Europapolitik Cosac-Vorsitzendentreffen: Nationale Parlamente müssen im Dialog bleiben
Unter dem Vorsitz von Guido Wolf, Vorsitzender des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union im Bundesrat, und Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU im Deutschen Bundestag, diskutierten Vertreter der nationalen Parlamente in einer Videokonferenz zum Cosac-Vorsitzendentreffen am Montag, 14. September 2020, darüber, wie die Folgen der Covid-19-Pandemie durch Unterstützung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft besser bewältigt werden könnten. Die beiden Sitzungsleiter hatten es dabei nicht ganz leicht, denn die Video-Verbindungen waren nicht immer störungsfrei. Doch auch wenn, wie Wolf es formulierte, „die Technik es nicht immer gut gemeint hat mit uns“, sei es wichtig, „im Dialog zu bleiben“. Nichts ersetzte eben ein physisches Treffen, ergänzte Krichbaum angesichts des etwas holprigen Sitzungsverlaufes und kündigte an, alle Anstrengung unternehmen zu wollen, damit das nächste Cosac-Treffen im Berliner Reichstagsgebäude stattfinden kann – selbstverständlich unter Einhaltung der Abstandsregelung.
Außenminister Maas spricht von einem historischen Beschluss
Der deutsche Außenminister Heiko Maas erläuterte die Schwerpunkte des deutschen Ratsvorsitzes und führte dabei unter anderem die Verabschiedung des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU, den Brexit, den „Spaltpilz“ Migration und die digitale Transformation an.
Maas sprach mit Blick auf die vereinbarte Schuldenaufnahme der EU von einem „historischen Beschluss des Europäischen Rates“. Europa habe gezeigt: „Wenn es darauf ankommt, sind wir in der Lage, gemeinsam zu entscheiden, damit wir solidarisch aus der Krise herauskommen.“ Ende August seien nun dazu die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufgenommen worden, die nicht einfach seien. „Wir wollen sie zügig abschließen, damit die Unterstützung auch zügig ankommt“, betonte Maas.
Brexit-Situation „besorgniserregend“
Als besorgniserregend bezeichnete er die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem EU-Austritt Großbritanniens. Sollten die von Premierminister Johnson angekündigten Gesetze in Kraft treten, würde damit internationales Recht gebrochen. Der deutsche Außenminister mahnte mit Blick auf das Vereinigte Königreich Verlässlichkeit an. Ende des Jahres könne es tatsächlich auf einen „No-Deal“ hinauslaufen. Auch auf dieses Szenario bereite man sich vor, werde aber den EU-Chefunterhändler Michel Barnier bei seinen Bemühungen unterstützen, damit es noch zu einem Abkommen kommt.
Wichtig, so Maas, sei auch die digitale Transformation. Es müsse gelingen, die Souveränität Europas auszubauen. Ein schwieriges Thema sei die Migration, „weil die Positionen in den Mitgliedstaaten sehr, sehr weit auseinanderliegen“. Die deutsche Ratspräsidentschaft unterstütze die Europäische Kommission, die noch in dieser Woche Vorschläge machen wolle, wie mit der Situation rund um das Flüchtlingslager in Moria umgegangen werden könne. Unterstützung gebe es aber auch für die Organisation des Neustarts der europäischen Asyl- und Migrationspolitik.
Sanktionen gegen Wahlfälscher in Belarus
Beim Thema Belarus, betonte der Außenminister: „Die EU muss ganz konkret dazu eine Haltung haben.“ Man könne nicht über Wahlfälschungen und offensichtliche Menschenrechtsverletzungen hinwegblicken. Als ersten Schritt werde man mehr als 40 Personen, bei denen klar sei, dass sie an Wahlfälschungen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren, sanktionieren, kündigte er an.
Dita Charanzová, Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, äußerte sich zum Wiederaufbauplan, der ein Schritt sei, „den alle willkommen heißen“. Durch ihn könne Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen. Sie wies auf die Mitwirkung des Europäischen Parlaments hin. Im Bereich der Digitalisierung und der Gesundheit müssten aber noch noch mehr Mittel zugewiesen werden.
Rolle der Parlamente bei Konferenz zur Zukunft Europas
Reinhold Lopatka, EU-Ausschussvorsitzender im Österreichischen Nationalrat ergriff als erster Debattenredner das Wort und erhob eine von einer Vielzahl von nationalen Parlamenten bereits formulierte Forderung: , Die Konferenz zur Zukunft Europas müsse substantielle Ergebnisse haben und die nationalen Parlamente müssten ein adäquates Beteiligungsrecht haben. Eine Forderung, die bei Maas auf Unterstützung stieß. Sowohl die Zivilgesellschaft als auch die nationalen Parlamente müssten in diesem Prozess eine Rolle spielen. Er hoffe auf eine dahingehende Verständigung mit dem Europäischen Parlament und der Kommission.
Timmermans sieht „einzigartige Chance“
Auch Frans Timmermans, Exekutiv-Vize-Präsident der Europäischen Kommission für einen Europäischen Grünen Deal, sieht die Parlamente in einer wichtigen Rolle. Damit sich die Ratsbeschlüsse zum Wiederaufbau umsetzen lassen, brauche es die Ratifizierung durch die Parlamente. Der Kommissions-Vizepräsident sagte weiter, schon vor der Pandemie sei klar gewesen, dass Europa eine neue Wachstumsstrategie brauche. Daher sei der Grüne Deal aufgelegt worden. Die Pandemie eröffne die Möglichkeit dafür, dass Europa seine Wirtschaft umstrukturiere. „Der Umbau kann nicht warten. Wir haben jetzt eine einzigartige Chance“, betonte Timmermans. Die jetzt mobilisierten Finanzmittel müssten auch in eine Zukunftswirtschaft investiert werden. Daher sei der Grüne Deal der richtige Weg, sagte der Kommissions-Vizepräsident. Der Rest der Welt werde auf diesem Weg folgen, wenn Europa vorangehe, gab er sich zuversichtlich.
West-Balkan-Staaten Kohleausstieg empfohlen
Den EU-Beitrittskandidaten in der West-Balkan-Region empfahl Timmermans „so eng wie möglich am europäischen Grünen Deal dranzubleiben“. Wenn möglich, sollten sie das Ziel verfolgen, bis 2050 klimaneutral zu sein, weil die EU sich in diese Richtung bewege. Ein Kohleausstieg, so Timmermans, würde sehr zu einer positiven Dynamik hin zu Integration dieser Länder in die EU beitragen.
Wolf und Krichbaum ziehen positives Fazit
Die Diskussion habe gezeigt, „wir dürfen optimistisch und zuversichtlich sein“, befand abschließend der Vorsitzende des Ausschusses für Fragen der Europäischen Union im Bundesrat, Guido Wolf. Trotz großer Herausforderungen sei Europa auf einem guten Weg. Es gelte, mit einer Stimme zu sprechen. „Nur dann sind wir in der Lage, überzeugende, effektive Lösungen zu finden.“
Für Krichbaum ist es wichtig, „dass wir die Menschen mit an Bord holen“. Die Bürger erwarteten, dass Europa Lösungen anbiete für die Herausforderungen der Zeit, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag. (hau/14.09.2020)