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Parlament

Lahcen: Marokko hat viele Schritte vorwärts gemacht

Lahcen Handi

Lahcen Handi aus Marokko (DBT/photothek.net)

Es ist immer von Vorteil, gute Freunde zu haben. Auch Lahcen Handi weiß das. Nicht zuletzt wegen seiner Bekanntschaft mit Abderrahim Essaadi und Brahim Oubaha ist der Marokkaner derzeit in Berlin. Wie seine beiden Studienfreunde und Kollegen in den Jahren 2012 und 2013 nimmt der 26-Jährige in diesem Jahr am Sonderprogramm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Bundestages für arabische Staaten teil. „Die beiden haben mir davon erzählt und mich so auf die Idee gebracht, mich zu bewerben“, sagt er. Noch bis zum 30. September nimmt er an dem Programm teil – hat auch eine Woche als Praktikant im Büro der SPD-Abgeordneten Dr. Simone Raatz gearbeitet. „Ich gehe zurück mit neuen Erkenntnissen und mehr Wissen“, zieht er schon jetzt ein Fazit der Zeit in Berlin. „Das ist eine großartige Erfahrung, ein Praktikum im Herzen der Demokratie leisten zu können“, sagt Lahcen Handi.

„Deutsch ist für mich der Zugang zu einer anderen Weltsicht“

Eine der Grundvoraussetzungen, um am IPS teilnehmen zu können, ist bekanntlich die Kenntnis der deutschen Sprache. „Deutsch ist für mich nicht nur eine Sprache, sondern der Zugang zu einer anderen Weltsicht“, erläutert er seine Motivation, die Sprache zu erlernen. Dazu kommt noch, dass es in seiner Heimat eher wenige gibt, „die Deutsch aus Überzeugung lernen und studieren“. Was natürlich auch irgendwie ein Wettbewerbsvorteil für ihn ist, wie er einräumt.

Während des Germanistik-Studiums in Casablanca und Tanger, lernte Lahcen Handi Abderrahim Essaadi und Brahim Oubaha kennen. Mit ihnen zusammen entstand auch die Idee, den „marokkanisch-deutschen Verein für den kulturellen Austausch und die Zusammenarbeit“ zu gründen. Den jungen Leuten geht es darum, „die Tradition der deutsch-marokkanischen Freundschaft fortzuführen“, wie Lahcen Handi sagt.

„Wir haben viele Schritte nach vorn gemacht“

Eine Tradition, die aus dem 18. Jahrhundert herrührt. Damals habe es die ersten Firmengründungen von Deutschen in dem nordafrikanischen Land gegeben, erzählt er. Nach der Unabhängigkeit Marokkos im Jahr 1956 habe es dann auch einen verstärkten Austausch auf staatlicher Ebene gegeben. „Wir jungen Leute wollen jetzt auch unseren Beitrag leisten“, sagt er. Schließlich gebe es seit 2011 ein weiter zunehmendes Interesse Deutschlands an den nordafrikanischen Ländern.

Dabei werde immer wieder Tunesien an erster Stelle genannt, sagt Lahcen Handi und bestätigt, dass Tunesien durchaus als gutes Beispiel gelten könne. Aber auch Marokko habe sich entwickelt. „Wir haben viele Schritte nach vorn gemacht“, sagt der Marokkaner. Damals – im „Arabischen Frühling“, wie die Medien sagen oder dem „Demokratischen Frühling“, wie Lahcen Handi sagt – habe es auch in Marokko viele Demonstrationen gegeben. „Es ging um mehr Freiheit, mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Demokratie.“

„Man kann nicht alles auf einmal in die Tat umsetzen“

Und doch gab es einen Unterschied im Umgang mit diesen Forderungen im Vergleich zu Tunesien oder Ägypten. „In Marokko gab es schon 2011 eine Verfassungsreform, mit der viele Forderungen der Demonstranten aufgefangen wurden“, erläutert der 26-Jährige. So sei etwa die Berbersprache als offizielle Sprache anerkannt worden. „Eine große Errungenschaft“, wie Lahcen Handi betont.

Vier Jahre später sieht er sein Land „auf dem richtigen Weg, die Demokratie zu bauen“. Weiß aber auch: „Die Schritte dahin sind sehr langsam.“ So seien zwar viele wichtige Sachen in der Verfassung anerkannt. Doch gebe es einen Unterschied zwischen den eigentlichen verfassungsgemäßen Rechten und der Verfassungswirklichkeit. Der junge Marokkaner lässt sich dadurch nicht entmutigen: „Man kann nicht alles auf einmal in die Tat umsetzen, aber man muss immer daran arbeiten. Wichtig ist, dass alle Akteure in Politik und Zivilgesellschaften zusammenarbeiten, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.“

„Terrorismus kein muslimisches Problem“

Ist denn der aufflammende Terrorismus – beispielsweise durch die Terrororganisation Islamischer Staat – eine Gefahr für ein gutes Ergebnis? Ja, der Terrorismus ist eine echte Gefahr, bestätigt Lahcen Handi. „Aber nicht nur für nordafrikanische Länder, sondern auch für den Nahen Osten und auch für Europa“, fügt er hinzu. Er wehrt sich gegen „die üblichen Reflexe“, nach denen immer gesagt werde, Terrorismus sei ein muslimisches Problem. „Die Terroristen sind unmenschlich und herzlos. Das hat nichts mit dem Islam zu tun“, stellt er klar. Was die aktuelle Gefährdungslage angeht, so sieht er Marokko als sehr stabil an. „Unser Sicherheitssystem ist stark genug, den Bedrohungen standzuhalten“, so seine Einschätzung.

Doch Lahcen Handi bemüht sich auch, das Problem tiefer zu durchleuchten, Ursachen zu finden. „Die terroristische Bedrohung kommt zumeist von jungen Menschen, die arbeitslos sind, keine Berufsausbildung haben und teils noch nicht einmal eine Schule besucht haben.“ Bei der Bildung müsse angesetzt werden, fordert er, denn: „Wenn es den Mensch besser geht, erhalten die Terroristen weniger Zulauf.“

Bildung als Schritt zu sozialem Wohlstand

Bildung – der Schlüssel vielleicht nicht zu allem, aber zu vielem. Stichwort Flüchtlinge: Eine Herausforderung sei die derzeitige Situation, findet der Marokkaner, aber nicht nur für Deutschland und Europa, sondern auch für die Herkunftsländer. „Die Frage ist doch, warum die Menschen ihre Länder verlassen wollen.“ Als eine Antwort fällt ihm auch hier das Thema Bildung ein, als einer der ersten Schritte zu einem gewissen Maß an sozialem Wohlstand. Denn das ist eine der Erkenntnisse, die Lahcen Handi aus dem Bundestag mit nach Hause nimmt: „Demokratie ist ein langer Prozess, der Mühe macht und Zeit braucht. Wie schnell die Demokratie wächst, hat aber auch mit den sozialen Umständen und der Geschichte eines Landes zu tun“, urteilt der 26-Jährige.

Was den Umgang Deutschlands mit den Flüchtlingen angeht, so gibt es aus seiner Sicht Positives zu bemerken. „In Deutschland gibt es eine Willkommenskultur für die Flüchtlinge. Das finde ich gut.“ Es sei wichtig, die Menschen in den Blickpunkt zu stellen – ohne Frage nach der Herkunft oder der Religion. Was die weitere Entwicklung angeht, so zeigt sich der Nordafrikaner optimistischer als manch europäischer Politiker: „Ich bin überzeugt, dass es eine Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern geben wird, damit das Problem gelöst wird“, sagt er. (hau/28.09.2015)

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