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Parlament

„Die kommende Wahl ist sehr wichtig für Tunesien“

Maha Boughdir

(DBT/photothek.net)

Von Angela Merkel ist sie tief beeindruckt. „Ich finde es toll, dass in einem so wichtigen Land wie Deutschland eine Frau Regierungschefin ist“, sagt Maha Boughdir. Die 29-jährige Tunesierin wünscht sich, dass auch in ihrer Heimat Frauen Entscheidungen der Regierung beeinflussen und ihre Rechte verteidigen können. Aktuell werde aber durch die Übergangsregierung versucht, die Frauenrechte per Gesetz einzuschränken, kritisiert sie. „Das greift die Proteste der Islamisten und Salafisten auf der Straße auf, die fordern, Frauen sollten besser zuhause bleiben“, sagt sie. „Damit kann ich gar nichts anfangen“, stellt die Deutschlehrerin klar.

Für verfassunggebende Versammlung kandidiert

Maha Boughdir hat sich in der Revolutionsbewegung engagiert und bei den ersten freien Wahlen des Landes für einen Platz in der verfassunggebenden Versammlung kandidiert. Nun hat sie im Deutschen Bundestag im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) für 24 Stipendiaten aus sieben arabischen Ländern ein Praktikum bei ihrem „Patenabgeordneten“ Josef Rief (CDU/CSU) absolviert.

„Das ist wunderbar“, schwärmt die 29-Jährige. Bisher habe sie nur in Büchern über das deutsche Parlament gelesen. „Jetzt konnte ich mit dem Präsidenten, Herrn Lammert, persönlich sprechen“, freut sie sich. Vom IPS erfahren hat sie durch einen in Tunesien lebenden deutschen Freund. „Er hat mir das Ganze auf meine Facebook-Seite gepostet, weil er meinte, dass sei für mich das Richtige.“

Überschwang der Revolutionsfreude

Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass Maha Boughdir selbst für einen Sitz im Parlament kandidiert hat, wohl genau die richtige Einschätzung. Hat sie denn aber tatsächlich den Berufswunsch Politikerin? „Eigentlich nicht“, sagt sie. „Ich interessiere mich für das Wohl meines Landes, aber ins Parlament möchte ich nicht.“ Die damalige Kandidatur habe sich eher aus dem Überschwang der Revolutionsfreude ergeben.

Maha Boughdir hat sich über den Sturz des langjährigen diktatorisch regierenden Präsidenten Ben Ali gefreut und die Revolution unterstützt. Umso enttäuschter ist sie jetzt. „Wofür haben wir die Revolution gemacht?“, fragt sie. Es gebe derzeit kein besseres Leben, keine Demokratie und auch keine Freiheit. Die Zeit unmittelbar nach der Revolution sei gut gewesen, betont sie.

„Seitdem haben wir Chaos“

Das habe sich aber mit der Wahl der islamistischen En-Nahda-Partei geändert: „Seitdem haben wir Chaos.“ Das Land sei geteilt: Auf der einen Seite stehe die Regierung mit ihren Anhängern und auf der anderen „die Gemäßigten, wie ich“.

War es etwa keine korrekte Wahl? Doch, doch, bestätigt sie. Das Volk habe gewählt, aber nicht zuletzt die geringe Wahlbeteiligung habe zum Sieg der Islamisten geführt. „Wir wollen, dass nun die Präsidentschaftswahlen endlich vorbereitet werden“, sagt sie. Die Übergangsregierung habe die Wahl schon vom 23. Oktober dieses Jahres auf den März des kommenden Jahres verschoben. „Es besteht die Gefahr, dass der Termin immer weiter verschoben wird, damit die Regierung an der Macht bleiben kann“, befürchtet sie.

„Ben Ali hat den Staat geplündert“

Und dennoch: Die Zeiten der Herrschaft Ben Alis will sie nicht mehr zurück. „Das war katastrophal. Es herrschte eine große Angst vor Verfolgung“, macht sie deutlich. Obwohl der ehemalige Machthaber auch viele Menschen auf seine Seite gezogen habe.

„Meine Mutter hat immer gesagt: Wir leben im Frieden und haben genug zum Essen. Ben Ali ist gut für Tunesien.“ Eine falsche Bewertung, wie die Tochter findet. „Ben Ali hat den Staat geplündert“, sagt sie. Jetzt, wo der Diktator vertrieben ist, sei aber immer noch unklar, wo denn das Geld eigentlich ist.

Unzufrieden mit der Situation

Die aktuelle Unzufriedenheit mit der Situation spürt die Deutschlehrerin auch an ihrer Schule. „Die 16- bis 18-Jährigen, die ich unterrichte, sind auch unzufrieden mit der Regierung“, erzählt sie. Weder habe es Verbesserungen bei der Infrastruktur gegeben noch seien die Bildungschancen gestiegen.

Bleibt die Hoffnung auf die kommende Wahl. „Das ist sehr wichtig für unser Land“, betont sie. Und wohl auch für den ganzen arabischen Raum. Denn schließlich, so bestätigt Maha Boughdir, sei die Entwicklung in Tunesien auch ein Vorbild für andere arabische Staaten. (hau/08.10.2012)

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