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Inneres

Bundestag beschließt Verfassungsschutzreform

Der Bundestag hat mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen die von der Bundesregierung geplante Verfassungsschutzreform (18/4654) verabschiedet. Im Anschluss an die Debatte am Freitag, 3. Juli 2015, stimmten CDU/CSU und SPD für die Beschlussvorlage des Innenausschusses (18/5415). Grüne und Linksfraktion votierten mit Nein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV ) soll nun die Landesämter für Verfassungsschutz unterstützen, die Zusammenarbeit koordinieren und in bestimmten Fällen nötigenfalls selbst in die Beobachtung eintreten.

Nachrichtendienstliches Informationssystem

Alle relevanten Informationen sollen zwischen den Verfassungsschutzbehörden ausgetauscht werden müssen. Mit der Zusammenführung dieser Informationen im „Nachrichtendienstlichen Informationssystem“ (Nadis) sollen länderübergreifende Beziehungen und Strukturen besser erkennbar werden.

Zudem wird mit der Vorlage ein gesetzlicher Rahmen für den Einsatz von V-Leuten durch das BfV gesetzt. Danach darf beispielsweise nicht als V-Mann angeworben werden, wer minderjährig ist oder „von den Geld- oder Sachzuwendungen für die Tätigkeit auf Dauer als alleinige Lebensgrundlage abhängen“ würde. Auch werden Kriterien für zulässiges „szenetypisches Verhalten“ wie beispielsweise das Zeigen des „Hitlergrußes“ festgeschrieben.

Konsequenz aus Mängeln der NSU-Verbrechensaufklärung

Das Gesetz sei eine Konsequenz aus den Mängeln bei der Aufklärung der Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), sagte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU). Von einem richtigen Schritt zur Reform des Verfassungsschutzes dem weitere folgen müssten, sprach Dr. Eva Högl (SPD). Stephan Mayer (CDU/CSU) sieht mit der Vorlage die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses „eins zu eins“ umgesetzt.

Keine einzige der im Gesetz enthaltenen Änderungen sei eine logische Konsequenz des NSU-Desasters und behebe die damals gemachten Fehler, befand hingegen Petra Pau (Die Linke). Auch Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) vertrat die Ansicht, dass das Gesetz keinen Beitrag dazu leistet, um zu verhindern, dass sich der NSU-Skandal wiederholt.

Minister: Wir brauchen einen Mentalitätswechsel

Im Falle der NSU-Verbrechen habe man ein kollektives Versagen der Sicherheitsbehörden konstatieren müssen, sagte der Bundesinnenminister. Zu den daraufhin gestarteten Reformen zähle auch das vorliegende Gesetz. Kernpunkte dessen sind auch Sicht de Maizières die Festlegungen, dass das BfV auch dann in den Ländern tätig werden könne, wenn es darüber kein Einvernehmen mit den Landesämtern gebe. Dies müssten jedoch Einzelfälle bleiben, fordert er.

„Wir brauchen einen Mentalitätswechsel bei den Behörden, damit die Aufgabe der Sicherheit als gemeinsame Aufgabe verstanden wird“, sagte der Minister. Was das mit „schweren Abwägungsentscheidungen“ verbundene Thema der V-Leute angeht, so sei dies im Gesetz mit den dort enthaltenen Einschränkungen gut gelöst, befand der Minister, der zugleich deutlich machte, dass seiner Ansicht nach V-Leute unverzichtbar bleiben, um Informationen aus extremistischen Umfeldern zu erhalten.

Linke: Verfassungsschutz auflösen

Das bewertete Petra Pau anders. Das „V-Leute-Unwesen“ der Sicherheitsbehörden müsse sofort beendet werden, forderte die Linke-Abgeordnete. V-Leute seien gekaufte Spitzel. „Dadurch wurden Nazi-Netzwerke gestärkt oder sogar erst aufgebaut“, sagte sie. Was die geplante Verbesserung der Information durch den Verfassungsschutz angeht, gab sie sich skeptisch. Der Verfassungsschutz habe Kenntnis über das Treiben des NSU-Trios gehabt, diese Informationen den Ermittlungsbehörden aber nicht weitergegeben. Insofern werde in dem Gesetz altes für neues verkauft.

„Richtig wäre es, den Verfassungsschutz als Geheimdienst aufzulösen“, sagte Pau. Die Linke-Abgeordnete wandte sich zugleich gegen die Einschätzung, das Gesetz sei eine logische Folge des NSU-Skandals. Vielmehr sei es so, dass bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss einer der Opferanwälte im NSU-Prozess deutlich gemacht habe, dass die Hinterbliebenen der Mordopfer das Gesetz „nicht ansatzweise mittragen“. Sie wehrten sich vielmehr gegen eine Ausweitung der Macht für die Dienste auf ihrem Rücken. „Der Verweis auf die NSU-Opfer ist ungezogen“, sagte Pau.

SPD: Wir brauchen einen Neustart

Ergebnis des NSU-Untersuchungsausschusses sei gewesen, dass unter anderem die fehlende Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden für die erfolglosen Ermittlungen verantwortlich sei. „Die rechtsextremen Terroristen haben sich den Föderalismus zu Nutzen gemacht“, sagte Eva Högl. Zudem habe es beim Verfassungsschutz offenbar an Analysefähigkeiten gemangelt, da man den Rechtsextremismus nicht als Gefahr für die Demokratie erkannt habe.

Was den Einsatz von V-Leuten angeht, hätten im NSU-Fall „Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis gestanden“. So habe man mit 200.000 DM den V-Mann Tino Brand unterstützt, der mit dem Geld nach eigener Aussage den Rechtsextremismus in Thüringen befördert hat. „Wir brauchen hier eine Zäsur, einen Neustart, eine Reform“, sagte die SPD-Abgeordnete und nannte das Gesetz einen richtigen und wichtigen Schritt auf diesem Weg.

Grüne: Schaden durch V-Leute überwiegt

An dem Problem, dass die Verfassungsschutzbehörden unter Verweis auf den Quellenschutz den Ermittlern nicht ihre Informationen zur Verfügung stellen, ändere auch das Gesetz nichts, bemängelte Hans-Christian Ströbele. „Die Übergabe von Informationen durch den Verfassungsschutz an die Polizei ist weiterhin nicht zwingend geregelt“, sagte er und nannte die entsprechende Vorschrift in dem Gesetz verfassungswidrig.

Dem Einsatz von V-Leuten steht der Grünen-Abgeordnete kritisch gegenüber. „Wir brauchen eine Evaluation darüber, ob der Einsatz von V-Leuten mehr Nutzen oder mehr Schaden gebracht hat“, forderte er. Seiner Einschätzung nach überwiegt der Schaden. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass die rechtsextremen V-Leute vieles meldeten, weil sie dafür auch Geld erhielten. „Es waren aber keine Informationen dabei, mit denen man der Gesuchten hätte habhaft werden können.“ Vielmehr hätten die V-Leute die Untergetauchten im Untergrund sogar unterstützt.

CDU/CSU: V-Leute sind unverzichtbar

Er verwahre sich gegen eine pauschale Kritik an den Sicherheitsbehörden, sagte Stephan Mayer an die Opposition gewandt. „Ohne die gut motivierten Mitarbeiter in den Nachrichtendiensten hätte es in Deutschland schon mehrere Anschläge gegeben“, betonte der CSU-Abgeordnete. Einem Verzicht auf den Einsatz von V-Leuten erteilte auch Mayer eine Absage. Ein Vorgehen wie in Thüringen, wo die rot-rote Landesregierung die Abschaltung von V-Leuten beschlossen habe, sei fatal.

„Wenn wir Informationen wollen, sind V-Leute unverzichtbar“, sagte Mayer. Im Gesetz sei ganz klar geklärt, wer dafür in Betracht komme und was er tun dürfe. Mit Blick auf die koordinierende Funktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz stellte Mayer klar, dass er sich habe hier mehr vorstellen können. Man habe aber nun mit den Ländern eine tragfähige Lösung gefunden. Danach könne das BfV auch ohne Einverständnis mit den Landesbehörden agieren. Ebenso wie der Innenminister zuvor betonte auch Mayer, dass dies nur im Einzelfall passieren dürfe, die Zeiten des Herrschaftswissens aber vorbei sein müssten. (hau/03.07.2015)

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