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Parlament

Stübgen: Pauschale Kritik an Ungarn unangebracht

Die Abgeordneten Michael Stübgen und Karl Holmeier im Gespräch mit dem stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden Dr. Gergely Gulyás (rechts)

Abgeordnete Michael Stübgen, Karl Holmeier, mit Gergely Gulyas, Vizepräsident der Ungarischen Nationalversammlung (rechts) (Szecsődi Balázs)

Parlamentariergruppen werden oft als Brücken bezeichnet. Sie pflegen die Beziehungen des Bundestages zu den Parlamenten in anderen Ländern und sorgen so dafür, dass der Kontakt selbst dann nicht abreißt, wenn es auf Regierungsebene einmal Konflikte gibt. „Die Rolle des Brückenbauers nehmen Parlamentariergruppen wahr“, sagt Michael Stübgen (CDU/CSU), Vorsitzender der Deutsch-Ungarischen Parlamentariergruppe im Bundestag. „Allerdings stehen wir Abgeordnete, anders als Regierung, nicht so sehr im Rampenlicht. Wir treffen uns nicht auf Gipfeln, über die dann Medien auf der ganzen Welt berichten.“ Den Austausch zwischen den Ländern fördern, wenn nötig vermitteln – diese Aufgabe hat Stübgen, seit 2014 neuer Vorsitzender der 1987 erstmals konstituierten Parlamentariergruppe, gern übernommen.

„Eigen und nicht stromlinienförmig“

Für Ungarn hegt der in der ehemaligen DDR geborene Abgeordnete seit Jahren Sympathie: „Ungarn war für uns damals sozusagen halb Westen – und immer ein wenig anders als die anderen Staaten im Ostblock“, erinnert sich Stübgen. „Gulasch-Kommunismus“ sei deren abgeschwächte Form des Staatssozialismus oft genannt worden. „Das hörten die Ungarn zwar nicht gern, aber ich mochte immer an ihnen, dass sie so eigen und eben nicht so stromlinienförmig sind.“

Diese Verbundenheit ist ihm heute von Nutzen. Und gerade in jüngster Zeit: Denn seit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang September 2015 entschied, den in Ungarn festsitzenden Flüchtlingen Aufnahme in Deutschland zu gewähren, schwelt Streit in Europa über den richtigen Umgang mit der Flüchtlingskrise. Die deutsche und die ungarische Regierung vertreten konträre Positionen. Da sind Brückenbauer wie Stübgen gefragt.

Differenzen über europäische Flüchtlingspolitik

Während Merkels Beschluss für die einen eine Geste der Menschlichkeit war, wurde sie von anderen als „verhängnisvoller Fehler“ kritisiert. Ihre Politik der „offenen Tür“ sei mitverantwortlich, dass immer mehr Flüchtlinge in die EU kämen, so die Kritik insbesondere aus Ungarn und Polen.

Die Forderung der deutschen Regierungschefin nach einer gemeinsamen europäischen Lösung und einer fairen Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedstaaten konterte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán gar mit dem Hinweis, die Flüchtlingskrise sei vor allem ein deutsches Problem. Seine Flüchtlingspolitik, die wiederum in Deutschland heftig diskutiert wurde, verteidigte er: Mit der Errichtung eines Grenzzauns und der Festsetzung von Flüchtlingen habe er nur geltendes europäisches Recht umgesetzt.

Streit im Freundschaftsjahr

Ein handfester Konflikt ausgerechnet zum Ende des deutsch-ungarischen Freundschaftsjahres, in dem das 25. Jubiläum von ungarischer Grenzöffnung, Mauerfall und deutscher Wiedervereinigung gefeiert werden sollte? Statt der Erinnerung an das Ende des Eisernen Vorhangs, symbolisiert durch das Durchschneiden des Stacheldrahtzaunes an der ungarischen Grenze durch den damaligen österreichischen Außenminister Alois Mock und seinen ungarischen Amtskollegen Gyula Horn am 27. Juni 1989, dominierten nun Bilder eines neuen ungarischen Grenzzauns die Medien. Mit Stacheldraht hatte das Land im Sommer 2015 begonnen, vor allem seine Grenzen zu Kroatien und Serbien abzuriegeln, um die illegale Einreise von Flüchtlingen zu unterbinden.

Für den Vorsitzenden der Deutsch-Ungarischen Parlamentariergruppe ist dies jedoch eine unpassende Verknüpfung: „Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich“, moniert er. Überhaupt sei die Medienberichterstattung in Deutschland über Ungarn ausgesprochen unfair, so der Abgeordnete aus dem brandenburgischen Wahlkreis Elbe-Elster/Oberspreewald-Lausitz: „Diese pauschale Kritik ist unangebracht.“

Gerade im Bereich der Flüchtlingspolitik. Einige westeuropäische Länder hätten sich in der Vergangenheit nicht an das Dublin-Verfahren der Europäischen Union gehalten, wonach Flüchtlinge grundsätzlich in dem Land das Asylverfahren durchlaufen, in dem sie ankommen: „Italien oder Griechenland verletzen die Regeln, ohne dass daran offen Anstoß genommen wird. Ungarn aber wird als Buhmann hingestellt, wenn es versucht, die Dublin-Regelungen einzuhalten“, sagt Stübgen, der seit 2005 europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion ist.

Delegationsreise nach Budapest

Als Vorsitzender der Parlamentariergruppe setzt er sich bewusst für mehr Fairness im Umgang mit Ungarn ein – und angesichts der offenkundigen Verstimmung auf beiden Seiten auch für Verständigung zwischen Berlin und Budapest: Kurz nach Merkels kontrovers diskutierter Entscheidung, reiste Stübgen als Leiter einer fünfköpfigen Delegation von Bundestagsabgeordneten, zu der auch Christian Petry (SPD), Uda Heller, Karl Holmeier (beide CDU/CSU) und Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) gehörten, vom 15. bis 17. September 2015 in die ungarische Hauptstadt. Es war ein von langer Hand geplanter Besuch, der aber von den aktuellen Ereignissen in der Flüchtlingskrise dominiert wurde.

Zum Meinungs- und Informationsaustausch traf die Delegation sowohl mit Parlamentariern als auch mit Regierungsvertretern zusammen, darunter der Staatssekretär des Ministeriums für Außenhandel und Auswärtiges, László Szabó, und die stellvertretenden Staatssekretärin für Internationale und EU-Angelegenheiten im Innenministerium, Dr. Krisztina Berta.

Trotz der Differenzen in der Flüchtlingsfrage sei das Klima der Gespräche jedoch insgesamt freundlich und entspannt gewesen, berichtet Stübgen: „Das rechne ich unseren ungarischen Partnern hoch an – gerade angesichts des Durcheinanders, das die deutsche Entscheidung im September erzeugt hat.“ Der Beschluss an sich sei zwar richtig gewesen, betont er: „Das Problem war jedoch die mangelnde Kommunikation, dass die ungarische Regierung in die Entscheidung nicht eingebunden war.“

Besuch im Flüchtlingslager Bicske

Neben den Austausch unter Kollegen nutzen die deutschen Abgeordneten die Reise nach Budapest auch, um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie Ungarn konkret mit der Flüchtlingskrise umgeht: So traf sich die Delegation unter anderem mit Mitgliedern von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen und besuchte das Flüchtlingslager in Bicske: „Das war ein Auffanglager, wie ich es auch aus Deutschland kenne“, betont Stübgen. „Unhaltbare Zustände, die es laut Medienberichten im Flüchtlingslager Debrecen gegeben haben soll, konnte ich nicht feststellen.“

Insgesamt sieht der Vorsitzende der Parlamentariergruppe die Beziehungen auf parlamentarischer Ebene – trotz der Flüchtlingskrise – nicht gefährdet: „Unser Verhältnis ist gut. Für Ungarn ist die interparlamentarische Zusammenarbeit, überhaupt die Zusammenarbeit mit Deutschland sehr wichtig – nicht zuletzt aufgrund der Rolle, welche deutsche Unternehmen in Ungarn spielen.“ Wie ernst die Ungarn die Kontaktpflege nähmen, zeige auch, dass mit Zoltán Balog ein Minister Vorsitzender der Ungarisch-Deutschen Freundschaftsgruppe sei.

Wichtige Hintergrundinformationen

Das Gespräch mit ihm beim Besuch in Budapest bezeichnet Stübgen als „sehr offen und vertraulich“: „So ein Austausch hilft uns Parlamentariern, Hintergründe nachzuvollziehen oder manche Dinge richtig einzuordnen.“

Kritik werde offen angesprochen, sagt Stübgen: „Allerdings äußere ich Kritik nicht über die Presse, sondern im direkten Gespräch. Meine Hoffnung ist ja, Fehlentwicklungen zu korrigieren – aber genau das würde ich verhindern, wenn ich sie öffentlich anprangern würde.“ (sas/08.03.2016)

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