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Sport

Freitag zieht Schlüsse aus der Fußball-WM

Porträtbild Dagmar Freitag

Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages (dpa)

Deutschland steht im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft. Darüber freut sich auch die Vorsitzende des Sportausschusses Dagmar Freitag (SPD). „Es war ein unglaubliches Spiel“, sagt sie zum 7:1 Halbfinalsieg des DFB-Teams gegen Gastgeber Brasilien. Freitag freut sich schon auf das Finale. „Ich bin überzeugt davon, dass die Mannschaft so kurz vor dem Ziel alles geben wird.“ Was die Proteste der brasilianischen Bevölkerung im Vorfeld der WM angeht, so zeigt die SPD-Politikerin dafür Verständnis.

Sie erkenne darin eine „vielschichtige Kritik an der FIFA“, sagt sie im Interview. Nicht nachvollziehbar ist für die Sportausschussvorsitzende die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar. „Sportfachliche oder gesellschaftspolitische Erwägungen können bei dieser Entscheidung keine Rolle gespielt haben“, ist sie sich sicher.

Mit Blick auf die Vergabe von Olympischen Spielen rät Freitag dem IOC dringend zu Reformen, „um überhaupt wieder Akzeptanz in demokratisch organisierten Gesellschaften herbei zuführen“. Eine eventuelle deutsche Bewerbung für Olympische Sommerspiele würde sie begrüßen, „aber nicht um jeden Preis“. Eine deutsche Bewerbung dürfe dem „unverantwortlichen Gigantismus vergangener Spiele nicht mehr folgen“, fordert die Politikerin, die zugleich Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) ist. Das Interview im Wortlaut:


Frau Freitag, die deutsche Nationalmannschaft steht im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft. Haben Sie sich angesichts des 7:1 gegen Gastgeber Brasilien auch verwundert die Augen gerieben?

Es war ein unglaubliches Spiel! Mit Worten kaum zu beschreiben - ich bin überzeugt, dass wir alle uns noch in vielen Jahren genauestens daran erinnern werden, wo wir dieses Spektakel erlebt haben. Ausscheiden tut immer weh - wir müssen nur an das Jahr 2006 und unsere WM im eigenen Land zurückdenken. Und daher kann es keine Frage sein: Für die fußballbegeisterte brasilianische Bevölkerung ist es wirklich ein Drama, dass ihre Mannschaft aus der ´Heim-Weltmeisterschaft´ ausgeschieden ist - vor allem mit solch einem demütigenden Ergebnis. Natürlich wünsche ich mir wie viele andere jetzt auch den Titelgewinn für unser Team. Allerdings beginnt am Sonntag zum Finale alles wieder bei Null. Aus meiner Sicht ist der Ausgang des Spiels völlig offen. Ich bin allerdings überzeugt davon, dass die Mannschaft so kurz vor dem Ziel alles geben wird. Ich freue mich schon jetzt auf das Finale.

Aus Brasilien erreichten den Fernsehzuschauer während der Weltmeisterschaft überwiegend positive Bilder. Tolle Stadien voller gutgelaunter Menschen – mit Ausnahme der brasilianischen Zuschauer nach dem Halbfinale gegen Deutschland natürlich. Von Protesten gegen die WM war kaum noch die Rede. Werden die Probleme derzeit unter den Tisch gekehrt oder wurden sie vor der WM medial aufgebauscht?

Ich erkenne an den Protesten vor der WM vielschichtige Kritik an der FIFA. Ebenso wie das IOC konfrontiert ja auch der Weltfußballverband die Ausrichter mit gigantischen Anforderungen, deren Einhaltung sie auch zwingend einfordern. Die Kritik daran ist nicht nur legitim, sondern auch berechtigt, erst recht mit Blick auf die soziale Situation in Brasilien. Von daher gehe ich schon davon aus, dass sich diese Kritik spätestens nach Ende der Fußball-Weltmeisterschaft wieder wahrnehmbarer artikulieren wird.

Schließlich ist nach der WM vor den Olympischen Spielen…

Eben. Die Proteste werden sicher mit Blick auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro eine Fortsetzung finden. Noch mindestens zwei Jahre ist der Fokus auf Brasilien gerichtet. Auch die Medien werden wieder anders berichten. Derzeit spielen die Proteste, die es ja weiterhin gibt, medial kaum eine Rolle. Starke Sicherheitskräfte sorgen zudem dafür, dass Protestaktionen gar nicht so nah an den Sportstätten stattfinden können. Man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass die Proteste nach der WM vorbei sind.

Stichwort Proteste: In acht Jahren steht die WM in Katar an. Der Widerstand wird immer stärker. Inzwischen kann sich auch FIFA-Chef Sepp Blatter mindestens eine Verlegung in den Winter vorstellen. Was glauben Sie: Erleben wir tatsächlich eine WM bei 50 Grad Außentemperatur?

Ob es tatsächlich eine WM im Sommer 2022 in Katar geben wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich bin sicher, dass schon an einer vorsorglichen Exit-Strategie gearbeitet wird. Anders ist das kuriose Verhalten von FIFA-Präsident Sepp Blatter nicht mehr zu deuten.

Abgesehen von den klimatischen Bedingungen: Wie kann es sei, dass ein Land wie Katar, in dem ganz offensichtlich menschenrechtliche Standards nicht eingehalten werden, mit der Ausrichtung einer Fußball-Weltmeisterschaft betraut wird?

Eigentlich kann das gar nicht sein. Es ist aber dennoch geschehen. Sportfachliche oder gesellschaftspolitische Erwägungen können bei dieser Entscheidung jedenfalls keine Rolle gespielt haben. Es werden allein finanzielle Gründe gewesen sein.

2018 soll die WM in Russland ausgetragen werden. Angenommen, Putin präsentiert sich auch in vier Jahren so wie heute – als innen- und außenpolitischer Hartliner. Kann da eine WM in Russland stattfinden?

Im Grunde nicht. Aber man muss schauen, welche Entwicklung Russland nimmt. Es sind ja noch vier Jahre bis zu dem Turnier, in denen sich etwas verändern könnte. Grundsätzlich wird ja immer davon ausgegangen, dass solche Großereignisse in kritischen Ländern für Mandatsträger aus der Politik etwa die Möglichkeit bieten, Gespräche mit Regierung aber auch Kritikern zu führen und Aufmerksamkeit für bestimmte gesellschaftspolitische Themen zu schaffen.

Aber?

Blicke ich auf die Olympischen und Paralympischen Spiele von Sotchi oder auch auf Peking 2008 zurück, habe nicht nur ich berechtigte Zweifel, ob sich die vom IOC geschürten Erwartungen - beispielsweise an die Verbesserung der Menschrechte, an Transparenz und Pressefreiheit - auch nur annähernd erfüllt haben. Meine Erwartungen, dass internationale Großereignisse wirklich zu nachhaltigen Veränderungen in den Ausrichterländer führen, sind sehr gering.

Würde man aber bei der Vergabe von Sportgroßereignissen strenge Maßstäbe in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte ansetzen, hielte sich die Zahl der in Frage kommenden Ausrichterländer in Grenzen…

Dazu kommt, dass viele demokratisch organisierte Staaten unter den jetzigen Umständen gar nicht mehr bereits sind, die Spiele auszurichten. Auch Deutschland ist ja von der Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 abgesprungen. Das IOC hat die chinesische Hauptstadt Peking, Almaty in Kasachstan und die norwegische Hauptstadt Oslo als Kandidaten für 2022 zugelassen. In Norwegen ist aber eine endgültige Entscheidung, ob man sich tatsächlich bewirbt, noch nicht gefallen, da es auch dort Widerstände in der Bevölkerung gibt.

Was muss sich ändern?

Zuallererst muss das IOC mal in sich gehen und den Olympischen Spielen ihre eigene Botschaft, ja, ihre Identität, zurückgeben. Das sollten schließlich mal Spiele für die Jugend der Welt sein. Heute ist ja von vielem die Rede, wenn über Olympische Spiele diskutiert wird, aber nicht mehr davon. Eine wichtige Aufgabe – auch von IOC-Präsident Dr. Thomas Bach - wird es sein, weiteren Schaden von der Olympischen Bewegung abzuwenden. Das IOC muss Reformen durchführen, um überhaupt wieder Akzeptanz in demokratisch organisierten Gesellschaften herbei zuführen. Das wäre ein ganz entscheidender Schritt.

Deutschland sollte sich als mit einer eigenen Bewerbung für Sommerspiele also zurückhalten, bis es solche Reformen gibt?

Grundsätzlich würde ich sehr gerne Olympische Spiele in Deutschland haben, aber nicht um jeden Preis. Eine deutsche Bewerbung dürfte diesem unverantwortlichen Gigantismus vergangener Spiele nicht mehr folgen. Das würde auch in unserer Gesellschaft keine Unterstützung finden. Und gegen den Willen der Bevölkerung geht gar nichts in dieser Richtung, egal ob in Berlin oder in Hamburg. Spreche ich mit deutschen Athleten, sagen diese immer: Olympische Spiele im eigenen Land wären ein Traum. Will man also etwas im Sinne der Athleten bewirken, muss man eine deutsche Bewerbung natürlich ins Auge fassen. Aber nochmal: Das IOC wird Strategie und Anforderungen ändern müssen, sonst werden Länder wie Deutschland künftig kaum noch zur Verfügung stehen.

(hau/09.07.2014)

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