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Parlament

„Vielleicht werde ich mal Botschafter in Deutschland“

Mohamed Kharraf

Mohamed Kharraf (photothek/Thomas Köhler)

Mohamed Kharrat will hoch hinaus. „Vielleicht werde ich ja einmal Botschafter meines Landes in Deutschland“, sagt der Tunesier angesprochen auf seine Zukunft. Und fügt hinzu: „Man muss sich schließlich hohe Ziele setzen.“ Derzeit ist sein Ziel, möglichst viel über den Parlamentarismus in Deutschland zu erfahren. Dazu bietet sich für den 24-Jährigen bei seinem vierwöchigen Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) des Bundestages für arabische Staaten, an dem 28 junge Leute aus acht Ländern teilnehmen, ausreichend Gelegenheit. Der erste Eindruck ist überwältigend, sagt er und verweist auf die imposanten Bauten im Berliner Parlamentsviertel. „Diese prachtvollen Staatsgebäude dokumentieren die Stärke des Rechtsstaates Deutschland“, findet er staatsmännisch klingende Worte.

Germanistik-Studium in Tunis

In dem eng gestrickten Programm der Stipendiaten finden sich viele Termine in verschiedenen Bereichen des Bundestages. Und es ist auch eine Reise in den Wahlkreis des Patenabgeordneten der Stipendiaten geplant. In der Woche vor der Bundestagswahl wird also Mohamed Kharrat hoch in den Norden fahren. Nach Flensburg, in den Wahlkreis von Wolfgang Börnsen (CDU/CSU). „Bisher kenne ich von Deutschland nur große Städte wie Berlin, Leipzig und Dresden“, erzählt der Tunesier. Umso gespannter ist er, wie es in den ländlichen Regionen aussieht.

Zuhause lebt Mohamed Kharrat zurzeit in der tunesischen Hauptstadt Tunis, wo er an der dortigen Universität den Magisterstudiengang Germanistik absolviert. Dort hat er auch von der Möglichkeit erfahren, am IPS teilzunehmen. „Wir sind eine kleine Gruppe von Germanistik-Studenten, in der die Informationen über solche Stipendien schnell weitergereicht werden“, sagt er.

„Überzeugter gemäßigter Islamist“

Nicht nur die dortige Studiengruppe ist klein – Deutsch ist ohnehin nicht die bevorzugte Fremdsprache, die an einer tunesischen Universität studiert wird. Französisch und Englisch stünden da ganz weit vorn, sagt er. Für den 24-Jährigen aus Sfax ein Grund mehr, sich für die „schwierige Sprache“ Deutsch zu interessieren.

„Wenn es nicht so viele in meinem Land können, ist es leichter einen Job zu finden“, sagt er. Aber auch, dass er die Kultur und die Menschen in Deutschland kennenlernen wollte. Menschen aus anderen Kulturkreisen kennenzulernen und mit ihnen über ihre Meinungen und Vorstellungen von Religion, Kultur, Politik und Gesetzen zu diskutieren ist etwas, woran dem nach eigener Aussage „überzeugten gemäßigten Islamisten“ viel liegt.

„Der Beste an der Uni“

Was seine Zukunftspläne angeht, so gibt es außer dem Gedanken an den Botschafterposten auch ein Interesse an einer Tätigkeit als Abgeordneter. Für Mohamed Kharrat eine nahezu zwingende Konsequenz, denn: „Wenn man sich für eine Aufgabe geeignet fühlt, muss man diese auch anstreben.“

Den nötigen Ehrgeiz dafür bringt er in jedem Fall mit. Beleg dafür: „Als ich aus meiner Heimatstadt Sfax nach Gabes zum Studieren gegangen bin, hatte ich das Ziel, der Beste an der Uni zu werden“, sagt er. Dieses Ziel habe er schließlich erreicht. „Ich habe aber auch viel dafür getan und mehr als andere in der Bibliothek gesessen und gelernt“, fügt er hinzu.

Mitglied der Ennahda-Partei

Politisches Engagement zeigt Mohamed Kharrat schon heute als Mitglied der Ennahda-Partei. Die islamistische Partei, die unter Diktator Ben Ali verboten war, hat derzeit die Mehrheit in der Verfassunggebenden Versammlung und stellt auch den Ministerpräsident der Übergangsregierung.

Schon sein Vater hat sich für Ennahda engagiert. Sechs Jahre habe der unter Ben Ali im Gefängnis gesessen, erzählt Mohamed Kharrat. Insgesamt habe es etwa 30.000 inhaftierte Ennahda-Anhänger gegeben. Die Unterdrückung habe sich aber auch im täglichen Leben fortgesetzt. „Viele durften nicht arbeiten, durften sich im Land nicht frei bewegen, wurden durch die Behörden auch sonst benachteiligt“, sagt er.

„Sturz Ben Alis war wie eine Erlösung“

Kein Wunder, dass der Sturz Ben Alis im Frühjahr 2011 auch für seine Familie wie eine Erlösung war. „Die Diktatur war damit abgestürzt“, sagt er. Gleichwohl gebe es nach wie vor starke Kräfte, die an einer Restaurierung der damaligen Machtverhältnisse interessiert sind.

Mohamed Kharrat findet das wenig verwunderlich. „Es gibt viele, die von der Diktatur profitiert haben und einige davon haben immer noch gute Verbindungen in den Verwaltungen und auch den Medien“, macht er deutlich.

„Wir brauchen endlich einen Wahltermin“

Ein „Zurück zu alten Zeiten“ befürchtet er dennoch nicht. Allerdings: „Wir brauchen endlich einen Wahltermin, um von der Übergangsregierung zu einer ordentlich gewählten Regierung zu kommen“, sagt er. Eigentlich sollte der Termin längst feststehen.

Doch einen Tag bevor das letzte Mitglied des Wahlausschusses gewählt werden sollte, wurde der Oppositionspolitiker Brahimi bei einem Attentat getötet, was zu tumultartigen Ausschreitungen in Tunesien geführt habe. „Wir brauchen jetzt einen Konsens, um aus der Krise herauszukommen und endlich ein Datum für die Wahl festzulegen“, fordert er. Nach aktuellem Stand könnte es Ende 2013 oder Anfang 2014 soweit sein.

„Was in Ägypten passiert, ist ungerecht“

Hat er denn keine Bedenken, dass bei einer Wahl seine Ennahda-Partei die Mehrheit verfehlt und in die Opposition muss? Mohamed Kharrat gibt sich optimistisch. Nicht zuletzt, weil aus seiner Sicht die Opposition in den vergangenen Jahren kaum Konstruktives geleistet hat. „Da kamen keine eigenen Vorschläge, sondern immer nur Kritik und Störungen“, lautet seine Einschätzung. Die Ennahda-Partei habe hingegen als Regierungspartei positive Entwicklungen angestoßen und Verbesserungen erzielt, über die die Medien jedoch nur selten berichten würden.

Und wenn es bei der Wahl dennoch anders kommt als von ihm erhofft? Der 24-Jährige zuckt mit den Schultern. „Wenn die Wahl korrekt gelaufen ist, muss man jedes Ergebnis anerkennen“, sagt er und erlaubt sich einen Blick ins Nachbarland Ägypten. „Was dort passiert, ist ungerecht“, findet Mohamed Kharrat. (hau/09.09.2013)

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