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Parlament

Kulturvermittler zwischen Orient und Okzident

Ein Mann stehend mit der Hand auf ein Geländer gestützt

IPS-Stipendiat Türkmen Özmen (DBT/Photothek/Florian Gaertner)

Kritik ja – Beleidigungen nein. Türkmen Özmen hat eine klare Haltung, was die aktuelle deutsch-türkische Streitfrage Nr. 1 angeht. „Kritik ist sehr in Ordnung. Sie muss sogar sein, sonst gibt es keine Weiterentwicklung“, sagt der 27-jährige Türke. Die Grenze sei aber dann erreicht, wenn es beleidigend wird. Das Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist aus seiner Sicht so ein Fall.

„Das ist für mich kein Kunstwerk, sondern war bewusst verletzend, wie es auch die Kanzlerin formuliert hat“, urteilt Türkmen Özmen. Das Vorgehen der Bundesregierung in der Causa Böhmermann unterstützt er, „weil es richtig ist, dass in einem Rechtsstaat Gerichte über solche Streitfragen urteilen“. Inwieweit Politiker im Deutschen Bundestag kritisiert oder eventuell auch beleidigt werden, kann der studierte Sprach- und Kulturvermittler derzeit aus nächster Nähe beobachten. Noch bis Ende Juli nimmt er am Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) teil. Derzeit hospitiert er im Abgeordnetenbüro des Verkehrspolitikers Oliver Wittke (CDU/CSU).

„Politik muss man nicht unbedingt studieren“

Für Türkmen Özmen ist das IPS eine großartige Sache. Auch und besonders vor dem Hintergrund, dass der 27-Jährige seine berufliche Zukunft in der Politik sieht. „Politik muss man nicht unbedingt studieren“, findet er. „Das hat vor allem mit praktischen Erfahrungen zu tun.“ Nach dem Stipendium will er sich in der Türkei für Tätigkeiten in diplomatischen Vertretungen oder im Außenministerium bewerben. Und ist optimistisch, was seine Chancen angeht. „Mit Leidenschaft und großer Motivation kann man alle Hürden überwinden.“ Doch Türkmen Özmen interessiert sich nicht nur leidenschaftlich für Politik. Er weiß auch seine Worte sorgfältig und gut ausgesucht zu setzen – wie es von einem Diplomaten verlangt wird.

So auch bei der Antwort auf die Frage, ob denn angesichts der aktuellen Entwicklungen – Chefredakteure türkischer Tageszeitungen stehen derzeit wegen angeblichen Geheimnisverrates vor Gericht – die Pressefreiheit in der Türkei in Gefahr ist. Presse sollte einen besonderen Schutz genießen, sagt Türkmen Özmen und fügt hinzu. „Die Türkei sollte bei solchen Themen europäische Standards als Wegweiser nutzen.“ Aber: „Die Standards sind nicht immer gleich.“ In der Türkei gebe es eine größere Terrorgefahr als in Europa. Und wenn es beispielsweise um Terror geht, „gibt es leider auch Einschränkungen“, sagt Türkmen Özmen.

Türkei als Brücke zwischen Orient und Okzident

Kein Verständnis hat er für die hierzulande immer öfter zu vernehmende Sorge, die Türkei entwickle sich weg von einem säkularen hin zu einem religiösen Staat. „Das kann ich nicht nachvollziehen – erst recht nicht mit Blick auf die Situation in den Nachbarländern“, sagt der Türke. Sein Land sei noch immer „hoffnungsgebend für die EU und ein Stabilitätsanker in der Region sowie eine wichtige Brücke zwischen den Kulturen von Orient und Okzident“. Er erhoffe sich daher konstruktive Kritik der EU, „damit die Türkei die Standards ernst nimmt und um eine Verbesserung bemüht bleibt“.

Was das Verhältnis der Türkei zur EU angeht, so sieht er dieses „konjunkturellen Schwankungen“ unterworfen. Er finde es wichtig, dass sich die Türkei in Richtung Westen, in Richtung Europa orientiert. „Daher wären die Beitrittsverhandlungen eine große Chance.“ Von der EU erwartet Türkmen Özmen, eine Entscheidung zu treffen, statt immer wieder die Haltung zur Türkei zu ändern. „Der Westen kann nur dann erwarten, dass sich die Türkei auf ihn zubewegt oder annähert, wenn die Tür geöffnet bleibt“, betont er.

Türkmen: Deutsch-türkisches Verhältnis ist besonders wichtig

Das Verhältnis seines Heimatlandes zu Deutschland sieht Türkmen Özmen als besonders wichtig, aber auch als besonders gefestigt an. Deshalb hat er auch die „strategische Entscheidung“ gefällt, Deutsch zu studieren. Als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Türkischen Stiftung für Bildung (TEV) hat Türkmen Özmen den Masterstudiengang in Sprach-, Kultur- und Translationswissenschaften an der Johannes-Gutenberg- Universität zu Mainz absolviert.

Ein interdisziplinärer Studiengang, wie er sagt. „Es geht bei dem Studium um alles, was das Leben betrifft“, so der 27-Jährige. „Stellen Sie sich vor, Sie sind Dolmetscher zwischen dem türkischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin – da sollten sie die verschiedenen Themen genauso beherrschen wie die beiden“, erläutert er.

Flüchtlingsvertrag mit der Türkei

Womit wir wieder bei Erdoğan und Merkel sind und damit bei der aktuellen politischen Situation. Stichwort Flüchtlingsvertrag mit der Türkei. Aus Sicht von Türkmen Özmen wird zu Unrecht kritisiert, dass die EU der Türkei Geld zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zahlt. Aus humanitären Gründen habe die Türkei ihre Grenzen für geflüchtete Syrer geöffnet.

Knapp drei Millionen seien bislang gekommen - Tendenz ständig steigend. Viele davon schon lange bevor die ersten Flüchtlinge Europa erreicht hatten. Diese Menschen müssten vom Gesundheitssystem und dem Bildungssystem aufgefangen werden. „Mit den EU-Geldern werden direkt Projekte für Flüchtlinge finanziert“, sagt er. Etwa im Bildungsbereich, damit es eben keine „lost generation“ gibt. Insofern komme die EU mit der Zahlung lediglich ihrer internationalen Verantwortung bei der Lösung des Problems nach.

Visafreiheit zwischen EU und Türkei

Bestandteil der Vereinbarungen zwischen EU und Türkei ist auch die Visafreiheit. Türkmen Özmen erachtet das als „gut und wichtig“ und verbindet damit große Hoffnungen. Er selbst hat mehrfach schon komplizierte und langwierige Prozedere der Visabeantragung auf sich genommen. „Wir brauchen hier Erleichterungen“, sagt er. Ängste, wie sie etwa vom Bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) geäußert wurden, man hole sich so die innertürkischen Probleme ins Land, kann er nicht nachvollziehen.

„Es geht um ein 90-Tage-Visum, damit man aus touristischen, geschäftlichen oder studienbezogenen Gründen nach Europa kommen kann“, verdeutlicht er und ist sich sicher: „Es wird der EU nicht schaden, wenn es zu Erleichterungen kommt.“ In diesem Fall könnte auch Türkmen Özmen öfter Berlin besuchen. Eine Stadt, die selten schläft, wie er sagt, und gerade für politisch interessierte Menschen „sehr inspirierend ist“. (hau/02.05.2016)

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