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Geschichte

Lammert würdigt Schmidt als großen Staatsmann

Helmut Schmidt

Helmut Schmidt (dpa)

Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat den am Dienstag, 10. November 2015, verstorbenen früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt als einen in aller Welt in höchster Weise geachteten Staatsmann gewürdigt, der deutsche Politik berechenbar gemacht habe. In einem Beileidsschreiben an die Tochter Schmidts nannte Lammert den ehemaligen Bundeskanzler „eine der bedeutendsten politischen und intellektuellen Persönlichkeiten unseres Landes“, die sich als Parlamentarier, als Bundesminister und vor allem als Bundeskanzler auf herausragende Weise um Deutschland verdient gemacht habe.

„Nüchternheit und Rationalität, Toleranz und Weltoffenheit“

Von der Wirtschaftsrezession der 1970er Jahre bis zu Deutschlands Rolle im Kalten Krieg habe Helmut Schmidt in seiner Amtszeit große Herausforderungen zu bewältigen gehabt, die er ebenso tatkräftig wie besonnen gemeistert habe. Unvergessen sei seine Standfestigkeit im „Deutschen Herbst“, in dem die Bundesrepublik ihre schwerste Belastungsprobe bestand, ohne selbst die Freiheit zu gefährden, gegen die der Terror gerichtet war, schrieb Lammert.

Damit habe sich Helmut Schmidt hohes Vertrauen und Ansehen erworben - nicht allein in Deutschland. In der ganzen Welt habe Helmut Schmidt höchste Reputation als Staatsmann genossen, der deutsche Politik berechenbar gemacht habe, „weil sie auf Nüchternheit und Rationalität, Toleranz und Weltoffenheit beruhte“. 

Auch nach seiner Amtszeit sei Helmut Schmidt mit seiner immensen politischen Erfahrung für die politische Debatte prägend gewesen - in Vorträgen, als Autor und Mitherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“. Nicht wenigen Menschen habe seine Meinung bis zuletzt als ein Kompass gedient. Man verneige sich vor einer der „bedeutendsten politischen und intellektuellen Persönlichkeiten unseres Landes“, erklärte der Bundestagspräsident.

Als „Elder Statesman“ gefragt

Schon zu Lebzeiten war Helmut Schmidt eine politische Legende, die sich bis zuletzt einmischte. Etwa ein Drittel seines Lebens, neun Wahlperioden, gehörte er dem Bundestag an, mehr als acht Jahre amtierte er als Bundeskanzler. Nicht zufällig titelte ein großes Magazin bei der Abwahl des Bundeskanzlers „Der Lotse geht von Bord“ und stellte ihn damit gleichsam in eine Reihe mit Otto von Bismarck.

Auch als „Elder Statesman“ war Schmidt im In- und Ausland als Rat- und Ideengeber gefragt, wurden seine Reden und Bücher viel gelesen und beachtet. Mit seinen tiefgründigen, nicht selten auch kritischen Analysen und Kommentaren hat er auch noch nach seiner Zeit als aktiver Politiker die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung im In- und Ausland begleitet. Die Beliebtheit des Altkanzlers und die Anerkennung seiner Lebensleistung stiegen mit zunehmendem Lebensalter über fast alle politischen Lager hinweg ständig an.

Soldat in der Sowjetunion

Helmut Schmidt wurde am 23. Dezember 1918 in Hamburg geboren. Sein Vater war Studienrat und Diplom-Handelslehrer und erzog seinen Sohn streng. Nach dem Abitur 1937 wurde Schmidt, der eigentlich Städtebauer werden wollte, von den Nationalsozialisten zu Arbeits- und Wehrdienst verpflichtet.

Im Zweiten Weltkrieg war er Soldat in der Sowjetunion, später an der Westfront und geriet kurzzeitig in britische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg studierte er unter anderem bei Karl Schiller Staatswissenschaften und Volkswirtschaft in Hamburg. 1946 trat er der SPD bei. Seine Berufslaufbahn begann der Diplom-Volkswirt 1949 als Referent in der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr.

Innensenator in Hamburg

Bereits 1942 hatte er seine ehemalige Klassenkameradin Hannelore (Loki) Glaser geheiratet. Das Ehepaar hat eine gemeinsame Tochter. Politisch erwies Schmidt sich stets als Realist und nüchterner Pragmatiker, der politische Fragen ohne Emotionen mit scharfem Verstand analysierte, beharrlich seine Ziele verfolgte und mit Entscheidungskraft und Mut Probleme und Herausforderungen zu meistern verstand. 1962 stellte er dies erstmals als Krisenmanager bei der Bewältigung der Hamburger Flutkatastrophe unter Beweis.

Schmidt gehörte dem Deutschen Bundestag zwischen der zweiten und zehnten Wahlperiode insgesamt 31 Jahre an. 1953 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt und war als Verkehrs- und Militärexperte einer der profiliertesten Vertreter der jüngeren Generation im deutschen Parlament. Nur wenige Jahre nach seinem Mandatsantritt wurde er Mitglied des Fraktionsvorstandes und des Bundesvorstandes der SPD. Anfang der sechziger Jahre übernahm Schmidt das Amt des Innensenators in Hamburg, weshalb er vorübergehend sein Bundestagsmandat niederlegte.

Verteidigungsminister im Kabinett von Willy Brandt

Bei der Bundestagswahl 1965 errang er erneut ein Bundestagsmandat. In den Jahren der Großen Koalition arbeitete er als Fraktionsvorsitzender eng mit seinem Amtskollegen von der CDU/CSU-Fraktion, Rainer Barzel, zusammen. 1969 reformierte er als Verteidigungsminister im Kabinett von Willy Brandt die Bundeswehr. Auch als Finanzminister im zweiten Kabinett Brandt widmete er sich weiterhin außenpolitischen Themen, offen kritisierte er die Vietnampolitik der USA.

Nachdem Bundeskanzler Willy Brandt wegen der Affäre um den DDR-Agenten Günter Guillaume zurückgetreten war, wurde Schmidt 1974 vom Bundestag zum fünften Kanzler der Bundesrepublik gewählt. Zweimal, bei den Bundestagswahlen von 1976 und 1980, wurde er im Amt bestätigt. Achteinhalb Jahre war Schmidt Bundeskanzler. In seine Amtszeit musste er sich insbesondere mit der weltweiten Rezession, der Ölkrise und dem RAF-Terrorismus auseinandersetzen.

Ruf eines politischen Krisenmanagers

Aufgrund seines besonnenen und betont sachlichen, aber entschlossenen Umgangs mit den anstehenden Problemen erwarb er sich in der bundesdeutschen Öffentlichkeit den Ruf eines politischen „Krisenmanagers“. Im Ausland wurde er unter anderem für seine Stabilitätspolitik geschätzt. Die britische Financial Times erklärte Schmidt 1975 zum „Mann des Jahres“.

Auf sein Betreiben stimmen der amerikanische Präsident Jimmy Carter, der französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing und der britische Premierminister James Callaghan 1979 dem umstrittenen Nato-Doppelbeschluss als Antwort auf die Dislozierung sowjetischer Mittelstreckenraketen zu. Im selben Jahr hebt der Deutsche Bundestag die Verjährungsfrist für Mord - und damit auch für die Massenmorde der Nationalsozialisten - auf.

Bis 1987 Bundestagsabgeordneter

1982 wurde Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt, durch das zugleich der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Dr. Helmut Kohl zum Nachfolger gewählt wurde. Schmidt blieb noch bis 1987 als Direktkandidat für den Wahlkreis Hamburg-Bergedorf Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach dem Rückzug aus der Bundespolitik nahm Schmidt als Kommentator und Ratgeber weiterhin engagiert am politischen Leben teil und begann als Publizist und Mitherausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“ eine neue Karriere. Seine Meinung - stets präzise formuliert und rhetorisch ausgefeilt - war im In- und Ausland gefragt. Mit kritischen Äußerungen sorgte er immer wieder für Kontroversen.

Mehr als 30 renommierte Universitäten des In- und Auslands verliehen Schmidt die Ehrendoktorwürde; überdies wurde der Altkanzler mit zahlreichen Preisen für sein Wirken als Politiker, Ökonom und Publizist ausgezeichnet. Von ihm stammt die Idee, für jeden Bundeskanzler einen Baum im Bonner Park des Palais Schaumburg zu pflanzen. Der Hanseat Schmidt wählte eine Trauerweide zu seinem „Baum der Erinnerung“. (sq/10.11.2015)

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