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Parlament

Die Manager des Parlaments

Haßelmann und Müller sind parlamentarische Geschäftsführer

Haßelmann und Müller sind parlamentarische Geschäftsführer (DBT/Schüring/Unger)

„Es liegt mal wieder so viel an, dass man praktisch im Dauerlauf ist“, sagt Britta Haßelmann. Es ist die letzte Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause. Die Tagesordnung ist lang, Beschlüsse müssen gefasst, zustimmungspflichtige Gesetze rechtzeitig vor der nächsten Bundesratssitzung verabschiedet werden. Die Abgeordnete aus Bielefeld sitzt seit 2005 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, seit November 2009 ist die gelernte Sozialarbeiterin neben Volker Beck Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion.

Die Manager des Parlaments

Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen sind die Manager des Parlaments. Sie müssen dafür sorgen, dass die Plenarsitzungen möglichst reibungslos ablaufen. Das geschieht  hinter den Kulissen, in Absprache mit den Amtskollegen aus den anderen Fraktionen.

In ihrer Funktion treten die Parlamentarischen Geschäftsführer eher selten ans Rednerpult. Wenn, dann ist es ein Zeichen dafür, dass Einvernehmen über den Ablauf der Tagesordnung nicht hergestellt werden konnte.

„Hellwach und sehr aufmerksam“

In diesen Fällen kann es zu sogenannten Geschäftsordnungsdebatten kommen, in denen die Differenzen öffentlich und strittig ausgetragen werden und an deren Ende mit Mehrheit über Anträge einzelner Fraktionen zum Ablauf der Sitzung abgestimmt wird. Dann ist es Sache der Parlamentarischen Geschäftsführer, die Position ihrer Fraktion vor dem Hohen Haus zu vertreten.

„Häufig weiß man, was kommt, manchmal gibt es aber auch Geschäftsordnungsanträge, die spontan entstehen. Dann muss man natürlich kurzfristig und schnell reagieren können“, sagt Britta Haßelmann. „Hellwach und sehr aufmerksam“ müssen die Parlamentarischen Geschäftsführer dann sein, auch wenn namentliche Abstimmungen anstehen oder die Fraktionskollegen Fragen haben.

„Man hat da seinen Instrumentenkasten“

Ihr Kollege Stefan Müller von der CDU/CSU-Fraktion hat die Erfahrung gemacht, dass es manchmal umso schwieriger ist, für eine geschlossene Haltung in der eigenen Fraktion zu sorgen, je größer die Regierungsmehrheit im Parlament ist. Der 35-jährige, direkt gewählte Abgeordnete aus dem mittelfränkischen Wahlkreis Erlangen, gehört dem Bundestag seit 2002 an und ist seit 2009 Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, führt also zusammen mit seinem CDU-Kollegen Peter Altmaier die Geschäfte der gemeinsamen Fraktion.

Es kann schon mal vorkommen, sagt Müller, dass der eine oder andere Abgeordnete andere Vorstellungen hat. Dann heißt es, Überzeugungsarbeit zu leisten. Stehen zum Beispiel spätabends strittige Abstimmungen an, muss dafür gesorgt werden, dass die eigene Mehrheit gesichert ist. In solchen Fällen greift Müller rechtzeitig zum Telefon. „Man hat da seinen Instrumentenkasten“, sagt der gelernte Bankfachwirt augenzwinkernd.

Ablauf und Abstimmungsverfahren klären

Eine Herausforderung der besonderen Art stellte die abschließende Debatte mit namentlichen Abstimmungen zur Präimplantationsdiagnostik am 7. Juli dar. Entschieden werden musste über die Zulässigkeit von Gentests an Embryonen. Zur Abstimmung standen drei Gesetzentwürfe, die nicht etwa von Fraktionen eingebracht worden waren, sondern von fraktionsübergreifenden Gruppen von Abgeordneten. Keine Frage der Fraktionsdisziplin, sondern eine Gewissensentscheidung für die Abgeordneten.

Schon zwei Wochen vor dem Tag der Debatte waren die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen damit beschäftigt, sich Gedanken über den Ablauf und das Abstimmungsverfahren zu machen. Eine ganze Reihe von Geschäftsordnungsfragen galt es im Vorfeld zu klären, und für die Abstimmung nach dem sogenannten Stimmzettelverfahren, wonach der Gesetzentwurf mit den wenigsten Stimmen nach dem ersten Wahlgang ausscheidet, wenn eine absolute Mehrheit nicht erreicht wird, musste von der Geschäftsordnung abgewichen werden, erinnert sich Müller.

„Eine politisch steuernde Aufgabe“

Präsenz und Geschlossenheit der eigenen Fraktion im Plenum herzustellen und die Anwesenheit der Redner zu koordinieren, sieht auch Britta Haßelmann als wichtige Aufgabe der Parlamentarischen Geschäftsführer an. Denn schließlich habe man zuvor in den Fraktionssitzungen und Arbeitskreisen um einheitliche Beschlüsse gerungen und vereinbart, wann die gesamte Fraktion oder die für das Thema zuständigen Abgeordneten im Plenum sein müssen. „Manchmal muss man die Kollegen auch schon erinnern, bitten oder auffordern, uns zu unterstützen“, sagt sie.

Für Stefan Müller haben die Parlamentarischen Geschäftsführer eine politisch steuernde Aufgabe: „Man ist die Schnittstelle von Fraktion, Partei, Regierung, Bundesrat, Europaparlament und Landtagsfraktionen.“ Ganz bewusst hat er sich zu Beginn dieser Wahlperiode für diese Aufgabe entschieden. Die Fülle der administrativen Aufgaben hat ihn dann aber doch überrascht.

„Die eigene Fraktion zusammenhalten“

„Als Parlamentarischer Geschäftsführer ist man Stabschef, Personalverantwortlicher und hat die ganze Finanz- und Organisationsverantwortung“, fasst Müller das Aufgabenspektrum zusammen. „Man trifft Grundsatzentscheidungen über Steuergelder, die für die Fraktionsarbeit wie beispielsweise die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt werden.“

Der Kontakt mit den Kollegen und die Möglichkeit, den parlamentarischen Alltag zu beeinflussen, gaben für Britta Haßelmann den Ausschlag dafür, sich neben ihrem fachlichen Schwerpunkt als kommunalpolitische Sprecherin ihrer Fraktion für diese Aufgabe zu entscheiden. „Man ist sowohl in die Außenvertretung und Aushandlung, in die Kommunikation mit den anderen Fraktionen, als auch nach innen in die eigene Fraktion eingebunden. Man hat die eigene Fraktion zusammenzuhalten, Prozesse zu organisieren und zu steuern“, lautet ihr Resümee.

Die Reihenfolge der Themen auf der Tagesordnung

Vier bis sechs Parlamentarische Geschäftsführer wählen die Fraktionen zu Beginn einer Wahlperiode. Untereinander und innerhalb der Fraktionen haben sie sich die Arbeit aufgeteilt.Die wichtigste Rolle kommt dabei den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführern (kurz PGF) zu.

In den sogenannten PGF-Runden beraten sie darüber, welche Themen in welcher Reihenfolge auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt werden sollen. Ihre Vorschläge und Beschlüsse werden dann im Ältestenrat aufgerufen, gemeinsam mit dem Präsidium und mit den anderen Parlamentarischen Geschäftsführern beraten und zwischen den Fraktionen vereinbart.

Aushandeln und vereinbaren

„Alle Aushandlungs- und Vereinbarungsprozesse zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen, die die Sitzungswoche betreffen, finden zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern statt“, sagt Haßelmann. Ob Aussprachebedarf besteht oder aber Debattenbeiträge aus Zeitgründen lediglich zu Protokoll gegeben werden, ob namentlich oder durch Handheben abgestimmt wird, wird in diesem Kreis beschlossen.

Jede Fraktion versucht Themen, die ihr wichtig sind, zu einem möglichst günstigen Zeitpunkt und nicht erst in den späten Abendstunden auf der Tagesordnung zu platzieren, um so ihre Ideen und Konzepte einer möglichst breiten Öffentlichkeit präsentieren zu können. Will man als Oppositionsfraktion die eigene Auffassung im Kreis der PGFs durchsetzen, „muss man sich gut vorbereiten, sich intensiv mit einem Thema befassen, gute Argumente haben und die Geschäftsordnung gut kennen“, betont Haßelmann.

Konstruktiv, kollegial, fair

Manchmal müsse man auch ausloten, ob es mit anderen Fraktionen Gemeinsamkeiten gibt und man eventuell gemeinsam dafür werben kann, dass ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt wird: „Eine Koalition in der Opposition gibt es aber grundsätzlich nicht“, stellt sie klar.

Das Miteinander der Parlamentarischen Geschäftsführer ist dabei stets konstruktiv, kollegial und fair, sagen Haßelmann und Müller unisono. So unterschiedlich die Auffassungen in der Sache auch sind, wissen sie doch, dass sie für „das gute Gelingen, für einen interessanten parlamentarischen Ablauf“ verantwortlich sind, wie Britta Haßelmann es nennt.

„Würde ich immer wieder machen“

Es gibt auch Situationen, „da strapaziert man sich“, so Haßelmann. Sie denkt da zum Beispiel an die Frage der parlamentarischen Beratungszeiten aus Anlass der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke im Herbst 2010. Bei solchen öffentlich emotional geführten Debatten kann es zur Herausforderung werden, den reibungslosen Ablauf eines geordneten Verfahrens zu gewährleisten. Stefan Müller erinnert an die jüngsten Beschlüsse zur Energiepolitik am 30. Juni: „Da waren in sehr kurzer Zeit acht Gesetzgebungsvorhaben, die parallel, auch koalitionsintern, koordiniert und die jeweiligen Fachpolitiker entsprechend einbezogen werden mussten.“

Ein zu stressiger Job? Müller schüttelt den Kopf: „Diese tolle Aufgabe würde ich immer wieder machen.“ (klz)

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