Ukraine gewahrt bleiben. Deshalb hat diese Bundesregierung sich seit dem Mai des vergangenen Jahres dafür eingesetzt, dass es direkte Gespräche zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Kommission gibt, damit ein substanzieller Gastransport auch nach einer möglichen Fertigstellung von Nord Stream 2 ermöglicht wird. Diese Gespräche finden statt. Es besteht die Chance, dass wir diese Gespräche zu einem guten Ergebnis führen. Ich bin überzeugt, dass über diese Pipeline, die Sie angesprochen haben, auch in Zukunft jedes Jahr mehrere Dutzend Milliarden Kubikmeter Gas über die Ukraine nach Europa exportiert werden.
Dritter Punkt. Wir haben zu diesem Projekt, Nord Stream 2, in der gestrigen Nacht, in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch eine wichtige Entscheidung des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates im Trilogverfahren getroffen. Diese Entscheidung geht zurück auf einen Kompromissvorschlag, den Frankreich und Deutschland gemeinsam erarbeitet haben. Das Ergebnis ist, dass diese Leitung trotz ungeklärter Rechtsfragen europäisch reguliert wird, aber nicht in der Tiefe, wie es ursprünglich von der Kommission geplant war, und so, dass Deutschland in erheblicher Weise an diesen Entscheidungen mitwirken kann. Das war ein großer Moment für die Europäische Union, weil immer behauptet worden ist, alle in Europa, außer die deutsche Bundesregierung, seien gegen Nord Stream 2.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Kompromiss, der den Fortgang der Arbeiten ermöglicht und die Realisierung des Projekts möglich macht, ist mit einer überwältigend breiten Mehrheit getroffen worden, und ich möchte allen in der Bundesregierung und im Europäischen Parlament danken, die dazu beigetragen haben, dass dies möglich war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Stichwort „LNG-Versorgung“: Wenn der Gasbedarf in Europa und weltweit steigt, ist es doch selbstverständlich nicht nur sinnvoll, sondern sogar auch notwendig, dass wir darüber nachdenken, wie wir eine solche Infrastruktur schaffen, dass eine Versorgung aus unterschiedlichen Quellen jederzeit möglich ist.
Wir reden dann auch über amerikanisches Gas, ja, aber nicht ausschließlich.
Wir reden über Gas aus dem Mittelmeerraum, wir reden über Gas aus dem Nahen und Mittleren Osten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie Versorgungssicherheit und den Ausschluss jeder Form von Erpressbarkeit gewährleisten wollen,
dann ist es am allerbesten, wenn mehrere Lieferanten Zugang auf den Markt haben. Das ist gut für Transparenz, das ist gut für Preise, das ist gut für Unabhängigkeit.
Aus diesem Grund unterstützen wir den Bau dieser Terminals, die übrigens ebenfalls privat realisiert werden müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren über dieses Thema oftmals und kontrovers diskutiert. Manche Debatte war ideologisch inspiriert. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir nach dem Konsens, den wir zu vielen Fragen des Atomausstiegs erreicht haben – auch zur Endlagersuche, auch zur Übertragung der Rückstellungen; daran waren Sie nicht ganz unbeteiligt –, wenn wir nach dem Konsens, den die Kohlekommission gefunden hat, es schaffen würden, auch bei diesem wichtigen Thema einen partei- und fraktionsübergreifenden Konsens zu realisieren.
Wir werden langfristig selbstverständlich im Bereich der Gasversorgung die Dekarbonisierung fortsetzen.
Es war nicht die rot-grüne Bundesregierung, es ist diese Bundesregierung, die Reallabore einrichtet, um Power to Gas, Power to Liquid, Power to Steel und viele andere Möglichkeiten zu prüfen.
Ich sage Ihnen voraus: Wir werden auch erreichen, dass der Bedarf langfristig mehr und mehr aus erneuerbaren Energien und über Wasserstoff abgedeckt wird. Aber Sie dürfen doch nicht vergessen, dass bis dahin noch einige Jahre vergehen und dass wir die Aufgabe haben, die Energiewende auch zum Gelingen zu führen, indem wir sicherstellen, dass die Stromversorgung jederzeit verlässlich und unabhängig ist. Deutschland hat im Übrigen, wenn ich das sagen darf, ein Interesse an guten Beziehungen sowohl zu den Vereinigten Staaten wie zu Russland.
Was unsere energiepolitischen Entscheidungen allerdings angeht, glaube ich, dass wir sehr wohl imstande sind, diese gemeinsam mit unseren europäischen Partnern eigenständig zu treffen, und dass wir keine Ratschläge von außen notwendig haben. Wir haben Meinungsfreiheit – jeder darf sagen, was er denkt –, aber die Bundesregierung entscheidet das, was im Interesse unseres Landes wichtig und notwendig ist.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Leif-Erik Holm für die Fraktion der AfD.
Liebe Bürger! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wichtig und gut, dass wir heute über das Projekt Nord Stream 2 reden, wenngleich der Titel mich ein wenig verwirrt hat, von den Grüninnen und Grünen in Auftrag gegeben. Es geht um die Vereinbarkeit von Nord Stream 2 mit den Klima- und Energiezielen der EU, als ob das der wirklich entscheidende Punkt wäre.
Ich muss sagen, Herr Trittin, Ihre Argumentation ist wirklich abenteuerlich. Nach der Kernkraft, nach der Kohle wollen Sie jetzt auch noch die Gaskraft verteufeln. Woher bekommen wir bitte schön in Zukunft die vernünftige und stetig erzeugte Energie?
Ich kann die Bürger wirklich nur warnen: Wenn die Grünen unser Land regieren, dann werden sie uns in die Steinzeit zurückbefördern.
Was Sie hier anbieten, ist eine energiepolitische Amokfahrt.
Richtig und vernünftig ist vielmehr: Wir brauchen in Zukunft mehr Gas, gerade wegen der vermurksten Energiewende. Nur flexible, schnell anfahrbare Gaskraftwerke eröffnen die Möglichkeiten, auch in Zeiten ohne Wind- und Sonnenstrom das Land am Laufen zu halten.
Nord Stream 2 ist also eine absolut folgerichtige Idee. Diese neue Leitung gefährdet nicht unsere Energiesicherheit, sondern sie stärkt sie, und das ist wichtig für Deutschland, für die Bürger und die Unternehmen.
Dass die neue Leitung unsere Abhängigkeit von Russland erhöht, ist ebenso Quatsch mit Soße. Wenn das gleiche russische Gas durch die Ukraine fließt, sind wir dann weniger abhängig? Nein, natürlich nicht. Vielmehr haben wir sogar ein zusätzliches Risiko, dann nämlich, wenn die Transitländer den Hahn zudrehen. Eine bilaterale Pipeline liegt also ganz klar im deutschen Interesse.
Ein paar Zahlen dazu. 2017 haben wir 117 Milliarden Kubikmeter Gas importiert, davon nicht mal die Hälfte aus Russland. Nur die Hälfte davon haben wir selbst verbraucht. Von Abhängigkeit kann also überhaupt keine Rede sein.
Nun verstehe ich, dass die Transitländer die Pipeline nicht gut finden. Das ist durchaus ernst zu nehmen. Das aber kann nichts an unserer grundsätzlichen Entscheidung ändern. Wie im privaten Leben wählt man das beste und sicherste Angebot. Gleichwohl macht es aber Sinn, mitzuhelfen, dass auch die Ukraine weiter versorgt wird. Es ist zu begrüßen, wenn auch die Landleitung weiter betrieben werden kann. Im Übrigen stärken wir mit Nord Stream 2 sogar die Energiesicherheit der Ukraine; denn natürlich kann das Ostseegas bei Notwendigkeit auch in Richtung Osteuropa weitergeleitet werden.
Meine Damen und Herren, Nord Stream 2 ist ein absolut sinnvolles Projekt, an dem übrigens nicht nur Russen und Deutsche beteiligt sind, sondern auch Unternehmen aus Österreich, aus Frankreich, aus Belgien, aus den Niederlanden, aus Großbritannien. Es ist ein privatwirtschaftliches Projekt, das auch der Völkerverständigung dient. Es ist ein Projekt des Friedens. Wer miteinander handelt, der schießt nicht aufeinander.
Lassen Sie mich noch kurz zum Thema Flüssiggas kommen. Da wird ja nun die Diskussion befeuert, dass Deutschland Flüssiggas aus den USA kaufen könnte. Das hielte ich für völlig absurd, da dieses Gas deutlich teurer als das russische ist. Wenn es dazu käme, dann könnte man das nur als Einknicken vor der ungebührlichen Drohpolitik der US-Administration werten. Das würden die Bürger zu Recht nicht akzeptieren. Deutschland muss endlich souverän handeln.
Den Bau von LNG-Terminals an unserer Küste, Herr Minister, halten auch wir für richtig, und zwar vor allem als Sicherheitsinfrastruktur. Natürlich müssen wir auch für den Fall der Fälle gewappnet sein, dass kein Gas mehr aus der Pipeline kommt, aus welchem Grund auch immer. Aber, Stand heute, gibt es keinerlei Grund, das deutlich teurere Fracking-Gas aus den USA zu kaufen. Das macht in finanzieller Hinsicht und das macht auch aus Umweltsicht keinen Sinn.
Zum Schluss will ich noch sagen, dass mich die Politik der Vereinigen Staaten hier wirklich sehr befremdet. Der Versuch der politischen Bevormundung erinnert an dunkelste Zeiten des Kalten Krieges, und der sollte eigentlich langsam überwunden sein. Ich finde, wir Deutschen sollten alles dafür tun, dass wir nie wieder zum Spielball der Großmächte werden. Lassen Sie uns den Rücken gerade machen und auf Basis von Vernunft und internationaler Zusammenarbeit unsere legitimen nationalen Interessen vertreten.
Vielen Dank.
Der nächste Redner für die SPD-Fraktion: der Kollege Bernd Westphal.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als überzeugter Parlamentarier und Demokrat finde ich das Instrument der Aktuellen Stunde wirklich sehr hilfreich. Aber ich finde es schon sehr merkwürdig, dass die Grünen sie beantragt haben. Warum?
– Sie müssen schon zuhören. – Weil auf der einen Seite das Ergebnis der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ begrüßt wird, in dem Gaskraftwerken und Gas-KWK-Anlagen eine wichtige Rolle als Übergangsproduzenten von Energie zugeschrieben wird, und auf der anderen Seite jetzt hier in dieser Aktuellen Stunde kritisiert wird, dass Unternehmen unterwegs sind, eine entsprechende Gasversorgung sicherzustellen.
Da müsst ihr euch entscheiden – das muss ich ganz ehrlich sagen –, was ihr wollt.
Es trägt zur Versachlichung der Debatte bei, darauf hinzuweisen, dass dieses privatwirtschaftliche Projekt zum Beispiel auf deutscher Seite von Uniper und von Wintershall mit auf den Weg gebracht wird und dass es neben Gazprom auch andere Unternehmen mit staatlicher Beteiligung wie OMV, Engie, ein französisches Unternehmen, oder Shell gibt.
Es handelt sich also um ein wettbewerbliches, privatwirtschaftliches Projekt.
Die deutschen Behörden haben das, was sie von deutscher Seite zur Genehmigung der Pipeline beitragen können, genehmigt. Die Bundesregierung hat in Brüssel dazu beigetragen, dass es einen Kompromiss gibt. Herzlichen Dank an die Bundesregierung, dass das möglich war! Es wäre schon fraglich gewesen, wenn es eine Lex Nord Stream 2 gegeben hätte, die diesem Projekt den Garaus gemacht hätte. Das wäre eine unberechtigte Politisierung gewesen, die nicht angemessen gewesen wäre.
Was das Zieldreieck der Energiepolitik angeht, also sicher, sauber und bezahlbar, leistet Nord Stream einen wichtigen Beitrag. Wir haben auf der einen Seite, was die Sauberkeit angeht, eine Klimaverträglichkeit, weil Gas eben eine andere CO 2 -Bilanz hat als andere fossile Energieträger. Wir wollen langfristig aus der Kohleverstromung raus, und das geht eben nur, wenn wir mit Gas einen letzten fossilen Energieträger haben, der deren Aufgabe übernehmen kann. Klar ist aber auch, dass Gas grüner werden muss und die Produzenten aus den Ländern, aus denen Gas nach Deutschland geliefert wird, zum Beispiel in Form von Zertifikaten nachweisen müssen, dass es eine Bohrlochdichtigkeit gibt und ein sogenannter Schlupf, also Transportverluste und Leckagen, dementsprechend verhindert werden. Alle Lieferländer müssen hier einen Beitrag leisten.
Bezüglich der Sicherheit unserer Energieversorgung ist zu beachten, dass wir bei den erneuerbaren Energien eine Volatilität in der Erzeugung haben. Bis wir eine entsprechende Infrastruktur von Speichern und Netzen aufgebaut haben, kann Gas als ein flexibler Energieträger zur Versorgungssicherheit beitragen. Man muss, was die Sicherheit der Lieferungen angeht, auch sagen – das gehört zur Wahrheit dazu –, dass in den letzten Jahrzehnten russische Energielieferungen – ob Gas oder Öl – nie politisch missbraucht worden sind. Deshalb ist Gas ein wichtiges Instrument bei der Versorgungssicherheit.
Der Gaspreis leistet auch einen Beitrag, die Liquidität im Markt zu erhöhen. Die Gaspreisgestaltung trägt also dazu bei, dass es hier einen Stabilitätsfaktor gibt.
Auch die Relevanz von Gas für die deutsche Industrie will ich hier betonen. Das ist etwas, was auch die Grünen durchaus im Blick haben sollten. In der Grundstoffindustrie und in der chemischen Industrie zum Beispiel dient Gas nicht nur der Energieerzeugung, sondern Gas dient dort auch als Grundstoff. Die BASF zum Beispiel hat einen Gasverbrauch, der vergleichbar ist mit dem von Dänemark. Daran sieht man, welch wichtigen Beitrag Gas für unsere industrielle Wertschöpfung leistet. Das ist zumindest für uns als SPD sehr wichtig.
Natürlich muss Gas auch grüner werden. Deshalb werden wir uns trotz Nord Stream 2 nicht zurücklehnen. Vielmehr muss uns die derzeitige Situation ein Ansporn sein, dafür zu sorgen, dass Gas grüner wird. Die Nutzung von Wasserstoff könnte hier zum Beispiel einen großen Beitrag leisten, indem ein Teil der Gasinfrastruktur genutzt wird. Wir brauchen dementsprechend mehr Anreize, Gas zukünftig auch im Mobilitätssektor einzusetzen. Mit dem geplanten Klimaschutzgesetz müssen wir auch Anreize schaffen, um entsprechende Elektrolyseanlagen aufzubauen.
Was die außenpolitische Dimension angeht: Unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarländer haben sicherlich eine andere Erfahrung mit Russland gemacht als wir, auch historisch. Deshalb sind die Bedenken und Befürchtungen, die dort formuliert werden, ernst zu nehmen. Wir werden diese Bedenken in unsere Überlegungen einbauen und die Transitmöglichkeiten über die mittel- und osteuropäischen Länder, die auch eine Einnahmequelle für diese Länder darstellen, bei der zukünftigen Planung berücksichtigen.
Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen weg von fossilen Energieträgern – ja, das stimmt –, aber gleichzeitig aus Öl, Kernenergie, Kohle und auch noch Gas auszusteigen, wird nicht funktionieren. Gas ist ein leistungsfähiger Energieträger. Er leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Er wird die Brücke bilden ins Zeitalter der erneuerbaren Energien. Deshalb ist Nord Stream 2 ökonomisch und ökologisch ein sinnvolles Projekt.
Vielen Dank und Glück auf!
Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Kollege Dr. Lukas Köhler.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Grüne, ich sehe Sie in Sorge, in Sorge darüber, dass die Frage, ob sich Nord Stream 2 mit der Energie- und Klimapolitik der EU vereinbaren lässt, völlig ungeklärt ist. Dabei ist die entscheidende Frage doch, wie sich Ihre Klimapolitik mit einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung vereinbaren lässt.
Das macht Ihre Kritik an Nord Stream 2 leider völlig unglaubwürdig.
Der planwirtschaftliche Kohleausstieg kann Ihnen gar nicht schnell genug gehen. Hier geben wir viele Milliarden für einen rein symbolischen Weg aus; denn der Kohleausstieg war auch schon durch den Emissionshandel beschlossene Sache. Aber nun, da die Diskussion um die Kohle auf die Zielgerade zu gehen scheint, haben Sie sich einen neuen Gegner, den Klimakiller Gas, ausgesucht.
Eigentlich erstaunlich; denn morgen bringen Sie hier in diesem Haus einen Antrag ein, in dem Sie explizit den Neubau von Gaskraftwerken fordern. Dieser steht im Bericht der Kohlekommission, und den wollen Sie ja eins zu eins umsetzen. Ich finde, Herr Trittin, damit haben Sie heute ein Eigentor geschossen.
Nur damit ich das richtig verstehe – ich weiß, Sie hören mir gerade nicht zu, aber vielleicht erklären Sie es mir nachher –: Sie warnen heute vor den negativen Folgen der Energiegewinnung aus Gas, und morgen fordern Sie hier, dass wir mehr Gas nutzen sollen. Das ist doch wirklich absurd.
Wenn es Ihnen tatsächlich nur um Nord Stream 2 ginge und um die Angst vor einer starken Abhängigkeit von Russland, dann könnten wir darüber reden; denn bei solchen Partnern ist natürlich Vorsicht geboten. Aber gleichzeitig wollen Sie auch keine diversifizierte Gasversorgung, etwa durch den Bau von LNG-Terminals; denn dann käme ja böses Fracking-Gas aus den USA. Auch davor haben Sie gerade gewarnt.
Sie wollen also keine Kohle, Sie wollen kein Flüssiggas aus den USA, Sie wollen kein Fracking in Deutschland, und Sie wollen schon mal gar keine Kernenergie. Und dann wundern Sie sich, dass wir jetzt auf russisches Gas angewiesen sind? Das ist völlig absurd.
Wenn man Ihre Interviews liest, Herr Trittin, dann merkt man relativ schnell, dass Sie in einem völligen Zweispalt sind: Sind Sie für Nord Stream 2, sind Sie gegen Nord Stream 2?
Wollen Sie dafür sein, weil die USA dagegen sind? Oder machen Sie es wie Frau Göring-Eckardt, die immer wieder betont, dass wir keine Pipeline brauchen, weil Sonne und Wind das schon regeln werden. Das funktioniert vielleicht in einer grünen Wünsch-dir-was-Welt, in der Energiepolitik aus der Dose kommt, in der Energiepolitik nichts mit Grundlastfähigkeit zu tun hat, aber in der Realität funktioniert das nicht.
Ihr klimapolitisches Wunschdenken hat uns doch erst in diese energiepolitische Sackgasse geführt.
Umso schlimmer, dass die Bundesregierung dabei auch noch mitmacht. Der kopflose Kohleausstieg, den die Union und insbesondere die SPD nun herbeiführen, treibt uns nämlich genau in diese Abhängigkeit.
Und Herr Altmaier, Sie haben ja nicht einmal mehr den Anspruch, eine marktwirtschaftliche Lösung zu entwickeln, und das ist in einer einst so stolzen Partei wie der Union wirklich traurig. Die Planwirtschaft fängt bei Ihnen doch in der Industriepolitik an und hört bei der Energiepolitik noch lange nicht auf.
Da verwundert es nicht, dass Sie privat und staatlich nicht mehr auseinanderhalten können. Ein Projekt, das komplett von einem russischen Staatskonzern kontrolliert wird, als privatwirtschaftliche Entscheidung zu bezeichnen, ist der Abgesang an jedes marktwirtschaftliche Verständnis.
Herr Altmaier, Sie sind ein begeisterter Europäer, das gestehe ich Ihnen zu. Aber wieso hat die Einigung mit unseren Partnern so unglaublich lange gedauert? Sie wissen spätestens seit September, dass Macron etwas gegen Nord Stream 2 hat, als er das im Europäischen Parlament exakt so ausdrückte. Wo ist da der Anspruch, eine umfassende europäische Lösung zu finden? Wo ist die Initiative zu einer wirklich gemeinsamen europäischen Energiepolitik? Da war nichts davon zu erkennen. Ihr EU-Kommissar, Herr Oettinger, läuft landab und landauf und mahnt das seit Jahren an, und Sie bekommen es nicht auf die Reihe. Das ist ein Trauerspiel!
Wir kommen nicht darum herum: Wenn wir umweltverträgliche, aber auch sichere und bezahlbare Energie wollen, dann sind wir auf Importe angewiesen. Wegen dieser Abhängigkeit ist Energiepolitik aber auch immer Außen- und Sicherheitspolitik. Wir müssen hier deshalb eng mit unseren europäischen Partnern zusammenarbeiten. Wir dürfen uns aber nicht auf nur einen Lieferanten stützen. Außenpolitisch ist ein gemeinsames Europa ein starkes Europa, und nur das können wir gebrauchen. Wenn wir Nord Stream 2 aber nun unumgänglich gemacht haben, dann muss die Bundesregierung garantieren, dass es nicht als Waffe gegen die Ukraine eingesetzt wird. Es darf aber auch nicht als Druckmittel gegen uns verwendet werden. Deswegen brauchen wir Gas aus unterschiedlichen Quellen.
Aber: Neben der Sicherheit, die immer auch mit der Versorgungssicherheit verbunden ist, braucht Deutschland auch energiewirtschaftlich ein klares, eindeutiges Preissignal für die Bürgerinnen und Bürger. Ich weiß, liebe Grüne, dass das eine Kollegin von Ihnen im Umweltausschuss anders sieht. Aber Preisfragen sind immer auch mit Klimafragen verbunden. Wenn wir die Akzeptanz der Bevölkerung verlieren, dann, meine Damen und Herren, haben wir auch den Kampf um den Klimaschutz verloren, und das können wir uns weder im Industrie- noch im Energiesektor leisten.
Vielen herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Ernst, Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, Herr Köhler: Wenn ich Köhler hieße, wäre ich vielleicht auch kohleaffiner, aber das bin ich nicht.
– Ja, ja, damit müssen Sie leben, und nach der Rede müssen Sie mit noch viel mehr leben.
Ich möchte Ihnen sagen, Herr Köhler: Ihre Rede war wirklich so was von „old fashioned“! Sie haben die Zeichen der Zeit noch gar nicht erkannt, sehen nicht, dass Kohle und natürlich auch Gas ausgehen werden. Insofern haben die Grünen recht, wenn sie sagen, es wäre viel besser, wenn wir sehr schnell den Zeitpunkt erreichten, an dem wir Gas nicht mehr brauchen.
Die Frage ist nur: Ist es realistisch, anzunehmen, dass der Zeitpunkt bei dieser Bundesregierung bald kommt?
Da habe ich natürlich meine Zweifel. Ich denke, dass wir mit dieser Bundesregierung nicht so schnell eine echte Energiewende hinkriegen, sodass auf fossile Energieträger verzichtet werden kann. Daher stellt sich schon die Frage, welches Gas denn dann kommen soll.
Es ist ja darauf hingewiesen worden, Kollege Trittin: Die Zustimmung zu Ihrem morgigen Antrag, die Empfehlungen der Kohlekommission schnell umzusetzen, bedeutet ja auch, schneller Gaskraftwerke zu bauen. Und das Gas dafür muss bei gleichzeitigem Rückgang von europäischem Gas irgendwoher kommen. Und dann stellt sich die Frage: Welches Gas? Das ist die eigentliche Frage, über die wir dann reden müssen. Da ist es vielleicht sinnvoll, sich die unterschiedlichen Interessenlagen anzusehen.
Die Amerikaner haben doch, bitte schön, nicht das Interesse, für eine autonome, eine unabhängige Energieversorgung Europas einzutreten. Ja wer glaubt das denn?
Wer das glaubt, der glaubt auch an die Wiederverwendbarkeit von Einwegunterwäsche, Kolleginnen und Kollegen.
Die Amerikaner haben klipp und klar eigene ökonomische Interessen, und die bestehen darin, ihr Gas, das sie nun in enormen Mengen produzieren, auch auf dem europäischen Markt abzusetzen. Warum wollen sie das auch in Europa absetzen? Unter anderem, weil aufgrund von Trumps Politik die Chinesen nicht mehr so viel LNG-Gas abnehmen. Also drängen die Amerikaner verstärkt auf den europäischen Markt. Das hat aber nichts mit uns zu tun; das ist eindeutig amerikanisches Interesse. Und darum führt sich der amerikanische Botschafter hier auch auf wie ein Schachtelteufel,
indem er alle Möglichkeiten nutzt, deutsche Unternehmen unter Druck zu setzen, indem er mit exterritorialen Sanktionen droht. Das ist der Hintergrund.
Aber sind das eigentlich auch unsere Interessen? Ich muss mal fragen: Wo liegen denn unsere Interessen? Unsere Interessen bestehen doch wohl darin, dass wir das Gas, das wir brauchen, zu einem einigermaßen anständigen Preis zuverlässig und vor allen Dingen auch in ausreichender Menge bekommen. Das ist unser Interesse, und das unterscheidet sich grundsätzlich von dem amerikanischen.
Und wir wissen, und zwar seit Jahren, dass wir das russische Erdgas, das wir beziehen, zuverlässig, zu einem vernünftigen Preis und übrigens jede Krise überdauernd geliefert bekommen haben. Das ist der Tatbestand.
Jetzt zur Abhängigkeit. Also, meine Damen und Herren, wenn die Amerikaner sagen, die Abhängigkeit Europas von den Russen würde größer werden, wenn wir Russland immer mehr Gas abnehmen, muss ich fragen: Ist denn Russland nicht viel stärker davon abhängig, dass wir ihnen Gas abnehmen? Wäre es für Russland nicht viel schlimmer, wenn wir Russland kein Gas abnehmen würden, als es für uns wäre, auf russisches Gas zu verzichten?
In einer Hinsicht – lassen Sie mich an dieser Stelle sagen – bin ich ganz froh über diese gegenseitige Abhängigkeit: Ich denke, in diesen unsicheren Zeiten, in denen wir zurzeit leben, sind ein wenig Stabilität, ein wenig gegenseitige Abhängigkeit vielleicht ganz sinnvoll; das stärkt vielleicht auch die Kräfte in Europa, die mehr auf Zusammenarbeit setzen und weniger auf Konfrontation.
Auch aus diesem Grunde halte ich das für gar nicht so schlecht.
Im Übrigen war es ja kein Linker, sondern Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft – ich hätte nie gedacht, dass ich als Gewerkschafter den mal so freudig zitieren könnte –,
der bei uns im Wirtschaftsausschuss gesagt hat – einige Ausschusskollegen sind da –: Ein starkes Europa ist ohne Einbeziehung Russlands nicht möglich. – Jetzt frage ich mal: Wo liegen da die amerikanischen Interessen? Vielleicht sind sie an einem starken Europa gar nicht interessiert.
– Nein, das sind keine Theorien; das sind praktische Folgen amerikanischer Politik.
Meine Damen und Herren, der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Ukraine. Das Gas, das durch die Ostsee zu uns kommt und das dann von uns dorthin geliefert wird, ist doch auch russisches Erdgas.
Geht es Polen und der Ukraine nicht schlichtweg um die Transitgebühren, die sie bekämen, wenn die Leitungen durch Polen und die Ukraine verliefen?
Aber warum soll es in unserem Interesse sein, Transitgebühren zu zahlen? Wenn wir diese Länder unterstützen wollen, müssen wir das anders machen als über Transitgebühren. Ein bisschen ehrlicher, bitte!
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang: Danke, Herr Altmaier, dass Sie die Vereinbarung innerhalb der EU hinbekommen haben. Das war gut. Ich hoffe, dass das Ding jetzt bald gebaut wird
und wir die Debatte mit einer vernünftigen Regelung beenden können.
Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Behauptung, Europa würde sich abhängig oder gar erpressbar von Russland machen, ist schlicht falsch. Pipelines erzeugen eine gegenseitige Abhängigkeit: Die einen brauchen das Gas, die anderen das Geld.
Aber konkret betrachtet kann Russland seine Kunden nicht einfach wechseln – Europa seine Lieferanten aber leicht. Es gibt eine Vielfalt von Pipelines und Flüssiggasterminals mit reichlich Kapazität.
Das europäische Gasnetz ist inzwischen so gut ausgebaut, dass kein Mitgliedstaat auf einen einzigen Lieferanten angewiesen ist – nicht einmal die Ukraine, die heute über Leitungen aus dem Westen versorgt wird.
– Vielen Dank für den Applaus, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der Applaus gehört aber nur eingeschränkt mir; ich habe nämlich gerade den Kollegen Trittin zitiert,
der, wie man nachlesen kann, genau diese Sätze so gestern der Deutschen Welle gegenüber gesagt hat.
Allerdings hat Ihre Rede, Herr Trittin, vorhin relativ wenig mit dem zu tun gehabt, was Sie gestern gesagt haben. Jetzt weiß ich nicht: Durften Sie von Ihrer Fraktion aus das nicht sagen, wie Sie es denken?
Oder – um den Kollegen Ernst noch einmal zu zitieren – wechseln Sie Ihre Meinungen wie andere die Unterwäsche?
– Ja, den Eindruck könnte man manchmal haben, in der Tat.
Es sind schon viele Punkte angesprochen worden. Lassen Sie mich noch mal einige Daten und Fakten, insbesondere zu den Themen Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit, nennen. Wenn wir das umsetzen wollen, was wir uns in Deutschland und in Europa vorgenommen haben – es ist ja angeklungen: Dekarbonisierung, Ausstieg aus der Kernenergie, Ausstieg aus der Kohle –, dann brauchen wir auf absehbare Zeit definitiv mehr Gas, weil wir nur mit Gas die gesicherte Leistung – im Stromnetz beispielsweise – erreichen werden.
Da wird jetzt oft gesagt, Nord Stream 2 wäre schädlich für Europa, es würde abhängig machen, es würde die Versorgungssicherheit gefährden. Das Gegenteil ist natürlich der Fall. Ich will es Ihnen gerne mit ein paar Daten und Fakten darlegen.
Wir können uns darüber streiten, wie sich der Gasverbrauch entwickeln wird. Heute liegt er jedoch zwischen 90 und 100 bcm, also „billion cubic meters“, Milliarden Kubikmeter, pro Jahr in Deutschland, 450 bis 500 Milliarden m 3 in Europa; deshalb lassen Sie mich die 500 Milliarden m 3 als Größenordnung nehmen. Jetzt gibt es unterschiedliche Szenarien, wie sich der Verbrauch entwickeln wird. Aber er wird mindestens um 50, wenn nicht um 100 bcm ansteigen. Das heißt, wir werden bis 2030 in Europa 500, wahrscheinlich eher 600 bcm brauchen. Da wir aber nur noch 20 Prozent davon heute in Europa selber fördern – in Deutschland unter 10 Prozent – und wir, weil es die Grünen und andere nicht wollen, kein Fracking in Deutschland – und in Europa – betreiben, durch das wir die Eigenversorgung verbessern könnten,
sind wir auf Importe angewiesen. Von daher sind wir, glaube ich, gut beraten, diese Importe sowohl nach Quellen als auch nach Transportwegen zu diversifizieren.
Wie sieht es da aus? Ein Transportweg sind die Pipelines. Wir bekommen bereits heute rund 400 bcm durch Pipelines, die nach Europa führen. Diese Pipelines führen nicht nur aus Russland durch Weißrussland oder über die Ukraine und Polen nach Deutschland, die kommen auch aus dem Kaukasus durch die Türkei, die kommen aus Nordafrika durch das Mittelmeer, die kommen aus Skandinavien durch die Nordsee usw., insgesamt 400 bcm.
Dann haben wir Speicher, Gott sei Dank in Deutschland sehr viele, insgesamt mit einem Volumen von ungefähr 100 bcm. Das heißt, selbst wenn das Gas einmal nicht fließt, sei es regional bedingt, weil im Winter mehr gebraucht wird als im Sommer, oder sei es, weil es auch einmal zu Einschränkungen kommt – da brauchen wir übrigens nicht nur die Gefahr der Unterbrechungen durch Russland an die Wand zu malen, es kann auch zu Havarien oder Zwischenfällen kommen wie im letzten Jahr in Baumgarten in Österreich –, dann können wir 100 bcm, also 20 Prozent unseres Verbrauchs, über Speicher kompensieren.
Dann haben wir die LNG-Kapazitäten, die angesprochen wurden und die jetzt weiter ausgebaut werden. Da haben wir – Stand: heute – Kapazitäten von 220 bcm, und von noch einmal 20 bis 30 bcm im Bau, also insgesamt 250 bcm, 50 Prozent des Bedarfs.
Wenn Sie das alles jetzt aufsummieren – Eigenproduktion, Speicher, Pipelines, LNG –, dann kommen wir auf über 200 Prozent des Gasbedarfs. Das ist Versorgungssicherheit; damit werden wir nicht abhängig, sondern wir werden unabhängiger. Und mit Nord Stream 2 kommen 55 bcm, also 10 Prozent des europäischen Gasbedarfs, dazu. Das ist ein klarer Beweis dafür, dass die Versorgungssicherheit besser und nicht schlechter wird.
Herr Kollege.
Wenn ich jetzt mehr Redezeit hätte – die ist leider abgelaufen –, würde ich auch darlegen, wie die Liquidität am Markt erhöht wird und dadurch der Wettbewerb zu günstigeren Preisen führt –
Das machen wir nächstes Mal.
– und wie auch über Gas CO 2 eingespart werden könnte. Aber ich fürchte, das müssen wir auf die nächste Aktuelle Stunde vertagen.
Absolut.
In diesem Sinne: Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Der nächste Redner: der Kollege Armin-Paul Hampel, AfD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Besucher im Deutschen Bundestag! Besonders herzlich: Liebe Besuchergruppe aus Niedersachsen drüben im Jakob-Kaiser-Haus! Ich habe gedacht, dass wir bezüglich Nord Stream 2 über wirtschaftliche Probleme und darüber sprechen, ob das nicht viel eher eine politische Debatte sein muss, wie Frau Merkel schon vor einigen Monaten sagte, aber ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass wir bezüglich Nord Stream 2 jetzt eine Klimadebatte führen werden; das hätte ich nicht geglaubt.
– Ja, natürlich steht es da. Ich habe das ja vorher gelesen; so ist es nicht. Ich habe das trotzdem nicht begreifen wollen.
Verstehen Sie, warum? – Damit Sie es gleich wissen: Ich fange keine minutenlange Diskussion über einen Stoff an, der zu 0,04 Prozent in der Luft vorkommt – und meine Fraktion auch nicht.
Viel interessanter ist, was in den vergangenen Tagen abgegangen ist. Vor wenigen Wochen hat uns der deutsche Außenminister – sein Staatsminister sitzt ja hier – noch vorgeschwärmt, die deutsch-französische Freundschaft sei in Aachen mit dem erneuten, zweiten, Élysée-Vertrag besiegelt, wir würden noch enger und noch intensiver zusammenarbeiten, und wenige Wochen später haut uns der französische Freund – obwohl ich heute ja gelernt habe, dass wir jetzt von Zusammenarbeit reden – diesen Vertrag links und rechts um die Ohren,
indem er den Deutschen in den Rücken fällt, uns nicht unterstützt, sondern indem er – Überraschung! – polnische und ukrainische Interessen wahrnimmt.
Wollten wir nicht deutsch-französische Interessen gemeinsam wahrnehmen? Oder haben die Polen und Ukrainer den Aachener Vertrag auch unterschrieben? Ich glaube kaum.
Wie wollen wir da im UN-Sicherheitsrat gemeinsam Politik machen, meine Damen und Herren?
– Wir reden hier über die deutsch-französische Freundschaft. Wir haben eine andere Vorstellung von ehrlicher Freundschaft, Herr Kollege.
Da haben Sie allerdings recht: Wir wollen auch mit unseren französischen Kollegen auf Augenmaß verhandelnd ins Gespräch kommen.
Man reibt sich erstaunt die Augen: Frankreich vertritt die Interessen von Polen und der Ukraine, Aachen ist passé.
Die Bundeskanzlerin hatte die Augen ja lange geschlossen. Mittlerweile hat sie eingeräumt, es sei nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein politisches Projekt. Jetzt stehen wir wieder einmal vor dem Scherbenhaufen der deutschen Außenpolitik von Angela Merkel und Herrn Maas: Wir haben mit den Amerikanern – mit Herrn Trump – nicht gerade glänzende, sondern eher schlechte Beziehungen, die Russen sanktionieren wir, und – ich wiederhole das immer gerne – die Chinesen haben wir erst jetzt als strategische Herausforderung angenommen. Der von Ihnen beschworene Multilateralismus ist eine Floskel, und er zeigt nur das völlige Versagen der Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, mittlerweile wachen einige auf. Es gibt wieder Stimmen, die auf eine Rückbesinnung auf die nationalen Interessen pochen. Was jetzt passiert ist, ist Folgendes: Europa bestimmt über einen der wichtigsten Punkte, die unsere Gesellschaft beeinflussen können, mit, nämlich über die Energieversorgung. Wir haben uns vorführen lassen; das haben wir ja gelernt. Das französische Verhalten war uns vorher eben nicht bekannt. Und wir haben einen Kompromiss geschlossen, von dem wir gar nicht wissen, ob dieser so durchgesetzt werden wird; denn eines sage ich Ihnen: Auch Polen hat jetzt erst mal mit einem einzigen Ziel zugestimmt, nämlich, dass das Europäische Parlament genau diese Kompromissvereinbarung torpedieren wird. Sie werden im Europäischen Parlament keine Mehrheit dafür bekommen,
und dann stehen wir noch mal vor einem Scherbenhaufen unserer Politik. Das ist das Entscheidende.
– Das werden Sie erleben; glauben Sie es mir.
Was haben wir dadurch gewonnen? Es gibt eine Einflussnahme europäischer Länder, von denen wir jetzt lernen, dass sie Eigeninteressen – hören Sie gut zu –, ihre nationalen Interessen durchsetzen, und zwar ganz massiv. Die Einzigen, die das nicht machen, sind wir Deutschen, und dafür sollte sich diese Bundesregierung schämen.
Die von Ihnen so leidenschaftlich verteidigte deutsch-französische Zusammenarbeit ist eine Farce; Sie haben es gerade erlebt.
Wir müssen jetzt aus dieser Situation wieder herauskommen. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Lassen Sie uns einen Weg gehen, auf dem wir Deutschen alleine in der Lage sind, über die Verteilung und Zuteilung von Energie und die Energieversorgung in unserem Land hier in Berlin – nicht in Brüssel, nicht im Europäischen Parlament, nicht im Rat und nicht in der Kommission, sondern hier in Berlin – zu entscheiden. Das ist für unser Land von nationalem Interesse. Begreifen Sie endlich, dass die Menschen das genauso wollen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Timon Gremmels.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist heute meine elfte Rede zu energiepolitischen Fragen. Bei der Mehrheit der Reden habe ich sehr viele Gemeinsamkeiten mit den Grünen festgestellt, wir konnten uns aufeinander beziehen. Leider, muss ich Ihnen sagen, ist das heute nicht der Fall. Aber das ist okay. Wir sind ja auch verschiedene Parteien mit unterschiedlichen Interessen. Aber ich sage Ihnen: Wir Sozialdemokraten haben einfach die besseren Argumente.
Das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Trittin, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ist sowohl energiepolitisch wie auch industriepolitisch falsch. Alle Studien, die uns vorliegen – die BDI-Studie „Klimapfade für Deutschland“, die dena-Studie „Integrierte Energiewende“ –, besagen: Wir brauchen auch in der Zukunft Gas, und wir brauchen mehr Gas. Ich zitiere aus der dena-Studie 2018: Für die kosteneffiziente Erreichung unserer Klimaziele brauchen wir einen breiten Technologiemix. Wir brauchen eine moderne, effiziente Gasinfrastruktur.
Die Gasinfrastruktur spielt auch in Zukunft eine zentrale Rolle im Energiesystem. Übrigens sagt Greenpeace das Gleiche. Also, wir brauchen auch in Zukunft Gas für unseren Wirtschaftsstandort Deutschland. Deswegen ist das, was Sie hier beantragen, nämlich zeitgleich aus Atom, aus Kohle, aus Öl und jetzt auch noch aus Gas auszusteigen, nicht möglich. Das geht nicht. Das überfordert auch unsere Industrie. Das überfordert den Industriestandort Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich möchte Ihnen mal ein Beispiel nennen. Wir haben ja schon über vieles gesprochen, auch darüber, dass Erdgas hier weiterverarbeitet wird. Hier ist zum Beispiel der BASF-Standort genannt worden. BASF braucht preiswertes Gas, um chemische Produkte zu entwickeln. Wenn es das nicht bekommt und auf teures LNG-Gas aus den USA zurückgreifen muss, werden die chemischen Produkte nicht mehr in Deutschland hergestellt, sondern in den USA. Ich glaube, das kann auch nicht in unserem Interesse sein. Wir wollen den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deswegen ist der Bezug von Gas aus Russland zu wettbewerbsfähigen Preisen auch ein wichtiger Punkt, um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern, zum Beispiel auch bei mir in Kassel, wo Wintershall seinen Sitz hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Natürlich müssen wir auch mit den Unternehmen darüber reden, dass Erdgas immer grüner wird. Das tun wir doch auch. Deswegen müssen wir gucken, dass wir hier an dieser Stelle Erdgas Stück für Stück ersetzen und es grüner machen.
Aber das ist ein Prozess, den wir gemeinsam angehen. Wir sollten jetzt hier nicht vorschnell das Kind mit dem Bade ausschütten.
Ich möchte sagen, dass es mich schon etwas ärgert, wenn hier unlauter argumentiert wird. Die Frage ist, ob denn Erdgas klimaschädlicher ist als Kohle. Wenn ich die Grünen richtig verstanden habe, dann würde das alles keinen großen Unterschied machen
Ehrlich gesagt, das ist falsch. Gucken Sie doch mal bitte in die UBA-Studie von 2018.
Darin heißt es deutlich, dass der zusätzliche Einsatz von Erdgas bis 2030 eine CO 2 -Reduktion von 25 bis 40 Millionen Tonnen bringt. Insofern ist das sinnvoll.
Die Grünen meinen, es besser zu wissen. Sie sagen, wenn man die Vorkettenemissionen einberechnen würde, wäre Erdgas klimaschädlicher. Das ist völlig falsch. Auch das sagt die UBA-Studie von 2018. Darin steht klar: Selbst mit den Vorkettenemissionen bleibt der CO 2 -Fußabdruck von Erdgas deutlich hinter dem von Kohle und Erdöl, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Insofern ist es wichtig, dass wir in Zukunft auch weiter auf Erdgas setzen, und natürlich auch auf russisches Erdgas.
Anders beim US-Fracking-Gas: Hier spielen die Vorkettenemissionen eine wesentliche Rolle.
Durch das Aufbrechen des Bodens wird massiv Methan freigesetzt.
Außerdem ist das Verflüssigen für die Umwelt und das Trinkwasser deutlich gefährlicher. Das ist ein Unterschied zu russischem Erdgas, das durch hohen Druck aus den Lagerstätten kommt. Das macht es klimafreundlich. Ansonsten hat mein Kollege Westphal deutlich gesagt, dass wir auch da gucken müssen, dass es zu Innovationen kommt, die in Zukunft dafür sorgen, dass auch russisches Erdgas sauberer wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Aber wir müssen aufpassen – das sage ich gerade den Kolleginnen und Kollegen der Grünen –, dass wir uns nicht vor den amerikanischen Karren spannen und uns nicht für die Energiepolitik von Trump einspannen lassen.
Trump hat doch nicht die Sorge, dass Deutschland von Russland energiepolitisch abhängig wird. Sein primäres Ziel ist es – das hat er auch in seinen Reden deutlich gemacht –, Jobs in den USA durch Fracking zu schaffen. Darum geht es doch bei der LNG-Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen müssen wir selbstbewusst sagen, wie die deutschen Interessen sind, und dazu gehört auch russisches Erdgas. Erdgas ist eine Brücke, und Windgas ist die Zukunft.
Zum Schluss nenne ich für die SPD noch folgende Punkte: Wir sind für den Atomausstieg bis 2022, für den Kohleausstieg bis 2038, für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien zum Beispiel im Stromsektor bis 2030, und wir sind für eine Brücke von Erdgas hin zu Windgas. Das ist unser Ziel.
Und als Schlusswort: Natürlich kann auch der Bezug von Erdgas aus Russland eine weitere Brücke sein, nämlich die eines außenpolitischen Dialoges. Wir müssen das nutzen, um außenpolitisch weiter Einfluss zu behalten und mit Russland im Gespräch zu bleiben.
Ich danke Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Für Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Dr. Julia Verlinden das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Debatte wird eines wieder ganz deutlich: Die Bundesregierung hat keine Gasstrategie. Deswegen irrlichtern Sie bei diesem Thema auch so herum, und das ist fatal. Das ist fatal für den Klimaschutz und für die Investitionssicherheit.
Sie müssen sich als Bundesregierung doch fragen: Wie viel Gas braucht unser Energiesystem der Zukunft? Es ist auch anders, als Sie behaupten, Herr Minister Altmaier. Die Gasnetzbetreiber in Deutschland geben nämlich selbst an, dass die Gasnachfrage sinken wird, und zwar schon innerhalb der nächsten zehn Jahre.
Die nächste Frage wäre: Wie bringen wir den Gasverbrauch der Zukunft in Einklang mit dem Pariser Abkommen? Herr Altmaier hat mit seinen Aussagen eben diese Klimaschutzziele aufgegeben, und er hat auch nicht wirklich zum Thema dieser Aktuellen Stunde gesprochen.
Ja, wir müssen raus aus allen fossilen Energieträgern. Das scheint Ihnen in der GroKo echt Angst zu machen. Aber ich kann Sie beruhigen: Das funktioniert.
– Jetzt kommt es. Ich erkläre es Ihnen gerne. –
Gas bedeutet nämlich nicht automatisch fossiles Erdgas, und Kraftwerke werden in Zukunft viel weniger Stunden pro Jahr laufen. Sie können aus Ökostrom Wasserstoff oder synthetisches Methan herstellen, ganz ohne CO 2 -Emissionen.
Und vergessen Sie nicht die bestehenden Biogasanlagen.
Darüber hat übrigens heute bisher keiner gesprochen.
Ihre Politik, liebe GroKo, müsste sich doch jetzt auf erneuerbare Gase und Energiesparen ausrichten, anstatt möglichst viele Bezugsquellen auf der ganzen Welt für einen fossilen Rohstoff zu organisieren, den wir in absehbarer Zeit überhaupt nicht mehr brauchen. Diese Erdgasimporte verlängern das fossile Zeitalter.
Ob russisches Erdgas über Nord Stream 2, Fracking-Gas aus den USA oder Flüssiggas aus Katar: Nichts davon hilft im Kampf gegen die Klimakrise, nichts davon reduziert die Abhängigkeit von Energieimporten, und nichts davon erhöht die Wertschöpfung bei uns vor Ort.
Aber um all das müsste es doch bei einer verantwortungsvollen Energiepolitik gehen. Stattdessen lassen Sie, Herr Altmaier, sich vor jeden Karren derjenigen spannen, die auch noch die letzten fossilen Rohstoffe verdealen wollen. Und Sie setzen sich in Brüssel dafür ein, das fossile Megaprojekt Nord Stream 2 gegen den Willen der europäischen Partnerländer durchzusetzen. Es ist doch ein guter Ansatz der EU-Kommission, den Gasmarkt zu regulieren.
Aber typisch: Die Bundesregierung wollte mal wieder eine Extrawurst. Ich bin sehr froh, dass das Europaparlament da aufpasst.
Und als sei das noch nicht genug, überlegt die Bundesregierung zusätzlich, wie sie Steuergelder in Flüssiggasterminals versenkt. Ich fasse es nicht.
Minister Altmaier hat gestern zur Investorenkonferenz geladen. Diejenigen auch noch zu hofieren, die Fracking-Gas nach Deutschland verkaufen wollen, ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich seit Jahren für ein striktes Fracking-Verbot und den Klimaschutz einsetzen.
Ein Faktencheck: Die bestehenden LNG-Terminals in Europa sind bei weitem nicht ausgelastet.
Selbst für erneuerbare Gase sind absehbar keine höheren Importkapazitäten erforderlich. Trotzdem will der Wirtschaftsminister jetzt sogar geltendes Recht ändern, damit die Gaskundinnen und -kunden einen Teil der Kosten für dieses unsinnige Projekt zahlen.
Wir Grüne haben echt keinen Bock darauf, dass Sie jetzt schon wieder durch schlechte Energiepolitik erst fossile Investitionen anreizen und dann hinterher Milliardengeschenke als Entschädigungen an die Konzerne verteilen, wenn Sie dann von der EU gezwungen werden, die Klimaschutzziele tatsächlich umzusetzen.
Zusätzliche Infrastruktur für Erdgas wird sich nicht rechnen. Das gilt auch für Nord Stream 2. Bei Kosten von über 17 Milliarden Euro wird sich Nord Stream 2 frühestens nach 20 Jahren rentieren; dann haben wir 2040. Wenn wir die Klimaziele auch nur ansatzweise erreichen wollen, wird diese Pipeline bereits vorher völlig nutzlos sein.
Deswegen fordere ich Sie von der Bundesregierung auf: Schaffen Sie keine Investitionsruinen auf Kosten von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Klima! Schwenken Sie endlich um, und nehmen Sie die Energiewende ernst! Wir brauchen Substitution statt Diversifizierung. Das heißt Ersatz von fossilem Gas durch Erneuerbare und Energieeinsparung anstatt immer mehr Länder, aus denen wir fossiles Erdgas einkaufen.
Herr Altmaier hat eben gesagt: Langfristig können wir über erneuerbares Gas nachdenken. – Mann, Mann, Mann! Sie haben echt den Schuss nicht gehört, wie dringend der Klimaschutz ist.
Auch Timon Gremmels von der SPD sagt nicht, was er konkret dafür tun will, dass wir Stück für Stück auf erneuerbares Gas setzen.
Investieren Sie endlich Grips in die Aufgabe: Wie ersetzen wir fossiles Erdgas? Das passiert nicht von selbst. Dafür müssen Sie politische Maßnahmen umsetzen.
– Herr Präsident, ich werde sehr stark in meinem Redefluss gestört.
Frau Kollegin, die Zeit ist abgelaufen. Wenn Sie vielleicht zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende.
Liebe Kollegen, lassen Sie die Kollegin ihren letzten Satz noch sprechen. – Bitte, Frau Kollegin, letzter Satz!
Es gibt jetzt drei Sachen zu tun.
Erstens: Im Gebäudebereich die Millionensubventionen für fossile Heizungen abschaffen und endlich ein Gebäudeenergiegesetz vorlegen, das den Bestand klimaneutral macht.
Zweitens: Ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, das die verbindlichen Vorgaben für die Treibhausgasreduktion festlegt, und einen CO 2 -Preis.
Drittens: Endlich den Ersatz von Erdgas durch erneuerbare Energien umsetzen, indem Sie auf Power to Gas setzen anstatt auf fossile Infrastruktur.
Frau Kollegin, es ist jetzt wirklich vorbei.
Ich kann verstehen, dass die Schülerinnen und Schüler, die jeden Freitag auf die Straße gehen, wütend auf diese Bundesregierung sind.
Es tut mir leid, aber wir haben hier Regeln. Sie hatten fünf Minuten, reden aber jetzt schon sechs Minuten. Das geht so nicht.
Der nächste Redner ist der Kollege Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Verlinden, Sie haben jetzt in der Debatte ordentlich Gas gegeben. Aber ich kann Ihnen sagen: Sie haben in die falsche Richtung Gas gegeben; denn das, was Sie sich vorstellen, führt in die falsche Richtung und auch dazu, dass Deutschland nicht mehr zukunftsfähig ist. Ich kann nur hoffen, dass das auch die Wählerinnen und Wähler erkennen.
Meine Damen und Herren, ich verstehe die ganze Aufregung nicht; denn heute Nacht haben sich die Unterhändler der EU-Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rates beim Streit um Nord Stream 2 verständigt. Man könnte eigentlich sagen: Ende gut, alles gut.
Hier ist auf vielen Seiten in Wahrheit viel Scheinheiligkeit im Spiel. Die EU-Mitgliedsländer, die am lautesten aufschreien – das sollte man nicht übersehen –, haben selbst oft die größten wirtschaftlichen Interessen. Zuallererst geht es doch um ebendiese wirtschaftlichen Interessen. Das kann man auch mit Blick auf die USA sagen. Deswegen hat die Bundesregierung von Anfang an zu Recht die Haltung vertreten, dass es sich bei Nord Stream 2 um ein Wirtschaftsprojekt handelt.
Nord Stream 2 war immer ein ungeliebtes Kind der EU-Kommission. Sie will Regeln des europäischen Energiebinnenmarktes auf das Vorhaben außerhalb der EU anwenden. Das ist schon ein problematisches Unterfangen. Der Juristische Dienst des Rates hat bei seiner Prüfung festgestellt, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gibt. Dennoch hat die Kommission weiter daran gearbeitet. Aber wie gesagt, wir haben ja jetzt eine Einigung.
Ich möchte noch etwas zum Thema Russland sagen. Der Hauptvorwurf lautet: Mit Nord Stream 2 liefert sich Deutschland den Russen aus. – Die Angst vor Russland wird von manchen Kritikern in großen Lettern an die Wand gemalt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich komme aus der Sicherheitspolitik und habe bestimmt kein naives Bild und keinen naiven Blick auf Russland. Es ist trotzdem nicht ratsam, sich von Angst leiten zu lassen. Wir müssen die Situation ganz nüchtern betrachten. Russland war in der Vergangenheit immer ein zuverlässiger Energielieferant. Allen schwierigen Konflikten zum Trotz und bei allen Sanktionsmaßnahmen hat Russland seine Lieferverpflichtungen stets erfüllt.
Lassen Sie uns das Thema Russland in diesem Fall nicht größer machen, als es ist. Es ist doch so, dass Russland von den Einnahmen aus dem Gasexport in die EU abhängig ist und nicht andersherum. Der Kollege Pfeiffer hat das vorhin schon entsprechend erklärt: Die einen brauchen das Gas und die anderen die Kohle. – Es ist doch nicht schlecht, dass die russischen Gaslieferungen für beide Seiten weiter von Bedeutung sind; sie tragen auch zur Stabilität bei.
Ein weiterer Vorwurf lautet, wir ließen die Ukraine im Stich. Die Bundeskanzlerin hat immer wieder betont, dass die Ukraine auch weiterhin Transitland bleiben müsse. Die Bundesregierung besteht darauf, dass vor einer Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 ein neuer Durchleitungsvertrag zwischen Moskau und Kiew geschlossen wird.
Meine Damen und Herren, Herr Trittin, Sie haben vorhin Paul Ziemiak vorgeworfen, er hätte Greta Thunberg gedisst.
Ich kann nur sagen: Wer den Kohlekompromiss als „pauschal“ und „absurd“ bezeichnet und bewertet
– übrigens ein Kompromiss, dem Greenpeace und viele andere zugestimmt haben –, der muss sich auch Fragen gefallen lassen. Selbst wenn sie 16 Jahre alt ist, selbst wenn sie aus Schweden kommt und selbst wenn es ihr nicht passt: Auch dann muss sie sich diese Fragen gefallen lassen.
Paul Ziemiak hat nichts anderes gemacht, als zu fragen: Wie sieht es eigentlich mit den Arbeitsplätzen aus? Was ist mit der Versorgungssicherheit? Was ist mit der Bezahlbarkeit? Und das hat nichts mit „dissen“ zu tun,
sondern das ist Realpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Vielen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Klaus Mindrup das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört: Gestern Nacht ist in Brüssel ein guter Kompromiss erzielt worden. Da hätten wir die Aktuelle Stunde eigentlich auch absagen können.
Im Kern geht es gar nicht um Nord Stream 2, sondern es geht um zwei andere Fragen. Erstens: Brauchen wir in den nächsten Jahrzehnten noch Erdgas? Zweitens: Brauchen wir eine Gasinfrastruktur?
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wir können hier zwar viele Gesetze ändern, aber wir sollten nicht versuchen, gegen die Gesetze der Physik zu regieren.
Wir haben im Augenblick in Deutschland einen Anteil von 16 Prozent Erneuerbaren am gesamten Energieverbrauch – 16 Prozent! Wer gleichzeitig aus Atomkraft, Braunkohle, Steinkohle, Erdöl und Erdgas aussteigen will, führt unser Land ins wirtschaftliche Chaos.
Dazu fällt mir nur der Filmtitel „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ ein.
Ich kann Ihnen klar sagen, was die SPD will. Wir wollen, dass Deutschland ein Land für die produzierende Industrie und das produzierende Gewerbe bleibt. Wir wollen, dass in unserem Land eine hohe Wertschöpfung stattfindet, von der alle profitieren. Wir wollen, dass Energie bezahlbar bleibt, und wir wollen das mit Klimaschutz und grünem Wachstum verbinden; denn wir wollen bis 2050 klimaneutral werden, und das Schritt für Schritt.
Gleichzeitig wollen wir im elektrischen Sektor nicht von Atom- oder Kohlestrom aus anderen Ländern abhängig sein. Wir haben im Augenblick im elektrischen Bereich 40 Prozent erneuerbare Energien. Die hätten wir nicht, wenn wir nicht in den Jahren von 2014 bis 2017 einen Rekordzubau bei Windkraft gehabt hätten. Wir haben 40 Prozent; wir wollen 65 Prozent. Gleichzeitig nehmen wir jetzt aber enorme gesicherte Kraftwerksleistungen vom Markt: Wir nehmen 9,5 Gigawatt Atomstrom vom Markt, und wir werden aus der Kohle aussteigen, Schritt für Schritt. Deswegen müssen wir Vorsorge treffen für die Zeit, in der kein Wind weht und keine Sonne scheint.
Dafür brauchen wir Langfristspeicher. Wir haben einen idealen Langfristspeicher, und das ist Gas. Wir haben – wie unter anderem im Wahlkreis vom Kollegen Saathoff – Kavernen; diese Kavernen müssen wir nutzen. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch darüber nachdenken, welche Gaspolitik wir machen. Es ist vollkommen klar, dass bis 2050 die Gase erneuerbar sein müssen – why not? –, und das machen wir auch.
Wir in der SPD haben das schon im Jahre 2017 in einem Papier beschlossen. Ich war im Herbst letzten Jahres in der Schweiz. Dort gibt es einen Zusammenschluss von Stadtwerken, die erneuerbares Gas aus Island importieren wollen. Dafür braucht man LNG-Terminals, dafür braucht man Infrastruktur. In Deutschland haben wir aber keine Terminals.
Wir wollen auch ein bisschen Geld verdienen, und an der Küste in Wilhelmshaven ist das eine sinnvolle Investition. Wir sollten doch nicht unsere eigenen nationalen Interessen hintanstellen.
In der Übergangszeit, bis wir erneuerbare Gase haben, müssen wir Erdgas natürlich effektiv nutzen.
Der Gebäudebereich ist ja schon angesprochen worden. Die Hauptlösung im Gebäudebereich – das wissen wir alle – liegt im Quartiersbereich. Deswegen brauchen wir neue Gaskraftwerke. Die gehören aber nicht auf die grüne Wiese, sondern die gehören in die Städte und in Kraft-Wärme-Kopplung-Betriebe, sodass die Abwärme genutzt wird.
Und dort, wo wir in Norddeutschland zum Teil Überschüsse haben, kann man dann auch Power to Heat nutzen. Das können Sie sich bei mir im Wahlkreis in Berlin-Buch angucken; das wird nämlich heute schon gemacht. Das können wir weiter aufbauen.
Aber auch Deutschland kann besser werden. Das Biogas gehört eigentlich in die Erdgasnetze und gehört weiter ausgebaut; vollkommen klar. Die Strukturkommission hat uns eines mitgegeben und gesagt: Wir müssen die Abgaben intelligenter regeln. – Übrigens sind die Abgaben und die ganze Politik, die wir hier gemacht haben, sehr stark von dem ehemaligen grünen Staatssekretär Baake geprägt.
Wir haben hier einen Beschluss zur Klimakonferenz unter der Überschrift „Nutzen statt Abregeln“ gefasst. Die Power-to-Gas-Technologie ist total wichtig. Es ist doch absurd, dass ein Windmüller in Deutschland mehr Geld damit verdient, die Windkraftanlage wegen der Abgaben abzuregeln, als Wasserstoff wirtschaftlich zu erzeugen. Das müssen wir ändern.
Ich glaube, ein Punkt ist noch wichtig. Die Aufgabe, diese Energiewende hinzukriegen, wird unterschätzt. Wenn 9,5 Gigawatt Atomkraft vom Netz gehen, brauchen wir zum Ausgleich dieser Stromerzeugung 70 Gigawatt aus Photovoltaik – 70 Gigawatt, wenn wir es nur über Photovoltaik machen würden, um mal die Dimension zu zeigen. Dies zeigt auch dem Bundeswirtschaftsminister die Absurdität des 52‑Gigawatt-Deckels für Photovoltaik. Völlig verrückt, wenn man die Aufgabe betrachtet.
Das sind wirtschaftliche Investitionen, weil die Photovoltaik günstiger geworden ist. Damit können wir sparsam und wirtschaftlich Strom für unsere Mieterinnen und Mieter und für das Gewerbe erzeugen. Dass wir das machen müssen, wurde bei der Anhörung deutlich. Europa sagt uns ja, dass das der richtige Weg ist. Europa hat gegen den deutschen Widerstand die Regeln so gestaltet, dass man die Dezentralität fördert. Und uns erzählt man, Europa sei dagegen. Völlig falsch. Deswegen ist ganz entscheidend: Europa ist die Lösung, Europa ist unsere Zukunft, und die Zukunft ist erneuerbar.
Danke schön.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Peter Stein.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Russland ist direkter geografischer und wichtiger Nachbar der Europäischen Union und bleibt dies auch – egal, in welchen Verhältnissen man zueinander steht. Das mag den Amerikanern nicht gefallen und den Grünen offenbar auch nicht, ist aber ein Fakt.
Russland ist nach wie vor deutlich mehr abhängig von seinen Einnahmen aus den Energielieferungen als wir von den Importen aus Russland. Aufgrund dieser Abhängigkeit war sogar die Sowjetunion während der Zeit des Eisernen Vorhanges, des Kalten Krieges, stets ein verlässlicher Lieferant von Öl und Gas, und das seit 1973. Jetzt kann man aus der Geschichte eines lernen: dass wirtschaftliche und soziale gegenseitige Abhängigkeiten vielleicht sogar die Lust auf ernsthafte internationale Konflikte reduzieren helfen.
Ich möchte einen Satz von der Kollegin Göring-Eckardt, die leider nicht mehr da ist, zitieren:
Würde sich die Bundesregierung mit gleicher Verve in Brüssel einmal für mehr Klimaschutz und saubere Energien einsetzen, wären Nord Stream 2 und
– betont –
russische Gasimporte gänzlich verzichtbar.
Ich frage mich, warum ausgerechnet der Einschub „russische Gasimporte“ so bedeutsam gewesen ist. Gleichzeitig beklagen die Grünen nämlich die arme Ukraine, der der Verlust von Leitungsentgelten beim Transport von russischem Gas droht. Wie schräg ist diese Sicht auf die Dinge eigentlich?
Ich zitiere außerdem von der Homepage der Grünen:
Die Partnerschaft zwischen der Ukraine und der EU dürfe in dieser Hinsicht nicht destabilisiert werden.
Das, was Sie hier heute vorgetragen haben und selber kommunizieren, ist alles so was von unlogisch – und das seit vielen Jahren –, dass es schon fast nicht mehr zu verstehen ist.
Weiter zitiere ich:
Echte Importunabhängigkeit gäbe es nur, wenn man den Gasverbrauch durch Einsparungen und Erneuerbare Energien verringere.
Weiter:
Aus dieser Sicht sei die Planung der Nord Stream 2 Leitung eine Wette von Investoren auf ein Versagen der EU in Sachen Klimaschutz. Dass diese Wette scheitern wird, muss die Aufgabe von grüner Politik sein.
Damit sagen Sie ja im Grunde, was Ihre Zielstellung ist: Sie wollen nichts anderes, als uns auch komplett aus dem Gas als Energieträger herausbringen.
Ich wette, dass diese grüne Politik scheitert, weil sie uns jegliche Versorgungsstabilität nimmt und jeglichen grundlastfähigen Energieträger sofort und sogleich verbieten will.
Sie wollen komplett und einzig auf Sonne und Wind als Energieträger setzen. Das wird in die Hose gehen. Ich habe den Eindruck, Sie holzen die Energiesicherheit schneller ab als RWE den Hambacher Forst.
Kommen wir zur Grundlast. Grundlast heißt Atomenergie. Da steigen wir aus; das ist beschlossen, das ist Konsens.
Kohleverstromung: Es gibt den Vorschlag, bis 2038 auszusteigen. Ich glaube, das ist mehrheitsfähig hier im deutschen Parlament.
Biomasse: Ihre Jünger rennen doch als Erste herum und reden von der Vermaisung der Landschaft.
Wasserkraft: Ich möchte die Grünen erleben, wenn wir auf der Schwäbischen Alb oder im Bayerischen Wald oder im Schwarzwald in die Täler gehen und Wasserspeicher aus Beton bauen. Ich möchte erleben, was dann für Diskussionen entstehen.
Kernfusion ist für Sie Teufelszeug, obwohl das sicherlich – in der Forschung zumindest – eine Option für die Zukunft ist.
Was bleibt? Es bleibt das Gas. Und es bleibt natürlich – das möchte ich deutlich hervorheben – der Umstieg der Gasversorgung auf synthetische, erneuerbare Varianten. Ich möchte an vorderster Stelle den Wasserstoff nennen. Aber um Wasserstoff zu transportieren, brauchen wir ein funktionierendes Gasnetz.
Unser Gasnetz versorgt 80 Prozent der Haushalte, und wir erreichen eine Versorgung von über 90 Prozent in Gewerbe- und Industriegebieten. Aber ohne dass Gas in den Leitungen fließt und ein gewisser Druck aufgebaut ist, können wir das Wasserstoffelement eben nicht durchleiten. Wir brauchen das Gas als Transportmedium. Ich würde mich sehr dafür einsetzen, dass wir beispielsweise den Anteil – wir können momentan nur 2 Prozent Wasserstoff ins Netz einspeisen – durch einen einfachen gesetzgeberischen Vorgang auf 10 Prozent erhöhen,
um schon mal einen gewissen Markt zu schaffen.
Zur Debatte um Speicherkapazitäten: Wir haben im deutschen Gasnetz die größten Speicher, die wir uns vorstellen können; da sind 50 Terawatt möglich. Das müssen wir nutzen, das müssen wir auch erhalten, und dazu brauchen wir – auch in der Übergangszeit – auf jeden Fall eine Gasversorgung.
Ich möchte einen breiten Energiemix behalten. Solange wir das nicht anders gelöst haben, wird Deutschland hinsichtlich der Grundlast immer abhängig sein von Importen aus Drittstaaten. Ich sage deshalb: Wir brauchen einen breiten Mix möglichst vieler zuverlässiger Quellen und Energiearten.
Letzter Satz. Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern und bin natürlich ganz stolz darauf, dass wir in Lubmin, ehemals Standort eines Atomkraftwerks, das jetzt durch die Energiewerke Nord abgebaut wird, einen Hub, einen Knoten der europäischen Energieversorgung, bekommen. Das ist für die Wirtschaft gut, das ist für Mecklenburg-Vorpommern gut, das ist für Deutschland gut und auch für Europa.
Herzlichen Dank.
Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde: der Kollege Mark Helfrich, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anders als leere Parlamente, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, haben leere LNG-Terminals immerhin einen Mehrwert: Sie sind nämlich eine Option, wenn wir über Bezugsalternativen reden. Dass der Erfolg eines LNG-Terminals nicht davon abhängt, wie viel Umschlag dort stattgefunden hat, wurde in der Diskussion leider nicht verstanden,
Am Donnerstag, den 24. Januar dieses Jahres, hatten wir eine lange frostige Nacht und keine Sonne am Tag. Wenig Wind und tiefhängende Wolken legten Windräder und Solarpaneele in Deutschland lahm. Mehr als die Hälfte des verbrauchten Stroms wurde an diesem Tag in den heimischen Kohlekraftwerken produziert. Nach dem Willen der Kohlekommission sollen diese bald vom Netz gehen. Den Rest erzeugten größtenteils Atom- und Gaskraftwerke.
Warum erzähle ich Ihnen das? Am Beispiel der Dunkelflaute vom 24. Januar wird das ganze Dilemma der grünen energiepolitischen Naivität sichtbar. Ginge es nämlich nach den Grünen, hätten wir schon seit Jahren kein laufendes Kernkraftwerk mehr, wären längst aus der Kohle ausgestiegen und würden eher heute als morgen die Erdgasnutzung einstellen. Ach ja, und Erdöl soll ja am besten auch im Boden bleiben, wenn es nach Ihnen ginge.
Würden wir die Grünen also von der Leine lassen, hätte Deutschland an diesem Tag komplett im Dunkeln gesessen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Kerzenschein kann sehr romantisch sein, hilft aber dem Industriestandort Deutschland an solchen Tagen nicht wirklich weiter.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Energiewende und der Atomausstieg sind beschlossene Sache, auch die Kohleverstromung wird irgendwann ein Ende finden.
Die dadurch entstehenden Versorgungslücken werden wir nicht so schnell durch erneuerbare Energien ausfüllen können. Deshalb brauchen wir zur Versorgung in Deutschland viel Gas. Das kann Nord Stream 2 liefern. Fakt ist: Deutschland ist derzeit der weltgrößte Erdgasimporteur und auch einer der größten Gasverbraucher der Welt. Aber nicht nur Deutschland, sondern auch die Europäische Union werden in Zukunft mehr Gasimporte brauchen als heute; denn die niederländische und britische Gasförderung ist stark rückläufig.
Im Ergebnis müssen wir in den nächsten Jahren bis zu 140 Milliarden Kubikmeter Erdgas ersetzen. Damit Sie eine Vorstellung haben: Dies entspricht etwa 140 Prozent des gesamten Gasverbrauchs in Deutschland. Mithilfe von Nord Stream 2 sollen jedes Jahr 55 Milliarden Kubikmeter russisches Gas nach Europa geliefert werden. Das wären etwa 40 Prozent des europäischen Mehrbedarfs an Gas. Auch deshalb ist es richtig, dass Europa zusätzlich auf Pipelinegas aus Aserbaidschan und auf LNG setzt. Nord Stream 2 ist damit nur ein Teil der Lösung des europäischen Energieproblems.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn es Ihnen von den Grünen in dieser Aktuellen Stunde um etwas ganz anderes geht und Sie etwas ganz anderes suggerieren:
Nord Stream 2 steht nicht im Widerspruch zu den Zielen der europäischen Energieunion,
nämlich die Wettbewerbsfähigkeit, die Nachhaltigkeit und die Sicherheit der Energieversorgung in Europa zu verbessern. Das zeigt auch die gestrige Einigung auf EU-Ebene. Wie im Übrigen jede andere neue Transportpipeline auch erhöht Nord Stream 2 die Vielfalt der Transportwege, stärkt den Wettbewerb und die Versorgungssicherheit in Europa. Zudem ist der europäische Markt mit über 30 LNG-Terminals unabhängiger als je zuvor. Persönlich – das gebe ich gerne zu – hoffe ich, dass in Brunsbüttel demnächst das nächste LNG-Terminal entsteht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, es mag für Sie eine wirklich bittere Pille sein, aber zu den harten Fakten zählt: Ohne Erdgas funktioniert die Energiewende in Deutschland nicht,
und ohne Erdgas erreichen wir auch die europäischen Klimaziele nicht. Ende der Debatte.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 14. Februar 2019, um 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluss: 17.01 Uhr)
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) | |
---|---|
Annen, Niels | SPD |
Baerbock, Annalena | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Barnett, Doris | SPD |
Bas, Bärbel | SPD |
Beer, Nicola | FDP |
Behrens (Börde), Manfred | CDU/CSU |
Bülow, Marco | fraktionslos |
Dörner, Katja | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Gerster, Martin | SPD |
Gohlke, Nicole | DIE LINKE |
Heinrich, Gabriela | SPD |
Held, Marcus | SPD |
Heßenkemper, Dr. Heiko | AfD |
Hofreiter, Dr. Anton | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Kemmerich, Thomas L. | FDP |
Kiesewetter, Roderich | CDU/CSU |
Kleinwächter, Norbert | AfD |
Kolbe, Daniela* | SPD |
Kotré, Steffen | AfD |
Kramme, Anette | SPD |
Launert, Dr. Silke | CDU/CSU |
Lühmann, Kirsten | SPD |
Magnitz, Frank | AfD |
Müller, Claudia | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Nastic, Zaklin | DIE LINKE |
Nick, Dr. Andreas | CDU/CSU |
Nouripour, Omid | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Özoğuz, Aydan | SPD |
Pasemann, Frank | AfD |
Remmers, Ingrid | DIE LINKE |
Rüffer, Corinna | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Schmidt (Aachen), Ulla | SPD |
Schmidt, Uwe | SPD |
Schulz, Jimmy | FDP |
Theurer, Michael | FDP |
Throm, Alexander | CDU/CSU |
Vaatz, Arnold | CDU/CSU |
Wagenknecht, Dr. Sahra | DIE LINKE |
Weber, Gabi | SPD |
Weiler, Albert H. | CDU/CSU |
* aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes
Schriftliche Antworten auf Fragen der Fragestunde (Drucksache 19/7584)
Frage 1
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Michael Meister auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der CHE-Erhebung „Universitätsleitung in Deutschland“ (vom 7. Februar 2019) hinsichtlich der Diversität (insbesondere hinsichtlich Geschlecht und Herkunft) unter den Führungspersönlichkeiten in der Wissenschaft, und inwiefern sieht sie generell weiter gehenden Handlungsbedarf, eine größere Chancengerechtigkeit und mehr Vielfalt in diesem Bereich zu befördern?
Die Bundesregierung hat die Ergebnisse der Untersuchung „Universitätsleitung in Deutschland“ des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), Gütersloh, veröffentlicht am 7. Februar 2019, zur Kenntnis genommen. Nach Auffassung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sind die Befunde der CHE-Untersuchung eine transparente Bestandsaufnahme zum Stichtag 31. Dezember 2018 in einem ausgewählten Segment der Personalstruktur an staatlichen Universitäten. Sie können von den zuständigen Akteurinnen und Akteuren auf Länder- und Hochschulebene bei Bedarf für Meinungsbildungs-, Abwägungs- und Entscheidungsprozesse bezüglich konkreter Personalmaßnahmen herangezogen werden.
Aufgrund der föderalen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern fallen Angelegenheiten von Hochschulen in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Infolgedessen entziehen sich personelle Entscheidungen zur Bestellung oder Einsetzung von Hochschulleitungen der Einflussnahme des Bundes.
Frage 12
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Marco Wanderwitz auf die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE):
Welche Änderungen sind nach Auffassung der Bundesregierung im nationalen Recht notwendig, wenn das (von Deutschland bereits 2014 unterzeichnete) Übereinkommen des Europarates betreffend die Manipulation von Sportwettbewerben in Bezug auf Aspekte, die nicht materielles Strafrecht und nicht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen betreffen (KOM(2017) 387 endg.; Ratsdok. 11723/17), sowie das Übereinkommen des Europarates betreffend die Manipulation von Sportwettbewerben in Bezug auf Aspekte, die materielles Strafrecht und die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen betreffen (KOM(2017) 386 endg.; Ratsdok. 11724/17), in Kraft treten, und welche Folgen werden diese Regelungen für die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus in wirtschaftlicher, finanzieller, sozialer und/oder ökologischer Hinsicht haben?
Da beide Materien – sowohl materielles Strafrecht und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen als auch nicht materielles Strafrecht und nicht justizielle Zusammenarbeit – in demselben Übereinkommen des Europarats gegen die Manipulation von Sportwettbewerben geregelt sind, möchte ich diese gemeinsam behandeln.
Zum einen verlangt Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes vor der Ratifikation durch den Bundespräsidenten für Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Zustimmung oder die Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes (Vertragsgesetz). Für ein solches Gesetz ist nach dem Grundgesetz die Zustimmung des Bundesrats erforderlich, wenn eine dem völkerrechtlichen Übereinkommen vergleichbare nationale Regelung der Zustimmung des Bundesrates bedürfte. Dies wird Gegenstand der insofern erforderlichen verfassungsrechtlichen Prüfung sein.
Zum anderen sind die Inhalte des Übereinkommens, die eine Umsetzung durch den Gesetzgeber erfordern, in einem Ausführungsgesetz zu regeln.
Welche Änderungen des nationalen Rechts aufgrund des Übereinkommens erforderlich sind, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beantworten.
Folgendes lässt sich jedoch bereits absehen:
Kapitel IV des Übereinkommens trifft Aussagen zum materiellen Strafrecht und zu der Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung. Dies ist als Auftrag an den nationalen Gesetzgeber zu verstehen, strafrechtliche Mindeststandards zu schaffen. Die aus dem Übereinkommen resultierenden gesetzgeberischen Maßnahmen auf Bundesebene hat die Bundesregierung bereits in der 18. Legislaturperiode mit dem „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches ‒ Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben“ (Drucksache 18/11445) geschaffen.
Gegenwärtig wird auf Bundesebene kein weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Umsetzung des Übereinkommens gesehen. Die abschließende Prüfung wird jedoch im erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren zum Vertragsgesetz erfolgen.
Eine seriöse Folgenabschätzung ist daher gegenwärtig nicht möglich.
Frage 13
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Marco Wanderwitz auf die Frage des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE):
Welche EU-Mitgliedstaaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Übereinkommen noch nicht unterzeichnet, und was unternimmt die Bundesregierung, damit die Übereinkommen möglichst bald in Kraft treten können?
Irland, Kroatien, Malta, Rumänien, Schweden und die Tschechische Republik haben das Übereinkommen noch nicht unterzeichnet. Eine prinzipielle Ablehnung hat bislang nur Malta dokumentiert. Die Bundesregierung versucht wiederkehrend, die Wichtigkeit des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung der Manipulation von Sportwettbewerben für die Integrität und das Ansehen des Sports hervorzuheben, und setzt sich gemeinsam mit weiteren Mitgliedstaaten in verschiedenen Gremien der Europäischen Union (zum Beispiel in der Ratsarbeitsgruppe Sport) intensiv für eine Unterzeichnung durch die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ein.
Frage 14
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Marco Wanderwitz auf die Frage der Abgeordneten Linda Teuteberg (FDP):
Wie hoch ist/war nach Kenntnis der Bundesregierung die absolute Anzahl von Bundeseinrichtungen (Bundesbehörden, außeruniversitären Forschungseinrichtungen), die ihren Hauptsitz aktuell sowie in den Jahren 1994, 1999, 2004, 2009 und 2014 in den westdeutschen Bundesländern (inklusive Berlin) bzw. in den ostdeutschen Bundesländern haben/hatten, und wie hoch ist in Bundeseinrichtungen (Bundesbehörden, außeruniversitären Forschungseinrichtungen) aktuell die Anzahl besetzter Stellen in den einzelnen Bundesländern?
Entsprechende Informationen wurden im Jahr 2019 noch nicht erhoben. Die Zahlen liegen in der Bundesregierung nicht zentral vor und können nur durch eine umfangreiche Abfrage innerhalb der Bundesverwaltung ermittelt werden. Eine solche Abfrage konnte in der Kürze der zur Beantwortung mündlicher Fragen vorgesehenen Frist nicht durchgeführt werden. Für die Beantwortung wird daher auf Werte aus dem Jahr 2018 zurückgegriffen.
Die für die Beantwortung verwendeten Informationen umfassen als Bundeseinrichtungen das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung einschließlich ihrer unmittelbaren Geschäftsbereichsbehörden und Einrichtungen. Bei den Ressorts wird unter Hauptsitz der 1. Dienstsitz verstanden. Die Bundeswehr hat eine Vielzahl ziviler und militärischer Dienststellen, die deutschlandweit stationiert sind. Für die in 2018 durchgeführte Erhebung wurden lediglich das Ministerium sowie die dem BMVg unmittelbar nachgeordneten Dienststellen betrachtet.
Für die Ermittlung der Angaben lagen lediglich Informationen dazu vor, wann der Hauptsitz einer Bundeseinrichtung in den westdeutschen bzw. ostdeutschen Bundesländern angesiedelt wurde. Der Begriff „Ansiedlung“ erfasst Neugründungen, Verlagerungen, Neuschaffungen und Umsiedlungen von Einrichtungen im oben genannten Sinne und einzelnen Standorten.
Nicht enthalten in den Zahlen sind die Einrichtungen der Bundespolizei, des Bundeamtes für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes sowie des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, da aus den Zahlen gegebenenfalls Rückschlüsse auf die Struktur und Arbeitsweise der jeweiligen Einrichtungen gezogen werden könnten. Aus Gründen des Staatswohls werden die entsprechenden Angaben daher in diesen Einzelfällen nicht öffentlich gemacht.
Aus den zuvor genannten Gründen kann die auf Basis der vorliegenden Informationen ermittelte Anzahl der vorhandenen Einrichtungen von der tatsächlichen Anzahl abweichen.
In der Antwort wird der von der Fragestellerin vorgenommenen Zurechnung Berlins zu den westdeutschen Bundesländern gefolgt. Zusätzlich werden die Werte für Berlin ausgewiesen. Unter Beachtung dieser Vorbemerkungen ergibt sich folgende Aufstellung für die Anzahl der Standorte der Bundeseinrichtungen:
Jahr | West | davon Berlin | Ost |
1994 | 228 | 27 | 48 |
1999 | 241 | 36 | 51 |
2004 | 253 | 37 | 55 |
2009 | 261 | 40 | 56 |
2014 | 276 | 42 | 58 |
2018 | 280 | 42 | 58 |
Hinsichtlich der Anzahl der Beschäftigten gelten grundsätzlich die gleichen Vorbemerkungen. Zudem lagen für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen nur kumulierte Zahlen für die einzelnen Einrichtungen vor. Eine Aufschlüsselung nach Bundesländern war deshalb nicht möglich. Die Beschäftigten der Forschungseinrichtungen sind daher in der nachfolgenden Aufstellung nicht enthalten.
Bundesland | Beschäftigte |
Baden-Württemberg | 8.202 |
Bayern | 13.772 |
Berlin | 24.043 |
Brandenburg | 4.892 |
Bremen | 1.273 |
Hamburg | 4.997 |
Hessen | 11.363 |
Mecklenburg-Vorpommern | 3.550 |
Niedersachsen | 10.774 |
Nordrhein-Westfalen | 39.904 |
Rheinland-Pfalz | 9.759 |
Saarland | 1.068 |
Sachsen | 3.784 |
Sachsen-Anhalt | 2.595 |
Schleswig-Holstein | 3.847 |
Thüringen | 1.530 |
Für eine umfassendere und detailliertere Information über die Standorte der Bundeseinrichtungen sowie die dort vorhandenen Stellen verweise ich auf die Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD, Bundestagsdrucksache 19/1108, vom 7. März 2018 sowie auf die Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke, Bundestagsdrucksache 19/1155, vom 12. März 2018, in denen die Bundesregierung umfangreich zu Behördenstandorten, Ansiedlungszeitpunkten und den Beschäftigtenzahlen Stellung genommen hat.
Frage 17
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Marco Wanderwitz auf die Frage des Abgeordneten Stephan Brandner (AfD):
Wann wurde die im Herbst 2015 getroffene Ausnahmeentscheidung nach § 18 Absatz 4 Nummer 2 AsylG, die beinhaltet, dass Drittstaatsangehörige, die in Deutschland um Schutz nachsuchen, nicht an der Grenze zurückgewiesen werden können, in welcher Form zurückgenommen?
§ 18 Absatz 4 Nummer 2 des Asylgesetzes (AsylG) regelt keine aufenthalts- und asylrechtliche Aufnahmeentscheidung, sondern sieht das Absehen von einer Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung im Falle der Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) vor, soweit das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat es aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat.
Die Frage zur im zeitlichen Zusammenhang mit der vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen mit dem Schwerpunkt an der deutsch-österreichischen Grenze am 13. September 2015 im Lichte des europäischen Rechts getroffenen Entscheidung, keine Zurückweisungen an der Grenze mit Bezug auf um Schutz nachsuchende Drittstaatsangehörige vorzunehmen, wurde seitens der Bundesregierung mehrfach in ihren Antworten auf parlamentarische Fragen umfassend beantwortet. Beispielhaft verweise ich unter anderem auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/883 vom 23. Februar 2018, die Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/3699 vom 6. August 2018 und die Antwort der Bundesregierung zur schriftlichen Frage der Abgeordneten Gökay Akbulut auf Bundestagsdrucksache 19/5815, Nummer 13 vom 16. November 2018.
Die hier erfolgte neuerliche Frage kann folglich nicht auf einen weiteren Erkenntnisgewinn abzielen.
Frage 18
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Stephan Brandner (AfD):
Wann fanden seit 2010 Treffen zwischen George Soros und Vertretern der Bundesregierung statt, und wer hat jeweils daran teilgenommen?
Die Mitglieder der Bundesregierung pflegen in jeder Wahlperiode im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren aller gesellschaftlichen Gruppen. Unter diesen ständigen Austausch fallen persönliche Gespräche und schriftliche, elektronische oder telefonische Kommunikation.
Ihre Fragestellung bezieht sich auf Gesprächstermine mit Herrn Soros, die bis in das Jahr 2010 zurückgehen, also bis in die vorletzte Legislaturperiode. In dieser Zeit haben natürlich personelle Wechsel stattgefunden, weshalb neben den genannten Gründen eine vollständige und abschließende Aufzählung aller Termine der letzten 9 Jahre nicht möglich ist.
Meine Ausführungen erfolgen auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse sowie vorhandener Unterlagen und Aufzeichnungen.
Der damalige Bundesminister Dr. Philip Rösler traf George Soros am 31. Mai 2012 zusammen mit seinem Chief Advisor und Sprecher, Michael Vachon.
Ich selbst habe in meiner Funktion als Staatsminister gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des Auswärtigen Amts an Gesprächen mit George Soros und Vertreterinnen und Vertretern der Open Society Foundation bzw. des Europarats am 8. Juni 2017, am 29. Mai 2018 und am 24. September 2018 teilgenommen.
Weiterhin gab es Treffen des damaligen Bundesministers Sigmar Gabriel am 17. Februar 2018, des Staatssekretärs Wolfgang Schmidt am 26. Juni 2018 und – wie Ihnen bekannt ist – der Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley am 21. November 2018 mit Herrn Soros.
Frage 24
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Aussage von Juan Guaidó, wonach auch der Einsatz einer internationalen Streitmacht ( www.sumarium.es/2019/02/07/guaido-no- descarta-la-aprobacion-de-una-fuerza-extrajera-ante-conflicto- politico/ ) vorstell- und vertretbar sei (übersetzt mit www.DeepL. com/Translator )?
Die Aussage von Guaidó muss im Zusammenhang betrachtet werden. Sie stammt aus einer recht ausführlichen Passage aus einem Interview mit der uruguayischen Zeitung „El País“. Darin lehnte Guaidó eine gewaltsame Lösung kategorisch ab.
Auch in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung hat Guaidó eine gewaltsame Lösung klar abgelehnt.
Frage 25
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE):
Welche praktischen Konsequenzen ergeben sich für die Bundesregierung aus ihrer Anerkennung des selbsternannten Interimspräsidenten in Venezuela, Juan Guaidó ( www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-venezuela/2186030 ), für die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Venezuela, und wie genau stellt sich die Bundesregierung die Durchführung von Neuwahlen in Venezuela unter Führung des selbsternannten Präsidenten vor, angesichts der Tatsache, dass er bislang nach meiner Auffassung über keine reale Macht in Venezuela verfügt und jenseits der Nationalversammlung keine Kontrolle über staatliche Institutionen ausübt?
Für die Bundesregierung ist Juan Guaidó legitimiert, im Einklang mit der venezolanischen Verfassung das Land zu Präsidentschaftsneuwahlen zu führen.
Aus Sicht der Bundesregierung ist dabei wichtig, dass die nächsten Wahlen auch wirklich frei und fair stattfinden können. Die politischen Rahmenbedingungen hierfür sind im Moment noch nicht gegeben.
Die Bundesregierung setzt sich – unter anderem im Rahmen einer von der EU initiierten internationalen Kontaktgruppe – deshalb dafür ein, dass die gegenwärtige Krise in Venezuela überwunden wird, damit Juan Guaidó möglichst rasch sein Mandat zur Abhaltung freier, fairer und glaubwürdiger Präsidentschaftswahlen in Venezuela ausüben kann.
Frage 26
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE):
Welche Auswirkungen hat die in der bundesrepublikanischen Diplomatie bislang beispiellose Anerkennung einer nicht gewählten Gegenregierung für Staatsbürger beider Seiten in den jeweils anderen Staaten?
Am Status deutscher Staatsangehöriger in Venezuela oder venezolanischer Staatsangehöriger in Deutschland hat sich nach jetzigem Stand nichts verändert.
Frage 27
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wie viele Beschäftigte in den Visastellen der deutschen Botschaften in Islamabad und Neu-Delhi stehen nach Kenntnis der Bundesregierung für die ab März 2019 beginnende Bearbeitung der über 600 Terminregistrierungen in Islamabad und 148 in Neu-Delhi von afghanischen Familienangehörigen zum Nachzug zu ihren subsidiär geschützten Verwandten in Deutschland zur Verfügung (siehe Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 52, Plenarprotokoll 19/76), und beabsichtigt die Bundesregierung, Familiennachzugsfälle zu subsidiär geschützten Afghanen auch in der Zentrale des Auswärtigen Amts in Berlin zu bearbeiten, um die Wartezeiten zu verkürzen?
An der deutschen Botschaft Islamabad stehen zusätzlich zwei entsandte und drei lokal Beschäftigte zur Bearbeitung der Anträge von afghanischen Staatsangehörigen auf Nachzug zu ihren subsidiär geschützten Familienangehörigen zur Verfügung.
An der Botschaft Neu-Delhi sind es zusätzlich ein Entsandter und zwei lokal Beschäftigte.
Es ist nicht beabsichtigt, Familiennachzugsfälle zu subsidiär geschützten Afghanen in der Zentrale des Auswärtigen Amtes zu bearbeiten, da eine Verkürzung der Wartezeiten durch diese Maßnahme nicht zu erwarten ist. Die Beantragung eines Visums setzt die persönliche Vorsprache zur Prüfung der Identität und die Aufnahme der biometrischen Daten voraus. Außerdem sind spezifische Orts- und Sprachkenntnisse erforderlich, die in der Regel nur an den Auslandsvertretungen gegeben sind. Ferner sind häufig Rückfragen bei den Antragstellern erforderlich.
Frage 28
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Inwieweit hat die Ausschreibung mehrerer Stellen für Juristen für die Bearbeitung von Visumanträgen an den deutschen Auslandsvertretungen im Nahen Osten, in Südasien, im Westbalkan, in Ostafrika und der Türkei ( https://stellenangebote.diplo.de/stella/advertisement_detail.action?id=296 ) zu einer Personalaufstockung geführt (bitte die 28 Auslandsvertretungen nennen, in denen es die größten Personalzuwächse geben soll)?
Aufgrund der Ausschreibung des Auswärtigen Amts für Juristinnen und Juristen mit Erstem Staatsexamen wurden vorgestern, am 11. Februar, insgesamt 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu eingestellt.
Diese 24 neuen Beschäftigten werden an den folgenden Auslandsvertretungen als Visaentscheider eingesetzt:
Amman (zwei Visaentscheider),
Bangalore (ein Visaentscheider),
Beirut (drei Visaentscheider),
Chennai (ein Visaentscheider),
Erbil (vier Visaentscheider),
Istanbul (vier Visaentscheider),
Kairo (zwei Visaentscheider),
Lagos (ein Visaentscheider),
Mumbai (ein Visaentscheider),
Nairobi (ein Visaentscheider),
Neu-Delhi (ein Visaentscheider),
Rabat (ein Visaentscheider)
und Teheran (zwei Visaentscheider).
Frage 29
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Welche Entwicklung hat es in den letzten zwölf Monaten beim Personal im Bereich bürotechnischer Assistenztätigkeiten an den Visaabteilungen der deutschen Auslandsvertretungen im Nahen Osten, in Südasien, im Westbalkan, in Ostafrika und der Türkei gegeben (bitte nach deutschen Kräften und Ortskräften der jeweiligen Visaabteilung in den 14 Auslandsvertretungen aufschlüsseln, in denen es die größten Personalzuwächse gegeben hat)?
Die personelle Ausstattung der Visastellen an den von Ihnen angefragten Auslandsvertretungen mit entsandten und lokal Beschäftigten im Bereich der bürotechnischen Assistenztätigkeiten ist in den letzten zwölf Monaten im Wesentlichen unverändert geblieben.
Für entsandtes Personal ist ein neuer Dienstposten des Vorzimmer-, Schreib- und Telefondienstes (VST) hinzugekommen: Zum einheitlichen Rotationstermin 2019 ist im Rechts- und Konsularreferat der deutschen Botschaft Islamabad ein Dienstposten zur Besetzung ausgeschrieben.
Die personelle Ausstattung mit lokal Beschäftigten für den Bereich der bürotechnischen Assistenztätigkeiten ist von 310 (Stichtag 1. Februar 2018) auf 308 (Stichtag 1. Februar 2019) unwesentlich gesunken.
Obwohl die personelle Ausstattung insgesamt leicht zurückgegangen ist, hat es an einigen Auslandsvertretungen einen Aufwuchs in diesem Bereich gegeben:
Addis Abeba (1),
Bagdad (4),
Bangalore (2),
Belgrad (2),
Erbil (1),
Islamabad (1),
Kairo (1),
Nairobi (1),
Neu-Delhi (2),
Pristina (1),
Tirana (1).
Frage 30
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Lage des inhaftierten kamerunischen Oppositionspolitikers Maurice Kamto und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ( www.taz.de/!5565819/ ), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Militärhilfe für Kamerun aufgrund von Menschenrechtsverletzungen durch die kamerunischen Streitkräfte teilweise einstellen ( www.washingtonpost.com/world/africa/us-cuts-some-military-assistance-to-cameroon-citing-allegations-of-human-rights-violations/2019/02/06/aeb18052-2a4e-11e9-906e-9d55b6451eb4_story.html?utm_term=.ab7a2047b804 )?
Am 26. Januar 2019 fanden in verschiedenen kamerunischen Städten trotz Verbotes Demonstrationen der Partei des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Maurice Kamto (MRC) gegen das von ihr nicht anerkannte Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen von Oktober 2018 und gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte in den anglophonen Regionen des Landes statt. Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst.
Unter den zahlreichen verhafteten Demonstrierenden und Anhängerinnen und Anhängern der MRC, die im Verlauf der folgenden Tage festgenommen wurden, befinden sich auch Maurice Kamto sowie andere hochrangige Parteimitglieder. Gegen sie wird unter anderem wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Aufstachelung zum Aufstand ermittelt.
Aus Sicht der Bundesregierung stellt sich im Hinblick auf das Vorgehen der Sicherheitskräfte die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Die Rechte auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sind nach Auffassung der Bundesregierung hohe rechtsstaatliche Güter, die vom Staat garantiert werden müssen.
Die deutsche Botschaft in Jaunde steht in regelmäßigem Kontakt mit den Anwälten und dem Sprecher von Herrn Kamto.
Die Bundesregierung wird den kritischen Dialog mit der kamerunischen Regierung fortsetzen, die Entwicklung weiter beobachten und den Grad der Kooperation daran messen. Dies gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit im militärischen und polizeilichen Bereich. In diesem Sinn plant auch die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Dr. Bärbel Kofler, in den kommenden Monaten eine Reise nach Kamerun.
Frage 31
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen des „Atlas der Zivilgesellschaft“, der das globale Ausmaß der Einschränkung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure dokumentiert ( www.brot-fuer-die-welt.de/ fileadmin/mediapool/2_Downloads/Fachinformationen/ Atlas_d_zivilgesellschaft/Brot_fuer_die_Welt_Atlas_der_ Zivilgesellschaft_2019.pdf ), und in welchen Fällen wurden Projekte in den vergangenen zwei Jahren (2017 und 2018) anstatt in Zusammenarbeit mit der Regierung des Ziellandes unmittelbar mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren umgesetzt, weil die Bundesregierung Bedenken an der Zusammenarbeit mit der Regierung eines Partnerlandes hatte (bitte nach Land, Höhe der Mittel und ausschlaggebenden Bedenken auflisten)?
Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft im Ausland gehört für die Bundesregierung zum Tagesgeschäft. Unsere Partnerschaft mit Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft erstreckt sich dabei auf nahezu alle Themen der Außen- und Entwicklungspolitik.
Schwerpunkte der Bundesregierung sind dabei Menschenrechte und Minderheiten, aber auch Umwelt- und Klimaschutz. Ich selbst treffe mich bei nahezu jeder Auslandsreise mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, so zum Beispiel wiederholt bei Reisen in die Türkei.
Daher begrüßen wir die Erkenntnisse des „Atlas der Zivilgesellschaft“. Es ist ein Verdienst dieses Atlas, das ganze Ausmaß der Dilemmata der Zivilgesellschaften global darzustellen.
Die Erkenntnisse des Atlas sind zugleich Bestätigung, dass wir als Bundesregierung unsere zivilgesellschaftlichen Partnerschaften trotz möglicher Widerstände und Beschränkungen aufrechterhalten müssen. Dazu wollen wir auch deutsche Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und Hilfswerke ermuntern und unterstützen.
Seit Jahrzehnten hat es immer wieder Projekte mit zivilgesellschaftlichen Partnern gegeben. Dies setzen wir heute in der Außen- und Entwicklungspolitik regelmäßig fort.
Lassen Sie mich stellvertretend für das große Projektportfolio der Bundesregierung zwei Projekte beispielhaft hervorheben:
In Absprache mit anderen Gebern hat die Bundesregierung im Anschluss an den Ausbruch des Bürgerkriegs im Südsudan die bilateralen Vorhaben umgesteuert. Sowohl die politischen Rahmenbedingungen als auch die Governance-Strukturen sind derzeit unzureichend, um direkt mit der Regierung zu kooperieren.
Die Umsetzung erfolgt daher über deutsche und internationale Nichtregierungsorganisationen beispielsweise in den Bereichen Wasser und ländliche Entwicklung.
In Libyen unterstützt die Bundesregierung den Aufbau staatlicher Institutionen zur Stabilisierung des Landes. Aufgrund des stockenden Friedensprozesses wurde zum Aufbau auf lokaler Ebene gezielt auf eine renommierte internationale Nichtregierungsorganisation zurückgegriffen, auf die Organisation „Interpeace“.
Diese Beispiele zeigen: Wenn es schwerwiegende Bedenken gegenüber einer Zusammenarbeit mit der betreffenden Regierung gibt, kann die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ganz oder teilweise auf eine regierungsferne Umsetzung umgesteuert werden.
Frage 32
Antwort
des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ist der Bundesregierung bekannt, ob im Hafen von Mariupol seit Anfang Januar 2019 jede Verzögerung von Schiffen durch das Vorgehen der russischen Behörden in der Straße von Kertsch aufgezeichnet wird, und teilt sie meine Auffassung, dass weiterhin jedes einzelne Schiff, das die ukrainischen Häfen am Asowschen Meer anläuft, um mehrere Stunden bis mehrere Tage verzögert wird?
Die Bundesregierung verfolgt die Vorgänge im Asowschen Meer aufmerksam und sucht das Gespräch mit der russischen Regierung. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der Bundesaußenminister haben gegenüber der russischen Seite mehrfach die Freilassung der ukrainischen Seeleute gefordert.
Da dies bisher leider nicht erfolgt ist, stimmen wir uns im EU-Kreis derzeit über die nächsten Schritte ab, auch über mögliche Sanktionsverschärfungen (Listungen) gegen Verantwortliche aus Russland.
Bundesaußenminister Heiko Maas hat am 18. Januar 2019 in Moskau und Kiew eine Transparenzmaßnahme für die Straße von Kertsch unterbreitet. Die Ukraine hat positiv reagiert, Russlands Antwort steht noch aus.
Ferner gab es am 11. Februar auf Wunsch der ukrainischen Seite im Auswärtigen Amt informelle Konsultationen zu seevölkerrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Asowschen Meer und der Meerenge von Kertsch.
Der Bundesregierung ist bekannt, dass im Hafen von Mariupol seit Anfang Januar jede Verzögerung von Schiffen durch das Vorgehen der russischen Behörden in der Straße von Kertsch aufgezeichnet wird.
Ihr ist weiterhin bekannt, dass es beim Anlaufen ukrainischer Schiffe von Mariupol und Berdiansk zu Verzögerungen kommt.
Frage 33
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Hirte auf die Frage des Abgeordneten Reinhard Houben (FDP):
Besteht aus Sicht der Bundesregierung der Bedarf für eine Änderung der Post-Entgeltregulierungsverordnung, beispielsweise aufgrund des beabsichtigten Beschlusses der Bundesnetzagentur, der Deutschen Post AG bei den dem Price-Cap-Verfahren unterliegenden Produkten einen Preiserhöhungsspielraum von 4,8 Prozent ab dem 1. April 2019 einzuräumen?
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, in dieser Legislaturperiode den gesamten Postrechtsrahmen kritisch zu überprüfen. Die Post-Entgeltregulierungsverordnung ist dabei ein zentraler Punkt. Denn insbesondere die in der Verordnung geregelten Regulierungsvorgaben, die stark in die unternehmerische Freiheit von Unternehmen eingreifen, bedürfen einer regelmäßigen Überprüfung hinsichtlich Erforderlichkeit und Effektivität.
Bereits im Jahr 2015 hat die Bundesregierung auf die fortschreitende Digitalisierung, die sich auf den Briefmärkten durch sinkende Sendungsmengen und steigende Auslastungsrisiken bemerkbar macht, reagiert und dem regulierten Unternehmen größere preisliche Flexibilität zur Bewältigung dieser Veränderungen eingeräumt. An dieser Entscheidung hält die Bundesregierung fest.
In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass diese Anpassung das Ziel nur teilweise erreicht hat. Deshalb nimmt die Bundesregierung das derzeit vor der Bundesnetzagentur geführte Verfahren zur Bestimmung der Briefentgelte der Deutschen Post AG für die nächsten Jahre zum Anlass, eine Präzisierung der verordnungsrechtlichen Vorgaben abzustimmen.
Ziel ist es, trotz sinkender Sendungsmengen und damit steigender Kosten weiterhin eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit postalischen Dienstleistungen zu gewährleisten.
Frage 34
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Hirte auf die Frage der Abgeordneten Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Welche Position vertritt die Bundesregierung konkret in den Verhandlungen zur neuen europäischen Spielzeugsicherheitsrichtlinie (siehe Initiative der Europäischen Kommission, https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiatives/ares-2018-6426936_de ) vor allem mit Blick auf die aktuelle Rückrufaktion der Kinder-Smartwatch „Enox Safe-Kid-One“ durch das europäische Warnsystem (Rapid Alert System for Non-Food Products, www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/enox-safe-kid-one-eu-kommission-warnt-vor-kinder-smartwatch-a-1251820.html )?
Die Bundesregierung weist darauf hin, dass derzeit kein Vorschlag der Kommission für eine neue Spielzeugrichtlinie vorliegt und somit auch keine Position der Bundesregierung dazu. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf § 90 Telekommunikationsgesetz (TKG) und die Verbraucherinformationen, die die Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit Kinder-Smart-Watches, die nach § 90 TKG verbotene Abhörfunktionen enthalten können, veröffentlicht hat (vergleiche https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Anbieterpflichten/Datenschutz/VerbraucherInformation.pdf?__blob=publicationFile&v=3 ).
Nach Kenntnis der Bundesnetzagentur enthält die Version der Safe-Kid-One, die auf dem deutschen Markt erhältlich ist, keine verbotene Abhörfunktion.
Frage 35
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Hirte auf die Frage der Abgeordneten Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Hält die Bundesregierung angesichts der erneuten Verschiebung der Einsetzung der Gebäudekommission ( http://rdir.de/form.do?agnCI=1024&agnFN=fullview&agn UID=D.B.CCpq.DAe.BilWU.A.aAuUZQRJAf_PGaFEHgFR2ahRayschqYY4gCR30QqAc1iLqIOp40kii3QY7MJX4BKP3xXInQYswnKAjVwbi0uZQ&utm_campaign=Background&utm_medium=Email&utm_source=Tagesspiegel_Newsletter ) grundsätzlich noch an ihrem auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verankerten Vorhaben fest, eine Kommission einzusetzen, die Maßnahmen identifiziert, um die Lücke zur Erreichung des Treibhausgasreduktionsziels bis 2020 auch im Gebäudesektor so weit wie möglich zu reduzieren, und wie sollen diese Maßnahmen dieser noch nicht eingerichteten Kommission in den bis Ende März 2019 vorzulegenden Maßnahmenplan einfließen ( www.handelsblatt.com/politik/deutschland/treibhausgase-bundesregierung-arbeitet-an-klimaschutzgesetz-autobranche-unter-druck/23854756.html ), der Voraussetzung für das angekündigte Klimaschutzgesetzpaket sein soll?
Die Beratungen der Bundesregierung zum Prozess, in dem Maßnahmenvorschläge zur Erfüllung der Klimaschutzziele 2030 im Gebäudesektor in Vereinbarkeit mit dem Ziel des bezahlbaren Wohnens und Bauens erarbeitet werden sollen, dauern noch an.
Zur Erreichung des Treibhausgasminderungsziels für 2030 wird die Bundesregierung auf der Grundlage des Klimaschutzplans 2050 in diesem Jahr ein Maßnahmenprogramm verabschieden.
Frage 36
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Hirte auf die Frage der Abgeordneten Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Mit welchen zusätzlich zu ergreifenden Klimaschutzmaßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, dass die seitens der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ empfohlene Maßnahme der beschleunigten Errichtung neuer klimaschonenderer, aber eben nicht klimaneutraler Gaskraftwerke nicht dazu führt, dass die eigenen Klimaschutzziele 2020, 2030 und 2050 im Energiesektor nicht eingehalten werden?
Die Bundesregierung prüft derzeit die Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ und wird zeitnah auf die Umsetzungsfragen eingehen.
Frage 37
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Hirte auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Stimmt die Aussage des Vorstandsvorsitzenden der RWE AG Dr. Rolf Martin Schmitz, dass bisher niemand aus der Bundesregierung mit ihm über die von der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (Kohlekommission) vorgeschlagene Abschaltung von Kraftwerken gesprochen habe ( www.stern.de/wirtschaft/news/hambacher-forst-rwe-chef-zieht-erhalt-des-waldes-in-erwaegung-8565226.html ), und für wann beabsichtigt die Bundesregierung, entsprechende Gespräche mit RWE aufzunehmen?
Die Bundesregierung prüft derzeit die Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ und bereitet Maßnahmen und Vorschläge zu deren Umsetzung vor. Bislang hat es zu den am 31. Januar 2019 an die Bundesregierung übergebenen Empfehlungen der Kommission keine Gespräche von Mitgliedern der Bundesregierung mit dem Vorstandsvorsitzenden der RWE AG, Herrn Rolf Martin Schmitz, gegeben.
Frage 38
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Hirte auf die Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE):
Wie interpretiert die Bundesregierung den Terminus „Sonderwirtschaftszone“, der im Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ mehrfach Verwendung findet, und welche konkreten Maßnahmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang damit vorgesehen, vor dem Hintergrund, dass der Bund in zwei Fällen explizit als „zuständiges Ressort“ genannt wird ( www.kommission-wsb.de/WSB/Redaktion/DE/Downloads/abschlussbericht-kommission-wachstum-strukturwandel-und-beschaeftigung.pdf , Seiten 132, 140, 159, 171)?
Die Bundesregierung prüft derzeit die Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ einschließlich der Projektlisten sorgfältig und wird zeitnah auf die Umsetzungsfragen eingehen.
Die Begriffe „Sonderwirtschaftszone“ bzw. „Sonderfördergebiete“ finden auf Seite 113 des Abschlussberichts und im Anhang als Bestandteil der Projektvorschläge der vom Braunkohleausstieg betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen und Sachsen Verwendung. Als Sonderwirtschaftszone gelten allgemein Gebiete, die räumlich abgegrenzt sind und in denen gesonderte Regelungen zur Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten gelten. Eine konkrete Interpretation des Begriffs im Zusammenhang der Projektlisten des Abschlussberichts ist bis zum Abschluss der Prüfung der Maßnahmen sowie der Projektvorschläge nicht möglich. Aufgrund der laufenden Prüfung ist noch keine Aussage möglich, ob entsprechende Maßnahmen seitens der Bundesregierung erfolgen werden.
Frage 39
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage der Abgeordneten Martina Renner (DIE LINKE):
Richten sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Ermittlungen wegen der Bombendrohungen gegen mindestens 15 Gerichte und Justizzentren zwischen Mitte Dezember 2018 und Mitte Januar 2019 unter der Bekennung einer „Nationalsozialistischen Offensive“ gegen Unbekannt oder gegen eine oder mehrere bekannte Personen ( www.tag24.de/nachrichten/bombendrohung-flensburg-landgericht-serie- polizei-luebeck-itzehoe-kiel-907371 ; www.pnp.de/nachrichten/ tagesthemen/3194665_Bombendrohungen-gegen-Gerichter echtsextremer-Hintergrund.html ?; https://apolda.thueringerallgemeine.de/web/apolda/startseite/detail/-/specific/Gericht in-Jena-evakuiert-623405565 ; www.infranken.de/regional/ bamberg/nuernberg-bayern-bombendrohung-gegen-oberlandesgericht-gebaeude-evakuiert;art212,3981699 )?
Zu von den Staatsanwaltschaften der Länder geführten Ermittlungsverfahren kann die Bundesregierung schon aus kompetenzrechtlichen Gründen keine Auskunft erteilen.
Frage 40
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage der Abgeordneten Martina Renner (DIE LINKE):
Hat der Generalbundesanwalt ein Prüfverfahren zur Übernahme der Ermittlungen wegen der Bombendrohungen gegen mindestens 15 Gerichte und Justizzentren zwischen Mitte Dezember 2018 und Mitte Januar 2019 unter der Bekennung einer „Nationalsozialistischen Offensive“ eingeleitet ( www.tag24.de/nachrichten/bombendrohung-flensburg-landgerichtserie-polizei-luebeck-itzehoe-kiel-907371 ; www.pnp.de/nachrichten/tagesthemen/3194665_Bombendrohungen-gegen Gerichte-rechtsextremer-Hintergrund.html ?; https://apolda. thueringer-allgemeine.de/web/apolda/startseite/detail/-/specific/ Gericht-in-Jena-evakuiert-623405565 ; www.infranken.de/regional/bamberg/nuernberg-bayern-bombendrohung-gegen-oberlandesgericht-gebaeude-evakuiert;art212,3981699 )?
Ja, der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat wegen der unter der Bekennung „Nationalsozialistische Offensive“ erstellten Drohschreiben einen Beobachtungsvorgang angelegt.
Frage 41
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl auf die Frage des Abgeordneten Torsten Herbst (FDP):
Wie viele Fahrzeughalter haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung bisher der Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG im Zusammenhang mit Softwaremanipulationen angeschlossen (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln), und wie ist das Verhältnis zwischen privaten und gewerblichen Antragstellern insgesamt?
Die Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen die VW AG wurde auf Veranlassung des zuständigen Oberlandesgerichts Braunschweig am 26. November 2018 im Klageregister beim Bundesamt für Justiz öffentlich bekannt gemacht. Seither sind rund 404 000 Anmeldungen (Stand: Freitag, 8. Februar 2019, 17 Uhr) zum Klageregister eingegangen. Die Anmeldungen werden beim BfJ nicht kategorisiert. Daher liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse dazu vor, aus welchen Bundesländern Anmeldungen eingegangen sind.
Ob und, wenn ja, in welchem Verhältnis unter den eingegangenen Anmeldungen auch solche von gewerblichen Antragstellern sind, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Das Bundesamt für Justiz nimmt keine inhaltliche Prüfung der Anmeldungen vor. Wirksame Anmeldungen können ausschließlich durch Verbraucher (im Sinne des § 29c Absatz 2 ZPO) vorgenommen werden. Die Prüfung, ob die Anmeldung im Einzelfall wirksam ist, obliegt den zuständigen Gerichten.
Fragen 42 und 43
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Fragen der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ist der Bundesregierung ein Sicherheitsproblem beim elektronischen Rechtsverkehr im Notariat (XNotar/EGVP) bekannt und, wenn ja, seit wann?
Hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Rechtsaufsicht über die Bundesnotarkammer in Sachen Sicherheit des elektronischen Rechtsverkehrs im Notariat (XNotar/EGVP) zu Aufsichtsmaßnahmen veranlasst gesehen, und, wenn ja, was ist deren Gegenstand?
Ich möchte die Fragen 42 und 43 wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten.
Der Bundesregierung ist im Zusammenhang mit dem Softwareprodukt XNotar und dem Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach kein Sicherheitsproblem bekannt. Dementsprechend bestand auch kein Anlass für aufsichtsrechtliche Maßnahmen.
Fragen 44 und 45
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl auf die Fragen der Abgeordneten Amira Mohamed Ali (DIE LINKE):
Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um eine europaweite Insolvenzabsicherungspflicht für Luftfahrtunternehmen zu erreichen, und bis wann wird dieses Thema umgesetzt?
Warum hat sich die Bundesregierung für diese seit Jahren bestehende Forderung von Verbraucherschützern (hier 2010; www.vzbv.de/sites/default/files/mediapics/pauschalreise_richtlinie_eu_03_2010.pdf ) nicht früher eingesetzt, spätestens jedoch nach der Insolvenz von Air Berlin?
Die Europäische Kommission hat in der Vergangenheit bereits untersucht, ob und welche Maßnahmen ergriffen werden könnten, um den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern bei Luftbeförderungen außerhalb einer Pauschalreise zu verbessern. Dabei hat sie auch schon eine dem Pauschalreiserecht vergleichbare obligatorische Insolvenzsicherung in die Überlegungen einbezogen.
Insbesondere hat die Europäische Kommission am 18. März 2013 eine Mitteilung zum „Schutz der Fluggäste bei Insolvenz des Luftfahrtunternehmens“ (COM(2013) 129 final) veröffentlicht, wonach der Schutz von Flugreisenden, deren Luftbeförderung nicht Teil einer Pauschalreise ist, im Fall einer Insolvenz des Luftfahrtunternehmens verbessert werden kann. Diese Auffassung wird von der Bundesregierung geteilt.
Die Europäische Kommission hat sich in dieser Mitteilung weiterhin dafür ausgesprochen, dazu aber zunächst die bestehenden unionsrechtlichen Zulassungs- und Aufsichtsregelungen effektiver anzuwenden. Bereits nach geltendem Recht unterliegt die Solvenz eines Luftfahrtunternehmens staatlicher Kontrolle, weil nach der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 die Erteilung und das Fortbestehen der Betriebsgenehmigung für das Luftfahrtunternehmen von ihr abhängt. In der genannten Mitteilung hat die Kommission angekündigt, nach Ablauf von zwei Jahren Erfolg und Effektivität der Maßnahmen zu überprüfen und zu bewerten, ob zur Gewährleistung des Schutzes der Fluggäste bei Insolvenzen von Luftfahrtunternehmen eine Rechtsetzungsinitiative erforderlich ist.
Am 8. September 2017 hat der Staatssekretär des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in einem Schreiben an die EU-Kommission an diese Evaluierung erinnert und um Mitteilung gebeten, wie die Europäische Kommission Erfolg und Effektivität der in der genannten Mitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen bewertet. Ferner bat er zu prüfen, ob nach dem Ergebnis dieser Bewertung die Einführung einer dem Pauschalreiserecht vergleichbaren obligatorischen Insolvenzsicherung auch für Flugreisende außerhalb des Pauschalreiserechts angezeigt sei. Dabei wurde ausdrücklich gebeten, auch die zwischenzeitlichen Entwicklungen des Luftverkehrsmarktes in die Prüfung einzubeziehen, dies sowohl unter dem Gesichtspunkt der jüngsten Insolvenzen europäischer Luftfahrtunternehmen und ihrer Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch der Folgen einer obligatorischen Insolvenzsicherung für die europäischen Luftfahrtunternehmen angesichts der gegenwärtigen Wettbewerbssituation. In ihrer Antwort vom 8. November 2017 und in einem vertiefenden Gespräch zu dieser Thematik, das der Staatssekretär des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz am 13. Dezember 2017 mit dem Direktor der Generaldirektion Mobilität und Verkehr Henrik Hololei in Brüssel geführt hat, hat die EU-Kommission eine umfangreiche Prüfung zugesagt.
Mit Schreiben vom 21. September 2018 an Generaldirektor Hololei hat der Staatssekretär des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an diese Prüfung erinnert. Hierauf hat Generaldirektor Hololei mit Schreiben vom 26. Oktober 2018 mitgeteilt, dass für diese Prüfung Anfang 2019 eine Studie in Auftrag gegeben werde, mit der die in der Mitteilung vom 18. März 2013 zusammengefassten Ergebnisse der Folgenabschätzung aus dem Jahr 2013 zum Schutz der Fluggäste im Falle der Insolvenz von Luftfahrtunternehmen aktualisiert werden sollen. Diese Studie ist inzwischen im Dezember 2018 von der EU‑Kommission in Auftrag gegeben worden und soll im Oktober 2019 vorliegen. Die Bundesregierung wird mit der EU-Kommission hierzu im Dialog bleiben.
In dem Schreiben vom 26. Oktober 2018 hat die EU-Kommission weiter darauf hingewiesen, dass Präventivmaßnahmen und die Überwachung der finanziellen Solidität von Luftfahrtunternehmen im Zusammenhang mit den Betriebsgenehmigungen Gegenstand einer Evaluierung der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 sei. Sie soll bis Ende des Jahres 2018 abgeschlossen sein. Sollte sich hierbei herausstellen, dass die Bestimmungen dieser Verordnung ihren Zweck nicht erfüllen, werde eine Folgenabschätzung durchgeführt, um entsprechend gegensteuern zu können. Die Ergebnisse dieser Evaluierung liegen der Bundesregierung bisher noch nicht vor.
Frage 46
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Kerstin Griese auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE):
Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2005 und 2018 (falls für 2018 keine Daten vorliegen, bitte Daten des Jahres 2017 verwenden) jeweils die absolute Zahl und der Anteil der Personen in Einkommensarmut (definiert als Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60 Prozent des Medians der Äquivalenzeinkommen), Einkommensreichtum (definiert als Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von mehr als 200 Prozent des Medians der Äquivalenzeinkommen), Vermögensarmut (definiert als Personen, hilfsweise Haushalte mit einem Nettovermögen von weniger als 60 Prozent des Medianvermögens) und Vermögensreichtum (definiert als Personen, hilfsweise Haushalte mit einem Nettovermögen von mehr als 1 000 000 Euro) in Deutschland (bitte, soweit möglich, beim Einkommen und beim Vermögen jeweils für Armut und Reichtum eine einheitliche Datenquelle zugrunde legen, vorzugsweise den Mikrozensus)?
Der Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60 Prozent des Medians der Äquivalenzeinkommen ist die sogenannte Armutsrisikoquote. Die Armutsrisikoquote auf Basis des Mikrozensus betrug im Jahr 2005 14,7 Prozent und im jüngsten statistisch verfügbaren Jahr 2017 15,8 Prozent. Der Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von mehr als 200 Prozent des Medianeinkommens betrug 2005 7,7 Prozent und 2017 8,1 Prozent. Die jeweils entsprechende Anzahl an Personen wird von der amtlichen Sozialberichterstattung nicht ausgewiesen.
Vergleichbare Daten zu Personen oder Haushalten mit einem Nettovermögen von weniger als 60 Prozent des Medianvermögens liegen in der amtlichen Statistik nicht vor. Auch über den Anteil der Personen oder Haushalte mit einem Vermögen von mehr als 1 000 000 Euro liegen der Bundesregierung keine Informationen auf Basis wissenschaftlich gesicherter Daten vor.
Ungleichheit und Entwicklung der Vermögensverteilung werden üblicherweise mit dem Anteil der Dezile beschrieben. Hier zeigt sich, dass die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung nur über rund 1 Prozent des gesamten Nettovermögens verfügen, während die vermögensstärksten 10 Prozent der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens auf sich vereinen.
Bei den genannten Zahlen handelt es sich um statistische Maßgrößen für die Einkommens- und Vermögensverteilung, die weder Armut noch Reichtum vollumfänglich beschreiben können. Die Bundesregierung beobachtet sehr aufmerksam, wie sich die Ränder der Gesellschaft entwickeln und ob sich Ungleichheiten im Hinblick auf wirtschaftliche, soziale und politische Teilhabemöglichkeiten der Menschen verstärken.
Zentrales Instrument hierfür ist der ein Mal in der Legislaturperiode erscheinende Armuts- und Reichtumsbericht unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das gegenwärtig den 6. Bericht dazu vorbereitet.
Frage 47
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Kerstin Griese auf die Frage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE):
Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus dem OECD-Bericht „A Broken Social Elevator? How to Promote Social Mobility“ vom 15. Juni 2018 mit Blick auf die im OECD-Vergleich unterdurchschnittliche soziale Mobilität in Deutschland gezogen, und inwieweit hat sie die Empfehlungen der OECD aus diesem Bericht umgesetzt oder plant sie diese umzusetzen (bitte insoweit auch spezifischer nach den allgemeinen länderübergreifenden Empfehlungen, beispielsweise aus dem Policy Brief, sowie den einzelnen deutschlandspezifischen Empfehlungen der Ländernotiz – unter anderem Investitionen in ganztägige Kinderbetreuung, längeres gemeinsames Lernen, Erhöhung der Anreize zur Vollbeschäftigung für Zweitverdienende, Reform der Erbschaftsteuer zur Abmilderung der hohen Vermögenskonzentration – unterscheiden)?
Der Bericht liefert wichtige ergänzende Ergebnisse für die Bewertung und Weiterentwicklung unserer Politik in Deutschland, weil sie eingehende Analysen und internationale Vergleiche vereint. Insgesamt bestätigen die Befunde der OECD in ihrer Tendenz die Erkenntnisse, die auch durch die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung gewonnen werden konnten. Grundsätzlich ist der Schlussfolgerung der OECD zuzustimmen, wenn sie Deutschland Defizite in der inter- und intragenerationalen sozialen Mobilität attestiert. Gerade in Bezug auf Bildungs- und Teilhabepolitik hat Deutschland aber in den vergangenen Jahren viel aus Daten und internationalen Vergleichen gelernt und politische Reformen darauf ausgerichtet.
Damit Kinder möglichst unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Elternhauses faire Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und Bildung erhalten und ihre Fähigkeiten entwickeln können, hat die Bundesregierung am 9. Januar 2018 den Entwurf des Starke-Familien-Gesetzes beschlossen. Es soll zum 1. Juli 2019 und teilweise zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Der Gesetzentwurf sieht Verbesserungen beim Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz und bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen vor. Kinder von Eltern, die Grundsicherung, Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen, bekommen künftig für Schulmaterialien mehr Geld. Auch ein kostenloses Mittagessen in der Kita oder der Schule und kostenlose Schülerbeförderung sollen die Chancen für Kinder aus Familien mit geringerem Einkommen spürbar verbessern.
Frage 48
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf die Frage des Abgeordneten Dr. Marcus Faber (FDP):
Auf welcher Grundlage wird aktuell die Besetzung der routinemäßigen Rotation des Commander Joint Force Command im niederländischen Brunssum zurückgehalten ( www.focus.de/politik/deutschland/general-erhard-buehler-verzoegert-kommando-uebergabe-jetzt-ist-berater-affaere-auchfuer-nato-ein-problem_id_10271546.html ), und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um den Ausfall von Generalleutnant Erhard Bühler zu kompensieren?
Grundlage für die noch nicht erfolgte Rotation auf dem Dienstposten „Commander Joint Force Command Brunssum“ ist die erforderliche Unterstützung des Untersuchungsausschusses (Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode), an der auch Generalleutnant Erhard Bühler beteiligt ist.
Die spätere Rotation ist mit Italien konsentiert.
Einzelheiten zur Kompensation mit dem Ziel eines längeren Verbleibs des derzeitigen italienischen Commander Joint Force Command Brunssum werden derzeit abgestimmt.
Frage 49
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Silberhorn auf die Frage des Abgeordneten Dr. Marcus Faber (FDP):
Warum berücksichtigt die Transparenzoffensive des Bundesministeriums der Verteidigung ( www.swp.de/politik/ inland/ministerin-von-der-leyen-will-mehr-transparenzund-kontrolle-17913537.html ; außerdem mehrmals im Verteidigungsausschuss durch die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, selbst versprochen) ausschließlich Journalisten, wie nach meiner Auffassung am Beispiel der Tornadonachfolge vor zwei Wochen zum wiederholten Male deutlich wurde, und nicht die zuständigen Bundestagsabgeordneten bzw. den parlamentarischen Raum (eigene schriftliche Anfrage an das Parlaments- und Kabinettreferat des Bundesministeriums der Verteidigung am 31. Januar 2019 wurde nach sieben Stunden Prüfung mit einem identischen Satz aus den Medien beantwortet), und auf welcher Grundlage hat die Bundesregierung den Kampfjet F‑35 als möglichen Nachfolger ausgeschlossen ( https://augengeradeaus.net/2019/01/tornado-nachfolge-entscheidung-zwischen-eurofighter-und-f-a-18-f-35-aus-dem-rennen/ )?
Das Nutzungsdauerende des Kampfflugzeuges Tornado und die damit zusammenhängenden Betrachtungen geeigneter Nachfolgemuster zur Übernahme der Aufgaben und Rollen des Kampfflugzeuges Tornado werden aktuell untersucht.
Wesentliche Kriterien bei der Betrachtung sind die Harmonisierung zum binationalen Zukunftsprojekt Next Generation Weapon System/Future Combat Air System, der mögliche Einführungszeitpunkt eines Nachfolgers sowie der bruchfreie Fähigkeitserhalt einschließlich der Sonderrolle nuklearer Teilhabe.
Vor diesem Hintergrund wurde am 31. Januar 2019 entschieden, die beiden Waffensysteme Eurofighter und F/A‑18 im Weiteren als Lösungsoptionen zu untersuchen.
Frage 50
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Michael Stübgen auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wird die Bundesregierung bei dem staatlichen Tierwohlkennzeichen, dessen Kriterien kürzlich veröffentlicht wurden, in jedem Kriterium und in jeder Stufe über dem gesetzlichen Standard liegen, wie die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, es in der Pressekonferenz am 6. Februar 2019 geäußert hat, und wird die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode den gesetzlichen Mindeststandard in der Schweinehaltung anheben, um mehr Tierschutz für alle Schweine zu gewährleisten?
Bundesministerin Klöckner hat am 6. Februar 2019 die Kriterien für die drei Stufen des geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichens in einer Pressekonferenz vorgestellt und erläutert, die qualitativ aufeinander aufbauen und für diejenigen, die das Kennzeichen nutzen, verbindlich sind und überprüft werden. Die Informationen sind auch auf der Internetseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlicht. Dabei sind die geplanten Kriterien transparent, die für die Erlangung eines Tierwohlkennzeichens notwendig sind, dem gesetzlichen Mindeststandard gegenübergestellt.
Die definierten Kriterien gehen in ihrer Gesamtheit in allen Stufen des geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichens über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus und geben deshalb Auskunft über ein Mehr an Tierwohl. Die Kriterien umfassen die gesamte Lebensspanne des Tieres von der Geburt bis zur Schlachtung. Wie andere Label auch adressieren sie nicht jeglichen gesetzlich geregelten Aspekt, sondern solche Aspekte, die von besonderer Bedeutung für das Tierwohl sind.
Die Schaffung eines Tierwohlkennzeichens schließt nicht aus, dass die gesetzlichen Mindeststandards in der Schweinehaltung überdacht und neu geregelt werden. Beispielsweise befindet sich das BMEL in intensiven Erörterungen im Hinblick auf die Neuregelung der Kastenstandhaltung von Sauen. Geplant ist eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, mit der die Fixationszeit von Sauen in Kastenständen deutlicher reduziert werden soll.
Frage 51
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Michael Stübgen auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Stimmt die Bundesregierung zu, dass der gesetzliche Standard in der Ferkelzucht (§ 27 Absatz 1 Satz 1 TierSchNutztV) eine Säugephase von 28 Tagen vorsieht, sodass die erste Stufe des Tierwohlkennzeichens mit einer Säugephase von 25 Tagen unterhalb des gesetzlichen Standards liegt, wodurch nach meiner Auffassung lediglich der Verzicht auf Ausnahmegenehmigungen zur Zertifizierung ausreichen würde, und stimmt die Bundesregierung zu, dass das Kupieren von Ferkelschwänzen verboten ist, sodass die erste Stufe des Tierwohlkennzeichens unterhalb des gesetzlichen Standards liegt, wodurch nach meiner Auffassung lediglich der Verzicht auf Ausnahmegenehmigungen zur Zertifizierung ausreichen würde?
Bundesministerin Klöckner hat am 6. Februar 2019 die Kriterien für die drei Stufen des geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichens, die qualitativ aufeinander aufbauen und für diejenigen, die das Kennzeichen nutzen, verbindlich sind und überprüft werden, in einer Pressekonferenz vorgestellt und erläutert. Die Informationen sind auch auf der Internetseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlicht. Dabei sind die geplanten Kriterien, die für die Nutzung des Tierwohlkennzeichens einzuhalten sind, transparent dem gesetzlichen Mindeststandard gegenübergestellt.
Die definierten Kriterien gehen in ihrer Gesamtheit in allen Stufen des geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichens über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus und beinhalten daher ein Mehr an Tierwohl. Die Kriterien umfassen die gesamte Lebensspanne des Tieres von der Geburt bis zur Schlachtung. Wie andere Label auch, adressieren sie nicht jeglichen gesetzlich geregelten Aspekt, sondern solche Aspekte, die von besonderer Bedeutung für das Tierwohl sind.
Zur Säugezeit: Nach Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung dürfen Ferkel frühestens im Alter von über vier Wochen, abweichend davon bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen im Alter von über drei Wochen, also nach 21 Tagen abgesetzt werden, was der überwiegenden Praxis in konventionellen Betrieben entspricht. Eine Säugezeit von mindestens 25 Tagen in der Eingangsstufe des staatlichen Tierwohlkennzeichens liegt damit über der üblichen Praxis der meisten konventionellen Betriebe und trägt somit zur Verbesserung des Tierwohls bei.
Zum Schwänzekupieren: Das routinemäßige Kupieren der Schwänze von Ferkeln ist gemäß Tierschutzgesetz verboten. Es ist im Einzelfall erlaubt, wenn es zum Schutz des Tieres unerlässlich ist, weil in dem Betrieb Schwanzbeißen auftritt. Schwanzbeißen kann durch die damit verbundenen Verletzungen und gesundheitlichen Folgen zu erheblichem Leiden der betroffenen Tiere führen. Die Ursachen für das Auftreten von Schwanzbeißen sind multifaktoriell.
Diese Anforderungen gelten auch im Tierwohlkennzeichen. Auf Stufe 2 und 3 müssen die Betriebe auf das Schwänzekupieren verzichten. Betriebe der Stufe 1, die aus Tierschutzgründen noch nicht auf das Schwänzekupieren verzichten können, müssen eine betriebsindividuelle Risikoanalyse durchführen und entsprechend deren Ergebnis Maßnahmen ergreifen, um das Risiko des Auftretens von Schwanzbeißen zu verringern und damit perspektivisch auf das Schwänzekupieren verzichten zu können. Das heißt, dass für jeden Betrieb analysiert werden muss, welche Stressfaktoren in diesem Betrieb das Auftreten von Schwanzbeißen auslösen (zum Beispiel Faktoren mit Bezug zu Fütterung, Stallklima, Tiergesundheit, Beschäftigung). Diese Faktoren sind abzustellen, und es ist zu dokumentieren, ob nach wie vor Schwanzbeißen auftritt. In diesem Fall ist die Risikoanalyse zu wiederholen, und es sind erneut entsprechend deren Ergebnis Maßnahmen zu ergreifen. Wenn das Risiko des Auftretens von Schwanzbeißen ausreichend minimiert wurde, muss der Landwirt damit beginnen, Gruppen unkupierter Tiere aufzustallen mit dem Ziel, perspektivisch ausschließlich unkupierte Tiere halten zu können.
Frage 52
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Michael Stübgen auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Mit welchen Maßnahmen befördert die Bundesregierung gezielt die Entwicklung und den Einsatz von Ersatzmethoden zu Tierversuchen in der Forschung, und wie bewertet sie die Entwicklung des sogenannten Tierverbrauchs für wissenschaftliche Versuche seit 2009?
Um in möglichst allen Bereichen, in denen Tierversuche durchgeführt werden, Alternativmethoden zu entwickeln und die zugehörige Forschung voranzutreiben, werden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verschiedene Projekte initiiert und unterstützt, die zum Ziel haben, Tierversuche möglichst schnell durch alternative Methoden zu ersetzen bzw. die Anzahl verwendeter Versuchstiere zu reduzieren. Dazu gehören unter anderem der Betrieb des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren, die Forschungsförderung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung, die Unterstützung der Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen sowie die jährliche Vergabe des Tierschutzforschungspreises des BMEL. Daneben wird die Entwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch auch im Rahmen des beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) angesiedelten Forschungsschwerpunktes „Ersatzmethoden zum Tierversuch“ seit dem Jahr 1980 in rund 560 Projekten mit über 180 Millionen Euro Fördermitteln unterstützt.
In Deutschland werden seit dem Jahr 2009 jährlich rund 2 Millionen Wirbeltiere in Tierversuchen nach § 7 Absatz 2 des Tierschutzgesetzes eingesetzt. Es ist davon auszugehen, dass auch künftig, trotz des Engagements der Bundesregierung, Tiere in Tierversuchen verwendet werden. Gründe dafür sind unter anderem der Ausbau des Forschungsstandorts Deutschland sowie neue Technologien und transgene Tiermodelle. Zu beachten ist dabei auch, dass viele Alternativmethoden ebenfalls nicht ohne Tiere auskommen und dass insofern die Entwicklung und Anwendung von Alternativmethoden nicht zwangsläufig zum Absinken der Zahl verwendeter Tiere führt.
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die betreffenden Versuchstierzahlen durch Änderungen im Erfassungssystem nicht direkt vergleichbar sind. Am 9. November 2010 ist die EU-Versuchstierrichtlinie 2010/63/EU in Kraft getreten. Deren Umsetzung in nationales Recht im Jahr 2013 hat auch eine Neufassung der Versuchstiermeldeverordnung mit einer Ausweitung der Meldepflicht über die Verwendung von Versuchstieren erforderlich gemacht. Die Erfassung der Versuchstierzahlen im Jahr 2014 erfolgte erstmals entsprechend den neuen Vorgaben.
Frage 53
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Sabine Weiss auf die Frage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, wenn, wie mir bekannt wurde, Krankenkassen sich weigern, tarifliche Vergütungen für die häusliche Krankenpflege zu refinanzieren, obwohl im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz geregelt wurde, dass tarifliche Bezahlung in der häuslichen Krankenpflege nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden darf, und wie beabsichtigt die Bundesregierung hier für eine zügige Lösung zu sorgen, damit die Versorgung insbesondere in der ambulanten Intensivpflege lückenlos sichergestellt ist?
Nach § 132a Absatz 4 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch dürfen die Krankenkassen bei Verhandlungen mit Pflegediensten über die Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege die Bezahlung von Tarifgehältern nicht als unwirtschaftlich zurückweisen. Wenn im Einzelfall keine Einigung zwischen Krankenkasse und Pflegedienst erreicht werden kann, besteht die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren durchzuführen. Im Übrigen unterliegt das Handeln der Krankenkassen auch einer rechtlichen Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder.
Frage 54
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Sabine Weiss auf die Frage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wie bewertet die Bundesregierung die Situation, dass nach meiner Kenntnis Pflegedienste in der häuslichen Krankenpflege keine tarifliche Bezahlung anbieten können, weil Krankenkassen die Refinanzierung oft verweigern und sich das für solche Fälle vorgesehene Schiedspersonenverfahren als intransparent und ineffizient erweist, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesen Missstand zu beheben?
Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurde ausdrücklich im Gesetz klargestellt, dass Krankenkassen in Vergütungsverhandlungen mit Pflegediensten auch für den Bereich der häuslichen Krankenpflege die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht als unwirtschaftlich zurückweisen können. Die Regelung ist zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten; ihre Auswirkungen auf die Vertragsverhandlungen zwischen Krankenkassen und Pflegediensten sowie auf eventuell erforderliche Schiedsverfahren können sich erst in kommenden Verfahren zeigen.
Frage 55
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wie bewertet die Bundesregierung inhaltlich das Ergebnis der Umfrage der Zeitung „Der Tagesspiegel“ gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey, welches besagt, dass 77,4 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung finden, die Bundesregierung tue zu wenig für Nahverkehr, Fahrradfahrende und andere Alternativen zum Auto ( www.tagesspiegel.de/politik/verkehrswende-deutsche-wollen-fuer-die-umwelt-nicht-aufs-auto-verzichten/23943826.html ), und plant die Bundesregierung, im Zuge der angekündigten Reform der Straßenverkehrs-Ordnung oder zugehöriger Verordnungen und Regelwerke auch eine stärkere Bevorrechtigung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im Straßenverkehr umzusetzen?
Die Zuständigkeit für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und dessen Finanzierung liegt bei den Ländern bzw. den Kommunen. Dennoch unterstützt der Bund diese mit jährlichen Zahlungen auf verschiedenen Rechtsgrundlagen. Allein durch die Regionalisierungs- und Entflechtungsmittel sowie durch das Bundesprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) erbringt der Bund gegenwärtig über 9 Milliarden Euro jährlich und damit mehr als die Hälfte der öffentlichen Finanzleistungen für den ÖPNV. Der Koalitionsvertrag sieht die Anhebung des derzeit mit jährlich 332,6 Millionen Euro dotierten GVFG-Bundesprogramms auf jährlich 1 Milliarde Euro vor. Darüber hinaus unterstützt der Bund den ÖPNV durch Steuervergünstigungen (zum Beispiel Umsatzsteuerermäßigung) sowie Ausgleichsleistungen (zum Beispiel für die Beförderung Schwerbehinderter). Nicht zuletzt fördert die Bundesregierung innovative Entwicklungen im ÖPNV. Im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft 2017 – 2020“ unterstützt sie beispielsweise auch Vorhaben, die den Nahverkehrsunternehmen zugutekommen. Unter anderem werden die Beschaffung von Elektrobussen, die Digitalisierung im ÖPNV sowie die Nachrüstung von Dieselbussen mit Abgasnachbehandlungssystemen gefördert.
Auch für Investitionen in die Radverkehrsinfrastruktur liegt die Verantwortung bei den Ländern und Kommunen. Nichtsdestotrotz trägt der Bund durch verschiedene Förderprogramme und Finanzhilfen mehr denn je zur Stärkung des Radverkehrs bei; allein für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur stehen im Bundeshaushalt 2019 für den Radverkehr erstmals – entsprechend dem im Koalitionsvertrag niedergelegten Ziel der Bundesregierung, den Radverkehr zu stärken – über 200 Millionen Euro zur Verfügung.
Frage 56
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Welche Studien, die Aufschluss darüber geben, welche Investitionen in den kommenden Jahren zur Verfügung gestellt werden müssten, um die Fahrgastzahlen im ÖPNV in den kommenden Jahrzehnten zu vervielfachen, liegen der Bundesregierung vor (bitte nach Studien und deren geschätzten Investitionen aufschlüsseln), und welche weiteren Einnahmequellen bzw. Finanzierungsmodelle aus dem Bereich der Nutzer- und Umlagefinanzierung hält die Bundesregierung für sinnvoll, um ÖPNV zu finanzieren?
Die Zuständigkeit für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und dessen Finanzierung liegt bei den Ländern bzw. den Kommunen. Dies umfasst auch die Bemessung des Investitionsbedarfs für den Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur sowie die Analyse von möglichen Finanzierungsmodellen für den ÖPNV.
Frage 57
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Torsten Herbst (FDP):
Welcher Anteil der Züge ICE 1, ICE 2, ICE 3 sowie ICE 4 der Deutschen Bahn AG war nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen sechs Monaten durchschnittlich verfügbar, und wie erklärt sich die Bundesregierung etwaige Unterschiede in der durchschnittlichen Verfügbarkeit der einzelnen ICE-Klassen?
Nach Auskunft der DB AG stellt sich die Verfügbarkeit der ICE-Flotte wie folgt dar:
ICE Baureihe | Bedarf nach Fahrplan | Verfügbare Tz | Anteil verfügbar an Bedarf |
ICE 1 | 49 | 47 | 96% |
ICE 2 | 37 | 37 | 100% |
ICE 3 | 67 | 67 | 100% |
ICE 4 | 12 | 12 | 100% |
Bei den älteren Baureihen der ICE-Flotte kam es zu technischen Problemen, die die Verfügbarkeit reduzierten.
Fragen 58 und 59
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen der Abgeordneten Marja-Liisa Völlers (SPD):
Was bedeutet die Aussage „unter eine Stunde“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur im Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Enak Ferlemann, vom 15. Januar 2019 (Aktenzeichen: E 13/5185.12/4-2) an die Bundestagsabgeordneten Ralph Brinkhaus, Maik Beermann, Achim Post, Stefan Schwartze und mich, welche für die Reisezeit der Strecke Hamm–Hannover seitens des Bundesverkehrsministeriums und der Deutschen Bahn AG vorgesehen ist, in exakter Minutenangabe?
Wäre ein Ausbau der Bahntrasse Hannover–Bielefeld am Bestand ausgeschlossen, wenn, wie aus dem genannten Schreiben vom 15. Januar 2019 (Aktenzeichen: E 13/5185.12/4-2) hervorgeht, die seitens des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gewünschte Erhöhung der Geschwindigkeit auf der Strecke zwischen Hannover und Dortmund auf 300 km/h realisiert werden würde?
Die Fragen 58 und 59 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet.
Für den Deutschland-Takt erfolgt derzeit die Erarbeitung des Zielfahrplans. Für die Strecke Hamm–Hannover wurde im Entwurf zum Zielfahrplan eine Reisezeit von 54 Minuten unterstellt. Aktuell wird der Schienengüterverkehr (SGV) in den Zielfahrplan eingeplant. Nach Einplanung des SGV erfolgt der Abgleich des Personenverkehrs mit dem Güterverkehr, um das verkehrliche Zielkonzept zu finalisieren. Erst nach Abschluss der Erarbeitung des Zielfahrplans können die für den Zielfahrplan erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen abgeleitet und konkret definiert werden. Die Maßnahme zum Ausbau der Bahntrasse Hannover–Bielefeld dient überwiegend Reisezeitersparnissen. Diese können allerdings nicht nur durch einen Ausbau der Bestandsstrecke generiert werden.
Frage 60
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wie viele Langsamfahrstellen waren im vergangenen Jahr 2018 im Netz der Deutschen Bahn AG je Bundesland ausgewiesen (bitte nach Ländern getrennt ausweisen), und wie lange hat eine Langsamfahrstelle im Durchschnitt bestanden?
Ende 2018 gab es 485 angeordnete Langsamfahrstellen im Netz der Deutschen Bahn AG, von denen mittlerweile 368 beseitigt wurden.
Bundesland | Anzahl Langsamfahrstellen (Stand: 30.11.2018) |
Baden-Württemberg | 47 |
Bayern | 128 |
Berlin | 5 |
Brandenburg | 14 |
Hamburg | 3 |
Hessen | 22 |
Mecklenburg-Vorpommern | 6 |
Niedersachsen | 25 |
Nordrhein-Westfalen | 78 |
Rheinland-Pfalz | 34 |
Saarland | 1 |
Sachsen | 7 |
Sachsen-Anhalt | 11 |
Schleswig-Holstein | 93 |
Thüringen | 11 |
Summe | 485 |
Die durchschnittliche Dauer bis zur Beseitigung einer Langsamfahrstelle beträgt 92 Tage.
Frage 61
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wann wird aus heutiger Sicht die geplante Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge mit Lenk- und Haltestange in Kraft treten, und wann wird die angekündigte Verordnung für solche Fahrzeuge ohne Lenk- und Haltestange in Kraft treten (siehe den am 19. Dezember 2018 um 23.15 Uhr vom BMVI abgesetzten Tweet „Ein #Hoverboard mit Fernbedienung wünscht sich die kleine Feli. Das ist längst keine Zukunftsmusik mehr und in Kürze auch auf unseren Straßen zu sehen“; und wenn die Bundesregierung keinen Zeitraum hierfür benennen kann, bitte den Zeitpunkt benennen, an dem innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Verordnungsentwürfe vorliegen)?
Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge mit Lenk- und Haltestange wird im Frühjahr 2019 in Kraft treten. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Ausnahmeverordnung, damit zukünftig auch Elektrokleinstfahrzeuge ohne Lenkstange im öffentlichen Straßenverkehr genutzt werden können. Die Einführung ist ebenfalls im Frühjahr 2019 geplant.
Frage 62
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Für wie viele Ladepunkte wurden im Rahmen der Förderrichtlinie Ladeinfrastruktur bislang Zuwendungen bewilligt, und wie viele dieser Ladepunkte wurden bereits in Betrieb genommen (bitte nach Bundesländern der Standorte aufschlüsseln)?
Insgesamt sind bisher 15 953 Ladepunkte bewilligt worden.
Eine Auflistung nach Bundesländern und Normalladepunkten (NLP) und Schnellladepunkten (SLP) zeigt nachstehende Tabelle.
Summe (bewilligt) | Summe (in Betrieb) | |||
Bundesland/Kategorie | NLP | SLP | NLP | SLP |
Baden-Württemberg | 2.429 | 458 | 78 | 33 |
Bayern | 1.950 | 453 | 265 | 15 |
Berlin | 42 | 21 | 0 | 0 |
Brandenburg | 306 | 45 | 39 | 2 |
Bremen | 73 | 34 | 2 | 2 |
Hamburg | 558 | 67 | 4 | 1 |
Hessen | 550 | 140 | 48 | 7 |
Mecklenburg-Vorpommern | 130 | 29 | 14 | 0 |
Niedersachsen | 1.634 | 182 | 112 | 12 |
Nordrhein-Westfalen | 3.493 | 348 | 154 | 17 |
Rheinland-Pfalz | 738 | 201 | 22 | 3 |
Saarland | 110 | 19 | 2 | 0 |
Sachsen | 580 | 92 | 27 | 8 |
Sachsen-Anhalt | 201 | 77 | 6 | 0 |
Schleswig-Holstein | 612 | 60 | 41 | 7 |
Thüringen | 257 | 64 | 83 | 29 |
Frage 63
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wird die Bundesregierung anlässlich der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Dezember 2018 (Az. 1 BvR 2795/09, -3187/10, -142/15, veröffentlicht am 5. Februar 2019), die Erfassung von Kfz-Kennzeichen durch drei Länderpolizeien verletze die Privatheit verfassungswidrig, die entsprechende Befugnis der Bundespolizei gemäß § 27b BPolG, gegen die bereits zwei Verfassungsbeschwerden beim BVerfG anhängig sind (Az. 1 BvR 1046/18, -1074/18), ab sofort nicht mehr praktizieren lassen, und wird die Bundesregierung aus gleichem Anlass ihre noch weiter gehenden Pläne zu flächendeckender Aufstellung und Nutzung von Kfz-Kennzeichenlesegeräten, Fotografien der Fahrerinnen und Fahrer sowie zum Abgleich der Halter- und Kfz-Daten (im Entwurf eines 9. Gesetzes zur Änderung des StVG vom 15. November 2018), welchen der Bundesrat am 14. Dezember 2018 wegen „erheblicher datenschutzrechtlicher Bedenken“ explizit insgesamt „ablehnte“ (Bundesratsdrucksache 574/18 (Beschluss)), nun zurückziehen, da sonst das Bundesverfassungsgericht dieses Vorhaben nach meiner Auffassung möglicherweise als verfassungswidrig beanstanden würde?
Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass die automatische Kennzeichenerfassung ein wichtiges Hilfsinstrument für die Arbeit der Bundespolizei sein kann. Die Bundespolizei bereitet daher den Einsatz von Technik zum Kfz-Kennzeichenabgleich vor, setzt diese aber derzeit noch nicht ein.
Die in der Frage genannten Verfassungsbeschwerden gegen den § 27b Bundespolizeigesetz wurden der Bundesregierung bislang nicht zugestellt. Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 beziehen sich unmittelbar allein auf die landesgesetzlichen Regelungen von Bayern, Hessen und Baden-Württemberg.
Der Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes trägt unter Berücksichtigung der Präzisierungen, die die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung (Bundestagsdrucksache 19/6926, Seite 2 f.) empfiehlt, den datenschutzrechtlichen Anforderungen und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung unter Berücksichtigung der kürzlich ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung.
Frage 64
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Oliver Luksic (FDP):
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2018, nach dem Kontrollen zur Gefahrenabwehr mittels Kennzeichenabgleichs zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein in den Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen teilweise verfassungswidrig sind, im Hinblick auf den vorliegenden Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes?
Der Entwurf des Neunten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes unter Berücksichtigung der Präzisierungen, die die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung (Bundestagsdrucksache 19/6926, Seite 2 f.) empfiehlt, trägt den datenschutzrechtlichen Anforderungen und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch unter Berücksichtigung der kürzlich ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung.
Frage 65
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Oliver Luksic (FDP):
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der vom Landesumweltminister Olaf Lies in Niedersachsen neu eingeführten Modellrechnung zur Ermittlung der Schadstoffbelastung, nach der nun für Oldenburg keine NO 2 -Belastung mehr oberhalb von 40 µg pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel vorliegt ( www.umwelt.niedersachsen.de/luftreinhaltung/debatte-um-luftreinhaltung-in-niedersachsen-pruefung-von-messcontainer-standorten-145082.html?fbclid=IwAR3k_ciD1qjJP133KSgXXtWN1Ym3lqjczUERFShud2Dq5YShb9VRjKpPU4 )?
Der Vollzug des Immissionsschutzrechts, zu dem auch die Beurteilung der Luftqualität nach den Vorgaben der 39. BImSchV zählt, obliegt den zuständigen Behörden der Länder.
Frage 66
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Inwiefern wird die Förderrichtlinie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Anschaffung von Elektrobussen im ÖPNV finanziell so aufgestockt, dass sie der derzeit erheblichen Überzeichnung der Förderrichtlinie im Sinne von Anträgen auf Zuwendungen in Höhe von 400 Millionen Euro im Vergleich zu verfügbaren Fördermitteln von 92 Millionen Euro (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 19/4194) Rechnung trägt, und wie viele Elektrobusse, für deren Beschaffung bereits Zuwendungen bewilligt wurden, wurden seither tatsächlich beschafft (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?
Im Rahmen des dritten Kommunalgipfels wurde unter anderem eine Fortführung des „Sofortprogramms Saubere Luft“ beschlossen. Hierdurch stehen auch dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) weitere Mittel zur Förderung von Elektrobussen zur Verfügung.
Konkret stehen dem BMU im Haushaltsjahr 2019 Mittel in Höhe von 63,5 Millionen Euro und Verpflichtungsermächtigungen im Umfang von insgesamt 210,6 Millionen Euro für die Förderung der Elektromobilität zur Verfügung. Aus diesen Mitteln ist eine Erhöhung der Mittel für die Förderung zur Anschaffung von Elektrobussen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) geplant.
Bisher wurden durch das BMU Bewilligungen für die Beschaffung von insgesamt 287 Elektrobussen erteilt. Aufgrund der erforderlichen Vergabeverfahren sowie der Lieferzeiten wurde in den Projekten davon bislang ein Elektrobus in Niedersachsen beschafft.
Frage 67
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gibt es bereits einen Zeitplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) für eine gesetzliche Neuregelung, damit im Bereich Atomkraft sowie nukleare Ver-/Entsorgung geheimhaltungsbedürftige Unterlagen unter Wahrung des Geheimschutzes zukünftig angemessen in verwaltungsgerichtliche Verfahren eingebracht werden können (gegebenenfalls bitte konkret angeben; vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 22, Plenarprotokoll 19/35), und, falls nein, wie rechtfertigt die Bundesregierung die Verzögerung für diese erstmals vor vier Jahren und wiederholt angekündigte gesetzliche Neuregelung (vergleiche BMU-Pressemitteilung vom 16. Januar 2015, oben genannte Antwort der Bundesregierung sowie Abschnitt „Atompolitik“ im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD)?
Die sorgfältige Prüfung und Erörterung von möglichen ergänzenden Regelungen im Bereich des Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter dauert zurzeit im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) noch an. Das BMU hat hierzu einen Gedankenaustausch in einem Bund-Länder-Gremium durchgeführt und prüft zurzeit die Stellungnahmen und Hinweise der in diesem Gremium vertretenen zuständigen Vollzugsbehörden des Bundes und der Länder. Eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung dazu ist noch nicht erfolgt.
Frage 68
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Welche EU-Mitgliedstaaten sehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung auch heute noch nicht in der Lage, das Protokoll vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Atomhaftungsübereinkommens zu ratifizieren (bitte möglichst mit jeweiliger Erläuterung; vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine Schriftliche Frage 51 auf Bundestagsdrucksache 18/12021), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?
Nach Kenntnis der Bundesregierung sind nach wie vor Großbritannien und Italien gegenwärtig nicht in der Lage, das Protokoll vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens zu ratifizieren, da beide Staaten noch nicht die innerstaatlichen Voraussetzungen für eine Ratifikation geschaffen haben. Italien hat jedoch dem Parlament im Dezember des Jahres 2018 einen Entwurf zur Schaffung der innerstaatlichen Voraussetzungen vorgelegt. Das diesbezügliche parlamentarische Verfahren läuft derzeit.
Die Bundesregierung wirbt in Gesprächen mit den Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens darum, dass – soweit noch ausstehend – die innerstaatlichen Voraussetzungen für eine Ratifikation durch die betroffenen Mitgliedstaaten möglichst schnell geschaffen werden.
Frage 69
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE):
Bis wann wird nach Kenntnis der Bundesregierung das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über den – laut Sachstandsbericht des Wirtschaftsministers des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Andreas Pinkwart, vom 27. Juni 2018 – von der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen GmbH (JEN) gestellten Antrag auf Export der verbrauchten AVR-Brennelemente in die USA entscheiden ( www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-931.pdf ), und welche Anhaltspunkte sind nach jetziger Kenntnis vorhanden, die zu einer Ablehnung einer solchen Exportgenehmigung führen können?
Die atomrechtlichen Prüfungen im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sind aufwendig sowie umfangreich und dauern an. Grundlage der vertieften Prüfung sind im Wesentlichen das Atomgesetz, die Verordnung über die Verbringung radioaktiver Abfälle oder abgebrannter Brennelemente (Atomrechtliche Abfallverbringungsverordnung – AtAV) sowie die einschlägigen internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Der benötigte Zeitbedarf kann aufgrund der Komplexität der Prüfung noch nicht sicher festgestellt werden.