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Parlament

„EU-Beitritt bringt Kroatien mehr Vor- als Nachteile“

IPS-Stipendiatin Doroteja Jakovic

IPS-Stipendiatin Doroteja Jakovic (DBT/Photothek.net)

Doroteja Jakovic ist optimistisch. „Der EU-Beitritt bringt Kroatien mehr Vorteile als Nachteile“, sagt die 27-Jährige, die aus Molve, einem Dorf unweit der ungarischen Grenze stammt. Seit Montag, 1. Juli 2013, ist Kroatien das 28. Mitglied der Europäischen Union. „Allein das die Visabarrieren abgeschafft und wir richtig mobil frei sind, ist ein Riesenvorteil“, freut sich die Germanistin. Für junge Leute würden sich so die Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten im Ausland verbessern. „Das ist wichtig.“

Praktikum im Abgeordnetenbüro von Sabine Leidig

Doroteja Jakovic hatte die Möglichkeit, der Plenarsitzung, in der der Bundestag als letztes europäisches Parlament seine Zustimmung zum kroatischen EU-Beitritt gab, live beizuwohnen. Schließlich liegt das Reichstagsgebäude nur wenige Meter von ihrem derzeitigen Arbeitsplatz entfernt. Noch bis Ende Juli nämlich absolviert sie ihr Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) bei der verkehrspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Leidig.

Dort fühlt sich die Kroatin bestens aufgehoben – und zwar nicht nur, weil die Abgeordnete und ihre Mitarbeiter „spitze“ sind. „Das Praktikum macht auch deshalb so viel Spaß, weil wir ziemlich ähnliche politische Vorstellungen haben und ich mich den Zielen der Linken nahe fühle“, sagt Doroteja Jakovic, die Leidigs soziales Engagement, das sich unter anderem in ihrer langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführerin im Bundesbüro von Attac ausdrückt, bewundert. „Protestkultur und politische Alternativen sollte man pflegen“, findet die 27-Jährige. Nur durch derartige kritische Denkweisen und gesellschaftliche Auseinandersetzungen entstünden schließlich Veränderungen.

Gesellschaftlich engagiert

Die Kroatin selbst engagiert sich schon jahrelang gesellschaftlich. „Das begann schon auf dem Gymnasium“, erzählt sie. An der Universität Zagreb hat die Erziehungswissenschaftlerin dann ehrenamtlich mit körperlich behinderten Studierenden und vernachlässigten Kindern gearbeitet. Engagiert hat sie sich auch in Sachen Gleichstellungspolitik.

Später hat sie sich an der Studentenbewegung für ein kostenfreies Hochschulstudium und gegen die Planung, das Masterstudium in Kroatien kostenpflichtig zu machen, beteiligt. „Damit waren wir erfolgreich“, sagt sie. Bildung sei in Kroatien, „wie es sich gehört“, kostenlos und für alle zugänglich.

Initiative für bessere Arbeitsbedingungen

Aus der damals gegründeten kleinen Studentenbewegung hat sich inzwischen eine große Initiative entwickelt, die sich der für Kroatien relevanten gesellschaftlichen Themen annimmt. „Da geht es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ebenso wie um die hohe Arbeitslosigkeit.“ Von Letzterem seien auch viele gut ausgebildete junge Leute betroffen, sagt sie und warnt: „Wenn unsere jungen Intellektuellen ausreisen, um im Ausland zu arbeiten, sieht die Zukunft Kroatiens nicht eben prickelnd aus.“

Wohin der Weg der Doroteja Jakovic führt ist derzeit noch nicht ganz klar. „Nach meinem Studienabschluss habe ich bei einer Nichtregierungsorganisation gearbeitet“, sagt sie. Zuvor hat sie auch ein Fachpraktikum beim Kroatischen Programm der deutschen Welle in Bonn absolviert und war ehrenamtlich beim Goethe-Institut und anderen Kultur-und Bildungsorganisationen tätig.

Deutsche Bücher, deutsche Comics, deutsche Punkmusik

Zugute kommen ihr dabei ihre hervorragenden Deutsch-Kenntnisse. „Meine Eltern haben Anfang der 1990er Jahre versucht, sich in Deutschland niederzulassen“, erzählt sie. Sechs Monate im Kindergarten und ein Jahr in der Schule haben die sprachlichen Grundlagen gebildet. „Das Alter von sechs ist die beste Zeit, in der Kinder wie ein Schwamm die Worte aufsaugen und sich unbewusst die Sprache beibringen“, sagt sie.

Zurück in Kroatien blieb sie dann am Ball. „Ich habe deutsche Bücher und deutsche Comics gelesen, aber auch deutsche Punkmusik gehört. Später hatte ich in der Schule eine Spitzenlehrerin, die deutsche Muttersprachlerin war.“ Eigentlich folgerichtig, dass sie sich entschloss, Germanistik zu studieren.

„Zu viele Parteien im Sabor“

Ebenso folgerichtig aus ihrer Sicht war es, nach der Arbeit in der Nichtregierungsorganisation den Schritt in den Bundestag zu machen. „Ich wollte sehen, wie Politik gemacht wird und wie man direkte Demokratie gestaltet“, sagt sie. Und das am besten im deutschen Parlament, da es in der kroatischen Sabor „keine richtige linke Partei gibt“, wie sie sagt.

Überhaupt gibt es aus ihrer Sicht am kroatischen Parlament so einiges zu verbessern. Zum einen seien dort „ zu wenig junge Leute“. Außerdem seien im Sabor zu viele Parteien vertreten. „Das ist ein totaler Urwald, der unbedingt klare Strukturen und Ordnung braucht“, findet sie.

„Es fehlt an politischer Bildung und Engagement

Völlig unverständlich ist es auch aus ihrer Sicht, dass die Parlamentarier ihres Landes kein ernsthaftes Interesse an den kroatischen IPSler zeigten, obwohl das doch zu einem gemeinsamen Vorteil gereichen könnte, wie Doroteja Jakovic findet. Aber die Stipendiaten haben das Heft des Handelns in die Hand genommen. „Wir haben inzwischen selber einen Austausch initiiert und ein Super-Feedback bekommen“, sagt sie erfreut.

Gleichwohl fehlt es nach Aussage von Doroteja Jakovic in Kroatien an „politischer Bildung und Engagement“. Deutschland sei hier ein Vorbild, macht sie deutlich und führt als Beleg ein Erlebnis im Bundestag an. „Ich habe eine Schülergruppe von 15- bis 16-Jährigen getroffen, die auf Einladung von Sabine Leidig im Bundestag waren“, erzählt sie. Dabei habe es sie „total überrascht, wie viel Ahnung die von Politik haben und was für konkrete kritische Fragen gestellt wurden“. Ein ähnliches Szenario könne sie sich in Kroatien nicht vorstellen.

Option Rosa-Luxemburg-Stiftung

Vielleicht kann sie ja künftig einen Beitrag zur Besserung leisten. Eine der Optionen für ihre Zukunft sieht nämlich die Mitarbeit in der Rosa-Luxemburg-Stiftung vor. „Sie sitzen derzeit in Belgrad und wollen sich nach Kroatien ausweiten“, sagt sie. „Es wäre spitze, dabei mithelfen zu können“.

Die Referenz, das IPS im Büro von Sabine Leidig absolviert zu haben, dürfte bei der Bewerbung sicherlich nicht von Nachteil sein. So oder so: Doroteja Jakovic will auf jeden Fall gesellschaftlich und politisch aktiv bleiben. „Egal ob ich in einer Nichtregierungsorganisation, einer politischen Stiftung oder einer Bildungs- oder Kulturinstitution lande.“ (hau/01.07.2013)

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