+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Inneres

Streit um Vorgehen gegen Freizügigkeitsmissbrauch

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften“ (18/2581) stößt bei Experten auf ein unterschiedliches Echo. Dies wurde am Montag, 13.Oktober 2014, bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Helmut Brandt (CDU/CSU) zu der Vorlage deutlich. Ziel der Gesetzesinitiative ist es laut Bundesregierung, Fälle von Rechtsmissbrauch oder Betrug in Bezug auf das europäische Freizügigkeitsrecht, im Bereich der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sowie bei der Inanspruchnahme von Kindergeld „konsequenter zu unterbinden“.

Die Sitzung wird am Dienstag, 14. Oktober, zeitversetzt ab 16 Uhr im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.

Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche soll befristet werden

Dazu sollen im Freizügigkeitsgesetz/EU befristete Wiedereinreiseverbote im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug bezüglich des Freizügigkeitsrechts ermöglicht werden. Zugleich sollen Wiedereinreiseverbote von Amts wegen befristet werden statt wie bisher nur auf Antrag.

Die Beschaffung von Aufenthaltskarten oder anderen Aufenthaltsbescheinigungen gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU durch unrichtige oder unvollständige Angaben soll unter Strafe gestellt und das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche „unter Berücksichtigung der Vorgaben des Unionsrechts“ befristet werden.

Entlastung für die Kommunen

In das Einkommensteuergesetz soll laut Vorlage zur Vermeidung von Missbrauch eine gesetzliche Regelung eingeführt werden, „die die Kindergeldberechtigung von der eindeutigen Identifikation von Antragstellern und ihren zum Kindergeldbezug berechtigten Kindern durch Angabe von Identifikationsnummern abhängig macht“.

Vorgesehen ist zudem, dass der Bund die Kommunen „wegen der besonderen Herausforderungen, die sich aus dem verstärkten Zuzug aus anderen EU-Mitgliedstaaten ergeben, zusätzlich zu den bereits beschlossenen Hilfen in diesem Jahr um weitere 25 Millionen Euro entlastet“. Dafür soll die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft und Heizung im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) erhöht werden.

„Ausbeuterischen Tendenzen entgegenwirken“

Zur weiteren Entlastung der Kommunen soll die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für die Impfung von Kindern und Jugendlichen aus EU-Staaten, deren Versicherteneigenschaft in der GKV zum Zeitpunkt der Schutzimpfung noch nicht festgestellt ist, die Kosten für den Impfstoff übernehmen.

Dr. Franziska Giffey vom Berliner Bezirksamt Neukölln sagte, während sich der Gesetzentwurf stark um die missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen drehe, sei das vor Ort nicht die Hauptproblematik. Vielmehr gebe es zunehmend Eigentümer und Arbeitgeber, die die Armutswanderung insbesondere aus Bulgarien und Rumänien „für sich ausnutzen, um daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln“. Dies sei an ausbeuterischen Beschäftigungs- und Mietverhältnissen zu sehen. Es stelle sich die Frage, welche bundesgesetzlichen Regelungen es geben könne, um diesen „ausbeuterischen Tendenzen entgegenzuwirken“. 

„Ausbeutung ausländischer Beschäftigter unterbinden“

Johannes Jakob vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) warf die Frage auf, ob es sinnvoll sei, Probleme bei der Zuwanderung mit aufenthaltsrechtlichen Regelungen lösen zu wollen. Aus Sicht des DGB sei es sinnvoller, mit arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen zu reagieren. Wenn Missbrauch betrieben werde, geschehe dies häufig auf Antrieb der Arbeitgeber. Die Ausbeutung ausländischer Beschäftigter müsse wirkungsvoll unterbunden werden.

Claudius Voigt vom Paritätischen Wohlfahrtsverband kritisierte, der Gesetzentwurf greife zu kurz und lege die Schwerpunkte falsch. Es gehe in erster Linie um soziale Herausforderungen, die sich „nicht oder nur sehr begrenzt ausländerrechtlich, mit Restriktionen und mit den überkommenen Instrumenten des Ordnungsrechts lösen“ ließen. Der Sachverständige Dr. Klaus Dienelt bewertete die vorgesehene Wiedereinreisesperre als „besonders problematisch“. Sie sei nicht mit dem EU-Recht vereinbar und auch nicht erforderlich.

„Kein unbedingtes Recht auf Freizügigkeit“

Prof. Dr. Winfried Kluth von der Universität Halle betonte demgegenüber, dass das Freizügigkeitsrecht in der Europäischen Union „nicht schrankenlos“ gewährt werde. Auch Prof. Dr Daniel Thym von der Universität Konstanz verwies darauf, dass es in der EU kein „unbedingtes Recht auf Freizügigkeit“ gebe. An der europarechtlichen Konformität der Befristung der Arbeitssuche gebe es keinen Zweifel. Keine Rechtsbedenken bestünden auch gegenüber der Neuregelung bei den Wiedereinreisesperren, von denen nur sehr wenige Personen betroffen wären.

Dr. Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag sagte, ihre Organisation begrüße den Gesetzentwurf mit einem „Ja, aber“. So begrüße man die Maßnahmen zum Freizügigkeitsrecht wie die Wiedereinreisesperren, frage sich aber, wie praktikabel sie seien. (sto/13.10.2014)

Liste der geladenen Sachverständigen
  • Dr. Klaus Dienelt, Mainz
  • Dr. Franziska Giffey, Bezirksamt Neukölln von Berlin
  • Johannes Jakob, Deutscher Gewerkschaftsbund, Berlin
  • Prof. Dr. Winfried Kluth, Universität Halle
  • Prof. Dr. Daniel Thym, Universität Konstanz
  • Claudius Voigt, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V., Münster
  • Dr. Irene Vorholz, Deutscher Landkreistag, Berlin

Marginalspalte